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German Pages 312 [314] Year 2011
Das antike Rom und sein Bild
Transformationen der Antike
Herausgegeben von Hartmut Böhme, Horst Bredekamp, Johannes Helmrath, Christoph Markschies, Ernst Osterkamp, Dominik Perler, Ulrich Schmitzer
Wissenschaftlicher Beirat: Frank Fehrenbach, Niklaus Largier, Martin Mulsow, Wolfgang Proß, Ernst A. Schmidt, Jürgen Paul Schwindt
Band 21
De Gruyter
Das antike Rom und sein Bild
Herausgegeben von
Hans-Ulrich Cain, Annette Haug und Yadegar Asisi
De Gruyter
Gedruckt mit finanzieller Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung
ISBN 978-3-11-020131-4 e-ISBN 978-3-11-025498-3 ISSN 1864-5208 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Das antike Rom und sein Bild / herausgegeben von Hans-Ulrich Cain, Annette Haug und Yadegar Asisi. p. cm. -- (Transformationen der Antike, ISSN 1864-5208) Proceedings of a conference. Includes bibliographical references and index. ISBN 978-3-11-020131-4 (hardcover : alk. paper) 1. Rome--In art--Congresses. 2. Rome--In literature--Congresses. I. Cain, Hans-Ulrich. II. Haug, Annette. III. Asisi, Yadegar, 1955NX653.R66A58 2011 704.9’443763--dc23 2011030665
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2011 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Logo „Transformationen der Antike“: Karsten Asshauer – SEQUENZ Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Inhalt
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Inhalt Yadegar Asisi Zum Geleit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Hans-Ulrich Cain, Annette Haug Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Das Leipziger Rom-Panorama 2005 und seine historischen Vorlagen Hans-Ulrich Cain Das Leipziger Panorama ROM 312 von Yadegar Asisi – Zentrum eines zeitgenössischen Medienensembles (Taf. 1–7) . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Valentin Kockel „Wissenschaft und Kunst sind, wie selten, eine glückliche Verbindung eingegangen“. Das Rom-Panorama von Josef Bühlmann im Kontext des 19. Jahrhunderts (Taf. 8–9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Josef Engemann Konstantin und das Jahr 312 im Blickpunkt der Forschung . . . . . . . . . .
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Rombilder der Spätantike und des frühen Mittelalters Annette Haug Das spätantike Rombild zwischen Visualisierung und Imagination (Taf. 10–11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Franz Alto Bauer Die Stadt Rom im Spiegel spätantiker und frühmittelalterlicher Beschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
Das Interesse an Ruinen zwischen historischer Reflexion und identitätsstiftender Imagination Alain Schnapp Les ruines dans l’Antiquité classique . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Hans-Rudolf Meier Visuelle Konzeptionen der antiken Stadt Rom in der Frühen Neuzeit: Ruinenlandschaften versus Rekonstruktionen – ein Überblick (Taf. 12) . . . . 139 Angelika Corbineau-Hoffmann „Les Antiquitez de Rome“ oder Reflexionen auf Ruinen: Joachim du Bellays Architekturen des Imaginären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
Das antike Rom im modernen Stadtbild Paolo Liverani Die neuen Großgrabungen im 18. und 19. Jahrhundert: Forum Romanum und Kaiserforen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Stefan Altekamp Die visuelle Konzeption der Stadt Rom zur Zeit des Faschismus (Taf. 13) . . . 203
Fallbeispiele zur Visualisierung des antiken Rom seit der Frühen Neuzeit Axel Gampp Rom zwischen Tivoli und Washington. Die Visualisierung des antiken Rom in der Frühen Neuzeit (Taf. 14–15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Ulrike Wulf-Rheidt Die Darstellung komplexer Gebilde als Grundlage für bauforscherische Untersuchungen – das Beispiel Kaiserpalast auf dem Palatin (Taf. 16–19) . . . 245 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Informationen zu den Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Tafelteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
Zum Geleit
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Zum Geleit Ya d eg a r A s is i
Ich habe in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Panoramen entworfen und ausgeführt. Einige existieren bisher auch nur als Zeichnungen und sind (noch) nicht ins Große umgesetzt. Aber das Panorama des antiken Rom wird wohl immer etwas Besonderes für mich bleiben. Es war mein erstes Panorama und ihm verdanke ich sozusagen meinen neuen Beruf, meine ‚Berufung‘. Deshalb freut es mich besonders, dass die Universität Leipzig die Ausstellung des Panoramas „Rom 312“ im Asisi Panometer Leipzig zum Anlass genommen hat, um in einem Kolloquium den Dialog von Wissenschaft und Kunst unter ganz neuen und interdisziplinären Blickwinkeln – sozusagen in ‚panoramatischer‘ Perspektive – zu intensivieren. Für mich war das Kolloquium eine Horizonterweiterung und ich freue mich umso mehr, dass der vorliegende Tagungsband die interessanten Ergebnisse nunmehr vereint. Es fing damals eher harmlos an, und niemand ahnte, was einmal daraus werden würde: 1992 bekam ich den Auftrag, als Architekt die große, von Marie Louise von Plessen und Ulrich Giersch kuratierte Ausstellung „Sehsucht“ in der Bundeskunsthalle Bonn zu gestalten, in der zum ersten Mal einem breiten Publikum die Geschichte des Panoramas, des Dioramas und der anderen Vorläufer des Kinos vorgestellt werden sollte. Was die ‚Riesenrundgemälde‘ des 19. Jahrhunderts genau waren, dies war in Vergessenheit geraten, das Medium bis auf wenige Relikte verschwunden. Der Gedanke lag also nahe, in der „Sehsucht“-Ausstellung ein Panoramagemälde samt zugehöriger begehbarer Ausstellungsrotunde zu rekonstruieren. Die Wahl fiel rasch auf das Panorama des antiken Rom von Bühlmann und Wagner aus dem Jahr 1888 (Faltblatt 1). Und zwar aus mehreren Gründen: Erstens stand uns eine halbwegs brauchbare Vorlage der Gesamtabwicklung dieses Panoramas zur Verfügung, zweitens war und bin ich von der ‚Ewigen Stadt‘ fasziniert und hatte Rom mit meinen Architektur-Studenten mehrfach besucht, um dort zu zeichnen, drittens war das Panorama von Bühlmann und Wagner das Einzige der zur Auswahl stehenden Panoramen, das im Gegensatz zu Schlachten- oder Kreuzigungsdarstellungen unseren heutigen Augen standhält.
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Yadegar Asisi
Die Rekonstruktion des Panoramas ging relativ einfach vonstatten (im Vergleich zu dem heute betriebenen Aufwand): Ich scannte den mir damals nur zur Verfügung stehenden Umrissplan, vergrößerte und überarbeitete die Zeichnung und druckte den Streifen neu aus, übertrug die Zeichnung auf eine 60 × 430 cm große Leinwand und kolorierte das Panorama von Hand unter Zugrundelegung zeitgenössischer sw-Fotografien mit Ölfarben. Diese Gemälde wurden neuerlich gescannt, farbkorrigiert und mit damals brandneuer Technik mittels Großplotter etwa 10fach vergrößert. Die einzelnen Bahnen wurden aneinandergefügt und in der nachgebauten Rotunde aufgespannt. Aus Platzgründen war die ganze Installation des Jahres 1992 kaum halb so groß wie das Original hundert Jahre zuvor. Im Vergleich zu dem mit den Jahren und Projekten immer mehr verfeinerten Verfahren war das damals ein Ein-Mann-Job, mit einer zwar sehr zeitaufwendigen, aber eher primitiven Vorgehensweise. ‚Primitiv‘ war auch die damals zur Verfügung stehende Technik: Der Rechner war immer kurz vor dem Absturz und die Bildauflösung war so gering, dass das Bühlmann/Wagner’sche Panorama eher wie ein quietschbunter Bilderbogen als ein qualitätvolles Ölgemälde aussah. Doch damals waren wir alle begeistert vom Resultat, das Publikum ebenso wie ich selbst! Um es kurz zu machen: Ich bin bei den Panoramen geblieben. Es folgten, um nur die großen Projekte zu nennen: 1995 „Berlin 2005 – Cityvision“ (fünf Panoramen, die die damals in Planung befindliche, inzwischen längst fertiggestellte Neubebauung von Berlin Mitte visualisierten), 2000 das „Hanse-Panorama“ (ein Architektur-Potpourri der Renaissancebebauung der Hansestädte), 2002 World Trade Center (für Daniel Liebeskind, Visualisierung seines Wettbewerbsbeitrags zu „Ground Zero“), 2003 „8848Everest360°“ (als erstes Großprojekt im Leipziger Panometer) und schließlich 2005 „Rom 312“ (Faltblatt 2). Diese neue 30 × 106m große Fassung des Bühlmann/Wagner’schen Panoramas für das Asisi Panometer Leipzig legte zwar noch einmal die Fotodokumentation des Rundgemäldes von 1888 zugrunde, doch die eigentliche Arbeit am Bild ging diesmal ganz anders vonstatten: Die vollständig neu erstellte, perspektivisch korrigierte Zeichnung wurde in diesem Fall nicht von Hand koloriert, sondern das Panorama mittels eines eigens entwickelten Verfahrens am Computer neu erstellt, womit eine beispiellose Tiefe und Farbintensität der ‚Malerei‘ erreicht wurden. Außerdem wurden das Verhältnis von Höhe zu Breite (von ehemals 1:11 auf 1:3) verändert, ein breiterer Himmel und ein neuer Vordergrund angelegt. Durch den sehr plastisch wirkenden Vordergrund und die versetzte Horizontlinie erhielt das Panorama eine intensive Tiefe. Die beiden Neuerungen, das komplexe Herstellungsverfahren und die größere Höhe der Panoramen sind seitdem mein ‚Markenzeichen‘. Und, wie ich finde, eine deutliche Innovation in der Panoramamalerei. Nach diesem, meinem ‚zweiten Rom‘ gab ich meine Hochschulprofessur auf, um mich ausschließlich meinen Panoramaprojekten zu widmen. „Rom 312“ wurde in einer spektakulären Aktion ‚zerstört‘ und mit grüner Farbe übersprüht. An seiner
Zum Geleit
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Stelle sieht man seit dem 29. März 2009 im Leipziger Asisi Panometer ein Panorama des Amazonas-Regenwaldes, bei dem ganz neue darstellerische Probleme angegangen und gelöst wurden. Als Stadt-Panorama eher mit „Rom“ verwandt ist das seit 2006 im Dresdener Panometer ausgestellte Panorama „1756 Dresden“. Mit meinem Team, der asisi GmbH, bespiele ich an den Standorten Leipzig und Dresden dauerhaft zwei denkmalgeschützte Gasometergebäude, die asisi Panometer. – Wir haben das barocke Stadtbild von Dresden rekonstruiert, wie es bis zu den Zerstörungen durch den Siebenjährigen Krieg (1756–63) ausgesehen hat und in dieser Form nur noch aus den Veduten von Canaletto bekannt war. Mit wissenschaftlicher Unterstützung haben wir dazu aufwendige Archivstudien betrieben und alle verfügbaren alten Karten und Abbildungen zu Rate gezogen. Auch hier war uns die Arbeit von Bühlmann und Wagner Vorbild. Immer bemüht, an gemachte Erfahrungen anzuknüpfen und das neu Gelernte anzuwenden, arbeiten wir jetzt an unserem zweiten Antiken-Projekt: einem Panorama der Stadt Pergamon im Jahr 129 n. Chr. Zusammen mit den Wissenschaftlern der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin (SMB) haben wir eine durch archäologische Forschung abgesicherte Rekonstruktion dieser antiken Metropole erarbeitet, die wir im Rahmen einer großen Ausstellung der SMB in einer über zwanzig Meter hohen Interim-Rotunde im Ehrenhof des Pergamonmuseums auf der Berliner Museumsinsel ab Oktober 2011 präsentieren. Rückblickend bin ich stolz darauf, dass mein Team und ich mit unseren Panoramen eine solche Reputation erworben haben und unseren ganz besonderen Beitrag zum Dialog von Kunst und Wissenschaft leisten. Hunderttausende Besucher bestätigen meine tiefe Überzeugung, dass die monumentalen 360°-Bilder das ideale Medium sind, um visuelle Kultur und bewusstes Sehen zu erleben. Ganz unabhängig von Alter und Vorbildung tauchen die Betrachter meiner Panoramen nicht nur mit den Augen, sondern mit allen Sinnen – also rundum staunend – in vergangene Epochen und Orte ein. Und dabei handelt es sich im Grunde um nicht mehr als einige tausend Quadratmeter bedruckten Stoffs. Apropos ‚primitive‘ Technik: Am 24. Oktober 2007 stellten wir der Öffentlichkeit unser iPanorama vor, eine Weiterentwicklung des ‚klassischen‘ Panoramas. Mit dem iPanorama, das eine Höhe von 5 Metern und einen Durchmesser von 10 Metern hat, ist mit handelsüblicher Technik und Software zum ersten Mal der rasche Wechsel panoramatischer Szenerien möglich und eröffnet damit für Installationen im Bereich der Kunst oder der Präsentation von Architekturentwürfen ganz neue Perspektiven. Statt mühsam im Modell oder in der zweidimensionalen Zeichnung können z.B. Entwürfe im dreidimensionalen Erlebnisraum Panorama sofort in ihrer zukünftigen
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Yadegar Asisi
Umgebung überprüft und verändert werden. Ziel des elektronischen iPanoramas ist die Echtzeit-Simulation sowie die Interaktivität des Mediums. All das funktioniert wie es soll – allerdings, wie damals beim ersten Rom-Panorama, noch nicht mit der wünschenswerten Auflösung und Ästhetik. Wie damals stehen wir in den Startlöchern.
Einleitung
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Einleitung H a n s - U l r i ch C a i n , A nnet t e Haug
Vom 4. bis 7. Juli 2007 hat das Institut für Klassische Archäologie in Leipzig in Kooperation mit dem Panometer Leipzig ein internationales und interdisziplinäres Kolloquium zum Thema „Das antike Rom und sein Bild“ veranstaltet. Anlass war das kolossale Panorama von Yadegar Asisi mit dem Titel „Rom 312“, das vom 26. November 2005 bis 1. Februar 2009 in Leipzig gezeigt wurde und das insgesamt ca. 600000 Besucher, im Tagesdurchschnitt etwa 550, gesehen haben (Faltblatt 2). Von diesem publikumswirksamen Rundbild ausgehend ließen sich grundsätzliche Fragen nach dem Interesse an der literarischen und visuellen Auseinandersetzung mit der Ewigen Stadt formulieren. Ausgangspunkt der Überlegungen war die Feststellung, dass Städte von ihren Bewohnern und Besuchern in unmittelbar visuellem Sinn wahrgenommen und erlebt werden: als Stadtbild.1 Diese visuelle Form der Stadterfahrung wird in ganz unterschiedlichen medialen Darstellungsformen verarbeitet und interpretiert. Hinter diesem Prozess der Medialisierung von Stadtbildern stehen von der Antike bis heute ebenso unterschiedliche Interessen. Sie reichen von einer politischen Ausdeutung über ästhetische, mitunter auch unterhaltende Inszenierungen bis hin zu nüchternen wissenschaftlichen Aufarbeitungen. In besonderer Weise hat die abendländische Kultur das Bild des antiken Rom in den Mittelpunkt künstlerischer Produktion gestellt. Diese Stadt eignet sich aufgrund ihrer herausragenden historischen und politischen Bedeutung immer wieder als Projektionsfläche für die Artikulation politischer, religionspolitischer, künstlerischer und überhaupt kultureller Leitideen.2 Dabei lassen sich verschiedene Leitthemen in der Auseinandersetzung mit dem Rombild und seiner Funktionalisierung ausmachen. Schon der augusteische Architekt Vitruv benennt in seinem Werk „De architectura“ (1, 2, 2) drei grundsätzliche
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Grundlegend dazu K. Lynch, Das Bild der Stadt (Berlin 1960 und weitere Auflagen); auf das antike Rom angewandt D. Favro, The Urban Image of Augustan Rome (Cambridge 1996); P. Zanker, Bild-Räume und Betrachter im kaiserzeitlichen Rom, in: A. H. Borbein – T. Hölscher – P. Zanker (Hrsg.), Klassische Archäologie. Eine Einführung (Berlin 2000) 205–226. Dazu siehe etwa H. Münkler, Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten (Berlin 2005).
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Hans-Ulrich Cain, Annette Haug
Formen der Stadtrepräsentation: die ichnographia, die orthographia und die scaenographia – Grundriss, Aufriss und die räumlich-perspektivische Darstellung.3 Alle drei werden bei der Visualisierung des antiken Rom auf unterschiedliche Weise wirksam. Ab dem frühen Mittelalter bedeutet diese Visualisierung des antiken Rom allerdings immer, sich mit dem jeweils vorhandenen Ruinenbestand zu beschäftigen.4 Die Modi der Imagination – Grundriss, Aufriss oder Perspektive – oszillieren daher zwischen der Darstellung eines ruinösen Ist-Zustandes und graduell subjektiven Rekonstruktionen.5 Während die Ruinenbilder an die Fragilität oder auch die vergangene Größe Roms erinnern, appellieren die Rekonstruktionen so gut wie immer an die Vorstellung des vorbildhaften Rom.6 Tatsächlich sind solche Vervollständigungen nicht nur der Kenntnis des Ruinenobjekts verpflichtet, sondern haben auch die jeweilige Bildwirkung im Blick, etwa die besonders monumentale, perspektivisch übertreibende Inszenierung eines antiken Gebäudes. Dabei können die Repräsentationen ein einzelnes Gebäude, einen bestimmten Stadtteil oder die gesamte Stadt thematisieren. Eine beliebte Spielart sind Capricci, bei denen ausgewählte Monumente in eigenwilligen Kombinationen neu miteinander vereint werden. Schließlich kann die Romidee aber auch abstrakt in Gestalt der Lupa Romana, der Wölfin mit den Zwillingen, oder einer anthropomorphen Stadtpersonifikation umgesetzt werden. Alle Präsentationsweisen folgen den Aufgaben, die die Rombilder in ihrem jeweiligen Kontext bzw. für ihren konkreten Gebrauch erfüllen. Wegen der verschiedenartigen funktionalen und damit auch inhaltlichen Akzentsetzungen werden unterschiedliche Formate notwendig. Sie sind differenziert nach Form und Größe, Material und Farbigkeit sowie nicht zuletzt nach den Medien, in denen sie realisiert sind. Ausgangspunkte von Medialisierungen können Pläne und Karten, Bilder und Modelle sein. Die Zahl der Medien, in denen diese visuellen Entwürfe umgesetzt sind, hat von der Antike bis in die Gegenwart immer weiter zugenommen, sie ist vor
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Siehe H.-W. Kruft, Geschichte der Architekturtheorie (München 1985; 1991; 1995; 2004) 25f. Dazu M. Barbanera (Hrsg.), Relitti riletti. Metamorfosi delle rovine e identità culturale (Rom 2009); vgl. auch A. Esch, Wahrnehmung antiker Reste im Mittelalter, in: E. Osterkamp (Hrsg.), Wissen über die Antike in ästhetischer Vermittlung. Transformationen der Antike 6 (Berlin – New York 2008) 3–39. Zum Phänomen der Rekonstruktionen zuletzt U. Hassler – W. Nerdinger (Hrsg.), Das Prinzip Rekonstruktion. Tagung 24.–25. Januar 2008 in Zürich (Zürich 2010); W. Nerdinger – M. Eisen – H. Strobl (Hrsg.), Geschichte der Rekonstruktion. Konstruktion der Geschichte. Ausstellungskatalog Architekturmuseum München (München 2010). Allgemein dazu H. Böhme, Die Ästhetik der Ruinen, in: D. Kamper – C. Wulf (Hrsg.), Der Schein des Schönen (Göttingen 1989) 287–304; M. Steinhauser, Die ästhetische Gegenwart des Vergangenen. Architektur und Ruinenbilder zwischen Geschichte und Erinnerung, in: H.-R. Meier – M. Wohlleben (Hrsg.), Bauten und Orte als Träger von Erinnerung (Zürich 2000) 99–112; E. Oy-Marra, „Ipsa ruina docet“. Die Ruine als Bildfigur der Erinnerung und kritischer Reflexion bei Hubert Robert, MKuHistFlorenz 52, 2008 (2009) 95–122.
Einleitung
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allem auch von den technischen Erfindungen und Möglichkeiten einer Zeit abhängig. Die Varianten reichen vom Buchdruck über gerahmte Bilder oder Bildserien, Kulissenbilder für Theater und Opern, Panoramen, plastische Modelle und (nach-) gebaute Architektur, bewegte Filmsequenzen bis zu den digitalen Visualisierungen, der virtuellen Realität des Cyberspace in unserer Zeit.7 Die vielfachen medialen Brechungen des antiken Rombildes und die historisch sehr unterschiedlichen Modi der Aneignung dieses Themas verorten die Fragestellungen des Tagungsbandes im weiteren Horizont einer Debatte, die durch den SFB 644 „Transformationen der Antike“ formuliert wurden und der seinen Niederschlag in der gleichnamigen Publikationsreihe findet, in die unser Tagungsband aufgenommen worden ist. Das so verstandene Konzept der Transformation hebt auf die Veränderung ab, die das antike Ausgangsmaterial im Prozess nachantiker Aneignung erfährt, so dass eine neue, für weitere Transformationsprozesse offene ‚Realität‘ entsteht. Für diese Auffassung ist das Bild des antiken Rom und dessen Transformation ein Exemplum par excellence. So unterliegt das Bild des antiken Rom sehr unterschiedlichen, sich gegenseitig bedingenden Transformationen. Zunächst hat jede Zeit ihr ganz spezifisches Interesse an einer Auseinandersetzung mit dem antiken Rombild. Eine zweite Transformation ergibt sich durch die Medialisierung dieses Rombilds – und auch die Geschichte der Medialisierungen wirkt ihrerseits auf nachfolgende Romentwürfe. Diese Medialisierungen gewinnen ihre konkrete Gestalt drittens in Bezug auf die Sichtbarkeit, Zugänglichkeit und Erfahrbarkeit römischer Relikte im konkret erfahrbaren Stadtbild Roms. Alle drei Aspekte – das zeitspezifische Interesse am römischen Stadtbild, die Modi seiner Medialisierung und die konkrete Erfahrbarkeit materieller Relikte der stadtrömischen Antike – wirken in vielfacher Weise aufeinander zurück. Im Sinne des hier skizzierten Konzepts lassen sie sich als wechselseitig bedingende Transformationsprozesse beschreiben. Die Beiträge des vorliegenden Tagungsbandes thematisieren verschiedene Aspekte dieser Aneignungs- und Transformationsprozesse in ihrem jeweils spezifischen historischen und räumlichen Kontext. In ihrer Gesamtheit stellen sie eine eindringliche 7
In Auswahl dazu T. Lochman – T. Späth – A. Stähli (Hrsg.), Antike im Kino. Auf dem Weg zu einer Kulturgeschichte des Antikenfilms (Basel 2008); S. Bogen – F. Thürlemann, Rom. Eine Stadt in Karten von der Antike bis heute (Darmstadt 2009); zur digitalen Repräsentation siehe die Beiträge in L. Haselberger – J. Humphrey (Hrsg.), Imaging Ancient Rome. Documentation – Visualization – Imagination, JRA Suppl. 61 (Portsmouth 2006) 120–334 und, was Echtzeit-Simulationen auf interaktiver Grundlage angeht, L. M. Snyder et al., Real-Time Reconstruction Models for Exhibition and Education: The Herodian Temple Mount Installation at the Davidson Center in Jerusalem, in: C. C. Mattusch – A. A. Donohue – A. Brauer (Hrsg.), Common Ground. Archaeology, Art, Science, and Humanities. Proceedings of the XVIth International Congress of Classical Archaeology, Boston 23.–26. 8. 2003 (Oxford 2006) 451–463 mit weiter führender Literatur.
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Hans-Ulrich Cain, Annette Haug
Fallstudie zur Exemplifizierung der Transformationstheorie dar, ohne dass dies an jeder einzelnen Stelle explizit gemacht werden müsste. Der erste Abschnitt des Bandes stellt denjenigen Gegenstand, der Anlass zu dem Kolloquium gegeben hat, in den Mittelpunkt: das Panorama „Rom 312“ Yadegar Asisis (Faltblatt 2). Hans-Ulrich Cain exponiert an diesem Panoramabild grundsätzliche Fragen, die sich an Bilder des antiken Rom stellen lassen. Im konkreten Fall soll der Betrachter in ein kolossales, perspektivisch wahrnehmbares Rundbild der Stadt Rom im Jahr 312 n. Chr. eingeführt werden. Dabei steht das Panorama Asisis deutlich in der geschmacklichen Tradition des 19. Jahrhunderts, denn es orientiert sich formal und inhaltlich eng an dem 1888/89 entstandenen Panoramabild von Josef Bühlmann und Alexander von Wagner (Faltblatt 1). Wie die ältere Vorlage zeigt auch das neue Panorama den idealen Höhepunkt des antiken Rom mit all seinen großartigen, imperialen Prachtgebäuden, bevor die Stadt durch den Bau von Kirchen in eine christliche Metropole verwandelt wurde. In dem Beitrag wird aber auch deutlich, dass das Panorama hauptsächlich eine neuzeitlich kreierte Fantasiewelt innerhalb eines modernen Medienensembles darstellt. Im Zentrum des Rundbilds soll sich der Betrachter zumindest temporär wie ein selbständig agierender, überdies mit zeitgenössischen Römern des Jahres 312 kommunizierender Besucher fühlen. Die Analyse der komplexen künstlerischen Eingriffe legt dar, in welcher Weise die Immersionskraft des Panoramas enorm gesteigert und seine illusionistische Qualität zugespitzt sind, damit heutige Wahrnehmungserwartungen an ein konventionelles Medium erfüllbar werden. Trotz seiner Verankerung im 19. Jahrhundert erweist sich das Leipziger Panorama Yadegar Asisis als ein genuines Bildprodukt des 21. Jahrhunderts. Mit dem Beitrag von Valentin Kockel rückt die historische Dimension der Panoramakunst, in deren Tradition auch das Leipziger Panorama steht, in den Blickpunkt. Hier wird deutlich, dass schon die frühen Panoramen zur Visualisierung von archäologischen Stätten wie Athen und Pompeji, aber auch Rom eingesetzt wurden. All diese Panoramen zeigen Ruinenlandschaften. Eine Sonderstellung nimmt das von Josef Bühlmann und Alexander von Wagner hergestellte und durch Franz von Reber kommentierte Rom-Panorama ein, das einen vollständig rekonstruierten antiken Stadtraum als Kulisse für ein Geschehen von welthistorischer Bedeutung, den Einzug Konstantins, vor Augen stellt (Faltblatt 1). Dieses Rombild genügte den höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen der Zeit, indem alle verfügbaren archäologisch-historischen Quellen verarbeitet und nur dort freie Ergänzungen vorgenommen wurden, wo keine Informationen vorlagen. Der Beitrag von Josef Engemann geht auf diese historische Dimension des Panoramabildes „Rom 312“ näher ein. Rom wird zur Kulisse für eine historische Handlung. Nach seinem Sieg über Maxentius zieht Konstantin mit seinen Truppen triumphal in Rom ein und begibt sich auf das Kapitol. Hier wird noch einmal deutlich, dass das Panorama als übersteigertes Historienbild auch inhaltlich in der Tradition des
Einleitung
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19. Jahrhunderts steht, weiß die aktuelle Forschung doch, dass Konstantin in Rom keinen Triumph feiern konnte, weil er gegen Maxentius einen Bürgerkrieg geführt und keinen äußeren Feind bezwungen hatte. Auch darin spiegelt das Panorama populäre Vorstellungen vom Herrschaftsbeginn Konstantins in Rom, wie sie vermutlich auch heute noch verbreitet sind. Der darauffolgende Abschnitt widmet sich der Frage, wie das antike Rom am Ende der Antike, das heißt in der Spätantike und im Frühmittelalter, medial konzipiert wurde. Damit kommt derjenige Horizont in den Blick, in dem man sich einerseits noch in der Tradition des ‚antiken‘ Rom sah, gleichzeitig aber erstmals eine Distanz aufbrach, die durch einen erheblichen sozialen, politischen und religiösen Wandel verursacht war. In den beiden Beiträgen von Annette Haug und Franz Alto Bauer, die diese Phase beleuchten, geht es folglich darum, wie die Konzeptionalisierung des Rombildes in dieser Zeit zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem vermittelt wird. Wenn Rom als Idee vorgestellt werden sollte, so das Ergebnis des Beitrages von Haug, geschah dies in der Spätantike ausschließlich über das Bild der Stadtpersonifikation Roma. Jeglicher Verweis auf die architektonische Qualität der kaiserzeitlichspätantiken Stadt mit ihren traditionellen Bauten, aber eben auch ihren christlichen Kirchen fehlt. Die literarischen Rombeschreibungen rekurrieren indes, wie der Beitrag von Bauer zeigen kann, durchaus auf konkrete Gebäude. Die Wahl dieser Gebäude hängt jedoch maßgeblich vom Rezeptionskontext und der Funktion des jeweiligen Mediums ab. Einige Stadtbeschreibungen mit panegyrischem Charakter lassen christliche Gebäude zunächst aus. Eine solche Ambivalenz war in einem Rombild nicht möglich. Vielleicht sind die Unterschiede zwischen visueller und literarischer Romkonzeption folglich durch die unterschiedlichen Qualitäten der beiden Medien zu erklären. Eine neue Selektion ergibt sich im Frühmittelalter dann durch die Itinerare, die christliche Kultstätten auflisten. Nicht mehr die glanzvolle Weltstadt, sondern Rom als christliche Metropole stand nun im Mittelpunkt. Erst im karolingischen Anonymus Einsidlensis werden diese unterschiedlichen Perspektiven zusammengeführt und Rom so als christliche Weltstadt konzipiert. Mit dem Übergang zum Mittelalter ist der Bruch mit der Antike endgültig vollzogen. Das antike Rom ist nunmehr zerstört und allein in Ruinen gegenwärtig. Ruinen werden zum Kristallisationspunkt für die Auseinandersetzung mit dem antiken Rom. Durch diesen veränderten Erlebnishorizont wandelt sich auch der Modus der Romimagination. Nicht mehr das Stadtbild als Ganzes tritt in dieser Betrachtung in den Vordergrund, sondern die isolierte Ruine. Der Beitrag von Alain Schnapp führt in ganz grundsätzlicher Weise in die Ruinenthematik ein, indem er die Wurzeln des abendländischen Interesses für materielle Relikte der Vergangenheit (‚Ruinen‘) im griechisch-römischen Kontext verortet. Hier zeichnet er einen Diskurs nach, der das Erinnerungspotenzial von Wort und Monument zwischen homerischer und augusteischer Zeit immer wieder neu
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Hans-Ulrich Cain, Annette Haug
bestimmt. Wenn im Hellenismus Ruinen erstmals explizit thematisiert werden, so geschieht dies vor dem Hintergrund eines Vergänglichkeitsdiskurses. Diesen Topos setzt dann Ovid ein, um den Glanz des unzerstörten Rom um so heller erstrahlen zu lassen. Als im Mittelalter auch Rom selbst als Ruine erfahrbar wurde, kam es zunächst zu einer literarisch inspirierten Imagination des antiken Rom. Erst am Übergang zur Renaissance führte die Auseinandersetzung mit den baulichen Resten der Antike zu einer genaueren Kenntnis des antiken Stadtraums. Ruinen wurden zum Ausgangspunkt einer ‚Arbeit‘ am historischen Rombild. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Beschäftigung mit römischen Ruinen in der Frühen Neuzeit gewissermaßen als zweifache ‚Renaissance‘ aufgefasst werden kann – als eine erneute produktive Reflexion der Ruinen, aber auch als eine Hinwendung zum antiken Rom. Für das 16. und 17. Jahrhundert kann der Beitrag von Hans-Rudolf Meier aufzeigen, dass insbesondere mit der Person Raffaels eine neue Qualität im Umgang mit den Antiken erreicht ist. Das exakte Vermessen der Überreste ist nun einerseits durch ein antiquarisches Interesse motiviert, andererseits soll dadurch auch die gegenwärtige Architektur befördert werden, um das Vergangene erreichen, ja übertreffen zu können. Antike Gebäude werden daher von den Künstlern an Ort und Stelle zunächst in Rekonstruktionszeichnungen präsentiert, herausgelöst aus ihrem urbanistischen Kontext. Die Wiedergabe des antiken Stadtbildes in seiner Gesamtheit bleibt mangels präziser Kenntnisse zunächst noch vage. In das mittlere 16. Jahrhundert gehört auch der Sonettzyklus „Les Antiquitez de Rome“ von Joachim du Bellay. Angelika Corbineau-Hoffmann macht an diesem literarischen Beispiel deutlich, wie der antike Gegensatz von Text und (Ruinen-)Monument auch in der Frühen Neuzeit konstitutiv für die mediale Reflexion auf die Vorstellung von Vergangenem ist. Es geht bei dieser Ruinenbeschreibung nicht um visuelle Konkretheit und optische Anschaulichkeit, vielmehr wird das literarische Bild zum imaginären Gedankenbild. Ganz ähnlich wie in den Zeichnungen dieser Zeit werden auch hier Ruinen einerseits als Zeichen für die einstige Größe Roms, andererseits als Exempla für die eigene Gegenwart ‚vor Augen gestellt‘. Mit der Neuzeit verändert sich das Verhältnis zur Antike und damit auch zum antiken Rom erneut in grundsätzlicher Weise. Auf der einen Seite ist nun eine immer weitere Kreise ziehende Antikenbegeisterung zu greifen, die ihren Niederschlag in der Grand Tour von Gelehrten, aber auch in Antikensammlungen fand. Damit geht eine immer weitergehende Verwissenschaftlichung des Umgangs mit der Antike einher. In diesem Zusammenhang kommt es dann im späten 18. Jahrhundert zu den ersten systematischen Ausgrabungen, insbesondere im Gebiet des Forum Romanum und der Kaiserforen. Dadurch werden antike Ruinen für das visuelle Erlebnis des modernen Stadtbildes zu einer formativen Kraft. Die Artikel von Paolo Liverani und Stefan Altekamp thematisieren dieses Phänomen für unterschiedliche Zeithorizonte. Wieder wirken die veränderte Wahrnehmung der antiken Denkmäler und ihre mediale Kon-
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zeptionalisierung gegenseitig aufeinander zurück. Nicht mehr dem Einzelmonument, sondern dem antiken Gesamtzusammenhang gilt nun das Interesse. Diese Verschiebung der Perspektive wird im Beitrag von Paolo Liverani besonders deutlich. Er zeigt in seinem Beitrag auf, dass es bei den frühen Grabungen um die Erforschung antiker Monumente in ihrem historisch-topographischen Kontext ging. In diesen Zusammenhang gehören die Bemühungen um die Kartierung antiker Befunde – so Piranesis Plan des antiken Rom (1756) sowie der archäologisch besser fundierte Plan des Forum Romanum von Carl Frederik von Fredenheim. Schon bald hatten diese archäologischen Aktivitäten auch Konsequenzen für das alltägliche Erleben des realen, zeitgenössischen Stadtraums. Das Forum Romanum wurde als archäologischer Ruinen-Park gestaltet und dadurch zu einem eigenen Komplex im Stadtbild. Nach 1848 und insbesondere mit dem 1870 neu gegründeten Staat stand schließlich die vollständige Freilegung des Forums unter dezidiert politischen Vorzeichen. Diese zunehmende Politisierung im Umgang mit Ruinen fand, wie der Beitrag von Stefan Altekamp aufzeigt, seine Fortsetzung in der Zeit des Faschismus – allerdings unter geänderten Vorzeichen. Ziel des Städtebaus war nun die Schaffung einer modernen Metropole mit geräumigen Straßenachsen, die nicht nur dem Verkehr einer Großstadt gerecht wurden, sondern auch als Schauplätze für die Inszenierung des Regimes taugten. Das antike Rom war aus dieser Perspektive nicht per se erhaltungswürdig, vieles wurde zerstört. Nur einzelne antike Gebäude wurden exemplarisch ausgewählt, als künstliche Ruinen absichtsvoll hergerichtet und im Stadtraum inszeniert, um die symbolische Kraft des antiken Rom dem eigentlich überlegenen Gestaltungswillen der neuen Zeit gegenüberzustellen. Der kategorische Abstand zwischen Antike und Gegenwart war konstitutiver Bestandteil der Inszenierung. Dieser Blick auf die Antike hatte seine Wurzeln in einer politisch-gesellschaftlichen Positivismuskritik der italienischen Nationalsozialisten, die ihres politischen Zusammenhangs entkleidet noch bis heute wirksam ist. Die Medialisierung des antiken Rombildes steht in der Neuzeit unter dem Eindruck der veränderten archäologisch-materiellen, aber auch sozio-politischen Bedingungen. Für die Visualisierung des antiken Rom stehen neuartige Medien zur Verfügung – von den Panoramabildern war bereits ausführlich die Rede, hinzu kommen etwa auch ephemere oder auch dauerhafte architektonische Rekonstruktionen. Zwei Beiträge diskutieren solche Visualisierungen, die sich zwischen Dokumentation des vorhandenen Baubestandes und seiner Rekonstruktion bewegen, in exemplarischer Weise. Axel Gampp geht es nicht um die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem antiken Rombild, sondern um die populäre Gegenseite der neuen Begeisterung für das antike Rom: assoziative Rombilder, die sich aus besonders prominenten antiken Monumenten zusammensetzten. Ein frühes Beispiel eines solchen Umgangs mit dem Rombild ist in einem gebauten Rom-Ensemble der Villa d’Este in Tivoli anzutreffen: Rom en miniature wird einer repräsentativen Landvilla außerhalb der päpstlichen Stadt einverleibt. Ephemere Bühnenbilder der Opera seria vermitteln im 17. und
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18. Jahrhundert ein solch eklektisches Rombild einer breiten Öffentlichkeit. Über einen Zeitraum von 150 Jahren könnte die Zahl der Zuschauer solcher Opern bei vier Millionen gelegen haben. Unter politischen Vorzeichen rekurriert auch der Stadtentwurf von Washington mit dem Kapitol und dem Tyber genannten Flussarm des Potomac auf eine solche Romvorstellung. Der abschließende Beitrag von Ulrike Wulf-Rheidt thematisiert die vielfältigen Visualisierungsformen des antiken Baubestandes, wie sie von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart zu greifen sind, noch einmal prägnant am Beispiel der hochkomplexen Ruine des Kaiserpalastes auf dem Palatin. In der Gegenüberstellung der frühneuzeitlichen Entwürfe mit heutigen Messungsergebnissen wird deutlich, dass schon etwa Dupérac in seinen Zeichnungen dort, wo die Befunde sichtbar waren, eine enorme Genauigkeit erreichen konnte. Rekonstruktion und Bestand werden allerdings erst im 19. Jahrhundert deutlich getrennt, im frühen 20. Jahrhundert verbesserten Grabungsarbeiten die Kenntnis des Areals und damit auch die Genauigkeit der Planzeichnungen. Eine dreidimensionale und zugleich phasendifferenzierte Erfassung des Gesamtkomplexes wird jedoch erst in der Gegenwart durch die Anwendung computergestützter Bauaufnahmemethoden möglich. Visuelles Ergebnis dieser Arbeiten sind 3-D-Modelle des Befundes. Die Beiträge von Altekamp und Wulf-Rheidt führen damit auf aktuelle Fragestellungen und Perspektiven von Stadtarchäologie und Bauforschung und den Konsequenzen für den städtebaulichen Umgang mit den antiken Monumenten. Tatsächlich hat sich das wissenschaftliche Frageinteresse erheblich verschoben, geht es doch nunmehr erneut um das Monument in seinem topographischen Kontext, und dies, im Unterschied zu Ansätzen des 19. Jahrhunderts, in einer historischen Tiefendimension. So rückt bei Ausgrabungen, wie sie in den letzten Jahren etwa auf dem Trajansforum durchgeführt wurden, erstmals auch die spätantik-frühmittelalterliche Phase als Forschungsgegenstand in den Mittelpunkt.8 Seine museale Umsetzung findet dieser Ansatz etwa in der Präsentation der Forschungen im Bereich der Crypta Balbi9 – ein Beispiel, auf das auch Altekamp verweist. Die wissenschaftlichen Modi der Visualisierung des antiken Rom bewegen sich – wie schon Jahrhunderte zuvor – zwischen der reinen Dokumentation des Baubestandes und seiner Rekonstruktion. Tatsächlich hat das erneuerte historisch-topographische Interesse am antiken Rom das Interesse an einer neuen, kartographischen Erfassung sämtlicher archäologischer Befunde im Stadtraum von Rom befördert: Es entsteht eine neue, digitale Carta archeologica.10 Einzelne Projekte sind um die Er8
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R. Meneghini, I Fori Imperiali e i Mercati di Traiano. Storia e descrizione dei monumenti alla luce degli studi e degli scavi recenti (Rom 2009) bes. 193–251. D. Manacorda, Crypta Balbi. Archeologia e storia di un paesaggio urbano (Mailand 2001). Eine Publikation der Befunde in Buchform bei A. Tomei – P. Liverani (Hrsg.), Carta Archeologica di Roma. Primo Quadrante. LTUR Suppl. I,1 (Rom 2005); zum Aufbau eines archäologi-
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stellung chronologisch differenzierter Phasenpläne etwa zum augusteischen Rom bemüht.11 Besondere Bedeutung gewinnt aber nun erneut die dreidimensionale Rekonstruktion der antiken Stadt, wie nicht zuletzt am Beispiel des Palatin deutlich geworden ist. Diese nunmehr über CAD-Programme errechneten Raumgebilde gehorchen – etwa im Vergleich zu den Rekonstruktionszeichnungen des 18. und 19. Jahrhunderts – einer neuen Ästhetik: Sie zeigen ornamentlose, nüchterne Baublöcke, die in ihrem Abstraktionsgrad bedingungslose Wissenschaftlichkeit suggerieren.12 Neben diesem ‚wissenschaftlichen‘ Bild des antiken Rom stehen jedoch zahlreiche visuelle Angebote, die sich an ein interessiertes Laienpublikum wenden. Sie versuchen das Rombild gewissermaßen zu verlebendigen, indem sie der Oberfläche sämtlicher Bildelemente eine realistisch bis veristisch wirkende, stoffliche oder sinnliche Qualität geben. Dies gilt für publikumswirksame 3-D-Animationen13 und Filmkulissen14, insbesondere aber auch für das Panoramabild Yadegar Asisis. Die sich wandelnden Bilder des antiken Rom erweisen sich gerade aus der historischen Perspektive, die das Kolloquium eingenommen hat, als Ausdruck spezifischer Aussageabsichten und Bildbedürfnisse. Eine solche Historisierung des urbanen ‚Image‘ ließe sich grundsätzlich für geradezu jede Stadt nachzeichnen. Das antike Rom konstituiert jedoch einen Sonderfall, weil es nachfolgenden Generationen als politischer Mittelpunkt des bedeutendsten abendländischen Reiches, als Zentrum
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schen Informationssystems für Rom (AIS Roma) siehe C. Häuber – F. X. Schütz, Einführung in Archäologische Informationssysteme (Mainz 2004) bes. 61ff.; C. Häuber – F. X. Schütz, Straßen und Gebäude aus Nollis Romkarte im modernen Stadtgrundriss, in: Haselberger – Humphrey (Anm. 7) 253–269. L. Haselberger – E. A. Dumser (Hrsg.), Mapping Augustan Rome, JRA Suppl. 50 (Portsmouth 2002). Siehe Beispiele in Haselberger – Humphrey (Anm. 7); in dem Beitrag B. Bergmann – S. De Caro et al., Roman Frescoes from Boscoreale, BMetrMus 67, 2010, 1–48 ist für die Villa des Fannius Synistor in Boscoreale indes der Versuch unternommen, den gemalten Dekor in die dreidimensionalen Architekturrekonstruktionen einzubinden. Derzeit sind insbesondere zwei große universitäre Projekte zu nennen, die in Fachpublikationen diskutiert werden, zugleich aber im Internet einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden: die Projekte der Universitäten Caen und Virginia. Siehe dazu R. Vergnieux (Hrsg.), Virtual retrospect 2007. Actes du colloque Pessac 14–16 novembre 2007 (Bordeaux 2008) mit Beiträgen von P. Fleury und S. Madeleine (Caen) sowie von B. Frischer (Virginia); Das Projekt von Caen im Internet: (08. 10. 2010); das Projekt „Rome Reborn“ der Universität Virginia im Internet: (08. 10. 2010); (08. 10. 2010); diese Daten aus Virginia fließen ein in die 3D-Visualisierung des antiken Rom, die Google Earth Time Travel anbietet: (08. 10. 2010) sowie (08. 10. 2010). So etwa der Film von Anthony Mann „The Fall of the Roman Empire“ (USA 1964) mit der im Maßstab 1:1 nachgebauten Kulisse des Forum Romanum – siehe Antike im Kino (Anm. 7) 74–77 Abb. 103–107.135.
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des Christentums, als ästhetischer Inspirationsquell und vieles mehr gelten kann. Im Umgang mit den materiellen Hinterlassenschaften manifestieren sich folglich unterschiedliche Ansprüche an das antike Rom, und in seinen Visualisierungen können sehr unterschiedliche Imaginationen aktiviert werden. Das antike Rom und vor allem sein Bild können Symbol für die Welt schlechthin sein – als Ausgangspunkt und Zielpunkt abendländischer Identitätskonstruktionen.
Danksagung Die Idee zu dem Kolloquium ergab sich aus der Zusammenarbeit zwischen der Asisi Visual Culture GmbH und dem Institut für Klassische Archäologie der Universität Leipzig. Dass diese Idee in die Tat umgesetzt werden konnte, verdanken wir nicht nur der großzügigen Finanzierung des Kolloquiums durch die Asisi Visual Culture GmbH, sondern auch deren logistischer Unterstützung. Bei der Durchführung des Kolloquiums setzten sich zuvorderst Yalda Bouzrina, aber auch Katja Etzold und Irina Schotte für einen reibungslosen Ablauf ein. Von Seiten des Archäologischen Instituts wurden sie durch die Studentischen Hilfskräfte Christina Perlick und Ulrike Scholz unterstützt. Dem Dekanat unserer Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften sind wir für die hilfreiche Förderung zu großem Dank verpflichtet, ebenso der Universitätsbibliothek mit ihrem Direktor, Herrn Professor Dr. Ulrich Johannes Schneider, für die Bereitstellung des großen Vortragssaales. Die Diskussionsleitung während des Kolloquiums haben dankenswerterweise unsere Kolleginnen und Kollegen Carola Jäggi, Jeanette Kohl, Michaela Marek, Michael Pfanner und Frank Zöllner übernommen. Auf dem Weg vom Kolloquium zur Drucklegung haben verschiedene Studierende das Projekt begleitet. Dies gilt zunächst für Maren Tolk, die die Texte vereinheitlicht und mehrfach Korrektur gelesen hat. Auch die Erstellung des Registers lag wesentlich in ihrer Hand. In verschiedenen Korrekturgängen haben sich dann Michael Feige, Anna-Lena Krüger, Anja Macheleid und Asja Müller sehr intensiv um die redaktionelle Vereinheitlichung der Texte bemüht. Ihnen allen gilt unser herzlicher Dank. Dem Verlag Walter de Gruyter und insbesondere Sabine Vogt und Katrin Hofmann gebührt unser Dank für die Betreuung der Drucklegung und die Vermittlung an den Berliner SFB „Transformationen der Antike“. Helmut Schmitzer danken wir für seine Bemühungen bei der Aufnahme des Bands in diese Publikationsreihe. Der Ernst von Siemens Kunststiftung sind wir zu großem Dank verpflichtet, dass das vorliegende Buch in dieser großzügigen Ausstattung erscheinen konnte. Für seine effiziente Unterstützung bei der Veröffentlichung des Bandes danken wir herzlich dem Geschäftsführer der EvS Kunststiftung, Herrn Professor Dr. Joachim Fischer. Leipzig, Ostern 2011
Das Leipziger Rom-Panorama 2005 und seine historischen Vorlagen
Das Leipziger Panorama ROM 312 von Yadegar Asisi
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Das Leipziger Panorama ROM 312 von Yadegar Asisi – Zentrum eines zeitgenössischen Medienensembles H a n s - U l r i ch Ca i n
Das Leipziger Panorama ROM 312 ist ein Meisterwerk der Imagination (Faltblatt 2). Seinem Schöpfer, dem Berliner Perspektivkünstler Yadegar Asisi, ging es nicht um die nüchterne Rekonstruktion des antiken Stadtplans von Rom und, darauf aufbauend, eine möglichst plausible Form, das gesamte Stadtbild dieser Metropole perspektivisch korrekt und wissenschaftlich befriedigend zu erfassen. Das Panorama ist vielmehr die raffinierte neuzeitliche Verarbeitung eines antiken Stoffs, wie sie bereits in einem ausgezeichneten Rundbild des späten 19. Jahrhunderts inszeniert wurde (Faltblatt 1). Für dieses vorbildhafte Panorama ist das Jahr 312 n. Chr. gewählt worden, weil die einstige Hauptstadt des Römischen Weltreichs damals auf dem idealen Höhepunkt ihrer baugeschichtlichen Substanz gewesen ist. Den konkreten historischen Anlass bilden die dramatischen Ereignisse, die Konstantins Sieg über Maxentius in der Schlacht an der Milvischen Brücke am 28. Oktober dieses Jahres ausgelöst hat. Es ist der Anfang vom Niedergang der paganen antiken Religion und der Beginn eines erstarkenden Christentums. Der triumphale Einzug der siegreichen Truppen ist von der Via Sacra über das Forum Romanum bis hinauf zum Kapitol überschaubar. Dort empfangen die Senatoren auf einer imposanten Freitreppe Konstantin an der Spitze seines christenfreundlichen Gefolges, während auf der anderen Seite die Angehörigen der alten paganen Religion gleichsam ein letztes Mal das Sühneopfer der Suovetaurilien begehen; sie sind im Begriff, Stier, Widder und Eber zum brennenden Opferalter vor dem Tempel der Iuno Moneta zu führen, die Tiere dort zu schlachten und der Gottheit darzubringen. Einige andere Menschengruppen wie die Wagenfahrer im Circus Flaminius und die Flaneure auf dem Trajansforum erfüllen dagegen nur attributive Aufgaben, um die diversen Funktionen der urbanen Räume zu charakterisieren. Vereinzelte Gestalten im Vordergrund haben wiederum eine eigene mediale Qualität, die sie eine besondere, für das Panorama spezifische Wirkung entfalten lässt. Die narrative Komponente ist dem überwältigenden, architektonischen Gesamtbild der rekonstruierten antiken Stadt allerdings völlig untergeordnet. Indes bietet die Inszenierung des fantastischen Rundbilds einen eigenwilligen, gänzlich unhistorischen Blick auf das imperiale Rom der Kaiserzeit. Dazu ist das Panorama als ein ty-
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pisches, visuelles Massenmedium des 19. Jahrhunderts mit den gegenwärtig verfügbaren technischen Mitteln neu aufbereitet, eigentlich so gut wie neu erfunden worden.1
Der Leipziger Panometer: ein zeitgenössisches Medienensemble Das monumentale Rundbild war von November 2005 bis Februar 2009 in einem alten, frisch instand gesetzten Gasometer an Leipzigs südlichem Stadtrand installiert (Taf. 1a).2 Das 1910 errichtete Backsteingebäude mit hölzerner Deckenkonstruktion hat den gewaltigen Durchmesser von 56,94 m, eine lichte Höhe von 49,4 m und eine Mauerhöhe von 30 m. Der Durchmesser des Panoramas, d.h. der an einem Metallgestell konzentrisch aufgehängten, 106 m langen Leinwand aus Polyester, betrug ungefähr 35 m, wobei der in der Mitte stehende Betrachter sich in einer Distanz von etwa 14 bis 21 m zu diesem Rundbild befand. Auf der zentralen Plattform hatte er die Möglichkeit, sich nach Belieben hin und her zu bewegen, den Blick nach eigenem Ermessen schweifen zu lassen oder auch einen bestimmten Ausschnitt zu fixieren. Yadegar Asisi hat das Panorama auf der Grundlage eines verlorenen, nur in einem Leporello und einigen Blaupausen erhaltenen Rundgemäldes neu erschaffen (Faltblatt 1). 1888/89 durch die Münchner Professoren Josef Bühlmann und Alexander
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Aus der reichen Literatur zur Panoramakunst des 19. Jahrhunderts siehe H. Buddemeier, Panorama, Diorama, Photographie. Entstehung und Wirkung neuer Medien im 19. Jahrhundert (München 1970); S. Oettermann, Das Panorama. Die Geschichte eines Massenmediums (Frankfurt am Main 1980); S. Bordini, Storia del panorama. La visione totale nella pittura del XIX secolo (Rom 1984); R. Hyde, Panoramania. The Art and Entertainment of the „All-Embracing“ View (London 1988); M.-L. Plessen (Hrsg.), Sehsucht. Das Panorama als Massenunterhaltung des 19. Jahrhunderts. Ausstellungskatalog Bonn (Basel 1993); B. Comment, Das Panorama. Die Geschichte einer vergessenen Kunst (frz. Ausgabe: Le XIXe siècle des panoramas, 1993; engl. Ausgabe: The Panorama, London 1999; dt. Ausgabe: Berlin 2000); Ästhetische Grundbegriffe (ÄGB) 1 (Stuttgart 2000) 656–661 s. v. Bild V. Moderne, 1. Bildermassen und Menschenmassen: Vom Panorama zu den Neuen Medien (O. R. Scholz); H.-G. Soeffner, Sich verlieren im Rundblick: die „Panoramakunst“ als Vorstufe zum medialen Panoramamosaik der Gegenwart, in: H. Wenzel (Hrsg.), Audiovisualität vor und nach Gutenberg. Zur Kulturgeschichte der medialen Umbrüche (Mailand 2001) 225–239; G. Koller (Hrsg.), Die Welt der Panoramen. Zehn Jahre Internationale Panorama-Konferenzen (Amberg 2003); F. Schiermeier, Panorama München, Illusion und Wirklichkeit. München als Zentrum der Panoramenherstellung (München 2009). Die Eröffnung fand am 26. November 2005 statt, siehe dazu das Begleitbuch von Y. Asisi (Hrsg.), Rom CCCXII (Leipzig 2006) mit Beiträgen von R. Riccius, W. Schäche, J. Voigt und K.-W. Weeber. Während der Finissage am 1. Februar 2009 wurde die Panorama-Leinwand nach der Art eines Happenings zerstört, worüber die betreffende Homepage: (22. 04. 2010) informiert.
Das Leipziger Panorama ROM 312 von Yadegar Asisi
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von Wagner realisiert, feierte die Presse dieses „gewaltige Rundbild in größter Sinnestäuschung“ als „Zaubertaumel der Vision“ und empfand es als ein „Unikum in der Welt“.3 Der aus Großwangen im Schweizer Kanton Luzern stammende Bühlmann (28. 04. 1844–29. 10. 1921) war als Professor für Bauformenlehre, malerische Perspektive und Innendekoration an der Technischen Hochschule für die Konzeption des eindrucksvollen, rekonstruierten architektonischen Stadtbilds verantwortlich.4 Der aus Budapest gebürtige Wagner (16. 04. 1838–19. 01. 1919) wurde als ausgebildeter Historienmaler und Professor für Maltechnik an der Akademie der Künste mit dem Entwurf und der Ausführung einer perfekten Farbfassung betraut.5 Beide, Architekt und Maler, vollendeten das Werk, nachdem sie die römischen Ruinenlandschaften auf Reisen ausführlich studiert und (vor allem Bühlmann) sich mit den Formen antiker Architektur und den Möglichkeiten ihrer Rekonstruktion gründlich beschäftigt hatten. Zudem verfasste der Münchner Kunsthistoriker Franz von Reber (10. 11. 1834–04. 09. 1919) eine mehrfach veröffentlichte Kurzbeschreibung des Panoramabilds mitsamt einem Kommentar. Auf diese Weise wurden den Besuchern alle Einzelheiten des antiken Stadtbilds und vor allem auch die narrativen Szenen genau erklärt. „Groß in Zeichnung und in der Farbe, eigentümlich bezaubernd in der Gesamtwirkung …, vergessen wir als Beschauer, dass es sich nicht um Wirklichkeit, sondern um Eindrücke handelt“ – so wurde schon der künstlerische Rang des Originals von Bühlmann und Wagner in der zeitgenössischen Presse gepriesen. Die Imaginationskraft des Panoramas hat Yadegar Asisi mit Hilfe neuartiger technischer Möglichkeiten nochmals gesteigert. Die Leipziger Neufassung kann man als höchst qualitätvolles Beispiel der zeitgenössischen Eventkultur verstehen. Trotz der zahlreichen Zaubertricks, die überdies von einer Ton- und Lichtschau, d.h. einem simulierten Tag- und Nachtwechsel und einer dramatisierenden musikalischen Begleitung ergänzt wurden, ging es nicht nur um Abenteuerlust und sinnlich wahrnehmbares Vergnügen. Wer sich darauf einließ, konnte in einer sorgfältig eingerichteten Sonderausstellung die Geschichte und Technik der Panoramakunst kennen lernen, die außergewöhnliche Suggestionskraft perspektivischer Darstellungsweisen neu erleben
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Eine Auswahl an Pressestimmen zu diesem Rundbild mit dem Titel „Ein Panorama von Rom mit dem Einzug Constantins im Jahr CCCXII“ findet sich in Asisi (Anm. 2) 26. Das Panoramagebäude stand in der Münchner Theresienstraße 78 nicht weit von der Alten Pinakothek entfernt. Zum Gebäude siehe Schiermeier (Anm. 1) 35–38 mit Abb., zum Rundbild ebenda 60f. mit Abb.; ferner Oettermann (Anm. 1) 200 Abb. 144. 305 (Leporello Nr. 3: Reproduktion nach der Originalbroschüre von 1888); Sehsucht (Anm. 1) 50. 173 Kat. II 102 ohne Abb. (G. Koller); Asisi (Anm. 2) 21–25 mit allen Abbildungen aus dem Leporello. – Vgl. im Übrigen hier den Beitrag Kockel. W. Nerdinger (Hrsg.), Architekturschule München 1868–1993. 125 Jahre Technische Universität München (München 1993) 59. 79. 172f.; Schiermeier (Anm. 1) 37. 60–61. 92 (biografische Angaben). Schiermeier (Anm. 1) 102.
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und sich zugleich von den visionären Erwartungen an ein iPanorama möglichst in Echtzeit überzeugen lassen. Man erfuhr viele Einzelheiten über die abgebildeten Bauwerke, über inhaltliche Zusammenhänge römischer Lebenswelten und natürlich über Konstantin den Großen. Die gesamte Installation eines solchen zeitgenössischen Projekts ist wertvoll und komplex, sie enthält unterschiedliche Exponate wie kostbare originale Zeichnungen und Druckwerke, Architekturmodelle, historisch bedeutende Gipsabgüsse, qualitätvolle Kopien usw., hinzu kommen eine aufwendige Elektrotechnik mit umfangreichem Equipment und, wie beim Rom-Panorama, etwa 3300 m2 bunt bedruckten Stoffs. In ihrer multimedialen Konstellation wurden die einzelnen Abteilungen – licht- und tonanimiertes Panorama, konventionell eingerichtete Dokumentation im Rahmen der Sonderausstellung mit einem separat angeschlossenen Videokabinett und einem iPanorama – klar voneinander getrennt, weil die verschiedenen Bilder oder Bildtypen jeweils eine andere Art der konzentrierten Wahrnehmung voraussetzen. Für diese vielseitig kombinierte Präsentationsweise des Panoramas in einem ehemaligen Gasometer von der Größe des hadrianischen Pantheons in Rom hat Yadegar Asisi die Bezeichnung Panometer kreiert.6
Das Rundbild ROM 312: gemaltes Original 1888/89 und digitalisierte Neufassung 2005 Die jüngste Version dieses Panoramas entstand am Computer, wo sich die Daten nach Belieben manipulieren ließen.7 So wurden zunächst die einzelnen Abbildungen des Leporellos, denen Fotografien von Franz Hanfstaengl aus dem Jahr 1888 zugrunde liegen, gescannt und direkt aneinandergefügt (Faltblatt 1). Dabei entstandene Lücken konnten anhand der wenigen, noch erhaltenen Blaupausen Bühlmanns ergänzt werden, aber überall dort, wo größere und kleinere Fehlstellen zurückgeblieben waren, musste Asisi das Bild nach eigenem Gutdünken vervollständigen. Häufig war es dabei notwendig, die perspektivische Darstellung zu korrigieren, an zahllosen Stellen waren einzelne Motive zu modifizieren, auszutauschen oder hinzuzufü-
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Vergleichbar dem sog. Panodome in Rom, via IV Novembre 118, nahe der Piazza Venezia, wo seit dem Jahr 2005 eine digital aufbereitete s/w-Rekonstruktion des originalen Panoramas von Bühlmann und Wagner zugänglich ist. Sie wurde durch Frank Hassani und Paroana Anwary in Los Angeles ebenfalls auf der Grundlage des monochromen Leporellos hergestellt. Den Hinweis auf dieses Panorama sowie die Kenntnis eines großformatigen Faltblatts verdanke ich Christa Pfanner-Birkeneder. Dazu J. Voigt in: Asisi (Anm. 2) 61–73 mit Abbildungen. Zu einer 1992/93 von Yadegar Asisi in Öl auf Leinwand gemalten Rekonstruktion im Format 60 × 430 cm und deren zehnfacher Vergrößerung anlässlich der Bonner Ausstellung „Sehsucht“ siehe den gleichnamigen Ausstellungskatalog (Anm. 1) 173 Kat. II 103 mit Abb. (S. Oettermann).
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gen, und verschiedentlich wurden größere Partien innerhalb der originalen Vorlage schlichtweg neu erfunden. Insgesamt hat Yadegar Asisi das gewaltige Rundbild entscheidend erweitert und differenziert, ohne jedoch das Kompositionsprinzip des von Bühlmann rekonstruierten Stadtbilds grundsätzlich zu verändern. Die vergleichende Analyse wird zeigen, wie sich das Panorama im digitalen Zeitalter von seiner über ein Jahrhundert älteren Vorlage unterscheidet, – wie Raum- und Zeitgrenzen im Bild aufgehoben werden und dadurch die Realitätsebenen regelrecht miteinander verschmelzen, manchmal auch durcheinander zu geraten drohen, wie ein schier schrankenloser Eklektizismus und eine ungeahnte Lust am Fabulieren ein opulentes Gesamtbild entstehen ließen. Was sich vom originalen Panorama nicht unterscheidet, ist der fiktive Standort des Betrachters. Mitten im Zentrum der Stadt und aus illusionärer Höhe gesehen, bietet sich ihm in täuschend echter Perspektive und naturnaher Farbgebung das antike Rom dar.8 Der Blick fällt hinab auf das Forum Romanum mit Palatin, Templum Pacis und Colosseum als den angrenzenden urbanen Fixpunkten, im Uhrzeigersinn folgen das Kapitol mit dem tiefer liegenden Tabularium auf der einen und den Monumentalbauten des Marsfelds auf der anderen Seite. Der herrschaftlich präsentierte Iuno Moneta-Tempel auf der Arx stellt einen weiteren Blickfang dar, bevor die anschließenden Kaiserfora mit ihren Säulenhallen und Tempeln das Rundbild komplettieren. Aus dem Häusermeer ragen einzelne Bauwerke und Bilderszenen heraus, die nicht immer real, sondern mitunter hochgradig konstruiert oder wie gezoomte Einzelbilder wirken. Ein solches Detail ist die Loge der kaiserlichen Frauen samt Hofgesellschaft.9 Sie taucht ganz unvermittelt oberhalb des Caesarforums, aber jenseits der Ruinen im Vordergrund auf. Unter einem weißen Baldachin lagert Konstantins Gemahlin Fausta auf einem bequemen Möbel, Helena ist dagegen aufgesprungen und jubelt ihrem Sohn mit ausgebreiteten Armen von der Balustrade aus zu. Zu den genannten Gebäuden gehören in erster Linie der dominierende Tempel des Iuppiter Optimus Maximus auf dem Kapitolshügel und der Iuno Moneta-Tempel, beide oberhalb eines großen, gepflasterten Platzes, von dem jeweils eine repräsentative Treppe empor führt. Andere Plätze wie das Forum Romanum und vor allem der Circus Flaminius, aber auch Gebäude wie etwa das Tabularium, die Basilica Ulpia des Trajansforums und die Kolonnaden von Augustus- und Nervaforum sind geschickt
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Zur Notwendigkeit des imaginären Standorts in einem Panorama siehe Soeffner (Anm. 1) 225–227. Eine gute Vorstellung von der relativen Höhenstruktur des römischen Stadtzentrums gibt der mit GIS-Technologie hergestellte, topografische Plan bei C. Häuber – F. X. Schütz, Straßen und Gebäude aus Nollis Romkarte im modernen Stadtgrundriß, in: L. Haselberger – J. Humphrey (Hrsg.), Imaging Ancient Rome. Documentation – Visualization – Imagination, JRA Suppl. 61 (Portsmouth 2006) 253–269 Abb. 4. Asisi (Anm. 2) 56 Abb. zu Nr. 56; Abb. auf S. 70–71.
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dazu benutzt, eine enorme Raumtiefe zu erzeugen. In einer starken perspektivischen Verkürzung angelegt, erstreckt sich ihre markante Bebauung jeweils diagonal durch das Stadtbild. Im Übrigen erscheinen die Tiefe und Weite des Raums schier unendlich, irgendwelche Grenzen sind nicht wirklich wahrnehmbar. Der Betrachter ist also in kürzester Zeit völlig von einem ‚Raum im Raum‘ umschlossen, vom Bildraum des Panoramas in der Rundarchitektur des Gasometers. Das ist ihm zunächst sehr bewusst, obgleich ihm längst die Orientierung in seinem bekannten, realen Lebensraum entschwunden ist, besser: ganz unmerklich genommen wurde. Denn über eine Art Wendeltreppe mehrmals gedreht und auf der Plattform angelangt, weiß kein unvoreingenommener Besucher mehr etwas mit der Frage nach den tatsächlichen Himmelsrichtungen oder den heimischen topografischen Relationen anzufangen. Jeder glaubt sich als ein neutraler Besucher auf einmal irgendwie mitten in Rom und blickt auf das Stadtbild, dessen Bauten allein nunmehr den Bezugsrahmen für jede Orientierung bilden. Der primäre Wunsch aller Panoramakünstler besteht darin, das distanzierte Verhältnis zwischen Betrachter und Bildraum abzubauen und dem Besucher das Gefühl zu geben, sich augenblicklich, also möglichst in ‚Echtzeit‘ in diesem künstlichen Raum zu bewegen.10 Der Bildraum soll möglichst nicht mehr als Simulation empfunden, sondern als natürlich erlebte Welt aufgefasst werden. Dieser temporäre Effekt ist nur durch ein hohes Maß an Täuschung in einer perfekten künstlerischen und technischen Form zu erzeugen, – durch ein Spiel mit den Möglichkeiten der Wahrnehmung, also der Beeinflussung der Sinne. Hier ist die Absicht, den Betrachter an den welthistorischen Wechsel des Jahres 312 nicht nur zu erinnern, sondern ihn mittels diverser Kunstgriffe regelrecht in den Bildraum hineinzuziehen und das Ereignis mit- oder zumindest nacherleben zu lassen. Je intensiver er in das große Rundbild eintaucht, desto stärker wird ihm auffallen, dass die meisten Einwohner der Stadt zusammenströmen, um die Ankunft Konstantins und seiner Truppen zu feiern.11 Als Sieger in der Schlacht an der Milvischen Brücke schreitet er in purpurnem Gewand zum Kapitol empor, während an anderer Stelle eine überlebensgroße Bronzestatue seines Widersachers, des ‚Tyrannen‘ Maxentius, vom Marmorsockel gezerrt wird. Auf dem gepflasterten Plateau vor dem Tabularium applaudieren die Christen der ankommenden, triumphalen Prozession.12 In weiße Gewänder gekleidet und mit frischen Palmzweigen als Siegeszeichen in den
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G. Kerscher, Kopfräume – Eine kleine Zeitreise durch virtuelle Räume (Kiel 2000) 9–35 zur Definition virtueller Räume und zum Prozess der Imagination durch den Betrachter, 103–114 („Der totale Blick: das Panorama“); O. Grau, Virtuelle Kunst in Geschichte und Gegenwart. Visuelle Strategien (Berlin 2001) bes. 52–65. 66–100; Soeffner (Anm. 1) 227. Zum Folgenden vgl. Asisi (Anm. 2) 53 Abb. zu Nr. 54; 54–55 Abb. zu Nr. 55; 57 Abb. zu Nr. 57. Zur Frage, ob es sich dabei um einen regulären Triumphzug, einen adventus o.ä. gehandelt hat, siehe W. Kuhoff, Diokletian und die Epoche der Tetrarchie (Frankfurt am Main 2001) 912f. mit Anm. 1686, und insbesondere hier den Beitrag Engemann.
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Händen, haben sie sich in der rückwärtigen Porticus des Tabulariums aufgestellt. Die Interkolumnien dieses Gebäudes schmücken prächtige Stoffbahnen mit eingewebten, frontal stehenden Figuren, deren Häupter jeweils einen Nimbus tragen. In diesem Zusammenhang können nur christliche Heiligenfiguren gemeint sein, auch wenn sie nicht namentlich identifizierbar sind. Ihnen gegenüber wird im Triumphzug das berühmte Labarum mit dem Christogramm mitgeführt, um den Gott der Christen als den entscheidenden Schlachthelfer zu erweisen. Schließlich suggerieren Baugerüste an der Maxentius- bzw. Konstantinsbasilika und den Konstantinsthermen, dass Maxentius ein anspruchsvolles kaiserliches Bauprogramm initiiert hat, das unter Konstantin fortgesetzt und vollendet werden sollte.13 Der literarischen Überlieferung zufolge hat Konstantin angeblich auf das große triumphale Opfer vor dem Tempel des Iuppiter Optimus Maximus verzichtet, wie es auch im Panorama berücksichtigt ist. Statt dessen steht der neue Imperator auf dem Treppenabsatz zwischen mehreren vergoldeten Kandelabern, in deren Schalen das Feuer lodert. Anders geht es dagegen bei den heidnischen Suovetaurilien vor dem Iuno Moneta-Tempel zu, wo nicht in den Prachtkandelabern das Feuer brennt, sondern vielmehr auf dem speziellen Opferaltar vor der großen Freitreppe.14 Auf suggestive Weise ist die Differenz des paganen Ritus zum Ausdruck gebracht, da die unterschiedlichen Personengruppen weniger diszipliniert auf das zentrale Geschehen ausgerichtet sind. Manche Figuren wie z.B. eine Frau, die mit ausgestreckten Armen ihr Kleinkind präsentiert, streben zwar wie von Ekstase ergriffen zum Altar, doch haben sich die Römer und ihre Frauen auf der großen Freitreppe in eher lockerer Ordnung zusammengefunden. Dunkelhäutige, orientalische Diener mit bunten Fächern sehen beiläufig zu, wie zwei schöne nackte Frauen in laszivem Rückenakt ganz selbstverständlich an einer Marmorbrüstung Platz nehmen und wie Handwerker und Kaufleute ihren Alltagsgeschäften nachgehen, ohne der offiziellen Kulthandlung die geringste Aufmerksamkeit zu schenken. So herrscht ein krasser Unterschied zwischen dem christenfreundlich intonierten Aufzug der Massen am kapitolinischen Jupitertempel und dem moralisch eher fragwürdigen Flair in der Umgebung des traditionellen blutigen Staatsopfers. Der the-
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Vgl. Asisi (Anm. 2) 33 Abb. zu Nr. 10; 34 Abb. zu Nr. 13 (Basilica); 49 Abb. zu Nr. 47 (Thermen); zum Bauprogramm des Maxentius in Rom H. Leppin – H. Ziemssen, Maxentius. Der letzte Kaiser in Rom (Mainz 2007) 35ff. bes. 52ff.; H. Ziemssen, Palast und städtischer Raum. Wandel und Kontinuität des römischen Stadtzentrums (1.–4. Jh. n. Chr.), Hephaistos 26, 2008, 189–204. Die Vermutung eines Baubeginns der Konstantinsthermen bereits unter Maxentius äußerte in jüngerer Zeit aufgrund der Ziegelstempel auch M. Steinby, L’industria laterizia di Roma nel Tardo Impero, in: A. Giardina (Hrsg.), Società romana e impero tardoantico 2. Roma. Politica, economia, paesaggio urbano (Rom 1986) 142; vgl. LTUR V (Rom 1999) 49 s. v. Thermae Constantinianae (S. Vilucchi); R. Santangeli Valenzani, La politica urbanistica tra i tertrarchi e Costantino, in: S. Ensoli – E. La Rocca (Hrsg.), Aurea Roma. Dalla città pagana alla città cristiana. Ausstellungskatalog Rom (Rom 2000) 41–44. Asisi (Anm. 2) 24 mittlere Abb.; 47 Abb. zu Nr. 43; 52 Abb. zu Nr. 52.
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matische Gegensatz und seine Bedeutung haben sich damals wie heute vielleicht nur wenigen Betrachtern auf Anhieb erschlossen, mit Hilfe eines didaktischen Hinweises in der angeschlossenen Sonderausstellung könnten sie aber einem Großteil aller Besucher nahe gebracht worden sein.15 Verborgen geblieben ist ihnen in Asisis Version des Rom-Panoramas jedoch die Tatsache, dass die architektonische Substanz und ihr urbanistischer Zusammenhang den Wissensstand vor dem Jahr 1888 wiedergeben, neuere Erkenntnisse dagegen nicht eingearbeitet sind.16 Besonders augenfällig wird dies etwa an der Ostseite des Forum Romanum, wo zwei Bögen schon seit augusteischer Zeit den Tempel des Divus Iulius flankierten, so dass der gesamte Prospekt architektonisch längst geschlossen war (Taf. 1b).17 Zudem fehlen hier die spätantiken Rostra unmittelbar vor der Front des Divus IuliusTempels, die den freien Forumsplatz nochmals deutlich verkleinert haben.18 Auf dem Marsfeld wäre z.B. die Lage des Balbus-Theaters zu korrigieren, und der Circus Flaminius, dessen genaue Gestalt auch heute unbekannt ist, dürfte nicht mehr nördlich, sondern südlich der spätrepublikanischen Heiligtümer zu positionieren sein, also zwischen Tiberlauf und Porticus Metelli, Hercules Musarum-Tempel und Porticus Octavia.19 Im Bereich der Kaiserfora ließe sich wenigstens der bis vor kurzem irrtümlich angenommene Tempel des Divus Traianus entfernen und gegen eine monumentale Eingangsarchitektur tauschen.20 Weitere architektonische und urbanistische Korrekturen könnte man freilich an vielen Stellen des Stadtbilds vorneh-
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Die Suovetaurilien wieder zu erkennen, ist in Asisis digitaler Neufassung insofern erschwert, als von den drei Tieren der Eber wohl versehentlich einem üppigen Oleanderbusch zum Opfer gefallen ist; vgl. Asisi (Anm. 2) 24 mittlere Abb. (Leporello); 47 Abb. zu Nr. 43. Über den aktuellen Forschungsstand informieren z.B. LTUR I–V (Rom 1993–1999) und H. von Hesberg – P. Zanker (Hrsg.), Storia dell’architettura italiana. Architettura romana, i grandi monumenti di Roma (Mailand 2009). Gleichzeitig mit der Eröffnung des Münchner Panoramas publizierte O. Richter, Die Augustusbauten auf dem Forum Romanum, JdI 4, 1889, 137–162 mit Abb. erstmals diese Erkenntnis; vgl. F. Coarelli, Il Foro Romano 2. Periodo repubblicano e augusteo (Rom 1985) 269–279 Abb. 68–78. Zu jüngsten, m.E. nicht zwingenden Korrekturvorschlägen des Befundes siehe K. S. Freyberger u.a., RM 113, 2007, 493–551. bes. 518f. mit Abb. 21 (neue Rekonstruktionsansicht der Ostseite des Forum Romanum). C. F. Giuliani – P. Verduchi, L’area centrale del Foro Romano (Florenz 1987) 148–165 mit Abb. 232f. (Rekonstruktionsansichten); F. A. Bauer, Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike (Mainz 1996) 31f.; P. Liverani, Osservazioni sui rostri del Foro Romano in età tardoantica, in: A. Leone – D. Palombi – S. Walker (Hrsg.) Res bene gestae. Ricerche di storia urbana su Roma antica in onore di Eva Margerita Steinby, LTUR Suppl. IV (Rom 2007) 169–193. F. Coarelli, Il Campo Marzio. Dalle origini alla fine della repubblica (Rom 1997) 336ff. mit Abb. 74; 539ff. mit Abb. 140. Die längst überholte topografische Situation ist abgebildet bei Asisi (Anm. 2) 20. E. La Rocca, Passeggiando intorno ai Fori Imperiali, in: Haselberger – Humphrey (Anm. 8) 134f. mit Abb. 1. 13; zuletzt zusammenfassend R. Meneghini, I fori imperiali, in: von Hesberg – Zanker (Anm. 16) 184–195 mit der betreffenden Lit. und Abb. auf S. 186.
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men, doch dürfte es außerordentlich schwierig, wenn nicht unmöglich sein, sämtliche Verbesserungsvorschläge angemessen zu berücksichtigen. Insofern ist es eine konsequente Lösung gewesen, sich von vornherein für eine komplette Adaption der originalen Vorlage Bühlmanns und Wagners aus dem Jahr 1888/89 zu entscheiden. In den Augen eines puristisch denkenden Archäologen mag dieser Entschluss zwar einen empfindlichen Mangel darstellen, aber angesichts zahlreicher anderer, panoramatisch bedingter Kunstgriffe ist es eher empfehlenswert, derartige Fehler gleichsam sportlich zu nehmen und den Versuch, sie aufzuspüren, wie eine Aufforderung zum intellektuellen Agon mit dem Künstler zu akzeptieren. Anders wird man die Panoramakunst im Allgemeinen und die Eigenleistung Yadegar Asisis an diesem speziellen Panorama kaum angemessen beurteilen, geschweige denn schätzen lernen können.
Die neuartige Immersionskraft des Leipziger Panoramas von Yadegar Asisi Die gesamte Raumwirkung und Immersionskraft dieses Leipziger Panoramas beruht auf wesentlichen Eingriffen in die Gestaltung zahlloser Details wie auch auf einer maßgeblichen Ausweitung des ganzen Bildraums. Dazu kommen eine geradezu authentische Farbgebung und eine fotografische Präzision im Zusammenhang mit einem waghalsigen Spiel der Realitätsebenen. Zunächst wurde das Rundbild von ehemals 15 m auf etwas mehr als die doppelte Höhe, nämlich 31 m vergrößert. Im Unterschied zum ursprünglichen Panorama hat Asisi seine eigene Version mit einem neuen, stark erweiterten Vordergrund und einem gewaltigen Wolkenhimmel ausgestattet, so dass das rekonstruierte Rom höchstens noch fünfzehn bis zwanzig Prozent der Gesamthöhe beträgt.21 Dadurch ist eine ungeheure Raumtiefe hergestellt, deren enorme Suggestionskraft sich vor allem aus einer perfekten perspektivischen Darstellungsweise ergibt. Die drei räumlichen Abschnitte mit den Ruinen im Vordergrund, dem rekonstruierten Stadtbild in der Mitte und dem Wolkenhimmel darüber drohen auch nicht auseinander zu fallen, da sie von mehreren kompositorischen Klammern zusammengehalten werden. Die Tempel des Iuppiter Optimus Maximus und der Iuno Moneta ragen mit Gebälk und Giebeldach deutlich über den Horizont hinaus, so wie auch eine vereinzelte, vor dem Cäsar- und Augustusforum auf den Ruinen des Vordergrunds stehende Säule und die elegante, vor dem Circus Flaminius zwischen schlanken Zypressen emporstrebende Pinie weit in den Wolkenhimmel hineinreichen (Taf. 2). Diese Kompositionsele-
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Das gleiche Verfahren wurde bereits auf älteren Panoramen angewendet, siehe Bordini (Anm. 1) Abb. 34 (Scheveningen-Panorama, 1881). 85 (Schlacht um Moskau, 1834). 90 (BourbakiPanorama in Luzern, 1889). 138 („Maréorama“, 1900).
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mente sind in einem ganz konkreten Sinn realistische Bindeglieder, die die einzelnen Raumschichten optisch miteinander verknüpfen.22 Der Bildraum hat gegenüber dem originalen Panorama aber nicht nur eine quantitative Erweiterung erfahren, sondern darüber hinaus auch eine neuartige Qualität in seiner suggestiven Wirkung bekommen. Trotz der gewaltigen Monumentalisierung des Bildes erscheinen Himmel und Ruinen keineswegs fremdartig oder künstlich hinzugefügt. Vielmehr zeichnet sie eine fast unerhörte naturalistische Echtheit aus, – und tatsächlich handelt es sich bei den zahllosen Einzelheiten um fotografische Zitate, aus denen die romantische Ruinenlandschaft ebenso wie der eindrucksvolle Wolkenhimmel komponiert sind. Die Wolkengebilde stammen, wie Asisi einräumt, aus Momentaufnahmen des Himmels in der Mark Brandenburg, aber alle Details der Ruinen wurden selbstverständlich in den heutigen archäologischen Parks des römischen Stadtzentrums fotografiert. So fühlt sich der Betrachter in ein aktuelles, wenngleich eklektisches Ruinenkonglomerat versetzt, das er insbesondere nach einem eigenen Rombesuch als vertraute Räumlichkeit empfindet. Mithin erscheint die räumliche Distanz zwischen Bild und Betrachter nahezu aufgehoben.23 Das rekonstruierte Rom des Jahres 312 ist wie auf natürliche Weise in den konkreten, zeitgenössischen Erfahrungshorizont eingebettet. Dabei sind die Ebenen der Wahrnehmung insofern verschoben, als eben nicht das historische, längst vergangene Rom aus der Zeit Konstantins des Großen in seinem tatsächlichen ruinösen Zustand vorgestellt, sondern im Gegenteil völlig intakt und makellos wiedergegeben ist; an keiner Stelle des gesamten Panoramas fehlt auch nur ein einziger Dachziegel, und nirgends ist ein Stein aus einer Wand heraus gebrochen. Zum wahrnehmungspsychologischen Verfahren eines Panoramakünstlers gehört es, mit den Ebenen der gewohnten Realität auf subtile Weise umzugehen, Irritationen zu provozieren und gewöhnliche Erfahrungen mitunter in ihr Gegenteil zu verkehren.24 Genau diesen Kunstgriff wendet Yadegar Asisi an, indem er unsere aktuellen Ruinen auf einmal zu beleben beginnt, sie jedoch nicht mit Touristen, sondern vielmehr Gestalten kaiserzeitlicher Römerinnen und Römer in ihren historischen Gewändern bevölkert. Unter ihnen sind beispielsweise ein Gänsehirt (Taf. 3a), ein im Schatten hoher Ruinen kauerndes Liebespaar und mehrere Römer, die eine Maxentius-Statue gewaltsam vom Sockel holen. Alle diese Gestalten bewegen sich und handeln so, als ob ihr Aufenthalt innerhalb unserer eigenen, antiken Ruinen ganz selbstverständlich wäre. Völlig verwischt werden die Realitätsebenen dort, wo einzelne Gruppen heraufblickender Römer den direkten Kontakt zu den heutigen Betrachtern aufnehmen (Taf. 3b. 4a). Es sind überdies Gesichter aus unserem zeitgenössischen Straßenbild, die affir22
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Zu Pinien, Segeln, Minaretten etc. in der Funktion solcher kompositorischer Klammern bei Panoramen des 19. Jahrhunderts vgl. Bordini (Anm. 1) Abb. 110 (Panorama von Kairo, 1847). 122 (Neapel-Panorama, 1843). 138 („Maréorama“, 1900). Diese Art von psychologischer Entgrenzungsstrategie charakterisiert Grau (Anm. 10) 18–22. Grau (Anm. 10) 92–100; Soeffner (Anm. 1) 235–238.
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mativ die Idee von einer natürlichen Kommunikation über alle Raum- und Zeitgrenzen hinweg vermitteln.25 Wie das rekonstruierte, spätantike Rom in den vermeintlich aktuellen Raum implantiert ist, so wird auch der Betrachter regelrecht in diesen Bildraum hinein gesogen. Von Römerinnen und Römern des 29. Oktober 312 unmittelbar fixiert, soll er sich geradewegs als ein Teilhaber an ihrer Lebenswelt fühlen.26 Mit Hilfe dieses visuellen Kunstgriffs dürfte es dem Panoramakünstler gelungen sein, sich endgültig der räumlichen Empfindungskraft eines jeden unvoreingenommenen Besuchers zu bemächtigen. Nahtlos gleiten seine Augen immer wieder durch die unmittelbar vor ihm liegende Ruinenlandschaft hindurch in das perfekt gebildete, spätantike Rom und weiter bis an den fernen Horizont, wo die entgegenkommenden Wolken seinen Blick aufnehmen, am Firmament zerstreuen und in großer Höhe wieder zurücklenken.27 Auf diese Weise entsteht in der Tat ein großartiges, einheitliches Raumgefühl, das mit visuellen Mitteln weit gehend vervollkommnet ist. Im Vergleich zu dem originalen Panorama von Bühlmann und Wagner ist eine grundsätzlich vorhandene Distanz gegenüber dem visionären Rombild abgebaut worden. Dort war der optische Eindruck so konstruiert, dass sich der Besucher immer im Rücken von zwei Götterstatuen, der Minerva und des Neptun, sowie eines Pfaus als dem heiligen Tier der Juno wusste und gleichsam mit ihnen über die sehr schmale Ruinenkante hinweg das längst vergangene Rom in Augenschein nahm (Faltblatt 1).28 Also waren die unterschiedlichen Realitätsebenen ursprünglich gerade 25
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In Panoramen des 19. Jahrhunderts wurde ein vergleichbarer kommunikativer Kontakt zwischen Bildraum und Betrachter oftmals mittels plastischer Motive im Vordergrund, z.B. Wachsfiguren, oder auch lebender Akteure hergestellt; siehe Grau (Anm. 10) 95–100; Oettermann (Anm. 1) 74–76 Abb. 63 („Panorama des Nordkaps, mit lebenden Lappländern als Staffage, 1822 …“). 250 (Bourbaki-Panorama in Luzern); dazu siehe auch H. D. Finck – M. T. Ganz, Bourbaki Panorama (Zürich 2000) 46–53 mit vielen Farbabb. des in jüngster Zeit neu hergestellten Faux terrain. Für das Panorama „Le Vengeur“, 1892 auf den Champs-Elysées gezeigt, wurde ein anderer kommunikativer Kunstgriff gewählt. Man baute das französische Kriegsschiff der Seeschlacht des Jahres 1794 detailgetreu nach und setzte es, von einer Masse frischen, nach Meer duftenden Seetangs umgeben, mittels einer hydraulischen Apparatur derart in Bewegung, daß die Besucher den historischen Augenblick ziemlich realitätsnah nachempfinden mußten; vgl. Oettermann (Anm. 1) 139f. Abb. 101. – Die Verschmelzung von Vergangenheit und Gegenwart in der Panoramakunst reflektiert Soeffner (Anm. 1) 236. Zum Umgang mit Ruinen in der Realität des Alltags, in literarischen Reflexionen und visuellen Medien seit der Antike siehe die Beiträge bei M. Barbanera (Hrsg.), Relitti riletti. Metamorfosi delle rovine e identità culturale (Rom 2009); Th. Fitzon, Reisen in das befremdliche Pompeji. Antiklassizistische Antikenwahrnehmung deutscher Italienreisender 1750–1870 (Berlin 2004) 152ff. 218ff. 340ff.; G. Blix, From Paris to Pompeii. French Romanticism and the Cultural Politics of Archaeology (Philadelphia 2009) passim, speziell zum Panorama 175–177. Einen solchen, fast unnachahmlichen Raumeindruck streben auf die gleiche Weise zeitgenössische Panoramen in China an: Koller (Anm. 1) 92f. Abb. 4f. (Schlacht von Chibi/Wuhan, Provinz Hubai, 1999; Schlacht vom Yung cheng/Hebai, Provinz Shandong). Asisi (Anm. 2) 22 linke Abb.; 24 mittlere Abb. mit dem Pfau links im Vordergrund.
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nicht miteinander verschmolzen, sondern deutlich als fantastischer Bildraum und konkret definierter, wenn auch imaginärer Betrachterstandpunkt auseinander gehalten. In der neuen, digitalen Version hätten der Pfau und die beiden Götterfiguren einer immersiven Raumwirkung gerade wegen ihrer Rückenansicht diametral entgegengewirkt, so dass sie konsequenterweise aus dem Bild herausgenommen worden sind. Yadegar Asisi versuchte die Beeinflussung der Sinne so weit zu treiben, dass sich möglichst kein Betrachter mehr des Eindrucks erwehren sollte, für einige Augenblicke wirklich in Rom zu sein. Bekanntlich ist ein Panoramabild dieses Formats nicht zu bewegen, so dass genuin kinematografische Effekte für die Sinnestäuschung nicht zur Verfügung stehen. Statt dessen ließ Asisi die statische Raumerfahrung des RomPanoramas mittels einer aufwendig inszenierten Licht- und Tonschau verlebendigen. Man muss den gesamten Raum zuerst in gleißendes Morgenlicht getaucht erleben, dessen Farben sich daraufhin ständig verändern, dazu schrille Fanfarentöne hören, das Geschrei diverser Menschengruppen vernehmen und eine herannahende Reiterabteilung am klappernden Geräusch hart auf das Pflaster schlagender Pferdehufen erkennen (Taf. 4b). Langsam wechselnde Lichtverhältnisse lassen sich wandelnde Tageszeiten bis hin zur Dämmerung in abendlicher Ruhe und tiefblau schimmernden Finsternis bei nächtlicher Stille spüren, untermalt von mediterran klingendem Grillengezirp und vereinzeltem, fernen Hundegebell, urplötzlich unterbrochen durch das tiefe Knurren eines Hundes im Rücken flüsternder Betrachter.29 Diese Art des theatralisch inszenierten Tag- und Nachtwechsels, bei dem mancher Sinneseindruck nicht mehr vom realen Erlebnis unterscheidbar ist, hat eine starke veristische Wirkung auf den Betrachter ausgeübt und die suggerierte Präsenz im imaginären Raum noch einmal wesentlich verstärkt. Mit Hilfe vieler heterogener Einwirkungen auf seine sinnliche Wahrnehmung wird der Besucher animiert, sich selbst wie ein Akteur innerhalb des konstruierten Panoramaraums zu bewegen. Die komplexen sensorischen Einflüsse entfalten ihre Wirkung nicht voneinander unabhängig, da sie gleichzeitig und geradezu chiastisch miteinander verschränkt auf den Betrachter einströmen. Ruinenlandschaften und darin auftretende, authentisch erscheinende Römerinnen und Römer der Kaiserzeit erzeugen hier nicht distanzierte Erinnerungsbilder, wie sie uns in literarischen und gemalten Traumbildern begegnen können.30 Ihre Funktion in diesem Panorama hat eher eine wechselseitig wirksame Bedeutung. Die Ruinen mitsamt den Römergestal-
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Asisi (Anm. 2) 80–83 mit zwei Abb., die den Panoramaraum in nächtlicher Finsternis erscheinen lassen. Exemplarisch zeigt den Unterschied z.B. Paul Alfred de Curzon’s Bild „Un Rêve dans les ruines de Pompéi“ von 1866 im Musée Leon Alegre, Bagnols-sur-Ceze, wo um einen grübelnden Poeten ehemalige Bewohner der untergegangenen Stadt versammelt sind: Blix (Anm. 26) 78f. Abb. 5. Die Figuren erscheinen hier durch keinerlei Handlung miteinander verbunden, so dass sie insgesamt wie statuarische Fremdkörper wirken.
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ten suggerieren zwar einerseits die Antike als eine ferne Fantasiewelt, haben aber andererseits ihren festen Ort in der Gegenwart, weil sie ihre kommunikative Kraft und Präsenz dem zeitgenössischen Betrachter mehr oder weniger direkt aufzuzwingen versuchen. Die einfallsreiche und die Sinne betörende Licht- und Tonschau steigert die Intensität dieser Wirkungsweise so sehr, dass sie beim Betrachter einen performativen Prozess in holistischem Sinn auslösen kann, der die Immersionskraft des Panoramas bis zur Perfektion bringt.31
Fotografische Perfektion und motivische Opulenz Eine Eigenart, die dem Leipziger Panorama den besonderen Charakter unbedingter Echtheit und Präsenz verleiht, ist ohne Zweifel die fotografische Präzision nahezu sämtlicher Details. Mit dem Verlust des originalen Panoramas angeblich während eines Aufenthalts in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts war auch die Erinnerung an seine ehemalige Farbgebung verloren gegangen. Anhand einiger erhaltener Beispiele historischer und historistischer Gemälde Alexander von Wagners ließ sich immerhin ein allgemeiner Eindruck von der polychromen Ausmalung solcher Bildthemen gewinnen.32 Yadegar Asisi bediente sich schließlich für alle Einzelheiten einer endlosen fotografischen Collage mittels der digitalen Bildbearbeitung am Computer. Aus dem reichhaltigen Vorrat seiner rezenten Rom-Fotografien isolierte er Einzelmotive wie die zahllosen Ziegeldächer und Häuserwände, die unterschiedlichen Zierpflanzen und Bäume, natürlich auch die unvermeidbaren Katzen in und auf den Ruinen, die er dann auf einfachem und direktem Weg in das Rundbild übertrug.33 Die meisten Motive wie die blühenden Oleanderbüsche, die großen und kleinen Palmen und die prächtigen Zypressen mit ihren kräftigen Stämmen werden immer wie zufällig gewählt aussehen, weshalb sie dem Gesamtbild auch zu seinem selbstverständlichen, authentischen Ausdruck verhelfen. Markant sind nur wenige Details wie etwa die außerordentlich elegant gewachsene, dominante Pinie vor dem Circus Flaminius; sie stammt offenkundig aus einer fotografischen Aufnahme der einzigen auf dem Palatin frei stehenden, einprägsamen Pinie.34 Zu den besonders auffälligen Details von fotografischer Schärfe und Exaktheit zählen auch einzelne architektonische Monumente. So ist nicht nur der Septimius Severus-Bogen mit seiner klar lesbaren Attikainschrift als ein solches fotografisches Zitat identifizierbar, sondern erst recht der sichtbare obere Abschnitt der Trajanssäule 31
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„Die Tendenz zu einer auf technischen Verbundsystemen basierenden Multimedialität“ der Panoramakunst hebt Soeffner (Anm. 1) 229 hervor. W. Schäche in: Asisi (Anm. 2) 15–17. Vgl. dazu exemplarisch Asisi (Anm. 2) 45 Abb. zu Nr. 40; 54f. Abb. zu Nr. 55; Abb. auf S. 66f. J. Voigt in: Asisi (Anm. 2) 68 mit Abb.
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(Taf. 5).35 Dabei hat der Künstler hier unterlassen, die krönende Bronzestatue des Apostels Petrus mitsamt der Abakusinschrift (Sixtus V Pont M) B Petro Apost (Pont A III) gegen eine Panzerstatue des Kaisers Trajan und vielleicht die Votivinschrift SPQR Optimo Principi, wie sie auf Münzbildern der Zeit wiederkehrt, auszutauschen.36 Ungeachtet derartiger Unstimmigkeiten, die gewiss nur ein aufmerksam suchender Spezialist bemerken wird, steigern solche realistischen Einzelheiten aus dem heutigen römischen Stadtbild beim Betrachter das Gefühl für Authentizität. Eine ganze Reihe weiterer Einzelmotive lässt sich indes keineswegs mit der Vorstellung von einer weit gehenden Authentizität des rekonstruierten Rombilds vereinbaren. Sie dienen in erster Linie dazu, die so genannten weißen Flecken im antiken Stadtbild zu füllen. Ein beliebig ausgesuchtes Versatzstück ist z.B. die bis heute erhaltene, hohe Umfassungsmauer des Augustusforums (Taf. 6a).37 Asisi hat ihre Innenseite mit den charakteristischen Einarbeitungen im Sinn eines attraktiven architektonischen Detailmotivs ausgeschnitten und spiegelverkehrt an den Palatin verlagert, wo sie nun auf wunderbare Weise der Substruktionsarchitektur des römischen Kaiserpalastes vorgeblendet ist. Ein charakteristisches Beispiel ganz anderer Art ist das klassizistische Propylon, das dem Aufgang zum kapitolinischen Jupitertempel seinen repräsentativen Abschluss gibt. Säulen und Kapitelle, Giebel und Friese sind hier aus Fotografien der Alten Nationalgalerie, des Berliner Doms, des französischen Doms in Berlin und einer Londoner Villa herausgenommen und neu miteinander kombiniert.38 Auf die gleiche Weise wurden offensichtlich die bekannten opus sectile-Partien des römischen Pantheons exzerpiert und via Photoshop-Software für die polychrome Wandverkleidung an der Cella des Iuno Moneta-Tempels adaptiert.39 Nahezu beliebig sind auch zahlreiche Statuen und Geräte als kostbare Ausstattungsobjekte über das gesamte Panorama verstreut. Yadegar Asisi kam es ebenso wie schon Bühlmann und Wagner hauptsächlich darauf an, aus dem unerschöpflichen Antikenbestand der römischen und anderen italienischen Museen möglichst bekannte Bildwerke auszuwählen. Dadurch war es möglich, beim Betrachter teils einen schlichten Wiedererkennungseffekt auszulösen, teils auch für Überraschung zu sor-
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Asisi (Anm. 2) 36 Abb. zu Nr. 18; 48 Abb. zu Nr. 44. Zur Petrus-Statue, die Papst Sixtus V. am 26. 9. 1588 aufrichten ließ, siehe F. Coarelli, La Colonna Traiana (Rom 1999) 237–241, zur Trajanssäule auf den Münzrevers F. Panvini Rosati, La Colonna sulle monete di Traiano, AnnIstItNum 5–6, 1958, 29–40; F. B. Florescu, Die Trajanssäule (Bukarest 1969) 57–60 Abb. 23–29; zur Trajanssäule siehe auch hier den Beitrag Liverani mit Abb. 8. J. Ganzert, Der Mars-Ultor-Tempel auf dem Augustusforum in Rom (Mainz 1996) Taf. 8 (Gipsmodell); 16,2; bes. 50,1; 52,1; 54,1. – Dieses Detail hat Andreas Grüner, München, bei einem gemeinsamen Besuch des Panoramas identifiziert. Dazu J. Voigt in: Asisi (Anm. 2) 69 mit den entsprechenden Detailaufnahmen. Asisi (Anm. 2) 47 Abb. zu Nr. 43 (Juno Moneta-Tempel); zum Pantheon M. Wilson Jones, Principles of Roman Architecture (New Haven 2000) 177–197 Abb. 9,1; 9,25; 9,28–29; M. Heinzelmann, Il Pantheon, in: von Hesberg – Zanker (Anm. 16) 142–151 mit Farbtaf. auf S. 150.
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gen. Im originalen Panorama finden sich auf der Terrasse des kapitolinischen Jupitertempels bereits so berühmte Statuen wie der Herakles Farnese, der Apollon vom Belvedere und der trunkene Bacchus des Michelangelo (Taf. 6b). An versteckter Stelle hat Asisi hier dann sogar eine seitenverkehrte Ansicht der erst in den 1970er Jahren rekonstruierten Polyphemgruppe aus der Höhle von Sperlonga hinzugefügt (Taf. 7a). Unter einer Vielzahl solcher eher unerwarteter Beispiele verbirgt sich nicht zuletzt das fotografische Zitat einer der barocken, von Bernini und seinen Schülern skulptierten Engelsstatuen auf dem Ponte Sant’ Angelo in Rom (Taf. 7b). Für diesen grenzenlosen Eklektizismus ist die simultane Präsenz und Wahrnehmung unendlich vieler, zeitlich und räumlich disparater Details bezeichnend. Ohne Zweifel drückt sich darin ein enormer Drang zu fabulieren aus, den man sowohl genießen als auch kritisieren kann. Die Vergegenwärtigung so vieler Einzelheiten aus völlig unterschiedlichen Lebenswelten von der Antike bis in die Neuzeit und sogar Gegenwart, wie sie dieses Rom-Panorama charakterisiert, ist zwar nicht ganz neu. In ihrer außerordentlichen Opulenz, der immensen Erzählfreude und vor allem der integrativen Wirkungskraft übertrifft sie aber deutlich den Rahmen traditioneller Medien wie auch zeitgenössischer Virtual Reality (VR)-Rekonstruktionen.
Das Leipziger Panorama im Vergleich mit simulativen Räumen anderer Medien Was das Interesse an einer möglichst überzeugenden Rekonstruktion einzelner Gebäude wie auch urbanistischer Komplexe betrifft, bieten sich zum Vergleich die jährlichen Preisaufgaben der französischen Akademiestipendiaten in Rom an, die vorwiegend im 19. Jahrhundert entstanden sind.40 Beispielhaft zeigt etwa die Beschäftigung des Architekten Constant Moyaux (1835–1911) mit dem Tabularium, dass außer einer nüchternen Bauaufnahme unter Benutzung der verfügbaren Grabungsberichte und einer Ergänzung des Grundrisses einschließlich der Nachbarbauten jeweils zwei verschiedene Rekonstruktionsarten erwünscht waren.41 Einmal wurde die exakte Darstellung der ausgegrabenen Ruinen in ihrem damals aktuellen, zeitgenössischen Ambiente der Jahre 1865/66 erwartet. Dabei sind die baulichen Überreste der Antike in ihrer zerfallenen Substanz, die neuzeitlichen Gebäude dagegen vollkommen intakt wiedergegeben. Zum andern ging es um einen plausiblen Rekonstruktionsvorschlag des gesamten antiken Architekturprospekts, bei dem neuzeitliche Gebäude, landschaftliche Motive und vegetative Elemente sowie belebende Tiere und Menschen ausgeblendet sind. Für diese Art von idealisierender Rekonstruktion ist wie beim Pa-
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F.-Ch. Uginet (Hrsg.), Roma antiqua. L’area archeologica centrale. ‚Envois‘ degli architetti francesi (1788–1924). Ausstellungskatalog Rom und Paris (Rom 1985) passim. A. Mura Sommella, in: Uginet (Anm. 40) 68–75 Abb. 25–28.
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norama zwar eine völlig hypothetische statuarische Ausstattung gewählt, aber auf jegliches bauliche Detail, das typologisch nicht durch die bekannte, kaiserzeitliche Architektursyntax belegt gewesen wäre, verzichtet. Ähnlich versuchte Edmond Paulin (1848–1915) in seinen imposanten, 1890 veröffentlichten „restaurations“ der stadtrömischen Diokletiansthermen die Architektur möglichst authentisch zu vervollständigen, während er im Hinblick auf die malerische, musivische und statuarische Ausstattung seiner Fantasie kaum irgendwelche Schranken setzte.42 Im Unterschied zu den Panoramakünstlern verwendete jedoch auch er keine nachantiken bzw. eindeutig neuzeitlichen Motive. Bei seiner außergewöhnlichen, narrativen Belebung der Thermenanlage mit einer großen Zahl unterschiedlich agierender ‚Badegäste‘ kam es ihm nicht darauf an, den Betrachter etwa durch Blickkontakte mit seinen Figuren in den Bildraum hineinzuziehen. Trotz des perspektivisch gesehenen, großzügig geöffneten Schnitts durch natatio und frigidarium, die Haupträume dieser kaiserzeitlichen Thermen, ließ Paulin die Distanz zwischen Betrachterposition und äußerst üppig ausgestattetem Bildraum unangetastet. Das gilt auch für zahllose Capricci mit ihren fantasievollen, durch figürliche Szenerien belegten Architekturarrangements und für die reinen Ruinenbilder im landschaftlichen Kontext, so z.B. für ein Bild von Paul Alfred de Curzon mit dem Titel „Un Rêve dans les ruines de Pompéi“ aus dem Jahr 1866.43 Im Vordergrund öffnet sich über die gesamte Bildfläche hinweg die sauber gefegte und perfekt konservierte Ruine eines pompejanischen Wohnhauses, während im Hintergrund der karge Vulkankegel des rauchenden Vesuvs liegt. Ein junger Poet sitzt am Rand des erstaunlicherweise völlig intakten Impluviums, wo er verlorenen Zeiten nachsinnt. Statuarischen Gruppen vergleichbar sind einige ehemalige Pompejaner über die Ruine
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E. Paulin, Les Thermes de Dioclétien. Restauration des Monuments antiques par les architectes, pensionnaires de l’Académie de France à Rome 7 (Paris 1890); siehe dazu die kurze Besprechung von Ch. Hülsen, RM 7, 1892, 308–311; F. Yegül, Baths and Bathing in Classical Antiquity (Cambridge/Mass. 1992) 163–169 Abb. 182 mit Lit. und s/w-Aufnahme. Farbige Reproduktionen seiner berühmten, perspektivischen Rekonstruktion sind zu finden in: P. Ciancio Rossetto – G. Pisani Sartorio – F.-Ch. Uginet (Hrsg.), Roma antiqua. Grandi edifici pubblici. ‚Envois‘ degli architetti francesi (1786–1901). Ausstellungskatalog Rom – Paris (Rom 1992) 14–35 Abb. 19 (G. Bulian); P. Zanker, Der Kaiser baut fürs Volk (Opladen 1997) 23 Abb. 14; ders., L’imperatore come committente, in: von Hesberg – Zanker (Anm. 16) 78–95 mit großer Doppeltafel auf S. 90–91. Siehe hier Anm. 30. Vgl. auch das Charles-Louis Clérisseau zugeschriebene Capriccio mit reicher narrativer Ausstattung durch antike Figurengruppen, die nicht aus dem Bild heraus kommunizieren, siehe Taf. 12. – Zu den Capricci und weiteren Ruinenbildern siehe D. Syndram, Zwischen Phantasie und Wirklichkeit. Römische Ruinen in Zeichnungen des 16. bis 19. Jh. aus Beständen der Stiftung Preussischer Kulturbesitz. Ausstellungskatalog Berlin (Mainz 1988); B. Buberl (Hrsg.), Roma antica. Römische Ruinen in der Kunst des 18. Jahrhunderts. Ausstellungskatalog Dortmund (München 1994); F. Lui, L’antichità tra scienza e invenzione. Studi su Winckelmann e Clérisseau (Bologna 2006); E. Oy-Marra, ‚Ipsa ruina docet‘. Die Ruine als Bildfigur der Erinnerung und kritischer Reflexion, in: MKuHistFlorenz 52, 2008 (2009) 95–122.
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verteilt. Auch wenn manche dieser Figuren geradewegs aus dem Traumbild herausblicken, ist dennoch kein echter Kontakt mit dem Betrachter intendiert. Die gesamte Stimmung wirkt vielmehr trügerisch und bleiern, so dass die Figuren in einer steifen Distanziertheit verharren. Einen anderen Weg der Präsentation wies der französische Zeichner Louis-François Cassas (1756–1827).44 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ließ er in einem eigens eingerichteten Architekturmuseum nicht nur gemalte Veduten antiker, und zwar griechischer, römischer wie auch nahöstlicher Bauwerke ausstellen, sondern ebenso die dazugehörigen plastischen Modelle aus Kork, Gips oder Ton. Aus Kork gefertigt, sollten die Modelle ausdrücklich den Verfallszustand der Ruinen dokumentieren. In weißem ‚Pariser Gips‘ oder Ton modelliert, verkörperten sie dagegen den perfekt ergänzten, wissenschaftlich fundierten Idealzustand einer mustergültigen und vorbildhaften Architektur. Die bunten Aquarelle hatten indessen die Aufgabe, die Ruinen der Gebäude in ihrem Naturraum, ihrem landschaftlichen und vegetativen Kontext, zu zeigen.45 Dabei kann man, da das Museum längst nicht mehr existiert, nicht feststellen, in welcher Weise diese Ruinenlandschaften vielleicht auch mit Figuren belebt waren. Im Vergleich zu einem Panorama waren in diesem Museum, wie etwas später in modifizierter Weise übrigens nochmals im Londoner Haus des Architekten Sir John Soanes (1753–1837),46 die verschiedenen Ebenen der Wahrnehmung klar voneinander getrennt. Die unterschiedlichen Gattungen und Materialien hatten jeweils ihre eigenen medialen Qualitäten, die zwar nicht miteinander verschmolzen, aber doch unmittelbar kombiniert werden sollten. Hinter dieser Präsentationsweise verbirgt sich offensichtlich eine didaktische Systematik, die die sinnliche Erfahrung und intellektuelle Auseinandersetzung mit antiker Architektur in einzelne gedankliche Aspekte aufspaltet. Insofern entspricht die edukative Zielsetzung von Cassas’ Musée d’Architecture aus dem Jahr 1806 sehr genau der streng akademischen Ausrichtung, wie sie für die rekonstruktiven Leistungen der französischen Architekten in Rom charakteristisch gewesen ist. Das Prinzip, maßstäblichen Bauaufnahmen sowohl nüch-
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V. Kockel, Korkmodelle antiker Architektur im 18. und 19. Jahrhundert, in: W. Helmberger – V. Kockel (Hrsg.), Rom über die Alpen tragen. Fürsten sammeln antike Architektur: Die Aschaffenburger Korkmodelle. Ausstellungskatalog München (Landshut 1993) 26 mit Abb. 20 und weiterer Lit. I. Guillez, Galerie d’architecture de M. Cassas, in: Athenaeum, Faszikel 11, November 1806, 406: „M. Cassas n’a rien négligé pour donner une idée complète et exacte des monuments qui ornent sa Galerie. Il les a fait modeler par d’habiles artistes, avec soin, sur une échelle assez grande, presque tous en talc fin ou en terre, avec leur parfaite restauration; quelques-uns en liège, pour mieux imiter leur état de dégradation; enfin, il a placé à coté de ces modèles de trés-beaux dessins à l’aquarelle, qui représentent et la nature du sol et l’état actuel de ces monuments.“ Das Wort ‚talc‘ bezeichnet hier den weißen Gips, vgl. G. Cuisset, Jean-Pierre et François Fouquet, artistes modeleurs, GazBA, Mai/Juni-Heft 1990, 237 mit Anm. 84. Kockel (Anm. 44) mit Abb. 21.
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terne Grundrisse, Aufrisse und Schnitte wie auch farbige Rekonstruktionsansichten und schließlich die illusionistischen Veduten folgen zu lassen, stand damals bereits in einer mehr als hundertjährigen Tradition. Erst nach der Mitte des 18. Jahrhunderts kamen in diesem Zusammenhang die Korkmodelle hinzu, bis an der Wende zum 19. Jahrhundert auch die weißen Gipsmodelle an Bedeutung gewinnen konnten.47 Didaktische und zugleich repräsentative Gesichtspunkte prägen auch die kompletten dreidimensionalen Stadtmodelle von Pompeji und Rom. Sie wurden jeweils aus einem historischen Legitimationsbedürfnis heraus angefertigt und dann zu kulturpolitischen Demonstrationszwecken benutzt. Der Bourbone Karl VII. ließ seit 1805 alle antiken Ruinen seines Königreichs Neapel, insbesondere natürlich das antike Pompeji, durch den bewährten Modellbauer Domenico Padiglione (1756– 1832) detailgetreu in Kork nachbilden, polychrom ausmalen und somit die Befundsituation ziemlich exakt dokumentieren.48 Die erste Version dieses Stadtmodells wurde in späteren Jahren durch eine zweite ersetzt, die heute im Neapler Nationalmuseum steht. Deutlich jüngeren Datums ist das umfangreiche und stets zu aktualisierende Stadtmodell des kaiserzeitlichen Rom auf der Stufe des konstantinischen Zeitalters, das der Architekt Italo Gismondi unter Benutzung von Rodolfo Lancianis „Forma Urbis Romae“ (1893–1901) entworfen hat. Dieses aus farbig gefassten Gipselementen rekonstruierte Idealmodell geht bekanntlich auf das Konzept der „Mostra Augustea della Romanità“ zurück, die am 23. September 1937 eröffnet wurde und nun im Museo della Civiltà Romana zu sehen ist.49 Mit den Panoramen sind schließlich die jüngsten VR-Rekonstruktionen direkt vergleichbar, die u.a. auch das kaiserzeitliche Rom in den räumlichen Zusammenhängen seiner Bauwerke darstellen.50 Dabei kann die Absicht, eine möglichst überzeugende Wirklichkeitsnähe zu erzielen, soweit gehen, dass sogar die Schlagschatten der Gebäude in ihrer urbanistischen Umgebung zeitgenau eruiert und abgebildet werden.51 Um derartige, räumlich begrenzte Situationen simulieren zu können, muss allerdings dem Betrachter jeweils ein ganz konkreter Standpunkt zugewiesen werden, der dann notwendigerweise sein Blickfeld stark einschränkt. Einzelheiten
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Kompakte Informationen zu diesem Kontext gibt die handliche Broschüre von V. Kockel u.a., Ansicht Plan Modell. Zur Darstellung antiker Architektur am Beispiel von Pompeji und Herculaneum, Begleitheft zu einer Ausstellung in der Universitätsbibliothek Augsburg (Augsburg 1996) 3–20 mit Abb. Siehe auch hier Beitrag Meier. Kockel (Anm. 44) 11–31. bes. 21f.; V. Kockel, Das Haus des Sallust in Pompeji, in: Rom über die Alpen tragen (Anm. 44) 135–148 Abb. 109–125. G. Q. Giglioli (Hrsg.), Mostra Augustea della Romanità. Catalogo (Rom 1937) 596–598. Zuletzt C. Pavia, Roma antica, com’era. Storia e tecnica costruttiva del grande Plastico dell’Urbe nel Museo della Civiltà Romana (Rom 2006) passim. Siehe hier die Beiträge Bauer, Kockel, Altekamp und Wulf-Rheidt mit Taf. 18b. Einschlägige Beiträge dazu in: Haselberger – Humphrey (Anm. 8) 120–334. D. Favro, In the eyes of the beholder: Virtual Reality re-creations and academia, in: Haselberger – Humphrey (Anm. 8) 321–334 mit Abb. 2.
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der Oberflächentextur sind von ihrer naturnahen Erscheinung zumeist weit entfernt, da sie einer überzeugenden stofflichen Qualität entbehren und damit auch keine wirklich sinnliche Ausstrahlung entwickeln. So genannte weiße Flecken, also die Fehl- oder Leerstellen im antiken Stadtbild werden in der Regel nicht nach eigenen Vorstellungen mehr oder weniger fantasievoll aufgefüllt. Einem nüchternen wissenschaftlichen Anspruch verpflichtet, nehmen die Urheber der aktuellen VR-Rekonstruktionen zumeist davon Abstand, a priori unhaltbare Ergänzungsvorschläge auszuführen. In dieser Hinsicht bleiben die VR-Rekonstruktionen gegenüber dem Panorama also eher akademisch korrekte, dafür aber auch relativ abstrakte Lösungen der Simulation. Ein Vorteil ist die interaktive Struktur des neuen Mediums, denn im Idealfall soll sich der Nutzer weitgehend selbständig durch einzelne Partien bzw. Segmente eines umfassenden Stadtraums bewegen können. Diese Navigationsfreiheit gibt ihm die fiktive Möglichkeit, nacheinander verschiedene Plätze, Gebäude wie auch Innenräume abzuschreiten und dabei die Objekte in einer dreidimensionalen Wirkung, im ‚all-embracing view‘ des so genannten Cyberspace wahrzunehmen. Aufgrund ihrer prinzipiell unterschiedlichen Struktur und Zielsetzung treten die VR-Rekonstruktionen nicht in Konkurrenz zu den Möglichkeiten der Panoramakunst. Vielmehr stellen sie eine eigene, komplementäre Variante dar, die die Rekonstruktion historischer Landschafts- und Stadtbilder auch in ihrer räumlichen Qualität eindrucksvoll erfahrbar macht.
Resümee Das Panorama ROM 312 hat mit wissenschaftlich verifizierbarer Exaktheit eines groß angelegten Rekonstruktionsversuchs des römischen Stadtbilds zur Zeit Konstantins des Großen nichts zu tun. Seine Absicht besteht darin, eine großartige Fantasiewelt vorzutäuschen, in die der Besucher nach allen Regeln der Kunst wie ein selbständiger Akteur einbezogen wird. Die sensorischen Einflüsse visueller und akustischer Art sind so komplex, dass sich kaum ein Betrachter der Illusionskraft dieses Rundbilds entziehen kann. Alle Aspekte und Möglichkeiten der seit dem späteren 18. und 19. Jahrhundert üblichen Rekonstruktionsweisen sind in einer eigenständigen Art und Weise miteinander kombiniert, zugleich aber auch provozierend verändert und mit den jüngsten Methoden zeitgenössischer, elektronischer Technik optimiert worden. Ein konventionell erscheinendes Historienbild mit hervorgehobenen imperialen Monumenten ist somit zu einem perfekten Erlebnisraum mit einer außergewöhnlichen Immersionskraft entwickelt worden. Diese Wirkung des kolossalen Panoramas zu spüren und sie nach Möglichkeit sogar in einen temporären Prozess der performativen Aneignung zu überführen, ist zweifellos der wichtigste Aspekt des multimedialen Events im Leipziger Panometer gewesen. Seine Attraktivität hat allerdings erheblich durch die qualitätvolle, dokumentarische Sonderausstellung gewon-
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nen, die auf den traditionellen medialen Möglichkeiten und deren didaktischer Zielsetzung aufgebaut hat. Dabei wurden die aktuellen Techniken eingegliedert und mit der Idee des so genannten iPanoramas ein Ausblick auf zukünftig zu entwickelnde Innovationen gegeben.
Tafelnachweis Taf. 1–7: © Asisi
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„Wissenschaft und Kunst sind, wie selten, eine glückliche Verbindung eingegangen“. – Das Rom-Panorama von Josef Bühlmann im Kontext des 19. Jahrhunderts1 Va l en tin K o ck el
Den Anlass zu dem Leipziger Kolloquium bot das von Yadegar Asisi wieder belebte, überarbeitete und auch verfremdete Rom-Panorama, das ab 1886 von dem Architekten Josef Bühlmann und dem Historienmaler Alexander von Wagner angefertigt wurde (Faltblatt 1 und 2). Es zeigt die antike Stadt im Jahre 312, am Tag nach dem Sieg Konstantins über Maxentius an der Milvischen Brücke. Konstantin eilt mit seinem Gefolge im Triumphzug vom Forum auf das Capitol, wo ihn die Priester des römischen Staatsgottes erwarten. Mehrere Nebenhandlungen begleiten das Geschehen: Eine Gruppe von Christen zeigt die Standarte, das sogenannte Labarum; Soldaten stürzen eine Statue von Konstantins Gegner; Priester vollziehen ein heidnisches Opferritual vor dem Tempel der Iuno Moneta. Als riesiges Historienbild stellt das Panorama damit den – historisch nicht überlieferten – Augenblick dar, in dem sich der Wechsel von der heidnischen zur christlichen Antike abzeichnet. In dem folgenden Beitrag soll jedoch vor allem der Anteil des Architekten Bühlmann an diesem Werk behandelt und innerhalb der Panoramamalerei des 19. Jahrhunderts verortet werden. Sein ‚historischer‘ Rundblick erweist sich als wichtiges Beispiel früher bauhistorischer Forschung und Visualisierung. Bühlmanns Entwurf der Stadt Rom wird außerdem in eine Reihe mit zeichnerischen Rekonstruktionen antiker Stadtbilder gestellt, deren Erforschung damals noch am Anfang stand. Als Robert Barker am 17. Juni 1787 das Patent für eine Ausstellungstechnik erhielt, die er auf französisch „La nature à coup d’oeuil“ nannte, bereitete er damit den Weg für eine Entwicklung, in der mehr denn je die möglichst überwältigende Wirklichkeitsnähe zu einem Thema bildnerischen Schaffens avancierte. Schon bald wurde der kom-
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Für Hinweise und Hilfe danke ich Klaus Anton Altenbuchner, Renate Miller-Gruber, Wolf Koenigs, Winfried Nerdinger, Anja Schmidt, Denis Stante, Hilde Strobl, Ulrike Wulf-Rheidt. Nachtrag: Vom Verf. erschien mittlerweile ein Beitrag, in dem die Panoramen ebenfalls eine Rolle spielen. V. Kockel, Rekonstruktion und Rezeption – Die Rekonstruktion antiker Stadtbilder und ihre Verbreitung, in: W. Nerdinger (Hrsg.), Geschichte der Rekonstruktion – Konstruktion der Geschichte. Ausstellungskatalog München (München 2010) 96–113. 381–403.
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plizierte französische Begriff durch den pseudogriechischen Neologismus ‚Panorama‘ ersetzt, ein Wort, das in fast allen Sprachen gut zu artikulieren ist und sicher auch deshalb zum Erfolg der Erfindung beitrug. Über den Siegeszug des neuen Mediums in den Großstädten Europas und Amerikas sind in den letzten dreißig Jahren einige ausführliche Darstellungen erschienen.2 In Deutschland führte vor allem die 1993 in Bonn gezeigte Ausstellung „Sehsucht“3 zu einem breiteren Interesse an den Rundgemälden und seither wurden wieder einige der historischen Panoramen restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.4 In Bonn hatte Yadegar Asisi auch eine erste – noch sehr kleine – überarbeitete Fassung von Bühlmanns Panorama aus dem Jahr 1888 ausgestellt. Aus diesem Versuch entstand letztlich das Leipziger Rom-Panorama.5 Bevor wir uns ihm zuwenden, sollen aber noch einige Grundsätze reflektiert werden, die den spezifischen Charakter von Panoramen ausmachen und bei der Einschätzung der Arbeit Bühlmanns berücksichtigt werden müssen. Es ist stets zu Recht betont worden, dass Barkers Leistung, und letztlich auch die Berechtigung für die Patentierung seiner Idee, nicht so sehr in der Form des Rundgemäldes als solchem bestand – Vergleichbares gab es bereits vorher –, sondern vielmehr in der Art seiner Präsentation. Der Betrachter sollte durch die Ausstellungstechnik möglichst ohne Ablenkung in das dargestellte Thema einbezogen werden, wofür man durch eine immer raffiniertere Abdunkelung und Lichtführung sorgte.6 Der Betrachter wurde damit zum Bezugspunkt des Panoramas. Wie im vorkopernikanischen Kosmos steht er im Mittelpunkt einer Welt, die auf die gekrümmte innere Schale des Ausstellungsbaus projiziert wird. Praktisch geht es dabei auch um komplizierte Verzerrungen in der Darstellungsweise, deren Konstruktion erst geheim gehalten, dann aber im Rahmen der Ausbildung zur Perspektivdarstellung auch an den Akademien gelehrt 2
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S. Oettermann, Das Panorama. Die Geschichte eines Massenmediums (Frankfurt am Main 1980; engl. 1997) – immer noch unverzichtbar mit der materialreichsten Sammlung; S. Bordini, Storia del panorama. La visione totale nella pittura del XIX secolo (Rom 1984); M.-L. von Plessen (Hrsg.), Sehsucht. Das Panorama als Massenunterhaltung des 19. Jahrhunderts. Ausstellungskatalog Bonn (Basel 1993); B. Comment, Das Panorama. Die Geschichte einer vergessenen Kunst (Berlin 2000; frz. 1993; engl. 1999). Sehsucht (Anm. 2). Zum Beispiel das restaurierte Jerusalem-Panorama in Altötting, die neu entwickelten Panoramen von Yadegar Asisi in Leipzig (Everest) und Dresden (Dresden 1756), sowie Johann Michael Sattlers Salzburg-Panorama aus dem Jahr 1829, das seit 2006 wieder in Salzburg zu sehen ist. Eine Liste zugänglicher Panoramen findet sich auch in dem im Auftrag des International Panorama Council herausgegebenen Bildband: T. Rombout (Hrsg.), The Panorama Phenomenon (Den Haag 2006). Sehsucht (Anm. 2) 172f. Nr. II.102f. Eine transparente ‚kleine‘ Version war auch 2007 in der Konstantin-Ausstellung in Trier zu sehen. Ein 1996 für die Grünanlagen der Via dei Fori Imperiali in Rom konzipierter Schauraum wurde nicht realisiert. Vgl. Geo-Special Rom, Oktober 1996, 60–65. Dabei ergaben sich auch statische Probleme: So entwickelte Jakob Ignaz Hittorf 1831 eigens eine neuartige Dachkonstruktion, um eine Ausstellungs-Rotunde an den Champs Elysées mit einer Spannweite von 38 m stützenfrei überdachen zu können. Comment (Anm. 2) 47–48 Abb. 19–20.
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wurde.7 Der Besucher stand idealerweise nicht vor, sondern im Bild.8 So verstanden ist das Panorama also im eigentlichen Sinn keine Bildgattung, sondern eine Technik, eine Hülle, besser noch ein Medium, mit dem die traditionellen Genera wie Landschaftsmalerei, Historienbild oder, spezifischer, Schlachtenbild in neuer Weise für ein breites Publikum aufbereitet werden – deshalb auch das von Stephan Oettermann glücklich eingeführte Schlagwort vom Panorama als dem ersten ‚Massenmedium‘. Die Intention, den Betrachter möglichst nahtlos in die virtuelle Welt der Bilder einzubinden, und die dafür entwickelte ‚Technik‘ hatten formale und inhaltliche Konsequenzen für die Gestaltung der Bilder und deren Aussage. Für die Form der Bilder ist zunächst die Wahl des Standortes und die Enge des Bezugs zum dargestellten Objekt wesentlich. Der Betrachter steht meist leicht erhöht, zum Beispiel auf einem Turm oder einem (Feldherren-) Hügel, um einen besseren Überblick zu gewinnen. Rückt sein Standort noch selbst ins Bild, ergeben sich starke Verzerrungen, die oft ganz bewusst betont und als kompositorische Effekte eingesetzt werden.9 Die erklärenden Broschüren wählen deshalb vor allem im beginnenden 19. Jahrhundert nicht selten stark anamorphische Darstellungsformen, die den kaum durchschaubaren, verblüffenden Charakter des Bildes noch unterstreichen und das Virtuosentum des Malers betonen.10 Hält der Betrachter jedoch Abstand und wird sein Blick eher horizontal gerichtet, dann entwickeln sich weit gezogene Landschaften, in denen der einzelne Gegenstand schrumpft und der Himmel schon von der Malfläche her eine große Bedeutung gewinnt – wir würden heute von Weitwinkeleffekten sprechen. Die Einbindung des Betrachters führt aber auch zu einem inhaltlichen Postulat, das die ganze Tradition der Panoramamalerei durchzieht. Ich möchte es als ein immanentes Versprechen von absoluter Authentizität bezeichnen. Nicht umsonst beginnen die meisten Panorama-Schausteller zuerst mit Abbildungen jener Stadt, in der das Werk selbst gezeigt wird. Was zunächst widersinnig erscheinen mag, bezog seinen Reiz gerade aus der Überprüfbarkeit der Fakten für jedermann. Der Betrachter ist gleichzeitig der beste Kenner des Dargestellten und noch das einfachste Dienstmädchen kann theoretisch die Dachgaube seiner Schlafkammer identifizieren. Dieser Anspruch 7
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Der deutsche ‚Erfinder‘ des Panoramas, Johann Adam Breysig (1766–1831), lehrte als akademischer Zeichenlehrer in Magdeburg und Danzig und bildete dort unter anderem Karl Georg Enslen (s.u.) aus. Oettermann (Anm. 2) 150–156. An dieser Stelle soll nur kurz darauf verwiesen werden, dass die heute so beliebte und insbesondere durch digitale Techniken vereinfachte Panoramafotografie gerade diesen Anspruch nicht erfüllt. Sie zeigt zwar idealerweise den Rundumblick, projiziert ihn aber in die Fläche und hält den Betrachter damit in Distanz. Vgl. z.B. N. Meers, Faszination Panoramafotografie (München 2003) 23–24 zur Entwicklung fotografischer ‚Panoramen‘. Vgl. das Dach der Albion-Mills, das als Standort von Robert Barkers London-Panorama 1792 gewählt wurde (Comment [Anm. 2] 22–23 Abb. 7) oder auch das Dach der Werderschen Kirche im Vordergrund von Eduard Gärtners Berlin-Panorama von 1834; Oettermann (Anm. 2) 171–172; Sehsucht (Anm. 2) 224–225 Nr. IV.29. Vgl. Comment (Anm. 2) 164–165 Abb. 83. 85 (Paris 1804 und London 1845); Bordini (Anm. 2) bildet besonders viele dieser Begleithefte ab.
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Abb. 1 Luigi Rossini, Drei Blätter des „Panorama di Roma antica e moderna“. Aus: I Sette Colli di Roma antica e moderna (Rom 1827–1829) Taf. 27–29
auf, wie wir heute sagen würden, fotografische Genauigkeit galt später sinngemäß auch für andere Darstellungen. Vor allem bei den Schlachtenbildern wurden in den Begleittexten gern möglichst hochrangige Augenzeugen des Geschehens als Berater zitiert, die durch ihre Person die Authentizität der Abbildung bezeugten. Wurden, wie vermehrt im späten 19. Jahrhundert, zum Teil weit zurückliegende historische Ereignisse dargestellt, dann galt wie beim Historienbild allgemein, die Regel des vraisemblable, des Wahrscheinlichen für Kostüm und Umgebung. Je mehr der Maler diesem Anspruch genügte, je umfassender seine Vorstudien den Ort selbst und die literarische Überlieferung einbezogen, desto größer war das Lob für seine Arbeit. Dieser Aspekt wird auch für die Wertschätzung von Bühlmanns Panorama wichtig sein. Zu den beliebtesten Themen der Panoramabilder des frühen 19. Jahrhunderts gehören neben aktuellen historischen Ereignissen vor allem Ansichten von Städten und spektakulärer Landschaften überall auf der Welt. Alexander von Humboldt empfahl sogar in seinem „Kosmos“ die Panoramen als didaktisches Anschauungsmaterial.11 Natürlich gehörte zu den dargestellten Städten auch Rom, wobei die Ruinen nicht unbedingt im Mittelpunkt stehen mussten. So zeigte Louis Le Masson 1779 die Stadt in einem Rundgemälde von S. Pietro in Montorio aus – die antiken Ruinen liegen kaum sichtbar im Hintergrund.12 Das in London aufbewahrte Panorama Ludovico 11 12
Oettermann (Anm. 2) 33. Comment (Anm. 2) 144 Nr. II.50 und Falttafeln S. 96–98. Bei dem Bild Le Massons handelt es sich sozusagen um ein Panorama ‚avant la lettre‘.
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Caracciolos von 1824 hat dagegen eindeutig die antiken Denkmäler zum Thema, die aber wie in einem Bild Hubert Roberts zu einer neuen Wirklichkeit zusammen komponiert sind, um möglichst vorteilhaft zu erscheinen.13 Gleich das erste, im Jahr 1800 in Deutschland nach Zeichnungen von Johann Adam Breysig angefertigte Panorama zeigte Rom vom Palatin aus.14 Henry Aston Barker (1817) und Carl Georg Enslen (1820er Jahre) porträtierten Rom vom Turm des Senatorenpalastes aus, so dass die antike und die päpstliche Stadt einander gegenüber standen.15 Als eine Folge von vier Blättern fügte Luigi Rossini etwa gleichzeitig ein Panorama in sein Stichwerk „I Sette Colli di Roma antica e moderna“ ein, das er von der Kirche S. Maria Nuova nahe dem Titusbogen aufgenommen hatte (Abb. 1).16 Ein weiteres, heute weitgehend ver-
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Das (Miniatur-) Panorama befindet sich im Victoria & Albert Museum. Comment (Anm. 2) 196–200 Abb. 107–113. Oettermann (Anm. 2) 153–156 mit Abb. 112. Bordini (Anm. 2) 243 Abb. 105 (Barker); V. Kockel, Pompeji 360o. Die beiden Panoramen Carl Georg Enslens aus dem Jahr 1826 (Mailand 2006) 24 (Enslen, heute verloren). L. Rossini, I Sette Colli di Roma antica e moderna (Rom 1827–29) Taf. 27–30. Abbildung in: N. Pirazzoli, Luigi Rossini 1790–1856. Roma antica restaurata (Ravenna 1990) 190–191. Der von Rossini im Vorwort angekündigte „restauro dei medesimi (colli) secondo gli avanzi …“ beschränkt sich vornehmlich auf die Pläne der sieben Hügel. Ähnlich hieß es wohl auch schon im Aufruf zur Subskription. So steht im Kunstblatt 93 vom 20. 11. 1826, S. 372, dass in dem Werk unter anderem „ein Panorama von Rom, ebenfalls mit Restauration …“ zu erwarten sei. Rekonstruktionen finden sich nur vom Forum und ausschnitthaft vom Palatin. Auch die im Begleittext
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Abb. 2 Carl Sprosse, Titelblatt von Dr. Emil Braun’s Panorama von Rom. (Leipzig 1851). Titelvignette
gessenes Panorama erschien 1851 als Mappenwerk auf Initiative des deutschen Archäologen Emil Braun.17 Doch anders als man bei einem Archäologen erwarten könnte, zeigt das in seinem Auftrag von Carl Sprosse von der Villa Ludovisi aus aufgenommene Panorama ein Rom, wie es grüner und malerischer nicht sein kann.18
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zu den Tafeln 27–30 für künftige Zeiten angekündigten „altre due tavole aggiunte, ove saranno collocati altri restauri di grandiosi Edifici di Roma“ scheinen nicht vollendet worden zu sein. Vorzeichnungen zu einem erweiterten Panorama von Forum und Capitol werden jedoch von Pirazzoli (diese Anm.) 93 Abb. 105 abgebildet. – Auf dieses Panorama machte mich Renate Miller-Gruber aufmerksam, für wichtige Auskünfte danke ich Anja Schmidt. Dr. Emil Braun’s Panorama von Rom. Aufgenommen vom Casino der Villa Ludovisi und in Kupfer gestochen von Carl Sprosse, Leipzig 1851. – Eingesehen wurde das Exemplar der Universitätsbibliothek Göttingen. Für Hilfe danke ich Daniel Graepler. – Braun leitete damals das Instituto di Corrispondenza Archeologica, den Vorläufer des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom und war technischen Neuerungen wie zum Beispiel der Fotografie gegenüber ausgesprochen aufgeschlossen. Zu Braun (1809–1856) jetzt H. Schmidt – P. G. Schmidt, Emil Braun „ein Mann edelster Begabung von Herz und Geist“ (Altenburg 2010). Carl Ferdinand Sprosse (1819–1914) war Architekturmaler, Zeichner und Radierer. In Rom hielt er sich von 1844 bis 1850 auf. Außer den neun Blättern des Rom-Panoramas sind zwölf Ansichten des Forum Romanum bekannt, ferner 32 Blätter mit Ansichten aus Rom und Umge-
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Nur ganz vereinzelte antike Reste sind zwischen der üppigen Vegetation der Villen zu entdecken. Allein die Titelvignette gibt als falsche Versprechung Capitol, Palatin und Colosseum von einem ganz anderen Standpunkt aus wieder (Abb. 2).19 Als wichtige Station der Grand Tour wurde natürlich auch Pompeji als Panorama abgebildet. 1824/25 konnte man in London in einer Ausstellungsrotunde am Leicester Square das Forum sehen, in einem zweiten Schauraum am ‚Strand‘ das Theaterviertel Pompejis.20 Beide Panoramen evozierten in der Presse die üblichen Bemerkungen. Man lobte die Bequemlichkeit, mit der einem nun die berühmten Ausgrabungen zugänglich seien (keine Hitze, keine unverschämten Wirte und Wächter) und die Authentizität der Darstellung. Der natürlich bereits in Italien gereiste Rezen-
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bung. Auf diesen Blättern wird die Antike gewiss eine sehr viel wichtigere Rolle gespielt haben. Thieme-Becker Bd. 31 (1937) Sp. 417. Bordini (Anm. 2) zählt weitere Rom-Panoramen verschiedener Künstler auf: London 1801 und wieder 1817, 1822, 1839; Paris 1806. Zu den Pompeji-Panoramen von Burton und Enslen: Kockel (Anm. 15). Ein weiteres PompejiPanorama wurde ebenfalls in London 1849 gezeigt. 1882 konnte man in Neapel die „Ultimi giorni di Pompei“ von G. Castellani sehen. Der Titel spricht für ein ‚Historienbild‘, bei dem die Stadt rekonstruiert worden sein muss (Bordini [Anm. 2] 329). Oettermann (Anm. 2) 274 erwähnt außerdem ein Pompeji-Panorama, das 1893 in New York zu sehen war.
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Abb. 3 Thomas L. Donaldson, Explanation of a view of the city of Pompeii, exhibiting in the Panorama. Leicester-Square (London 1824)
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sent konnte angeblich den Stein entdecken, auf dem er sich von den Strapazen seiner Grand Tour erholt hatte. Von diesen Panoramen sind nur die Umzeichnungen für das obligatorische Begleitheft erhalten (Abb. 3). Besser dokumentiert ist dagegen ein Zimmer-Panorama des Malers Carl Georg Enslen (1792–1866).21 Es entstand 1826 und die teilweise kolorierten vorbereitenden Aquarelle werden heute in Lübeck aufbewahrt (Taf. 8a). Enslen hatte als Standort die Ecke der Theatercavea gewählt und betont mit der stark verkürzten Darstellung dieser Mauer den direkten Bezug des Betrachters zum Ort. Der unfertige Zustand der Blätter, auf denen die skizzenhaft angelegten Ruinen hinter der farbigen Landschaft zurücktreten, charakterisiert dieses Panorama deutlich als Landschaftsbild. Himmel und umgebende Landschaft nehmen oft mehr als die Hälfte der Bildhöhe ein, die Ruinen selbst erscheinen klein und unbedeutend. Pompeji ist damit ein malerischer Ort am gerühmten Golf von Neapel, dessen Ruinen den Reisenden zwar anziehen, aber – ebenso wie die liebevoll dargestellten Staffagefiguren neapolitanischer Landleute – vor allem den pittoresken Charakter dieser Region unterstreichen. Natürlich geht es dem Künstler um eine möglichst authentische Abbildung des Ist-Zustandes, eine Rekonstruktion der Ruinenstätte entsprach nicht seinen Intentionen und hätte auch seine Möglichkeiten als Maler völlig überfordert. Seltener als Rom wurde Athen in einem Panorama porträtiert. In Paris sah man 1821 ein Rundgemälde des damals hochgeschätzten Spezialisten Pierre Prévost, das zwischen 1816 und 1819 von dem mittelalterlichen ‚Frankenturm‘ auf der Akropolis aufgenommen worden war. Es muss die Ruinen dort in nächster Nähe gezeigt, die Antike also so weit als möglich in den Mittelpunkt gerückt haben.22 Eindeutig als Landschaftsbild versteht sich dagegen das Athen-Panorama Ferdinand Stademanns von 1835 (Abb. 4). Stademann, ein aus Bayern stammender Beamter König Ottos und zeichnerisch begabt, ließ sich auf dem Felsen des Nymphenheiligtums nieder und zeichnete ein Athen in karger Umgebung, das uns bei dem Gedanken an den heutigen Großstadt-Moloch besonders anrührt.23 Zwischen den weiten und kahlen 21
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Kockel (Anm. 15). Eine Kuriosität stellt ein aus z.T. übermalten Photos zusammengesetztes ‚Panorama‘ dar, das einzelne Ansichten der Stadt mit jeweils unterschiedlichem Aufnahmestandort zu einem fiktiven Ganzen zusammenfügt. Holger Petersen, Pompeji und seine Ausgrabungen. Rundgemälde (München 1891) und spätere Auflagen. Abgebildet in M. Pagano – R. Prisciandaro, Studio sulle provenienze degli oggetti rinvenuti negli scavi borbonici del Regno di Napoli I (Castellammare di Stabia 2006) Abb. 15a-i nach S. 232. Bibliographischer Nachweis auch in: Nuova Bibliografia Pompeiana II (Rom 1998) 923 Nr. 10565. Lob und Kritik dazu in Schorns Kunstblatt 2, 1821, 341–343 (nach Oettermann [Anm. 2] 122); Comment (Anm. 2) 46. Pierre Prévost (1764–1823) galt als hervorragender Kolorist. Sein Panorama-Gebäude am Montmartre wurde bald nach seinem Tod geschlossen. F. Stademann, Panorama von Athen (München 1841). Ein leicht verkleinerter Nachdruck mit einem Vorwort von Frank Brommer erschien 1977 in Mainz. – Stademann (1791–1872) gehörte zum ersten bayerischen Kontingent in Griechenland. Der Archäologe Friedrich von Thiersch äußerte sich sehr positiv über die Genauigkeit des Panoramas, an Hand dessen man wissenschaftliche Untersuchungen knüpfen könne (Vorwort). Zu Stademanns Panorama zuletzt
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Hügeln liegt die kleine Provinzstadt, selbst die Akropolis verschwindet in der dominanten Landschaft. Dieses Panorama war von Beginn an dafür konzipiert, als Lithografie in einer Mappe zu erscheinen. Neben Lob für seine Genauigkeit erntete Stademann aber mit gleicher Begründung auch Kritik. Er habe, so bemerkte der Leiter des Antikendienstes Ludwig Ross, mit „ängstlichem Fleiße“ sein großes Panorama von Athen gezeichnet. So transportierte man in den Augen von Ross also nicht die Größe der Antike!24 Auch Ägypten geriet in den Blick der Panorama-Künstler. So stellte zum Beispiel Robert Burford 1835 eine Ansicht der Ruinen von Theben aus.25 Einen Rundblick von einer der Pyramiden in Gizeh zeigt ein Panorama, das der großen wissenschaftlichen Publikation des deutschen Ägyptologen Richard Lepsius beigegeben wurde (Taf. 8b). 1842 bis 1846 war Lepsius in Ägypten gereist. Dabei entstanden mehrere Rundansichten, die im topografischen Teil der bis 1856 erscheinenden Tafelbände seiner „Denkmäler aus Aegypten und Äthiopien“ lagen. Auf vier einzelne Farblithografien verteilt, bilden sie dennoch insgesamt ein Ganzes.26 Ähnliche Panoramen, nun aber meist nach Fotos gezeichnet, blieben bis in das 20. Jahrhundert für wissenschaftliche Publikationen gebräuchlich. Auf einzelne Blätter verteilt, wird in großen Mappenwerken eine Rundumansicht angeboten, die sich nur im Kopf des Betrachters zusammenfügen kann und deren Autoren gar nicht anstreben, eine räumliche Illusion zu generieren. Die panoramatische Abbildung – von einem wirklichen Panorama kann man nicht sprechen – gewann damit für einige Zeit Bedeutung als umfassende Dokumentationsform.27
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H. Schulten, in: R. Baumstark (Hrsg.), Das neue Hellas, Griechen und Bayern zur Zeit Ludwigs I. Ausstellungskatalog München (München 1999) 473 Nr. 328; 569–573 Nr. 428 (Abbildungen aller Blätter). Dort auch die kritische Äußerung von Ludwig Ross. Ebenfalls als Mappenwerk entstand 1833 ein Athen-Panorama der englischen Zeichnerin Selina Bracebridge (1800–1874), das 1836 als „Panoramic scetch of Athens“ publiziert wurde (nicht gesehen). Nach Saur, Allgemeines Künstlerlexikon 13 (1996) 504 (Kristiane Frank). Ein erstes Foto-Panorama aus dem Jahr 1865 erwähnt G. Hübner, Zu den Anfängen der Fotografie in der deutschsprachigen Klassischen Archäologie, IstMitt 54, 2004, 88. Oettermann (Anm. 2) 256f. Abb. 185. Als weitere Ruinenstätten wären zu nennen: Baalbek 1836 und Jerusalem 1835. Oettermann (Anm. 2) 257 Abb. 186. R. Lepsius, Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien. Erste Abtheilung. Topographie und Architektur (Berlin 1849–1858) Taf. 15–18. Die aquarellierten Vorzeichnungen, nach denen die vier Blätter lithografiert wurden, stammen nach den Angaben auf den Blättern selbst von Johann Jakob Frey aus Basel (1813–1865), einem der drei Maler in der Expedition von Lepsius. A. von Specht (Hrsg.), Lepsius – Die deutsche Expedition an den Nil. Ausstellungskatalog Kairo (Kairo 2006) 152–157 mit einem vergleichbaren Panorama von der „größten Pyramide“. Dort wird allerdings Joseph Bonomi (1796–1878) als Autor des Panoramas bezeichnet; vgl. dazu auch (01. 10. 2008). Zusammengesetzt entsprechen diese Bilder den heute beliebten fotografischen Panoramen. Digital können die Blätter mittlerweile leicht verbunden werden. Hier kann die Geschichte der archäologischen Panorama-Fotografie nicht verfolgt werden. Zu den ersten, seit den 1840er Jahren eigens konstruierten Panorama-Kameras: Meers (Anm. 8) 24.
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Abb. 4 Ferdinand Stademann, Drei Blätter aus dem „Panorama von Athen. An Ort und Stelle aufgenommen und herausgegeben von Ferdinand Stademann“ (München 1841)
Die bisher besprochenen Panoramen zeigen die Ruinen wie sie sind. Eine Rekonstruktion ist nicht intendiert und wohl auch dem einzelnen Zeichner gar nicht möglich. Die antiken Stätten ordnen sich damit in das allgemeine Programm der Schausteller mit Reisebildern und Sensationen ein. Vor diesem Hintergrund gilt es, das Rom-Panorama von Josef Bühlmann und Alexander von Wagner zu analysieren und zu bewerten.28 Zunächst soll aber kurz die Geschichte seiner Entstehung skizziert und eine Charakterisierung der wesentlichen Protagonisten vorgenommen werden. Die zu Beginn der 1880er Jahre gegründete „Panorama-Gesellschaft in München“, eine Filiale der damals den europäischen Markt beherrschenden belgischen Panorama-Gesellschaft, beauftragte 1885 den Münchner Professor Josef Bühlmann damit, für ihr Ausstellungsgebäude in der Theresienstraße Nr. 8 ein Panorama des
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Oettermann (Anm. 2) 191f. 200. 204; Sehsucht (Anm. 2) 172f. Nr. II.102f.; G. Forster, Die rekonstruierenden Bildwelten des Kunstdidaktikers, Architekturzeichners und Architekten Josef Bühlmann (Diss. München 1999, Berg 1999) 50–85 und passim; W. Schäche, Josef Bühlmann und Alexander von Wagner – die Schöpfer des Rom-Panoramas von 1888, in: Y. Asisi (Hrsg.), Rom CCCXII (Leipzig 2006) 15–26.
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antiken Rom anzufertigen.29 Bühlmann war damals außerordentlicher Professor am Münchner Polytechnikum. Im Sommer 1886 wurde auch der Akademieprofessor Alexander von Wagner hinzugezogen. Als Vorarbeiten, die aus dieser Zeit stammen müssen, blieben quadrierte Lichtpausen – noch ohne menschliche Figuren – erhalten (Taf. 9). Deren transparente Vorlagen müssen für das Auftragen der Komposition mittels Projektion (?) auf die große Leinwand gedient haben.30 Am 2. Juli 1888, ein Jahr früher als geplant, konnte das „Rundbild vom alten Rom“ erstmals besichtigt werden, allerdings nicht ganz fertiggestellt. Die Eile wird dadurch begründet gewesen sein, dass gleichzeitig in München eine Internationale Kunstausstellung und die Deutsche Kunstindustrie-Ausstellung zahlreiche Besucher anlockten. Am 5. Mai 29
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Oettermann (Anm. 2) 200 lokalisiert das Panorama versehentlich in einem zweiten, erst 1885 in der Goethestraße errichteten Ausstellungsbau. Dort war aber damals noch Bruno Piglheims Panorama der Kreuzigung Christi zu sehen (Mai 1886 bis Anfang 1889). Richtig zu den zwei Münchner Panorama-Gesellschaften Oettermann (Anm. 2) 216f. Zuletzt F. Schiermeier, Panorama München, Illusion und Wirklichkeit. München als Zentrum der Panoramaherstellung (München 2009) 34–37. 60–61. Blaupausen von 40 cm Höhe und unterschiedlicher Breite. Museum für Architektur der TU München. Abbildungen der drei Pausen bei Schäche (Anm. 28) 18–19. Die Blätter sind intensiv benutzt worden und an den Rändern ausgefranst.
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1889 kam es deshalb in Anwesenheit der bayerischen königlichen Hoheiten zu einer erneuten feierlichen Eröffnung. Vom Februar 1890 bis zum Dezember 1891 war das Werk auch im Berliner ‚National-Panorama‘ ausgestellt, um danach wieder in die Theresienstraße zurückzukehren.31 Dort blieb es bis in die späten 90er Jahre. Heute ist es verschollen, wahrscheinlich durch Gebrauch und wiederholten Transport zerstört.32 Die Presse begleitete die Ausstellung sowohl in München wie in Berlin ausführlich und begeistert.33 Außerdem blieben unterschiedlich ausführliche, zum Teil zweisprachige Beschreibungen des Panoramas erhalten, die üblicherweise durch eine vereinfachte, erläuternde Umzeichnung des Bildes ergänzt wurden und zusammen mit dem Eintrittsbillet erworben werden konnten.34 Zusätzlich edierte die Gesellschaft auch eine fotografische Reproduktion in der Art eines Leporello in zwei unterschiedlich großen Fassungen, die weite Verbreitung fanden und große Wirkung zeitigten (Faltblatt 1).35 Wirtschaftlich war das Panorama ein Erfolg: 1894 hatte die Gesellschaft in einer viermonatigen Saison dank ca. 20000 Besuchern 17000 Mark an Eintrittsgeldern eingespielt, dazu 3000 Mark durch den Verkauf der Publikationen erlöst. Nach Abzug der Unkosten warf das Bild damit 11000 Mark an Gewinn ab.36 Neben der Panorama-Gesellschaft, die den Auftrag vergab und finanzierte, waren drei Männer für das Aussehen und den Erfolg des Panoramas entscheidend: Josef Bühlmann als Entwerfer und Architekturzeichner für den Inhalt und die technisch richtige Ausführung; Alexander von Wagner für das Kolorit und die Darstellung der 31 32
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Oettermann (Anm. 2) 204. In den Texten der Ausstellung im Panometer in Leipzig wurde vermutet, dass das Bild zuletzt in Boston ausgestellt wurde. Presseberichte für München abgebildet bei Schäche (Anm. 28) 26. Für Berlin: Oettermann (Anm. 2) 292 Anm. 50. Folgende Texte konnte ich einsehen: Anonym [Franz von Reber], Rom mit dem Triumphzuge Constantins im Jahre 312. Rundgemälde von Prof. J. Bühlmann und Prof. Alex. Wagner. Mit einer Orientierungstafel (München 1888) (35 S., Plan, Falttafel mit Umzeichnung des Panoramas und Benennung der Bauten); F. von Reber, Übersichtliche Erklärung des Rundbildes von Rom mit dem Triumphzuge Constantins 312 n. Chr. Beilage zum ausführlichen Führer (München 1888) (7 S.); Kurzer Führer zum Rundbild von Rom 312 n. Chr. Zur schnelleren Orientierung nach Prof. Dr. Franz von Rebers ausführlichem Werk zusammengestellt (gleichzeitig Französisch), (München 1888) (15 S. zweispaltig dt./frz.). – Diese Publikationen beziehen sich auf eine „ausführliche“ Fassung: F. von Reber, Rom mit dem Triumphzuge Konstantins im Jahre 312: Rundgemälde von Prof. J. Bühlmann und Prof. Alex. Wagner [Mit einer Orientierungstafel, der Skizze des Panoramas und 23 Textillustrationen], beschrieben von Franz von Reber (München 1888, 21889) 6. 160 S., 2 Tafeln, 1 Plan. Das alte Rom mit dem Triumphzuge Kaiser Constantin’s im Jahre 312 n. Chr. Rundgemälde von den Professoren J. Bühlmann und Alexander von Wagner in München (München 1890). Der genaue Titel und seine Gestaltung variieren bei den mir bekannten Exemplaren. Verbreitet erhalten ist eine ‚kleine‘ Fassung (aufgefaltet ca. 40 × 100 cm). Die ‚große‘ (80 × 200 cm) Edition bildet Forster (Anm. 28) 53 Abb. 26 ab. Bilanz abgedruckt bei Oettermann (Anm. 2) 191f.
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Figuren und schließlich Franz von Reber als Berater und Autor der beschreibenden Publikationen. In unserem Zusammenhang sind vor allem die Anteile von Bühlmann und von Reber von Bedeutung. Die zentrale Figur war zweifelsfrei Josef Bühlmann (1844–1921).37 Als Schweizer an der Akademie in München in den Jahren 1863 bis 1872 ausgebildet, kehrte er zunächst nach Luzern zurück. Schon 1875 kam er jedoch erneut nach München und erhielt 1878 am Polytechnikum, der heutigen Technischen Universität, eine außerordentliche Professur für ‚Bauformenlehre und Decorativen Ausbau‘, die 1888 zu einem Lehrstuhl für Bauzeichnen angehoben wurde.38 Ab 1908 lehrte er in der Nachfolge von August Thiersch auch ‚Antike Baukunst‘. Als Architekt blieb Bühlmann wenig erfolgreich: Die einzige von ihm – zusammen mit anderen – konzipierte, ausgeführte und noch erhaltene Arbeit scheint der Friedensengel auf dem Isarhochufer zu sein. Seinen eigentlichen Erfolg machten dagegen wissenschaftliche und didaktische Publikationen aus: Eine dreiteilige „Architektur des klassischen Alterthums und der Renaissance“39 erschien ab 1872 in mehreren Auflagen und im Handbuch der Architektur verfasste er verschiedene Abschnitte, um nur das Wichtigste zu nennen.40 Dazu kommen in unserem Kontext kleinere, meist erst nach dem Panorama erschienene Schriften: „Der römische Tempelbau“,41 „Das Mausoleum von Halikarnaß“,42 „Der Palast der Flavier auf dem Palatin in Rom“.43 Es handelt sich dabei stets um Rekonstruktionsversuche mit wissenschaftlichem Anspruch. Vergleichbare Zeichnungen steuerte er auch als Illustrationen für andere Werke bei, so für das damals als Prachtwerk gelobte „Hellas und Rom“ von Jakob von Falke.44 Eine Zeich-
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Zu Bühlmanns Leben: Thieme-Becker Bd. 14 (1921) 473f. (Max Baumgärtel); Saur, Allgemeines Künstlerlexikon 15 (1997) 37f. (Verena Karnapp; Martin Ziermann); W. Nerdinger, Die Architekturzeichnung (München 1986) 128–137; ders., Architekturschule München 1868–1993 (München 1993) 59. 172. Die Dissertation von Forster 1999 im Fach Kunstpädagogik (Anm. 28) enthält einige wichtige Dokumente und bildet vor allem die meisten Blätter und Arbeiten Bühlmanns ab, die im Architekturmuseum der TU München verwahrt werden. Wegen ihres chaotischen Aufbaus und der wissenschaftlich unzulänglichen Vorgehensweise bleibt sie jedoch ein unerfreulicher Lesestoff. Forster druckt verschiedene Nachrufe ab: S. 31. 32–35 und nach S. 301 (unpaginiert). – Teile des Nachlasses von Bühlmann liegen im Architekturmuseum der TU München. Die Denominationen von Bühlmanns Aufgaben schwanken in der mir bekannten Literatur. J. Bühlmann, Die Architektur des klassischen Alterthums und der Renaissance, 3 Teile (Stuttgart 1872/86) und weitere Auflagen. J. Bühlmann, Die Bauformenlehre. Handbuch der Architektur I, 2 (Darmstadt 1896). J. Bühlmann, Der römische Tempelbau. Die Baukunst, Ser. 2, H. 9 (Berlin 1902). J. Bühlmann, Das Mausoleum von Halikarnaß, Zeitschrift für Geschichte der Architektur 2, H. 1, 1908/09, 1–25. J. Bühlmann, Der Palast der Flavier auf dem Palatin in Rom, Zeitschrift für Geschichte der Architektur 1, 1907/08, 113–134. J. von Falke, Hellas und Rom (Stuttgart 1878–80). Abbildungen aus diesem Werk finden sich bis in jüngste Gesamtdarstellungen der antiken Architektur: W. Lübke, Geschichte der Archi-
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nung soll noch besonders hervorgehoben werden, da sie in mancher Hinsicht einen Vorläufer des Panoramas bildet (Abb. 5). Das 1879 datierte Blatt zeigt „Rom zur Zeit des Kaisers Aurelianus“.45 Bühlmann war also bereits 1885 ein erfahrener Rekonstruktionszeichner, der seine Kenntnis römischer Topografie und Architektur auf ganz verschiedenen Ebenen mehrfach bewiesen hatte. Er beherrschte außerdem schwierigste perspektivische Techniken. Damit brachte er die besten Voraussetzungen für den Entwurf und die Anfertigung eines Panoramas mit. Auch Franz von Reber (1834–1919) war als gelehrter Interpret am Erfolg und der Wirkung des Panoramas beteiligt. Er war ab 1863 der erste Professor für Kunstgeschichte am Polytechnikum in München und damit ein Kollege Bühlmanns. Von 1875 bis 1907 leitete er die Central-Galeriedirection, nahm also eine einflussreiche Stellung im Münchner Kunstbetrieb ein. Zu seinen vielfältigen Schriften gehören Kataloge der Pinakothek und populäre Bildbände im Bruckmann-Verlag.46 Ein Schwerpunkt seiner Arbeit galt jedoch der antiken Kunst, Topografie und Architektur. 1858 wurde er mit einer Schrift zur „Lage der Curia Hostilia und der Curia Julia“ in München habilitiert.47 1863 und erneut 1879 erschien ein anspruchsvoller Führer mit dem Titel „Die Ruinen Roms und der Campagna“.48 1866 verfasste er eine „Geschichte der Baukunst im Alterthum“, und seine „Kunstgeschichte des Alterthums“ von 1871 wurde sogar ins Englische übertragen.49 Eine Vitruv-Übersetzung ist erst jüngst als Nachdruck wieder in den Handel gelangt.50 Aus späteren Jahren stammen verschiedene Akademieschriften, in denen sich von Reber vor allem der frühen griechischen, der hethitischen sowie der phrygischen Architektur zuwandte. Bei diesen Themen ist wieder eine Zusammenarbeit mit Bühlmann konkret belegt, der für eine dieser Schriften das Megaron im Palast von Tiryns 1896 zeichnerisch rekonstru-
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tektur I 6(Leipzig 1884) 304 Abb. 285 (Trajansforum); 327 Abb. 306 (Röm. Wohnhaus); M. Grassnick – H. Hofrichter (Hrsg.), Materialien zur Baugeschichte I (Braunschweig 1982) Nr. A. 142 (Forum Romanum und Capitol); W. Koch, Baustilkunde (München 1988) 30 (ebenso). Datiert und signiert 1879. Die historische Druckplatte ist erhalten (42,6 × 85,6 cm). Sie wurde 1961 von dem Drucker Hans Rischert restauriert. Neue Abzüge liegen im Archiv des Architekturmuseums der TU München. Die Vogelschau nahm eine Doppelseite in von Falke (Anm. 44) zwischen den S. 220 und 221 ein. F. von Reber – A. Bayersdorfer (Hrsg.), Klassischer Bilderschatz, 12 Bde. (München 1889– 1900); F. von Reber, Klassischer Skulpturenschatz, 4 Bde. (München 1897–1900). F. von Reber, Die Lage der Curia Hostilia und der Curia Julia (München 1858) 59 S. F. von Reber, Die Ruinen Roms und der Campagna (Leipzig 1863, 21879). Ein leicht überarbeiteter und aktualisierter Nachdruck erschien in Kettwig 1991. Außerdem: Album der Ruinen von Rom mit Einleitung und Tafelerklärung von F. Reber (Leipzig 1883). Das Frontispiz zeigt eine Rekonstruktion des Forum Romanum nach S von Bühlmann 1883. F. von Reber, Geschichte der Baukunst im Alterthum. Nach den Ergebnissen der neueren wissenschaftlichen Expeditionen bearbeitet, mit 274 Holzstichen im Text (Leipzig 1866); F. von Reber, Kunstgeschichte des Alterthums (Leipzig 1871; engl. London 1882). Vitruv, De Architectura libri decem (Stuttgart 1865); Nachdruck Wiesbaden 2004.
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Abb. 5 Josef Bühlmann, Rom zur Zeit des Kaisers Aurelianus, 1879. Architekturmuseum der TU München
ierte.51 von Reber war damit gleichfalls ein ausgewiesener und einflussreicher Kenner der antiken Architektur im Allgemeinen und Roms und seiner Topografie im Besonderen. Von ihm stammen die oben genannten unterschiedlichen Beschreibungen des Panoramas, die man an Ort und Stelle erwerben konnte. Seine Texte enthalten zunächst eine Schilderung der historischen Ereignisse um die Schlacht an der Milvischen Brücke und dann eine Beschreibung der einzelnen Bauten, deren Geschichte und ihrer Funktionen. In einem Beitrag zum ersten Band einer neuen Kunstzeitschrift nimmt er zu dem Panorama auch wertend Stellung.52 Der schwierigen Aufgabe sei man nicht „blos mit Kunst, sondern auch, und zwar vor Allem, mit Wissenschaft näher (ge)treten (…) Der Ausgangspunkt ist der der wissenschaftlichen Reconstruction. Die Gründlichkeit und Tiefe der dazu herangezogenen topografi-
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F. von Reber, Ueber das Verhältnis des mykenischen zum dorischen Baustil, Abhandlungen der III. Classe der k. Akademie d. Wissenschaften 21, 3. Abt., 1898, Taf. (1) und (2). – Der Palast war 1884/85 von Heinrich Schliemann und Wilhelm Dörpfeld ausgegraben und 1886 publiziert worden. F. von Reber, Das Rundbild der Stadt Rom von Professor Jos. Bühlmann und Professor Alex. Wagner, in: H. E. von Berlepsch-Valendàs (Hrsg.), Die Kunst unserer Zeit 1, 1889, 1–10.
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schen Studien (…) kann nur der Fachkundige ermessen (…) Dann gehörte dazu vollendete Kenntnis der römisch-classischen Architecturformen (…) Endlich mußte in perspectivischer Construction Ungewöhnliches geleistet werden.“ Das antike Rom bot dabei besondere Schwierigkeiten: „Dadurch, daß von allen Hauptstädten des Alterthums keine so weit in’s Detail ihrer antiken Gestaltung bekannt ist, wie Rom, wurde die Sache nur um so schwieriger gemacht, indem der Fantasie nur sehr beschränkte Stellen geboten, der Fesseln aber unzählige erwachsen waren. Freilich konnte dadurch das Werk nur um so gediegener und von einer sachlichen Wahrheit werden, wie sie bisher auf dem Gebiete der Totalrestauration eines antiken Schauplatzes noch nicht erreicht worden ist.“53 Gegen Ende meldet er aber auch Kritik an. „Der Glaube an die absolute Wahrheit des Dargestellten“ werde dadurch beeinträchtigt, daß die Rekonstruktionen zu geleckt erschienen und keine pittoreske Patina besäßen.54 Schließlich referiert von Reber das Schreiben eines weiteren hervorragenden Romkenners, Ferdinand Gregorovius (1821–1891), der damals meist in München lebte und das Panorama daher sicher aus eigener Anschauung gut kannte. Auch Gregorovius lobt die Wissenschaftlichkeit des Werkes. Er betont aber noch einen weiteren Aspekt: „Indem Architekt und Maler infolge des gewählten Standpunktes darauf verzichten mußten, die ungeheuren Massen des bürgerlichen Stadtkörpers auszubreiten, haben sie im wesentlichen und wirkungsvoll dargestellt, was die Hauptsache sein mußte: Das monumentale Rom.“ Wissenschaft und Kunst seien, so Gregorovius, wie nicht oft, eine glückliche Verbindung eingegangen.55 Es muss erstaunen, dass gerade die mehrfach beschworene Wissenschaftlichkeit von Bühlmanns Rekonstruktionen schon bald in Zweifel gezogen wurde. In einem grundsätzlich positiv gestimmten Nachruf heißt es 1921: „[Bühlmann] schuf (…) das herrlich, einzig dastehende Panorama: Das Alte Rom (…), welches allerdings mehr ein geschichtliches Demonstrationswerk, als eine auf wissenschaftlich-topographischen Grundlagen aufgebaute Rekonstruktion ist.“56 Es ist hier nicht der Platz, das riesige Panorama im Einzelnen zu durchforsten und seine Richtigkeit oder Plausibilität im Vergleich mit unserem Kenntnisstand zu überprüfen.57 Einige Punkte sollen jedoch kurz angesprochen werden, um die Arbeitsweise Bühlmanns zu charakterisieren. Besonders ‚fehlerhaft‘ erweist sich das Panorama natürlich im Bereich der Kaiserfora und dort vor allem am Trajansforum wie am Forum Pacis, beides Bereiche der antiken Stadt, die damals nur in geringem Umfang ausgegraben waren. Unrichtig ist auch die Lokalisierung des Circus Flaminius, der zu sehr an das Capitol herangerückt wurde. Bei anderen Bauten, deren Aussehen ebenfalls gar nicht oder wenig bekannt war, nutzte Bühlmann seine Freiheit, um ihre 53 54 55 56 57
von Reber (Anm. 52) 6. von Reber (Anm. 52) 9. von Reber (Anm. 52) 9–10. Brief an Bühlmann vom 8. 7. 1888. Luzerner Tagblatt vom 7. 11. 1921, nach: Forster (Anm. 28). Vgl. dazu auch die Bemerkungen hier im Beitrag Cain.
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Gestalt dem Bedarf der historischen Handlung anzupassen. So legte er vor das Tabularium eine Halle, um dort die Christen als Beobachter des heidnischen Zuges zu postieren. Gegenüber wurde der Tempel der Iuno Moneta genau so angeordnet, dass Raum für eine große Opferzeremonie blieb. Andere Stellen belegen dagegen eine ausgezeichnete Kenntnis der historischen Quellen: So wird in von Rebers Beschreibung eigens auf die Hütte des Romulus auf dem Palatin hingewiesen, die im Bild nur sehr klein angedeutet wurde. Auch der Anbau an der Rückseite des Capitoltempels zeugt vom Studium der literarischen Quellen. Die Erläuterungen von Rebers benennen ihn als aedes thensarum, ein Gebäude zur Aufbewahrung der für kultische Zwecke genutzten zweirädrigen Wagen, der thensae, dessen genaue Lokalisierung bis heute nicht gesichert ist.58 Die Rekonstruktion des Veiovis-Tempels – in der Senke zwischen Arx und Capitol – in Form eines Rundbaus mit Schuppendach und Oculus geht dagegen auf die falsche Interpretation eines Passus bei Vitruv (IV. 8. 4) zurück. Der Bau wird dort zwar im Zusammenhang mit Rundtempeln erwähnt, das Tertium des Vergleichs betrifft jedoch nur die Anlage der Vorhallen, nicht aber die Gestalt des ganzen Tempels.59 Ebenfalls als Nachweis gelehrter Belesenheit muss die kleine Öffnung verstanden werden, die im Dach des Iuppiter-Capitolinus-Tempels zu beobachten ist. Sie weist, wie Paolo Liverani während des Kolloquiums überzeugend anmerkte, offenbar auf ein kleines Heiligtum des Gottes Terminus hin, das sich innerhalb des Tempels befand. Da dessen Altar aus rituellen Gründen unter freiem Himmel, sub divo, liegen musste, blieb der Tempel an dieser Stelle ohne Abdeckung.60 Wie zu erwarten, spiegelt sich schließlich vor allem in den frei ergänzten Partien die Zeitgebundenheit des Entwerfers. So wirken die archäologisch nicht belegten ‚Propyläen‘ des Iuppiter-Tempels eher wie Pavillons eines Ausstellungsgeländes des späten 19. Jahrhunderts. Das große Reiterdenkmal links des Aufgangs, ein – gleichfalls nicht antik überliefertes – Monumentum Iuliorum, trägt bereits in der Idee seiner Erfindung, aber auch in seiner kruden Mischung von Motiven des Mausoleums von Halikarnass mehr wilhelminische als antike Züge und hätte bei den damals häufigen Wettbewerben zu monumentalen Denkmälern sicher eine gute Figur gemacht. Die zahlreichen, mit Victorien besetzten Säulen im Umkreis des capitolinischen Tempels ähneln der bereits genannten Friedenssäule Josef Bühlmanns in München.
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Zur aedes thensarum: LTUR I (Rom 1993) 17 (Giuseppina Pisani Sartorio). Der (rechteckige) Veiovis-Tempel wurde erst in den dreißiger Jahren unter dem Senatorenpalast freigelegt. Vgl. zuletzt LTUR V (Rom 1999) 99–100 (Margherita Albertoni). Zum Terminus-Altar: LTUR V (Rom 1999) 27–28 (Gianluca Tagliamonte). Zuerst hatte ich gedacht, dass die Dachöffnung mit der im 19. Jahrhundert verbreiteten Diskussion um hypäthrale Tempel stünde. In einem Beitrag hatte von Reber selbst zu der Frage Stellung bezogen und die Rekonstruktion solcher Tempel abgelehnt. Die im Panorama angedeutete Dachöffnung wäre für eine solche Deutung deutlich zu klein. F. von Reber, Die Hypäthralfrage, Repertorium für Kunstwissenschaft 3, 1880, 61–65.
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Man greift jedoch zu kurz, wenn man das Panorama nur als topografisch-bauhistorische Studie versteht. Es handelt sich, wie eingangs schon gesagt, um ein gewaltiges Historienbild. Dies wird auch bei Bühlmanns Anteil deutlich. Hatte er für seine Vogelschau mit der Regierungszeit des Aurelian und der damals entstandenen großen Stadtmauer noch einen vor allem baugeschichtlich sinnvollen Moment gewählt, so ist das Jahr 312 ereignisgeschichtlich von besonderer Bedeutung: Es steht symbolisch für den Sieg des Christentums. Die Wahl des Standortes ist damit eindeutig dem Thema geschuldet. Rekonstruktionen des Forum Romanum und des dahinter liegenden Capitols hatte es schon mehrfach gegeben, doch der Standort auf der östlichen Erhebung dieses Hügels war neu und für den geschichtsmächtigen Moment der Begegnung von Heidentum und Christentum besonders geeignet. Für den Bauforscher bot dieser Blickwinkel jedoch besondere Schwierigkeiten, da die Topografie des Capitols wegen dessen fast vollständiger Überbauung kaum bekannt war. Bewusst als Momentaufnahme wird von Bühlmann außerdem im Hintergrund des Forums ein eingerüstetes, monumentales Gebäude gezeigt (Abb. 6). Es ist die Maxentiusbasilika, die sich damals noch im Bau befand und unter Konstantin umgestaltet, umbenannt und fertiggestellt werden sollte. Solche Details dürften jedoch nur dem Kenner aufgefallen sein. Die eigentliche historische Verortung leisteten dagegen die Figurenszenen Alexander von Wagners (1844–1921). Der aus Ungarn stammende Maler war als Schüler Pilotys in München zu einer Professur gekommen. Heute weitgehend vergessen, besaß er damals ein gewisses Renommée als Maler von ungarischen und spanischen ländlichen Szenen, ebenso wie von Historienbildern. Das für das Panorama gelobte Kolorit kann man heute nicht mehr nachvollziehen. In der Ikonografie einzelner Figuren finden sich aber immer wieder Hinweise auf seine Kenntnis der antiken Skulptur: So sitzt die Kaiserin auf einem Stuhl, wie die damals noch so genannte Sitzstatue der Helena (Mutter Konstantins!) in den Kapitolinischen Museen,61 während er für die Opferszene vor dem Iuno-Moneta-Tempel auf antike SuovetauriliaDarstellungen zurückgriff. Insgesamt gelingt es Wagner, eine Stimmung zu erzeugen, die einem kolossalen ‚Sandalenfilm‘ nicht unähnlich ist.62 Unter den Stadtrekonstruktionen des 19. Jahrhunderts kann Bühlmanns Panorama durch seinen Anspruch und seinen Umfang eine Sonderstellung beanspruchen. Zwar waren seit circa 1810 sowohl Athen wie auch das Forum Romanum mit dem angrenzenden Capitolshügel gern zeichnerisch wiederhergestellt worden, doch beschränkten sich solche Arbeiten stets auf ein handliches Blattformat und mussten außerdem die Stadtlandschaften mangels archäologischer Befunde weitgehend hypothetisch auffüllen.63 In der Größe konnte nur ein Halb-Panorama von Pergamon 61
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W. Helbig, Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom II 4(Tübingen 1966) 153f. Nr. 1326 (H. von Steuben). von Reber (Anm. 52) bildet in diesem Aufsatz zahlreiche Vorstudien Wagners ab. Zum Forum kenntnisreich und mit vielen Abbildungen F. Salmon, Building on Ruins (Aldershot 2000) 98ff.; ders., Perspectival Restoration Drawings in Rome, AntJ 83, 2003, 397–424.
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Abb. 6 Josef Bühlmann, Lichtpause zur Vorbereitung des Rompanoramas mit Darstellung der Maxentius-Basilica (Ausschnitt). Architekturmuseum der TU München
konkurrieren, das 1886 bei der Ausstellung zum 100jährigen Jubiläum der Akademie der Künste in Berlin gezeigt wurde (Abb. 7).64 Die Maler Alexander Kips (1858–1910) und Max Friedrich Koch (1859–1930) hatten sich zu Vorstudien 1885 im deutschen Grabungshaus am Ort aufgehalten und genossen bei ihrer Arbeit an der 14 m hohen und 65 m langen Leinwand die Unterstützung des Grabungsarchitekten Richard Bohn. Das Schaubild feierte ebenso wie eine Rekonstruktion des großen Zeusaltares und ein Nachbau der Ostfassade des Zeustempels in Olympia (beide im Maßstab 1:1) die Leistungen der deutschen Archäologie. In Berlin war man begeistert, auch unter Archäologen und Bauforschern. Das Panorama habe „mehr als irgendetwas anderes dazu beigetragen (…) weiten Kreisen eine richtige Idee der alten pergamenischen Herrlichkeit zu geben“, konstatierten später die Biografen des Ent-
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Außerdem V. Kockel, Stadtvisionen, in: U. Hassler – W. Nerdinger (Hrsg.), Das Prinzip Rekonstruktion (Zürich 2010) 124–143. Jetzt ausführlich U. Wulf, „Die erfreulichsten Spuren hatten hinterlassen die beiden Maler Kips und Koch …“. Das Pergamon-Panorama der Jubiläumsausstellung 1886, IstMitt 54, 2004, 113–127 mit Beil. 2. Der Begleitband zur Jubiläumsausstellung stammte von Ernst Fabricius und Ludwig Pietsch, Führer durch das Pergamon-Panorama sowie durch das Kaiser-Diorama der centralafrikanischen Erforschungs-Expedition 2(Berlin 1886).
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Abb. 7 Alexander Kips und Max Friedrich Koch, Orientierungsskizze für das PergamonHalbpanorama. Aus: Führer durch das Pergamon- und Olympia-Panorama (Berlin 1886). Falttafel
deckers von Pergamon, Carl Humann.65 Der kleine begleitende Führer bescheinigte den Künstlern, „das Kolossalbild der alten Attalidenstadt zugleich in so hoher poetisch-malerischer Schönheit, überzeugender Wahrheit und, zum großen Teil wenigstens, genau nachweisbarer Richtigkeit“ gestaltet zu haben.66 Im archäologischen Anspruch unterschied sich das Pergamon-Panorama also in nichts von Bühlmanns Rom. Vor allem für die Oberstadt entsprach es genau den Angaben der Ausgräber, wie Ulrike Wulf im Detail gezeigt hat, und war damit noch ‚wissenschaftlicher‘ als dessen römische Rekonstruktionen. Dennoch merkte von Reber gegenüber dieser Konkurrenz wohl nicht ganz zu Unrecht herablassend an, es sei „von recht tüchtiger und erfreulicher Wirkung (…), wenn auch die Beschränkung auf eine hemicyklische Darstellung der Illusionswirkung nicht eben vorteilhaft war“.67 Genau darin muss der wesentliche Unterschied gelegen haben. Mit der Entscheidung, Pergamon in einem Blick aus der Distanz darzustellen, hatten Kips und Koch die Möglichkeit vergeben, den Besucher vollständig in die Antike eintauchen zu lassen, wie das im konstantinischen Rom möglich war. Andere, ungefähr zur selben Zeit entstandene Panoramen konnten in ihrer Detailgenauigkeit nicht mit ‚Pergamon‘ und ‚Rom‘ konkurrieren. So bezeichnete von Reber den 1888 an der gleichen Stelle wie das Pergamon-Panorama gezeigten und ebenfalls von Max Friedrich Koch gemalten „Brand Roms im Jahr 64 n. Chr.“ abfällig als „eine Bühnendecoration (…) eine künstlerische Fata Morgana, die (…) es weder 65
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C. Schuchhardt – Th. Wiegand (Hrsg.), Der Entdecker von Pergamon, Carl Humann 2(Berlin 1931) 85. Fabricius – Pietsch (Anm. 64) 9. von Reber (Anm. 52) 4.
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mit dem Gang des Brandes noch mit Rom genau nahm.“68 In Bruno Piglheims ungemein erfolgreicher „Kreuzigung“, die man 1886 in München hatte sehen können, war nach Meinung von Rebers die Stadt Jerusalem zu wenig in die Handlung einbezogen worden.69 Dramatisch mag das 1882 in Neapel ausgestellte Werk „Ultimi giorni di Pompei“ von G. Castellani gewesen sein, von dem aber nur der Titel überliefert ist, so dass wir den Grad seiner archäologischen ‚Richtigkeit‘ nicht beurteilen können.70 In anderen Panoramen dagegen, wie bei der bis heute erhaltenen Kreuzigungsszene von Gebhard Fugel (1863–1939) in Altötting von 1903, bemühten sich Künstler jedoch immer wieder erfolgreich um eine korrekte Rekonstruktion der antiken Architektur, auch wenn sie das Geschehen in keiner Weise so dominierte wie im Rom-Panorama.71 Bühlmann selbst hatte ebenfalls Vorarbeiten zu vergleichbaren Darstellungen von Athen und Jerusalem geleistet. Offensichtlich fanden sie aber nicht das Interesse der Investoren, um in die notwendige Größe umgesetzt zu werden.72 Mit dem Aufkommen des Films als neuem Bildmedium verloren die teuren Panoramen viel von ihrer Faszination beim großen Publikum und verschwanden allmäh-
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von Reber (Anm. 52) 5–6; dazu auch Oettermann (Anm. 2) 204. Oettermann (Anm. 2) 216–217 und Leporello 5. Siehe Anm. 20. W. Koenigs, Die Architektur des alten Jerusalem auf dem Panorama von Altötting, in: M. Petzet (Hrsg.), Das Panorama von Altötting. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Arbeitsheft 48 (München 1990) 36–43; Oettermann (Anm. 2) 204. 274 nennt weitere Panoramen historischer Thematik, von denen mir jedoch keine Abbildungen bekannt sind. Deutsche Bauzeitung 48, 1914, 334–335; Forster (Anm. 28) 32–33.
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Abb. 8 Italo Gismondi, Rekonstruktion der kaiserzeitlichen Bebauung des Capitols. Soprintendenza Archeologica di Roma (ASSAR P. Altemps Inv. 1931)
lich aus der Öffentlichkeit. Das Foto-Leporello von Bühlmanns ‚Rom‘ (Faltblatt 1) sollte aber noch einmal zu einer archäologischen Arbeit anregen. In der Folge der großen Freilegungen im Bereich der Kaiserfora suchte der Architekt und Bauforscher Italo Gismondi nach einem geeigneten Medium, diese Ergebnisse durch Rekonstruktionen adäquat zu vermitteln. Aus der Zeit um 1930 sind drei Zeichnungen von ihm erhalten, auf denen er mit unterschiedlichen Darstellungstechniken experimentierte: Eine Vogelschau illustriert die Folge der neu ausgegrabenen Kaiserfora mit dem Colosseum im Hintergrund. Ein zweites Blatt bietet eine orthogonal projizierte Ansicht des Capitols von Südwesten. Die dritte zeigt schließlich den Capitoltempel selbst und seine Umgebung von Osten in der für ein Panorama eigentümlichen Verzerrung (Abb. 8).73 Ein Vergleich macht deutlich, dass Gismondi das entsprechende Foto aus dem Leporello Bühlmanns weitgehend durchgezeichnet hat, allerdings mit markanten Korrekturen. Unter anderem fehlen die großen Propyläen, die aedes thensarum und ein Ehrenbogen. Zwischen den Veiovis-Tempel und das Capitol sind statt dessen ein Bau mit zweigeschossiger Loggia und ein kleiner Tempel des Iuppiter Conservator eingefügt worden, hohe Wohnbauten ziehen sich entlang der felsig dargestellten Nordflanke des Capitols. Anderes bleibt: so der fälschlich kreisrunde Veiovis-Tempel und das Monumentum Iuliorum. Gismondi bediente sich also der komplizierten Konstruktionsweise Bühlmanns und korrigierte sie aufgrund seiner aktuellen Kenntnisse. Gismondi hat aber diese Abbildungsmodi nicht weiter ausgebaut, sondern 73
Dazu V. Kockel, Gismondi Panoramista?, in: F. Filippi (Hrsg.), Ricostruire l’Antico prima del virtuale. Italo Gismondi, un architetto per l’archeologia (1887–1974). Ausstellungskatalog Rom (Rom 2007) 271–273 mit Abb. auf S. 267–269. Gismondis ‚Panoramablick‘ misst 30,5 × 95 cm, müsste damit wohl auf die ‚große‘ Edition von Bühlmann zurückgehen.
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schließlich das große Stadtmodell entworfen, das sich neuen Erkenntnissen anpassen lässt und noch heute die Besucher des Museo della Civiltà Romana in Rom wegen seiner Anschaulichkeit begeistert.74 Die Tage des archäologischen Panoramas waren endgültig vorbei.75 „Schönheit – Wahrheit – Richtigkeit“, unter diesen Kriterien bewerteten die Zeitgenossen die ‚archäologischen‘ Panoramen. Nicht „blos mit Kunst, sondern auch, und vor allem, mit Wissenschaft“ sollten sie geschaffen werden. Sogar „die absolute Wahrheit des Dargestellten“ verlangte der Gelehrte. Dass Josef Bühlmann im Verein mit Alexander von Wagner in seinem Rom-Panorama diese Anforderungen in den Augen der Kritiker am besten erfüllte, kann man heute wieder verstehen, wenn man das Panometer in Leipzig betreten hat. Man verspürt ebenso den genuinen Zauber eines Rundgemäldes: Man fühlt sich mitten in die Stadt hineinversetzt, vielleicht nicht wie in einer Zeitreise, aber doch mit einer verblüffenden Nähe. Die Neuinszenierung Yadegar Asisis macht auch deutlich, dass man dabei vergangenen Glanz empfindet. Schön – wahr – richtig: in seiner Zeit. Abgesehen von den Möglichkeiten der Digitalisierung ist Asisis Verfremdung durch die Montage von Fotos die einzig adäquate Form der Überarbeitung. Schon Gismondi hatte gemerkt, dass eine solche monumentale Schöpfung nicht mit archäologischen Korrekturen ‚verbessert‘ werden kann. Anders als von Reber meinte, war und ist der Spielraum bei der Rekonstruktion eines Stadtbildes keineswegs gering. Die wissenschaftlich gesehen ‚weißen Flecken‘ in der Romkarte sind viel größer, als man auf den ersten Blick glauben mag. Erst jetzt, aus einer Distanz von mehr als hundert Jahren, wird augenscheinlich, wie sehr Bühlmanns Rom eine Stadt der Beaux-Arts Architektenschule ist – und das sollte sie auch bleiben.
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Zu diesem Modell: P. Ciancio Rossetto, La Reconstitution de Rome antique. Du plan-relief à celui de Gismondi, in: F. Hinard – M. Royo (Hrsg.), Rome. L’espace urbain & ses représentations (Paris 1991) 237–256; G. Pisani Sartorio, Le plan-relief d’Italo Gismondi. Méthodes, techniques de réalisation et perspectives futurs, in: ebenda 257–277; C. F. Giuliani, Piani di lavoro per il Plastico di Roma, in: Filippi (Anm. 73) 261–265; siehe hier die Beiträge Cain, Bauer, Altekamp und Wulf-Rheidt mit Taf. 18b. Die Fotos des Leporello wurden später nochmals benutzt von F. L. Dunbar, Rom. Sechshundert Bauwerke der Ewigen Stadt. Mit 26 Karten, 224 Abbildungen und 76 Zeichnungen nach Marten van Heemskerck (Berlin 1943). Wie weit dieses für ein großes Publikum gedachte Werk verbreitet war, ist mir nicht bekannt.
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Abbildungsnachweis Abb. 1: Nach: Luigi Pirazzoli, Luigi Rossini 1790–1856 (Ravenna 1990) 190–191 Abb. 2: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Sign. GR 2 H ITAL I, 324/31, Foto Stephan Eckardt Abb. 3: Bibliothek der Soprintendenza Archeologica di Napoli, Foto Massimo Velo Abb. 4: Universitätsbibliothek Augsburg, Foto Bibliothek Abb. 5–6: Architekturmuseum der TU München, Foto Museum Abb. 7: Foto Wulf-Rheidt Abb. 8: Foto Soprintendenza Archeologica di Roma Für die digitale Zusammenstellung der Einzelbilder sorgte D. Stante.
Tafelnachweis Taf. 8a: Museen der Hansestadt Lübeck, Fotos Michael Kromat Taf. 8b: Institut für Ägyptologie der Universität München, Foto Roy Hessing Taf. 9: Architekturmuseum der TU München, Foto Museum
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Konstantin und das Jahr 312 im Blickpunkt der Forschung Jo s ef E n g em ann
Yadegar Asisi hat berichtet, dass er die Anregung zu seinem Leipziger Panorama ROM 312 von 2005 einem glücklichen Zufall verdankte.1 Bei seiner Mitarbeit an der Panorama-Ausstellung „Sehsucht“ (Bonn 1993)2 war er dem Leporello zum Münchener Rom-Panorama von Joseph Bühlmann und Alexander von Wagner aus dem Jahre 1888 begegnet (Faltblatt 1).3 Die Einleitung für mein Referat verdanke ich ebenfalls einem Zufall. Auf der Bahnfahrt von Salzburg nach Leipzig las ich eine soeben erschienene Biografie der deutschen Dichterin Mascha Kaléko und wurde durch sie nach längerer Zeit wieder an das Gedicht erinnert,4 das Kaléko 1958 bei ihrem ersten Besuch in Deutschland nach der Emigration der Neuauflage ihres Gedichtbandes „Verse für Zeitgenossen“ als Vorwort beigab.5 Quasi ein ‚Januskript‘ Wie Janus zeigt bisweilen mein Gedicht Seines Verfassers doppeltes Gesicht: Die eine Hälfte des Gesichts ist lyrisch, Die andere hingegen fast satirisch. Zwei Seelen wohnen, ach, in mir zur Miete – Zwei Seelen von konträrem Appetite.6 Was ich auch brau in meinem Dichtertopf, Stets schüttelt Janus einen halben Kopf; Denn, was einst war, das stimmt uns meistens lyrisch, Doch das, was ist, zum großen Teil satirisch.
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Ich danke Lothar Schwinden für die hilfreiche Durchsicht des Manuskripts und seine Hinweise. M.-L. Plessen (Hrsg.), Sehsucht. Das Panorama als Massenunterhaltung des 19. Jahrhunderts. Ausstellungskatalog Bonn (Basel 1993). Y. Asisi (Hrsg.), Rom CCCXII (Leipzig 2006) 21–25. J. Rosenkranz, Mascha Kaléko. Biografie (München 2007) 165; vgl. auch A. Nolte, „Mir ist zuweilen so, als ob das Herz in mir zerbrach“. Leben und Werk Mascha Kalékos im Spiegel ihrer sprichwörtlichen Dichtung (Bern 2003) 112. M. Kaléko, Verse für Zeitgenossen (Hamburg 1958). In dieser Profanierung des Goethezitats blitzt die Unbekümmertheit auf, die der Dichterin vor dem Exil zu eigen war.
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Lyrisch war für die Dichterin vor allem die Zeit ihrer Erfolge im Berlin der frühen dreißiger Jahre vor ihrem Exil, satirisch äußerte sie sich über die Verhältnisse der Nachkriegszeit, als sie ‚ihr Berlin‘ noch wiedersuchte.7 Das mir vorgeschlagene Kolloquiumsthema hat für mich ebenfalls zwei Janusgesichter. „Das spätantike Rom“ und seine Wiedergabe in den beiden Panoramen von 1888 und 2005 kann ich mit Einfühlung ansehen und könnte es gleichsam lyrisch beschreiben, doch zum „Blickpunkt der Forschung“ kommt mir außer Kalékos satirischem Janusgesicht sogleich das Wort Juvenals in den Sinn: „Difficile est, saturam non scribere“.8 Dabei ist dieser überarbeitete Kolloquiumsbeitrag selbstverständlich eingeschlossen. Er versucht im Blick auf neuere Literatur zu zeigen, dass es über den Kaiser, der im Jahre 312 in Rom einzog, wegen der unsicheren Quellen keine in religionspolitischen Fragen einige Forschung gibt. Die unterschiedliche Bewertung von Äußerungen paganer und christlicher Autoren, besonders der christlich-panegyrischen Konstantinsbiografie des Bischofs Eusebius von Caesarea, führt zu emphatisch vorgetragenen, ganz entgegengesetzten Meinungsäußerungen auf Gebieten und in Fragestellungen, bei denen das einheitliche Forschungsergebnis ein non liquet sein sollte. Das Plakat von 1888 für die Ausstellung des Panoramas in München nannte das gefeierte Ereignis: „Panorama von Rom mit dem Einzug Constantins im Jahre CCCXII“.9 Darüber hinausgehend gab Franz von Reber 1888 und 1889 seinen verschiedenen Erklärungen des Panoramas jeweils den Titel: „Rom mit dem Triumphzuge Konstantins im Jahre 312“.10 Im schwarz-weiß-Leporello des Panoramas von 1888 (Faltblatt 1) lauteten die Unterschriften der beiden Haupttempel: „Tempel des capitolinischen Jupiter“ und „Tempel der Juno Moneta“.11 von Reber beschrieb hierzu ausführlich den Aufstieg Konstantins auf das Kapitol zum Opfer und das „Festopfer der Suovetaurilien“ vor dem Junotempel.12 Dem entsprechen die Darstellungen im Leipziger Panorama (Faltblatt 2) und einige Bildunterschriften im Katalog.13 In beiden Panoramen ist neben diesen beiden Szenen auch der Sturz einer Statue des von Konstantin besiegten Maxentius anschaulich dargestellt.14 Hierfür gibt es keine antike Quelle, statt dessen erfahren wir vom anonymen Panegyriker des Jahres 313 und von Nazarius in seinem Panegyricus von 321, dass der Kopf des Maxentius
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M. Kaléko, Wiedersehen mit Berlin, in: Das himmelgraue Poesie-Album (Berlin 1968) 58f. Juvenal 1,30. Sehsucht (Anm. 2) 172f. Nr. II.102; Asisi (Anm. 3) 14. Zum Beispiel: Rom mit dem Triumphzuge Konstantins 312. Rundgemälde von Prof. J. Bühlmann und Prof. A. Wagner, beschrieben von Franz von Reber, München 1888. Weiteres im Beitrag von Valentin Kockel in diesem Band. Asisi (Anm. 3) 22. 25. von Reber (Anm. 10) 28f. 31f. Asisi (Anm. 3) 52. 57. Leporello: Asisi (Anm. 3) 22f.; Panorama Leipzig: Asisi (Anm. 3) 53 Abb. 54.
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auf einer Stange durch die Straßen getragen wurde.15 Letzterer fügt noch an, dass der Kopf trotz für die Schifffahrt ungünstiger Jahreszeit auch noch nach Africa gebracht wurde.16 Auf dem Weg zum Jupitertempel erscheint das Labarum mit Christogramm,17 auf das ich später im Zusammenhang mit der Konstantinsbiografie des Eusebius eingehen muss. Die Bedeutung der Wiedergabe solcher aktuellen Details in den Rompanoramen wird besonders dann deutlich, wenn man eines jener Panoramen zum Vergleich heranzieht, die auf szenische Darstellungen verzichten und sich auf Stadt- und Landschaftswiedergaben beschränken. Dies ist beispielsweise beim kleinen Salzburgpanorama der Fall, das Johann Michael Sattler im Jahre 1829 fertigstellte und das heute nach Restauration wieder am Salzburger Residenzplatz zu sehen ist.18 Warum im Panorama von 1888 das Stieropfer beim Tempel der Juno Moneta dargestellt wurde statt beim Jupitertempel, wo es eigentlich hingehörte,19 ist unklar. Offensichtlich ist jedoch, dass Bühlmann, von Wagner und von Reber den Einzug Konstantins in Rom als Triumphzug ansahen. Man wird von Panoramen, die der Massenunterhaltung dienten,20 keine neuen Erkenntnisse erwarten. Die nach heutigem Stand der Forschung angebrachte Richtigstellung, dass Konstantin keinen Triumph feiern konnte, weil er in der Person des Maxentius lediglich einen Konkurrenten im innenpolitischen Machtkampf ausgeschaltet und keine äußeren Feinde des Imperiums besiegt hatte, ist nicht weiter aufregend.21 Auch die Feststellung der Tatsache, dass ein in den Rompanoramen von 1888 und 2005 dargestellter Tempel des Trajan beim Forum des Kaisers nach neuen Ausgrabungsergebnissen nie existierte,22 wird Archäologen und Historikern bald vertraut sein. Dagegen führt uns die Darstellung des von Eusebius von Caesarea beschriebenen Labarums in den Panoramen bereits auf das Gebiet der wissenschaftlichen Diskussionen und ist später im Zusammenhang mit Konstantins Träumen und Visionen zu erörtern. Ich beginne den ‚satirischen‘ Teil meines Referats mit den Konsequenzen, die von nicht wenigen Historikern aus der Annahme gezogen werden, dass Konstantin beim 15
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Paneg. 12,18,3: C. E. V. Nixon – B. S. Rodgers, In Praise of Later Roman Emperors. The Panegyrici latini (Berkeley 1994) 322. 603f.; Paneg. 4,31,4: Nixon – Rodgers (diese Anm.) 377. 623f. Paneg. 4,32,6: Nixon – Rodgers (Anm. 15) 377f. 624. Im Leporello von 1888 (Asisi [Anm. 3] 22) schwer zu erkennen, doch bei von Reber (Anm. 10) 28 beschrieben und im Panorama 2005 aufgenommen: Asisi (Anm. 3) 54 Abb. 55, Detail Abb. S. 139. Sehsucht (Anm. 2) 46. 166 Nr. II.84; E. Marx – P. Laub (Hrsg.), Das Salzburg-Panorama von Johann Michael Sattler I. Das Werk und sein Schöpfer (Salzburg 2005). E. Künzl, Der römische Triumph. Siegesfeiern im antiken Rom (München 1988) 82. 84. Vgl. den Untertitel des Katalogs Sehsucht (Anm. 2). In der Provinz war der Unterschied zwischen Triumphzug und kaiserlichem adventus wohl schon den Zeitgenossen nicht klar, wie ein Relieffragment aus Cherchel in Algier verrät: Künzl (Anm. 19) 78f. Abb. 47. E. La Rocca, Templum Traiani et columna cochlis, RM 111, 2004, 193–283.
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Einzug in Rom dem kapitolinischen Jupiter nicht geopfert habe. Sie bilden ein besonders anschauliches Musterbeispiel für die aktuelle disparate Forschungslage zur Religionspolitik Konstantins I. Die neuesten Zusammenfassungen zu dieser Problematik verdanken wir Josef Rist23 und Elisabeth Herrmann-Otto.24 Ein Literaturverzeichnis von 31 Seiten veröffentlichte K. M. Girardet im Jahre 2006.25 Die Darstellung des Einzugs Konstantins in Rom am Konstantinsbogen (Abb. 1) ist eindeutig: Es handelt sich nicht um einen Triumphzug.26 Es werden keine besiegten Gefangenen mitgeführt, was Nazarius im Panegyricus von 321 eigens betont.27 Im Einzugsrelief fehlen auch Opfertiere, denn für einen Nicht-Triumphator bestand keine Notwendigkeit zu einem Opfer an den kapitolischen Jupiter. Der Kaiser steht nicht in einem Triumphwagen, wie ihn neben Münzen beispielsweise einer der Becher aus Boscoreale und das Durchgangsrelief des Titusbogens zeigen,28 sondern er sitzt in einem Reisewagen und hält eine Buchrolle in der Hand. Im Panegyricus des Jahres 313 wird Konstantins Sieg über Maxentius als civilis victoria, als Sieg im Bürgerkrieg, bezeichnet.29 Die Widmungsinschrift des Konstantinsbogens umschreibt diesen vage mit Verwendung des Plurals als arcum triumphis insignem.30 Die Siegesreliefs an den Säulensockeln des Bogens beziehen sich nicht auf den Sieg über Maxentius, sondern zeigen Victorien und römische Soldaten mit besiegten Barbaren (Abb. 2).31 Natürlich ist bekannt, dass auch andere adventus, Einzüge von Kaisern, mit Opfern verbunden sein konnten,32 aber im Jahre 312 wäre dies wohl als Versuch aufge-
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J. Rist, Gottesgeschenk oder Sündenfall? Realität und Mythos der so genannten Konstantinischen Wende, in: M. Fiedrowicz – G. Krieger – W. Weber (Hrsg.), Konstantin der Große. Der Kaiser und die Christen – die Christen und der Kaiser (Trier 2007) 31–67. E. Herrmann-Otto, Konstantin der Große (Darmstadt 2007) 42–48. K. M. Girardet, Die Konstantinische Wende (Darmstadt 2006) 159–189. So bereits H. P. L’Orange – A. von Gerkan, Der spätantike Bildschmuck des Konstantinsbogens (Berlin 1939); vgl. J. Lehnen, Adventus Principis (Frankfurt am Main 1997) 185–187; C. Ronning, Herrscherpanegyrik unter Trajan und Konstantin (Tübingen 2007) 337–340. Paneg. 4,31,1; Nixon – Rodgers (Anm. 15) 376. 623. Künzl (Anm. 19) 86 Abb. 51; 23 Abb. 9. Paneg. 12,20,3; Nixon – Rodgers (Anm. 15) 325. 604f. T. Grünewald, Constantinus Maximus Augustus (Stuttgart 1990) 217 Nr. 239. Obwohl Konstantin nur gegen germanische Barbaren gekämpft hatte, sind auf den Sockeln auch Barbaren des Ostens dargestellt, um die allgemeine Sieghaftigkeit des Kaisers zu verbildlichen. Doch sind Germanen unter den Besiegten in der Mehrzahl: L’Orange – v. Gerkan (Anm. 26) 135f.; J. Engemann, „Dich aber, Konstantin, sollen die Feinde hassen!“ Konstantin und die Barbaren, in: A. Demandt – J. Engemann (Hrsg.), Konstantin der Große. Geschichte – Archäologie – Rezeption. Internationales Kolloquium vom 10.–15. Oktober 2005 in Trier (Trier 2006) 173–187. bes. 175. A. Alföldi, Die Ausgestaltung des monarchischen Zeremoniells am römischen Kaiserhofe, RM 49, 1934, 3–118. bes. 88–95; Nachdruck: ders., Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche (Darmstadt 1970); J. Straub, Konstantins Verzicht auf den Gang zum Kapitol, Historia 4, 1955, 297–313; zitiert nach: ders., Regeneratio imperii (Darmstadt 1972) 100–118.
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Abb. 1 Konstantinsbogen: Reliefs mit Auffahrt Sols und Einzug Konstantins in Rom
Abb. 2 Konstantinsbogen: Sockelrelief mit Victoria und gefesseltem Barbaren
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fasst worden, dass Konstantin sich triumphale Ehrungen anmaßen wollte. Auszuschließen ist jedoch die Möglichkeit, dass Konstantin auf dem Kapitol opferte, nicht ganz, auch wenn im soeben erwähnten Panegyricus von 313 bei Beschreibung des Einzugs Konstantins in Rom kein Opfer auf dem Kapitol erwähnt ist.33 Wenn sich das Einzugsrelief des Konstantinsbogens und die Texte der Panegyriker auf den adventus eines früheren Kaiser bezögen, so würden Historiker die Frage „Hat der Kaiser bei seinem Einzug in Rom vor dem kapitolinischen Tempel ein Opfer dargebracht?“ ganz sicher einfach mit einem non liquet beantworten und sich interessanteren Themen zuwenden. Aber es geht hier um Konstantin I., den ersten christlichen Kaiser, bei dem jedes Detail seiner Biografie in der Forschung religionsgeschichtliche Bedeutung zugeschrieben bekommt und zur Beantwortung umfassender Fragen herangezogen wird: Seit wann, mit welcher Steigerungsrate, Intensität oder Ausschließlichkeit und mit welchen religionspolitischen Konsequenzen wendete sich der Kaiser dem Christentum zu? Da scheint ein non liquet nicht angemessen zu sein. Johannes Straub veröffentlichte 1955 unter Aufnahme früherer Anregungen einen auch jetzt immer wieder zitierten Aufsatz mit dem Titel „Konstantins Verzicht auf den Gang zum Kapitol“.34 Schon dieser Titel war provokativ, denn auf etwas, wozu der Kaiser als Nicht-Triumphator nicht verpflichtet war, brauchte er nicht eigens zu verzichten. In seinem Aufsatz nahm Straub die oben erwähnte Tatsache, dass im Panegyricus des Jahres 313 kein Opfer Konstantins auf dem Kapitol beschrieben wird, als Beleg dafür, dass tatsächlich keines stattgefunden habe, und begründete dies mit der Zuwendung des Kaisers zum Christentum. Damit dies kein reines argumentum e silentio sei, zog er noch einen Satz des Panegyrikers hinzu: „Ausi etiam quidam ut resisteres poscere et queri tam cito accessisse palatium et, cum ingressus esses, non solum oculis sequi sed paene etiam sacrum limen irrumpere.“35 – „Es wagten einige zu fordern, du solltest anhalten, und sich darüber zu beklagen, dass du dich so eilig zum Palast begeben hast, und dir nicht nur, als du eingetreten warst, mit den Augen zu folgen, sondern auch beinahe einzubrechen in den heiligen Palastbezirk.“ Straub interpretierte diesen Satz über das Klagen des Volkes nicht nur als Ausdruck des Bedauerns darüber, dass man den Kaiser nicht länger sehen konnte, sondern er schrieb: „Aber taktvoller konnte der heidnische Redner den demonstrativen Akt der Abkehr von der kapitolinischen Gottheit gar nicht behandeln.“36 Eine weitere Stütze fand Straub in einer Stelle des Zosimus über Konstantins Unterlassung des Opfers im Jahre 326, indem er sie auf das Jahr 312 bezog.37 Hans-Ulrich Wiemer hat 1994 ausführlich dargelegt, dass diese Zeitumstellung dem Kontext bei Zosimus wider-
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Paneg. 12,19; Nixon – Rodgers (Anm. 15) 320–324. 604. Straub, Regeneratio (Anm. 32). Paneg. 12,19,3; Nixon – Rodgers (Anm. 15) 320–324. 604. Straub, Regeneratio (Anm. 32) 105. Straub, Regeneratio (Anm. 32) 106–108.
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spricht.38 Der bei Zosimus dargestellte Konflikt zwischen Konstantin und den Römern widerspricht den zeitgenössischen Quellen für das Jahr 312.39 In dem halben Jahrhundert, das seit Straubs Aufsatz vergangen ist, wurde die Behauptung, Konstantin habe im Jahre 312 das Opfer an Jupiter demonstrativ als Zeichen des Christentums unterlassen, in einer Fülle von Publikationen zustimmend oder ablehnend erörtert. Ich weise hier nur auf wenige Beiträge jüngster Zeit hin, die als Beispiele für die heute vertretenen kontroversen Stellungnahmen stehen können. Charles Matson Odahl schloss sich in einem Buch von 2004 der Stellungnahme Straubs an; doch zeigt schon seine Formulierung „The evidence seems to indicate (…)“, wie es um die Nachweise für die These steht.40 Klaus Martin Girardet kam 2006 nach Prüfung der Quellen und der Argumente zahlreicher Historiker zum Ergebnis: „(…) glaube ich aber, dass mein Bonner Lehrer J. Straub das Richtige gesehen hat.“41 Der Autor legt zwar dar, dass Konstantin keinen Triumph gefeiert hat, aber entscheidend ist offenbar auch für ihn der oben zitierte Satz aus dem Panegyricus von 313, in dem „gerade an der Stelle, an welcher gemäß den Schilderungen der anderen Quellen im Zeremoniell bei triumphus oder ingressus/adventus das Dankopfer an Jupiter stehen müßte, lebhaftes Bedauern (ausi … quidam … queri) über den ‚so eiligen‘ Einzug Konstantins auf den Palatin – tam cito accessisse palatium – zum Ausdruck gebracht wird.“42 Es ergibt sich daraus die Ansicht, „(…) daß Konstantin sich durch die Opferverweigerung am 29. Oktober 312, der lex propria Christianorum folgend, öffentlich als Christ zu erkennen gegeben hat.“43 Diese Stellungnahme des Autors entspricht seiner im selben Buch abgegebenen Grundsatzerklärung: „(…) ich versuche, auf der Basis der zeitgenössischen Quellen u.a. zu zeigen, daß, anders als ein gewichtiger Teil der heutigen Forschung es sieht, alle – buchstäblich alle – Grundsatzentscheidungen für eine vom Kaiser intendierte christliche Zukunft des römischen Weltreichs bereits in diesem Jahr bzw. im Herbst und Winter 312/13 gefallen bzw. bekannt gemacht worden sind.“44 Im selben Jahr publizierte Hartwin Brandt eine Konstantinbiografie, in der das Jahr 312 natürlich eine wesentliche Rolle spielt.45 Auch er zitiert den umstrittenen Satz aus dem Panegyricus von 313 und hält für möglich, dass die Nichterwähnung
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H.-U. Wiemer, Libanios und Zosimos über den Rom-Besuch Konstantins I. im Jahre 326, Historia 43/4, 1994, 469–494. bes. 480–483. Ich danke Lothar Schwinden (Trier) für seinen Hinweis auf diesen Aufsatz. Wiemer (Anm. 38) 475. C. M. Odahl, Constantine and the Christian Empire (London 2004) 111. 322 Anm. 20. Girardet (Anm. 25) 61. Girardet (Anm. 25) 66. Girardet (Anm. 25) 68. Girardet (Anm. 25) 48. H. Brandt, Konstantin der Große (München 2006).
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eines Opfers erkennen lässt, dass keines stattgefunden hat.46 Aber in Bezug auf die Interpretation „der zum Christ gewordene Konstantin hätte also die ‚Demonstration‘ der Opferverweigerung bewußt inszeniert“47 bleibt der Autor skeptisch, „denn sie überfordert die insgesamt doch nicht hinreichend eindeutigen Belegstellen.“48 Diese Äußerung entspricht dem oben von mir gewünschten non liquet. Für Brandt lässt die „(…) Quellenlage eine demonstrativ prochristliche und antiheidnische Eindeutigkeit und innere Selbstgewißheit Konstantins zu diesem frühen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich erscheinen.“49 Diese Äußerung des Autors zu den Anfängen der Zuwendung Konstantins zum Christentum entspricht seiner Stellungnahme zur später vertretenen Religionspolitik des Kaisers: „Der rational agierende Kaiser Konstantin behielt auch als Christ die Souveränität, eine zumindest teilweise tolerante Heidenpolitik zu praktizieren, im Dienste einer auf das Gemeinwohl, aber selbstverständlich auch auf den eigenen Machterhalt ausgerichteten Politik.“50 Ich schließe mich Brandts Skepsis in Bezug auf eine Opferverweigerung Konstantins an, bin jedoch darüber hinaus der Meinung, dass sich hinter der Klage über die Eile Konstantins im von Straub, Girardet und Brandt zitierten Satz aus dem Panegyricus des Jahres 313 überhaupt kein Hinweis auf ein ausgefallenes Jupiteropfer verbirgt. Die unmittelbar anschließende Fortsetzung lautet nämlich: „Inde omnibus circumfusi uiis, dum excederes, opperiri prospicere optare sperare, ut uiderentur eum a quo obsidione liberati fuerant obsidere.“51 – „Danach drängten sie sich in allen Straßen, erwarteten dein Erscheinen, hielten nach ihm Ausschau, wünschten und erhofften es, so dass sie den Mann zu belagern schienen, durch dessen Belagerung sie befreit worden waren.“ Man sollte in beide Sätze keine religionsgeschichtliche Aussage hineinlesen: Konstantin hatte sich den Römern einfach nicht lange genug gezeigt (vom heute so populären ‚Bad in der Menge‘ kann man bei den abgehobenen Herrschern der Spätantike sicher kaum sprechen). Ebenfalls im Jahre 2006 äußerte auch Josef Rist ein non liquet zur Frage des Opfers auf dem Kapitol und schloss Vorbehalte gegen unwissenschaftliche Vorurteile daran an: „Ein endgültiges Urteil ist wohl kaum möglich, zu wenig ausreichend ist die vorhandene Quellenbasis. Letztlich zeigt sich hier erneut die für Konstantin so charakteristische Ambivalenz. Je nach religiöser Couleur und politischem Standort lassen sich die Handlungen des Kaisers je verschieden deuten.“52 Ähnliche Skepsis brachte
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Brandt (Anm. 45) 48. Zitat: K. M. Girardet, Die Konstantinische Wende und ihre Bedeutung für das Reich. Althistorische Überlegungen zu den geistigen Grundlagen der Religionspolitik Konstantins d. Gr., in: E. Mühlenberg (Hrsg.), Die Konstantinische Wende (Gütersloh 1998) 37. Brandt (Anm. 45) 48f. Brandt (Anm. 45) 49. Brandt (Anm. 45) 17. Paneg. 12,19,4; Nixon – Rodgers (Anm. 15) 324. 604. Rist (Anm. 23) 48.
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schließlich 2007 Elisabeth Herrmann-Otto zum Ausdruck: „Da keiner der späteren Berichterstatter bei den Ereignissen dabei war, ist es schwer zu entscheiden, ob es sich um eine vorsätzliche oder um eine unbewusste Auslassung handelt. Weitreichende Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, ist mithin problematisch.“53 Sollte der Kaiser im Jahre 312 doch auf das Kapitol gezogen sein, so wäre die Auslassung im Bericht des Panegyrikers im folgenden Jahr damit zu vergleichen, dass er Konstantins Schlachtenhelfer im Kampf gegen Maxentius nicht mit Namen genannt hat: „Habes profecto aliquod cum illa mente diuina, Constantine, secretum, quae delegata nostri diis minoribus cura uni se tibi dignatur ostendere.“54 – „Du hast, Konstantin, in der Tat irgendeine geheime Verbindung mit jenem göttlichen Geist, der die Sorge um uns den kleineren Göttern überlassen hat und dich allein gewürdigt hat, sich dir zu zeigen.“ Der Hinweis auf die Sorge der kleineren Götter lässt erkennen, dass der Autor sich die erwähnte mens divina nicht monotheistisch oder gar christlich gedacht hat. Die weithin von Norden und Süden zu lesende Widmungsinschrift des 315 eingeweihten Konstantinsbogens macht zum Sieg über den als Tyrannen bezeichneten Maxentius keinerlei bestimmte religiöse Angabe, sondern spricht allgemein von instinctu divinitatis, „Eingebung der Gottheit“ – eine Formulierung, die möglicherweise auf Konstantins eigene Göttlichkeit hinweist.55 Dass die Ikonografie des Konstantinsbogens sich nicht auf Christus bezieht, sondern auf den Sonnengott, ist allgemein bekannt. Marianne Bergmann hat die entsprechenden Details des Reliefschmucks zusammengefasst und noch ein wichtiges Argument zugefügt: Die Richtung des Bogens weicht vom ursprünglichen Straßenverlauf ab und weist mit der Achse der mittleren Durchfahrt auf die neronische Kolossalstatue des Sonnengottes hin, die Hadrian vor die Fassade des Venus- und Roma-Tempels versetzt hatte (Abb. 3).56 Eine ähnliche Aussage vermittelt die Darstellung Konstantins mit Sol in Goldprägungen der Münzstätte Siscia in den Jahren 313 und 315 (Abb. 4–5).57 Mit der Nebeneinanderdarstellung von Kaiser und Sonnengott knüpfte die Münzstätte an ältere Beispiele an (Abb. 6).58 Viel weiter in der Be-
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Herrmann-Otto (Anm. 24) 48. Paneg. 12,2,5; Nixon – Rodgers (Anm. 15) 296. 595. So F. Kolb, ‚Praesens Deus‘: Kaiser und Gott unter der Tetrarchie, in: A. Demandt – A. Goltz – H. Schlange-Schöningen (Hrsg.), Diokletian und die Tetrarchie (Berlin 2004) 27–37. bes. 34f. M. Bergmann, Der römische Sonnenkoloss, der Konstantinsbogen und die Ktistes-Statue von Konstantinopel, in: Braunschweigische Wissenschaftliche Gesellschaft, Jahrbuch 1997 (Göttingen 1998) 111–130; dies., Konstantin und der Sonnengott. Die Aussagen der Bildzeugnisse, in: Demandt – Engemann (Anm. 31) 143–161. A. Donati – G. Gentili (Hrsg.), Costantino il Grande. Ausstellungskatalog Rimini (Cinisello Balsamo 2005) 255f. Nr. 54f.; J. Engemann, Ikonographie und Aussage von Münzbildern, in: A. Demandt – J. Engemann (Hrsg.), Konstantin der Große. Ausstellungskatalog Trier (Mainz 2007) 200–207. Bronzemedaillon mit Vergoldungsresten für Probus von 278: J. P. C. Kent – B. Overbeck – A. U. Stylow, Die römische Münze (München 1973) 148 Nr. 551 Taf. 122f.
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Abb. 3 Konstantinsbogen: Ausrichtung auf Kolossalstatue des Sol
völkerung verbreitet waren natürlich die von 309/310 bis 317 in großen Auflagen verbreiteten Aes-Prägungen mit SOLI INVICTO COMITI.59 Andererseits muss es als historische Tatsache gelten, dass sich Konstantin Christus als Schlachtenhelfer für seinen Kampf mit Maxentius gewählt hat. Für die Vorstellungen seiner Zeit war die Inanspruchnahme göttlichen Beistands für militärische Vorhaben ein selbstverständlicher Vorgang. Eine Bestätigung für diese Wahl bieten im Jahre 315 in Ticinum geprägte Silbermedaillons, auf deren Vorderseite der Helm des Kaisers mit dem Christogramm geschmückt ist (Abb. 7).60 Auch die Rückseite mit der Ansprache des Kaisers vor seinen Soldaten gehört in den militärischen Bereich. Etwa um die selbe Zeit verbildlichte Lactantius das Engagement Christi, indem er für das Jahr 312 einen Traum erfand, den Konstantin in der Nacht vor der Schlacht gegen Maxentius gehabt haben soll: „Commonitus est in quiete Constantinus, ut caeleste signum dei notaret in scutis atque ita proelium committeret. Fecit, ut iussus est, et transversa X littera, summo capite circumflexo Christum in scutis no59
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S. Berrens, Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I. (193–337 n. Chr.) (Stuttgart 2004) 150–154. Kent – Overbeck – Stylow (Anm. 58) 160 Nr. 632 Taf. 163; Engemann (Anm. 57) 205f.; K. Ehling, Konstantins Traum … vor der Schlacht an der Milvischen Brücke und das Münchner Silbermedaillon, Numismatisches Nachrichtenblatt 56, 2007, 10, 401–404.
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Abb. 4 Goldmultiplum von 313: Konstantin mit Sol; Adventus des Kaisers
Abb. 5 Solidus von 315: Konstantin mit Sol; der Kaiser erhält von Roma den Globus
Abb. 6 Bronzemedaillon von 278: Probus mit Sol
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Abb. 7 Silbermultiplum von 315: Konstantin mit Christusmonogramm am Helm; Ansprache des Kaisers
tat.“61 – „Im Schlaf wurde Konstantin aufgefordert, das himmlische Zeichen Gottes auf den Schilden anzubringen und so die Schlacht zu beginnen. Er tat wie befohlen, und indem er den Buchstaben X umlegte und die Spitze umbog, brachte er Christus auf den Schilden an.“ Die Erzählung entspricht als Parallele zu den ungefähr gleichzeitigen Silbermedaillons mit dem Christusmonogramm der historischen Situation. Ganz gleich, ob der Kaiser tatsächlich geträumt hat oder nicht:62 Konstantin muss bei der Kriegsvorbereitung oder nach seinem Sieg eine militärische Beziehung zu Christus hergestellt haben. Das Detail der Schildbemalung ist nicht wörtlich zu nehmen.63 Die Aussage des Laktanz ist klar. Im Toleranzedikt des Kaisers Galerius vom Jahre 61
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Lact. mort. pers. 44,5; Laktanz, De mortibus persecutorum. Die Todesarten der Verfolger, übersetzt und eingeleitet von Alfons Städele (Turnhout 2003) 202f. Zu den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten des Textes vgl. H. Singor, The Labarum, Shield Blazons and Constantine’s caeleste signum, in: L. de Blois – P. Erdkamp – O. Hekster – G. de Kleijn – S. Mols (Hrsg.), The Representation and Perception of Roman Imperial Power. Proceedings of the Third Workshop of the International Network Impact of Empire, Netherlands Institute in Rome, March 20–23, 2002 (Amsterdam 2003) 481–500. bes. 487–489; B. Bleckmann, in: B. Bleckmann – H. Schneider, Eusebius von Caesarea, De vita Constantini. Über das Leben Konstantins (Turnhout 2007) 59. So mit Recht betont von K. M. Girardet, Konstantin und das Christentum. Die Jahre der Entscheidung 310 bis 314, in: Demandt – Engemann (Anm. 31) 69–81. bes. 74; vgl. W. V. Harris, Constantine’s Dream, Klio 87, 2005, 488–494. bes. 489f. A. Demandt, Wenn Kaiser träumen … Die Visionen Konstantins des Großen, in: Demandt – Engemann (Anm. 31) 49–59. bes. 49–51. Der Autor schreibt zwar, die Nachricht über das Schildemblem sei verlässlich (S. 49f.), fragt aber doch: „Woher hatte er (scil. Konstantin) wohl die plötzlich benötigte Menge an Farbe?“ (Anm. 17); sinnvoller scheint die von Brandt vertretene Ansicht, bereits vorhandene Schildzeichen, etwa Sterne, seien nach dem Sieg christlich aktualisiert worden: Brandt (Anm. 45) 55f. mit älterer Literatur; auch Girardet denkt an einen zum Christusmonogramm modifizierten Stern, der aus praktischen Gründen nur auf den Schilden der Eliteeinheit angebracht wurde: Girardet (Anm. 62) 74.
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311 hatte dieser die Erfolglosigkeit der Christenverfolgungen zugeben müssen und damit Christus zum Sieger erklärt – so war es zeitgemäß, diesem das Verdienst für den Sieg Konstantins an der Milvischen Brücke zuzuschreiben. Bevor ich auf weitere Erzählungen eingehe, die sich auf das Jahr 312 beziehen, will ich einen kurzen Einschub machen, um auf die Tragweite des durch die Silbermedaillons dokumentierten und von Laktanz erzählerisch umschriebenen militärischen Einsatzes Christi hinzuweisen. Seine Beteiligung an Konstantins Kriegsführung hatte zur Folge, dass die vorausgehende allgemeine frühchristliche Ablehnung von Militärdienst und Krieg hinfällig wurde.64 Schon 314, also zwei Jahre nach dem Sieg Konstantins vor Rom, beschlossen die Bischöfe auf der Synode von Arles, dass Kriegsdienstverweigerer exkommuniziert werden sollten.65 Die von Konstantin initiierte Verbindung von Kriegführung und religiösem Beistand und Segen war ein besonders unheilvoller Aspekt der von ihm geschaffenen Verbindung von Staat und Kirche.66 Religiöse Weihen und Segnungen von Truppen und Waffen blieben bis in die Neuzeit üblich.67 Im 2. Weltkrieg, in dem sich Adolf Hitler in seinen durch den ‚Volksempfänger‘ verbreiteten Reden wiederholt auf die ‚Vorsehung‘ berief,68 trug mein Koppelschloss immer noch den im 19. Jahrhundert in Preußen für diesen Zweck eingeführten, Jahrhunderte alten Wahlspruch: „Gott mit uns“. Lactantius verwendete für seine Aussage zum Jahr 312 das Bild eines angeblichen Traumes Konstantins. Auf den gegen Maxentius kämpfenden Konstantin beziehen sich außerdem noch zwei Texte des Nazarius und des Eusebius aus späterer Zeit, in denen über Visionen berichtet wird. Nazarius erzählt in seiner Laudatio von 321, in ganz Gallien habe man himmlische Heere unter der Führung von Konstantins Vater, des vergöttlichten Konstantius, am Himmel gesehen, die Konstantin zu Hilfe eilten.69 Über diesen Text wird in der modernen Literatur kaum diskutiert, auch bei der gleich zu besprechenden Erklärung konstantinischer Visionen durch Halo-Phänomene wird
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R. H. Bainton, The early church and the war, HarvTheolR 39, 1946, 189–212; Übersetzung: Die frühe Kirche und der Krieg, in: R. Klein (Hrsg.), Das frühe Christentum im römischen Staat (Darmstadt 1971) 187–216. Weitere Literatur: Engemann (Anm. 31) 173 Anm. 4. K. Rosen, Constantins Weg zum Christentum, in: G. Bonamente – F. Fusco (Hrsg.), Costantino il Grande, Colloquio Macerata 1990 (Macerata 1993) 853–863. bes. 863. Erstaunlicherweise fehlt in den eindrucksvollen Ausführungen Rists zu den „Sündenfällen“ der so genannten Konstantinischen Wende die Militarisierung der Kirche: Rist (Anm. 23) 34–38; auch K.-H. Ohlig fand diesen Aspekt nicht erwähnenswert: Strukturelle Auswirkungen der Konstantinischen Wende auf das Christentum, in: K. M. Girardet (Hrsg.), Kaiser Konstantin der Große. Historische Leistung und Rezeption in Europa (Bonn 2007) 75–86. Besonders problematisch sind solche Fälle, bei denen auf beiden Seiten der Name desselben Gottes angerufen wurde. Noch im Jahre 2003 wurden in den U.S.A. Kriegsansprachen mit betontem Rückgriff auf Gott gehalten, die durch die modernen Massenmedien in alle Welt verbreitet wurden. Paneg. 4,14; Nixon – Rodgers (Anm. 15) 357–359. 615.
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er (wenn ich nicht irre) nicht erwähnt.70 Klaus Rosen erklärte ihn 2001 als rein literarische Erinnerung an Vergils Georgica.71 Alexander Demandt verglich im Jahre 2006 die Vision des Nazarius mit der späteren des Eusebius und schrieb ironisch: „Wer nun dem Euseb glaubt, dass die gesamte Armee Konstantins das Lichtkreuz erblickt habe, der müsste auch dem Nazarius abnehmen, dass ganz Gallien die Himmlischen Heerscharen bezeugen könne.“72 Unter diesen Umständen ist auch die Frage, ob der Kontext des Wunders christlich oder polytheistisch ist, von geringem Interesse.73 Die zweite Visionserzählung steht in der Konstantinsbiografie des Eusebius, die erst nach dem Tod des im Jahre 337 verstorbenen Kaisers veröffentlicht wurde. Der Bischof überbot die Traumerzählung des Lactantius dadurch, dass er einem Traum Konstantins in übertrieben panegyrischer Tendenz das Massenphänomen einer Vision für den Kaiser und sein Heer vorausschickte. Mit Bezug auf eine angebliche, sogar mit Eiden verbürgte,74 eigene Aussage des Kaisers, die lange nach dem Ereignis weitergegeben wurde, wird erzählt, dieser und sein ganzes Heer hätten – an unbestimmtem Tag, aber jedenfalls vor 312 – kurz nach Mittag am Himmel „als er irgendwohin aufbrach“ eine Vision gehabt: „(…) daß am Himmel das Siegeszeichen des Kreuzes, das aus Licht bestand, die Sonne überlagerte, und damit sei ein Schriftzug verknüpft gewesen: ‚Durch dieses siege!‘“75 Die Bedeutung der Vision sei Konstantin in der folgenden Nacht im Traum von Christus selbst erklärt worden, der ihn aufforderte, ein dem Zeichen der Vision entsprechendes Feldzeichen anzufertigen und als Schutzmittel gegen die Feinde zu verwenden.76 Abschließend folgt die Beschreibung des oben bereits erwähnten, in den Panoramen in München und Leipzig dargestellten Labarums: mit Christusmonogramm und den Porträts Konstantins und seiner Kinder.77 Ein solches Feldzeichen kann es nicht bereits vor dem Kampf gegen Maxentius gegeben haben, wie Eusebius behauptet.78 Der Kaiser hatte zu dieser Zeit nur einen Sohn, Crispus, und auch dieser konnte erst nach seiner Ernennung zum Caesar im Jahre 317 auf einem Feldzeichen erscheinen. Die frühesten Münzen mit Darstellung des Labarums wurden erst 327/28 geprägt, also nach dem Sieg Konstantins über Licinius (Abb. 8). 70
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Siehe bes. P. Weiss, Die Vision Konstantins, in: J. Bleicken (Hrsg.), Colloquium aus Anlaß des 80. Geburtstages von Alfred Heuß (Kallmünz 1993) 143–169; ders., The vision of Constantine, JRA 16, 2003, 237–259. K. Rosen, Cor regum inscrutabile. Eine quellenkritische Untersuchung zur Bekehrung Constantins des Großen, in: P. Barceló – V. Rosenberger (Hrsg.), Humanitas – Beiträge zur antiken Kulturgeschichte. Festschrift G. Gottlieb (München 2001) 247–281. bes. 257. Demandt (Anm. 63) 52. Hierzu Nixon – Rodgers (Anm. 15) 357f. Anm. 61; Herrmann-Otto (Anm. 24) 55. Sehr überzeugend Rosen (Anm. 71) 272: „(…) wozu brauchte ein Kaiser zu schwören, nachdem angeblich sein ganzes Heer am helllichten Tag die Kreuzeserscheinung gesehen hatte (…)?“ Vita Const. 1,28; Übersetzung nach Bleckmann – Schneider (Anm. 61) 183. Vita Const. 1,29–31. Vita Const. 1,31,1f. Hierzu Brandt (Anm. 45) 58f.
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Abb. 8 Bronzemünze von 327/328: Konstantin; Labarum auf Schlange
Über Visionen kann man, da sie als Wunder irrational sind, nur insoweit rational diskutieren, als man fragt, was der Autor mit dem visionären Bild aussagen wollte. In dieser unbefriedigenden Situation liegt es für Historiker nahe, einen Ausweg zu suchen, um dem Wunder Realitätscharakter zu verleihen. Ein mehr als 200 Jahre alter Versuch,79 die Authentizität der von Eusebius erfundenen Vision durch Rationalisierung zu retten, ist in den letzten Jahrzehnten zu neuer Beliebtheit gelangt. Unter bestimmten atmosphärischen Voraussetzungen kommt es zu Sonnenreflexen und Luftspiegelungen, die als Halo bezeichnet werden. In einem solchen Phänomen die physikalische Erklärung für Konstantins Visionen zu sehen, wurde besonders von Peter Weiss unter Beigabe entsprechender Fotografien propagiert.80 Ihm haben sich seit 2001 beispielsweise Martin Wallraff,81 Werner Eck,82 Klaus Martin Girardet,83 Elisabeth Herrmann-Otto84 und (in einem erst nach dem Kolloquium in Leipzig erschienenen Aufsatz) Reinhart Staats angeschlossen.85 Dagegen lehnten diese Erklärung
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Demandt (Anm. 63) 52; von Weiss, Vision 1993 (Anm. 70) 146 Anm. 9f. werden einige Vorläufer genannt; in Weiss, Vision 2003 (Anm. 70) 237 schreibt der Autor: „(…) I believe that I have discovered something (…)“, wogegen Harris (Anm. 62) 493 mit Recht Einspruch erhebt. Weiss, Vision 1993 (Anm. 70); ders., Vision 2003 (Anm. 70). M. Wallraff, Christus versus Sol (Münster 2001) 127f. Anm. 7. W. Eck, Eine historische Zeitenwende: Kaiser Constantins Hinwendung zum Christentum und die gallischen Bischöfe, in: F. Schuller – H. Wolff (Hrsg.), Konstantin der Große. Kaiser einer Epochenwende (Lindenberg 2007) 69–94. bes. 84–86. K. M. Girardet, Konstantin – Wegbereiter des Christentums als Weltreligion, in: Demandt – Engemann (Anm. 57) 232–242. bes. 233f.; ders., Das Christentum im Denken und in der Politik Kaiser Konstantins d. Gr., in: ders. (Anm. 66) 29–53. bes. 32–36. Herrmann-Otto (Anm. 24) 56. R. Staats, Kaiser Konstantin der Große und der Apostel Paulus, VigiChr 62, 2008, 334–370. bes. 356. Ich danke dem Autor für die Zusendung einer Kopie seines Beitrags.
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seit 2000 unter anderem Gregor Weber,86 Henk Singor87 und Alexander Demandt ab;88 William V. Harris brachte gute Argumente gegen sie vor.89 Um diese Diskussion richtig zu bewerten, sollte man bedenken, dass die Antwort auf die Frage „Reine Erfindung oder durch einen Halo angeregte Fantasievorstellung?“ religionsgeschichtlich irrelevant ist. Die Aussage der spätantiken Autoren bleibt ja in beiden Fällen dieselbe. Wie weit die Vertreter der Haloerklärung bereit wären, auch andere Visionserzählungen alttestamentlicher und paganer, oder sogar neutestamentlicher und patristischer Autoren so zu interpretieren, sei dahingestellt. Um bei Konstantin zu bleiben: Die meisten Historiker, die Konstantins ‚eusebianische‘ Vision durch einen Halo erklären, wenden diese Interpretation auch auf eine im Panegyricus von 310 beschriebene Apollo- und Victoria-Vision an, die der Kaiser angeblich in einem Heiligtum Galliens gesehen hat.90 Darüber hinaus vertreten sie die Ansicht, dass die Visionserzählungen des Panegyrikers und des Eusebius sich auf ein- und dieselbe Himmelserscheinung beziehen. Es könnte scheinen, dass sich dabei eine abgestufte Harmonie zwischen den beiden Interpretationen dieser solaren Himmelserscheinung in Gallien ergibt. Die pagane Erklärung entspricht der Hinwendung Konstantins zum Sonnengott seit 310, die durch die Übernahme des invictus in die Kaisertitulatur und die gleichzeitige Prägung von Sol comes-Münzen belegt ist;91 sie bezieht sich vorwiegend auf die machtpolitischen Ambitionen des Kaisers. Die christliche Ausdeutung führt zu der etwas später in Zusammenhang mit dem Feldzug gegen Maxentius einzuordnenden Wahl eines christlichen Feldzeichens für den Kampf um Rom. Doch dieser Schein von Harmonie trügt. Wenn sich die beiden Erzählungen des Panegyrikers von 310 und des Eusebius auf dasselbe solare Phänomen beziehen sollen, dann wird die Behauptung des letzteren, seine Kenntnis der Vorgänge vom Kaiser persönlich erhalten zu haben, endgültig unglaubwürdig. Der von ihm berichtete zeitliche Ablauf ist folgender: Am frühen Nachmittag sehen Konstantin und seine Soldaten ein kreuzförmiges Halophänomen über der Sonne. Der Kaiser denkt bis zum Abend ergebnislos über dessen Bedeutung nach, wird nachts im Traum von Christus persönlich darüber auf86
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G. Weber, Kaiser, Träume und Visionen in Prinzipat und Spätantike (Stuttgart 2000) 281 Anm. 210. Singor (Anm. 61) 485. 499. Demandt (Anm. 63) 52; seinem Argument, es spreche gegen diese Theorie, dass sie nicht auf die Urform, den Traum bei Lactantius angewendet wird, liegt vermutlich die Tatsache zugrunde, dass man Sonnenphänomene, beispielsweise einen Halo, nicht nur am Tage sehen, sondern von ihnen auch nachts träumen kann. Harris (Anm. 62) 494f. Paneg. 6,21; B. Müller-Rettig, Der Panegyricus des Jahres 310 auf Konstantin den Großen (Stuttgart 1990) 270–289. 330–345; Nixon – Rodgers (Anm. 15) 247–251. 583. Zur Gleichsetzung von Apoll und Sol und zu den epigrafischen und numismatischen Belegen für die Solzuwendung Konstantins vgl. Grünewald (Anm. 30) 50–58; W. Kuhoff, Diokletian und die Epoche der Tetrarchie (Frankfurt am Main 2001) 855–857; Berrens (Anm. 59) 150–154.
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geklärt, und berichtet am anderen Morgen seinen Soldaten von dieser Belehrung. Wie könnte es nach dieser Verbreitung einer christlichen Deutung in großem Umkreis möglich gewesen sein, dass ein Panegyriker nur wenig später am kaiserlichen Hof in seiner Rede eine völlig entgegengesetzte, apollinisch-pagane Interpretation dieser Halovision vortrug? Die Abstimmung über den Vortragsinhalt zwischen den Kaisern beziehungsweise den kaiserlichen Beamten und den quasi-offiziellen Lobrednern ist nicht klar und kann auch in Einzelfällen unterschiedlich gewesen sein.92 Doch selbst dann, wenn ein Panegyriker nicht zuvor eigens über die in seiner Rede zu vertretende politische oder religionspolitische Richtung informiert worden wäre,93 dürfte er genau gewusst haben, was er vorzutragen hatte, um nicht anschließend zufällig auf der Treppe zu stürzen oder aus einem Fenster zu fallen. Lothar Schwinden äußerte sich 2007 ganz ähnlich zur Authentizität der Mitteilungen der Panegyriker: „Mögen die Reden auch noch so schmeichelhaft für den Kaiser sein, es ist sicher, dass der Redner sich keine Falschmeldungen zur Bereicherung der kaiserlichen Ehrentafeln erlauben durfte.“94 Janus, der mich durch dieses Referat „zum Blickpunkt der Forschung“ geleitet hat, suggeriert mir (mit seinem satirischen Gesicht) in Hinsicht auf die Vermutung, der Panegyriker von 310 und Eusebius nach 337 bezögen sich auf ein- und dieselbe Haloerscheinung, das abschließende Urteil: non liquet.
Abbildungsnachweis Abb. 1–2: Verf. Abb. 3: M. Bergmann, Konstantin und der Sonnengott. Die Aussagen der Bildzeugnisse, in: A. Demandt – J. Engemann (Hrsg.), Konstantin der Große. Geschichte – Archäologie – Rezeption. Internationales Kolloquium vom 10.–15. Oktober 2005 in Trier (Trier 2006) Abb. 8 Abb. 4: A. Donati – G. Gentili (Hrsg.), Costantino il Grande. Ausstellungskatalog Rimini (Cinisello Balsamo 2005) Nr. 54 Abb. 5: A. Donati – G. Gentili (Hrsg.), Costantino il Grande. Ausstellungskatalog Rimini (Cinisello Balsamo 2005) Nr. 55 Abb. 6: J. P. C. Kent – B. Overbeck – A. U. Stylow, Die römische Münze (München 1973) Taf. 123 Nr. 551 Abb. 7: J. P. C. Kent – B. Overbeck – A. U. Stylow, Die römische Münze (München 1973) Taf. 163 Nr. 632 Abb. 8: J. Engemann, Ikonographie und Aussage von Münzbildern, in: A. Demandt – J. Engemann (Hrsg.), Konstantin der Große. Ausstellungskatalog Trier (Mainz 2007) Abb. 16
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Vgl. Straub, Regeneratio (Anm. 32) 102; Müller-Rettig (Anm. 90) 2f.; Grünewald (Anm. 30) 51; Nixon – Rodgers (Anm. 15) 26–33; Brandt (Anm. 45) 39; O. Schmitt, Constantin der Große (275–337), Leben und Herrschaft (Stuttgart 2007). Hiervon geht Schmitt (Anm. 92) 17 aus. L. Schwinden, Vor 1700 Jahren – Konstantins Erhebung zum Kaiser und die Vergöttlichung seines Vaters Constantin, FuAusgrTrier 39, 2007, 63–77. bes. 65; ich danke dem Autor für die Zusendung eines Sonderdrucks.
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Rombilder der Spätantike und des frühen Mittelalters
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Das spätantike Rombild zwischen Visualisierung und Imagination A n n et te H aug
Einführung: Die Romidee und ihre Bildfassung Politische Erwartungen, Hoffnungen und Ansprüche wurden seit jeher auf Hauptorte bzw. Hauptstädte eines Territoriums projiziert. Eine solche Rückbindung von politischem Selbstverständnis an den ideellen Mittelpunkt eines Reiches lässt sich besonders prägnant für Rom beobachten. Rom war im Verlauf der Republik zum Zentrum eines Weltreiches geworden.1 Der veränderte politische Geltungsanspruch wurde von den erfolgreichen Feldherren in Szene gesetzt, indem sie Rom durch aufwendige Gebäudestiftungen sukzessive zu einer Stadt von Weltgeltung umgestalteten. Besonders prägnant trat der gestiegene Geltungsanspruch der Kapitale in augusteischer Zeit zu Tage. Ovid bringt ihn auf eine Formel, wenn er die traditionelle Vorstellung von einer aurea aetas mit der Idee der aurea Roma zusammenbringt.2 Mit dieser Weltsicht ging unter Augustus eine umfassende bauliche Erneuerung der Stadt einher. In der Kaiserzeit sollte sich diese auf Rom fokussierte Rhetorik verstetigen und verdichten, bis Rom in severischer Zeit zur urbs sacra überhöht wurde.3 Am Übergang zur Spätantike kommt es in verschiedenen Reichsteilen zur Zerstörung oder zu Teilzerstörungen von Städten – die Vorstellung vom unbesiegbaren, ewigen Rom wird erstmals erschüttert. Die Glorifizierung Roms wird nun aber nicht mehr von allen Bevölkerungskreisen geteilt – insbesondere aus christlichen Kreisen kam für die Ausrichtung auf Rom zum Teil heftige Kritik.4 Die Christianisierung der Gesellschaft brachte aber eine tief greifende Umgestaltung des Stadtbildes mit sich: Schon ab dem 4. Jahrhundert floss ein Großteil der Investitionen in die Errichtung
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Die Vorstellung von Rom als Ort der Heimat der Reichsbürger ist formuliert bei Cic. leg. 2, 3–5. Erstmals belegt bei Ov. ars 3,113: „Simplicitas rudis ante fuit; nunc aurea Roma est […].“ Siehe CIL VI Nr. 1080; kommentiert bei R. E. A. Palmer, Severan Ruler-Cult and the Moon in the City of Rome, ANRW II 16,2 (1978) 1085–1120. bes. 1104. Die Positionen der Kirchenväter zur Rom-Ideologie sind äußerst vielschichtig, zum Teil aber auch äußerst feindlich; siehe zusammenfassend F. Paschoud, Roma aeterna. Études sur le patriotisme romain dans l’occident latin à l’époque des grandes invasions (Rom 1967).
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von christlichen Kultbauten. Trotz dieser politischen und religiösen Veränderungen und Neuorientierungen haben die traditionellen Eliten aber gerade in der Spätantike an einer traditionellen Weltsicht, die Rom als Mittelpunkt des Weltgeschehens imaginierte, festgehalten. Diese knappen einleitenden Bemerkungen müssen genügen, um die Wahrnehmung der römischen Stadt- und Reichsbevölkerung zu umschreiben, die sich im Verlauf der Republik ausgebildet, unter Augustus intensiviert und in der Kaiserzeit verfestigt hat: Rom wird zur ewigen Stadt – urbs aeterna5 – eines auf ewig gedachten Reiches, dessen Garant der Kaiser ist. Noch in der Spätantike gehen Romideologie, Reichsideologie und Kaisertum eng zusammen. Der Urbs kam damit von der Republik bis in die Spätantike eine immense Bedeutung für das politische Selbstverständnis der Reichsbevölkerung zu. Man könnte daher annehmen, dass die Rom- und Reichsideologie über das architektonische Stadtbild von Rom kommuniziert worden wäre. Die massiven baulichen Veränderungen im spätantiken Stadtraum hätten so durch eine auf das Stadtbild bezogene Rhetorik begleitet werden können. Genau dies ist aber nicht der Fall. Das architektonische Stadtbild von Rom kommt in der spätantiken Bilderwelt nicht vor – und dies, obwohl von anderen spätantiken Städten durchaus architektonisch konkrete Bilder entworfen wurden. Diese Diskrepanz ist in der Forschung entweder überhaupt nicht in den Blick gekommen,6 oder man ist dem Phänomen mit sehr pauschalen Erklärungen begegnet. So findet sich bei Catherine Edwards die These, das Fehlen von Rom-Darstellungen erkläre sich aus der historischen Komplexität des Stadtraums, der in einer Darstellung nicht erfasst werden könne.7 Allerdings nimmt jede Stadtdarstellung räumliche und chronologische Verkürzungen und Abstraktionen vor, die man bei anderen Städten – nicht aber bei Rom – in Kauf genommen hat. Der besondere Umgang mit dem Rom-Bild erschließt sich folglich erst dann, wenn die Formen der visuellen Imagination der Hauptstadt in einem weiten chronologischen Rahmen, aber auch im Kontext der Stadtdarstellungen überhaupt in den
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Erstmals bei Tibull belegt (Tib. 2, 5, 23f.), gebräuchlich ab hadrianischer Zeit – siehe etwa Münzen mit der Beischrift Roma aeterna; siehe ausführlich R. Mellor, The Goddess Roma, ANRW II 17,2 (1978) 950–1030. bes. 1019f.; LIMC VIII 1 (1997) 1056, s. v. ‚Roma‘, Nr. 117 (E. di Filippo Balestrazzi). Dies gilt auch für die wichtigen Besprechungen von Stadtbildern bei J. Deckers, Tradition und Adaption. Bemerkungen zur Darstellung der christlichen Stadt, RM 95, 1988, 303–382; R. Warland, Die spätantike Stadt als Leitbild und Lebensform, in: G. Brands – H. G. Severin (Hrsg.), Die spätantike Stadt und ihre Christianisierung. Symposion vom 14. bis 16. Februar 2000 in Halle (Wiesbaden 2003) 290–298. C. Edwards, Imaginaires de l’image de Rome ou comment (se) représenter Rome?, in: F. Dupont – C. Auvray-Assays (Hrsg.), Images Romaines. Actes de la table ronde, Paris 24–26 octobre 1996 (Paris 1998) 235–245. bes. 240f.
Das spätantike Rombild zwischen Visualisierung und Imagination
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Blick kommen. Daher werden die Modi der Rom-Imagination im Folgenden von der Kaiserzeit bis in die Spätantike nachgezeichnet und jeweils zu Darstellungen anderer Städte in Beziehung gesetzt.
Visualisierung Roms in der Kaiserzeit In der Kaiserzeit finden sich Darstellungen von stadtrömischen Architekturen in großer Zahl auf Münzen sowie als Reliefs auf öffentlichen Monumenten – auf Altären, Tempeln, besonders häufig aber auch auf repräsentativen Schauarchitekturen wie Triumphbögen und Ehrensäulen. Zwar wird auf diesen Darstellungen zumeist kein zusammenhängender Stadtraum vorgeführt, dennoch evoziert die Repräsentation eines konkreten Monuments eine konkrete stadträumliche Situation. Die Imagination des Stadtraums von Rom ist in diesem Sinne gleichermaßen konkret wie abstrakt. Auf Münzen erscheinen stadtrömische Monumente zumeist ohne begleitende Bildhandlung, als alleiniges Hauptthema.8 Die Auswahl einer bestimmten Architektur – auf augusteischen Münzen etwa die Curia Iulia9 – determiniert die Vorstellung des Stadtraums in sehr ausschließlicher Weise.10 Münzen werden dadurch zum Medium einer imaginativen Form der Baupolitik. Auf Staatsreliefs geben stadtrömische Architekturen zumeist die Kulisse für eine Bildhandlung ab, in deren thematischem Mittelpunkt der Kaiser steht. Der Architekturdarstellung kommt hier die Aufgabe zu, die Bildhandlung in sinnhafter Weise zu begleiten. So kann etwa der Kaiser Marc Aurel seine Frömmigkeit zur Schau stellen, indem er sich beim Opfer vor dem Tempel des Iuppiter Optimus Maximus zeigen lässt (Abb. 1).11 Eine besondere inhaltliche Dichte erhalten die Reliefs dann, wenn die Hintergrundarchitekturen tatsächliche Baumaßnahmen eines Kaisers in Szene setzen. Alle Reliefbilder, die auf stadtrömische Architekturen rekurrieren, haben ihren Ort aber in Rom selbst: Kaiserliches Handeln wird auf den Stadtraum von 8
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Siehe M. Rosenbaum-Alföldi, Die Bildersprache der römischen Kaiser und die Bauten Roms im Münzbild, NumAntCl 30, 2001, 203–227. bes. 210. Siehe RIC 266, aus unbestimmter italischer Münze, 29–27 v. Chr. Siehe G. Alteri, I monumenti raffigurati sulle monete imperiali romane. Da Adriano a Costantino, Palladio N.S. 5/10, 1992, 5–20; F. Smith, Monumenti sulle monete romane repubblicane ed imperiali (Milano 2001); M. D. Grunow, Architectural Images in Roman State Reliefs, Coins, and Medaillons: Imperial Ritual, Ideology, and the Topography of Rome (Ann Arbor 2002); Rosenbaum-Alföldi (Anm. 8). Das imaginative Potential dieser Bilder tritt insbesondere dann in den Vordergrund, wenn Architekturen vorgeführt werden, die nicht oder noch nicht im Stadtraum existent sind. Dies gilt etwa für die Darstellung des Tempels des Divus Iulius auf einem Aureus des Octavian aus dem Jahr 36 v. Chr., die die Erbauung des Tempels vorwegnimmt – siehe Crawford Nr. 540, 1. Rom, Kapitolinische Museen, Inv. Nr. 807; siehe G. Koeppel, Die historischen Reliefs der römischen Kaiserzeit IV. Stadtrömische Denkmäler unbekannter Bauzugehörigkeit aus hadrianischer bis konstantinischer Zeit, BJb 186, 1986, 1–90. bes. 52–55 Nr. 25 Abb. 29.
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Abb. 1 Marc Aurel beim Opfer vor dem Tempel des Iuppiter Optimus Maximus in Rom, Kapitolinische Museen, Inv. Nr. 807
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Rom bezogen. Der stadtrömische Betrachter, dem die Architekturen aus eigener Anschauung bekannt sind, erlebt Rom als Schauplatz des Weltgeschehens.12 Sowohl Münzen als auch Staatsreliefs rufen die Vorstellung von Rom über die Repräsentation einzelner Architekturen auf. Eine andere Form der Visualisierung stellen Karten und Pläne dar. Ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. wurden solche abstrakten Vorstellungsentwürfe in Stein umgesetzt und öffentlich präsentiert. In einigen Fällen sind es nicht nur einzelne Monumente, sondern größere stadträumliche Situationen, die in Plangestalt erfasst und durch Inschriften kommentiert werden.13 In dieser Form konnten Rechtslagen wie Grundstücksverhältnisse oder Wassernutzungsrechte fixiert und öffentlich dokumentiert werden.14 Der größte Plan, der sicher auf solch ältere Vorlagen zurückgreift, begegnet in der sog. Forma Urbis aus severischer Zeit (siehe Beitrag Bauer Abb. 1–2).15 Der mit 13 × 18 m riesige Plan, auf dem der gesamte Stadtraum Roms verzeichnet ist, war auf der Rückwand eines der seitlichen
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Auch auf Staatsreliefs wird auf die Darstellung eines geschlossenen Architekturraums fast vollständig verzichtet. Eine Ausnahme stellen die sog. Anaglypha Traiani dar, die im Hintergrund des Geschehens die Architektur des Forums darstellen; ausführlich zu Architekturbildern der Kaiserzeit – allerdings vielfach ohne überzeugende Erklärungsversuche Grunow (Anm. 10). Der älteste Beleg für eine Karte, die sich auf einen größeren städtischen Bereich bezieht und als ‚Plan‘ im eigentlichen Sinn verständlich wird, begegnet in den Marmorfragmenten, die im Jahr 1983 in Trastevere, in der Via Anicia, gefunden wurden (siehe Beitrag Bauer Abb. 3a-b). Siehe K. Brodersen, Terra Cognita. Studien zur römischen Raumerfassung (Hildesheim 1995) 229; F. Coarelli, Le plan de via Anicia, in: F. Hinard – M. Rovo (Hrsg.), Rome. L’espace urbain & ses représentations (Paris 1991) 65–81; E. Rodríguez-Almeida, Formae Urbis Antiquae. Le mappe marmoree di Roma tra la repubblica e Settimio Severo, CEFR 305 (Rom 2002) bes. 43–49. Siehe etwa die Inschrift vom Aventin, die die Wasserentnahme aus einem Aquädukt oder Kanal regelt, indem sie die Namen der Entnahmeberechtigten auf einer minimalistischen Planskizze verzeichnet (CIL VI, 1261); siehe Brodersen (Anm. 13) 228; Rodríguez Almeida (Anm. 13) bes. 23–33; vgl. auch ein Inschriften-Plan-Dokument aus Tivoli ebenda 34–36; hinzu kommen Darstellungen von Einzelgebäuden, siehe mit Abbildungen O. A. W. Dilke, Roman Large-Scale Mapping in the Early Empire, in: J. B. Harley – D. Woodward (Hrsg.), The History of Cartography I. Cartography in Prehistoric, Ancient, and Medieval Europe and the Mediterranean (Chicago 1987) bes. 220–230; zum Phänomen auch H. von Hesberg, Römische Grundrisspläne auf Marmor, in: Bauplanung und Bautheorie in der Antike. Kolloquium vom 16.11. bis 18. 11. 1983 in Berlin, Diskussionen zur archäologischen Bauforschung 4 (Berlin 1984) 120–133. Zum Kontext des Templum Pacis mit einer Rekonstruktion des Raumes, in dem die Karte angebracht war, zuletzt R. Meneghini et al., Il Templum Pacis alla luce dei recenti scavi, in: F. Coarelli (Hrsg.), Divus Vespasianus. Il bimillenario dei Flavi. Ausstellungskatalog Rom (Mailand 2009) 190–210, bes. Abb. 2. Besonders nahe steht die Forma Urbis dem älteren Marmorplan, der in der Via Anicia gefunden wurde. Da auf beiden Karten die planimetrische Darstellung des Areals um den Circus Flaminius erhalten ist, lässt sich belegen, dass beide Karten denselben Maßstab besitzen und die Darstellungsweise der Gebäude sehr ähnlich ausfällt; siehe Coarelli (Anm. 13) 67. Ein sehr wesentlicher Unterschied besteht allerdings darin, dass die severische Forma Urbis auf die Angabe von Abständen und Namensangaben, d.h. auf rechtliche Spezifizierungen, verzichtet.
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Räume des Templum Pacis angebracht. Die Monumentalität des Plans vermittelt den Betrachtern eine Vorstellung von der eindrucksvollen Größe Roms und seinen repräsentativen Bauten. Aber mehr noch: In der detailreichen und zugleich systematischen Erfassung des Stadtraums performiert die Karte die Professionalität der imperialen Verwaltung. Die Forma Urbis verlangt ihren Betrachtern aber auch einiges ab: Die einzige vollständige Ansicht Roms ist als ein ideelles Konzept formuliert worden, das der Betrachter erst durch das ‚Lesen‘ des Planes mit einer Stadtvorstellung füllen kann. Auch von diesen Plänen kann es in Rom aber nicht gar zu viele Exemplare gegeben haben, so dass man die Forma Urbis als Sonderfall bezeichnen dürfen wird. Wenn in der Kaiserzeit die ganzheitliche Vorstellung von Rom als urbanes Zentrum und Mittelpunkt eines Reiches zur Darstellung kommen sollte, so wählte man üblicherweise nicht räumlich konkrete Stadtbilder, sondern die Stadt-Personifikation, Roma. Stadtpersonifikationen haben ihren Ursprung im hellenistischen Kleinasien, wo sie als Bildformeln für die Hoffnung auf Frieden und Wohlstand und damit zugleich als visueller Ausdruck städtischer Selbstdarstellung auftreten.16 In diesem östlichen Kontext finden sich auch die ersten Darstellungen der Roma (Abb. 2). Indem die Darstellungsform auf die römischen Eroberer Kleinasiens bezogen wird, bringt sie die Akzeptanz der neuen Machthaber zum Ausdruck.17 Dadurch erklärt sich nicht zuletzt, dass Roma von Beginn an behelmt dargestellt wird. Im Unterschied zu anderen Stadtpersonifikationen wird so der militärische Charakter besonders hervorgehoben.18 Mit dem Roma-Bild ging im römischen Osten die Einrichtung eines RomaKultes einher.19 In augusteischer Zeit gewann der Roma-Kult reichsweite Bedeutung und verband sich vielerorts mit dem Kult des Kaisers.20 Diesen veränderten politischen Horizont bespiegelt die Gemma Augustea,21 die das Bild der thronenden Roma mit Augustus verknüpft. In Rom selbst fasst der Ro-
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Ausführlich zu hellenistischen Tychen und Personifikationen zuletzt M. Meyer, Die Personifikation der Stadt Antiochia, JdI Ergh. 33 (Berlin 2006). Mit Bezug auf den Roma-Kult betont diesen Aspekt auch Mellor (Anm. 5) bes. 957. Siehe dazu ausführlich LIMC VIII 1 (1997) s. v. ‚Roma‘ (E. di Filippo Balestrazzi); C. C. Vermeule, The Goddess Roma in the Art of the Roman Empire (Cambridge 1959); Mellor (Anm. 5) 1012–1017; E. Christof, Das Glück der Stadt. Die Tyche von Antiochia und andere Stadttychen (Frankfurt am Main 1999) 186–193. LIMC VIII 1 (1997) 1048–1068, s. v. ‚Roma‘ (E. di Filippo Balestrazzi); im Jahr 274 v. Chr. zeigt eine Münze von Lokroi Epizephiroi Roma, die von Pistis gekrönt wird. Der erste RomaKult wird 195 v. Chr. in Smyrna aus Dank für das römische Eingreifen gegen das Seleukidenreich eingerichtet; siehe dazu Mellor (Anm. 5) 956. Siehe Mellor (Anm. 5) 950–956; ders., Thea Rome. The Worship of the Goddess Roma in the Greek World, Hypomnemata 42 (Göttingen 1975). Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv. Nr. IXa 79; siehe etwa R. Megow, Kameen von Augustus bis Alexander Severus, AMuGS 9 (Berlin 1987) bes. 8–11.
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Abb. 2 Münze mit Personifikation der Roma, 265–242 v. Chr.
ma-Kult erst in hadrianischer Zeit Fuß, als der Kaiser einen Venus- und Roma-Tempel errichten ließ. Die Präsenz des Tempels mit einem monumentalen Kultbild der Roma führte zu einer neuen Beliebtheit des Themas in der Bildkunst. Die Bildentwürfe waren nun vielfach durch das Kultbild des Tempels inspiriert.22 Auf Münzen, aber auch in verschiedensten anderen Bildmedien verkörperte die Roma fortan die Vorstellung von einer militärisch erfolgreichen Stadt und Weltmacht. Stadt- und Reichsidee wurden in der Gestalt der Roma überblendet und ließen sich zur kaiserlichen Repräsentation in Beziehung setzen. Für die Behandlung des Rom-Bildes in der Kaiserzeit lassen sich einige Beobachtungen festhalten. In Münzen und Staatsreliefs begegnen zwei bedeutsame Medien mit großer Breitenwirkung, die einzelne stadtrömische Monumente in einen politischen Diskursrahmen einbinden. Auf die Darstellung des Stadtraums als Ganzes wird dabei verzichtet – die Imagination einer stadträumlichen Situation bleibt dem Betrachter überlassen. Auf steinernen Plänen wie der Forma Urbis wird hingegen zwar der gesamte Stadtraum ausgebreitet, die Darstellungsweise ist aber derart abstrakt, dass wiederum nur die gedankliche Vorstellung ein Bild des Stadtraums von Rom entstehen lassen kann. Wenn es schließlich um die visuelle Inszenierung der politischen Rom-Idee geht, so hat man dafür kein architektonisch konkretes Bild, sondern eine personifizierte Darstellung gewählt. In der Gestalt der Roma ist die Verbindung von Stadt und Reich auf eine abstrakte Formel gebracht.
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Siehe resümierend LIMC VIII 1 (1997) s. v. ‚Roma‘, 1068 (E. di Filippo Balestrazzi); DNP 10 (2001) Pol-Sal, s. v. ‚Roma. Personifikation‘ (S. Price); zum Kultbild des Venus- und RomaTempels siehe Cass. Dio 69, 4; unter Maxentius wurde im Jahr 307 n. Chr. eine neue Roma-Statue aufgestellt – siehe Mellor (Anm. 5) 1021; Vermeule (Anm. 18) zur hadrianischen Kultstatue bes. 35–42; zur maxentianischen Kultstatue bes. 42–46; zum Tempel selbst A. Barattolo, Nuove ricerche sull’architettura del tempio di Venere e di Roma in età adriana, RM 80, 1973, 243–269.
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Andere Stadt- und Architekturbilder der Kaiserzeit Die Beobachtungen, die für das kaiserzeitliche Rom gemacht werden konnten, treffen in ähnlicher Weise auch für andere Städte des Imperiums zu. Wenn sie sich in bildhafter Weise inszenieren, so geschieht dies meist über das Bild einer Stadtpersonifikation.23 Die Darstellung von spezifischen Städten in Gestalt eines ArchitekturBildes war offensichtlich kein Thema der kaiserzeitlichen Bildkultur.24 Dieser Verzicht auf die architektonisch konkrete Darstellung von konkreten Städten ist insofern bemerkenswert, als im privaten Kontext Bilder von unbestimmten städtischen Architekturen geradezu omnipräsent waren. Schon in spätrepublikanischer Zeit finden sich in den Häusern der besseren Leute Wandmalereien, die Prunkarchitekturen als Hintergrund und Kulisse für das Leben und Handeln im Wohnraum – als Wohnkulisse – entwerfen. Im Zweiten Pompejanischen Stil werden dabei Elemente öffentlicher Architektur zu monumentalen Schaufassaden montiert und dadurch fiktionale Prunkarchitekturen mit beeindruckender Perspektivenwirkung entwickelt – besonders eindrücklich gilt dies etwa für die Ausstattung der Villa des Fannius Synistor in Boscoreale, aus der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. (Abb. 3).25 In diesen idyllischen Architekturlandschaften des priva-
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Ebenfalls in gewisser Zahl vertreten sind (insbesondere auf Münzen) Darstellungen von Einzelmonumenten, die die Stadt als pars pro toto vertreten. Auf die Gesamtdarstellung von Stadtbildern wird dabei von einigen wenigen Ausnahmen wie dem Münzbild des L. Servius Rufus abgesehen jedoch verzichtet (mit Abbildung siehe Brodersen [Anm. 13] 238f. mit Abb. 35f.). Marmorne Pläne sind außerhalb Roms selten und allenfalls im Hinterland von Rom verbreitet; siehe eine Zusammenstellung und Diskussion des Materials bei Dilke (Anm. 14); Rodríguez-Almeida (Anm. 13); bei dem ‚Plan‘ von Arausio handelt es sich um ein Kataster, das kaum topografische Angaben verzeichnet – siehe Dilke (Anm. 14) 220–225. Diese Beobachtung lässt sich m.E. auch dann aufrecht erhalten, wenn die architektonischen Stadtbilder in die Betrachtung einbezogen würden. Sie sind in der Forschung zwar gerne als Repräsentationen bestimmter Städte aufgefasst worden. Tatsächlich ist auf Staatsreliefs die Darstellung von Städten des Imperiums aber ganz der übergreifenden Erzählung vom Auszug des Heeres, dem erfolgreichen Kampf und seiner Rückkehr nach Rom untergeordnet. Stadtbilder erscheinen in diesem Zusammenhang als Abbreviatur für den Lebensraum des Gegners, der unterworfen wird. So stereotyp die zeitliche Erzählung der meisten Monumente ausfällt, so unbestimmt bleibt damit auch der räumliche Zusammenhang. Eine konkrete Benennung der Stadtbilder, wie sie etwa auf dem Bogen des Septimius Severus gezeigt werden, ist nicht möglich. Mit diesem Verständnis der Architekturen etwa P. Zanker, Die Villa als Vorbild des späten pompejanischen Wohngeschmacks, JdI 94, 1979, 460–523. bes. 463f., der dabei auch auf die perspektivische Erweiterung des Raums durch die Bemalung verweist; R. Ling, Roman Painting (Cambridge 1991) 30f.; U. Pappalardo – A. Capuano, Immagini della città nella pittura romana: visioni fantastiche o realità architettoniche?, in: L. Haselberger – J. Humphrey (Hrsg.), Imaging Ancient Rome. Documentation – Visualization – Imagination, JRA Suppl. 61 (Portsmouth 2006) 75–90. bes. 78.
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Abb. 3 Boscoreale, Villa des Publius Fannius Synistor, Ausschnitt aus einem Wandbild des Cubiculum M; Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr.
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ten Raums wird städtische Architektur zum Träger eines Luxusgefühls.26 Entsprechende Beispiele ließen sich von der Kaiserzeit bis in die Spätantike beibringen – immer bleiben die Architekturen jedoch unbestimmt, eine Bezugnahme auf einen topografisch konkreten Raum bleibt aus.27 In der Kontrastierung mit den unbestimmten Architekturlandschaften des privaten Raums wird deutlich, dass die Visualisierung von konkret benannten Städten ein genuin öffentliches Thema war. In diesem öffentlichen Diskursrahmen fungierte die Stadtdarstellung als Träger eines Repräsentationsanspruches. In ganz besonderer Weise trifft dies auf Rom zu, das sich dadurch als Mittelpunkt eines Weltreiches inszenierte.
Der Verzicht auf eine räumlich konkrete Imagination Roms in der Spätantike Mit dem Übergang zur Spätantike unterlag die Kommunikation der Rom-Idee einem erheblichen Wandel. Die Anfertigung neuer marmorner Stadtpläne, die Rom als urbanistisches Ganzes inszenieren, ist für die nachseverische Zeit nicht mehr nachweisbar. Die kaiserzeitlichen Pläne, insbesondere die Forma Urbis Severiana, mögen zwar noch lange Zeit sichtbar geblieben sein. Auf eine Aktualisierung der Pläne, etwa auf eine Verzeichnung der ab dem 4. Jahrhundert errichteten christlichen Kirchen, hat man aber verzichtet. Auch Staatsreliefs, die den Stadtraum als Handlungskulisse ausbreiten, finden sich in der Spätantike kaum noch in Rom. Die Mehrzahl der repräsentativen Reliefs stammt fortan aus anderen Reichsmetropolen, insbesondere aus Konstantinopel. Als Kulisse für kaiserliches Handeln wird auf diesen Darstellungen der vor Ort erfahrbare Stadtraum eingesetzt. Das letzte stadtrömische Monument, das den stadtrömischen Architekturraum als kaiserliche Handlungskulisse inszeniert, begegnet im Konstan-
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Zanker (Anm. 25); erneut H. Fragaki, Représentations architecturales de la peinture pompéienne, MEFRA 115, 2003, 231–294. bes. 278 (hier auch eine Skizze zur Forschungsgeschichte). Für Kaiserzeit und Spätantike lassen sich dennoch einzelne wenige Ausnahmen benennen, die sich zu dem skizzierten Rahmen in Beziehung setzen lassen. Wenn konkrete Städte im privaten Raum dargestellt werden, so greifen sie ausschließlich Orte auf, die dem allgemeinen Assoziationsrahmen von Luxuria und Amoenitas nicht zuwiderlaufen. Dies gilt insbesondere für die Städte am Golf von Neapel und in Ägypten, mit denen sich diese Vorstellung in geradezu topischer Weise verbindet – siehe A. Haug, Spätantike Stadtbilder. Ein Diskurs zwischen Topik und Spezifik, in: F. und T. Hölscher (Hrsg.), Römische Bilderwelten. Von der Wirklichkeit zum Bild und zurück. Kolloquium vom 15. bis 17. März 2004 am Deutschen Archäologischen Institut Rom (Heidelberg 2007) 217–249. In sehr wenigen Ausnahmefällen greift der private Raum eine öffentliche Form der Rhetorik auf, um die öffentliche Position des Hausherrn zu inszenieren, wie dies etwa in einem Mosaik in Antiochia greifbar wird.
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tinsbogen. Ein umlaufender Fries zeigt den Kriegszug Konstantins, der die Eroberung Italiens und damit zugleich die Erringung der Kaiserherrschaft zum Ziel hatte.28 In seiner Szenenabfolge orientiert er sich eng an kaiserzeitlichen Bildprogrammen. Auf den Auszug des Heeres (profectio) folgen eine Belagerung der Feinde (obsidio), ein proelium und schließlich die Rückkehr, der Einzug in Rom (ingressus). Während auf kaiserzeitlichen Monumenten mit diesem Zyklus ein Feldzug gegen äußere Feinde thematisiert wird, bezeichnen die Szenen auf dem Konstantinsbogen einen Bürgerkrieg.29 Die vier topisch überprägten Kriegsszenen führen den Betrachter auf die Hauptseite des Bogens, wo das Ende der Bürgerkriege thematisiert wird: eine Rede des Kaisers an das Volk und eine Geldverteilung. Beide Szenen haben ihren Ort in Rom. Die Oratio wird durch die Hintergrundarchitektur auf dem Forum Romanum lokalisiert (Abb. 4). Im Bildmittelpunkt steht der Kaiser auf der (westlichen) Rednerbühne (rostra), noch in Militärtracht gekleidet, und wendet sich an das Volk.30 Er ist umringt von Togati, die als Vertreter des Senats Zustimmung und Eintracht der Bürger mit dem Kaiserhaus zum Ausdruck bringen. Im Hintergrund erheben sich auf der Rednerbühne fünf hohe Säulen,31 die die Statuen der Genien der vier Tetrarchenkai28
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Die politischen Umstände dieser Zeit sind vielfach ausgeführt worden. Siehe zuletzt mit Blick auf den Bogen L. Giuliani, Des Siegers Ansprache an das Volk. Zur politischen Brisanz der Frieserzählung am Constantinsbogen, in: Ch. Neumeister – W. Raeck (Hrsg.), Rede und Redner. Bewertung und Darstellung in den antiken Kulturen, Kolloquium Frankfurt, 14.–16. Oktober 1998 (Möhnesee 2000) 269–287; eine ausführliche Besprechung des Bogens bei H. P. L’Orange – A. von Gerkan, Der spätantike Bildschmuck des Konstantinsbogens (Berlin 1939) 34–102. L’Orange – von Gerkan (Anm. 28) 41f.; zu den Abweichungen, die die Darstellung auf dem Konstantinsbogen gegenüber üblichen Schlachtenreliefs mit sich bringt, siehe zuletzt J. Engemann, Der Konstantinsbogen, in: A. Demandt – J. Engemann (Hrsg.), Konstantin der Grosse. Ausstellungskatalog Trier (Mainz 2007) 85–89. Von C. F. Giuliani – P. Verducchi, L’area centrale del Foro Romano (Florenz 1987) 148–163 ist auf der Ostseite ein weiteres Rednermonument diokletianischer Zeit identifiziert worden. Auch diese Rednerbühne könnte prinzipiell auf dem Relief des Konstantinsbogens dargestellt sein – so P. Liverani, Osservazioni sui rostri del Foro Romano in età tardoantica, in: A. Leone – D. Palombi – S. Walker (Hrsg.), Res bene gestae. Ricerche di sotria urbana su Roma antica in onore di Eva Margareta Steinby (Rom 2007) 169–193; kritisch allerdings Franz Alto Bauer, der m.E. zu Recht anmerkt, dass der Bogen rechts der Rednerbühne wohl kaum den Augustusbogen, sondern sehr viel wahrscheinlicher den Septimius-Severus-Bogen meint und damit wohl doch die westliche Rednertribüne dargestellt ist – siehe F. A. Bauer, Stadt ohne Kaiser. Rom im Zeitalter der Dyarchie und Tetrarchie (285–306 n. Chr.), in: Th. Fuhrer – U. Schmitzer (Hrsg.), Rom und Mailand in der Spätantike: Die Repräsentation des städtischen Raumes in Literatur, Architektur und Kunst. Tagung Berlin 7.–9. Mai 2009 (im Druck); zum Relief: G. M. Koeppel, Die historischen Reliefs der römischen Kaiserzeit VII. Der Bogen des Septimius Severus, die Decennalienbasis und der Konstantinsbogen, BJb 190, 1990, 1–64. bes. 56–60; Giuliani (Anm. 28) 270f. Mit dem im Bild dargestellten Monument konnten drei Inschriften-Sockel verbunden werden – die sog. Decennalienbasis (CIL VI, 1203) sowie zwei ähnliche, heute verlorene Inschriften (CIL VI, 1204–1205).
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Abb. 4 Relief mit Oratio-Szene vom Konstantinsbogen in Rom
ser und eine Iuppiterstatue getragen haben.32 Links der Rednerbühne schließen sich der Tiberiusbogen und die Basilica Iulia an, rechts davon der Septimius-Severus-Bogen. Die Monumente werden dabei mit ihrer korrekten Säulenzahl und Säulenordnung erfasst. Die detailreich charakterisierten Monumente verleihen der Situation Glaubwürdigkeit: Kaiserliches Handeln wird räumlich konkret. Durch die Einbindung des Geschehens in den traditionellen Stadtraum Roms stellt sich Konstantin in die Tradition seiner Vorgänger: Die Architekturen unterstreichen die Herrschaftskontinuität und Legitimität. Wie in der Kaiserzeit wird hier – ein letztes Mal – stadtrömische Architektur für eine machtpolitische Rhetorik instrumentalisiert. Man könnte versucht sein, das Fehlen von spätantiken Staatsreliefs in Rom dem Zufall zuzuschreiben. Zieht man jedoch spätantike Münzbilder hinzu, so ergibt sich ein anderes, überraschendes Bild. Die dichte Serie kaiserzeitlicher Architekturdarstellungen auf Münzen bricht am Übergang zur Spätantike abrupt ab. Maxentius zeigt noch einmal in der Tradition der Kaiserzeit den von ihm restaurierten Venus- und Roma-Tempel, der von der Beischrift CONSERVATOR VRBIS SVAE begleitet wird (Abb. 5).33 Konstantin greift dieses Münzbild auf einigen wenigen Prägungen nochmals auf – und verwendet dabei wiederum die Legende CONSERV VRB SVAE.34 Sicher geht es ihm nicht um eine visuelle Annäherung an seinen Konkurrenten Maxentius. Vielmehr erschien unter Konstantin offenbar gerade das Bild des RomaTempels geeignet, die Bewahrung der urbs aeterna ins Bild zu bringen. Die Nachfol32 33
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F. A. Bauer, Das Bild der Stadt Rom im Frühmittelalter (Wiesbaden 2004) 24. Maxentius AE Follis, verschiedene Prägestätten, z.B. RIC 116 (Aquileia); RIC 194a; 195; 208; 210 (Rom). Besonders bemerkenswert sind unter Maxentius Darstellungen fiktiver Bauten. Für aeternae memoriae Münzedition des Maxentius konnte gezeigt werden, dass der abgebildete Kuppelbau mit halb offenen Türen und Adlerbekrönung wohl kein konkretes Gebäude bezeichnet. E.A. Dumser, The aeternae memoriae coinage of Maxentius: an issue of symbolic content, in: L. Haselberger – J. Humphrey (Hrsg.), Imaging Ancient Rome. Documentation – Visualization – Imagination, JRA Suppl. 61 (Portsmouth 2006) 107–118. bes. 117f. Siehe die Prägungen Aquileia RIC VI, 117 und Ticinum 307–308 n. Chr. RIC VI, 93; in Anlehnung an die Conservator-Idee der Darstellung des Roma-Tempels die Darstellung von Carthago – RIC VI, 61.
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Abb. 5 Münze des Maxentius mit der Darstellung des Venus- und Roma-Tempels
ger Konstantins verzichten ganz auf die Repräsentation stadtrömischer Architekturen. Mit dem immer stärker wachsenden Einfluss des Christentums sind die Erwartungshaltungen der Reichsbevölkerung vielleicht so divergent geworden, dass die Darstellung eines einzelnen Monuments nicht mehr auf einen breiten Konsens gestoßen wäre. Dies bedeutet auch, dass die prominentesten kaiserlichen Bauprojekte des 4. und 5. Jahrhunderts – die Errichtung und Mitfinanzierung von Kirchen – nicht auf Münzbildern erscheinen. Die Repräsentation der Rom-Idee war damit in der Spätantike in ausschließlicher Weise auf die personifizierte Roma-Darstellung festgelegt. Auf Münzen wird dieses Sujet mit dem Beginn des 4. Jahrhunderts zu einem bevorzugten Bildthema – zahllose Prägungen zeigen auf der Vorderseite die Büste der Roma mit der Legende URBS ROMA. Für die Rückseiten dieser Prägungen wird besonders häufig das Bild der säugenden Zwillinge Romulus und Remus (Abb. 6), aber auch die Darstellung von Aeneas, Ascanius und Anchises, das Bild der thronenden Roma oder die Darstellung des von Victorien flankierten Kaisers gewählt.35 In all diesen Fällen wird das Bild der Roma mit der imperialen Herrschaft, aber auch mit dem Verweis auf die Traditionshaftigkeit der Stadt verbunden. Als öffentliches Medium fanden die Münzen wie schon in der Kaiserzeit reichsweite Verbreitung und propa35
Siehe im Überblick RIC VII und RIC VIII, Indices s. v. ‚Urbs Roma‘; J. P. C. Kent, Urbs Roma and Constantinopolis Medaillons at the Mint of Rome, in: R. A. G. Carson – C. M. Kraay (Hrsg.), Scripta nummaria romana. Essays presented to Humphrey Sutherland (London 1978) 105–113; (20. 06. 2007); Beispiele für die Rückseitenbilder aus den stadtrömischen Münzen: für die thronende Roma RIC VII, 341 Nr. 362; Kent (diese Anm.) Nr. 4; für die säugenden Zwillinge RIC VII, 334 Nr. 315–316; Kent Nr. 6; für Aeneas RIC VII, 334 Nr. 317; Kent Nr. 7; für das Bild des Kaisers RIC VII, 333 Nr. 307; Kent Nr. 5.
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Abb. 6 Münze des Maxentius mit Darstellung der Roma auf dem Avers und den säugenden Zwillingen Romulus und Remus auf dem Revers, Nikomedia
gierten die Rom-Idee bis an die Reichsgrenzen.36 Die Formulierung von Herrschaft, Macht und Prestige über das Bild der Roma wird in der Spätantike aber in besonderem Maße populär. So finden sich entsprechende Darstellungen in einem ausgesucht elitären Kontext, der sich in einigen wenigen Fällen auch näher bestimmen lässt.37 Der Festkalender des Jahres 354 n. Chr., der in einer barocken Kopie überliefert ist, wird durch eine Widmung einem gewissen Valentinus, einem Angehörigen der Senatsaristokratie, zugedacht.38 Auf den ersten vier Bildseiten werden die vier Personifikationen von Rom, Alexandria, Konstantinopel und Trier gezeigt, es folgen Seiten mit den Planeten- und Monatsbildern, den Abschluss des illustrierten Teils bilden die Darstellungen der Jahresconsuln – des Augustus Konstantius II. und des Caesar Gallus. Das Kalenderjahr ist damit schon in seiner Bebilderung eng in einen imperialen Kontext eingebunden. Michele Salzman hat darauf hingewiesen, dass dieser Bezug ikonographisch weiter verdichtet wird. Die thronende Roma ist mit einem Münzen streuenden Eros dargestellt, die stehende Constantinopolis mit einem geschlossenen Geldsack (Abb. 7a–b). Dieses
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Siehe hier AR siliqua, Treveri, Arles, Lugdunum, von Constantin III. (407–411 n. Chr.), vgl. RIC X, 349–350. 1525–1544, Taf. 45; LIMC VIII 1 (1997) s. v. ‚Roma‘ Nr. 111 (E. di Filippo Balestrazzi); vgl. auch AU Medaglion, Trier, Valens und Gratian, 375–378 – RIC IX, 21 Nr. 37–38; sowie AE follis, Rom, Constans II. und Nepotian, 350 n. Chr. – RIC VIII, 266 Nr. 201–203. Die nachfolgenden Überlegungen basieren teilweise auf G. Bühl, Constantinopolis und Roma: Stadtpersonifikationen der Spätantike (Kilchberg 1995), deren Interpretation einzelner Monumente allerdings nicht immer gefolgt wird. Insbesondere verzichtet diese aber nicht selten auf eine umfassendere historische Kontextualisierung. Der 1620 kopierte Kalender greift seinerseits auf eine karolingische Kopie zurück; siehe monographisch M. R. Salzman, On Roman Time: the codex-calendar of 354 and the rhythms of urban life in late antiquity (Berkeley 1990); ihr weitgehend folgend Bühl (Anm. 37) 80–106.
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7a: Blatt mit Darstellung der Roma
7b: Blatt mit Darstellung der Constantinopolis
7c: Blatt mit Darstellung des Augustus Konstantius II.
7d: Blatt mit Darstellung des Caesar Gallus
Abb. 7 Sog. Festkalender des Jahres 354 n. Chr. – Rom, Bibliotheca Vaticana, Codex Barb. lat. 2156
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Thema wird bei der Darstellung der Jahresconsuln (Abb. 7c–d) wieder aufgegriffen: Aus der Hand des thronenden Augustus Konstantius II. fallen Münzen, während dem stehenden Caesar ein Geldsack zu Füßen liegt. Damit dürfte entweder eine tatsächliche sparsio zum Jahresbeginn gemeint oder auf die allgemeine Mildtätigkeit und das Wohlleben von Stadt und Reich angespielt worden sein. Die Personifikationen sind in diesem Sinn unmittelbar auf das kaiserliche Handeln bezogen. In einem elitären Rahmen haben auch die vergoldeten Silberstatuetten von vier Stadtpersonifikationen ihre Funktion erfüllt, die im Jahr 1793 an den Hängen des Esquilin als Teil eines großen Silberschatzes gefunden worden waren (Taf. 10).39 Eindeutig benennen lässt sich aufgrund der Ikonographie allein Antiochia, die Benennung der Roma ist aufgrund des Helmes wenigstens plausibel, darüber hinaus mag es sich mit Constantinopolis und Alexandria um zwei weitere bedeutende Städte des Reiches handeln. Bereits Visconti hat darauf aufmerksam gemacht, dass das auf der Rückseite der Alexandria erhaltene Kettchen auf eine mobile Anbringung deutet. Die Blätter zu Füßen der Personifikationen sind beweglich, so dass auch das Trägerobjekt wohl beweglich war. Visconti vermutete daher mit guten Argumenten, dass die Personifikationen als Dekor für eine Gestatoria vorgesehen waren – einem Tragesessel, auf dem die Consuln getragen wurden und der als prunkvolles Möbel und Amtsinsignie gedient hätte.40 Schon aufgrund ihres aufwendigen Materials entstammen die silbernen Statuetten aber in jedem Fall einem elitären Kontext. Nun erscheint Roma sowohl im Kalendarium als auch als silbernes Schmuckelement nicht allein, sondern in Verbindung mit weiteren Städtepersonifikationen. Es handelt sich jeweils um besonders wichtige Städte des Reiches. Immer wenn eine kleine Gruppe von Stadtpersonifikationen zur Darstellung kommt, findet sich Roma unter ihnen. Schon daraus ergibt sich die besondere Bedeutung der alten Kapitale. Vielfach lässt sich auch Konstantinopel benennen, dessen politische Bedeutung im Lauf der Spätantike immer mehr zunahm, um schließlich Rom an die Seite treten zu können. Besonders häufig findet sich folglich die Verbindung von Roma mit Constantinopolis. In dem elfenbeinernen Diptychon, das sich heute in Wien befindet, begegnet wiederum ein Bildmedium, das auf eine besonders elitäre Nutzergruppe bezogen ist.41 Ein Gesetz des Jahres 384 n. Chr. (Cod. Theod. 15, 9, 1) verfügt, dass der Ge39
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Siehe die monographische Bearbeitung von K. J. Shelton, The Esquiline Treasure (London 1981); erneut besprochen bei K. S. Painter, Il tesoro dell’Esquilino, in: S. Ensoli – E. La Rocca (Hrsg.), Aurea Roma. Dalla città pagana alla città cristiana. Ausstellungskatalog Rom (Rom 2000) 140–146. Siehe E. Q. Visconti, Lettera su di una antica argenteria nuovamente scoperta in Roma (Rom 1793); in der Forschung zumeist akzeptiert; erneut ausführlich aufgegriffen bei Bühl (Anm. 37) 107–142. Wien, Kunsthistorisches Museum, aus der Zeit um 470 n. Chr.; dazu G. Bovini – L. Bona Ottolenghi (Hrsg.), Catalogo della mostra degli avori dell’alto medio evo (Ravenna 1956) Nr. 27 Abb. 41; siehe Ensoli – La Rocca (Anm. 39) 427f. Kat. 2.
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brauch solcher Objekte den Consuln vorbehalten sei.42 Üblicherweise wurden Diptychen von den hohen Amtsträgern für ihre Selbstdarstellung genutzt. Auf diesen politischen Geltungsbereich verweisen auch die Stadtpersonifikationen der Roma und Constantinopolis auf dem Wiener Diptychon.43 All diese Monumente und zahllose weitere Beispiele finden ihre Besitzer und Adressaten in den Oberschichten des Reiches, insbesondere im senatorischen Adel und im Umkreis des Kaiserhauses. Diese Kreise beziehen ihren Geltungsanspruch und ihre Legitimität über ihre Bezugnahme auf das ewige Rom. Die Eliten, die sich über diese Rhetorik in der Öffentlichkeit präsentieren, greifen die Thematik denn auch zur Ausgestaltung ihres privaten Lebensambientes auf. So ziert das Bild der Roma etwa einen Elfenbeinkamm (Athen, Benaki) oder den Boden eines Goldglases (Rom, Vatikan, Museo Sacro). Diese Vorliebe für das Thema der Stadtpersonifikationen bezeichnet die Erwartungen, die die Elite an diesen Bildinhalt stellt, aufs Beste: Sie dürfte ein besonderes Interesse an der Inszenierung der Beständigkeit von Rom als Hauptstadt des Imperiums gehabt haben.44 Der pagane Hintergrund des Tyche-Kultes dürfte in den aristokratischen Kreisen nicht gestört haben, im Gegenteil: Die Verbindung von Stadt und Kaisertum im Kult vermochte den Anspruch und die Legitimität des Kaiserhauses in besonderer Weise zu stützen. In diesem Sinne erscheint es denn auch nur konsequent, dass das Bild der paganen Roma in einem zunehmend christlichen Kontext an diese neue Situation angepasst werden konnte. Ab der Mitte des 4. Jahrhunderts kann Roma auf Münzen mit einem Globus erscheinen, der nicht mehr von einer Victoria, sondern von einem Christusmonogramm bekrönt ist. Roma übernimmt die Rolle der Garantin eines christlichen Imperiums.45 Bezeichnenderweise hat man auf eine solche Christianisierung aber zu-
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Ausnahmen bedurften wohl kaiserlicher Genehmigung; siehe R. Delbrueck, Die Consulardiptychen und verwandte Denkmäler (Berlin 1929); W. F. Volbach, Elfenbeinarbeiten der Spätantike und des frühen Mittelalters (Mainz 1976) bes. 22; zum Wiener Diptychon Nr. 38 Taf. 10; H. Beck – P. Bol (Hrsg.), Spätantike und frühes Christentum. Ausstellungskatalog Frankfurt (Frankfurt am Main 1983) 647–649. Besonders bedeutsam war in diesem Zusammenhang der Verweis auf die Stiftung von Spielen – siehe A. Cameron, Consular diptychs in their social context: new eastern evidence, JRA 11, 1998, bes. 399f. Das Thema wird nur in beschränktem Umfang in einfachen Medien rezipiert. Vereinzelt findet sich das Bild der Roma auf Terra sigillata – siehe Bad Deutsch-Altenburg, Mus. Carnuntinum 3393H, aus Carnuntum, um 400 n. Chr.; LIMC VIII 1 (1997) s. v. ‚Roma‘, Nr. 73 (E. di Filippo Balestrazzi). Für eine Darstellung auf dem Sarkophag in Tebessa ist zuletzt von Bühl (Anm. 37) 297–299 bezweifelt worden, dass es sich überhaupt um eine Roma-Darstellung handelt. Johannes Deckers hat darauf hingewiesen, dass diese Neuformulierung allein für das Rom-Bild und hier insbesondere in Münzbildern zu beobachten ist. Das erste Zeugnis einer solchen Neuformulierung stellt die Münzprägung des Nepotianus Mitte des 4. Jahrhunderts dar – siehe J. M. C. Toynbee, Roma and Constantinopolis in Late Antique Art from 312 to 365, JRS 37, 1947, 135–144. bes. 141; Deckers (Anm. 6) 305f.
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meist verzichtet. Bis in das 6. Jahrhundert war die Darstellung Roms damit auf ein allgemeingültiges, nicht explizit christliches Bild festgelegt, das die Vorstellung von Rom als traditionellen Mittelpunkt der römischen und der christlichen Welt aufrufen konnte.
Stadtvignetten als Aussageträger einer neuartigen Stadtvorstellung in der Spätantike Die Ausschließlichkeit mit der Rom in der Spätantike als Personifikation imaginiert wurde, erhält eine zusätzliche Signifikanz, wenn man die Darstellung anderer konkreter Städte zum Vergleich hinzuzieht. Im späteren 3. Jahrhundert treten in der Münzprägung erstmals Darstellungen von in Aufsicht gezeigten, befestigten Städten auf, die sich schnell zu einer topischen Darstellungsweise verfestigen sollten.46 Der Mauergürtel bestimmt die Stadtgestalt hier ganz wesentlich – die Vorstellungen von Stadt und Castrum überlagern sich. Häufig bleiben die Darstellungen wie auf einem Doppelsolidus von Konstantin (313–315 n. Chr.) aus Trier unbenannt,47 im Falle eines Bleimedaillons aus Lugdunum ist jedoch eine eindeutige Benennung gegeben: Dargestellt sind Mogontiacum und sein vorgelagertes Castrum Castel, für beide wird eine gleichartige Wiedergabe gewählt (Abb. 8).48 Für die Repräsentation von Städten war im späteren 3. Jahrhundert eine Formel gefunden, die Schutz und Sicherheit der Bewohner zum Thema machte. Schon frühzeitig im 4. Jahrhundert war es dann jedoch die Kirche, die den visuellen Topos der befestigten Stadt für sich entdeckte und zum Platzhalter für die Formulierung einer christlichen Weltsicht machte. Die zuvor unspezifischen Stadtvignetten konnten im christlichen Kontext auf konkrete Städte bezogen werden, die sich in besonderer Weise für die Artikulierung christlicher Vorstellungen eigneten. Dement-
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Republikanische Vorläufer sind Ausnahmen. Ein frühes Beispiel aus den Jahren 44–43 v. Chr. stellt die Münze des Servius Sulpicius Rufus dar. Der Revers zeigt einen städtischen Mauerring in Aufsicht; durch die Beischrift TUSCUL am zentralen Eingangstor ist die Darstellung eindeutig auf Tusculum bezogen; siehe E. Babelon, Monnaies de la République Romaine (London 1885) 475. Die ummauerte Festung trägt die Beischrift AVGG GLORIA. In der Forschung hat man sie häufig auf das Kastell Divitiae (Köln-Deutz) bezogen, das von Konstantin bei Köln errichtet worden war; M. Rosenbaum-Alföldi, Das Trierer Stadtbild auf Constantins Goldmultiplum, TrZ 54, 1991, bes. 242–248; zuletzt J. Engemann, Konstantin und das Heer, in: A. Demandt – J. Engemann (Hrsg.), Konstantin der Grosse. Ausstellungskatalog Trier (Mainz 2007) bes. 157. Mit einer Zusammenstellung der Münzbeispiele T. Bayet, L’iconologie des enceintes et des portes de camp sur les monnaies du Bas-Empire romain, RBelgNum 140, 1994, 5–17. bes. 7.
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Abb. 8 Bleimedaillon aus Lugdunum mit Darstellung von Mogontiacum und Castel
sprechend steht nicht Rom, sondern Jerusalem im Mittelpunkt der Bilderwelt. Im italischen Raum wurde Jerusalem in Verbindung mit Bethlehem im Laufe des 4. Jahrhunderts zu einem festen Bestandteil der Apsisprogramme.49 Ein gut erhaltenes Beispiel findet sich in S. Maria Maggiore (Rom) aus dem 5. Jahrhundert.50 Im untersten Register des vierzonigen Triumphbogenmosaiks sind zwei Städte dargestellt, die durch Beischriften als Jerusalem (links) und Bethlehem (rechts) identifiziert sind. Vor den Stadttoren haben sich jeweils sechs Lämmer versammelt (Taf. 11).51 Die Darstellung der beiden Städte orientiert sich am gängigen Topos der in Aufsicht gezeigten Stadt mit polygonalem – hier sechseckigem – Mauerring, der die Stadtgestalt wesentlich bestimmt. Jede Mauerecke ist durch einen schmalen Turm befestigt. Auf der dem Betrachter zugewandten Seite öffnet sich ein rundbogiges Stadttor. Von dem topischen Entwurf weichen die Darstellungen darin ab, dass Mauern und Türme beider Städte mit Edelsteinen geschmückt sind. Diese Differenzierung erklärt sich dadurch, dass mit der Angabe von Edelsteinen auf eine in der Offenbarung formulierte Vorstellung rekurriert wird. Das himmlische Jerusalem erscheint hier (Off. 21, 10–21) als eine Stadt, deren Mauern mit Edelsteinen besetzt sind. Der Edelsteinbesatz der Stadtmauern wird im Bild folglich zu einem Symbol für die himmlische Qualität der Stadtdarstellung. Doch legt man der Dar-
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In Rom: S. Sabina (422–440 n. Chr.), SS. Cosma e Damiano (6. Jahrhundert), S. Lorenzo fuori le mura / Basilica maior (579–590 n. Chr.), Baptisterium S. Giovanni in Laterano (Apsis 5. Jahrhundert; Triumphbogen 642–649 n. Chr.), S. Cecilia in Trastevere (9. Jahrhundert), S. Prassede (9. Jahrhundert) sowie S. Marco (9. Jahrhundert). In Ravenna: S. Vitale (geweiht 547 n. Chr.) und S. Apollinare in Classe (geweiht 549 n. Chr.; Mosaiken des Triumphbogens 7. Jahrhundert). Mit Abbildungsmaterial J. Wilpert – W. N. Schumacher, Die römischen Mosaiken der kirchlichen Bauten vom IV.-XIII. Jahrhundert (Freiburg 1976) Taf. 28–72. Nur für die Darstellung Jerusalems erhalten, aber für Bethlehem mit hoher Plausibilität zu ergänzen.
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stellung den Offenbarungstext als Leiterzählung zugrunde, so ergeben sich einige Differenzen. Zunächst ist das Merkmal der edelsteinbesetzten Mauern in der biblischen Vision allein Jerusalem vorbehalten – während die Vorstellung im Bildprogramm auch auf Bethlehem übertragen wird. Zudem imaginiert der Bibeltext das himmlische Jerusalem als quadratische Festung, die über zwölf Tore zu betreten sei. Im Mosaikbild hingegen wird für Jerusalem die topische Formel der sechseckigen Stadt mit einem einzigen, zentralen Toreingang gewählt. Ganz offensichtlich orientiert sich das Bild nur partiell an der apokalyptischen Vision und setzt durch die Abweichungen einen eigenen Akzent: Jerusalem und Bethlehem werden beide zugleich als Ausdruck einer himmlischen Verheißung ins Bild gesetzt, die ihre idealtypische Qualität durch ihre Orientierung an einer topischen Bildformel erhält. Beide Stadtvisionen werden durch eine städtische Innenbebauung ausgefüllt. Indem einzelne Gebäude mit Kreuzen markiert werden, sind hier offensichtlich Kirchen gemeint – Jerusalem und Bethlehem werden in dieser Weise zugleich als zeitgenössische christliche Städte vorgestellt. Mit den Darstellungen von Jerusalem und Bethlehem ist nur ein ikonographischer Kontext benannt, in dem konkrete Städte über ein architektonisch konkretes Stadtbild vorgeführt wurden. Bereits hier werden die Motivationen, die sich im christlichen Kontext mit der Formulierung von Stadtbildern verbindet, deutlich. Das Christentum dürfte ein verständliches Interesse daran gehabt haben, bei dieser Imagination auf eine pagan besetzte und durch die imperiale Rhetorik belegte Stadtpersonifikation zu verzichten. Statt dessen eignete sich die inhaltlich noch nicht fest konnotierte Formel der Stadtvignette auch aus inhaltlichen Gründen: Einerseits ließ sich über die Darstellung der befestigten Stadt die Vorstellung von Schutz und Sicherheit ihrer Bewohner insinuieren. Andererseits eignete sich dieser Topos auch für eine Spezifizierung der allgemeinen Stadtvorstellung. Dieser Ausblick auf die Visualisierung anderer Stadtbilder führt uns zurück auf einige resümierende Betrachtungen zum Stadtbild von Rom.
Zusammenfassung Es ist deutlich geworden, dass die Visualisierung von konkreten Städten schon in der Kaiserzeit, aber auch in der Spätantike ein Thema von unmittelbar öffentlich-politischer Bedeutung war. Eine Sonderstellung in diesem öffentlichen Diskursrahmen nahm dabei die Stadt Rom ein, die als Kapitale eines Weltreiches als Mittelpunkt des Weltgeschehens, und damit auch als eigentlicher Ort kaiserlichen Handelns gedacht wurde. Insbesondere auf Münzen und Staatsreliefs wurde kaiserliches Handeln nicht selten in Bezug auf den architektonisch konkreten Stadtraum inszeniert. Für die visuelle Konzeption der Rom-Idee als Reichsmittelpunkt wurde allerdings üblicherweise eine personifizierte Darstellung gewählt.
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Mit dem Übergang zur Spätantike hat man auf räumlich und historisch konkrete Evozierungen des Stadtbildes von Rom vollständig verzichtet. Eine visuelle Inszenierung der Baupolitik und damit auch der soziopolitischen Ausrichtung mag in diesem Horizont zu brisant geworden sein. So brauchte die veränderte Bau- und Religionspolitik der Kaiser, die in immer größerem Umfang den Kirchenbau förderten, nicht zu einem öffentlichen Thema gemacht zu werden. Im Gegenzug erlangt die Darstellung der Personifikation Roma umso größere Bedeutung. Das Konzept der aurea Roma und Roma aeterna war in Zeiten erheblicher politischer Umbrüche von großer Relevanz. Die politischen und militärischen Schwierigkeiten, die sich an den Grenzen des Reiches ergeben, aber auch die Verlagerung der kaiserlichen Regierungssitze, machen für die kaiserliche und senatorische Elite eine Inszenierung der Rom-Idee als Modus der Selbstvergewisserung geradezu zwingend. Für diese Rhetorik der Beständigkeit von Stadt und Reich eignete sich die Personifikation der Roma schon deshalb in besonderer Weise, weil sie schon in der Kaiserzeit in einen entsprechenden Argumentationsrahmen eingebunden war. Roma wird zur Garantin für Glück und Wohlleben eines auf Dauer gedachten Reiches. Zugleich war die Bildformel offen genug, um von den immer größeren christlichen Kreisen akzeptiert werden zu können. In Konkurrenz zu dieser ganz auf Rom ausgerichteten imperialen Rhetorik entwirft die Kirche ab dem 4. Jahrhundert jedoch eine andersartige Weltsicht. Aus christlicher Perspektive steht nicht Rom, sondern Jerusalem im Mittelpunkt des Heilsgeschehens. Und wiederum wird diese Vorstellung über Stadtbilder kommuniziert. Allerdings wird auf die Darstellung von Stadt-Personifikationen weitgehend verzichtet. Sie mögen zu sehr mit imperialen Konnotationen belegt und mit paganen Implikationen belastet gewesen sein.52 Statt dessen wird für die Vorführung einer idealtypischen christlichen Stadt der Topos der befestigten Stadt gewählt, der den neuen Aussageabsichten unmittelbar entgegenkam. Während im imperialen Kontext auf eine räumliche und zeitliche Konkretisierung explizit verzichtet werden sollte, um ein möglichst abstraktes Reden über Rom als das Zentrum der Welt zu ermöglichen, wählte die Kirche eine möglichst konkrete Darstellungsform, um das Stadtbild mit spezifisch christlichen Konnotationen anzureichern. Im Fall der Jerusalem-Darstellung wird in der Artikulierung des Stadtbildes konkret auf die Überlieferung der Offenbarung Bezug genommen. Die Vorführung eines christlichen, von Kirchenbauten geprägten Stadtbildes war in diesem Horizont keine Schwierigkeit, im Gegenteil: Die architektonisch christianisierte Stadt visualisierte in eindrücklicher Weise den Siegeszug des Christentums. 52
Dieser Aspekt ist in der Forschung besonders hervorgehoben worden, mag aber vielleicht nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Allerdings lassen sich Belege beibringen, die die eindeutig ablehnende Haltung der Kirchenväter gegenüber der Roma klar zum Ausdruck bringen. Hieronymus identifiziert das nomen blasphemiae der Apokalypse mit der Roma aeterna (Epist. 121, 11); Augustinus hat dem Gründungsmythos Roms den Kampf angesagt (De civ. Dei 2,29).
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Abb. 9 Bleisiegel Nikolaus II. mit der Darstellung Rom
Bis Rom als architektonischer Stadtraum, als Stadtvignette, imaginiert wurde, sollte es bis ins Mittelalter dauern. Ein Bleisiegel Nikolaus’ II. (1059–1061) (Abb. 9) und ein Denar Friedrichs I. (1152–1155) zeigen eine verkürzte Stadtansicht mit der Beischrift Roma bzw. Roma Caput Mundi.53 Stadtansichten Roms finden sich damit erst in einer Zeit, in der Rom von imperialer oder päpstlicher Seite als Mittelpunkt eines christlichen Imperiums inszeniert wurde.
Abbildungsnachweis Abb. 1: G. Koeppel, Die historischen Reliefs der römischen Kaiserzeit IV. Stadtrömische Denkmäler unbekannter Bauzugehörigkeit aus hadrianischer bis konstantinischer Zeit, BJb 186, 1986, 53 Abb. 29 Abb. 2: LIMC VIII 2 (1997) Taf. 696: Roma 11 Abb. 3: P. W. Lehmann, Roman Wall Paintings from Boscoreale in the Metropolitan Museum of Art (Cambridge 1953) Taf. 12 Abb. 4: S. Ensoli – E. La Rocca (Hrsg.), Aurea Roma. Dalla città pagana alla città cristiana. Ausstellungskatalog Rom (Rom 2000) Kat. 213 Abb. 5: (21. 06. 2010) Abb. 6: G. Bühl, Constantinopolis und Roma: Stadtpersonifikationen der Spätantike (Kilchberg 1995) 14 Abb. 3 Abb. 7: G. Bühl, Constantinopolis und Roma: Stadtpersonifikationen der Spätantike (Kilchberg 1995) 82 Abb. 47. 49. 56. 57 Abb. 8: T. Bayet, L’iconologie des enceintes et des portes de camp sur les monnaies du Bas-Empire romain, RBelgNum 140, 1994, Abb. 6 Abb. 9: J. Deckers, Tradition und Adaption. Bemerkungen zur Darstellung der christlichen Stadt, RM 95, 1988, Taf. 118 Abb. 5 53
Deckers (Anm. 6) Taf. 118, 5–6 – allerdings ohne den Hinweis, dass es sich um die ältesten Rom-Darstellungen dieser Art handelt. Die in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstandene Ebstorfer Weltkarte zeigt Rom ebenfalls als Architekturraum: Innerhalb eines Mauerrings finden sich verschiedene Gebäude, die durch Beischriften als Kirchen kenntlich werden. Siehe B. Hahn-Woernle, Die Ebstorfer Weltkarte (Stuttgart-Bad-Cannstatt o.J.) bes. 66f. Abb. 42.
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Tafelnachweis Taf. 10: S. Ensoli – E. La Rocca (Hrsg.), Aurea Roma. Dalla città pagana alla città cristiana. Ausstellungskatalog Rom (Rom 2000) 492 Kat. 114 Taf. 11: J. Wilpert – W. N. Schumacher, Die römischen Mosaiken der kirchlichen Bauten vom IV.-XIII. Jahrhundert (Freiburg 1976) 73
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Die Stadt Rom im Spiegel spätantiker und frühmittelalterlicher Beschreibungen Fr a n z A lto Bauer
Aus Anlass des 2000. Jahrestages der Geburt des Augustus veranstaltete man 1937 in Rom eine so genannte „Mostra Augustea della Romanità“, in der die zivilisatorischen Leistungen des Imperium Romanum an einer Vielzahl von Exponaten, darunter vor allem Gipsrekonstruktionen, zur Schau gestellt wurden.1 Im Zentrum der Ausstellung stand ein Modell der Stadt Rom, das der Architekt Italo Gismondi auf der Grundlage von Rodolfo Lancianis archäologischem Stadtplan und des severischen Marmorplans im Maßstab 1:250 anfertigte (Taf. 18b).2 Das berühmte Modell, das heute im Museo della Civiltà Romana im Stadtviertel Esposizione Universale di Roma (EUR), also dem geplanten Weltausstellungsgelände des Jahres 1942, gezeigt wird, gibt Rom zur Zeit Konstantins des Großen (306–337) wieder. Angeblich habe die Stadt zu dieser Zeit die größte Ausdehnung gehabt.3 Zugleich bildete die Regierungszeit des ersten christlichen Herrschers eine geeignete Obergrenze für die römische Antike, zu deren Glorifizierung die „Mostra Augustea della Romanità“ ja gedacht war. Der zeitlichen Eingrenzung der Stadtplastik entsprechend finden wir auch die wichtigsten innerstädtischen Bauprojekte Konstantins nachmodelliert, den 315 vollendeten Konstantinsbogen beim Kolosseum oder die auf dem Quirinal gelegenen Konstantinsthermen. Selbst bedeutende Bildwerke im öffentlichen Raum wurden nachgeformt, etwa der am Zuweg zum Severusbogen errichtete equus Constantii, also das Reiterstandbild Konstantius’ II., des Sohns Konstantins. Sucht man nun als weiteres innerstädtisches Bauprojekt die unmittelbar nach 312 begonnene Lateransbasilika im Südosten der Stadt, so wird man enttäuscht: Dort, wo der christliche Kultbau zu finden sein sollte, sieht man die castra equitum singu-
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Die folgenden Ausführungen gehen teilweise auf meine Habilitationsschrift „Das Bild der Stadt Rom im Frühmittelalter. Papststiftungen im Spiegel des Liber Pontificalis von Gregor III. bis zu Leo III.“ (Wiesbaden 2004) zurück, auf die in den Anmerkungen nicht mehr eigens hingewiesen wird. Hierzu ausführlich F. Scriba, Augustus im Schwarzhemd? Die Mostra Augustea della Romanità in Rom 1937/38 (Frankfurt am Main 1995). G. Q. Giglioli (Hrsg.), Mostra Augustea della Romanità. Catalogo 2(Rom 1938) 596–598 Nr. 60; Scriba (Anm. 1) 453f.; siehe hier auch die Beiträge Cain, Kockel, Altekamp und WulfRheidt. Mostra Augustea (Anm. 2) 596.
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larium, also die Kaserne der berittenen Gardetruppe des Maxentius, obwohl sie unmittelbar nach dem Einzug Konstantins abgerissen wurde – eben um der monumentalen Bischofskirche Roms Platz zu machen. Auch die um 320 begonnene Peterskirche am Abhang des nordwestlich der Stadt gelegenen Vatikans wurde nicht reproduziert. Statt dessen ist hier eine Rekonstruktion des neronischen Circus, des auf der Spina befindlichen Rundbaus und jener Nekropole zu sehen, in der sich das mutmaßliche Petrusgrab befand. Offenbar hatte man darauf verzichtet, Kirchen des frühen 4. Jahrhunderts in das Stadtmodell aufzunehmen, hatte man bewusst christliche Kultbauten aus diesem Panoptikum römischer Zivilisationsleistung ausgeblendet. Eine antikirchliche Haltung war dafür nicht verantwortlich, da dem frühen Christentum innerhalb der Ausstellung ein eigener Raum zugestanden wurde.4 Und dennoch: Hätte man auch die frühen Kirchenbauten im Stadtmodell reproduziert, so wären die Grenzen zwischen Antike und Mittelalter verschwommen, dann wäre eben jene Religion in dem Stadtmodell manifest geworden, die man unterschwellig für den Niedergang der antiken Kultur verantwortlich machte. Und so wurde ein Bild der Stadt Rom entworfen, das es zu keinem Zeitpunkt so gab, eine Stadt, die frei war von den Kirchenbauten Konstantins, die aber die Profanbauten dieses Kaisers sehr wohl besaß, da man Ehrenbogen und Thermen als notwendigen Bestandteil der antiken Stadt empfand. Ein ganz andersartiges Bild der Stadt Rom zeigte man im Jahre 1888 in München. Es handelte sich dabei um ein „Panorama von Rom mit dem Einzug Constantins im Jahre CCCXII“ – so der Titel –, für das eigens ein Bau mit einem überkuppelten, kreisrunden Innenraum von 35 m Durchmesser errichtet wurde. An der 15 m hohen umlaufenden Innenwand wurde eine Bildfolge befestigt, die, vom Zentrum des Raums betrachtet, dem Betrachter das Gefühl gab, angeblich vom Kapitol auf die Stadt zu blicken (Faltblatt 1).5 Rom war in diesem Panorama kein Exponat, das man von allen Seiten betrachten konnte; vielmehr umfing die Stadt nun den Besucher des Panoramas, umgab ihn mit der Illusion, sich in einer antiken Metropole zu befinden. Der Besucher des Panoramas tauchte für die Dauer seines Aufenthalts in die Vergangenheit ein, wurde zum Zeitzeugen eines bestimmten historischen Ereignisses. Ähnlich verfuhr Yadegar Asisi bei der Realisierung seines Rom-Panoramas im Panometer von Leipzig im Jahr 2005:6 Im Innern des einst als Gasometer genutzten Rundbaus wurde ein Gerüst mit einer zusammenhängenden Folge von Bildern überzogen, die eine Rundumansicht des alten Rom ergaben. Im Zentrum des Raums er-
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Mostra Augustea (Anm. 2) 328–361; Scriba (Anm. 1) 116–122. 427. J. Bühlmann, Rom mit dem Triumphzuge Constantins im Jahre 312. Abgekürzte Beschreibung des Rundgemäldes von Prof. Josef Bühlmann und Prof. Alexander von Wagner (München 1890); W. Schäche, Josef Bühlmann und Alexander von Wagner – die Schöpfer des Rom-Panoramas von 1888, in: Y. Asisi (Hrsg.), Rom CCCXII (Leipzig 2006) 15–26; siehe auch die Beiträge Cain und Kockel. Verschiedene Beiträge in: Asisi (Anm. 5).
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hob sich eine Plattform, die den Betrachter in die Lage versetzte, auf die Stadt Rom am 27. Oktober 312 zu blicken. Rom sollte nicht als steriles, menschenloses Bautenmeer gezeigt werden, sondern als Kulisse für einen pompösen Aufzug, der dem RomPanorama etwas Momenthaftes verlieh. Die Truppen Konstantins ziehen in das eroberte Rom ein, das Volk ist auf den Straßen. Großstadtlärm erfüllt den Raum, durch das langsame Absenken und Steigern der Beleuchtung wird der Ablauf eines Tages simuliert. Der Betrachter befindet sich in Rom. In diesen verschiedenen Arten von Rombildern unterstellte man der Stadt jeweils etwas, was man in ihr sehen wollte: das eine Mal einen bestimmten Tag in der Geschichte der Stadt Rom, in den man als Zuschauer eines kaiserlichen Einzugs eintaucht, das andere Mal einen konsultierbaren Beleg für die Größe römischer Kultur am Ausgang der Antike, in sich zeitlos, ohne dass sich der christliche Fortgang der Geschichte und damit der Niedergang Roms ankündigte. Entsprangen die illusionistischen Panoramen dem Wunsch nach einer momentanen Auskoppelung aus dem ‚Jetzt‘, nach einer Zeitreise in die Vergangenheit, so präsentiert sich das Stadtmodell Roms als analytisch erfassbares Exponat, als dauerhafte Maßgabe für die Erneuerung Italiens unter dem Faschismus. Je nach politischen Rahmenumständen, nach aktuellen Konzepten der Vergegenwärtigung, nach der Erwartungshaltung des Betrachters ändert sich das Bild der Stadt Rom. Und entsprechend muss man sich fragen, welche Bedürfnisse des vergangenen Betrachters sich in seinem Bild der Stadt Rom spiegelten. Welches Bild der Stadt legte sich also der Römer der Spätantike und des frühen Mittelalters zurecht?
Stadtpläne und -beschreibungen: von der Dokumentation zum Lob auf Rom Zur Zeit Konstantins des Großen kompilierte man zwei Stadtbeschreibungen, die „Notitia Urbis Romae“ und das „Curiosum Urbis Romae“.7 Beide Texte listen Region für Region die wichtigsten Baulichkeiten und Lokalitäten auf, gefolgt von einem Überblick über die Anzahl bestimmter öffentlicher Bautypen, aber auch Ämter. Es wird für jede Region die Anzahl der vici, der aediculae, der insulae und domus genannt, aber auch die Zahl der horrea, balnea, lacus und pistrina. Die Listen enden jeweils mit einer Angabe des Umfangs der einzelnen Regionen. Merkwürdigerweise nennen auch „Notitia“ bzw. „Curiosum“ zwar mehrere Profanbauten Konstantins, nicht aber die innerstädtische Lateransbasilika. Dies hat zur Vermutung geführt, man 7
A. Nordh, Libellus de regionibus urbis Romae (Lund 1949) 73–106; R. Valentini – G. Zucchetti, Codice topografico della città di Roma I (Rom 1940) 89–190; zuletzt R. Behrwald, Die Stadt als Museum? Die Wahrnehmung der Monumente Roms in der Spätantike. Klio Beih. 12 (Berlin 2009) 185–211 (mit von der bisherigen Forschung abweichender Datierung).
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habe in konstantinischer Zeit eine bestehende, ältere Liste um Bauten des regierenden Kaisers erweitert, die Kirchen aber weggelassen, weil die Kompilatoren heidnisch waren und jeden Hinweis auf den neuen Glauben tilgen wollten.8 Damit ist bereits die Frage nach dem Sinn und Zweck dieses Schriftstücks gestellt: Zunächst sah man in „Notitia“ und „Curiosum“ administrative Dokumente, die in einem Katasteramt Verwendung fanden.9 Andere sprachen den Listen auch einen propagandistischen und ideologischen Wert zu.10 Javier Arce hat vor wenigen Jahren gar die Ansicht vertreten, die Texte seien rein panegyrischer Natur.11 Er spricht den Zahlen jeden Realitätsgehalt ab, sieht sie als fiktiv an; ihre Funktion bestünde darin, auf pseudoobjektive Art und Weise den Bautenreichtum Roms zu rühmen. Damit trifft Arce die Intention dieser Texte sehr genau, doch müssen die Zahlen deswegen noch lange nicht fiktiv sein: Die Fußangaben am Ende der Auflistung oder die Angaben zum Umfang der Regionen, zur Anzahl der domus und insulae besitzen eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, sind also keinesfalls aus der Luft gegriffen. Vermutlich hatte man also ein älteres Dokument mit zunächst administrativem Zweck nachträglich in die uns vorliegende Liste umgewandelt, um Angaben zu einzelnen Monumenten ergänzt und so eine ‚Beschreibung‘ verfasst, die geeignet war, den potentiellen Leser zu beeindrucken. Es sollte der Bauten- und Statuenreichtum der Stadt verdeutlicht werden, sollte auf die Bevölkerungsdichte verwiesen werden, kurzum, es sollte allein durch die Fülle an Namen, Bauten, Bautypen und Ziffern ein staunenswertes Bild der Großstadt Rom entworfen werden. In seiner Intention nicht unähnlich ist der severische Marmorplan der Stadt Rom.12 Der ursprünglich ca. 13,00 × 18,10 m große Marmorplan scheint auf den ersten Blick einen getreuen Abriss des kaiserzeitlichen Rom darzustellen, präzise die Großstadtbebauung widerzuspiegeln (Abb. 1a-b). Und doch wurde der Plan nie in dieser Detailliertheit konsultiert. Der Plan war an der Rückwand eines Seitensaals des Frie8
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Vgl. etwa A. Piganiol, La propagande paienne à Rome sous le Bas-Empire, JSav 1945, 19–28. bes. 27. H. Jordan, Topographie der Stadt Rom im Alterthum II (Berlin 1871) 75–138 (mit Diskussion der älteren Literatur); R. Lanciani, Ricerche sulle XIV Regioni urbane, BCom 18, 1890, 115–137. bes. 125–127; Valentini – Zucchetti (Anm. 7) 67–69; C. Nicolet, L’inventaire du monde (Paris 1988) 212–213; ders., La Table d’Héraclée et les origines du cadastre romain, in: L’Urbs. Espace urbain et histoire. Actes du Colloque international, Rome, 8–12 mai 1985 (Rom 1987) 1–25. bes. 25; A. Chastagnol, Les régionnaires de Rome, Entretiens sur l’antiquité classique 42, 1996, 179–192. bes. 184–185. G. Hermansen, The Population of Imperial Rome: The Regionaries, Historia 27, 1978, 129–168, hier 134–137. J. Arce, El inventario de Roma: Curiosum y Notitia, in: W. V. Harris (Hrsg.), The Transformations of Urbs Roma in Late Antiquity, JRA Suppl. 33 (Portsmouth 1999) 15–22. Grundlegend: G. Carettoni – A. M. Colini – L. Cozza – G. Gatti (Hrsg.), La pianta marmorea di Roma (Rom 1960); E. Rodriguez-Almeida, Forma Urbis Marmorea. Aggiornamento generale 1980 (Rom 1981).
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densforums angebracht, wie aus dem Fundort der Fragmente sowie den noch heute erhaltenen Befestigungslöchern an eben dieser Wand hervorgeht. Der Betrachter mochte zwar auf den unteren Partien des Plans Einzelheiten erkannt haben, die oberen Partien aber verschwammen zu einem verwirrenden Gesamtbild von Grundrissen und Straßenzügen, die nur oberflächlich rezipiert werden konnten (Abb. 2). Es waren nicht die Detailinformationen, es war die Fülle an Details, welche die Wirkung dieses Plans ausmachte. So geizt der Plan mit weitergehenden Informationen: Die Inschriften nennen nur bedeutende Baulichkeiten; Hinweise auf Besitzverhältnisse fehlen völlig, ebenso auch Angaben der Regionengrenzen. Daher konnte die Forma Urbis Severiana kaum als Katasterplan oder Register für die kaiserliche Verwaltung dienen.13 Was aber kann dann der Zweck dieses monumentalen Marmorplans gewesen sein? Vergleicht man nun den severischen Marmorplan mit älteren Marmorplänen der Stadt Rom, so lässt sich eine ähnliche Entwicklung von der praktischen Anwendung zur panegyrischen Huldigung an Rom fassen. So folgt das Fragment eines im selben Maßstab ausgeführten Marmorplans, das 1983 in der Via Anicia in Trastevere gefunden wurde und Teil eines älteren Marmorplans ist, ganz anderen Darstellungskonventionen (Abb. 3a-b).14 Es zeigt im unteren Bereich eine gebrochene Linie und darüber, rechts, eine Umfriedung, bei der offenbar eine Art Pilaster- oder Halbsäulengliederung angegeben ist.15 Vielleicht handelt es sich um eine Tempelanlage.16 Weiter oben durchzieht eine weitere Linie die Tafel. Diese weist an ihrer Oberseite eine regelmäßige Folge von rechteckigen Eintragungen auf; an den Unterbrechungen der Linie können diese Eintragungen L-Form besitzen. Wenn die zungenförmigen Eintragungen in der Umfriedung rechts unten vorgelagerte Halbsäulen meinen, 13
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15 16
So etwa O. A. W. Dilke, Roman Large-scale Mapping in the Early Empire, in: J. B. Harley – D. Woodward (Hrsg.), The History of Cartography I: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval Europe and the Mediterranean (Chicago 1987) 212–233. bes. 227; G. Gatti, Data, scopo e precedenti della pianta, in: Carettoni – Colini – Cozza – Gatti (Anm. 12) 211–218. bes. 214–216. M. Conticello de’ Spagnolis, Il tempio dei Dioscuri nel Circo Flaminio. Lavori e Studi di Archeologia 4 (Rom 1984); F. Castagnoli, Un nuovo documento per la topografia di Roma antica, StRom 33, 1985, 205–211; E. Rodríguez-Almeida, Un frammento di una pianta marmorea di Roma, JRA 1, 1988, 120–131; F. Coarelli, Le plan de Via Anicia: un nouveau fragment de la Forma Marmorea de Rome, in: F. Hinard – M. Rovo (Hrsg.), Rome. L’espace urbain & ses représentations (Rom 1991) 65–81; E. Rodríguez-Almeida, Formae Urbis Antiquae. Le mappe marmoree di Roma tra la repubblica e Settimio Severo, CEFR 305 (Rom 2002) bes. 43–49; T. Najbjerg – J. Trimble, Ancient Maps and Mapping in and Around Rome, JRA 17, 2004, 577–583, hier 579–580; R. Meneghini – R. Santangeli Valenzani (Hrsg.), Formae Urbis Romae. Nuovi frammenti di piante marmoree dallo scavo die Fori Imperiali, BCom Suppl. 15 (Rom 2006) 26–27. Genaue Beschreibung bei Rodríguez-Almeida, Formae Urbis (Anm. 14) 44–47. Der Bau wurde von Rodríguez-Almeida, Formae Urbis (Anm. 14) 49 als statio alvei Tiberis identifiziert, von P. L. Tucci hingegen als ‚Museum‘, in dem das Schiff des Aeneas gezeigt wurde (P. L. Tucci, Dov’erano il tempio di Nettuno e la nave di Enea, BCom 98, 1997, 15–42).
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a: Marcellustheater und Porticus Octaviae Abb. 1a und b Rom, Kapitolinische Museen: Fragmente des severischen Marmorplans.
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b: nicht identifizierte Wohnbauten
dann liegt es nahe, in den rechteckigen Eintragungen Pfeiler und Eckpfeiler zu sehen. Das Ganze könnte dann eine Portikus sein, die sich nach Süden öffnet, also den rückwärtigen Tabernae vorgelagert ist. Die Knicklinie wäre also keine architektonische Begrenzung, sondern eine Art Grundstücksbegrenzung. Dafür sprechen auch die Zahlenangaben unter der Linie: Wir lesen 99, 6, 54 und 51. Das entspricht genau den Sektoren der Portikus: Bis zu dem Tordurchgang sehen wir den rechten Teil eines insgesamt 99 Fuß langen Abschnitts, der Durchgang selbst ist offenbar 6 Fuß breit. Von dort bis zum nächsten Knick sind es 54 Fuß, und von diesem Knick bis zum nächsten Durchgang 51 Fuß. Dann kommt ein längerer Abschnitt, dessen Längenangabe vermutlich außerhalb des Fragments gelegen war. Vergleichbare Längenangaben finden wir auch auf einem weiteren Planfragment, wo offenbar die Breite von tabernae angegeben war.17 Es könnte sich also bei den Angaben auf dem Planfrag17
So genannter Plan der Via della Polveriera: Rodríguez-Almeida, Formae Urbis (Anm. 14) 41–43; Meneghini – Santangeli Valenzani (Anm. 14) 27–28.
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Abb. 2 Anbringung des Severischen Marmorplans (Rekonstruktion nach H. v. Hesberg)
ment der Via Anicia um Besitzangaben handeln, die mit den rückwärtigen tabernae zu tun haben. Die Inschrift in den tabernae wiederum lässt uns wissen, dass die Besitzerin eine Gesellschaft unter der Leitung einer Cornelia war. Hinter den tabernae und verteilt auf Grundstücke, die durch schmale Gassen begrenzt werden, ist ein offenbar teilweise überdachtes Areal zu erkennen, dessen fragmentarische Beischrift keine Identifikation mehr erlaubt. Oben folgen weitere tabernae mit Portikus, deren Grundstück wieder exakt durch eine Linie zur Straße abgegrenzt ist. Rechts folgt ein querrechteckiger Bau mit Vorhalle und Freitreppe, der als Tempel des Castor und Pollux bezeichnet ist: Die Kultbildbasis ist eingetragen, ebenso die einzelnen Säulen, Treppenstufen und der vorgelagerte Altar. Die gebündelten Linien, die den Bau umziehen, markieren nicht nur das Grundstück, sondern, wie es scheint, auch das erhöhte Podium. Glücklicherweise haben sich, wie F. Castagnoli als Erster erkannte, Teile desselben Ausschnitts auch auf dem severischen Marmorplan erhalten, allerdings nur die taber-
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Abb. 3a und b Rom, Museo Nazionale Romano (Lapidarium): Fragment eines Marmorplans des 2. Jahrhunderts („Pianta di Via Anicia“) mit Grundriss des Dioskurentempels am Circus des Flaminius und benachbarter Bauten (Umzeichnung nach E. Rodríguez-Almeida)
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Abb. 4 Rom, Kapitolinische Museen: Fragmente 32 g, h und i des severischen Marmorplans mit Grundriss von tabernae und vorgelagerter Portikus
nae mit der vorgelagerten Portikus und ein kleiner Abschnitt des tempelartigen Baus in einer Umfriedung (Abb. 4).18 Vergleicht man beide Pläne, dann fällt auf, dass der severische Plan trotz gleichen Maßstabs viel ungenauer ist: Während der ältere Plan durchaus Auskunft über Größen- und bestehende Besitzverhältnisse geben konnte,19 sind auf der Forma Urbis Severiana die Umfriedungen nur summarisch eingezeichnet, wird auf architektonische Details und Längenangaben weitgehend verzichtet, bleiben die Besitzverhältnisse unklar.20 Eine Konsultation des severischen Plans im Detail machte keinen rechten Sinn; seine Wirkung und Aussage entfalteten sich in der Gesamtschau, in der optischen Erfassung der Summe stadtrömischer Bebau18
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Forma Urbis Severiana, Fragmente 32 g, h und i; Castagnoli (Anm. 14) 205–211, hier 209–211; Rodríguez-Almeida (Anm. 14) 120–131, hier 122–126; E. Rodríguez-Almeida, Forma Urbis Marmorea. Aggiornamento generale 1980 (Rom 1981) 116 mit Taf. 23–24; Rodríguez-Almeida, Formae Urbis (Anm. 14) 47. Es ist hier nicht der Ort, die komplexe Diskussion um die frühen Marmorpläne aufzugreifen. E. Rodríguez-Almeida zufolge gehen diese auf einen augusteischen Stadtplan zurück, der im Zuge der Regioneneinteilung und der administrativen Reform der Stadt entstand. Eine ausführliche und m.E. berechtigte Kritik an dieser Position bieten Najbjerg – Trimble (Anm. 14) 577–583. Vgl. Coarelli (Anm. 14) 65–81, hier 69; vgl. hierzu zuletzt T. Najbjerg – J. Trimble, The Severan Marble Plan since 1960, in: Meneghini – Santangeli Valenzani (Anm. 14) 75–101, hier 95–96.
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ung.21 Wie die spätantiken Stadtbeschreibungen ältere Schriftstücke rezipieren, so geht auch der severische Marmorplan auf ältere Stadtpläne zurück, vereinfacht sie aber, reduziert Detailinformationen zugunsten eines Panoramas der Bautenfülle. Dahinter verbirgt sich ein Lob auf die Stadt, deren zivilisatorische Höhe und Bedeutung beide Medien vor allem durch gebündelte Auflistung vermitteln wollen. Parallel zu dieser Panegyrisierung des Bilds der Stadt Rom findet ein allgemeiner Prozess der Abstrahierung statt, eine Definition der Bedeutung der Stadt Rom nach bestimmten Bauten- und Monumentenkategorien, die nicht mehr topografisch-geografisch organisiert, sondern listenförmig erfasst werden. Eine solche Liste ist der „Laterculus“ des Polemius Silvius aus der Mitte des 5. Jahrhunderts, der eine knappe Auflistung von Hügeln, Örtlichkeiten, Bauten, Wohnanlagen und Aquaedukten bietet und auf der Grundlage eines den Regionenverzeichnissen verwandten Dokuments entstanden sein dürfte.22 Abermals geht es um eine Darlegung der Bedeutung Roms am Beispiel der wichtigsten Toponyme, Bautenkategorien und Großbauten, wobei in enzyklopädischer Weise die für das Stadtbild Roms typischen Elemente systematisiert werden. Die Zahlen suggerieren in diesem nichttopografischen Zusammenhang nur mehr Pseudogenauigkeit. Und so werden sie gelegentlich auch durch „tot“ ersetzt, also: „so viele“. Eine weitere, wenn auch umfangreichere Liste muss im späten 6. Jahrhundert einem uns unbekannten Verfasser einer „Beschreibung Roms“ vorgelegen haben. Dieser Text wurde früher dem Bischof von Mytilene, Zacharias, zugeschrieben, hat sich aber als anonymes Werk des späten 6. Jahrhunderts erwiesen.23 Absicht des Verfassers war die Vergegenwärtigung der Schönheit, des Wohlstands und der Annehmlichkeiten, die Rom zu bieten hatte:24 „Die Erzählung über die Zierde der Stadt lautet wie
21
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Vgl. L. Taub, The Historical Function of the Forma Urbis, Imago Mundi 45, 1993, 9–19; F. Kolb, Rom. Die Geschichte der Stadt in der Antike (München 1995) 23–24; K. Brodersen, Terra Cognita. Studien zur römischen Raumerfassung (Hildesheim 1995) 236; Chr. Hänger, Die Welt im Kopf. Raumbilder und Strategie im Römischen Kaiserreich (Göttingen 2001) 40–41; H. v. Hesberg, Römische Grundrißpläne auf Marmor, in: Bauplanung und Bautheorie in der Antike. Kolloquium vom 16.11. bis 18. 11. 1983 in Berlin, Diskussionen zur archäologischen Bauforschung 4 (Berlin 1984) 120–133; D. W. Reynolds, Forma urbis Romae: the Severan marble plan and the urban form of ancient Rome (Ann Arbor 1996) 115–134; vgl. hierzu zuletzt T. Najbjerg – J. Trimble, The Severan Marble Plan since 1960, in: Meneghini – Santangeli Valenzani (Anm. 14) 75–101, hier 97–98. Ediert bei Th. Mommsen, Chronica Minora I, MGH AA IX (Hannover 1892) 545–546; Valentini – Zucchetti (Anm. 7) 305–310. Ediert bei Zacharias Rhetor, Hist. Eccl. (= CSCO Script. Syri 42), ed. E. W. Brooks (Löwen 1953) 131–134; Valentini – Zucchetti (Anm. 7) 320–334. I. Guidi, Il testo siriaco della descrizione di Roma nella storia attribuita a Zaccaria Retore, BCom 12, 1884, 218–238. Zacharias Rhetor, Hist. Eccl. 13126-1325 ed. Brooks (= Valentini – Zucchetti [Anm. 7] 330): Narratio autem ornamentorum urbis sermone succinto data ita se habet, de opulentia eorum et de felicitate eorum multa ac praestante, ex luxibus eorum et voluptatibus magnis et splendidis, ut
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folgt: nämlich der Reichtum der Römer, ihr großes und außerordentliches Glück, ihr Luxus und großes und vortreffliches Vergnügen, wie es einer großen und wundersamen Stadt eignet. Die Einzigartigkeit der Zierde der Stadt ist nämlich wie folgt, ohne daß die Schönheit im Inneren der Häuser und die Pracht der Säulen in ihren Atrien und Peristylen, ihrer Treppen und außerordentlichen Höhe eingerechnet sind, wie es sich gehört für eine Stadt von wundersamer Größe.“ Es ging also auch Pseudo-Zacharias nicht um eine Erfassung der Stadt unter administrativen Gesichtspunkten, sondern um eine Darlegung der Pracht und Annehmlichkeiten, die sich in der Fülle der Bauten und Monumente, vor allem aber Statuen äußern. Zugleich spielt nun auch die Stadtbefestigung eine Rolle: Auf die Nennung der 37 Stadttore Roms folgen eine fiktive Angabe des Durchmessers (12 Meilen) und des Umfangs der Stadt, der mit 217036 Fuß, angeblich 40 Meilen, viel zu hoch gegriffen ist. In der Vorstellung des Kompilators wurde Rom zum klar abgegrenzten Ganzen. In den Stadtbeschreibungen lag die Betonung zunächst auf den antiken Prachtbauten, heidnischen wie profanen Ursprungs, artikulierte sich gerade in diesen der urbane Charakter Roms. Erst nach und nach gewannen auch die Kirchen und christlichen Kultstätten an Bedeutung als Merkmale einer Metropolis und flossen in bestehende Listen ein. Die Liste des Pseudo-Zacharias nennt unmittelbar nach dem Vorwort „ecclesiae apostolorum beatorum ecclesiae catholicae XXIV“, also 24 katholische Kirchen der heiligen Apostel – eine Zahl, die nicht so recht zu erklären ist, am ehesten noch als Doppelung der Zwölfzahl der Apostel. Der Bautenpreis Roms wird also nicht mehr eingeleitet von den Monumenten der Vergangenheit, sondern von einem Verweis auf Kirchen, die in den älteren Kompendien geradezu unterdrückt zu sein scheinen. Welch tief greifender Wandel in der Wahrnehmung der Stadt mit der Einführung christlicher Verehrungsstätten in Rombeschreibungen einhergeht, beleuchtet die bereits erwähnte Liste des Polemius Silvius aus der Mitte des 5. Jahrhunderts. Hier wird gegen Ende der Liste jeweils die Anzahl der insulae, der öffentlichen Getreidespeicher und der Häuser der Aristokratie genannt. Dann folgt der Verweis auf die „fanorum aedis atque pestrina sive religiosa aedificia cum innumeris cellolis martyrum consecratis“ – also „die Göttertempel, Bäckereien und religiösen Bauten mit unzähligen den Märtyrern geweihten Räumen“. Hier geht es also nicht um die Kirchenbauten an sich, sondern bereits um die Bedeutung, die diese aus der Präsenz eines Märtyrers gewinnen. Damit verlagert sich die Bedeutung der Stadt Rom auf den Bereich vor den Mauern, da bis ins Frühmittelalter die Verehrungsstätten der Märtyrer an den Ausfallstraßen lagen, an den Orten ihrer Bestattung. Hier empfingen sie nicht nur die Verehrung der lokalen Bevölkerung, sondern auch einer wachsenden Zahl von Rompilgern, die für die Etablierung eines abstrakten, eher symbolhaften Bilds der Stadt Rom im Frühmittelalter entscheidend waren. in urbe magna mirae amplitudinis. Est vero praestantia ornatus eius ita, praeter pulcritudinem quae intra domos est, ei aedificationem amplam columnarum atriorum eorum ei villarum eorum, et scalarum eorum ei altitudinem eorum sublimem’ ut in urbe illa mirae amplitudinis.
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Desinteresse am Stadtinneren? Frühmittelalterliche Itinerare Das gewachsene Interesse an den vorstädtischen Märtyrerheiligtümern im Frühmittelalter ist Ursache für die Entstehung einer Gattung von Quellen, die oft als Itinerare, ja gar als Pilgerführer bezeichnet wurde und wird. Tatsächlich haben diese ‚Itinerare‘ nur selten einen praktischen Zweck; in der Regel handelt es sich um Verzeichnisse, die kaum topografische Informationen für auswärtige Besucher bieten. In den Jahren um 600 n. Chr. reiste im Auftrag der langobardischen Königin Theodelinde (589–626) ein Mönch namens Johannes nach Rom. Sein Auftrag war es, Reliquien der römischen Märtyrer nach Monza, der Hauptstadt des Langobardenreichs, zu bringen. An eine Translation von Primärreliquien war nicht zu denken, da man gerade in Rom die Intaktheit der Heiligenleiber besonders hoch veranschlagte. Also begnügte sich Johannes damit, den Lampen, die vor den Heiligengräbern brannten, Öl zu entnehmen und es als flüssige Kontaktreliquie in Glasflakons zu füllen.25 Authentiken bezeugten die Herkunft der Öle, zugleich fertigte Johannes eine Liste an, die sich bis heute erhalten hat, ein Verzeichnis mit dem Titel „Notula de olea sanctorum martyrum qui Romae in corpore requiescunt“, das nach Ausfallstraßen geordnet Heiligennamen aufführt (Abb. 5).26 Wenn so auch eine itinerarähnliche Auflistung entstand, so ist doch der Zweck dieses Dokuments zunächst ein anderer, nämlich der schriftliche Nachweis der Echtheit der mitgebrachten Öl-Reliquien. Und doch konnte auch dieser Text eine Vorstellung von ‚Rom‘ evozieren, indem er auf die Vielzahl der Heiligengräber und damit auf die Präsenz zahlreicher Heiliger vor den Mauern Roms verwies. Nicht nur waren Reliquien somit konstitutiv für die Vorstellung von der Stadt Rom im Frühmittelalter, auch konnten Verzeichnisse von Reliquien zu topografischen Listen werden, zu Rombeschreibungen. Eine solche topografische Liste war auch ein im 7. Jahrhundert entstandenes Verzeichnis mit dem Titel „de locis sanctis martyrum quae sunt foris civitatis Romae“.27 Das Itinerar nennt gegen den Uhrzeigersinn Ausfallstraße für Ausfallstraße die dort gelegenen Heiligtümer, beginnend mit der an der Via Cornelia gelegenen Peterskirche. Nur selten werden geografische
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27
A. Sepulcri, I Papiri della Basilica di Monza e le reliquie inviate da Roma, Archivio storico lombardo 30, 1903, 241–262; B. Kötting, Peregrinatio Religiosa (Münster 1950) 239–240; A. Lipinsky, Der Theodelindeschatz im Dom zu Monza, Das Münster 13, 1960, 146–173, hier 166–167; F. A. Bauer, in: G. Alteri (Hrsg.), Carlo Magno a Roma. Ausstellungskatalog Rom (Rom 2001) 130–131 Nr. 13. Ediert bei: R. Valentini – G. Zucchetti, Codice topografico della città di Roma II (Rom 1942) 36–47; Itineraria et alia geographica (= Corpus Christianorum 175), ed. F. Glorie (Turnhout 1965) 283–295. Ediert bei: Valentini – Zucchetti (Anm. 26) 101–131; Itineraria et alia geographica (Anm. 26) 313–322; H. Geertman, More veterum. Il Liber Pontificalis e gli edifici ecclesiastici di Roma nella tarda antichità e nell’alto medioevo. Archaeologica Traiectina 10 (Groningen 1975) 200–202.
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Abb. 5 Monza, Domschatz: Papyrus mit Verzeichnis von römischen Ölreliquien (um 600)
Angaben gemacht, die das Auffinden erleichterten, etwa die Angabe der Entfernung in Meilen von Rom. Außerdem bezieht dieses Itinerar weiter entfernte Pilgerziele mit ein, so etwa die am 13. Meilenstein der Via Cornelia gelegenen Gräber der hll. Maria, Marius, Abacuc und Audifax, die sieben Meilen entfernte Generosa-Katakombe an der Via Portuense oder die bei Albano gelegene Grabstätte des hl. Senator. Somit handelte es sich nicht um eine Orientierungshilfe vor Ort, sondern um den Versuch, möglichst viele Heilige nach einem topografischen Ordnungssystem anzuführen. Wie eine solche ausführliche Wegbeschreibung aussehen kann, zeigt uns die so genannte „Notitia Ecclesiarum Urbis Romae“, ein wohl gegen Ende des Pontifikats Honorius’ I. (625–638) abgefasstes Schriftstück.28 Der Name ist missverständlich, da mit Ausnahme der Kirche Ss. Giovanni e Paolo nur extraurbane Heiligtümer aufge28
Bauer (Anm. 25) 134–135 Nr. 15. Ediert bei Valentini – Zucchetti (Anm. 26) 72–94; Itineraria et alia geographica (Anm. 26) 303–311. Zur Datierung vgl. Valentini – Zucchetti (Anm. 26) 69–70 und Geertman (Anm. 27) 198–200 (Geertman vermutet eine Datierung des Texts nach dem Pontifikat Theodors I. [642–649], was m.E. wenig plausibel ist).
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listet sind. Offensichtlich ging es hauptsächlich darum, Grabstätten der Märtyrer zu benennen und sie mit Hilfe von Wegbeschreibungen topografisch zu verankern. Richtungsangaben helfen dem Pilger bei der Orientierung. Zudem werden die an den Ausfallstraßen gelegenen Martyria nicht nur schematisch aufgelistet, sondern auch Querverbindungen zwischen den Straßen genannt, die es dem Pilger ermöglichen, auf dem Hin- und Rückweg jeweils verschiedene Ziele anzusteuern.29 Wer die Notitia las, der erfuhr nichts über die Pracht antiker Bauten. Rom wird in dieser Beschreibung als Hort verehrter Märtyrer wahrgenommen, als Heil versprechendes Pilgerziel, das seine Bedeutung nicht mehr aus einer Fülle geschichtsträchtiger Großbauten bezieht, sondern aus der Gegenwart zahlloser Heiliger. Es ist, als würde das märtyrerlose Stadtinnere überhaupt nicht existieren, als spielte es in der Wahrnehmung des frühmittelalterlichen Rombesuchers, aber auch in dem Bild, das man sich fern von Rom von der Stadt machte, überhaupt keine Rolle mehr.
Rom über die Alpen tragen: Der Anonymus Einsidlensis Überlieferungsgeschichtliche Untersuchungen zeigen, dass diese Rombeschreibungen und Itinerare im Bereich nördlich der Alpen kursiert haben müssen, da zahlreiche Abschriften gerade in den karolingischen Skriptorien Mitteleuropas entstanden sind. Dies trifft auch für das bedeutendste Schriftstück dieser Art zu, den nach seinem heutigen Aufbewahrungsort so genannten Anonymus Einsidlensis (Abb. 6).30 Diese Handschrift entstand wohl kurz vor oder um 800 im Klosterskriptorium in Fulda;31 sie besteht aus drei Teilen: einer Inschriftensammlung, einem Itinerar und einer Beschreibung der Stadtmauern Roms. Besondere Aufmerksamkeit hat stets das Itinerar, eine Sammlung von zehn ‚Wegbeschreibungen‘ hervorgerufen. Ausgangs- und Zielpunkt des jeweiligen Wegs sind in roter Majuskelschrift über die gesamte Breite der Doppelseite geschrieben. Auf der 29
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Rekonstruktion der Wege auf der Grundlage der Notitia Ecclesiarum bei F. A. Bauer, Das Bild der Stadt Rom in karolingischer Zeit: Der Anonymus Einsidlensis, RömQSchr 92, 1997, 190–228, hier 217–218; V. Fiocchi Nicolai, Sacra Martyrum loca circuire: percorsi di visita di pellegrini nei santuari martiriali del suburbio Romano, in: L. Pani Ermini (Hrsg.), Christiana Loca. Lo spazio cristiano nella Roma del primo millennio (Rom 2000) 221–230, hier 224–229. C. Hülsen, La pianta di Roma dell’Anonimo Einsidlense, Dissertazioni della Pontificia Accademia Romana di Archeologia, ser. 2, 9 (Rom 1907) 379–424; G. Walser, Die Einsiedler Inschriftensammlung und der Pilgerführer durch Rom (Stuttgart 1987); Bauer (Anm. 29) passim; ders. (Anm. 25) 136–137 Nr. 16; R. Santangeli Valenzani, Le più antiche guide romane e l’Itinerario di Einsiedeln, in: M. d’Onofrio (Hrsg.), Romei e Giubilei. Il pellegrinaggio medievale a San Pietro, 350–1350 (Rom 1999) 195–198; ders., L’Itinerario di Einsiedeln, in: M. S. Arena (Hrsg.), Roma. Dall’antichità al medioevo – archeologia e storia (Mailand 2001) 154–157. Itinerar ediert bei: Valentini – Zucchetti (Anm. 26) 169–201; Itineraria et alia geographica (Anm. 26) 329–343. Zu Entstehungszeit und -ort siehe Walser (Anm. 30) 9.
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Abb. 6 Einsiedeln, Bibliothek der Benediktinerabtei: Cod. Einsidlensis 326, fol. 79 v – 80 r: Itinerar (um 800)
linken Seite folgen nun diejenigen Monumente, die sich links des Weges befanden, auf der rechten Seite diejenigen, die man rechts des Weges sah. Die Namen der Monumente, durch die der Weg hindurchführte, etwa Bögen oder das Forum Romanum, wurden über beide Spalten geschrieben. Gerade das Itinerar wurde immer wieder als Pilgerführer angesprochen, also als Wegbeschreibung für auswärtige Besucher, die vor Ort der Orientierung bedurften.32 Dem widerspricht allerdings, dass die ‚Wegbeschreibungen‘ mit einer Ausnahme nur innerstädtische Wege wiedergeben, obwohl die für die Pilger interessanten Ziele außerhalb der Stadtmauern gelegen waren – selbst die Peterskirche fehlt in diesem Itinerar. Als Pilgerführer konnte das Itinerar – jedenfalls in der uns vorliegenden Form – kaum gedient haben. Für einen Ortsunkundigen war es wertlos, da es die Kenntnis der Monumente voraussetzt. Und wer die Monumente kannte, dem bot das Itinerar keine weiteren Informationen. Doch sind die Wegbeschreibungen wahrscheinlich auf der Grundlage ausführlicherer Itinerare erstellt und erst in einem zweiten Redaktionsvorgang auf den innerstädtischen Raum beschränkt worden.33 Dafür spricht, dass die zugehörige In32
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So etwa zuletzt Walser (Anm. 30) 159: „Die Absicht ist, den fremden Pilgern die wichtigsten christlichen Kirchen und antiken Monumente vorzustellen und die Wege, die zu ihnen führen.“ So bereits Th. Mommsen, Epigraphische Analekten 13–17, Berichte der sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 2, 1850, 287–320, hier 288 (= ders., Gesammelte Schriften 8 [Berlin 1913] 64–107, hier 65); Bauer (Anm. 29) 204–205.
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schriftensammlung Epigramme aus dem Bereich innerhalb und außerhalb der Stadt wiedergibt. Diese Inschriften gehen mehrheitlich auf Bauinschriften paganer, profaner und christlicher Bauten zurück, doch wurden auch Inschriftenbasen und Grabsteine kopiert. Fund- und Anbringungsorte der Inschriften zeigen die Aufenthaltsorte des Kopisten: er besuchte die wichtigsten Attraktionen des frühmittelalterlichen Roms, zu denen neben den Martyria auch die antiken Bauten zählen. Das Interesse des karolingischen Rombesuchers richtete sich gleichermaßen auf die Heiligen wie auf die antiken Monumente. Gerade in der Kombination von Inschriftensammlung, in der die antike und christliche Geschichte Roms besonders anschaulich wurde, und Itinerar, das, in verkürzter und schematisierter Fassung, jeweils von den Stadttoren ausgehend diese Monumente in ein pseudotopografisches Raster zwang, wurde die Fülle antiker und christlicher Bauten evoziert. Das Schriftstück entwarf ein Bild der Stadt Rom, das gerade dem Romunkundigen eine Vorstellung von der Größe der Stadt, ihrer Monumentenfülle, den dortigen antiken Bauten und christlichen Heiligtümern vermittelte. Altertum und frühes Mittelalter wurden in diesem geschriebenen Bild der Stadt Rom zu einer Einheit verwoben, das päpstliche Rom, das sich in unzähligen Kirchenbauten manifestierte, mit dem antiken Rom der alten Prachtbauten verschmolzen. Hintergrund für das Kompilat des Anonymus Einsidlensis war eine erneute geistige Ausrichtung auf Rom, dessen Schutzpatronat die Karolingerkönige übernommen hatten: Seitdem blühte das Pilgerwesen erneut auf, seitdem lässt sich aber auch ein verstärktes Interesse an Ausdrucksformen der Antike und der Spätantike beobachten, sowohl im Bereich der Architektur als auch im Bereich der Kleinkunst.
Rom als Symbol Dieses auswärtige Interesse an Rom unter den Karolingern spiegelt sich in einer frühmittelalterlichen Darstellung der Roma: Es handelt sich um die sitzende Personifikation Roms mit Speer und Schild, die – ikonografisch einzigartig – eine Art Feder oder Strahlenkrone trägt, vermutlich ein missverstandener Helm mit Federbusch (Abb. 7). Die Darstellung findet sich in einer Gruppe von Kopien der „Notitia Urbis Romae“, die auf einen heute verlorenen Speyrer Kodex karolingischer Zeit zurückgeht.34 Die Bildüberschrift lautet: „Urbs quae aliquando desolata nunc clariosior piissimo imperio restaurata“ – „Die einst verfallene Stadt ist nun prachtvoller wiederhergestellt durch die fromme Herrschaft des Kaisers.“ Gemeint sein kann nur ein Karolingerkaiser, da sonst der Hinweis auf den Verfall keinen rechten Sinn machen würde. Was aber folgt als Nachweis dieser einleitenden ‚Behauptung‘ einer karolingischen Renovatio Roms? Eine spätantike Bauten- und Monumentenliste, die zum Zeitpunkt der 34
Th. Mommsen, MGH Chronica Minora I, MGH AA IX (Hannover 1892) 529; Hermansen (Anm. 10) hier 133–134.
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Abb. 7 Paris, Bibliothèque Nationale: Cod. Paris. Lat. 9661, fol. 1r (Titelbild der Descriptio Urbis Romae)
Abschrift fast ein halbes Jahrtausend alt war! Die „Notitia Urbis Romae“ war zum ‚Beleg‘ für die Erneuerung Roms in karolingischer Zeit geworden. Ein Beleg in unserem neuzeitlichen Sinne ist das freilich nicht. Und doch schien diese Liste in den Augen des karolingischen Kopisten geeignet, eine offenbar allgemein verbreitete Vorstellung von der Erneuerung Roms zu bestätigen. Im Denken des Frühmittelalters bestand kein Widerspruch zwischen der Behauptung einer karolingischen Erneuerung und einem spätantiken Beleg: denn das Regionenverzeichnis war ebensowenig wie die karolingischen Itinerare dazu gedacht, auf topografische Informationen hin analysiert zu werden. Die Abstrahierung und Symbolisierung Roms war damit abgeschlossen: Mit der geografischen Distanz der karolingischen Schreiber zur Stadt Rom wurde es in zunehmendem Maß irrelevant, wann eine Stadtbeschreibung Roms verfasst wurde – solange sie nur Rom preist.
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Abbildungsnachweis Abb. 1a: G. Carettoni – A. M. Colini – L. Cozza – G. Gatti, La pianta marmorea di Roma antica (Rom 1955) Taf. 29 Abb. 1b: G. Carettoni – A. M. Colini – L. Cozza – G. Gatti, La pianta marmorea di Roma antica (Rom 1955) Taf. 39 Abb. 2: H. v. Hesberg, in: Diskussionen zur archäologischen Bauforschung 4, 1984, 129 Abb. 6 Abb. 3a: E. Rodríguez-Almeida, Formae Urbis Antiquae. Le mappe marmoree di Roma tra la repubblica e Settimio Severo, CEFR 305 (Rom 2002) Taf. V Abb. 3b: E. Rodríguez-Almeida, Formae Urbis Antiquae. Le mappe marmoree di Roma tra la repubblica e Settimio Severo, CEFR 305 (Rom 2002) 45 Abb. 15 Abb. 4: (21. 06. 2010) Abb. 5: P. Styger, Römische Märtyrergrüfte (Berlin 1935) Taf. 64 Abb. 6: Verf. Abb. 7: Valentini – Zucchetti (Anm. 7) Taf. 4
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Das Interesse an Ruinen zwischen historischer Reflexion und identitätsstiftender Imagination
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Les ruines dans l’Antiquité classique1 A l a i n S ch n ap p
Egyptiens, Mésopotamiens, Chinois se réfèrent à un passé impérial, constitué par la succession des règnes, l’accumulation évidente des vestiges et la continuité des traditions écrites. Des millénaires durant les scribes ont pu déchiffrer les textes de leurs plus lointains prédécesseurs, ils ont pu garder avec les monuments des civilisations du passé un contact direct qui leur permettait de faire parler les choses, d’interpréter la fonction des monuments et d’en établir avec plus ou moins de sûreté la date de fondation. La pratique de l’écriture transmise d’une génération à l’autre est la marque de cette relation à l’antiquité, elle rend possible la constitution d’un savoir antiquaire qui est une nécessité dans le désir d’autopromotion, de justification et de permanence des pouvoirs. Les souverains proclament la stabilité de leur règne, la puissance de leurs armées, la connivence établie entre eux et leurs dieux. Ce faisant ils s’adressent autant au présent qu’au futur car ils savent que si imposants que soient leurs monuments, si vastes leurs palais, si solides leurs fortifications, un jour viendra où d’autres les occuperont, les réaménageront voir les détruiront. Ils le savent d’autant mieux qu’ils ont procédé à des degrés divers de la même manière avec leurs prédécesseurs. Puisqu’ils ne peuvent se prémunir complètement d’une telle issue il leur convient de négocier la trace qu’ils laisseront à leurs successeurs. Construire des monuments gigantesques, les parer avec les matériaux le plus raffinés n’est pas suffisant. Pour plus de sûreté il importe de frapper les imaginations: la pyramide, le «palais sans rival», la «grande muraille» sont chacune dans leur genre des constructions si imposantes qu’elles valent autant par l’ombre qu’elles produisent (au sens que Borgès donne à ce mot dans «la muraille et les livres»2) que par leurs qualités proprement architecturale. Ce type d’architecture a quelque chose de démesuré qui dépasse sa fin propre, il incarne une sorte de transgression qui constitue un outil de propagande autant qu’un instrument de 1
2
Ce texte constitue un chapitre d’une étude en cours sur l’histoire comparée des ruines. Ce travail doit beaucoup au recueil de Walter Cupperi – W. Cupperi (éd), Senso delle rovine e riuso dell’antico, AnnPisa 4, 2002 (Pisa 2004) ainsi qu’au colloque organisé par Marcello Barbanera – M. Barbanera (éd.), Relitti riletti. Metamorfosi delle rovine e identità culturale (Torino 2009). Une version un peu différente de cette essai est parue dans „Mazzo di fiori“. Festschrift Herbert Hoffmann (Wiesbaden 2010) 201–225. J. L. Borges, La muraille et les livres, dans: J. L. Borges, Œuvres complètes I (Paris 1993) 673–675; A. Schnapp, Between Antiquarians and Archeologists. Continuities and Ruptures, Antiquity 76, 2002, 134–140.
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mémoire. Le gigantisme, l’excellence et la démesure sont nécessaires à ce genre de projets ils ne peuvent cependant porter pleinement leur fruit que s’ils sont accompagnées par une mémoire plus exigeante encore qui est celle de l’écriture. A travers les inscriptions sur les murs, les tablettes ou les vases de bronze un discours est adressé aux siècles futurs car les souverains, leurs architectes et leurs artisans font encore plus confiance à la pérennité des écritures qu’à la solidité des murs qu’ils édifient. Les tablettes de brique crue des Mésopotamiens comme les inscriptions gravées sur les vases de bronze de la Chine ancienne, aussi dissemblables soient-elles, sont la preuve d’une volonté de transmettre au fil des générations des messages qui sont une part même de l’essence des monuments. Si les inscriptions sont perdues, si personne n’est plus capable de les déchiffrer les monuments ne sont plus des ruines, ils deviennent au sens de Benjamin Péret des «ruines de ruines»3 c’est-à-dire des objets dont ne sait ni interpréter la fonction ni l’âge. Ils témoignent dans l’espace d’une grandeur passée qu’il est impossible de comprendre. De ce point de vue il faut sans doute distinguer deux types de culture. Celles qui postulent une communication entre les générations dont l’écriture est le medium et celles qui ne peuvent compter qu’avec la transmission orale. Les grands empires de l’Orient ancien relèvent de la première modalité, les civilisations proto-historiques de l’Europe de la seconde.
Les monuments comme mémoire, la mémoire comme monument Les Grecs de la période archaïque occupent dans ce contexte une place un peu à part. Ils disposent certes d’une écriture alphabétique qui apparaît avec la naissance même de la cité au VIIIème siècle avant JC mais ils n’ont aucun moyen de déchiffrer les écritures dites «palatiales» pourtant utilisées en Crète et dans le Péloponnèse pendant plus d’un millénaire. Nous ne savons malheureusement rien des conceptions du passé chez les Minoens et les Mycéniens car ce qui nous reste de leurs tablettes ne nous apporte aucun élément précis sur ce genre de questions. Nous percevons cependant dès l’épopée homérique la prégnance dans la tradition poétique d’une civilisation palatiale bien différente de celle des proto-cités de la période dite des âges obscurs ou des premières cités de l’âge archaïque. Les Grecs ne se réfèrent pas comme les Egyptiens ou les Mésopotamiens à des dynasties et des états dont ils assument la continuité. Aussi vague que soit la figure des rois du passé, leur souvenir renvoie à une rupture, à un type de société qui a déjà disparu au moment où se développent le récit de la guerre de Troie. Chez Homère pas de ruines, le monde de l’épopée est encore trop neuf pour établir un lien avec le passé lointain. Pour les héros qui s’embarquent pour Troie le passé se limite à leur lignage le plus proche, aux rois et aux princes dont ils sont les fils et les petits-fils. L’Iliade n’offre pas de paysage de ruines, traces de palais 3
B. Péret, Ruines: ruines des ruines, dans: Œuvres complètes VII (Paris 1995) 841–843 (réedition de l’article paru dans: Minotaure 12/13, 1939, 57–63).
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immenses ou de temple monumentaux. Le passé s’incarne dans des sémata monuments funéraires qui sont l’apanage des héros et le lieu de leur mémoire. Le séma4c’est un signe, un signal, une trace qu’on peut reconnaître, c’est aussi un monument funéraire comme la tombe de Patrocle ou celle d’Elpénor.5 Ce genre de monument est l’une des marques de l’espace habité, le signe d’une continuité entre les hommes d’aujourd’hui et ceux d’hier. Le terma, la borne autour de laquelle doivent tourner les concurrents lors des jeux funéraires offerts à Patrocle est en même temps un séma, monument funéraire «d’un homme mort depuis longtemps ou une limite construite par des hommes du passé». La tombe du héros est la gage de sa renommée: kléos, elle est le signe, séma, qui permet aux hommes de se remémorer les exploits des héros du passé. La singularité du séma et d’être en même temps un mnéma un objet de mémoire: les héros de l’Iliade et de l’Odyssée portent peu d’intérêt au passé car ils sont eux-mêmes, du fait de leur rôle dans le récit, des sortes de fondateurs dont le kléos est porté par le poème. Dans la tradition grecque c’est la parole transmise d’un homme à l’autre qui établit le contact entre les générations et qui assure la mémoire des hauts faits des hommes du passé. Nul besoin de naru comme chez les Babyloniens, le chant des aèdes pieusement remémoré suffit à assurer l’efficacité du souvenir. Bien sûr les sémata et les mnémata jouent leur rôle dans un tel contexte mais le poète occupe la première place. Le barde égyptien voulait affirmer la pérennité de son chant face aux pyramides ellesmêmes. Le poète grec lui aussi énonce que ses vers sont plus solides et plus résistants que les constructions les plus parfaites. Jesper Svenbro a bien montré dans un livre classique6 le conflit de la «parole et du marbre» dans la tradition poétique grecque. Du riche dossier qu’il a rassemblé je retiendrai quelques exemples significatifs. Le plus achevé est sans doute offert par la VIème Pythique de Pindare: «Pour les Emménides (…) nous avons achevé de bâtir dans l’opulente vallée d’Apollon, un trésor des Hymnes qu’ils ont mérités par leur victoire pythique: ni la pluie d’hiver (…) ni le vent ne réussira à le détruire afin d’en emporter les débris (…) jusqu’aux abîmes de la mer: sa façade, illuminée d’une lumière pure proclamera (…) l’illustre victoir».7 Pour les Egyptiens le poème s’incarne dans une pyramide, pour les Grecs il est pareil à un thésauros c’est à dire une construction votive érigée avec soin et exposée dans le plus fameux des sanctuaires, celui de Delphes où ont précisément lieu les jeux pythiques. Le thésauros poétique est «construit» par le poète à la façon d’un monument, sa 4
5 6 7
Sur le mot séma voir le travail de G. Nagy, Séma and nó¯esis: Some Illustrations, Arethusa 16, 1983, 35–55. Hom. Il. 23, 45 et 11, 75. J. Svenbro, La Parole et le marbre. Aux origines de la poétique grecque (Lund 1976). Pindare, Pythiques 6, 5–18.
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force provient de son immatérialité, ni les intempéries, ni les vicissitudes diverses de l’histoire d’un sanctuaire ne peuvent l’atteindre. On ne peut ni voler, ni démonter, ni même brûler un poème. Comme instrument de mémoire le poème n’est pas seulement plus résistant il est plus visible et plus lumineux que la plus belle des façades: «Pour soutenir le portique bien bâti devant l’édifice, dressons des colonnes d’or comme si nous construisions un palais splendide. A l’œuvre qui s’élève il faut donner une façade qui brille au loin».8 La façade d’un bâtiment en grec c’est son visage, la face qu’il présente au visiteur et, par le choix de ses mots et de sa métrique, le poète est capable de dresser des colonnes d’or, celles là même qui ornent les palais des souverains. Le poème est un trésor et un palais. Il est aussi une stèle monument de souvenir et de mémoire: «Si tu me demandes de dresser pour ton oncle maternel, Calliclès, une stèle plus blanche que le marbre de Paros, sache que l’or qu’on passe au feu n’est qu’une splendeur fulgurante mais que l’hymne qui célèbre les grands exploits fait d’un simple mortel l’égal des rois».9 Le poème est un objet matériel construit, façonné, jointoyé et poli et le poète est le tektôn, le fabricant celui qui donne forme et contenu à cette matière aussi efficace qu’impalpable que sont les mots. Ces derniers ne sont pas seulement plus résistants que le marbre, ils peuvent être plus brillants que l’or. Pindare répond au souci de renommée qui obsède chacun de ses nobles et riches contemporains et ce faisant il retrouve le vocabulaire même des souverains égyptiens et mésopotamiens qui entendaient livrer bataille à l’érosion de la mémoire en recourant aux matériaux les plus nobles et les plus rares et aux artisans les plus doués. Il redécouvre la veine des poètes d’Egypte qui s’en prenaient, à leur manière, à la prétention des bâtisseurs et à la superbe des corps de métiers chargés de la décoration des palais, des tombes et des sanctuaires. Le poème est un objet d’un type particulier cependant, il ne peut être atteint par les intempéries ou détruit. Il vit sa propre vie nomade d’une bouche d’homme à l’autre. Aussi solide qu’un thésauros, aussi bien poli qu’une stèle, il n’est pas attaché comme eux à un lieu et un seul. Pindare se vante de n’être pas un sculpteur qui façonne des statues qui «restent inertes sur leur socle».10 La chanson du poète vole de bouche en bouche, elle embarque sur les vaisseaux qui s’en vont rejoindre les rivages les plus éloignés. Tant qu’il y aura des hommes avides de kléos il y aura des poèmes pour les chanter et préserver leur mémoire alors que les monuments sont toujours menacés:
8 9 10
Pindare, Olympiques 6, 1–4. Pindare, Néméeennes 4, 79–85. Pindare, Néméeennes 5, 1–2 et Pindare, Isthmiques 2, 45–46.
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«Même des mains d’hommes peuvent détruire un monument de marbre».11 On le voit pour les Grecs le rôle des poètes est décisif, ils sont les intermédiaires entre le temps présent et le futur, ceux dont l’art est absolument nécessaire pour assurer la mémoire des grands hommes. En cela, sous des formes qui leurs sont propres, ils partagent avec les bardes de l’Egypte ancienne la même foi dans la valeur de la transmission orale et les vertus de la parole. Le poème de Simonide dédié aux héros morts aux Thermopyles est sans doute l’un de ceux qui portent au paroxysme la métaphore du poème entendu comme une œuvre matérielle qui subsume tous les arts de la mémoire: «Leur tombe est un autel, au lieu de pleurs, souvenir, en guise de piété, louange un tel linceul ni la décrépitude ni le temps qui tout domine ne peut le noircir cette tombe des hommes courageux proclame la gloire de la Grèce comme celle de ses habitants».12 Tout comme Pindare Simonide transforme le monument en poème: quand le monument funéraire a été érigé, quand les rites ont été accomplis le temps se met à l’œuvre avec son cortège de vicissitudes, le poète dévoile alors un autre mnéma construit par des mots, un autel dédié au souvenir et à la louange, un objet immatériel qui échappe ainsi à la morsure du temps.
L’histoire et la mémoire Le contraste entre cette poétique et celle des Egyptiens tient à un point de vue différent. Les poètes de la Grèce ne se lamentent pas sur l’érosion des rites et la décrépitude des choses, ils les tiennent pour acquis. Certes les pluies et les vents peuvent défigurer la façade du thésauros, certes s’ils ne payent pas leur dû aux poètes, les vainqueurs des jeux sont menacés par l’oubli, mais les accents désolés qui dépeignent les monuments, les sépultures abandonnées, les rituels oubliés, bref le paysage des ruines sont absents de cette tradition. Alors même que la cité invente tout un cadre architectural et sculptural qui devient si nécessaire à sa vie même, les poètes proclament qu’ils sont de bien meilleurs artisans de la mémoire que leurs concurrents. La cité a besoin de temples, de thesauroi et de monuments funéraires mais ceux-ci sont des objets que l’on sait fragiles, promis à la décrépitude et à la ruine. Il faut un temps pour transformer les monuments en objets de mémoire alors que les poèmes pour être des mots de mémoire n’ont pas besoin de patine. Si l’écart entre les monuments et les mots et si fortement
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Simonide, Frag. 76/581, 5–6. Simonide dans: Diod. 11.11.6; voir le commentaire de D. Steiner, To Praise, Not to Bury: Simonides fr. 431P, ClQ 49, 1999, 383–395.
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revendiqué par les poètes se déploie avec tant d’emphase, c’est qu’ils tentent de lutter contre une certaine ambiguïté qui traverse, au Vème siècle, toute la relation des Grecs à leur passé. Car un genre nouveau s’affirme avec Hérodote, une esthétique et une politique de la mémoire qui a pour nom l’historié, l’enquête. On l’a vu les scribes des grands empires maîtrisaient les techniques d’exploration du passé, ils étaient habiles à critiquer, à classer et à interpréter les textes et monuments laissés par leur prédécesseurs parfois très lointains. Cela leur était possible car ils disposaient d’inscriptions qu’ils étaient capables de lire au fil des siècles, parfois même d’annales qui relataient les événements importants survenus au long des règnes successifs. A n’en pas douter, et suivant la définition d’Huizinga, il s’agissait d’histoire. Cependant avec Hérodote une manière différente d’explorer le passé apparaît brusquement. Hérodote revendique en premier lieu son autonomie, il ne parle ni au nom d’un roi, d’un prince ou d’un corps constitué mais il affirme d’emblée sa curiosité et sa volonté de témoigner des erga des œuvres des hommes pourvu qu’elles soient «grandes et merveilleuses». Le scribe décrit les exploits et vante les monuments de son maître et ceux-ci par définition ne peuvent être que courageux et splendides, l’historié, celui qui se revendique comme tel, entend parler des œuvres de tous les hommes quels qu’ils soient «Grecs et Barbares». Cette simple formule affirme dans un même élan l’indépendance de l’auteur et l’universalité de l’œuvre: deux principes mêmes du «métier d’historien». Si l’on en accepte les conséquences, la relation des hommes au passé ne sera plus jamais la même. L’enquête historique se dégage des hiérarchies pesantes, des traditions toutes faites, du contrôle des cours et des souverains pour fonder un savoir qui s’appuie sur des bases universelles, sur une critique qui s’émancipe de la tradition des scribes et de l’atmosphère confinée des chancelleries auliques. Cette révolution surgit non de l’accumulation du savoir, de la patience minutieuse du travail paléographique et diplomatique, au cœur de royaumes fiers de leurs palais, de leurs temples richissimes et de leurs nécropoles orgueilleuses mais dans le monde bien plus modeste des cités qui ne disposent ni des ressources inépuisables des états centralisés ni d’une administration forte de scribes par milliers. L’historié est une sorte de prise de parole du faible face au fort, de l’individu face aux appareils, de la curiosité face aux traditions. Non que les scribes n’aient pas été à leur manière des curieux, mais leur intérêt pour le passé était limité à la tradition de leurs souverains et de leur culture. D’emblée au contraire l’historié d’Hérodote se proclame autonome et universelle. «Les œuvres (erga) grandes et merveilleuses réalisées par les Grecs et les Barbares» s’inscrivent dans une tradition littéraire qui est celle de l’Iliade, de la mémoire et du kléos (renommée). Le sens du mot ergon (pluriel erga) dans ce passage a donné du fil à retordre aux historiens.13 Certains l’ont traduit par «monuments» entendant qu’il s’agissait des pyramides ou autres constructions emblématiques, d’autres ont préféré le terme «œuvres» qui recouvrirait autant des monuments que des actions humaines, 13
H. R. Immerwahr, History as a Monument in Herodotus and Thucydides, AJPh 81, 1969, 261–290, bes. 263.
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d’autres enfin s’en sont tenus au seul terme «accomplissements» dans le sens d’exploits guerriers. Malgré la difficulté il ne fait aucun doute que l’interprétation la plus large, la seconde, est la meilleure. La sémantique des erga tout comme celle des sémata ou des mnémata peut donc nous apprendre quelque chose sur les buts d’Hérodote et les rapports entre les conduites, les exploits des hommes et les monuments qu’ils ont construit. Erga peut renvoyer à des monuments: la tombe du souverain de Lydie et père de Crésus, Alyattés14 est considérée comme un ergon, comme le sont, au plus haut point les monuments de l’Egypte.15 Pour Hérodote les monuments sont comme de illustrations fidèles de leurs fondateurs, des objets qui méritent ainsi une place à part entière dans l’enquête. Tout comme les monuments, les actions des hommes si elles sont exemplaires sont des erga, la bataille de Salamine est un ergon. Il y a un rapport étroit entre ergon et mnêmosynon (l’objet de mémoire): «Les erga sont grands, ils éveillent le merveilleux, ils sont loués comme digne de citation ou de souvenir, ils sont «accessibles au public», ils «sont laissés en arrière», qu’ils soient concrets ou abstraits».16 L’historien doit sélectionner des erga qui sont le matériau brut de son récit. Il emprunte au vocabulaire homérique qui voyait dans les erga un objet d’art ou un événement digne de mémoire pour lui donner un champ d’application plus large. Pour Hérodote les monuments pourvu qu’ils soient beaux sont, comme les actions des hommes pourvu qu’elles soient nobles, des merveilles, des occasions de jouissance esthétique propices à marquer la mémoire et à donner au récit argumenté (apodeixis) son charme et sa puissance de conviction. Cela permet peut-être d’expliquer l’absence si manifeste des ruines (ereipia – ce qui est arasé) dans la langue et la poétique de l’âge classique en Grèce. L’historié réclame des exemples: «Voici pourquoi Hérodote souligne la préservation des monuments plus qu’il ne s’intéresse aux destructions: il s’émerveille de ce qui reste plutôt qu’il ne se lamente de ce qui est perdu».17 Cette conclusion incisive d’Immerwahr nous donne peut-être une clef de ce qui sépare la vision grecque des ruines de la vision orientale. Pour Hérodote les ruines ne sont pas des indices qui permettent une plongée dans le passé, des signes de messages cachés qui attendent dans le sol. Il n’y a pas en lui le souci méticuleux de l’antiquaire qui tente de remonter le temps. L’enquête (historié) s’appuie sur des témoignages, des traditions et l’œil de l’historien: il faut sélectionner ce qui est grand et admirable, monuments immenses, exploits vertigineux, défaites sans limites. Le récit qui est le produit de l’activité historique est un ensemble agencé avec art qui a une fonction expli14 15 16 17
Immerwahr (Anm. 13) 264; Hdt. 1, 93. Immerwahr (Anm. 13) 265; Hdt. 2, 35I. Immerwahr (Anm. 13) 268. Immerwahr (Anm. 13) 271.
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cative autant que narrative. Les scribes collectaient des statues, des inscriptions, ils composaient parfois des annales dédiées à l’activité de leurs souverains: leur récit tenait du catalogue des victoires ou des défaites, il était la marque d’une révélation consentie par les dieux au souverain. En s’affranchissant de la tutelle du roi ou du prince, Hérodote et les premiers historiens grecs font de la conduite des hommes et de leurs réalisations l’objet de l’histoire, les erga sont à la fois des monuments et des actions. Pas plus qu’elle ne se limite à des traditions dynastiques l’histoire ne se laisse enfermer dans une fonction purement mémoriale, l’historien comme l’aède sait que le kléos, la renommée est l’un des outils de la mémoire mais il pense plus loin et plus fort. Audelà des apparences et des contradictions il s’applique à dégager un sens et à expliquer les actions des hommes dans leur ensemble. Dans ce contexte, la discontinuité d’une génération à l’autre, le sentiment de l’impermanence des actions humaines sont en quelque sorte combattus par la pratique de l’historié. La naissance de l’historié coïncide avec un recul de l’antiquarisme au sens que donnait à cette pratique la tradition égyptienne et mésopotamienne. Hérodote cherche un moyen de conjurer le risque de l’oubli. Les erga qu’il entend recenser et expliquer sont un moyen de lutter contre l’évanescence des actions des hommes (ta genomena). «Ce qui est arrivé est arrivé» la mémoire peut faire défaut mais les événements ont bien eu lieu.18 C’est là que l’historien se distingue du poète, car le klèos est lui aussi dépendant du poète et de la tradition. En analysant les mots et les choses l’historien tente d’éviter la rupture entre les uns et les autres, car les monuments coupés d’une tradition écrite ou orale perdent de leur sens et la tradition séparée des monuments manque de sérieux, elle ne peut être établie avec vraisemblance. Hérodote construit son récit sur l’opposition entre le voir et l’entendre entre les choses et les mots. Il n’est pas plus compétent que ses prédécesseurs égyptiens et mésopotamiens mais il déplace en quelque sorte le problème. Pour les scribes – et en cela ils sont des antiquaires – toute information si minime soit-elle est bonne à prendre, tout texte ancien, tout objet ou monument constitue une source potentielle qui vaut pour elle-même. Hérodote établit une tension entre le voir – objets (y compris les inscriptions), monuments, paysages – et l’entendre – toute information recueillie par l’enquêteur. Cette opposition met de l’ordre dans la le recueil des données, elle inaugure une polarité interne, propre à l’historié entre le matériel et l’immatériel, entre les monuments et les mots. Elle explique sans doute pourquoi, à l’âge classique, les Grecs voient dans les monuments moins des ruines que des documents et des preuves de l’histoire. Les antiquaires étaient à la recherche de fragments, plus ils étaient mutilés plus ils avaient pour eux de valeur. Les inventeurs de l’historié s’inquiètent de l’intelligibilité des genomena, ils recherchent la totalité.
18
C. W. Hedrick, Thucydides and the Beginnings of Archaeology, dans: D. B. Small (éd.), Methods in the Mediterranean. Historical and Archaeological Views on Texts and Archaeology (Leiden 1995) 45–88, voir 58f.
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Thucydide tire les conséquences du programme d’Hérodote, plus qu’une narration son récit de la guerre du Péloponnèse est une réflexion d’ensemble sur la destinée d’Athènes et de la Grèce qui s’éloigne encore plus violemment de la tradition antiquaire pour construire ce qu’on pourrait appeler une «histoire problème». Un bon exemple nous est donné par ce qui se passe après la bataille d’Amphipolis, cité fondée par l’athénien Hagnon en 437/436.19 Ralliés à Sparte les habitants d’Amphipolis affrontent victorieusement les Athéniens sous la conduite du fameux général spartiate Brasidas en 422. Brasidas cependant meure au cours des opérations et les Amphipolitains organisent les obsèques du général vainqueur, lui consacrent un mnémeion et en font le fondateur de leur ville en détruisant toute trace des bâtiments précédents élevés par Hagnon. Thucydide décrit une sorte de damnatio memoriae. Ce ne sont pas des inscriptions qui sont arasées mais des monuments et des vestiges d’un passé très proche. A l’inverse des pratiques des souverains mésopotamiens qui pour assurer les fondations de leurs palais ou de leurs temples devaient découvrir les traces de leurs prédécesseurs, les habitants d’Amphipolis détruisent toute trace d’un passé dont ils savent pourtant l’origine puisqu’elle remonte à une vingtaine d’années seulement. Thucydide ne commente pas ce changement radical de tradition mais le message est clair cependant. La conjoncture politique et les événements (ta genomena) peuvent modifier les faits, les témoignages matériels les plus concrets peuvent être déformés voir même complètement oblitérés. Thucydide prend ses distances face à ses prédécesseurs et particulièrement Hérodote, son œuvre est composée comme un ensemble dont les qualités s’opposent à l’impermanence du discours et de l’oralité, il écrit non pour «être entendu dans l’instant» mais pour «laisser une œuvre dans la durée».20 Le mot ergon dans la langue de Thucydide a une signification différente de celle qu’il prend chez Hérodote. Ergon ici a valeur de fait, le terme «megalon ergon» ne signifie pas chez lui un une grande œuvre mais un grand trouble ou un événement important. Ergon devient un mot qui décrit des opérations militaires, jamais des constructions ou des monuments.21 Hormis dans ce qu’on appelle «l’archéologie». Thucydide ne fait que rarement allusion à un passé lointain. Les monuments ne sont pas entendus comme chez Hérodote en tant qu’illustration de la gloire d’une personne, ils sont la plupart du temps la preuve de la véracité de l’observation. Pour lui objets et monuments sont moins des signes de renommée que des confirmations des événements et des comportements mais ces preuves elles-mêmes ne sont pas univoques. En témoigne le passage le plus célèbre de sa réflexion sur le destin des états et des cités, comment l’œil de l’historien peut-il prendre la mesure du passé quand il observe le paysage de son temps?
19 20 21
Thucydide 5, 11, 1; voir Immerwahr (Anm. 13) 275. Thucydide 1, 22. Immerwahr (Anm. 13) 277.
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«Et sans doute, s’il est vrai que Mycènes ou telle ou telle place d’alors nous paraît peu importante, on ne saurait en tirer une indication sûre pour mettre en doute que l’expédition22 ait eu l’ampleur que lui donne les poètes et dont la tradition s’est maintenue. Supposons en effet que Sparte soit dévastée et qu’il subsiste seulement les tombes avec les fondations des édifices: après un long espace de temps sa puissance soulèverait, je crois, par rapport à son renom des doutes sérieux chez les générations futures. Pourtant les Lacédémoniens administrent les deux cinquièmes du Péloponnèse et ont l’hégémonie sur l’ensemble ainsi que sur de nombreux alliés au-dehors; mais malgré cela comme ils ont une ville qui n’a pas de centre ou d’édifices fastueux, mais qui se compose de villages indépendants, comme c’était autrefois l’usage en Grèce, leur puissance paraîtrait inférieure. Tandis que si le même sort frappait Athènes, on lui prêterait, d’après les apparences extérieures, une puissance double de la sienne. Il ne faut donc pas élever de doutes, ni s’arrêter à l’apparence des villes plutôt qu’à leur puissance; et il faut considérer que cette expédition (la guerre de Troie) fut plus importante que les précédentes, mais inférieures à celles de nos jours, si l’on veut encore ici ajouter foi aux poèmes d’Homère: sans doute il est vraisemblable qu’étant poète il l’a embellie pour la grandir, et même ainsi elle paraît inférieure».23 Ce passage a été considéré par bien des commentateurs comme le prodrome d’un raisonnement archéologique de type moderne qui ne s’en tient pas à l’aspect extérieur, à la symbolique des ruines mais qui au contraire tente de confronter la tradition et les vestiges. En fait la réflexion de Thucydide apparaît de prime abord plus comme une critique de la méthode d’Hérodote consistant à illustrer un raisonnement historique par la description d’un site ou d’un objet (ergon) que comme une apologie du recours aux monuments comme source de l’histoire. En fait Thucydide falsifie en quelque sorte les hypothèses de ses prédécesseurs, qui voient dans les monuments un instrument de la preuve, en ayant recours à une figure de rhétorique qui sera celle de la fin du XVIIIème siècle. Il imagine des cités aussi imposantes que Sparte ou Athènes devenues des ruines à la façon dont Hubert Robert figure le Louvre en ruines, il projette le présent dans un futur qui sous l’effet de catastrophes transforme le monument en vestige. Pour Thucydide cependant la ruine est seulement virtuelle, il s’agit d’une hypothèse d’école qui ne débouche pas sur une réflexion philosophique. Ce qui l’intéresse ce ne sont pas les monuments mais la validité du raisonnement, l’historien a pour tâche de critiquer les apparences, de découvrir sous la gangue des mots et des documents, la puissance des cités et des royaumes qui font l’histoire. Hérodote insistait sur le mot ergon le mot clef de la réflexion de Thucydide est ktéma. Son œuvre est un ktéma comme le poème de Pindare est un thésauros quelque chose de bien réel comme le sont les objets de la vie matérielle. Les objets et les mo22 23
L’expédition des Grecs à Troie. Thucydide 1, 10, 1–3.
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numents ont une valeur d’usage qu’il est possible de déterminer et de comprendre, mais ils possèdent aussi une valeur symbolique qui leur est attribuée par les coutumes et les traditions de la société. Les Spartiates ne sont pas moins puissants que les Athéniens parce qu’ils n’ont ni centre urbain, ni murailles, ils ont une puissance propre (dunamis) qui est mieux attestée par les mots que par les choses. L’opsis la vue, l’inspection des sites, le contrôle des monuments et des choses si chers à Hérodote peuvent être trompeuses.
L’observation du passé «L’archéologie» de Thucydide, il s’agit du titre donné à l’introduction à la guerre du Péloponnèse par les éditeurs, non du terme utilisé par l’auteur, est une réflexion sur l’histoire de la Grèce, un «discours sur les choses anciennes» dont les thèmes sont ceux du progrès de la civilisation. L’objet essentiel du propos de Thucydide est de dégager de grandes lois d’évolution qui permettent d’expliquer la continuité entre une histoire «ancienne» et une histoire «moderne» et finalement de montrer que les deux grandes raisons de la constitution d’un «empire» athénien sont la flotte et les murailles; les Athéniens sont les héritiers d’une tradition aussi ancienne que la «thalassocratie» crétoise. L’usage des monuments et des objets n’a pas pour but de ponctuer le discours historique comme chez Hérodote. Prenons l’exemple de la sépulture d’Alyattès considérée par Hérodote comme le signe de la grandeur des rois de Lydie. La tombe par sa munificence est la preuve de la richesse lydienne, le monument vient redoubler et conforter l’observation. Thucydide s’intéressait lui aussi aux vestiges funéraires mais d’une autre manière, en témoigne son observation sur une découverte faite à Délos, siège symbolique de la confédération athénienne en 426: «(Aux temps archaïques) la piraterie était le fait des insulaires, Cariens et Phéniciens, telle était en effet la population de la plupart des îles et voilà qui en témoigne: lors de la purification de Délos par les Athéniens au cours de la guerre qui nous occupe, quand on fit disparaître toutes les tombes qui se trouvaient dans l’île, on s’aperçut que plus de la moitié étaient des tombes cariennes grâce à la panoplie qui accompagnait les morts et au mode de sépulture qui est celui des Cariens d’aujourd’hui».24 La découverte des vestiges est liée à une opération cultuelle, la purification de Délos qui consiste à vider l’île de toutes les sépultures. Les tombes qu’on exhume sont différentes de celles des Grecs de l’époque tant par ce qu’elles contiennent que par le rite employé. Elles sont donc révélatrices d’un état de peuplement dont la tradition est l’écho: celle de la prédominance des Cariens et des Phéniciens. Nous savons au-
24
Thucydide 1, 8.
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jourd’hui qu’il s’agissait de tombes géométriques grecques mais les contemporains de Thucydide ne disposaient pas de moyens de les identifier. Ce qui constitue l’originalité de la réflexion tient à la méthode. Il n’y a pas que les mots qui transmettent des messages, les objets et leur disposition dans le sol sont la source de renseignements concrets qui permettent de vérifier un épisode historique. Les objets ne sont pas que des signes de puissance, de rareté ou de pauvreté ils sont des sources d’information à part entière pour qui sait ne pas se laisser troubler par les apparences. Pour Thucydide objets et monuments sont certes des vestiges de l’activité de héros ou de souverains, mais ils sont aussi des instruments qu’il faut certes manier avec précaution et qui révèlent un contexte historique, des migrations ou des transferts de population. Hérodote participe d’un modèle archaïque qui établit une relation entre monumentalité et pouvoir. Thucydide cherche à distinguer des causes, à établir des faits dans un contexte d’histoire rationnelle qui tend à identifier le moteur des événements historiques, les dynamiques de pouvoir bref à jeter les bases d’une histoire évolutionniste des sociétés. Sa relation aux vestiges du passé est plus intellectuelle, plus analytique que celle d’Hérodote et de ce fait il est moins réceptif à une poétique des monuments que son prédécesseur. Hérodote privilégie l’oralité, il est en quelque manière un conteur qui donne toute leur place aux «merveilles». Thucydide ne connaît que la froide relation des causes aux effets: Athènes se confond avec ses fortifications (les longs murs) et la flotte, tant qu’elle est capable de s’appuyer sur eux, elle conserve son autonomie. Si elle vient à les perdre, les plus beaux monuments n’y feront rien. C’est la leçon de Périclès dans son fameux discours qui est aussi une réflexion sur la mémoire, le rapport des mots et des choses: «car la terre entière est la tombe des hommes de renom».25 Le monument est ce qui remémore le kléos des grands hommes, le discours de Périclès comme le poème de Pindare ou de Simonide sont à la fois matériels et immatériels, une tombe et un souvenir, une pierre inscrite et une parole qui traversent l’épaisseur de la mémoire. Dans la tradition grecque la tension entre la mémoire comme monument et la mémoire comme composition poétique est peu favorable à l’émergence d’une poétique des ruines. Les Grecs de l’âge archaïque et classique ont une vision utilitaire des vestiges du passé en tant que témoignage des héros, des souverains, voire même comme on l’a vu chez Thucydide des migrations de population. Pour les Grecs comme pour les Mésopotamiens, les vestiges du passé peuvent néanmoins être des outils de propagande ou des instruments de pouvoir. La damnatio memoriae d’Hagnon à Amphipolis relève de ce genre.26 Détruire des vestiges pour donner à une cité une nouvelle identité historique est une chose, s’assurer de la complicité du passé pour vaincre un ennemi en est une autre. Chez les Mésopotamiens on l’a vu, on déportait les statues des dieux des vaincus, les Grecs eux tentaient de s’approprier les restes des héros de l’épopée ou de la mythologie. Hérodote raconte ainsi l’histoire d’un certain Lichas qui dé25 26
Thucydide 2, 43. Thucydide 5, 11, 1 et Immerwahr (Anm. 13) 275.
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couvrit les ossements d’Oreste le fils d’Agamemnon. Lors d’une guerre entre les Spartiates et les Tégéens, la Pythie de Delphes consultée par les Lacédémoniens rend un oracle obscur comme à l’accoutumée. Elle leur suggère d’enterrer les restes d’Oreste dont elle indique l’emplacement par la formule suivante: «Il est en Arcadie dans un lieu uni une ville de Tégée, Là deux vents soufflent sous la contrainte de la puissante nécessité, Le coup répond au coup et le mal est placé sur le mal, C’est là que la terre qui donne la vie recèle le corps du fils d’Agamemnon, Quand tu l’auras apporté chez toi, tu seras le protecteur de Tégée».27 Munis de ces indications approximatives les Lacédémoniens malgré de constantes recherches n’arrivent à rien. Lichas a alors l’idée de se rendre à Tégée et là dans une forge il apprend du forgeron qu’en creusant pour construire un puits ce dernier découvrit les restes du corps d’un homme gigantesque: «Je suis tombé en fouillant sur un cercueil de sept coudées, ne croyant pas qu’il ait jamais existé des hommes plus grands que les hommes d’aujourd’hui, je l’ouvris et je vis que le mort était de la même longueur que le cercueil; je le mesurai et l’enfouis à nouveau».28 Le forgeron tient un discours sensé, il est surpris par le cercueil et par la taille du défunt mais il n’en tire aucune conséquence. Lichas lui s’empresse de mettre en rapport cette étrange découverte avec l’oracle: «Voici comment il formait sa conjecture: dans les deux soufflets de la forge qu’il avait sous les yeux il découvrait les vents, dans le marteau et l’enclume, le coup et le contrecoup, dans le fer qu’on battait, le mal placé sur le mal, les assimilant en vertu de quelque raison de ce genre, que le fer a été découvert pour le malheur des hommes. Ayant formé ces conjectures, il retourna à Sparte et exposa aux Lacédémoniens toute l’affaire. Ceux-ci, sous un prétexte feint, lui intentèrent une accusation et le bannirent. Il revint à Tégée, fit au forgeron le récit de son infortune et essaya de lui louer sa cour; le forgeron n’y consentait pas; avec le temps Lichas le décida, s’installa dans la maison, déterra le cercueil, rassembla les ossements et partit pour Sparte avec eux». Comme Hordjedef ou d’autres serviteurs des pharaons égyptiens Lichas est accompagné par une force qui lui donne l’occasion de la découverte. Le forgeron et les autres habitants de Tégée n’avaient rien vu dans ces ossements de grande taille sinon une sorte de phénomène inexpliqué. Lichas est un exégète rompu aux subtiles et confondantes suggestions de l’oracle delphique. Il n’est pas servi par quelque signe prémonitoire comme ses homologues d’Egypte, il fait juste usage de sa faculté d’observation 27 28
Hérodote 1, 68. Hérodote 1, 68.
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et de son entraînement à l’interprétation sophistiquée de l’oracle. Les dieux de la Grèce ne prennent pas les hommes pour confidents, ils ne leur découvrent pas des vérités cachées qui leur ouvrent les portes des secrets du passé. Ils se contentent de leur adresser des messages cryptés que seuls des clercs habiles aux techniques de l’exégétique sont capables d’interpréter. Lichas est tour à tour un espion, un initié, et un combattant. Le récit d’Hérodote est un subtil mélange de merveilleux, de mythologie et d’action. Au bout du compte les Spartiates l’emportent sur les Tégéates parce qu’ils ont su se ménager le dieu et qu’ils disposent d’un interprète éclairé du message de la pythie. Le recueil des ossements d’Oreste est une opération politique et religieuse bien plus que l’expression d’une curiosité antiquaire pour les hommes du passé. L’aventure de la découverte et de l’exploitation des restes d’Oreste n’est pas un fait isolé. Elle est une constante depuis l’âge classique d’une stratégie de mise en relation du passé et du présent qui n’est pas étrangère dans sa logique première au souci des Egyptiens et de Mésopotamiens de découvrir des reliques. La redécouverte des traces des héros est pour les Grecs ce que sont les rouleaux de papyrus des Egyptiens ou les tablettes des Mésopotamiens, elle participe d’un même désir de rendre le passé concret, de lui donner une épaisseur de réel. La différence tient cependant à un obstacle majeur les Grecs n’ont aucun moyen de déchiffrer les écritures anciennes qu’ils peuvent découvrir dans des tombeaux ou dans des habitats de leurs prédécesseurs. Le fameux général spartiate Agésilas fit ainsi fouiller à Haliarte un tumulus qui était supposé être la tombe d’Alcmène la mère d’Héraklès, Plutarque relate ainsi l’aventure: «Tu arrives bien à propos, lui fit Théokritos, et comme par un fait exprès, car je voulais apprendre ce qu’on avait trouvé dans le tombeau d’Alcmène et quel aspect il offrait lorsqu’on l’ouvrit dans votre pays – à condition, bien sûr, que tu aies été personnellement présent lorsque les restes d’Alcmène furent transportés à Sparte sur l’ordre d’Agésilas. Je n’y étais pas, dit Phidolaos; et je n’ai pas caché ma profonde indignation et ma colère à mes concitoyens, mais ils ne me secondèrent pas. Quoi qu’il en soit, on ne trouva dans le monument, au lieu du corps d’Alcmène, qu’une pierre, un bracelet en bronze de taille moyenne et deux amphores d’argile contenant de la terre qui, avec le temps, s’était pétrifiée et formait une masse compacte: devant le monument, cependant, il y avait une tablette de bronze portant une longue inscription en caractères étranges et très anciens, car on en pouvait rien en déchiffrer, quoiqu’ils apparussent très clairement une fois qu’on eut nettoyé le bronze; la forme en était singulière, étrange et fort semblable à celle des caractères égyptiens. Aussi Agésilas, dit-on, en envoya-t-il une copie au pharaon, en le priant de la montrer aux prêtres pour voir s’ils la comprendraient».29
29
Plutarque, Moralia 578A.
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L’objectif du général est bien de transférer à Sparte la dépouille prestigieuse de la mère du plus célèbre héros de la Grèce mais le recours à l’excavation ne fait guère l’objet d’un consensus soit des habitants de la ville d’Haliarte en Béotie, soit de ceux des Spartiates qui entendent respecter les sépultures. En lieu du corps de la mère du héros les fouilleurs ne découvrent cependant qu’une modeste déposition funéraire composée d’objets quelconques. En fait la trouvaille la plus intéressante est constituée par l’inscription. Celle-ci, probablement inscrite en syllabaire mycénien ne pouvait rien signifier pour Agésilas. La décision de faire appel à un scribe égyptien paraît alors parfaitement rationnelle. Plutarque cependant remarque que cela donna bien du mal au savant prêtre qui «pendant trois jours collationna toutes sortes de caractères dans de vieux livres». Malgré son érudition le scribe égyptien n’obtint pas grand chose et le vague message qu’il prétendit avoir lu était si général qu’il ne pouvait donner lieu à contestation. «Instituer des concours à l’honneur des muses» semble sonner comme un clin d’œil érudit: puisque vous honorez le passé, commémorez cette découverte par un culte dédié aux divinités du savoir. Alcmène est mise dans la peau d’un souverain mésopotamien qui prescrit sa conduite à ses successeurs. On remarque que malgré les désillusions, absence du corps, caractère un peu déceptif du message inscrit, la réalité de la découverte n’est pas mise en question: l’observation du sol, la fouille attentive des vestiges sont acceptés comme des moyens de preuve qu’il suffit d’exhumer pour confirmer la tradition orale. On verra que l’exhumation et la traduction de textes anciens cachés dans le sol est un thème de l’antiquarisme d’époque hellénistique et romaine. Reste que la fouille de sépulture est un des moyens d’acquérir ou de fortifier une légitimité. Après les guerres médiques cependant la célébration de la tradition héroïque est à l’ordre du jour. La Pythie ordonne aux Athéniens de rechercher les ossements de Thésée sur l’île de Scyros: «Mais il était difficile de les emporter, et même de trouver la tombe à cause de l’humeur farouche des Dolopes qui habitaient l’île. Cependant Cimon l’ayant conquise (…) employa tout son zèle à cette recherche. Voyant dit-on un aigle qui frappait à coups de bec une élévation du terrain et qui le grattait de ses serres, grâce à une attention divine, il comprit et fouilla le sol. On y découvrit le cercueil d’un homme de grande taille avec une pointe lance et une épée de bronze à ses côtés. Cimon rapporta ces restes sur sa trière, et les Athéniens, ravis, les accueillirent avec des processions et des sacrifices magnifiques, comme si Thésée en personne revenait dans la ville».30 Il ne fait pas de doute que Cimon découvrit à Skyros une tombe protohistorique et que ce faisant il offrit aux Athéniens les plus insignes reliques de celui qui était considéré comme le fondateur de la cité. Seul un homme d’exception avec l’aide des
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Plutarque, Vie de Thésée 36, 2–3.
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dieux pouvait exhumer du sol de cette petite île le plus fameux des héros. La procédure est bien définie: oracle de la Pythie, expédition pour rechercher la tombe, signe divin qui permet de localiser l’endroit. Fouille attentive qui s’emploie à établir une identification indiscutable. On peut donc considérer que la recherche des reliques des héros est l’une des dimensions du rapport au passé de la Grèce classique, une attitude qui n’est somme toute guère différente des pratiques des souverains des grands empires mais qui s’en distingue par le fait que les Grecs ne disposent pas d’une tradition écrite qui leur permette d’établir une continuité entre passé et présent. La recherche des sépultures des héros n’est pas une branche de l’historia au sens d’Hérodote ou de Thucydide, elle est un prolongement de la mythologie par d’autres moyens, un outil qui sert à affirmer des prétentions politiques ou religieuses par un recours à un passé partagé. Les historiens tentent de se servir des monuments comme preuve de leurs récits, ils ne peuvent saisir par les voies de l’histoire, ce passé qui se dérobe et qui est le coeur de la mythologie. Les Grecs n’ont pas inventé l’archéologie non parce qu’ils n’en avaient pas les moyens mais parce qu’ils n’en ressentaient pas le besoin. La mythologie leur offrait d’autres perspectives: la recherche des reliques est un exercice d’exploration du passé distinct de la pratique antiquaire, les reliques sont des ruines d’un type un peu particulier. Leur exhumation relève des techniques antiquaires mais leur interprétation n’obéit pas aux règles critiques que les clercs d’Orient et du monde grec ont progressivement élaboré. L’archaiologia, le discours sur l’antiquité se distingue de l’historia. Celle-ci s’intéresse aux œuvres humaines dans leur intelligibilité: raisons, causes, preuves. L’archaiologia telle qu’elle est définie dans l’Hippias Majeur de Platon relève d’un autre genre. Hippias explique ainsi, à la demande de Socrate, ce dont il entretient avec autant de succès les Spartiates «des généalogies, celles des héros et des hommes, et des peuplements, comment dans le passé étaient fondées les cités et en général tout ce qui a à voir avec la science du passé (archaiologia)».31 De quoi s’agit-il exactement? L’échange ironique entre Socrate et Hippias qui suit immédiatement ces paroles nous fait entendre de quoi il s’agit: «Socrate: Tu as bien de la chance que les Spartiates n’aient pas plaisir à ce que quelqu’un ne leur expose la liste de tous les archontes à la suite de Solon, sinon tu en aurais des choses à apprendre. Hippias: Comment Socrate? Si j’entends une fois une liste de cinquante noms je me les rappelle. Socrate: C’est juste et je comprends que tu maîtrises l’art de la mémoire (to mnémonikon) et je comprends combien les Lacédémoniens se réjouissent de tout ce que tu sais et s’en servent comme les enfants des vieillards pour le plaisir d’entendre des mythes (to mythologésai)».32
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Platon, Hippias Major 285e. Platon, Hippias Major 285e.
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Hippias confirme avec joie l’interprétation de Socrate sans percevoir l’ironie à l’œuvre dans le questionnement mais la leçon est bien claire: l’archaiologia n’a rien à faire avec l’historia, elle traite de choses si anciennes qu’elle se confond avec des récits de vieillards qui expliquent à leurs petits enfants les mythes de l’origine du monde. Le but d’Hérodote comme de Thucydide n’est pas d’explorer les commencements mais de donner un cadre intelligible et clair à l’histoire contemporaine, celle des guerres médiques ou de la guerre du Péloponnèse. Les Spartiates par contraste sont les plus fervents et les meilleurs connaisseurs de cette mythologia qui établit entre le passé ancien et le présent immuable de leur cité conservatrice un lien privilégié. Pour comprendre le sentiment du passé des Grecs il faut être attentif à la dialectique qui oppose l’historia et la mythologia. Dans la tradition de l’Orient ancien cette distinction n’existait tout simplement pas.
Le vocabulaire des ruines Le terme ruines (ereipia) en grec provient du verbe ereipo: abattre, faire tomber déjà attesté chez Homère. Si le mot apparaît chez Hérodote il est rare dans le corpus tragique et chez Thucydide: les ruines ne constituent pas un thème important avant la période hellénistique. La mention d’une sensibilité aux ruines en tant que telle n’est évidente que dans la poésie latine. Pour les Tragiques Troie n’est pas (encore) une ruine elle est le théâtre d’une destruction massive et subite (voir Agammenon et les Troyennes). Il en va autrement dans la poésie latine qui construit à partir de l’image de la destruction ville un topos de la cité désertée et abandonnée. Pour que le sentiment des ruines s’exprime comme une mélancolie face à des vestiges qui ne sont plus que les traces d’une vie autrefois florissante ou d’un monument somptueux réduit à quelques blocs erratiques, il faut que le temps ait fait son œuvre. C’est encore une fois un fragment de Simonide qui apparaît comme le premier signe de cette prise de conscience. Dans le poème dédié aux soldats tombés aux Thermopyles «le temps qui tout domine» ne peut «noircir» le linceul des défunts car il est tissé des mots inaltérables du poème. Dans un fragment cité par Stobée33 le temps apparaît ainsi comme la force qui menace tout être et toute chose: «Le temps de sa dent aiguisée, érode toute chose même les plus violentes». Toute créature et toute chose doivent se soumettre au temps et la force de ce processus peut être considérée comme la raison même de l’apparition d’une poésie des ruines. Au temps à la dent aiguisée de Simonide fait donc écho «le temps dévoreur des choses» d’Ovide et de la tradition latine: 33
Stobée.1, 8, 22; voir le commentaire de F. Pontani, The Tooth of Time, a poetic metaphor from Simonides to Shakespeare and Beyond, Classica et Mediaevalia 52, 2001, 5–36.
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«Tempus edax rerum, tuque, invidiosa vetustas, omnia destruitis vitiataque dentibus aevi paulatim lenta consumitis omnia morte!»34 L’action du temps ne s’identifie pas avec la seule chute des villes et des royaumes comme il en va chez Homère mais elle lime, elle érode de l’intérieur les êtres, les cités et les monuments. Dans le livre XV des Métamorphoses Pythagore énonce les terribles maximes du temps qui soumet aussi bien la nature que les hommes: «Je ne pense pas que rien puisse durer sous la même apparence. C’est ainsi qu’après le siècle d’or est venu le siècle de fer. C’est ainsi que divers pays ont changé de fortune. J’ai vu ce qui fut jadis un terrain solide être maintenant une mer. J’ai vu des terres sorties du sein des ondes, et des conques marines loin des bords d’Amphitrite: une vieille ancre a été trouvée sur de hautes montagnes. Des torrents rapides ont creusé des vallons dans les plaines. Les inondations ont fait descendre des collines au sein des eaux. Des marais sont devenus des champs sablonneux; et des terres arides sont aujourd’hui des marécages. La Nature ouvre ici de nouvelles sources; elle en tarit d’autres ailleurs. Les secousses de la terre ébranlée ont fait naître des fleuves, et en ont desséché plusieurs».35 Avant d’en arriver à une poésie des ruines, la manière d’Ovide qui, ici, reprend d’une certaine façon un thème cher à Lucrèce, se veut une poésie de la nature qui décrit la naissance de la terre dans un vocabulaire très proche de celui des stoïciens. L’allusion au remplacement de l’âge d’or par l’âge de fer est une référence évidente à l’idée d’une préhistoire de l’humanité qui prend sa place dans une vaste fresque consacrée à l’histoire de la nature. Les coquillages trouvés sur des cimes, une ancre de navire apparue sur une montagne, la variation du débit et du lit des rivières et des fleuves sont les 34
35
Ovide, Métamorphoses 15, 234–236: «Temps, qui dévore ce qui existe; et toi, Vieillesse envieuse, vous détruisez tout; et ce que la lime de l’âge a sourdement usé, vous le consumez par une lente mort.» Ovide, Métamorphoses 15, 259–272. «Nil equidem durare diu sub imagine eadem crediderim: sic ad ferrum venistis ab auro, saecula, sic totiens versa est fortuna locorum. Vidi ego, quod fuerat quondam solidissima tellus, esse fretum, vidi factas ex aequore terras; et procul a pelago conchae iacuere marinae, et vetus inventa est in montibus ancora summis;265 quodque fuit campus, vallem decursus aquarum fecit, et eluvie mons est deductus in aequor, eque paludosa siccis humus aret harenis, quaeque sitim tulerant, stagnata paludibus ument. Hic fontes natura novos emisit, at illic270 clausit, et aut imis commota tremoribus orbis flumina prosiliunt, aut exsiccata residunt».
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preuves de la longue histoire de la nature et de l’instabilité fondamentale de l’univers dans lequel vivent les hommes. Sous l’apparente stabilité du monde le philosophe et le poète découvrent l’impermanence des choses et des êtres. La dimension stoïcienne de cette réflexion est déjà présente chez Zénon: «Toutes les parties du cosmos sont corruptibles (…) les pierres les plus dures ne sont-elles pas destinées à pourrir et à se défaire?36 La tradition stoïcienne met l’accent sur cette fragilité du monde et la menace qui pèse tant sur les hommes que sur les choses. Après le terrible incendie de Lyon qui détruisit toute la ville en une journée Sénèque s’interroge sur la pérennité des choses humaines: «Combien de villes d’Asie et d’Achaïe renversées par un seul tremblement de terre! Combien de villes de la Syrie et de la Macédoine n’ont-elles pas été anéanties! Combien de fois l’île de Chypre n’a-t-elle pas été ravagée par le même fléau! Combien de fois Paphos n’a-t-elle pas été bouleversée! On nous a souvent annoncé la destruction de villes entières, et nous, qui apprenons de pareilles calamités, que sommes-nous dans l’univers?»37 La conscience de la fragilité de l’homme dans l’univers, le fait que la nature elle-même n’est que le produit d’une série de catastrophes, constituent le socle d’une réflexion sur la nature des ruines et le sentiment du passé. L’action imprévisible de la nature peut conduire à la disparition totale de cités justement célèbres par leurs murailles et leurs monuments. Il y a une conscience commune à Ovide et Sénèque de l’impermanence du monde, de la fragilité des êtres et des choses qui forme la substance d’un rapport au passé d’un genre différent de ceux qui l’ont précédé. Lyon «ville opulente et ornement de nos provinces» a disparu en une nuit. Les cités dont on vante la splendeur et la munificence ne vois-tu pas que «le temps aussi effacera leurs traces» (vestigia quoque tempus eradet). La marque de cette tradition stoïcienne qui n’a guère d’antécédents et qui trouvera un nouvel élan bien plus tard en Occident, est la relation intime, décisive qu’elle établit entre les monuments de la nature et les monuments de l’homme «ce n’est pas seulement ce qui est l’œuvre de la main qui est détruit, ni même ce qui procède du talent et de l’activité des hommes que le temps consume: les sommets mêmes des montagnes s’affaissent, des contrées entières disparaissent et maintenant les flots recouvrent des terres autrefois éloignées du rivage (…) les œuvres de la nature elle-même disparaissent et nous devons supporter avec une âme égale la destruction des villes, elles sont destinées à périr, c’est le lot de tous».38
36 37 38
Stoichorum Veterum Fragmenta (Stuttgart 1964) 2, 620. Sénèque, Epistolae 91, 9. Sénèque, Epistolae 91, 11–12.
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Sénèque avait trouvé chez Ovide des termes très proches des siens. Pour Ovide l’histoire du monde et de ses mutations est liée à des durées qui échappent à l’entendement, la préhistoire de la nature est cependant suivie d’une proto-histoire qui offre aux yeux des hommes des preuves de cette impermanence: «Antissa, Pharos, et Tyr bâtie par les Phéniciens, ont eu pour ceinture les mers: aucune de ces villes n’est une île aujourd’hui. Les anciens habitants de Leucade ont vu joint au continent leur territoire qu’entourent les flots. Zancle était, dit-on, réunie à l’Italie, avant que l’Océan, séparant ces deux terres, n’eût entraîné la Sicile au milieu de ses ondes. Si vous cherchez Hélicé et Buris, villes de l’Achaïe, vous les trouverez sous les eaux. Le nautonier montre encore leurs murs inclinés et leurs débris submergés». «Près de Trézène, où régna Pitthée, s’élève une colline où aucun arbre n’offre son ombrage: c’était jadis une campagne fertile, unie dans sa surface. Par un prodige, dont le récit même est horrible, les vents furieux, enfermés dans des cavernes obscures, cherchant à respirer, luttant en vain pour s’ouvrir le chemin de l’air et de la liberté, et ne trouvant dans leur prison aucun passage à leur haleine, enflèrent et distendirent cette terre, comme le souffle de la bouche enfle une vessie ou une peau de bouc.»39 L’œuvre du temps dans la nature est perceptible, qu’il s’agisse de villes établies sur des îles devenues presqu’îles, d’établissements plongés dans les eaux à la suite de tremblements de terre ou même des conséquences du volcanisme. Ovide à travers la leçon de Pythagore affirme que l’instabilité est une des dimensions du monde et que les hommes peuvent en découvrir les témoignages pour peu qu’ils y soient attentifs. Le nautonier qui pointe sous les eaux les traces des villes enfouies est l’une des premières figures de guide qui donne à voir les cités disparues. Cette poétique des ruines est cependant plus une poétique de l’éternité, de la réversibilité et de la mutation du monde qu’une réflexion sur le temps qui passe et la disparition des royaumes et des cités. On doit cependant l’entendre comme le cadre, la scène d’une réflexion plus vaste: les ruines du temps sont une étape vers un temps des ruines qui apparaît explicitement dans le poème. De cette continuité qui unit la nature à l’homme Pythagore est d’une certaine façon le théoricien: «Le jour finirait, et Phébus aurait plongé ses coursiers haletants dans l’onde, avant que j’eusse raconté les divers changements de toutes choses. Les temps changent eux-mêmes. Nous voyons des nations s’élever, et d’autres tomber. Ainsi, la superbe Troie, si riche en hommes et en trésors, qui put répandre tant de sang dans un siège de dix années, humble maintenant, n’offre plus que d’antiques ruines, et ne montre, pour toutes richesses, que les tombeaux de ses habitants. Sparte a été célèbre, Mycènes florissante; la ville de Cécrops, et les murs bâtis par Amphion ont 39
Ovide, Métamorphoses 15.
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eu leur puissance et leur éclat. Aujourd’hui Sparte est un sol misérable; Mycènes et ses hautes tours n’existent plus. Que reste-t-il de Thèbes, où régna Oedipe? Une fable (nomina). Que reste-t-il d’Athènes, où régna Pandion? Son nom et son souvenir (nomen)».40 «Tempora verti», «les temps changent»: cette formule établit la transition entre l’instabilité du monde et celle des choses humaines, elle permet au poète de condenser les sites les plus prestigieux de la tradition grecque en une formule saisissante. Est-ce Pythagore qui parle? Cette image de la décrépitude des villes de la Grèce et surtout d’Athènes n’aurait guère de sens pour un philosophe du VIème siècle.41 Ici Ovide prend la parole pour comparer Rome qui va devenir le centre de l’univers aux cités grecques déchues de leur rang et qui, à l’image de Troie, ne seront bientôt que des champs de ruines. Ovide reprend à son compte la remarque de Thucydide mais pour en faire un point de départ d’une réflexion sur le devenir des grandes cités du monde qui fonde le sentiment des ruines. Les Grecs voyaient dans la chute de Troie un effet du renversement des choses cher aux pythagoriciens, Ovide et les poètes romains élaborent une théorie de la distance et de la décadence qui contribue à magnifier l’idée même de Rome. La cité impériale inaugure un temps nouveau, son instauration permet une sorte de retour en arrière sur l’histoire et sur la chute des cités. La fin de Troie doit être historicisée pour penser l’histoire de Rome. La destruction de la ville est une parabole des cycles de la nature. Properce en donne un bon exemple. Le poète chante les débuts de l’histoire de Rome et les étapes de sa foudroyante expansion: «Cossus, après lui, triompha du Véien Tolumnius, lorsqu’il était glorieux de vaincre les Véiens, lorsque la trompette n’avait point encore sonné au delà du Tibre, lorsque Nomentum, Cora et son faible territoire étaient nos plus belles conquêtes. Véies, dans ces temps reculés, fut aussi un puissant empire, et ses rois siégeaient au Forum sur un trône d’or; mais aujourd’hui la flûte monotone du berger retentit seule dans ses murs, et le laboureur moissonne sur ses tombeaux».42 Ces vers de Properce marquent une rupture, bien qu’ils se placent dans la tradition de l’encomium des cités disparues, ils témoignent d’une tonalité singulière. Il ne reste rien de l’auguste cité gouvernée par de puissants et riches souverains, tout a disparu,
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Ovide, Métamorphoses 15, 418–430. S. Azzara, Osservazioni sul senso delle rovine nella cultura antica, dans: W. Cupperi (éd), Senso delle rovine e riuso dell’antico, Ann Pisa 4, 2002 (Pisa 2004) 1–12. Prop. 4, 10: «Cossus at insequitur Veientis caede Tolumni, vincere cum Veios posse laboris erat; heu Veii veteres! Et vos tum regna fuistis, et vestro posita est aurea sella foro: nunc intra muros pastoris bucina lenti cantat, et in vestris ossibus arva metunt».
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en place du forum on ne voit que des champs fréquentés par les bergers et les laboureurs. La ville est un sépulcre et ce qui en subsiste ce ne sont peut-être que des sépultures. Le génie de Properce consiste à ne pas décrire l’œuvre du temps mais son résultat: la vaste cité parcourue par le pas lent des troupeaux apparaît comme encore plus désertique et plus abandonnée. «Les temps changent» comme le proclame Pythagore, c’est le contraste, la distance qui deviennent un élément d’une référence aux ruines. Entre présent et passé la poésie des ruines trouve sa place. Les ruines ne sont plus seulement l’image d’une grandeur passée elles ont comme le voulait Pythagore une sorte de «memento mori». La lettre de Servius Sulpicius Rufus adressée à Cicéron après la mort de sa fille Tullia, joue du même thème en lui décrivant son voyage en Egée: «Derrière moi se trouvait Egine, devant moi Megara, à ma droite le Pirée, à ma gauche Corinthe qui en leur temps furent des villes florissantes et qui gisent maintenant sous nos yeux diminuées et détruites. J’en vins à me parler à moi-même ainsi: Par dieu, nous petits hommes nous indignons si l’un des nôtres disparaît ou est tué, alors que sa vie est plus brève, alors qu’en un même lieu gisent les cadavres d’oppida, Servius, ne veux-tu pas te retenir et te rappeler que l’homme est né».43 Le spectacle des ruines ainsi entendu est un adjuvant de la mémoire, un instrument pour supporter les douleurs du deuil. Sénèque ira plus loin encore dans une métaphore stoïcienne qui est aussi une image antiquaire: «Il ne faut pas prendre notre mesure d’après ces tombeaux et ces monuments si disparates qui ornent nos routes: la cendre rend toute chose égale. Nous naissons inégaux, nous mourrons égaux. Je le dis il en va des villes comme des leurs habitants».44 Les mnémata, les monumenta sont nécessaire au culte, à la mémoire des morts et à l’harmonie de la cité, mais ils ne sont rien au vu de la situation de l’homme dans l’univers: la dissolution est le lieu commun de toute chose. Une même condition rapproche les hommes et les choses. C’est l’expression de ce sentiment qui conduit à l’émergence d’une poétique des ruines: les cadavera des hommes et ceux des villes se confondent. La poésie des ruines est sans conteste une invention de la Renaissance mais la poétique des ruines est bien un genre familier aux bardes et aux penseurs de l’antiquité classique. La ruine n’a pas pour les auteurs du monde classique la dimension métaphysique que lui reconnaît Diderot dans les Salons. «Les idées que les ruines réveillent en moi sont grandes. Tout s’anéantit, tout périt, tout passe. Il n’y a que le monde qui reste. Il n’y a que le temps qui dure. Qu’il est vieux ce monde! Je marche entre deux éternités. De quelque part que je jette les yeux; les objets qui m’entourent m’annoncent une fin, et me résignent à celle qui 43 44
Cicéron, Ad familiares 4, 5, 4. Sénèque, Epistolae 91, 16.
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m’attend. Qu’est-ce que mon existence éphémère, en comparaison de celle de ce rocher qui s’affaisse, de ce vallon qui se creuse, de cette forêt qui chancelle, de ces masses suspendues au-dessus de ma tête et qui s’ébranlent? Je vois le marbre des tombeaux tomber en poussière, et je ne veux pas mourir».45 La ruine pour les Grecs et les Romains renvoie à l’inverse à une expérience collective partagée, à une sensibilité où le collectif l’emporte sur le sentiment de soi. La ruine est une conséquence de l’action de la nature et un fait de société, la révolte lyrique de l’individu face au «tempus edax» est vouée à l’échec, la mémoire seule est l’antidote de la ruine. La poésie des ruines entreprend d’apprivoiser le passé, la poétique des ruines n’a d’autre but que de le magnifier pour en faire une des catégories du sublime: c’est l’écart qui sépare le sentiment moderne des ruines de celui des anciens.46
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D. Diderot, 1767, dans: D. Diderot, Salons III (Paris 1995) 338. Voir J. Porter, Ideals and Ruins. Pausanias, Longinus and the second sophistic, dans: S. Alcock (éd.), Pausanias. Travel and Memory in Roman Greece (Oxford 2001) 63–92.
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Visuelle Konzeptionen der antiken Stadt Rom in der Frühen Neuzeit: Ruinenlandschaften versus Rekonstruktionen – ein Überblick H a n s - R u d o l f Mei er
Giorgio Vasari berichtet Mitte des 16. Jahrhunderts in der Lebensbeschreibung von Filippo Brunelleschi, wie dieser 1401 gemeinsam mit Donatello nach Rom gereist sei und dort eifrig die antiken Ruinen und Bauglieder gezeichnet und studiert habe, um aus ihnen verwertbare Rückschlüsse auf die römische Bautechnik ziehen zu können. „Er war es, welcher dorische, korinthische und ionische Bauart sonderte, und dies Studium so eifrig trieb, dass sein Geist ihn fähig machte, Rom vor sich zu sehen, wie es vor seiner Zerstörung gestanden hatte.“1 Die zeichnende Auseinandersetzung mit den Ruinen bot folglich die Basis für die imaginäre Rekonstruktion des einstmals Vorhandenen. Brunelleschis Studien erfolgten in der Optik Vasaris zweckgerichtet, wobei nicht die Rekonstruktion das eigentliche Ziel dieses Strebens darstellte: „Zwei große Gedanken waren es, die er verfolgte, der eine, die gute Baumethode wieder ans Licht zu bringen, indem er hoffte, wenn dies ihm gelinge, ein nicht minder rühmliches Gedächtnis von sich zu hinterlassen, wie Cimabue und Giotto“ – womit Brunelleschi die Rolle einzunehmen hatte, die Vasari seinem Florentiner Landsmann in seinem Publikationskonzept zugedacht hatte: zu zeigen, dass die Renaissance auch in der Architektur eine Errungenschaft toskanischer Künstler war. Der zweite Gedanke, der Brunelleschi zu seinen Studien veranlasst haben soll, war „ein Mittel zu finden, wie er die Kuppel von Santa Maria del Fiore wölben könne“.2 Was Vasari hier für das frühe Quattrocento beschrieb und womit er gewissermaßen die Renaissance der Architektur einleiten ließ – die zeichnerische Erforschung der Ruinen, „um Rom vor sich zu sehen, wie es vor seiner Zerstörung“ war –, gleicht einem Projekt, das zwar ein Jahrhundert nach dem postulierten Geschehen, aber bereits eine Generation vor Vasaris Schrift bezeugt ist. Als sich Raffael im Auftrag Papst Leos X. dem Studium und dem Schutz der Ruinen Roms zuwendete, bezweckte das ebenfalls, die Fertigkeiten der Alten erreichen und nach Möglichkeit übertreffen zu 1
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G. Vasari – E. Jaffé (Hrsg.), Lebensbeschreibungen der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Architekten der Renaissance (Berlin 1911) 107. Vasari (Anm. 1) 105.
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können – immerhin war zu jener Zeit der Neubau von St. Peter im Gange, für den Raffael seit 1514 als „maestro della fabbrica“ Verantwortung trug. In Raffaels archäologischem Auftrag ging es aber auch und vor allem um die Rekonstruktion des antiken Rom.3 Gemäß dem wohl in Zusammenarbeit mit Baldassare Castiglione um 1519 verfassten Brief an Papst Leo X. bestand der Auftrag in der Aufnahme der Ruinen und der Rekonstruktion der einstigen Gestalt der Monumente, und zwar so, wie diese wirklich ausgesehen hatten („vero argomento“). Mit der Imagination allein, die beim Zeichnen gleichsam automatisch vor dem geistigen Auge des Beflissenen Rom erscheinen ließ, „wie es vor seiner Zerstörung gestanden hatte“, war es nun – anders als noch ein Jahrhundert zuvor bei Brunelleschi – nicht mehr getan. Vielmehr galt es, die Ruinen aufzumessen und daraus dann – als Novum – eine zeichnerische Rekonstruktion der antiken Stadt zu fertigen: „Eure Heiligkeit hat mir befohlen, das antike Rom zu zeichnen, soviel man heute davon nach dem, was man noch sieht, wissen kann. Auf der Zeichnung werde ich diejenigen Gebäude rekonstruieren, welche genug Überreste aufweisen, dass sie durch richtige Schlussfolgerungen zuverlässig in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt werden können, indem man jene Glieder, die gänzlich zerstört und unsichtbar geworden sind, denen entsprechend gestaltet, die noch aufrecht stehen.“4 Was hier etwas umständlich ausgeführt wird und sich dadurch als noch wenig vertraute Praxis ausweist, ist das für uns heute selbstverständliche Verfahren, aus dem überlieferten Bestand eines Bauwerks dessen ursprüngliches Aussehen zu extrapolieren. Ausführlich schildert der Briefschreiber in der Folge den Gebrauch der Bussole als Hilfsmittel zur Planerstellung sowie die Verfahren der orthogonalen Projektion und der Herstellung von Schnitten.5 Daneben stellt er als gleichwertiges Darstellungsverfahren, das insbesondere der besseren Veranschau3
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Baldassare Castiglione berichtet, Raffael habe seine antiquarischen Unternehmungen wie folgt kommentiert: „Vorrei trovar le belle forme degli edifici antichi, né so se il volo sarà d’Icaro“; zitiert nach G. Germann, Raffaels „Denkmalbrief“, in: V. Hoffmann (Hrsg.), Die „Denkmalpflege“ vor der Denkmalpflege. Akten des Berner Kongresses 30. Juni bis 3. Juli 1999, Neue Berner Schriften zur Kunst 8 (Bern 2005) 267–286. bes. 273; zu Raffaels Wirken vgl. auch R. Lanciani, Storia degli scavi di Roma e notizie intorno le collezioni romane di antichità I, 1000–1530 (Rom 1989) 222ff. Zit. nach G. Germann, Einführung in die Geschichte der Architekturtheorie 2(Darmstadt 1987) 98; F. P. Di Teodoro, Raffaello, Baldassar Castiglione e la Lettera a Leone X (Bologna 1994) 66; I. D. Rowland, Raphael, Angelo Colocci, and the Genesis of the Architectural Orders, ArtB 76, 1994/1, 81–104. bes. 100. Bereits Vitruv nennt die drei Darstellungsarten ichnographia (Grundriss), orthographia (Aufriss) und scaenographia (Perspektive). Zur Neuheit der ideellen Rekonstruktion in diesem Zusammenhang Germann (Anm. 4) 98; zur Zusammenführung der Verfahren als Ausdruck gewandelter Raumkonzeption ebenda 106f. Dass Raffael damit in der Nachfolge Bramantes stand, betont C. L. Frommel, Sulla nascità del disegno architettonico, in: H. Millon – V. M. Lampugnani (Hrsg.), Rinascimento da Brunelleschi a Michelanchelo. La rappresentazione dell’architettura (Milano 1994) 101–121. bes. 117. Allerdings sind von Bramante keine gesicherten Antikenstudien erhalten, dazu: H. Günther, La rinascita dell’antichità, in: ebenda 259–305. bes. 270.
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lichung diene, die Perspektive. Er führt also das, was noch bei Leon Battista Alberti fünfzig Jahre zuvor als Darstellungsweisen der Architekten einerseits und der Maler andererseits getrennt war, als Grundlagen des neuen Verfahrens zusammen.6 Zwar haben bereits seit dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts Architekten Aufnahmen und Rekonstruktionszeichnungen einzelner gut erhaltener Bauten der Antike angefertigt – insbesondere Giuliano da Sangallo gilt mit seinen römischen Antikenstudien quasi als Vorgänger Raffaels.7 Raffaels Projekt einer bildnerischen Rekonstruktion der antiken Stadt stellt aber unbestritten eine neue Qualität dar, die schon bei den Zeitgenossen erhebliche Erwartungen geweckt zu haben scheint. So berichtet um 1519 der päpstliche Protonotar Celio Calcagnini in einem Brief an den Mathematiker Jacob Ziegler über das bewundernswürdige Werk seines Freundes Raffael, dieser sei „damit beschäftigt, das alte Rom nach seiner wahren Gestalt, Pracht und Symmetrie, den Angaben der alten Schriftsteller gemäß darzustellen.“8 Hier wird noch einmal – gewissermaßen ex negativo – das Neue von Raffaels Projekt evident, bei dem es ja gerade nicht darum ging, „das alte Rom (…) den Angaben der alten Schriftsteller gemäß darzustellen“. Selbiges war seit Flavio Biondos „Roma instaurata“ (1444–46)9 immer mal wieder versucht worden, nun sollte der anschauliche Bestand Basis der Rekonstruktion sein. Allerdings hatten schon zu Biondos Zeiten, im mittleren Quattrocento, Architekten wie Alberti und Francesco di Giorgio Martini hervorgehoben, dass erst die materiellen Überreste des Alten die Beschreibungen der antiken Schriftsteller glaubhaft erscheinen ließen, womit sie die Quellenkritik antizipierten, die im Raffaelbrief dann wie folgt beschrieben wird: „Da ich die Denkmäler der Antike eifrig untersucht habe und nicht wenig Mühe darauf wandte, ihnen umsichtig nachzugehen und sie sorgfältig zu vermessen, beständig die guten Autoren zu lesen und die Denkmäler mit den Quellen zu vergleichen, glaube ich einige Kenntnisse der antiken Architektur erreicht zu haben.“10
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L. B. Alberti, Zehn Bücher über die Architektur, übersetzt von M. Theuer (Wien 1912; Reprint Darmstadt 1975) 69. Günther (Anm. 5) 269f., wo er auch ausführt, frühere Rekonstruktionen wie Filaretes Hadriansmausoleum oder Francesco di Giorgios römische Gebäude seien weitgehend Fantasieprodukte gewesen. Zu Sangallo: S. Borsi, Giuliano da Sangallo. I disegni di architettura e dell’antico (Rom 1985). Zit. nach Germann (Anm. 3) 270; vgl. auch Di Teodoro (Anm. 4) 14. 229, Dokument-Anhang XIII: „Nunc uero opus admirabile ac posteritati incredibile exequitur (…) sed ipsam plane urbem in antiquam facies et amplitudinem ac symmetriam instauratam magna parte ostendit. Nam et montibus altissimis et fundamentis profundisimis excauatis, reque ad scriptorum veterum descriptionem ac rationem reuocata, ita Leonem Pont. ita omneis Quirites in admirationem erexit, ut quasi caelitus demissum numen ad aeternam urbem in pristinam maiestatem reparandam omnes homines suspiciant.“ Auszüge publiziert in: R. Valentini – G. Zucchetti (Hrsg.), Codice topografico della città di Roma IV, Scrittori secoli XIV–XV (Rom 1953) 237–255. Zit. nach Germann (Anm. 4) 95. Vgl. Alberti (Anm. 6) Vorrede: „Die Gräber der Römer und die Überreste ihres alten Glanzes, auf die wir überall stoßen, haben uns gelehrt, den Zeugnissen
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Trotz der zuversichtlichen Schilderung der neuen Verfahren wird aus dem so genannten Raffaelbrief freilich auch die Mühsal dieser Bemühungen deutlich und die Einsicht, damit nur einen Hauch der einstigen Größe vermitteln zu können: „qualche poco de immagine e quasi un’ombra di questa.“11 Dieser melancholische Grundzug durchzieht dann über die nächsten zwei Jahrhunderte die Beschäftigung mit den Ruinen Roms und tritt immer dann besonders ausgeprägt zutage, wenn die Stadt bzw. das Stadtbild und nicht das einzelne Monument im Zentrum des Interesses steht. Das zeigt sich auch am überlieferten Bestand der Rekonstruktionsbemühungen: Raffaels im Brief an Leo X. erwähnte Rekonstruktionen sind nicht erhalten, sie dürften sich aber in grundlegender Weise von anderen zeitgenössischen Rekonstruktionsbemühungen wie den „Antiquae urbis Romae cum regionibus Simulachrum“ unterschieden haben. Diesem 1527 von Marco Fabio Calvo – der als Vitruv-Übersetzer mit Raffael zusammengearbeitet hatte – herausgegebenem Werk kommt das Verdienst zu, erstmals die antike Stadt in ihrer historischen Entwicklung zu erfassen versucht zu haben, von Romulus’ ‚Roma Quadrata‘ über das republikanische Rom des Servius Tullius (Abb. 1) bis zur Stadt des Augustus.12 Offensichtlich war Calvo allerdings die Befolgung einer bedeutungsvollen Gesamtentwicklung – vom Quadrat über das Achteck zum perfekten Kreis – wichtiger als die Wiedererkennbarkeit der Stadt, folgen die Darstellungskonventionen doch einem Schema, wie wir sie von (spät)antiken Stadtdarstellungen kennen (siehe hier Beitrag Haug). Auch wenn wir die dargestellten Gebäude im Einzelnen betrachten, sind es eher Zeichen und Chiffren als das Bemühen, das wirklich Vorhandene abzubilden. Vor diesem Hintergrund erst wird deutlich, dass die nun zu zeigenden Bemühungen der vom Erhaltenen ausgehenden Reproduktion und Rekonstruktion der antiken Stadt und ihrer Monumente tatsächlich eine neue Qualität bedeuteten. Dass dieses Bestreben gerade in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts einsetzte, hat außer mit dem Bemühen der Eliten der Renaissance, die Antike zu verstehen, um an ihren Glanz anzuknüpfen, vor allem mit Verlusterfahrungen zuvor unbekannten Ausmaßes zu tun. Die großen Bauprogramme der Renaissancepäpste veränderten Rom schneller und radikaler als alle Eingriffe in den tausend Jahren zuvor. Dabei fiel auch mehr antike Bausubstanz den Neubauten zum Opfer als zuvor den Kalköfen
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der lateinischen Historiker zu vertrauen, die ansonsten weniger glaubwürdig erscheinen würden.“ Francesco di Giorgio Martini, Traktat (um 1470/80): „Ich glaube, keine gültigere Autorität befolgen zu können, als die des Vitruv. Und ich verstand ihn umso leichter, als ich seine Ansprüche größtenteils mit den wenigen Überresten antiker Baukunst und Bildhauerei in Übereinstimmung brachte, die es in Italien noch gibt und von denen ich wohl die meisten gesehen und untersucht habe.“ Zitiert nach Germann (Anm. 4) 95f. Di Teodoro (Anm. 4) 115. P. J. Jacks, The Simulachrum of Fabio Calvo: A View of Roman Architecture all’antica in 1527, ArtB 72, 1990/1, 453–481.
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Abb. 1 Marco Fabio Calvo, Rom zur Zeit von Servius Tullius, in: Antiquae urbis Romae cum regionibus Simulachrum, 1527
des Mittelalters. Es war folglich das Bewusstsein, dass etwas lange Zeit selbstverständlich Präsentes nun unwiederbringlich verloren zu gehen drohte, das zur Beschäftigung damit motivierte.
Die Rekonstruktion der Stadt durch ihre Schlüsselbauten Vielleicht kommen wir den Intentionen von Raffaels Auftrag näher, wenn wir uns jenen nur wenig jüngeren Zeichnern zuwenden, die zumindest indirekt „auf den Bemühungen Raffaels und seines Kreises, wissenschaftlich fundierte Bauaufnahmen von antiken Monumenten zu erstellen“, fußen.13 Das Hauptaugenmerk soll im Folgenden auf Kupferstiche gelegt werden, deren Produktion und Vertrieb parallel zur raschen Erholung Roms vom Sacco di Roma zu florieren begann. Sie bildeten über Jahrhunderte das wesentliche Medium zur Konstruktion und Vermittlung des Bildes der antiken Stadt, bis dann im 18. Jahrhundert im Werk von Piranesi die Radierung und im 19. Jahrhundert schließlich die Lithographie das Spektrum der grafischen
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K. Zeitler, Wege durch Rom. Druckgraphische Veduten aus drei Jahrhunderten. Ausstellungskatalog München, Staatl. Graphische Slg. (München 1999) 9 Kat. 5.
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Darstellungsmittel folgenreich erweiterten. Ganz generell war lange Zeit die Grafik und nicht die Malerei Ort architektonischer Bildfindungen.14 An den Anfang zu stellen ist der Verleger Antonio Salamanca, der als Pionier dieses Gewerbes in einem von Nicolas Beatrizet gestochenen Porträt als „Orbis et Urbis antiquitatum imitator“ gepriesen wird.15 Ab 1536 begann Salamanca mit der Edition und dem Verkauf von Stichen antiker Bauwerke. Er legte damit den Grundstock der laufend erweiterten Kollektion, die sein späterer Geschäftspartner Antonio Lafreri 1573–77 gemeinsam mit Etienne Dupérac unter dem Titel „Speculum Romanae Magnificentiae“ in den Handel brachte.16 Zwei Beobachtungen erscheinen mir dabei von besonderem Interesse und bezeichnend für den damaligen Stand der Darstellung der antiken Stadt: Erstens ist es gerade nicht die urbs, die Salamanca ‚imitiert‘, sondern es sind nur deren herausragende mirabilia, die neben- bzw. hintereinandergestellten Einzelglieder, wie es 1550 der Chemnitzer Humanist Georg Fabrizius in seinem Rombuch charakterisiert: „Picturas statuarum, columnarum, colossorum, templorum, theatrorum, arcuum, portarum, sepulchrorum, Antonius Salamanca sparsim expressit Antonius Lafrerius Germanus multas generis eiusdem collegit, et novas insuper artificiosas adiecit.“17
Diese Reihung lässt zugleich das Prinzip aufscheinen, mit dem versucht wurde, über das Einzelmonument hinaus einen adäquaten Eindruck der Stadt zu vermitteln: die Edition von Serien mit einer Folge von Darstellungen einzelner Gebäude.18 Ähnlich den noch heute beliebten Postkarten-Leporellos sollte die Folge von Darstellungen einzelner signifikanter Gebäude einen Eindruck des Ganzen vermitteln: die Abfolge der wichtigsten Sehenswürdigkeiten gleichsam als Simulation eines Durchgangs durch die Stadt. Betrachtet man diese von Salamanca, Lafreri und anderen edierten Rekonstruktionszeichnungen, so fallen jenseits individueller Differenzen doch Gemeinsamkeiten auf, die sie von anderen Architektur- und Stadtdarstellungen unterscheiden. Auffällig sind insbesondere die grundlegenden, über das Motivische weit hinausgehenden Dif14
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Dazu auch J. Garms, Architekturphantasie, in: C. Höper – J. Stoschek – E. Kieven (Hrsg.), Giovanni Battista Piranesi. Die Wahrnehmung von Raum und Zeit. Akten des internationalen Symposiums Staatsgalerie Stuttgart 25. bis 26. Juni 1999 (Marburg 2002) 37–48. bes. 37. S. Deswarte-Rosa, Les gravures de monuments antiques d’Antonio Salamanca, à l’origine du Speculum Romanae Magnificentiae, Annali di architettura 1, 1989, 47–62 Abb. 1; J. Garms, Piranesi da Venezia a Roma, Zeitenblicke 2, 2003, Nr. 3 [10. 12. 2003]; (5. 01. 2009). Deswarte-Rosa (Anm. 15) 47f.; Zeitler (Anm. 13) 9f. Georgi Fabrici Chemnicensis Roma, Basel 1550, zit. nach Deswarte-Rosa (Anm. 15), 47. Zur Serienedition G. Barche, Studien zur Darstellung der Stadt Rom (1750–1870) (München 1985) 44f.; W. Krönig, Geschichte einer Rom-Vedute, in: Miscellanea Bibliothecae Hertzianae zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt (München 1961) 385–417. bes. 386.
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Abb. 2 Hieronymus Cock, Das von den Barbaren zerstörte Kolosseum, 1. Ansicht. Aus der Serie Praecipua aliquot Romanae Antiquitatis Ruinarum Monumenta, 1551
ferenzen zu einer anderen – quasi entgegengesetzten – Weise, die antiken Reste darzustellen, nämlich als Ruinen. Es waren hauptsächlich Künstler aus Ländern nördlich der Alpen, die in der Wahrnehmung und Wiedergabe von Landschaften geübt waren, die die antiken Hinterlassenschaften eingebettet in Ruinen-Landschaften wiedergaben. Genannt in diesem Zusammenhang seien nur Marteen van Heemskerck und Hieronymus Cock, wobei letzterer als erster streng genormte Serien von Ruinen in ihrem räumlichen Kontext edierte (Abb. 2).19 Dieses landschaftliche Umfeld fehlt dagegen bei den meisten Darstellungen rekonstruierter Monumente noch für längere Zeit. Die Stadt der Antike als Kontinuum von Baukörpern und unbebauten Räumen, herausragenden Monumenten und gewöhnlichen Häusern, von Geplantem und Akzidentiellem, Dauerhaftem und Flüchtigem wird damit nicht erfasst; es bleibt bei einer räumlich nicht zusammenhängenden Folge von Einzelmonumenten. Isoliert präsentiert, erscheinen diese oft wie Architekturmodelle (Abb. 3). Das Phänomen lässt sich mit der Gattungstradition der Architekturzeichnung erklären, zumal dieselben Stecher und Verleger, wenn sie Ruinen darstellten, diesen einen Land19
Hieronymus Cock, Praecipua aliquot Romanae Antiquitatis Ruinarum monumenta vivis prospectibus, ad veri imitationem affabre designata 1551. Die einzelnen Gebäude in den Bildunterschriften jeweils mit „prospectus“ angesprochen; dazu Barche (Anm. 18) 8.
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Abb. 3 Antonio Lafreri – Nicolas Beatrizet, Rekonstruktion des Kolosseums, 1545–76
schaftskontext beifügten (Abb. 4). Die auffällige Absenz des urbanen Umfeldes bei Rekonstruktionen ist freilich auch Resultat des damaligen Wissensstandes: Man hatte, wie sich an verschiedenen Indizien zeigen lässt, kaum eine Vorstellung vom antiken Umfeld der Bauten. Rekonstruieren lässt sich nur aufgrund einer einigermaßen gesicherten Basis, mithin nur das, was man auch verstanden hat. Entsprechend liegt es wohl nicht nur an kommerziellen Überlegungen, dass längere Zeit fast nur Rekonstruktionszeichnungen von den noch weitgehend erhaltenen Bauten publiziert wurden: Pantheon, Konstantinsbogen, Diokletiansthermen, Kolosseum und Porta Maggiore. Diese noch in erkennbarerer Evidenz präsenten Gebäude bildeten gewissermaßen die Klammer zwischen der Antike und der Gegenwart. Interessant zum Zusammenhang von Ruine und Rekonstruktion ist auch die Beobachtung, dass mit dem Aufkommen von quasi wissenschaftlichen Rekonstruktionen sich eine Darstellungsweise etablierte, welche die Gebäude zu künstlichen Ruinen machte, um Innen und Außen, Grundriss, Schnitt und Materialität gleichzeitig zeigen zu können (Abb. 3 und 5). Die Analyse von Ruinen offenbarte deren Vorzüge für das Studium der Architektur, und diese Vorzüge sollten nun auch bei der Darstellung intakter Gebäude zur Anwendung kommen.
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Abb. 4 Antonio Lafreri, Die Ruinen des Septizoniums, 1546
Auch wenn gelegentlich versucht wurde, Rekonstruktionszeichnungen aus der Starre von Modelldarstellungen zu lösen, unterblieb der Versuch der Situierung im antiken städtischen Kontext weitgehend. Und wenn, wie auf einem von Salamanca edierten Blatt von Agostino Veneziano, der Konstantinsbogen – oder sein Modell – vor einer Landschaft präsentiert wird, sind damit offensichtlich eher die Sehgewohnheiten von Käuferschichten aus dem Norden angesprochen, als dass dies als Versuch einer Rekonstruktion des antiken urbanen Kontextes zu begreifen wäre (Abb. 6): Die burgenreiche Hügellandschaft im Hintergrund ist auch dann kaum mit Rom zusammenzubringen, wenn man den eher ländlichen Charakter von Teilen der Stadt des Cinquecento in Rechnung stellt. Wenn aber doch einmal der Versuch der topografisch-baulichen Rekonstruktion eines größeren städtischen Ensembles unternommen wurde, wie in Salamancas „Campidoglio antico“ von 1538, ergibt sich daraus eine Szenographie, die den bekannten Idealstadtansichten in Urbino, Berlin und Baltimore näher steht als der topografischen Wirklichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit des römischen Kapitols: Die Fluchtlinien des von Renaissancegebäuden flankierten Platzes laufen auf einen Zentralbau im Mittelgrund zu, neben dem sich wie ein Versatzstück als Element der Wiedererkennbarkeit das Reiterstandbild von Marc Aurel erhebt.
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Abb. 5 Antonio Lafreri, Pantheon („Panthei fidelissime dimensi exterior et interior pars ex antiquo romano suis omnibus numeris absoluta“), 1553
Dass das Kapitol Gegenstand früher Rekonstruktionsbemühungen war, ist keineswegs zufällig: Bereits im Laufe des Mittelalters war der Campidoglio zum besonderen Ort im römischen Repräsentationsdenken avanciert, der im 17. und 18. Jahrhundert dann auch Ort der Institutionalisierung antiquarischer Interessen wurde.20 Als caput urbis war das Kapitol daher – gewissermaßen als pars pro toto – zentral für das Bemühen der bildlichen Restitution der antiken Stadt. Michelangelos Neuordnung von 1546 ist so betrachtet – nicht zuletzt angesichts der Rolle, die dabei antiken Bildwerken zukam – als zumindest paragonaler Versuch einer architektonischen Restituierung des antiken Kapitols zu verstehen.
20
W. Oechslin, Bildungsgut und Antikenrezeption des frühen Settecento in Rom. Studien zum römischen Aufenthalt Bernardo Antonio Vittones (Zürich 1972) 22ff.; F. Saxl, Das Kapitol im Zeitalter der Renaissance – Ein Symbol der Idee des Imperiums, in: M. Warnke, Politische Architektur in Europa vom Mittelalter bis heute: Repräsentation und Gemeinschaft (Köln 1984) 74–105 (engl. Erstpubl. in: F. Saxl, Lectures I [London 1957] 200–214).
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Abb. 6 Agostino Veneziano, Der Konstantinsbogen, vor 1537
Die Rekonstruktion von Topografie und Grundriss der antiken Stadt Wenden wir uns jenen vorerst vergleichsweise seltenen Bemühungen zu, eine anschauliche Vorstellung der ganzen antiken Stadt zu gewinnen. Im 16. Jahrhundert stand ein solches Vorhaben, wie Fabio Calvos Versuche belegen (Abb. 1), vor schier unüberwindbaren Schwierigkeiten. Betrachten wir die Zeichnungen van Heemskercks oder Cocks, so konstatieren wir einzelne Ruinen oder Ruinengruppen in einer Landschaft. Der einstige stadträumliche Zusammenhang wird nur selten evident und war aufgrund der verfügbaren Quellen kaum zu erschließen. Man versteht daher Skepsis und Kritik, die Michel de Montaigne während seines Romaufenthalts 1581 gegenüber der auch nur imaginativen Rekonstruktionsmöglichkeit der antiken Stadt äußerte. So wie sich die Stadt damals präsentierte, erschien sie Montaigne – der in der dritten Person schreibt – wenig anschaulich und nicht einmal mehr topografisch erahnbar: „Er meinte, von Rom bekäme man nichts zu sehen als den Himmel, unter dem es einst gelegen war, und den allgemeinen Grundriss seiner Lage. Das Wissen, das er von ihm habe, sei ein abstraktes, das auf die Einbildungskraft angewiesen sei; aber nichts böte sich den Sinnen
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unmittelbar dar. Wer sagt, man sähe wenigstens die Ruinen Roms, behaupte zu viel; denn die Ruinen eines so kolossalen Organismus stünden in seinem Gedächtnis ehrfurchtgebietender als die Trümmer, die er da vor sich sehe: das sei nichts als ihr Grabstein. (…) In der Tat, viele der Annahmen über das Aussehen der alten Stadt haben fast gar keine Wahrscheinlichkeit.“21
Reales sinnliches Erleben steht damit im Gegensatz zum abstrakten Wissen und beflügelt nicht, wie es Vasari Brunelleschi unterstellte, die Imagination. Und wo es doch versucht werde, so die Kritik Montaignes, fehle dem Versuch der sinnlichen Repräsentation der antiken Größe durch die Rekonstruktion die Plausibilität. „Aufgrund dieses Widerstreites zwischen Anschauung und Wissen fällt in den Augen Montaignes die einzelne Ruine als bedeutungsloses Zeichen in sich zusammen, so wie sich die Vorstellung des antiken Rom in einem räumlichen Nebeneinander der Monumente verliert. Ist die Einbildungskraft ihres sinnlichen Materials aber beraubt, so bringt sie in der Rekonstruktion ausschließlich Fantasiegebilde hervor“, die ihr materielles Gegenbild in den Ruinen haben, die nur noch als Grabsteine „zum Gedächtnis an diese unendliche Größe“ (so Montaigne) dienten.22 Bereits eine Generation vor Montaignes Reise hatte Pirro Ligorio 1552/53 einen ersten Vogelschauplan des antiken Rom publiziert, dem 1561 die große mehrteilige Karte „Anteiquae Urbis imago accuratissime ex vetusteis monumenteis formata“ folgte (Abb. 7; siehe auch hier Beitrag Gampp).23 Dieser Rekonstruktionsversuch bündelt das damalige Wissen, zu dem Ligorio unter anderem als Verfasser von vierzig Manuskriptbänden zur Altertumskunde selber wesentlich Neues beigetragen hatte.24 Dennoch ist – gemäß dem damaligen Wissen – nur ein kleiner Teil der Gebäude halbwegs exakt oder zumindest erkennbar erfasst. Für den größten Teil der Gebäude, von deren Aussehen man keine Vorstellung hatte, verfuhr Ligorio offensichtlich ähnlich dem Verfahren, das im Raffaelbrief beschrieben worden war: „Jene Glieder, die gänzlich zerstört und unsichtbar geworden sind, (wurden) denen entsprechend ge-
21
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M. de Montaigne, Tagebuch einer Reise durch Italien, die Schweiz und Deutschland in den Jahren 1580 und 1581, ed. und aus dem Französischen übertragen von O. Flake (Frankfurt am Main 1988) 134ff. T. Ketelsen, „Ichnographia veteris Romae“. Der antike Romplan und die Formen des Erinnerns, in: B. Buberl (Hrsg.), Roma Antica. Römische Ruinen in der italienischen Kunst des 18. Jahrhunderts. Ausstellungskatalog Dortmund (München 1994) 16–41. Anteiquae [!] Urbis imago accuratissime ex vetusteis [!] monumenteis [!] formata. Effigies antiquae Romae ex vestigiis aedificiorum ruinis testimonio veterum auctorum fide numismatum monumentis aeneis plumbeis saxeis tiglinisque collecta atque in hanc tabellam redacta atque descripta a Pyrrho Ligorio Romano per XIIII regiones in quas Urbem divisit imp. Caesar Aug. Pioque IV pont. max. dicata. Günther (Anm. 5) 287; A. Schreurs, Antikenbild und Kunstanschauungen des neapolitanischen Malers, Architekten und Antiquars Pirro Ligorio (1513–1583) (Köln 2000). Zu Ligorios Wirken im Einzelnen vgl. auch die entsprechenden Einträge in R. Lanciani, Storia degli scavi di Roma e notizie intorno le collezioni romane di antichità III, 1550–1565 (Rom 1990).
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Abb. 7 Pirro Ligorio, Antiquae Urbis imago, 1561
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staltet, die noch aufrecht stehen.“25 Gravierender hinsichtlich des angestrebten Zieles war die Unkenntnis des antiken Straßensystems, das, soweit es nicht den zeitgenössischen Strukturen folgte, bei Ligorio oft undefiniert blieb. Hier zeigt sich ein Vorteil der gewählten Darstellungsweise gegenüber anderen Projektionen: Anders als der Grundriss, der in zwei Dimensionen Eindeutigkeit voraussetzt, ergibt die Vogelschau einen plausiblen Eindruck von der Stadt, auch wenn im Detail Lage, Größe und Relationen vieler Gebäude unklar sind. Entsprechend sind große Teile von Ligorios Rombild reine Fantasie. Es fehlte schlicht an Grundlagen, um ein – aus heutiger Sicht – verlässliches Bild der antiken Stadt entstehen zu lassen. Erst zehn Jahre später (1562) wurden die Forma Urbis-Fragmente gefunden, jene Reste eines severischen Stadtgrundrisses, denen für die Kartierung des antiken Rom dann eine solche Schlüsselfunktion zukam, dass sie noch 1756 das Frontispiz von Piranesis „Antichità Romane“ zierten.26 Zwischen dem Fund der Forma Urbis-Fragmente und deren Publikation durch Giovanni Pietro Bellori im Jahre 1673 verging freilich nochmals mehr als ein Jahrhundert.27 Aber bereits ein Jahr nach der Auffindung waren die Fragmente von Giovanni Antonio Dosio gezeichnet (Cod. Vat. Lat. 3439, fol. 13–23) und von Onofrio Panvinio studiert worden. Rasch schlug sich das auch in den Vogelschaurekonstruktionen der antiken Stadt nieder, die das neue Interesse am antiken Straßensystem reflektieren.28 Dies wird deutlich beim Vergleich von Ligorios Stadtrekonstruktion mit jener von Etienne Dupérac, der kurz nach dem Fund der Forma Urbis-Fragmente für Panvinio als Zeichner tätig war. Für die im April 1574 publizierte „Urbis Romae Sciographia“ (der ein Jahr zuvor ein kleiner von Lafreri publizierter Plan vorangegangen war) baute Dupérac unter anderem auf den Plänen von Ligorio und Panvinio auf, die er zum Teil kompilierte, aber auch um neue Funde und Erkenntnisse ergänzte. Erneut wird hier deutlich, dass der Versuch der Rekonstruktion zwar primär Mittel der Dokumentation und der Imagination war, zugleich aber auch der Erkenntnissuche diente. Auch auf Dupéracs Stadtansichten sind aber der Großteil der Gebäude nach Vorlage des Bekannten frei ergänzt (siehe dazu hier die Beiträge Gampp mit Abb. 1. 2 sowie Wulf-Rheidt mit Abb. 2. 3; Taf. 18a).
25 26
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Siehe die Nachweise hier in Anm. 4. Inzwischen sind alle bekannten Fragmente in einer Datenbank abrufbar: (10. 01. 2009); zum severischen Marmorplan siehe auch hier die Beiträge Bauer und Haug. G. P. Bellori, Fragmenta vestigii veteris Romae ex lapidibus Farnesianis nunc primum in lucem edita cum notis (Rom 1673). Dazu und zur Bedeutung für Dupérac: E. Lurin, Etienne Dupérac, graveur, peintre et architecte (vers 1535?–1604). Un artiste-antiquaire entre l’Italie et la France (Diss. Paris 2006). Zu Panvinio vgl. J.-L. Ferrary, Onofrio Panvinio et les antiquités romaines (Rom 1996). – Zum folgenden Vergleich von Ligorios und Dupéracs Rekonstruktionen vgl. etwa die jeweiligen Ausschnitte des Palatin: K. Werner, Antikenschutz und Antikendokumentation am Beispiel einer bislang unbekannten Grabung Sicinio Capizucchis, in: A. Hoffmann – U. Wulf (Hrsg.), Die Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom (Mainz 2004) 152 Abb. 213f.
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Die Alternative dazu wäre gewesen, nur jene Gebäude darzustellen, die bekannt waren, so dass die antike Stadt auf ihre noch sichtbaren Monumente reduziert worden wäre. Als das Resultat eines solchen Verfahrens erscheint zunächst nicht die Rekonstruktion der Stadt, sondern eine topografische Situierung ihrer mirabilia und damit eine seit dem Mittelalter gängige Version der Romdarstellungen. Wenn allerdings solche Karten begleitend zu Rekonstruktionsdarstellungen herausgegeben wurden wie im Werk von Panvinio oder später von Piranesi, so ist das nicht zuletzt als frühwissenschaftliches Bemühen um Offenlegung der Quellen zu verstehen, als Aufzeigen der Differenz von Bestand und Rekonstruktion – und damit auch um die Betonung der zu dieser nötigen eigenen Leistung. So finden sich solche grafisch dann freilich schon veraltet wirkenden Darstellungen noch bei Bellori im ausgehenden 17. Jahrhundert. Mit Dupéracs Schaffen war der Höhepunkt der Bemühungen um die bildliche Rekonstruktion der antiken Stadt im 16. Jahrhundert erreicht. Nicht zufällig nimmt mit ihm ein nordalpiner Künstler, der seine Karriere in Venedig begonnen hatte, diese Stellung ein. Nördlich der Alpen hatte sich die Tradition der Landschaftserfassung früh und besonders reich entfaltet, während sich in Venedig eine Vorliebe für Architekturbilder entwickelte, für deren spätere Höhepunkte im 18. Jahrhundert nicht nur auf das Werk der Bellotto-Familie und ihres Umkreises, sondern auch auf den aus Venedig stammenden Piranesi verwiesen sei. Dupérac setzte sich in verschiedenen Medien und auf unterschiedliche Weise mit dem antiken Gebäudebestand der Stadt Rom auseinander, in der er seit 1560 tätig war. Bereits erwähnt haben wir ihn als Co-Editor des „Speculum Romanae Magnificentiae“. Zu nennen sind hier überdies seine in einem Codex versammelten „Disegni de le ruine di Roma e come anticamente erono“, die Auskunft über sein Rekonstruktionsverfahren geben.29 In diesen Zeichnungen werden jeweils ruinöse Gebäude ihrer Rekonstruktion gegenübergestellt, wobei letztere interessanterweise den Anfang macht und somit der geschichtliche Prozess und nicht der künstlerisch-wissenschaftliche Versuch der Re-Konstruktion betont wird. In bemerkenswerter Konsequenz ist hier nicht nur bei den Ruinen das landschaftliche, sondern auch bei den Rekonstruktionen das städtebauliche Umfeld der Gebäude mitgezeichnet (Abb. 8 a-b). Auch bemüht sich Dupérac um eine chronologische Differenzierung der antiken Monumente, für die er in einer Legende jeweils das vermutete Entstehungsdatum angibt, das im Beispiel des vermeintlichen „Templum pacis“ (realiter die Maxentiusbasilika), das er Vespasian zuschreibt, durch ein Münzbildnis des Kaisers im Kopf der Rahmung unterstrichen wird (fol. 19v/20r).
29
E. Dupérac, Le antiche rovine di Roma nei disegni di Dupérac, mit einer Einleitung von R. Wittkower (Mailand 1990).
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Abb. 8a und 8b Etienne Dupérac, „Templum Pacis“ (Maxentiusbasilika), Rekonstruktion und ruinöser Zustand, aus: Disegni de le ruine di Roma e come anticamente erono, fol. 19v/20r
Aus dem folgenden 17. Jahrhundert ist in Bezug auf die grafische Darstellung und Rekonstruktion der antiken Stadt dann wenig Neues zu verzeichnen. Der Schwerpunkt hatte sich eindeutig auf die zeitgenössische Stadt verlagert, die sich mit den großen Bauprojekten von Urban VIII. und seinen Nachfolgern in aufregender Weise veränderte.30 Roma Moderna stand nun im Zentrum des Interesses. Die Umgestaltung der Stadt geht einher mit ihrer Dokumentation, deren Entwicklung nicht weniger spektakulär war als das, was damit dokumentiert wurde. Den Anfang machten die durch Papst Alexander VII. angeregten Vedutenserien Giovanni Battista Faldas und dessen detailreicher Stadtplan in der Vogelschauperspektive. 1748 legte Giovan Battista Nolli dann die „Nuova pianta di Roma (data in luce)“ vor, die bis heute (nicht nur) Architekten begeistert. Es ist ein Schwarzplan, d.h. die Baumassen sind schwarz erfasst, die Freiräume weiß belassen. Nolli erweiterte dieses Prinzip, indem er auch die Grundrisse aller öffentlichen und halböffentlichen Gebäude einzeichnete, die damit den Freiräumen zugeschlagen werden und als zugängliche Räume gekennzeichnet sind. Dieser Meilenstein der Stadtkartografie und Architekturdarstellung erforderte mehrjährige Vermessungs- und Bauaufnahmearbeit.31 Zu den Mitarbeitern 30
31
Zeitler (Anm. 13) 16f.; R. Krautheimer, The Rome of Alexander VII., 1655–1667 (Princeton 1985). Dazu im Überblick: M. Bevilacqua (Hrsg.), Nolli, Vasi, Piranesi. Immagine di Roma Antica e Moderna. Rappresentare e conoscere la metropoli dei lumi. Ausstellungskatalog Rom (Rom 2004).
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an diesem Projekt gehörte auch der junge Venezianer Giovan Battista Piranesi. Dieser wendete sich dann mit seinem eigenen Werk auch wieder dem antiken Rom zu, in dessen Darstellung er eine neue Qualität erreichte, indem er unter anderem die für die adäquate Repräsentation der Roma Moderna entwickelten Verfahren auf die antike Stadt übertrug. Von Nolli übernahm Piranesi etwa die Bildidee, Karte und Vedute als unterschiedliche Formen der Repräsentation desselben topografischen Raumes in Bezug zu setzen.32 Er folgte ihm auch in der (zumindest suggerierten) Präzision der Plandarstellung als Grundriss, wobei er den Anspruch noch steigert, indem er mit seinem „Campo Marzio dell’antica Roma“ von 1762 in Anlehnung an die immer wieder zitierte Forma Urbis das ganze Gebiet im Grundriss und in der Vogelschau vorlegt. Zu den verschiedenen Darstellungsformen kommt die Schrift, die in Piranesis Werk von zentraler Bedeutung ist. Zugleich werden die unterschiedlichen Medien und ihr Einsatz bildlich ebenso reflektiert wie die Bedingungen der Rekonstruktionstätigkeit: Mit der topografischen Ansicht des bis auf die erhaltenen antiken Baureste leeren Marsfeldes und den davor im Bildvordergrund aufgereihten Trümmern (Abb. 9) gibt Piranesi beispielsweise die Ausgangslage der Rekonstruktionsversuche wieder und mit den illusionistisch halb aufgerollten Plänen spielt er auf ein Spezifikum des Trägermediums an. Mit seinen archäologischen Hauptwerken – insbesondere den Antichità Romane von 1756 – realisierte Piranesi das, was ein Vierteljahrtausend zuvor im so genannten Raffaelbrief an Leo X. idealiter ins Auge gefasst worden war und zwischenzeitlich, wie die hier genannten Beispiele zeigen sollten, jeweils nur in Ausschnitten umgesetzt werden konnte: die Kartierung und grafische Rekonstruktion der antiken Stadt in ihrem stadträumlich-urbanistischen Kontext (siehe dazu auch hier Beitrag Liverani). Piranesi und seinen Zeitgenossen diente die Rekonstruktion allerdings nicht mehr als Mittel, um selber wieder die Fähigkeit zu antiker Größe zu erreichen: Dieses Ziel schien mit dem neuen päpstlichen Rom erreicht. Vielmehr ging es jetzt im wissenschaftlichen Wettstreit der Antiquare um den Beweis der Superiorität Roms, der römischen über die griechische Antike.33 Roms überlegene Größe sollte sich im Bild der rekonstruierten Stadt genauso zeigen wie in deren Ruinen. Piranesis Darstellungen zielten daher „zugleich auf dokumentarische Deutlichkeit und auf eine Stimulierung der Einbildungskraft“.34
32 33
34
Ketelsen (Anm. 22) 29. N. Miller, Archäologie des Traums. Versuch über Giovanni Battista Piranesi (München 1978) 221ff. M. Steinhauser, Die ästhetische Gegenwart des Vergangenen. Architektur- und Ruinenbilder zwischen Geschichte und Erinnerung, in: H.-R. Meier – M. Wohlleben (Hrsg.), Bauten und Orte als Träger von Erinnerung. Die Erinnerungsdebatte und die Denkmalpflege. Veröffentlichungen am Institut für Denkmalpflege der ETH Zürich 21 (Zürich 2000) 99–112. bes. 102.
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Abb. 9 Giovanni Battista Piranesi, Scenographia Campi Martii, aus der Serie: Il Campo Marzio dell’Antica Roma, 1762
Piranesi bedient sich dazu neben der Vedute auch der aus Venedig importierten Bildgattung der Architekturfantasie bzw. des Capriccio. Auf diese wäre im Zusammenhang mit visuellen Konzeptionen antiker Städte in der frühen Neuzeit weiter einzugehen (siehe hier Beitrag Gampp). Denn während zur Rekonstruktion der antiken Stadt in den traditionellen Genres der grafischen Künste im 17. und frühen 18. Jahrhundert, wie angedeutet, kaum Neues geleistet wurde, repräsentieren Veduten und Architekturfantasien Bildfindungen, die durchaus als Beiträge zur visuellen Rekonstruktion zu verstehen sind.35 Es sind diese Gattungen, in denen aus den Ruinenlandschaften Stadtlandschaften und aus Architekturmodellen Stadträume werden. In der Architekturfantasie belebt sich die Szenerie, sei es mit antikisch gekleideten Figuren (Taf. 12), sei es – selbstreferenziell wie in manchen Bildern von Marco Ricci – mit forschendem oder reparierendem Personal. Ruine und Rekonstruktion rücken hier zusammen, im einen ist das jeweils andere bereits enthalten. Und wenn es möglich
35
Barche (Anm. 18) 9. Um 1650 erscheint der Begriff der Vedute erstmals in der 13 Blätter umfassenden Serie von Silvestre (zweisprachig: Veduta del Arco di Septimo Sebero et del Campidglio / Vue de l’Arcque …). Zu den unterschiedlichen Darstellungsmodi der Ruinendarstellungen im Laufe des 17. Jahrhunderts vgl. D. Syndram, Zwischen Phantasie und Wirklichkeit: Römische Ruinen in Zeichnungen des 16. bis 19. Jahrhunderts aus Beständen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (Mainz 1988) 16.
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ist, in einem reflektierten Prozess eine Ruine visuell zu rekonstruieren, muss im Zeichen geschichtlicher Entfremdung der Prozess auch umgekehrt darstellbar sein: Die Ruinenzimmer im stadtrömischen Konvent der Trinità dei Monti und in der Villa Chigi sind hierfür genauso Zeugnisse wie die Werke Hubert Roberts oder Mme de Staëls Roman „Corinna“, in dem die Titelheldin geschildert wird, wie sie den Petersdom als nächtliche Ruine imaginiert, „wie er, wenn einst auch Ruine, den kommenden Geschlechtern ein Gegenstand der Bewunderung sein werde.“36
Abbildungsnachweis Abb: 1: P. J. Jacks, The Simulachrum of Fabio Calvo: A View of Roman Architecture all’antica in 1527, ArtB 72, 1990/1, Abb. 2 Abb: 2: K. Zeitler, Wege durch Rom. Druckgraphische Veduten aus drei Jahrhunderten. Ausstellungskatalog München, Staatl. Graphische Slg. (München 1999) Kat. 13 Abb. 3: K. Zeitler, Wege durch Rom. Druckgraphische Veduten aus drei Jahrhunderten. Ausstellungskatalog München, Staatl. Graphische Slg. (München 1999) Kat. 6 Abb. 4: K. Zeitler, Wege durch Rom. Druckgraphische Veduten aus drei Jahrhunderten. Ausstellungskatalog München, Staatl. Graphische Slg. (München 1999) Kat. 9 Abb. 5: K. Zeitler, Wege durch Rom. Druckgraphische Veduten aus drei Jahrhunderten. Ausstellungskatalog München, Staatl. Graphische Slg. (München 1999) Kat. 7 Abb. 6: S. Deswarte-Rosa, Les gravures de monuments antiques d’Antonio Salamanca, à l’origine du Speculum Romanae Magnificentiae, Annali di architettura 1, 1989, Abb. 2 Abb. 7: M. Bevilacqua (Hrsg.), Nolli, Vasi, Piranesi. Immagine di Roma Antica e Moderna. Rappresentare e conoscere la metropoli dei lumi. Ausstellungskatalog Rom (Rom 2004) Abb. 8 Abb. 8: E. Dupérac, Le antiche rovine di Roma nei disegni di Dupérac, mit einer Einleitung von R. Wittkower (Mailand 1990) Taf. 29f. Abb. 9: M. Bevilacqua (Hrsg.), Nolli, Vasi, Piranesi. Immagine di Roma Antica e Moderna. Rappresentare e conoscere la metropoli dei lumi. Ausstellungskatalog Rom (Rom 2004) Abb. 7
Tafelnachweis Taf. 12: B. Buberl (Hrsg.), Roma Antica. Römische Ruinen in der italienischen Kunst des 18. Jahrhunderts. Ausstellungskatalog Dortmund (München 1994) 184 Abb. 69
36
Frau von Staël’s Corinna oder Italien, aus dem Französischen übertragen von M. Bock, mit einem Vorwort von Fr. Spielhagen (Leipzig o.J.) 366; K. W. Forster, Wandlungen des Rom-Bildes um 1800, in: Stil und Überlieferung in der Kunst des Abendlandes I. Akten des 21. Kongresses für Kunstgeschichte, Bonn 1964 (Berlin 1967) 212.
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Joachim du Bellays Architekturen des Imaginären
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„Les Antiquitez de Rome“ oder Reflexionen auf Ruinen: Joachim du Bellays Architekturen des Imaginären A n g el i k a C o r bi n eau - Ho f f ma nn
Die Zeichenschrift der Vergängnis […] ist wirklich gegenwärtig als Ruine. Walter Benjamin
Mit den Worten: „Le plan de Rome est la carte du monde“ endet eines der Sonette aus du Bellays Zyklus „Les Antiquitez de Rome“1 – wer Rom durchstreift, erfährt die Welt. Per Analogie stellt sich auch ein Autor, der Rom zu seinem Thema macht, eine Aufgabe von mondialen Ausmaßen. Wenn für du Bellay diese Stadt zugleich die Welt, ihr Plan die Weltkarte ist, steht sein Sonettzyklus unter einem Totalitätsanspruch, dem die seinerzeit noch junge Literatur französischer Sprache kaum gewachsen sein kann – ein Dante ist ihr nicht gegeben, der die Weltkreise durchwandert hätte. Was zumeist (wie auch hier) als „Antiquitez de Rome“ bezeichnet wird, meint genauer „Le premier livre des Antiquitez de Rome“,2 mithin einen Anfang nur, dem ein zweites Buch nicht mehr folgen sollte. Wo der Plan des Werkes mangels einschlägiger Zeugnisse nicht fassbar ist, offenbart der Titel aber zumindest eines: die formale Fragmentarität der „Antiquitez“, der auf inhaltlicher Seite die Ruinen des alten Rom ideal zu entsprechen scheinen: Text und Thema sind verknüpft und miteinander verwoben, so wie es der Text-Begriff (aus lat. texere, weben) seiner Herkunft nach verlangt. Müsste eine hypertrophierte Ästhetik der Nachahmung postulieren, dass der Sonettzyklus seinerseits das illustrieren oder gar sein sollte, was Rom wurde: Ruine? Oder wäre die umgekehrte Lesart adäquat, die zunächst in der festen Form des Sonetts, sodann in der poetischen und gedanklichen Fügung des Zyklus und schließlich in der gedachten Totalität des Buches ein Gegengewicht zu den erudierten Ruinen Roms zu erkennen glaubt? Tertium non datur, so scheint es. Und doch: Erweist sich möglicherweise am Ende die Alternative selbst als ebenso unpassend wie unzureichend, weil sie dort Ausschließlichkeiten konzipiert, wo in Wirklichkeit Übergänge stattfinden? 1
2
Im Folgenden zitiert nach der Ausgabe Œuvres poétiques II, krit. ed. von D. Aris – F. Joukowsky, Recueils romains (Paris 1996). Vollständiger Titel: J. du Bellay, Le premier livre des Antiquitez de Rome: contenant une generale description de sa grandeur et comme une deploration de sa ruine (Paris 1558).
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Der sicherste Weg zur Antwort auf diese Fragen scheint durch den Stadtplan von Rom zu führen, du Bellay zufolge die Karte der Welt. Doch das Durchschreiten des Ortes allein dürfte kaum das Stadium der Antworten erreichen. So wie du Bellays Beschreibungen der römischen Altertümer, als Anhang oder Aemulatio, einen Traum von Rom, den „Songe“, enthalten, muss auch die äußere, topografische Karte mit einer anderen unterlegt werden, jener nämlich, die den Grundriss eines Innenraumes beschreibt. Diese Überlagerung, gleichsam eine topografische Variante des Palimpsests, führt weiter zu dem hypothetischen Gedanken einer Kombinatorik, die bei Gesehenem und Geträumtem, bei Rom und der Welt nicht Halt macht. Immer wieder wird Rom – je nach Perspektive – unterlaufen oder überhöht, indem es nicht allein für sich, auch nicht bloß für die Welt steht, sondern als Exempel für die Einsicht in höhere Gesetzmäßigkeiten der Geschichte dient. Rom wird zum Ort poetischer Reflexion, und deren Gang führt nicht nur durch die Stadt, sondern auch in den von ihr repräsentierten Weltkreis hinaus. Das einstige Zentrum des römischen Reiches gewinnt an Raum durch die Vervielfältigung der Perspektive und deren Kombinationen; deshalb kann Rom in seiner spezifischen Eigenart beschrieben werden, darum auch kann es immer wieder seine grundsätzliche Alterität gegenüber vorgefertigten Bildern behaupten. So erscheint der Weg zu den Antworten schon jetzt als mäandrisch und ruft, bei einem ‚antikisierenden‘ Thema, nach nicht nur modernen, sondern gar postmodernen Zugängen, kurz: es bedarf des Zusammenschlusses des Alten mit dem Neuen, um die Dimensionen und Implikationen jener komplexen Kartierung zu erschließen, die du Bellay an und mit Rom vornimmt. Die Begegnung mit Rom fordert zur Orientierung die Karte ein – doch ist es die Karte als Beschreibung des Ortes (Topo-grafie) oder nicht vielmehr ein ‚mental map‘, Kartierung im Geiste und Konstruktion des Ortes im Innenraum der Imagination? Oder muss auch hier die Regel vom ausgeschlossenen Dritten ausgehebelt werden, damit der Reichtum Roms im literarischen Bauplan du Bellays zur Anschauung kommen kann? Der Begriff ‚Anschauung‘ im optischen Sinne, untersetzt durch eine Fülle von Verben des Sehens im Text der „Antiquitez“ ebenso wie im „Songe“, führt freilich in eine Sackgasse, denn nichts liegt dem Autor ferner als der Versuch, Rom zu visualisieren und ein konkretes Bild der Stadt zu entwerfen: du Bellay ist kein poeta pittore.3 Nicht die Zweidimensionalität des Abbildes, sondern die räumliche Tiefenwirkung eines gigantischen Gebäudes, einer kühn konzipierten Stadt-Architektur ist das ambitionierte Ziel dieses Zyklus von Sonetten. Statt eines ‚Bildners‘ ist du Bellay Visionär. Die „Antiquitez de Rome“, als Titel durchaus für ein Ansichtswerk taugend, erstellen nach dem Plan des Verfassers einen eigenen Rom-Entwurf aus durchaus anderen ‚Ansichten‘, denn Roms Altertümer waren in Bild und Anschauung gegen3
Insofern gehe ich nicht mit M. Quainton konform (vgl. „Morte peinture et vivante peinture“, in: „Les Antiquitez de Rome“ und „Les regrets“, Renaissance Studies 3, 2, 1989, 167–177); seine Hinweise auf die Statik und Räumlichkeit der genannten Zyklen du Bellays decken sich mit meinem Ansatz, der die ‚Architektur‘ indes anders begründet und ableitet.
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wärtig. Was vom antiken Rom noch übrig war, hatten opulente Ansichtswerke zusammengefasst und festgehalten: so zum Beispiel Bartolomeo Marlianis „Topographia antiquae Romae“, von der Rabelais 1534 in Lyon eine Ausgabe publiziert und dem Kardinal Jean du Bellay gewidmet hatte – eben jenem Onkel des Dichters, mit dem Joachim nach Rom reisen sollte; 1549 erschien Lucio Faunos „De antiquitatibus urbis Romae“,4 und 1554, nur zwei Jahre später, veröffentlichte Andrea Palladio „Le Antichità di Roma“; 1557 dann wurden Dupéracs „Vestigi dell’antichità di Roma“ publiziert: An Bildern römischer Altertümer herrschte mithin kein Mangel.5 Durch eine pikturale Darstellungsweise mit ihnen zu konkurrieren oder sie nach emblematischer Tradition durch subscriptiones zu ergänzen liegt nicht in der Absicht du Bellays. Indem er visuelle Konkretheit ebenso vermeidet wie optische Anschaulichkeit, setzt er, Rom bedichtend, einen anderen und ganz eigenen Akzent. Entsprechend ungeeignet, ante litteram der aktuellen Diskussion um Bilder und Texte Nahrung zu geben, könnte du Bellay in den „Antiquitez de Rome“ gleichwohl ältere Traditionen aufnehmen: Reiht er sich, bruchlos oder spannungsreich, in die Tradition der Ekphrasis ein, ist es sein Ziel, Roms Ruhm durch eine Stadt-Laudatio zu mehren, fügt er den zahlreichen Sonett-Zyklen, die der Petrarkismus hervorbrachte, einen weiteren mit nunmehr anderer Thematik hinzu? All das und doch mehr als das. Mit seiner Darstellung der Ruinen nimmt du Bellay vorweg, was erst etwa zweihundert Jahre später als Thema in die Literatur eingehen sollte,6 und die Reflexionskomponente seines Sonettzyklus greift weit über das hinaus, was als ‚pensare‘ – Erinnerung, liebendes Angedenken, auch Reminiszenz an die MelancholieTradition – in Petrarcas „Rime“ Spuren tiefer Gedanklichkeit hinterlässt. Gegen die Ut-pictura-poesis-Tradition, die ‚Bildwerdung‘ der Literatur, setzt du Bellay die Literarisierung des Bildes: Erst durch die spezifischen Leistungen der Literatur und die Möglichkeit des Mediums ‚Sprache‘ wird Rom hervorgebracht, sein ‚Bild‘ ist Sprachund Gedankenbild. Dies wollen die kommenden Darlegungen zeigen. Zu beginnen ist mit den Anfängen, so wie sie der Biografie des Autors zu entnehmen sind. Auf Einladung seines Onkels7 war Joachim du Bellay 1553 nach Rom gekommen8 – in einer für ihn finanziell und psychologisch höchst prekären Situation, so dass die Möglichkeit, bei Jean du Bellay, der als Kardinal in Diensten der Kurie stand, das Amt des Sekretärs und Verwalters zu übernehmen, eine Chance und einen 4
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1553 wurde das Werk unter dem Titel „Compendio di Roma antica“ ins Italienische übersetzt, bereits 1552 war es in einer verkürzten Version erschienen: ein Bestseller der Zeit … Genaueres bei V. Heenes, Antike in Bildern. Illustrationen in antiquarischen Werken des 16. und 17. Jahrhunderts (Stendal 2003) bes. Kap. III und IV; siehe auch hier die Beiträge Meier, Gampp, Wulf-Rheidt. Hierauf verweist schon H. Chamard, Joachim du Bellay, 1522–1560 (Lille 1900; Reprint Genève 1969) 298. Der Kardinal Jean du Bellay war ein Cousin des Vaters unseres Dichters. Zu den Einzelheiten des römischen Aufenthaltes von du Bellay vgl. Chamard (Anm. 6) 300–357.
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Ausweg bot. Doch die römische Zeit mit ihren für du Bellay so ungewohnten wie ärgerlichen Aufgaben im Dienste des Kardinals sollte schließlich zu einer Belastung werden, und das vorzeitige Ende im Jahr 1557, vermutlich bedingt durch die Affäre mit einer verheirateten Römerin,9 sicher aber mit herbeigeführt durch fortwährendes Heimweh, wirft auf den Rom-Aufenthalt insgesamt ein keineswegs heiteres Licht. Zeitgleich mit den „Antiquitez de Rome“ entstehen die „Regrets“,10 eine Folge lyrisierter Klagen, die zum Persönlichsten gehören, was die Literatur des 16. Jahrhunderts in Frankreich hervorbrachte. Als beide Zyklen 1558 erscheinen, ist du Bellay, der Rom 1557 verließ, bereits wieder in Frankreich. Was in den „Antiquitez“ konkret von Rom genannt wird, ist schnell resümiert: „arcs“ ([Triumph]-Bögen), „vieux murs“, die sieben Hügel, der Tiber, vor allem aber die „sainctes ruines“ (VII, 1). Rom, dem jede topografische Präzision fehlt, ist eine Örtlichkeit ohne Ort: Kein Bauwerk wird individuell benannt, keine bestimmte Perspektive angegeben. Anders als Petrarca, der, auf den Diokletians-Thermen stehend, eine Gesamtschau von Rom entworfen hatte,11 hat du Bellay keinen konkret-topografischen Standort – wohl aber einen Standpunkt im Sinne einer gedanklichen oder, neutral verstanden, ‚ideologischen‘ Position: Die Stadt wird topologisch. Indem Rom seine äußeren Konturen verliert, gewinnt es an innerer Prägnanz, denn nunmehr wird es zum Exempel und lässt alles Topografische hinter sich, um Ort (in) einer Gedankenwelt zu sein. Die zitierte Maxime, der zufolge der Plan von Rom die Karte der Welt sei, ist nicht nur als Reminiszenz an die antike Größe Roms zu verstehen, ist nicht bloße Wiederaufnahme der Vorstellung, die Stadt (urbs) sei zugleich der Weltkreis (orbis), sondern fasst den Gedanken in sich, dass ein Verstehen dieser Stadt ipso facto ein Verstehen der Welt bedeutet. Man ahnt die Größe des Entwurfs; doch kann dieses Verstehen tatsächlich aus der Anschauung der römischen Altertümer hervorgehen? Gleich zu Beginn des Zyklus zeigt sich, dass die „Antiquitez de Rome“ nicht minder Klang, Stimme sind, als (Gedanken-)Bild.12 Da du Bellay seine Sonette alternierend in zwei Metren schrieb, dem Elfsilbler und dem Alexandriner,13 entsteht eine Entsprechung der geraden Sonette in Elfsilblern und den ungeraden in Alexandrinern. Die Erstausgabe von 1558 trug dieser Besonderheit dadurch Rechnung, dass sie
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Eine „Faustina“ wird in den meisten Gedichten der „Amores“ besungen, die wahrscheinlich 1559 entstanden sind und erstmals 1568 veröffentlicht wurden. Hier sind auch einige Rom-Gedichte enthalten, die im Unterschied zu den „Antiquitez“ das zeitgenössische Rom, nicht selten in satirischer Form, darstellen; vgl. bes. 10. 82–85. 107 und, an Ronsard gerichtet, 181. Es handelt sich um einen Brief an Giovanni Colonna vom 13. November 1337; vgl. F. Petrarca, Opere, I–II (Firenze 1975) bes. I, 480–485. In der Einleitung zur genannten Ausgabe der „Antiquitez“ wird mit Recht auf den „caractère oral de cette poèsie“ hingewiesen (S. XXIV). Vgl. hierzu M.-M. Fontaine, Le système des Antiquitez de du Bellay: L’alternance entre dècasyllables et alexandrins dans un recueil de sonnets, in: Y. Bellenger (Hrsg.), Le sonnet à la Renaissance. Des origines aux XVIIème siècle (Paris 1988) 67–81.
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jeweils vier Sonette auf einer Doppelseite anordnete: die ungeraden oben, die geraden unten. Die „Antiquitez“ erfordern folglich eine doppelte Lesart, die nicht nur numerisch den Stücken folgt, sondern auch deren Anordnung nach Metren respektiert, die mithin einerseits horizontal, andererseits vertikal vorgeht. Entsprechend werden mehr textuelle Bezüge möglich als bei einschichtig-diskursiver Lektüre. An wenigen Beispielen kann dies veranschaulicht werden: Die Sonette I und III sind ein Appell – an die „divins esprits“ der römischen Antike einerseits, den „nouveau venu“, den Fremden aus der Gegenwart, auf der anderen Seite; sie kombinieren gleichsam das Alte mit dem Neuen. Wen die „göttlichen Geister“ aus dem ersten Sonett bezeichnen, bestimmt der Text nicht mit letzter Genauigkeit – es dürften jedoch die alten Dichter sein, die, längst zu Staub zerfallen, in ihren „beaux vers“ weiterleben. Sie soll, wenn irgend möglich, der Appell des neuen Dichters erreichen, der sie in der magischen Dreizahl herbeiruft und mit einer „saincte horreur“, gleichsam dem Erschaudern vor ihrer Größe, nunmehr ihren Ruhm besingen wird. Sonett III hingegen14 wendet sich appellativ an den Neuankömmling in Rom, der „Rom in Rom“ sucht und in Rom nichts von Rom erblickt. Wenn der Name Rom neunmal (=3x3 Mal entsprechend der Position des Textes im Zyklus) genannt wird, zeigt sich darin weniger eine erneute Beschwörung als vielmehr im Gegenteil eine wiederholte Desillusion: das reale Rom entspricht nicht dem Bild, das der Fremde von ihm hatte und das nun, mit dem tatsächlichen Ort konfrontiert, in sich zusammenfällt, gewissermaßen seinerseits zur Ruine wird. Und doch garantiert die Gleichheit des Namens bei allen Unterschieden seiner ‚Füllung‘ eine zumindest gedachte Identität des Ortes – freilich nicht mehr des Ortes in seinem konkreten Erscheinungsbild, das sich auf „vieux palais“, „vieux arcs“ und „vieux murs“ reduziert. Wenn ein so sprachmächtiger Dichter wie du Bellay hier dreimal (wie in der Evokation der „divins esprits“) dasselbe Epitheton verwendet, dürfte dies kein dichterisches Unvermögen, sondern eine dezidierte Entscheidung sein: Wäre dieses ‚Alte‘ der Architektur Anstoß für die Dichtung ähnlich dem Vorbild der alten Dichter, die das sprechende Ich aus dem Grabe herbeizurufen versucht? Sollen auch die alten Bauwerke wiedererstehen? Indem der Text Analogien aufbaut, findet er gleichsam Pfade durch Rom oder auch solche Wege, die von der Antike in die Moderne führen, hin zu jenem, der hier, als spätgekommener, spricht. Es würde zu weit führen, alle Entsprechungen aufzuführen, die sich durch die Positionierung der geraden und ungeraden Sonette ergeben. Zur Veranschaulichung der hierin enthaltenen poetischen Möglichkeiten sei nur noch auf die Verbindung von II und IV hingewiesen. Während in II die sieben Weltwunder aufgezählt und am Ende mit dem ausdrücklichen Hinweis auf den eigenen ‚Gesang‘ durch die sieben Hügel Roms ersetzt werden, kehrt Sonett IV die Perspektive um: Ein um den Ruhm 14
Es handelt sich bei diesem berühmten Gedicht um eine Übersetzung aus dem Lateinischen des Janus Vitalis. Genaueres zu Text und Autor bei R. Mortier, La poètique des ruines en France. Ses origines, ses variations de la Renaissance à Victor Hugo (Genève 1974) 46–59.
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der Götter besorgter Jupiter habe Rom unter jenen Hügeln begraben, die nunmehr nichts anderes seien als die Grabstätten der Größe, „tumbeaux de la grandeur qui le ciel menassoit“. Aus den Grabhügeln freilich entsteht, indem sie auf den Kopf, den Magen, den Bauch und die vier Gliedmaßen gesetzt werden, die Gestalt eines schlafenden Riesen. Diesem nun sieht sich das ‚Ich‘ gegenüber; ihn aus dem Schlaf zu wecken ist Aufgabe der „Antiquitez de Rome“; man erkennt erneut die Bedeutung der dichterischen Stimme im Sinne einer magischen Beschwörung. Rom ist im Zyklus der „Antiquitez“ nicht Abbild seiner konkreten Erscheinungsweise, sondern Gedankenbild oder Reflexionsraum. Was sich beim Anblick Roms im Betrachter vollzieht, zeichnet Stück V nach: Qui voudra voir tout ce qu’ont peu nature, L’art et le ciel (Rome) te vienne voir: J’entens s’il peult ta grandeur concevoir Par ce qui n’est que ta morte peinture.
Das zweimalige ‚voir‘ in Zeile eins und zwei wird durch die Verwendung von „j’entends“ („ich verstehe darunter“) je nach Perspektive spezifiziert oder aufgehoben, denn das ‚Sehen‘ führt zu einem verwandten, aber trotzdem verschiedenen Verb: „concevoir“ – sich vorstellen, konzipieren. Was zunächst wie ein unmittelbarer optischer Eindruck anmutet, gerät zu einem imagotypen Prozess der Vorstellungskraft, der, ausgehend von dem „toten Bild“ und durch dieses erst recht eigentlich initiiert, Roms Größe als inneres Bild hervorbringt. Dass ein solcher Vorgang nicht der bloßen Imagination entspringt, sondern seinen Ausgang nimmt von der Literatur, lassen die Zeilen des zweiten Terzetts erkennen: Mais ses escripts qui son loz le plus beau Malgré le temps arrachent du tumbeau, Font son idole errer parmy le monde.
Das Bild Roms („idole“) kann sich deshalb in der Welt bewegen, weil es in den Schriften lobend erwähnt wird; durch die Literatur vollzieht sich eine Art Wiederbelebung des römischen Leichnams („corps“ in Zeile 9). Architektur und Literatur, beide auf ihre Weise Künste des Bewahrens, „ziehen“ (mit du Bellay: „tirer“ und „arracher“) Rom aus dem Grab, und das verwandte Sonett VII variiert das Thema: Entgegen der wiederholten Verwendung von ‚alt‘ in Stück III erhalten die Hügel und die Ruinen hier das Epitheton ‚sacré‘ bzw. ‚saint‘ und scheinen damit auf einen religiösen, möglicherweise schon christlich geprägten „Himmel“ zu verweisen – wenn man bereits jetzt an den „Songe“ denkt, der in deutlicher Analogie zur Offenbarung des Johannes von Patmos gestaltet ist. Während in Stück VII die Architektur nobilitiert wird, scheint sich demgegenüber die Bedeutung der Literatur zu reduzieren: „Las peu à peu cendre vous devenez, / Fable du peuple, et publiques rapines!“ Dennoch bleibt Rom, zur „Fabel“ geworden, legendär, noch immer ist es, wenngleich am Rande der Zersetzung, ein Monument (in) der Sprache. Die Bedeutung dieses Sonetts, das die Ruinen veränderte und ihren Ruhm andeutete, wird am Ende auf das ‚Ich‘ bezogen: „Car si le
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temps finist chose si dure, / Il finira la peine que j’endure.“ Hier durchdringen sich die allgemeine, aus dem Anblick der Ruinen zu ziehende Maxime, dass die Zeit alles zerstört, mit dem Wissen oder zumindest der Hoffnung, damit komme auch das Leiden des Ich an sein Ende. Nur selten artikuliert sich in den „Antiquitez de Rome“ das Ich mit einer solchen, auch grammatisch gestützten Wendung in den Selbstbezug; statt dessen verbirgt es sich zumeist hinter den geäußerten Ansichten und Reflexionen, hiermit den Anspruch des Zyklus unterstreichend, am Spezifischen (hier dem ‚Bild‘ der römischen Ruinen) das (durch die Reflexion zu erschließende) Allgemeine aufzuweisen. Du Bellays Architekturen des Imaginären sind Gedankengebäude, in denen die Reflexion die spärlichen Reste Roms mit Deutungen versieht. Mittel, ‚Medium‘ für einen solchen Akt der Setzung von Signifikanz kann nur die Sprache sein, denn allein sie ist in der Lage, Nicht-Sichtbares zu schildern. Die zahlreichen autopoetischen Hinweise auf Sprache und Klang gipfeln in Sonett XXV, als nämlich vom sprechenden Ich beklagt wird, es habe nicht die Harfe des Orpheus, um jene großen Toten wieder auf die Erde zu holen, die einst Rom errichteten; auch verfügt es nicht über die Harfe Amphions, die Theben erbaute. So kann er die alten Gemäuer ebenso wenig „d’un accord plus heureux“ beleben, wie er, ein Modell „irgendeines großen Vergils“ zum Vorbild nehmend, das Aussehen der Paläste, ihr „Porträt“, festhalten könne: „J’entreprendrois“, fährt er fort, „veu l’ardeur qui m’allume / De rebastir au compas de ma plume / Ce que les mains ne peuvent maçonner.“ Was die Hände nicht „mauern“ können, müsste, von der Feder gesteuert, wieder aufzubauen sein: im Konditional und ohne den Anspruch formuliert, eine solche Rekonstruktion tatsächlich vornehmen zu wollen. Zwar verhindert der elegische Ton des Gedichts, dass dieses Ziel konkret benannt wird, ein mehr oder minder irrealer Wunsch lässt sich gleichwohl daraus ablesen. Wenn auch der Wiederaufbau Roms als reale Architektur nicht gelingen kann, erhält dadurch gleichwohl der Versuch einer idealen, gedanklichen Architektur der Stadt (und des Zyklus) die größtmögliche Beglaubigung. Doch woraus besteht ein solches gigantisches Gedankengebäude? Da von der antiken Stadt nur Ruinen blieben, steht kaum konkretes ‚Baumaterial‘ zur Verfügung. Dass du Bellay nur wenige Konkreta Roms benennt, kann als Hinweis darauf gelesen werden, wie wenig vom antiken Rom damals überhaupt nur sichtbar war15 – und die Ausgrabungen der Archäologie hatten damals, um die Mitte des 16. Jahrhunderts, noch gar nicht begonnen. Von den Sonetten des Zyklus enthält vor allem eines relativ zahlreiche Hinweise auf die Reste Roms, und genau dieses Stück ist es auch, das die Funktion der Ruinen ausdrücklich bezeichnet: Toy qui de Rome emerveillé contemples L’ antique orgueil, qui menassoit les cieux, Ces vieux palais, ces monts audacieux, Ces murs, ces arcs, ces thermes, et ces temples 15
Vgl. hierzu P. M. Martin, Les Rome de Joachim du Bellay, à travers les „Antiquitez de Rome“ et les „Regrets“, EtCl 51, 1983, 133–150. bes. 137f.
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Juge, en voyant ces ruines si amples, Ce qu’ a rongé le temps injurieux, Puis qu’aux ouvriers les plus industrieux Ces vieux fragmens encore servent d’exemples.
An diesen ‚üppigen‘ („amples“) Ruinen kommt zur Anschauung, wie sehr die Zeit an den Gebäuden ‚nagte‘ („ronger“), was folglich im Vergleich zum Erhaltenen verloren ging. Das Bewahrte aber bildet ein Beispiel – sicher nicht nur für die Arbeiter, die sich die alten Architekturen zum Vorbild nehmen, um Rom neu zu erbauen, sondern auch für den Dichter, der aus dem Anblick der Ruinen Schlüsse zieht und Gesetze ableitet. Wenn er in Rom die „grandeur du rien“ konzipiert, begeht er zwar logisch einen Fehler, denn das Nichts kann nicht groß sein; doch ein solcher beckmesserischer Einwand zeigt gerade die Besonderheit des Entwurfs. Dort Größe zu sehen, wo nichts (oder: das Nichts) ist, kann nicht durch das Auge, sondern nur durch die Imagination gelingen, und um in Roms Geschichte Exemplarisches zu erkennen, bedarf es weniger der Vorstellungskraft als der gedanklichen Durchdringung des Gegenstandes. Wenn Rom bei du Bellay zum Exempel wird, setzt ein Erkenntnisprozess ein, der vom Spezifischen ausgehend das Allgemeine erschließt. Gleich das dem oben zitierten folgende Sonett (XXVIII) bringt diesen Prozess zur Evidenz: Aus der Beschreibung einer alten, vertrockneten Eiche, die schon nicht mehr aufrecht, sondern ganz schräg steht, ihre frei liegenden Wurzeln zeigt und beim nächsten Windstoß fällt, wird der Schluss gezogen, dass gerade und allein das Alte Verehrung genießt: die umstehenden jungen Bäume können sich nicht messen mit der Reverenz, die dem alten erwiesen wird. Von Rom ist zwar in diesem Sonett nicht die Rede, dessen Beispielhaftigkeit aber folgt aus demselben Gedanken, und auch ohne Nennung des Namens Rom ist klar, dass von ihm die Rede ist. An dieser Stelle – aber nicht nur hier – bestätigt sich die Bedeutung des Makrotextes, der Kontexte schafft für das Verständnis der einzelnen Sonette. Weil sich das, was in Rom zur Anschauung kommt, nicht auf Rom beschränkt, kann der Zyklus den Anspruch erheben, an der Stadt Allgemeines aufzuweisen. Dem Totalitätsanspruch Roms folgend, entwirft Sonett XXIX das Imaginationsbild dessen, was man in Rom sehen konnte: Tout ce qu’Athene eut onques de sagesse, Tout ce qu’Asie eut onques de richesse, Tout ce qu’Afrique eut onques de nouveau S’est vue icy. Ô merveille profonde! Rome vivant fut l’ornement du monde, Et morte elle du monde le tumbeau.
Wie das wiederholte ‚tout‘ suggeriert, wird Rom als Totalität verstanden, in dessen Mauern die Leistungen der Provinzen Eingang fanden: Hier kam gleichsam die Welt zusammen, in jener „Ville ancienne / Dont la grandeur le ciel mesme estonna“ (v. 7–8). Weil Rom eine Welt war, kann auch deren Grab nichts anderes sein als die
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Stätte der Bestattung der Welt; selbst im Tod bewahrt die Stadt ihre Größe. Der den Zyklus beherrschende Gedanke vom Ende und Verfall wird im letzten Sonett seinem Höhepunkt, aber auch seiner Überwindung zugeführt. Als Anrede an die eigenen Verse („mes vers“) formuliert, findet die Frage Ausdruck, ob das „Werk einer Lyra“ Unsterblichkeit erlangen könne? Gäbe es, so das ‚Ich‘ weiter, unter dem Himmel überhaupt Ewigkeit, so hätten die Monumente, die der Dichter in Versen besang und die eben nicht aus Papier, sondern aus Marmor und Porphyr waren, ihre „vive antiquité“ bewahrt, ihr „lebendiges Altertum“. Am Ende kommt das ‚Ich‘ auf den Titel seines Werkes zurück und verbindet den Gedanken daran mit der Gewissheit, der erste Franzose gewesen zu sein, der „l’antique honneur du peuple à longue robbe“ besang. Noch einmal fällt das Wort ‚antik‘, um aus dem ‚Altertum‘ die Dauer, das Überleben abzuleiten. Das römische Altertum verweist exemplarisch oder hier eher: symbolisch auf jene Zeiten voraus, da auch der Zyklus ‚alt‘ sein wird, doch so wenig wie die Ruinen Roms dem Vergessen anheim fallen soll. Da die römischen Altertümer der Geschichte widerstanden, ist auch der Gedanke, die „Antiquitez de Rome“ möchten die Zeiten überdauern, nicht utopisch. Weniger die Übereinstimmung von Thema und Text legimitiert diese Quasi-Gewissheit als vielmehr jene vielfach benannte Stabilität der Gedankenarchitektur, die du Bellay seinem Zyklus verleiht. Dass sie zugleich in die Zukunft weist, als Reflex der Realität allein nicht zu ihrer eigentlichen Ausprägung gelangt, zeigt der den „Antiquitez“ angefügte „Songe“. Dieser weitere Zyklus ist eine einzige, groß angelegte, mit dem Erwachen endende Traumsequenz, deren 15 Sonette jeweils einzelne Träume enthalten. Wenn diese Traumbilder mehrfach mit der Formel „je vis“ beginnen, ist ein anderes Sehen gemeint als jenes, das in den „Antiquitez“ die trümmerhaften Relikte Roms ausspähte. Das ‚Sehen‘ des „Songe“ ist vielmehr eine innere Schau, jener ähnlich, die das Vorbild, die Apokalypse des Johannes von Patmos, auszeichnet. Im Zentrum dieses im höchsten Maße visionären Textes steht ebenfalls eine Stadt – nicht das mächtige Rom, sondern himmlische Jerusalem. Dessen Bilder zu Rom in Relation zu setzen zeugt von einer fast anmaßenden Kühnheit. Die Zerstörung Roms wird damit in Analogie zu jener Zerstörung gesehen, die nach christlicher Auffassung der Welt zustoßen muss, damit das Reich Gottes kommen kann. Man sieht, dass ein solcher Entwurf der Einkleidung des Traumes bedarf, um sich nicht dem Vorwurf der Häresie auszusetzen. Bei der Darstellung dessen, was sich in den Träumen ereignet, bildet auch weiterhin Rom die Basis; schon in Sonett I erscheint „über dem Ufer des großen römischen Stroms“ ein Dämon, der das ‚Ich‘ beim Namen ruft und es auffordert, gen Himmel zu sehen. Nicht mehr, wie in der Perspektive der „Antiquitez“, ist es allein der Tiber, der im allgemeinen Verfall der Zeit widersteht16 – jetzt ist, in der „mondaine incon-
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Sonett III, analysiert oben S. 163.
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stance“, Gott der einzige, der „au temps fait résistence“. Der „Songe“ erscheint, wie die Szene am Tiber suggeriert, als Sublimierung der „Antiquitez“ oder aber als Transposition der Ruinen-Thematik auf eine andere Sinnebene. Wenn in Stück II des „Songe“ eine Stadt, die unverkennbar dem himmlischen Jerusalem nachgebildet ist, bis auf die Fundamente zerstört wird, soll dies zwar, wie der Ausruf „O vanité du monde!“ signalisiert, die Unbeständigkeit der Welt zum Ausdruck bringen, beweist aber viel eher, dass die Imagination, durch den Traum aliminiert (oder überhaupt erst legitimiert), bei der Gewalt ihrer Visionen keine Grenzen kennt. Nicht mehr der Verfall Roms und dessen durch die Reflexion gewonnene Beispielhaftigkeit ist hier das Thema, sondern eine allgemeine Bedrohung der Welt, die ihren Widerpart in der Konstanz der dichterischen Sprache findet und dadurch ihre Auflösung erfährt, dass sie sich letztlich eben nur als ein Traum herausstellt. Der Stabilität des Gedankengebäudes, so wie es in den „Antiquitez“ errichtet worden war, setzt du Bellay im „Songe“ das Werden und Vergehen von Visionen entgegen, deren gemeinsamer Grund darin besteht „[d]’une soudaine chute estre reduict en pouldre“ (IV, 14). Während in den „Antiquitez“, dem Gründungsmythos Roms entsprechend, die Wölfin Romulus und Remus säugt, erscheint sie im „Songe“ als ein Raubtier, das Herdentiere reißt und seinerseits Opfer einer Parforcejagd wird. Die Vision setzt sich mit dem Bild des sterbenden Tieres fort, dessen Fell schließlich von einem alten Ast herabhängt – Reminiszenz an jene knorrige Eiche, der in den „Antiquitez“ die Verehrung galt? Aus den Ansichten der Wirklichkeit entstanden in den „Antiquitez“ Anstöße für die Reflexion; im „Songe“ wird das dort Entwickelte transzendiert und, was bildhaft ist, durch die Vision überboten. Weil jeder Traum endet, lösen sich die Bilder des „Songe“ im Wachzustand wieder auf, und so gilt auch, dass Rom am Schluss eines solchen Traumbildes verschwindet. Da es sich zumeist um traumatische Bilder handelt, bedeutet das Ende des Traumes eine Erlösung des Träumenden, impliziert aber notwendigerweise auch, dass jene Bilder ihrer Natur nach keinen Bestand haben. Rom wird ein zweites Mal zerstört, diesmal ohne Ruinen zu hinterlassen. Im „Songe“ ist das Ende eines jeden Sonettes zugleich das Ende des Traumes und mithin totale Auflösung dessen, was dem ‚Ich‘ im Traum erschienen war. Ein Beispiel genügt, um dieses destruierende Verfahren, beschreibbar als ein Akt der Annihilation, zu veranschaulichen. Je vis un frier Torrent, dont les flots escumeux Rongeoient les fondemens d’une ville ruine: Je le vy tout couvert d’une obscure bruine, Qui s’eslevoit par l’air en tourbillons fumeux: Don’t se formoit un corps à sept chefs merveilleux, Qui villes et chasteaux couvoit sous sa poitrine, Et sembloit dévorer d’une egale rapine Les plus doulx animaux, et les plus orgeuilleux.
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J’estois esmerveillé de voir ce monstre enorme Changer de cent façons son effroyable forme, Lors que je vy sortir d’un antre Scythien Ce vent impetueux, qui souffle la froidure, Dissiper ces nuaux, et en si peu que rien S’esvanouir par l’air ceste horrible figure.
Sicherheit im ‚realistischen‘ oder topografischen Sinne ist mit diesem Text kaum gegeben, und doch mag der „Torrent“, durch die Majuskel selbst schon zum Namen geworden, den Tiber bezeichnen, die „ville ruine“ Rom. Der Körper mit sieben Köpfen, als die antike Hydra oder das siebenköpfige Monstrum aus der Apokalypse interpretierbar, kann aber auch auf die Stadt mit den sieben Hügeln bezogen werden, die ihre nähere und weitere Umgebung ‚verschlang‘ und dem Weltreich einverleibte, und der aus dem Norden kommende Wind, der die „horrible figure“ auflöst, könnte auf das Ende des weströmischen Reiches durch die Einfälle der germanischen Völker hinweisen. Am Schluss der Stücke fällt das Ende der Vision mit dem Ende des Traumes zusammen, so dass jenes Erwachen, mit dem die gesamte Sequenz des „Songe“ endet, schon vorher vielfach vorweggenommen worden war. Können die Reflexionen auf Ruinen grundsätzlich ohne Beschränkung fortgeführt werden, kommen die Träume durch den Wachzustand zu ihrem Ende. Insofern stehen die „Antiquitez“ im Zeichen zumindest virtuellen Fortlebens, während der „Songe“ schon seinem Verlauf nach das (auch: eigene) Ende impliziert. Aus der Betrachtung des „Songe“ ein Fazit zu ziehen fällt nicht leicht, denn die hier thematisierte allgemeine Zerstörung müsste schließlich auch erfassen, was von Rom – als Ruine – noch blieb. Doch die Destruktionen ereignen sich nur im Traum und sind mithin für die Wahrnehmung der Realität nicht verbindlich. Sie aber deshalb zur quantité négligeable zu erklären dürfte in Anbetracht der visionären Kraft, mit der die Sonette des „Songe“ sie schildern, kaum überzeugen. Das sich hier abzeichnende Dilemma der Deutung wird geringer, wenn man den „Songe“ als Fortschreibung der „Antiquitez“ auffasst. Deren gedankliche Konstruktionen gehen in labile Bilder ein, die, zu Traumvisionen transformiert, das Thema der Zerstörung noch auf weitaus kühnere Weise konzipieren und literarisch umsetzen als die noch im römischen Stadtraum angesiedelten „Antiquitez“. Der Architektur als Kunst des Raumes und der Dauer wächst als Gegenpart die fiktional agierende Literatur zu, deren Kompositionen in der Zeit situiert und deshalb deren Ende ausgesetzt sind. Das Besondere an du Bellays Zyklus, die Wendung in die Reflexion und folglich in die Innerlichkeit der Gedanken, findet im „Songe“ seine extreme Überhöhung und stößt damit zugleich an seine Grenzen. Haben die Gedanken über Roms Ruinen ein Fundament in der Wirklichkeit, das ihren Bestand garantiert, bewegen sich die Visionen in einem unsichtbaren Innenraum, dessen visionäres Potenzial mit der Faktizität seiner endlichen Auflösung erkauft ist. Indem du Bellay den Gedanken des Endes ins Extreme treibt, nimmt er ihm seine Konstanz oder anders gesagt: seine an der Deutung der Ruinen erkennbare Gesetzmäßigkeit. Wer sich wie du Bellay der Ekphrasis-
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Tradition entzieht, die römischen Altertümer nicht dem ‚Zeichenstift‘, sondern dem Gedankengang überantwortet, gelangt konsequent in jene andere Geistigkeit hinein, die nunmehr auf das Christentum und sein Heilsversprechen verweist. Diese ‚neue‘ Zeit Roms, von den „Antiquitez“ ausgespart, tritt in Idealkonkurrenz zur Größe des Imperium Romanum, doch sind beide, Gesetz des Traumes, nur flüchtiger Natur. Wenn solchen Visionen keine Dauer gegeben ist, führt der Zyklus in letzter Konsequenz doch wieder zu den römischen Altertümern mit ihren archäologischen Resten zurück. Aber durch den Rückblick vom „Songe“ auf die „Antiquitez“ wird man nun gewärtig, dass auch hier, wo die Geschichte zu herrschen schien, die Literatur am Werke war. Um ihr, der Zeitkunst, Dauer und Raum zu geben, war die Konstruktion des Zyklus nötig, denn nur durch die poetische Bauweise der Sonette und ihrer Verbindungen entstanden jene gedanklichen Architekturen, die im breiten Spektrum der Rom-Literatur bis heute einen eigenständigen Rang beanspruchen.17 Der befremdliche Befund, dass der Forschung diese Dimension der Rom-Anschauung du Bellays bisher verborgen blieb, obwohl die Struktur horizontaler und vertikaler Linienführung hierauf einen untrüglichen Hinweis gibt, mag es – neben der RuinenThematik – rechtfertigen, einen literarischen Text im Kontext archäologischer RomForschung vorzustellen, denn auch die Archäologie arbeitet (nicht zwangsläufig, aber oftmals) mit zwar verschütteten, aber deshalb nicht minder ‚sprechenden‘ Architekturen. Deren entsprechend dem Erhaltungsgrad ebenfalls auch imaginärer Charakter schließt bruchlos an du Bellays Architektur der Imagination an. Wie sehr auch diese, labil, der Zeit verfällt, wird erhellt aus dem Rückblick auf den Anfang der „Antiquitez“ nach dem Ende des „Songe“. Der für unsere Darstellung gewählte Titel erzwang bislang die Konzentration auf die „Antiquitez de Rome“, obwohl du Bellays Darstellung des antiken Rom sich hierin nicht erschöpft. Nachdem ihnen das Zentrum der Darstellung vorbehalten war, mag das nunmehr sich abzeichnende Ende unserer Überlegungen eine Erweiterung der Perspektive erlauben. In lateinischer Sprache schreibt du Bellay eine Elegie mit dem Titel „Romae descriptio“,18 und sie hält, was ihr Name verspricht. Als Laudatio beginnend – Lobgesang nicht auf Rom, sondern auf die „göttliche Marguerite“, die Königin Marguerite von Navarra, selbst Dichterin und Förderin der Musen – umfasst jener Anfang sogar einen selbstbewussten Hinweis auf du Bellays frühen Sonettzyklus „L’Olive“.19 Fast logisch folgt, dass auch die eigene Familie, in Person des Kardinals du Bellay, im Zeichen der „gloria“ präsentiert wird. In die Rede von Größe findet sich
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Diese Besonderheit wird von Mortier völlig verkannt, der du Bellay einen Beitrag zur ‚Poetik der Ruine‘ abspricht, ihn aber doch (warum?) in seiner gleichnamigen Studie behandelt; vgl. Mortier (Anm. 14) 60–68. Im Folgenden zitiert nach der Ausgabe J. du Bellay, Œuvres poétiques VII: Œuvres latines: Poemata, ed. von G. Demerson (Paris 1984) 36–44. Bellay (Anm. 18) Verse 8–10.
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auch das päpstliche Rom einbezogen – der Amtsträger selbst, die Herrlichkeit der pontifikalen Bauten. Gegenüber den „Antiquitez“ tritt hier ausdrücklich das aktuelle Rom in den Blick, während das antike schweigend übergangen wird: „Praetereo uastum lata testudine templum, / Quo cunctos coluit maxima Roma Deos.“20 Den Sitten des neuen Rom gilt vielmehr das Interesse, und du Bellay spart nicht mit Details: „Hic signa, hic strepitus uocesque, et nota uocantum / Sibila, nec tacitis gaudai mixta iocis.“21 Statt eine Beschreibung Roms unter topografischem Aspekt zu liefern, entwirft du Bellay das Bild einer Stadt unter zahlreichen Gesichtspunkten, dabei auch ausführlich die aus der Antike erhaltenen Bildwerke schildernd.22 Erst gegen Ende der Elegie erreicht du Bellay jene Perspektive, aus der sich die „Antiquitez“ alimentieren. Einer Beschreibung aller „Wunder“ der Stadt im Einzelnen müsste nicht nur, so du Bellay, seine Feder überfordern, sondern auch die erträgliche Lesezeit überschreiten. Es mag der Eintönigkeit der Laudatio, aber auch den Beschränkungen des Beschreibens geschuldet sein, dass du Bellay schließlich einen klagenden Ton anschlägt. Jetzt, am Ende der Elegie, entsteht eine Verbindung zum Zyklus der Sonette: Hic, ubi praeruptis nutantia columina saxis Descendunt caelo, maxima Roma fuit. Nunc iuuat excesas passim spectare columnas, Et passim ueterum templa sepulta Deum. Nunc Martis campum, thermas, circumque Forumque, Nunc septem Colleis et monumenta uirum.23
„Maxima Roma fuit“: Die Evokation Roms im Zeichen seiner eigenen Vergangenheit, mit der auch die Größe der Stadt schwand, knüpft an die Ruinen-Thematik der „Antiquitez“ an. Was Georg Simmel als charakteristisch für die Ruine angesehen hatte – dass nämlich die Natur sich zurückholt, was der Mensch ihr nahm24 – wird bei du Bellay zum Thema: Aspice ut has moleis, quondamque minantia Diuis Moenia luxurians herba situsque tegant.25
Einstmals zum Fürchten, wurden die großen Bauwerke, die eine Bedrohung selbst für die Götter darstellten, inzwischen von Pflanzen überwuchert, und das mächtige Rom ist zu seinem eigenen Grab geworden: „ipsaque nunc tumulus mortua Roma sua est.“26 Doch das politische Ende einer Stadt ist nicht gleichbedeutend mit dem
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Bellay (Anm. 18) Verse 33f. Bellay (Anm. 18) Verse 51f. Bellay (Anm. 18) Verse 75–104. Bellay (Anm. 18) Verse 113–18. G. Simmel, Die Ruine. Ein ästhetischer Versuch, in: Georg Simmel Gesamtausgabe 8. Aufsätze und Abhandlungen 1901–1908, II, ed. von A. Cavalli – V. Krech (Frankfurt am Main 1993) 124–130. Simmel (Anm. 24) 111f. Simmel (Anm. 24) 130.
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Ende ihrer Wirkung in den Künsten; vielmehr gilt gerade das Gegenteil. Kann das tote Rom als Exemplum gelten für die Kürze eines Reiches und seiner Macht, so ragen, gleichsam aus den Trümmern, die Werke der Dichter heraus, Rom in der Sprache Dauer verleihend. Als gegen Ende des Gedichts Vergil, Ovid, Tibull und Catull genannt und mit dem Gedanken verbunden werden, ihre Leistung sei noch lebendig inmitten dieser toten Stadt („Nasonie uiuunt, uiuunt flammaeque Tibulli“, V. 135), so tritt auch, die Unterschiede der Zeiten überwindend, der Autor selbst hinzu: Sit mihi fas, Gallo, uetros recludere fonteis, Dum caeli Genio liberiore fruor, Hactenus et nostris incognita carmina Musis Dicere, et insolito plectra mouere sono.
So toposhaft sich solche Äußerungen einerseits ausnehmen, so deutlich tritt andererseits die Wendung „incognita carmina“ als rätselhaft hervor. Ob sie sich nur auf die Elegie oder auch auf die „Antiquitez“ bezieht, ist nicht zu unterscheiden; „unbekannt“ aber ist jedenfalls das Thema beider Texte. Du Bellay entdeckte Rom für die französische Dichtung und sollte nicht der einzige bleiben, in dessen Werk Rom Spuren hinterließ. Waren die römischen Jahre, wie die Biografie belegt, alles andere als eine Zeit der Freude, ist auch ihr Thema, wie die in Rom entstandenen Werke dokumentieren, häufig elegisch, so wenden sich doch im Werk die persönlichen Klagen in eine Allgemeines aufrufende Gesetzmäßigkeit. Du Bellay hinterließ mit den „Antiquitez de Rome“ Gedankenlyrik ante litteram, deren fest gefügte Struktur – im Sonett, als Zyklus – den Veränderungen der Zeiten standzuhalten sucht. Wenn Rom Reflexionsräume besetzt, ist es dem zerstörerischen Wirken der Geschichte entzogen; geht es zudem in einen Sonettzyklus ein, dann machen die Verbindungslinien zwischen den Stücken jenes stützende Element aus, das alles zusammenhält. Du Bellays lateinische Rom-Elegie, in der Sprache und Thematik eine Einheit bilden, ist ihrer Art nach weitaus traditioneller als der Sonettzyklus. Sie kann als Stadt-Laudatio mit elegischen Zügen gelten, während die „Antiquitez“ jedes Gattungsmodell überbieten. Den Verfall Roms im Gedicht aufzufangen schafft eine Differenz von Text und Thema, die in der Sprachwahl einen weiteren Ausdruck findet. Das Französische ist dem Gegenstand fern, dem Autor aber nahe;27 ihm widmete er seine Schrift „Deffense et illustration de la langue françoise“, seiner Muttersprache traute er zu, mit der Zeit das Lateinische an Exzellenz zu erreichen. Die Rom beschreibende Elegie ist zwar stimmiger, der Sonettzyklus aber kühner, da er im Unterschied zur „Romae Descriptio“ kein Gesamtbild der Stadt entwirft, sondern den Trümmern Roms Gedankengebäude entgegensetzt, Reflexionen auf Ruinen.
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Vgl. hierzu K. Lloyd-Jones, L’originalité de la vision romaine chez du Bellay, in: Réforme, Humanisme, Renaissance 12, 1980, 21–31.
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Am Ende ein Fazit zu ziehen fällt angesichts des Perspektivenreichtums von du Bellays Rom-Bild nicht leicht. Gegen das Gesetz der Literatur, das, wie Lessing im „Laokoon“ darlegt, die Darstellung von Handlungen verlangt, setzt du Bellay die Beschreibung; gegen das Gesetz der Lyrik, Emotionen zu thematisieren, das Nachzeichnen von Reflexionsgängen, gegen den Verlauf der Geschichte die Architekturen der Vorstellung. Gestützt wird diese Konzeption von der Makrostruktur des Sonettzyklus, den du Bellay als erster mit der Thematik einer Stadt versieht, statt petrarkistischer Tradition gemäß eine Dame zu besingen – so wie er es 1549 mit „L’Olive“, dem zugleich ersten Sonettzyklus französischer Sprache, getan hatte. Was du Bellay in den „Antiquitez“ verwirklicht: eine veritable Poetik der Ruine ante litteram,28 eine Gedankenlyrik lange vor Kloppstock und Schiller, eine Ästhetik des Fragmentarischen, die erst in der Moderne zum Tragen kam – all dies hat seinen Ort in Rom, findet aber seine Zeit erst in späteren Epochen. Im Zuge der Moderne mit ihrem dauernden Wandel und den permanenten Zerstörungen des Alten entstehen fortwährend neue Trümmerfelder. Das Gegebene, Tradierte hält dem Fortschritt nicht stand und erreicht oft nicht einmal den prekären Status einer Ruine, gar nicht zu sprechen von deren Würde: Es wird zerstört, abgetragen, beseitigt. Insofern ist die Ruine nicht nur Mahnmal der Zeiten, sondern auch Zeichen des Widerstands gegen die Zerstörungen der Geschichte. Die in literarischen Texten bewahrten Fragmente des Vergangenen, gleichsam Ruinen in Sprache, sind zwar fragiler als die Zeugnisse aus Stein, sind aber, vervielfältigt, leichter als jene imstande, sich der Zeit zu entziehen. Doch gleich aus welchem ‚Material‘ Ruinen bestehen: Es ist kein Anlass, bei ihrem Anblick zu klagen; du Bellay schreibt römische Sonette, nicht (wie später Goethe mit bezeichnenderweise anderer Thematik) römische Elegien. Die Architektur des Zyklus verhindert, dass die Thematik des Zerbrochenen ein Zerbrechen der literarischen Form herbeiführt. Allerdings scheint zwischen den Gedankengebäuden der „Antiquitez“ und den spektakulären Zerstörungen des „Songe“ auf engstem Raum ein Epochenumbruch stattgefunden zu haben, der die Renaissance vom Barock trennt: Die Kraft des Imaginären in Agrippa d’Aubignés „Printemps“ und dessen „Tragiques“, die perpetuierte Reflexion in Montaignes „Essais“ flankieren diesen Prozess. Reicht die Wirkung der Ruinen-Thematik du Bellays bis ins späte 18. Jahrhundert hinein, ist das, was er in seinem Zyklus durch die Ruine entstehen ließ, Gedanken und Reflexionen über den Lauf der Geschichte und den Verfall der Reiche, von noch größeren Dimensionen. Am Anfang des 19. Jahrhunderts steht, wie ein Fanal für noch Kommendes, Schillers Konzeption einer Poetik des Verlorenen: Die Abhandlung „Über naive und sentimentalische Dichtung“ scheint zunächst den Verlust der Natur zu beklagen, gelangt aber dann zu einer Gewichtung dessen, was mit jenem Verlust positiv einherging – die Entdeckung der Moderne im Zeichen der Refle28
Hierzu noch einmal Mortier (Anm. 14), der mit ‚Poetik‘ der Ruine soviel Sentimentales und Pittoreskes verbindet, dass du Bellay nicht in dieses Konzept passt.
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xion.29 In Kenntnis dieses Textes und aus der Rückschau von zweieinhalb Jahrhunderten ist du Bellay für uns ein Verwandter Schillers: Das Rom der Antike generiert die Reflexionen der Renaissance, die ihrerseits schon die Reflexivität der Moderne präludieren, wenn nicht virtuell einschließen. Rom, die Stadt und ihr geistiges Imperium, beherrschen auch den Gang der Literaturgeschichte; ein Momentum daraus sind / waren du Bellays „Antiquitez de Rome“, die jedoch als Architekturen der Reflexion den Augenblick überdauer(te)n.
29
Auf diese zentrale Funktion der Ruinenthematik geht Gérard Raulet (leider nur) kurz ein, vgl. G. Raulet, Die Ruinen im ästhetischen Diskurs der Moderne, in: N. Bolz – W. van Reijen (Hrsg.), Ruinen des Denkens. Denken in Ruinen (Frankfurt am Main 1996) 179–214. bes. 180: „Die Ruinen-Ästhetik ist eminent reflexiv.“
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Die neuen Großgrabungen im 18. und 19. Jahrhundert: Forum Romanum und Kaiserforen Pao lo L i ver ani
Beim Durchblättern der „Storia degli Scavi di Roma“1 auf der Suche nach Grabungen im politischen Zentrum Roms, d.h. auf dem Forum Romanum und den Kaiserforen, stellt sich schnell der Eindruck ein, dass nach den häufigen Hinweisen auf Funde des 16. Jahrhunderts der Höhepunkt überschritten ist, so als ob sich auch bei den Ausgräbern die Überzeugung durchgesetzt hätte, das Gebiet hätte nunmehr seine Schätze preisgegeben. Tatsächlich ergaben spätere Nachforschungen nicht mehr Skulpturen und Inschriften mit derselben Häufigkeit. Parallel dazu lässt sich jedoch, als um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert die Grabungen erneut aufgenommen werden, eine ganz andere Entwicklung aufzeigen. Sie manifestiert sich in einer nunmehr geänderten Auffassung über die Zielsetzung der Grabungen und, allgemein gesehen, in einer grundsätzlich veränderten Einstellung gegenüber den materiellen Hinterlassenschaften der römischen Antike. Wenn man die verschiedenen Ansätze der Renaissance und des 18.–19. Jahrhunderts auf eine kurze Formel bringen will, so lassen sich erstere als eine Geschichte der Auffindungen beschreiben, letztere als eine Geschichte der Grabungen. Damit meine ich, dass sich – wenn auch in engen Grenzen und mit noch großen Widersprüchen – ein Umschwung weg von einer Suche nach Statuen und Inschriften, also Gegenständen künstlerischer oder historisch-antiquarischer Bedeutung, hin zu einer Erforschung der antiken Monumente der Stadt im Hinblick auf ihre historisch-topografischen Aspekte vollzieht. Folgerichtig werden die Diskussion um den besten Schutz der antiken Monumente sowie die Beziehung der modernen zur antiken Stadt die öffentliche Debatte beherrschen – bis heute ein Thema allergrößter Aktualität. Im Laufe des 18. Jahrhunderts sind die ersten, wenn auch noch schwachen Anzeichen dieser Entwicklung festzustellen. Abgesehen vom Gebiet des Forum Romanum und der Kaiserforen gibt es nur zwei bedeutende Grabungen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts: die Grabungen in den Orti Farnesiani des Palatin sowie die Aufdeckung des Columbariums der Freigelassenen der Livia an der Via Appia. Erstere konzentrierten in den Jahren 1720–29 ihr Interesse auf die Haupträume der Domus Fla-
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Für die Übersetzung meines italienischen Textes danke ich Klaus Werner. Siehe auch C. Hülsen, Il Foro Romano. Storia e monumenti (Rom 1905) 29–47.
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Abb. 1 Francesco Bianchini, Rekonstruktionsvorschlag des römischen Kaiserpalastes auf dem Palatin, 1738
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via2 und ergaben so bedeutende Funde an Architekturstücken und Skulpturen3 wie die Kolossalstatuen des Herakles und Bacchus, jetzt im Nationalmuseum von Parma.4 Das eigentlich Neue lag jedoch in der Aufmerksamkeit, welche Francesco Bianchini, der damalige römische Antikenpräsident, der Architektur des Kaiserpalastes widmete.5 Zwar scheint sein Rekonstruktionsvorschlag (Abb. 1) heute allzu fantastisch in seiner Reflexion der Architektur eines Juvarra6 oder anderer zeitgenössischer Architekten, doch abgesehen von diesen Freiheiten einer modernisierenden Interpretation liegt die Bedeutung der Vorgehensweise Bianchinis in dem Umstand, dass er sein Hauptaugenmerk nicht ausschließlich auf die bedeutenderen Skulpturen richtete, sondern dass er die aufgedeckten Funde allgemein in ihrem historischen und monumentalen Kontext zu verstehen suchte. Die zweite Neuheit der Methode Bianchinis war seine fast modern zu nennende Art der Grabungspublikation: So richtete er in seinem Band über das Columbarium der Freigelassenen der Livia7 sein Augenmerk neben den Skulpturen und Inschriften auch auf die eigentliche Struktur der Grabkammern.8 Eine solche methodische Ausgewogenheit sucht man vergebens in den anderen Studien, die zur selben Zeit über denselben Fundkomplex veröffentlicht werden, und sei es auch von Kennern wie Francesco Gori oder Pier Leone Ghezzi.9 Eine fundamentale Rolle in diesem Zusammenhang spielt die Figur Giovanni Battista Piranesis, auf den hier aber nur kurz eingegangen werden soll. Bekannt ist seine außergewöhnliche Kenntnis der Monumente sowohl was ihren formalen als auch was ihren technischen Charakter angeht – eine Kenntnis, die auf seine wiederholte Beschäftigung mit den antiken Resten Roms und der Umgebung zurückgeht.
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S. Miranda, Francesco Bianchini e lo scavo farnesiano del Palatino (1720–1729) (Mailand 2000). Siehe die Zeichnungen von Pier Leone Ghezzi in: L. Guerrini, Marmi antichi nei disegni di Pier Leone Gezzi (Vatikanstadt 1971). R. Belli Pasqua, Sculture di età romana in „basalto“, XeniaAnt, Monografie 2 (Rom 1995) 89–90 Nr. 37; 98–99 Nr. 55. F. Bianchini, Del palazzo de’ Cesari (Rom 1738). M. von Engelberg, Ricavare l’idea del tutto. Francesco Bianchinis ‚Del Palazzo de’ Cesari‘, in: V. Kockel – B. Sölch (Hrsg.), Francesco Bianchini (1662–1729) und die europäische gelehrte Welt um 1700, Colloquia Augustana 21 (Berlin 2005) 135–163; E. Kieven, in: A. Lo Bianco – A. Negro (Hrsg.), Il Settecento a Roma. Ausstellungskatalog Rom, Museo di Palazzo Venezia (Mailand 2005) 129 Kat. 11. F. Bianchini, Camera ed inscrizioni sepulcrali de’ liberti, servi ed ufficiali della casa di Augusto scoperte nella via Appia (Rom 1727). V. Kockel, Ichnographia – Orthographia – Scaenographia. Abbildungsmodi antiker Architektur am Beispiel des ‚Columbarium der Liberti der Livia‘, in: Kockel – Sölch (Anm. 6) 107–133. A. F. Gori, Monumentum sive columbarium libertorum et servorum Liviae Augustae et Caesarum Romae detectum in via Appia, anno 1726 (Florenz 1727); P. L. Ghezzi, Camere sepolcrali de liberti e liberte di Livia Augusta e d’altri Cesari come anche altri sepolcri ultimamente ritrovati fuori della porta Capena (Rom 1731).
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Abb. 2 Giovanni Battista Piranesi, Plan von Rom, 1756
Einer der moderneren Aspekte seiner Methodik ist dabei jedoch der Umstand, dass seine Aufmerksamkeit dem topografischen Kontext der Monumente gewidmet ist. Er selbst erklärt seine Methode in der Einführung zu den „Antichità Romane“ von 1756, seinem wohl bekanntesten Werk (Abb. 2): „Was (…) anstrengender und mühsamer Studien bedurfte, war (…), viele der antiken Gebäude zu positionieren, welche ich – obwohl heute keine Spur mehr von ihnen geblieben – doch auf dem Plan anzeigen musste, um meinem Anspruch gerecht zu werden.“10 Piranesi fährt fort, sich über die mangelhaften Angaben der modernen Autoren zu beklagen, die zurückzuführen seien auf ihre unzulängliche Kenntnis der antiken Monumente, auf ihre architektonische Unkenntnis und den Mangel an zuverlässigen Karten: „Weil mir die Hilfe der modernen Autoren nicht zuteil wurde, konnte ich mir nur dergestalt helfen, dass ich auf die Erinnerung der antiken zurückgriff, (…) zusammen mit einer genauen Kontrolle der genannten Reste, und der sicheren Identifizierung der Plätze, die ich aus der genauesten ‚Topografie Roms‘ ableiten konnte,
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G. B. Piranesi, Antichità Romane (Rom 1756) I, 1: „Quel che (…) ha esatto da me un serio e laborioso studio, è stato (…) il situare molte delle antiche fabbriche, le quali (tuttoché non ne rimanga in oggi verun vestigio) ho dovuto riportare in pianta per necessità dell’impegno.“; zu Piranesi siehe auch hier Beitrag Meier.
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welche ich eingangs den Forschern zur Hilfestellung abgebildet habe für die Suche nach eben jenen Resten (…).“11 Ein solches Interesse für den Kontext des Monumentes war eben durchaus noch nicht die Regel, im Gegenteil: Mit der Ankunft Winckelmanns in Rom und der Publikation der „Geschichte der Kunst des Altertums“12 im Jahre 1764 konzentrierte sich das Interesse auf den künstlerischen Aspekt der antiken Arbeiten, was die antiquarisch-topografischen Studien vorerst erneut in den Hintergrund treten ließ. Doch vollständig verdrängen ließen sie sich nicht mehr, und einen ihrer größten Erfolge stellten die Grabungen in Otricoli dar:13 In den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts, d.h. während der Gründung des Museo Pio-Clementino, wurden – parallel zu den Ankäufen von Einzelskulpturen und ganzen Sammlungen auf dem Kunstmarkt – auf Drängen der päpstlichen Regierung auch die ersten archäologischen Grabungen unternommen (Abb. 3). Der Hauptzweck war natürlich die Bereicherung der päpstlichen Sammlungen um neue Skulpturen, Inschriften und Mosaiken, aber in Otricoli wurde dabei auch eine Vermessung der Ausgrabungen und der antiken Stadt durchgeführt. Dies führte nicht nur zu genauen Plänen des Architekten Pannini, sondern auch zu präzisen Angaben zur Herkunft der Funde aus den verschiedenen Komplexen. Aus ungefähr denselben Jahren datieren einige wenige bekannte Arbeiten wie das Buch von Carlo Zanchi14 zur Identifikation des antiken Veji, das ein ähnliches Verständnis zeigt. Zwar positioniert Zanchi die antike Siedlung irrtümlich in der Gegend des heutigen Baccano, während das antike Veji tatsächlich südöstlich davon auf dem der Ortschaft Isola Farnese gegenüberliegenden Hang lag, wie die Grabungen Andrea Giorgis in den Jahren 1811–13 gezeigt haben. Das Verdienst Zanchis liegt jedoch in dem Umstand, dass er die erste archäologische Karte produziert (Abb. 4). Tatsächlich wird die – zugegeben grobe – Zeichnung zum einen ergänzt durch eine Beschreibung der noch sichtbaren Reste, zum anderen durch kurze Angaben zu den in der Gegend durchgeführten Grabungen. Ingesamt also ein methodisch korrekter und durchaus moderner Ansatz, auch wenn seine daraus abgeleitete Identifizierung letztlich unzutreffend war. 11
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Piranesi (Anm. 10): „Cosicché, destituito in molti casi del soccorso de’ moderni Scrittori, mi è stato necessario il ricorrere alle memorie degli Antichi, (…) unita ad un esatto confronto co’ detti avanzi, e alla definizione certa de’ luoghi, la quale ho potuto ritrarre dalla esattissima Topografia di Roma, da me rapportata in principio per iscorta agli studiosi nel rintracciare i medesimi avanzi (…).“ Die zugrunde liegenden Konzepte finden sich natürlich schon in den „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke“, die vor der Abreise nach Rom entstanden: É. Pommier, Winckelmann, inventeur de l’histoire de l’art (Paris 2003) 188–198. C. Pietrangeli, Lo scavo pontificio di Otricoli, RendPontAc 19, 1942–43, 47–104 (wiederabgedruckt in: Scritti Scelti, Rom 1995, 425–446); ders., Ocriculum (Rom 1943); ders., Otricoli, un lembo dell’Umbria alle porte di Roma (Rom 1978). C. Zanchi, Il Veio illustrato (Rom 1768). Siehe auch L. Ximenes, Esame dell’esame di un libro sopra la Maremma senese ripartito in tante note da uno scrittor maremmano (Florenz 1775), mit den archäologischen Karten von Rusellae.
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Abb. 3 Giuseppe Pannini, Plan von Otricoli, 1784
Zurück zu unserem eigentlichen Thema. Für den Campo Vaccino – so der damals gebräuchliche Name für das Forum Romanum – sowie für die Kaiserforen, die zu diesem Zeitpunkt noch von Bauwerken verschiedenster Natur überdeckt waren, lassen sich für das ganze 18. Jahrhundert keine größeren Grabungen nachweisen. Was das Forum Romanum anbelangt, so haben wir lediglich Nachricht von einer Grabung im Jahre 1773 auf dem Gebiet des Kastortempels15 – damals noch als Tempel des Iuppiter Stator gedeutet, die in 3 m Tiefe den Boden der Cella aufdeckte (Abb. 5). Im selben Jahr erreichte eine Grabung vor S. Maria Antiqua eine Tiefe von 9 m, aber niemand erkannte, dass man auf den Vestatempel oder die Casa delle Vestali gestoßen war. Für das Jahr 1778 ist die Auffindung einer Granitsäule von 1,45 m Durchmesser überliefert, die wahrscheinlich zur Basilica Aemilia gehörte, und für
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C. Fea, Varietà di notizie economiche, fisiche, antiquarie sopra Castel Gandolfo, Albano, Ariccia, Nemi, loro laghi ed emissarii, sopra scavi recenti di antichità in Roma, e nei contorni, fabbriche scoperte, sculture e iscrizioni trovatevi ec. (Rom 1820) 120; ders., Frammenti di Fasti Consolari e Trionfali ultimamente scoperti nel Foro Romano e altrove (Rom 1823); R. A. Lanciani, BdI 1871, 266–267; S. Sande, History of Excavation and Research, in: I. Nielsen – B. Poulsen (Hrsg.), The temple of Castor and Pollux. The pre-Augustan temple phases with related decorative elements, Lavori e studi di archeologia pubblicati dalla Soprintendenza archeologica di Roma 17 (Rom 1992) 12–13.
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Abb. 4 Carlo Zanchi, Archäologische Karte von Veji, 1768
das Jahr darauf die Aufdeckung des Pflasters der Via Sacra vor der Maxentiusbasilika.16 Von praktisch keiner dieser Grabungen sind uns jedoch genauere Angaben zu den dabei erreichten Ergebnissen erhalten.17 Schließlich Ende 1788/Anfang 1789 eine Grabung, die, auch wenn sie nicht grundsätzlich verschieden von allen vorhergehenden ist, dennoch eine interessante Neuigkeit aufweist. Es handelt sich um die
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Diese Angaben finden sich auf dem den Grabungen Fredenheims beigefügten Plan (Punkte b, c, i, k) in: J.-J. Oberlin, Découverte faite au forum Romanum par M. le chevalier de Fredenheim, Suédois, au mois de Janvier 1789, in: Magasin encyclopédique, ou journal des sciences, des lettres et des arts I, 6, 1795, 344–361; C. von Bildt, Die Ausgrabungen C. F. v. Fredenheims auf dem Forum Romanum (1788–1789), RM 16, 1901, 20, Taf. A. Unzugänglich waren mir die Publikation Fredenheims (C. F. von Fredenheim, Kung. Vitterhets, Historie och Antikvitets Akademiens handlingar 8, 1808, 376–386) sowie der Wiederabdruck der Publikation Oberlins (Strassburg 1796), die mir lediglich aus dem Bericht von Bildt bekannt ist. Weitere Grabungen bei C. Pietrangeli, Scavi e scoperte di antichità sotto il pontificato di Pio VI 2(Rom 1958) 53–55.
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Abb. 5 J.-J. Oberlin, Plan des Forum Romanum nach den Ausgrabungen des Schweden Carl Frederik von Fredenheim im Januar 1789
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Grabungen des Schweden Carl Frederik von Fredenheim18 in der Nordost-Ecke der umlaufenden Portikus der Basilica Iulia. Fredenheim, der nach seiner Rückkehr in die Heimat der erste Direktor des Nationalmuseums in Stockholm und Präsident der schwedischen Kunstakademie werden sollte, hatte erst im Laufe seiner Grand Tour ein spezifisch antiquarisch-topografisches Interesse entwickelt. Natürlich war er 1788/89 in Unkenntnis darüber, dass die von ihm aufgedeckte Portikus zur Basilica Iulia gehörte, und zudem datierte er die aufgedeckten Strukturen, von denen er wahrscheinlich nur die spätkaiserzeitlichen Reste sah, fälschlich in republikanische Zeit. Zudem verkaufte er, wie es damals Praxis war, die meisten der aufgedeckten Marmorplatten auf dem Kunstmarkt und behielt nur die wertvollsten für sich selbst. Einige der farbigen Stücke ließ er zur Herstellung von Intarsien für Möbel nutzen; zumindest eines dieser Möbelstücke hat sich erhalten.19 Auch diese Praxis war geläufig, hatte doch etwa Alessandro Furietti von den in der Villa Hadriana im Jahre 1736 aufgedeckten Mosaiken und Buntmarmoren eine Reihe von Tischplatten herrichten lassen.20 Zu Ehren Fredenheims müssen jedoch auch die von ihm eingeführten Neuigkeiten genannt werden. So kümmerte er sich um eine Publikation der Funde nicht nur in Schweden selbst, sondern zuvor schon auch in Frankreich in einem Bericht Oberlins.21 Die französische Ausgabe musste sicher größeren Umlauf haben, auch wenn nur wenige Kopien nach Rom gelangten: selbst Carlo Fea, intimer Kenner der Bibliotheken und Archive, kannte nur eine – und dazu noch unvollständige – Kopie, bei der jedoch gerade der interessanteste und neue Teil fehlte: ein Gesamtplan des Campo Vaccino, auf dem mit größter Sorgfalt nicht nur die Grabungen Fredenheims selbst eingetragen waren, sondern auch alle weiteren, von denen er Notizen besaß und deren Spuren noch erkennbar waren. Dieser Plan stellt einen der ersten, wenn nicht den ersten Fall einer zuverlässigen Angabe der modernen Topografie dar, der zudem sowohl die zeitgenössischen Grabungen als auch die Reste der aufgedeckten antiken Strukturen verzeichnete. Im Fall des Kastortempels war auch eine Rekonstruktion eingefügt, die sehr wahrscheinlich auf den Einfluss Francesco Piranesis zurückgeht, des schwedischen Generalagenten in Rom, der Fredenheim in der Konzeption und Ausführung der Grabung unterstützt hatte. Schließlich muss angemerkt 18
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Oberlin (Anm. 16); Fea, Fasti (Anm. 15) 122; Fea, Varietà di notizie (Anm. 15) 75; R. A. Lanciani, BdI 1871, 243. 267; R. Lanciani, Storia degli scavi di Roma VI (Rom 2000) 203; CIL VI 2184; von Bildt (Anm. 16). C. Hernmarck, Swedish Furniture, 1700–1800, The Burlington Magazine for Connoisseurs 83, Nr. 489, Dez. 1943, 307–308, Taf. II, B. G. A. Furietti, De musivis ad Ss. Patrem Benedictum XIV Pontificem Maximum (Rom 1752) 52–53; A. Gonzáles-Palacios, in: E. P. Bowron (Hrsg.), Art in Rome in the Eighteenth Century. Ausstellungskatalog Philadelphia, Museum of Art (Philadelphia 2000) 165 Kat. 42; J. Montagu, in: A. Lo Bianco (Hrsg.), Il Settecento a Roma. Ausstellungskatalog Rom, Museo di Palazzo Venezia (Mailand 2005) 276 Kat. 173. Oberlin (Anm. 16).
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werden, dass der schwedische Ausgräber eines von Anfang an erkannt hatte, nämlich dass die von ihm aufgedeckte Portikus die südliche Begrenzung des Forum Romanum darstellt.22 Um die ganze Bedeutung dieser Erkenntnis zu erfassen, muss man wissen, dass die römischen Topografen noch bis 1845 darüber diskutierten, ob sich das Forum in West-Ost oder Nord-Süd Richtung erstreckte.23 Der eigentliche Umschwung in der Geschichte der Grabungen des Forum Romanum sollte jedoch erst Anfang des 19. Jahrhunderts einsetzen, und Carlo Fea sollte das Hauptverdienst daran haben. Zuerst jedoch muss die politische und kulturelle Situation geschildert werden, in der sich diese forschungsgeschichtlichen Entwicklungen abspielen. Es handelt sich um die turbulente Epoche, die der französischen Revolution folgt und die den Aufstieg Napoleons sieht. Die dem Kirchenstaat auferlegten Abmachungen des Friedensvertrags von Tolentino 1797 sahen vor, dass Pius VI. die Kunstwerke in öffentlichen und privaten Sammlungen des Kirchenstaates, hauptsächlich in den Museen, Bibliotheken, Kirchen und Palästen Roms, an Frankreich abtreten musste – sie wurden konfisziert und nach Paris verbracht. Wenig später starb Pius VI. im Exil, und das Konklave zur Wahl seines Nachfolgers musste außerhalb Roms abgehalten werden. Gewählt wurde im Jahre 1800 in Venedig schließlich Pius VII. Chiaramonti, der sich sowohl durch seine Weitsicht als auch seine Hartnäckigkeit auszeichnete. In der klaren Erkenntnis, wie sehr der Schutz der Kulturgüter – antiker und moderner – vorrangig politische Dimensionen besaß, handelte er zügig: Schon ein Jahr später, im Edikt vom 21. August 1801, wurden alle bislang gewährten Grabungslizenzen für ungültig erklärt und jedwede Ausfuhr von Antiken untersagt. Mit dem so genannten Chirograf vom 1. Oktober 1802 fand man schließlich eine endgültige Regelung: Diese sah genaue Bestimmungen bezüglich des Exports moderner Kunstwerke wie auch der Ausführung von Grabungsfunden vor.24 Die treibende Kraft besonders der letzten Anordnung scheint Antonio Canova gewesen zu sein,25 der neu ernannte ‚Generalinspekteur für Kunstwerke‘, die juristische Grundlage jedoch war von Carlo Fea gekommen, der seit Januar 1800 die Aufgaben des Antikenkommissars erfüllte.26 Fea besaß enorme juristische und antiquarische Kompetenzen, eine leidenschaftliche Neigung zur Polemik und einen schwierigen Charakter, Eigenschaften, die ihm 22 23 24
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In der Publikation ist der Plan irrtümlich um 90° (im Uhrzeigersinn) verdreht. R. T. Ridley, The Pope’s Archaeologist, the life and times of Carlo Fea (Rom 2000) 195–196. A. Emiliani (Hrsg.), Leggi, bandi e provvedimenti per la tutela dei beni artistici e culturali negli antichi stati italiani, 1571–1860 2(Bologna 1996) 84–96 Nr. 10–11; O. Rossi Pinelli, Carlo Fea e il chirografo del 1802, Ricerche di storia dell’arte 8, 1978–1979, 27–41; M. A. De Angelis, Il primo allestimento del Museo Chiaramonti in un manoscritto del 1808, BMonMusPont 13, 1993, 81, Anm. 1; Ridley (Anm. 23) 101–123. A. D’Este, Memorie di Antonio Canova (Florenz 1864) 112–113. 120–122. R. T. Ridley, To protect the monuments. The papal antiquarian (1534–1870), XeniaAnt 1, 1992, 145–149; Ridley (Anm. 23) 101–123.
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in den nachfolgenden Jahrzehnten zur unnachgiebigen Verfolgung seiner Ziele bezüglich der Bedeutung der antiken Monumente, ihrer wissenschaftlichen Auswertung, ihrer Erhaltung und Restaurierung nützlich waren. Feas umfassende Bildung basierte auf dem Besten, was die antiquarische Forschung der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu bieten hatte. Nicht nur, dass er die Schriften Winckelmanns kannte – er hatte sich auch mit seinem Kommentar zur ersten italienischen Ausgabe der „Geschichte der Kunst des Altertums“ ausgezeichnet.27 Dennoch waren es niemals vornehmlich historisch-künstlerische Fragen, die ihn beschäftigten, und die ästhetischen Theorien Winckelmanns scheinen ihn nicht beeinflusst zu haben. Die Ideen eines ganz anderen hingegen übten großen Einfluss auf ihn aus: Quatremère de Quincy war im Jahre 1797 zur Leitfigur jener französischen Intellektuellen geworden, welche die Politik des Direktoriums – besonders die massenhaften Beschlagnahmungen von Kunstwerken – öffentlich anklagten. In der Tat zeichnet sich die von Quatremère de Quincy veröffentlichte Serie von Pamphleten – die so genannten Lettres à Miranda28 – auch heute noch durch ihre ungewöhnliche Leidenschaft und Klarsicht aus. Fea kannte sie gut und hatte sogar im Jahre 1801 auf eigene Kosten eine Neuauflage herausgebracht, die er generös verteilte.29 Ein Jahr später zitierte er sie im Vorwort seiner Sammlung päpstlicher Edikte zum Antikenschutz.30 Nicht dass Fea damit alleine gestanden wäre, auch Canova war ein guter Freund Quatremère de Quincys, und über seine Vermittlung waren dessen Schriften im Jahre 1803 auch in die Hände Pius’ VII. gelangt.31 Auch wenn der Diskurs Quatremères von 1797 nicht direkt von antiken Monumenten handelte, sondern von den beweglichen Kunstgegenständen, die damals einer Welle von Beschlagnahmungen ausgesetzt waren, so war es doch nur ein kleiner Schritt, seine Gedanken auch hierauf auszudehnen. Tatsächlich stellten die Lettres à Miranda die erste systematische Theorie eines unbedingten Schutzes des antiken Kontextes dar. Die Argumentation dreht sich zum größten Teil um den angeblich absoluten Wert auch eines isolierten Monumentes. Nach Quatremère hingegen kann nur das in seinem ursprünglichen historisch-geografischen und kulturellen Zusam-
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G. Winckelmann, Storia delle arti del disegno presso gli antichi (Rom 1783–1784). A. C. Quatremère De Quincy, Lettres à Miranda sur le déplacement des monuments de l’art de l’Italie, ed. von É. Pommier (Paris 1989); A. Pinelli, Storia dell’arte e cultura della tutela. Les Lettres à Miranda di Quatremère de Quincy, Ricerche di storia dell’arte 8, 1975–76, 43–62; É. Pommier, La Rivoluzione e il destino delle opere d’arte, in: ders., Più antichi della luna. Studi su J. J. Winckelmann e A. C. Quatremère de Quincy (Bologna 2000) 226–282; ders., Quatremère de Quincy e la destinazione delle opere d’arte, ebenda 283–301. C. Fea, Archivio di Stato di Roma, Camerale II, Antichità e Belle Arti 10, fasc. 246 (Promemoria an Cardinal Pacca vom 16. Februar 1816); D. Tamblé, Tutta Roma dev’essere una galleria, StrennaRom 46, 1998, 433; Ridley (Anm. 23) 184. C. Fea, Relazione di un viaggio ad Ostia e alla villa di Plinio detta Laurentino (Rom 1802) 80. L. Bello, in: S. Bedin – L. Bello – A. Rossi (Hrsg.), Tutela e restauro nello stato pontificio (Padua 1998) 218 Anm. 10.
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menhang eingefügte Monument seine Bedeutung bewahren: „In Rom“, so Quatremère, „ist es der Ort selbst, welcher das Museum darstellt“, und wenig später: „das wahre Museum Roms (…) sind die Orte, Plätze, Berge, Straßen, die antiken Wege, die Lage der Ruinenstädte zueinander, die geografischen Bezüge.“32 In diesen Worten ist das Wesen der topografischen Forschung schon beschrieben. Zurück zu den Grabungen. Fea hatte das Edikt von 1801, mit dem alle bisherigen Grabungserlaubnisse für ungültig erklärt worden waren, dazu benutzt, die Grabungen des englischen Malers Robert Fagan in Ostia33 zu schließen und an ihrer Stelle staatliche, also päpstliche Grabungen zu eröffnen.34 Diese wurden vor Ort von dem Inspektor der Ausgrabungen, Giuseppe Petrini, geleitet, einer nicht sehr bekannten Person, die bemerkenswerte praktische Kenntnisse besaß, dem gelehrten antiquarischen Kreis jedoch fremd gegenüberstand. Zum ersten Mal wurden dabei Insassen der päpstlichen Gefängnisse eingesetzt, die natürlich billiger waren als freie Arbeitskräfte. Wahrscheinlich war es die Absicht Feas, mit den bourbonischen Grabungen zu wetteifern und Ostia zu einem päpstlichen Pompeji zu machen. Dabei ging es ihm jedoch in erster Linie darum, die Struktur der Stadt erkennbar zu machen, und nicht nur um die Aufdeckung neuer Meisterstücke.35 In dieser Hinsicht war die Wahl Petrinis unglücklich, denn dessen Grabungsmethodik war noch ganz dem 18. Jahrhundert verhaftet mit Zielen, die denjenigen Feas eher entgegengesetzt waren. Für Petrini lag die Betonung eben noch auf der Aufdeckung von einzelnen Kunstwerken, unter Missachtung des Verständnisses und der Erhaltung der umgebenden Strukturen.36 Zu diesem Unterschied in der Methodik und Zielsetzung trat bald auch eine ausgeprägte persönliche Rivalität zwischen Fea und Petrini. Schon im Sommer 1803 zwang die Furcht vor der Malaria zu einer Einstellung der Grabungen im sumpfigen Gelände Ostias, und Petrini schlug vor, die Sträflinge zur Freilegung einiger römischer Monumente zu verwenden: der Trajanssäule, der Triumphbögen des Septimius Severus und des Konstantin, des Circus Maximus sowie der Caracallathermen37 (Abb. 6). Da Fea schon im Jahr zuvor selbst vor-
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M. Scolaro (Hrsg.), Lo studio delle arti e il genio dell’Europa. A. C. Quatremère de Quincy, Pio VII Chiaramonti (1796–1802) (Bologna 1989) 126–127. I. Bignamini, I marmi Fagan in Vaticano. La vendita del 1804 e altre acquisizioni, BMonMusPont 16, 1996, 331–394. F. Marini Recchia – D. Pacchiani – F. Panico, Les fouilles pontificales, du XIXe siècle jusqu’à Rodolfo Lanciani, in: J.-P. Descoeudres (Hrsg.), Ostia. Port et Porte de la Rome antique. Ausstellungskatalog Genf (Genève 2001) 48–55. Fea (Anm. 30) 5–9. Für die Errichtung der Umfassungsmauer des freigelegten Septimius Severus-Bogens benutzte Petrini Material aus den Titusthermen: Ridley (Anm. 23) 125. Siehe die „Promemoria alla Santità di N.S. Pio VII P.M.“ Petrinis in: Archivio di Stato di Roma, Camerale II, Antichità e Belle Arti 2, fasc. 86, 47–49 sowie sein „Raguaglio apologetico sullo sterramento, il quale si tenta far desistere in tutto, o in parte dell’Arco Trionfale di Settimio Severo“, 51–72.
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Abb. 6 Giuseppe Vasi, Ansicht des Forum Romanum (Campo Vaccino), 1752
geschlagen hatte, die dem Kapitol zugewandte Seite des Forums aufzudecken, schien es eine gute Idee, mit der Freilegung des Septimius Severus-Bogens zu beginnen.38 Auch wenn der Bogen damit nicht zum ersten Mal das Ziel von Untersuchungen war, so war doch die Absicht Feas diesmal umfassender. Die Freilegung sollte lediglich der erste Schritt zu einer weit umfassenderen Reinigung sein, welche den Straßenzug zwischen dem Bogen selbst und dem Tabularium auf dem Kapitol beseitigen sollte. Dazu kam es im Augenblick jedoch nicht, und das Interesse wandte sich anderen Monumenten zu: dem Pantheon, dem Konstantinsbogen und dem Kolosseum. In der Zwischenzeit war die politische Situation zur Krise angewachsen und am 2. Februar 1808 besetzte eine französische Division unter dem General Miollis die Stadt. Rom sollte bis 1814 unter französischer Verwaltung bleiben. Auch wenn sich in diesen sechs Jahren viel änderte – die päpstliche Gesetzgebung zum Schutz der Monumente wurde dennoch beibehalten, und Fea behielt sein Amt als Antikenkom38
M. Jonsson, La cura dei monumenti alle origini. Restauro e scavo di monumenti antichi a Roma 1800–1830, OpArch 14, 1986, 19; S. De Angeli, Templum Divi Vespasiani, Lavori e studi di archeologia pubblicati dalla Soprintendenza archeologica di Roma 18 (Rom 1992) 17–18; R. T. Ridley, The Eagle and the Spade. Archaeology in Rome during the Napoleonic Era (Cambridge 1992) 36–38; Ridley (Anm. 23) 125–129.
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Abb. 7 Giovanni Battista Falda, Kirche S. Francesca Romana zwischen Titusbogen und Venusund Roma-Tempel, 1669
missar, auch wenn seine Befugnisse teilweise auf die neu geschaffene Kommission der Monumente überging.39 Die Arbeiten auf dem Forum Romanum wurden enorm ausgedehnt: die vollständige Freilegung, die bislang nur ein Traum sein konnte, wurde zu einem detaillierten Projekt,40 genauso wie eine darauf folgende Neugestaltung der gesamten Fläche. Natürlich war die neue französische Regierung in einer ganz anderen Position, was die Durchführung von Enteignungen und Demolitionen betraf, und zwar sowohl im Falle von privatem als gerade auch bei ehemals kirchlichem Eigentum. So musste man, abgesehen von zahlreichen Häusern und Magazinen, auch den Konvent von S. Francesca Romana demolieren (Abb. 7), mitsamt den anstoßenden Bauten auf dem Platz zwischen dem Titusbogen und dem Tempel der Venus und Roma.41 Die Kirche selbst wurde nur aufgrund der starken Verehrung erhalten, die ihr vom einfachen Volk zuteil wurde. Im Jahr 1811 schließlich kündigte man die Realisierung eines Kapitolinischen Parks an, der sich vom Kapitolshügel bis zum Titusbogen in einer einzigen Zone erstrecken sollte, die von allen modernen Bauten befreit und in ihrer ganzen Längsausdehnung zu einer baumbestandenen Allee werden sollte.
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Jonsson (Anm. 38) 41–78; Ridley (Anm. 38) 48–71. C. Tournon, Études statistiques sur Rome et la partis occidentale des états romains II (Rom 1831) 237ff.; Jonsson (Anm. 38) 54–55. 59–62; Ridley (Anm. 38) 137–152. Ridley (Anm. 38) 95–99. 193–196.
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Abb. 8 Giovanni Battista Piranesi, Trajanssäule mit der Kirche SS. Nome di Maria, 1756
Schon 1809 war eine Grabung am Tempel des Antoninus und der Faustina bis zur vorgelagerten Via Sacra begonnen worden,42 und im darauf folgenden Jahr grub man vor dem Tabularium am Fuße des Kapitols43 sowie beim Tempel des Vespasian und Titus,44 man demolierte die Gebäude um den Saturntempel45 und 42 43 44 45
Ridley (Anm. 38) 182–187. Ridley (Anm. 38) 180–182. Jonsson (Anm. 38) 80–86; Ridley (Anm. 38) 196–205. Ridley (Anm. 38) 189–193.
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spielte schon mit dem Gedanken einer Freilegung des Kastortempels.46 1811 nahm man die Freilegung der damals noch als Tempio della Pace identifizierten Maxentiusbasilika in Angriff und unterzog sie ersten umfangreichen Restaurierungsmaßnahmen.47 Zeitgleich damit hatte man die endgültige Ausgrabung der Phokassäule begonnen und die Inschrift aufgedeckt, die schließlich ihre Identifizierung ermöglicht hat.48 Das Unternehmen erwies sich letztlich als zu ehrgeizig: Eine vollständige Freilegung war aufgrund der vielfältigen Schwierigkeiten ökonomischer, praktischer sowie urbanistischer Natur in einem so engen Zeitrahmen unmöglich. Doch hatte die Frage nach einer Totalaufdeckung des monumentalen Zentrums damit eine solche politische Bedeutung erhalten, dass sie an vorderster Stelle der Tagesordnung sowohl der zurückgekehrten päpstlichen Regierung als auch, viel später, des neuen italienischen Königreichs bleiben sollte. Vorbei war die Zeit, in der man um begrenzte Eingriffe debattierte. Worum es nun in Zukunft gehen sollte, war ein urbanistisches Projekt mit allen seinen inhärenten Problemen, die aus dem Miteinander der antiken und der modernen Stadt erwuchsen, nicht zuletzt da die verschiedenen Gebiete unterschiedliche Niveaus aufwiesen. Ähnlich verhielt es sich mit der Zone des Trajansforums.49 Zur Zeit der französischen Besetzung war immer noch lediglich die Säule sichtbar (Abb. 8), umgeben von einer Umfassungsmauer, die noch von den Arbeiten Sixtus’ V. am Ende des 16. Jahrhunderts herrührte. Das Gebiet des Forums selbst war viel stärker von privaten und kirchlichen Bauten bedeckt, als dies selbst am Forum Romanum der Fall gewesen war, aber auch hier hatte man zu Enteignungen und aufwendigen Demolitionen mit tief greifenden Folgen für die Urbanistik der gesamten Zone gegriffen. Diesmal ergaben sich nicht nur ökonomische, sondern auch politische Probleme. Nach dem Abriss der Konvente S. Eufemia sowie S. Spirito war ursprünglich auch der Abriss der Marienkirche vorgesehen (Abb. 9), die jedoch durch eine Intervention Österreichs erhalten blieb. Sie war zur Erinnerung an den Sieg Jan Sobieskys gegen die Türken vor Wien im Jahre 1683 errichtet worden. Am Ende wurden lediglich der um die Säule gelegene Teil des Hofes, die zentrale Sektion der Basilica Ulpia sowie ein Teil des Forums freigelegt. Eine weitere Neuheit war die anschließende Neugestaltung der freigelegten Zone. Erstmals wurden die zahlreich aufgedeckten Säulen und die Skulpturenfragmente an ihrem ursprünglichen Fundort aufgestellt. Dies mag dem modernen Betrachter normal erscheinen, doch war es bislang übliche Praxis gewesen, alle beweglichen Funde wie Skulpturen oder Inschriften nach ihrer Auffindung in Museen oder Sammlungen zu überführen und die Säulen wiederzuverwenden. Das Resultat war ein Freilichtmu46 47 48 49
Ridley (Anm. 38) 188–189. Jonsson (Anm. 38) 87–89; Ridley (Anm. 38) 99–107. Ridley (Anm. 38) 123–126. Jonsson (Anm. 38) 62–65. 74–78; Ridley (Anm. 38) 152–166.
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Abb. 9 Luigi Rossini, Ansicht des Trajansforums mit den Kirchen S. Maria di Loreto und SS. Nome di Maria, 1823.
seum (Abb. 10), wahrscheinlich das erste seiner Art,50 in dem alle Funde am Ort ihrer Aufdeckung ausgestellt wurden. Es handelte sich dabei um eine sehr fortschrittliche Idee, und es ist kurios, dass sie ausgerechnet von derselben Regierung ausging, die wenige Jahre zuvor alle bedeutenden Arbeiten in römischen Museen in den Louvre hatte abtransportieren lassen, ungeachtet der Proteste eines Quatremère de Quincy und in Missachtung eben desselben Kontextes, den man jetzt zu schützen vorgab. Pius VII. behielt nach seiner Rückkehr nach Rom im Jahre 1814 die unter der französischen Besetzung in diesem Bereich lancierten Maßnahmen grundsätzlich bei. So wurde etwa die Gestaltung des Trajansforums nach den bisherigen Plänen weitergeführt und fertiggestellt, und sogar das französische Verwaltungsmodell wurde übernommen. Die neu ernannte Beratende Kommission für Antiken und Schöne Künste – „Antichità e Belle Arti“, also klassischer Antiken- und Denkmalschutz und 50
O. Rossi Pinelli, I ruderi come reliquie nel processo di musealizzazione del Foro Romano, in: R. Panzanelli – M. Preti-Hamard (Hrsg.), La circulation des oeuvres d’art. The Circulation of Work of Art in the Revolutionary Era. 1789–1848. Actes du Colloque International, Paris 9–11 décembre 2004 (Rennes 2007) 163.
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Abb. 10 Angelo Uggeri, Präsentation der Funde am Trajansforum unter freiem Himmel, 1816
die Schönen Künste zusammengenommen – bestand aus Carlo Fea, dem Sekretär Filippo Aurelio Visconti, dem Bildhauer und Direktor der Vatikanischen Museen Antonio D’Este, dem dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen sowie Antonio Canova als Präsident. Die Kommission sollte den Kardinal Camerlengo, der auch die Funktionen eines Kultusministers innehatte, bei Ankäufen, Restaurierungen, Grabungslizenzen usw. beraten. Das Jahr 1816 ist für uns auch aus einem ganz anderen Gesichtspunkt interessant, weil es das Ende des großen Bassins aus grauem Granit bedeutete, das mit einem Durchmesser von fast 6 m bis dahin im Mittelpunkt des Forums gelegen und als Viehtränke gedient hatte;51 es fand eine seiner Bedeutung eher angebrachte Verwendung als Brunnen vor dem Quirinalspalast. Der Abtransport des Bassins erlaubte nicht nur die Ausgrabung des daruntergelegenen Kastortempels (Abb. 11), sondern bedeutete auch das definitive Ende des Campo Vaccino, der nunmehr endgültig zu einer archäologischen Zone geworden war.52 Die unmittelbar nachfolgenden Jahre sahen zahlreiche Grabungen, die jedoch alle aufgrund der ökonomisch katastrophalen Lage des Papststaates von Privatpersonen finanziert wurden. Treibende Kräfte waren der Graf von Blacas, die Gräfin von Devonshire sowie Fürst Funchal, der Botschafter Portugals. Der bedeutendste Fund erfolgte im Jahre 1817 mit der Identifi51 52
A. Ambrogi, Labra di età romana in marmi bianchi e colorati (Rom 2005) 231–237 Kat. L. 36. Ridley (Anm. 23) 187–190.
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Abb. 11 Giuseppe Valadier und Vincenzo Feoli, Ausgrabungen am Kastortempel, 1818
zierung des neben dem Tempel für Vespasian und Titus am Abhang des Kapitols gelegenen Concordiatempels,53 ein Ergebnis, auf das Fea besonders stolz war. Man begann auch, an eine Restaurierung des Titusbogens zu denken (Abb. 12), der durch den Abriss der umstehenden Gebäude instabil geworden war.54 Das schwierige Unternehmen wurde dem Architekten Raphael Stern anvertraut und nach dessen Tode von Giuseppe Valadier zu Ende geführt. Man musste alle verstürzten Teile auseinandernehmen und neu zusammenfügen, bzw. durch moderne Stücke in Travertin ersetzen. Das damals angewandte Verfahren wurde zum Modellfall für viele weitere Restaurierungen, auch wenn wahrscheinlich die Wahl der Methode ursprünglich weniger von Restaurierungstheorien als durch praktische Überlegungen bestimmt war. Ab 1820 wurden verschiedene Projekte zu einer sukzessiven Freilegung und Neugestaltung des Forums initiiert,55 die schließlich durch Leo XII. im Jahre 1827 beschlossen wurden (Abb. 13). Das Projekt sollte von dem Archäologen Antonio Nibby geleitet werden, mit Valadier als begleitendem Architekt. Dies entsprach nicht mehr Feas ursprünglichem Ansatz. Hatte dieser noch die Grabungen unterhalb des Tabularium fortsetzen wollen, nahe dem erst kurz zuvor von ihm identifizierten Concor53 54 55
Ridley (Anm. 23) 194. Jonsson (Anm. 38) 99–117; Ridley (Anm. 23) 200–201. Jonsson (Anm. 38) 130–137.
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Abb. 12 Restaurierungsarbeiten am Titusbogen durch Raphael Stern und Giuseppe Valadier, 1821
diatempel, so zog es Nibby seinerseits vor, die Maxentiusbasilika freizulegen, die von ihm ebenso erstmals korrekt erkannt worden war, und von dort allmählich zum Kolosseum und zum Konstantinsbogen vorzudringen. Dies resultierte aus kontinuierlichen Spannungen und einer nicht immer einheitlichen Führung. Fast jedem damaligen Besucher des Forums fiel zudem der eigentümliche Kompromiss zwischen dem ehemals französischen Plan des Kapitolinischen Parks und den ausgreifenden Versuchen einer Gesamtfreilegung auf:56 Das Forumstal, das nun mit gutem Grund nicht mehr als Campo Vaccino bezeichnet wurde, bedeckte immer noch den größten Teil des Forum Romanum, und Tempel und Säulen reckten sich isoliert aus den mit hohen Umfassungsmauern versehenen Grabungslöchern empor. Eine kurze Bemerkung verdient noch die einzig bedeutende Grabung jener Zeit im Gebiet der Kaiserforen; ich meine die Grabungen, die 1842 vom französischen
56
Ridley (Anm. 23) 309–321.
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Abb. 13 Jean-Arnaud Leveil, Forum Romanum, 1838
Architekten François-Joseph Toussaint Uchard unternommen wurden. Uchard deckte unterhalb der östlichen Säulenreihe des Mars Ultor-Tempels dessen Basis auf und legte einige Schnitte in der östlichen Exedra.57 Nach dem politischen Erdbeben von 1848 beschloss die neu gegründete Römische Republik die komplette Freilegung des Platzes, aber wie schon so oft scheiterte das Projekt an den harten Realitäten. Die kurzlebige Republik schaffte es gerade, die Freilegung der Basilica Iulia zu beginnen. Auch dieses Vorhaben wurde jedoch nach dem erneuten politischen Umschwung nicht etwa aufgegeben, sondern nach der Rückkehr der päpstlichen Regierung fortgesetzt. Es sind dies die Jahre Luigi Caninas58 und Jean-Arnaud Leveils, die mit der Identifizierung der Basilika zugleich die südliche Begrenzung des Forum Romanum festlegen konnten und damit einen fundamentalen Beitrag zu dessen Topografie leisteten. Danach setzt zunächst eine Stasis ein, die erst ihr Ende finden sollte, als Rom die Hauptstadt des neu gegründeten Italienischen Königreichs wurde. Mit der Besetzung Roms am 20. September 1870 änderte sich die Situation tatsächlich grundlegend. Der neue Staat hatte sehr viel umfangreichere finanzielle Res57
58
BdI 1842, 131; P. Arnaud, Il Foro di Augusto, in: F.-Ch. Uginet (Hrsg.), Roma antiqua. L’area archeologica centrale. ‚Envois‘ degli architetti francesi (1788–1924). Ausstellungskatalog Rom und Paris (Rom 1985) 111. 120–129. L. Canina, Descrizione storica del Foro Romano e sue adiacenze (Rom 1831) 85–89.
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sourcen, als sie die päpstliche Regierung jemals besessen hatte, und zudem ein starkes politisches Interesse. Zum einen war der Ruf nach einer Freilegung des Forum Romanum nunmehr so allgemein, dass er nicht ignoriert werden konnte. Zum anderen hatte jedoch das Interesse an der römischen Antike eine ausgeprägt ideologische Seite: Der Rückgriff auf die klassisch-römische Zeit war zugleich ein Rückgriff auf die Einheit Italiens und auf dessen laizistische Konzeption, auf eine Periode vor dem Kirchenstaat, vor dem Papsttum und dessen politischem Einfluss. Das größte praktische Problem war weder politisch noch ökonomisch, sondern – so seltsam es scheinen mag – personell: der Mangel an ausreichend qualifizierten Persönlichkeiten, die solch ein politisch bedeutsames Projekt leiten konnten. Alle bisher bekannten römischen Archäologen waren in der einen oder anderen Weise mit der päpstlichen Verwaltung verbunden gewesen und daher entweder nicht zu einer Zusammenarbeit mit dem neuen italienischen Staat bereit oder politisch nicht akzeptabel.59 Der einzige, der in dieser Situation über die nötigen politischen und wissenschaftlichen Requisiten verfügte, war Pietro Rosa. Er hatte nicht nur an den Kämpfen um die Römische Republik teilgenommen, sondern auch im Auftrag des Kaisers Napoleon III. Grabungen auf dem Palatin im Gebiet der Domus Flavia und Domus Tiberiana durchgeführt. In der Rolle eines Vermittlers hatte er auch den Ankauf des kaiserlichen Besitzes auf dem Palatin, der Orti Farnesiani, von Seiten des italienischen Staates gefördert.60 Die Schnelligkeit, mit der die neuen, nun italienischen Grabungen ausgeführt werden, spiegelt die Bedeutung wider, die man diesem Aspekt der Kulturpolitik beimaß. Schon am 15. November eröffnete Rosa die Grabungen auf dem Forum, weniger als zwei Monate nach dem Einmarsch der piemontesischen Truppen in Rom. Rosa beginnt vom Zentrum aus eine Grabung, die von der Phokassäule bis zum Vestatempel reicht. In der Folge werden die Basilica Iulia, der Tempel des Divus Iulius sowie die Basis eines Reitermonumentes aufgedeckt, die von Rosa als Equus Domitiani, von Richter hingegen als Equus Constantini gedeutet wurde.61 In seinem Eifer, die klassisch-römische Epoche – und nur diese – wieder zum Vorschein zu bringen, widmete Rosa allen späteren Epochen keinerlei Interesse. Was mittelalterlich war oder auch nur so schien, wurde ohne zu zögern entfernt. So werden selbst die Rostra Diocletiani, die von Diokletian vor dem Tempel des Divus Iulius errichtete Tribüne für die kaiserlichen Ansprachen, demoliert, ohne vorher eine Dokumentation angefertigt zu haben und dies, obwohl sie sich bis zu einer Höhe von 4 m erhalten hatten. Lediglich die Südspitze überlebte, da sie fälschlich als Rest einer vor der Basilica Iulia
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M. Barbanera, L’archeologia degli Italiani. Storia, metodi e orientamenti dell’archeologia classica in Italia (Rom 1998) 34–39. M. A. Tomei, Scavi Francesi sul Palatino. Le indagini di Pietro Rosa per Napoleone III (Rom 1999). Zutreffend ist keine der beiden Deutungen. P. Verduchi, in: C. F. Giuliani – P. Verduchi, L’area centrale del Foro Romano (Florenz 1987) 143–147 Nr. 21 mit Bibliografie.
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aufgestellten Ehrensäule interpretiert wurde.62 Das Vorgehen wurde von verschiedener Seite angeprangert, zwar letztlich zu spät, um noch etwas zu retten,63 aber immerhin half es, die fachlichen Grenzen Rosas aufzuzeigen, der seine Position denn auch in dieser allgemein schwierigen politischen Situation nicht länger behaupten konnte. Schon 1874, nach dem Skandal der Überschwemmung des Kolosseums, die zu verhindern Rosa nicht imstande war, wurde er seines Amtes enthoben. Die Leitung der Forschungen wurde nun von Giuseppe Fiorelli übernommen, der sich einen Ruf mit der Ausgrabung und Dokumentation Pompejis gemacht hatte und über eine ungleich größere fachliche Kultur verfügte. Die Grabungen sollten sich in der Folge entlang der Via Sacra zwischen dem Tempel des Antoninus und der Faustina und dem der Venus und Roma entwickeln.64 Im Jahre 1878 erscheint auf den Forumsgrabungen zum ersten Mal die zukünftige Hauptfigur der römischen Archäologie: Rodolfo Lanciani, damals Anfang dreißig. Kraft eines Beschlusses des Ministers für Öffentliche Erziehung, des energischen Guido Baccelli, konnte Lanciani ab 1882 die Freilegung der Via Sacra vollenden, d.h. konkret die zwei übrig gebliebenen Erdwälle abtragen, die die Grabungszone in rechtem Winkel durchzogen: der eine im Westen in der Fortsetzung der Via Bonella zwischen der Phokassäule und dem Septimius Severus-Bogen, der andere östlich davon zwischen dem Tempel des Antoninus und der Faustina und S. Maria Liberatrice. Letzterer war mit seinen 20 m Breite und 10 m Höhe ungleich umfangreicher – mehr als 10000 m3 Erde mussten abgefahren werden, und mit einem Teil des Aushubs errichtete man den Erdwall oberhalb der Basilica Aemilia. Damit war ein bedeutendes Gebiet zugänglich gemacht worden, was Lanciani selbst erlaubte, die Casa delle Vestali auszugraben, und wenige Jahre später dann Jordan und Hülsen ermöglichte, die Regia zu untersuchen. Damit sind wir im Jahre 1890 angekommen, dem Jahr, in dem Lanciani die Szene der archäologischen Grabungen verlässt. Im Hintergrund standen die Spannungen zwischen der laizistischen Verwaltung des neuen italienischen Staates – von tendenziell freimaurerischer und antiklerikaler Ausrichtung – und der lokalen städtischen Verwaltung Roms, die als konservativ galt und dafür verschrien war, kulturell noch zu sehr an der päpstlichen Verwaltungstradition zu hängen.65 Lanciani hatte sich anscheinend Unregelmäßigkeiten zuschulden kommen lassen,66 war aber in seiner dop62 63
64
65
66
Verduchi (Anm. 61) 148–166 Nr. 24. In diesem Zusammenhang seien als Kuriosität auch die unpublizierten „Pasquinate“ Pietro Ercole Viscontis genannt – einer der herausragendsten Persönlichkeiten der ehemaligen päpstlichen Antikenverwaltung, die sich explizit auch gegen Pietro Rosa richtet – (Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Ferrajoli 976, n. 4. Den Hinweis verdanke ich Klaus Werner). Zu den Grabungen am Ende des 19. Jahrhunderts vgl. S. Sisani, Il Foro Romano, in: F. Coarelli (Hrsg.), Gli Scavi di Roma 1878–1921, LTUR Suppl. II,1 (Rom 2004) 59–62. M. Musacchio, L’archivio della Direzione generale delle antichità e belle arti (1860–1890), Pubblicazioni degli Archivi di Stato – Strumenti 120 (Rom 1994) 45–51. M. Barnabei – F. Delpino, Le „Memorie di un Archeologo“ di Felice Barnabei (Rom 1991) Appendice III.
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pelten Position als Sekretär der Archäologischen Kommission der Stadt Rom und zugleich Leitender Architekt der Grabungen für das Bildungsministerium auch besonders angreifbar.67 Er sollte nun anlässlich einer Auseinandersetzung um die Grabungen im Gebiet des neuen Militärhospitals auf dem Caeliushügel zum Sündenbock gemacht werden.68 Lanciani trat von seinen staatlichen Ämtern zurück und nahm eine Lehrstelle an der Universität an. Im Jahr zuvor hatte er noch die Genugtuung gehabt, das Gesetz in Kraft treten zu sehen, mit dem der italienische Staat den Archäologischen Park des Forum Romanum einrichtete, das endlich vollständig aufgedeckt war: Der lange Traum, der schon am Anfang des Jahrhunderts begonnen hatte, war wahr geworden. Von größeren Funden lässt sich erst wieder im Jahre 1898 berichten, als die Recherchen Giacomo Bonis in den tieferen Schichten des Forums beginnen. Aber dies ist eine andere Geschichte und gehört schon ins 20. Jahrhundert.
Abbildungsnachweis Abb. 1: F. Bianchini, Del palazzo de’ Cesari (Verona 1738) Taf. 17 Abb. 2: G. B. Piranesi, Antichità Romane I (Rom 1756) Taf. 3 Abb. 3: G. A. Guattani, Monumenti antichi inediti (Rom 1784) I, Taf. III Abb. 4: C. Zanchi, Il Veio illustrato (Rom 1768) Taf. II Abb. 5: J.-J. Oberlin, Découverte faite au forum Romanum par M. le chevalier de Fredenheim, Suédois, au mois de Janvier 1789, in: Magasin encyclopédique, ou journal des sciences, des lettres et des arts I, 6, 1795 Abb. 6: G. Vasi, Delle magnificenze di Roma antiche e moderne (Rom 1752) II, Taf. 31 Abb. 7: G. B. Falda, Il terzo libro del novo teatro delle chiese di Roma (Roma 1669) Taf. 9 Abb. 8: G. B. Piranesi, Vedute di Roma (Rom 1756) 34 Abb. 9: L. Rossini, Veduta dello Scavo del Foro Traiano fatto in questi ultimi tempi, Rom 1823 Abb. 10: A. Uggeri, Della Basilica Ulpia nel Foro Traiano (o.O., o.J.) Taf. XXXII Abb. 11: F. A. Visconti, Raccolta delle più insigni fabbriche di Roma antica (Rom 1818) Taf. I Abb. 12: G. L. Taylor – E. Cresy, The Architectural Antiquities of Rome with one Hundred and Thirty Views and Measurements, taken in 1817, 1818 and 1819 (London 1821) Taf. II. Abb. 13: F.-Ch. Uginet (Hrsg.), Roma antiqua. L’area archeologica centrale. Ausstellungskatalog Rom und Paris (Rom 1985) 11
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68
A. Carignani, Cent’anni dopo. Antiche scoperte e nuove interpretazioni dagli scavi all’ospedale militare del Celio, MEFRA 105, 1993, 709–746; D. Palombi, Rodolfo Lanciani. L’archeologia a Roma tra Ottocento e Novecento (Rom 2006) 123–147. Carignani (Anm. 67); Musacchio (Anm. 65); Palombi (Anm. 67).
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Die visuelle Konzeption der Stadt Rom zur Zeit des Faschismus1 S tefa n A lt ek amp
20 Jahre faschistischer Regierung haben das städtebauliche Gesicht Roms nachhaltig verwandelt. Quantitativ als eine Phase beträchtlichen Flächenwachstums, qualitativ als Periode einer radikalen Veränderung des Vorgefundenen, insbesondere des alten städtischen Zentrums. Das gilt auch für die visuelle Präsenz des antiken im modernen Rom, anders gesprochen, für die urbanistischen Antworten auf ortsfeste antike Überreste, seien sie bereits zuvor im Stadtbild sichtbar gewesen, seien sie neu durch Stadtbaumaßnahmen und Grabungen zutage getreten. Städtebau wie Stadtarchäologie in faschistischer Zeit waren nicht voraussetzungslos. Seit 1870 hatte das geeinte Italien seine neue Kapitale einer Rosskur unterzogen, die die rabiate Implantation der hauptstädtischen Verwaltungs- und Repräsentationsbauten, die Anlage neuer Magistralen, die Entstehung ausgedehnter neuer Wohnbezirke und nicht zuletzt eine Neuausrichtung des symbolischen Erscheinungsbildes der Ewigen Stadt umschloss. Drei Zielsetzungen gaben der Umgestaltung die Richtung vor: Modernisierung mit dem Ziel der Verwandlung Roms von einer Museumsstadt in eine Metropole, Säkularisierung mit dem Anspruch der Brechung des katholischen Repräsentations- und Loyalitätsmonopols, Nationalisierung in der Hoffnung, Rom zwischen universellem Mythos und regionaler Tradition als ideelles Zentrum des staatlich geeinten Italiens zu etablieren. Im Sinne von Säkularisierung und Nationalisierung versprach ein verstärkter Rückbezug auf die Antike dem jungen Staat die Anbindung an alte, auch vorchristliche Wurzeln und eine neue, nationalistisch-zivilreligiöse Identität. Die faktischen Konsequenzen für das antike Rom als eines an vielen Orten präsenten Bau- und eines flächendeckenden Bodendenkmals waren ambivalent: Der Modernisierung, dem fieberhaften Umbau, der Verdichtung und Erweiterung der Stadt fielen unzählige archäologische Überreste zum Opfer. Bestimmte antik-römische Bauten und Ruinen jedoch blieben nicht nur erhalten, sondern wurden in aktualisierter Weise als wesentliche Bestandteile des sich verändernden Stadtbilds bestätigt. Die Sicht auf diese Monumente veränderte sich: Sie wurden nun bevorzugt als Überreste einer gloriosen, aber fernen Vergangenheit und weniger als Produkte des 1
Leicht modifizierte sowie um Belege ergänzte Fassung des Vortragstextes.
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historischen Prozesses gesehen, der seit ihrer Entstehung bis zum Zeithorizont der Gegenwart auf sie eingewirkt hatte. Mit anderen Worten: Ihre fortdauernde ideelle Zeitgenossenschaft sowie ihre materielle Transformation im Laufe der Stadtgeschichte besonders des Mittelalters, der Renaissance und des Barocks erregten deutlich weniger Interesse als ihre Qualität als historische Zeugnisse einer bestimmten Epoche, der sie ihre originäre Entstehung und Gestalt verdankten. Als praktische Konsequenzen etablierten sich liberazione und isolamento als weithin angewandte Verfahren einer Inszenierung des alten im neuen Rom: die bevorzugte Beseitigung der Resultate nachantiker Umbauten antiker Monumente und die Schaffung von Abstandszonen um die einer neuen Rezeption angepassten Relikte.2 Während des faschistischen Ventennio schrieben sich Stadtwachstum und Stadtumbau unvermindert fort. Aber das Konzept von Modernisierung selber modernisierte sich – mit einem euphorischen Zutrauen in neue, vorbildlose Antworten auf urbanistische (und gesellschaftliche) Herausforderungen und eine entsprechend entschiedene Absage an die Qualitäten und die Anpassungsfähigkeit traditioneller Lösungen. Daraus ergab sich die Überzeugung, den physischen Bestand der Stadt mit noch gesteigerter Rigorosität verändern zu müssen. Während heutzutage historischer Baubestand (bzw. seine Fassaden oder seine Simulation) als identitätsstiftender Kern attraktiver Städte aufgefasst wird, und sich Bewegung in der Stadt vorgefundenen Bedingungen aufwendig und einfallsreich anpasst, galt in der zweiten Hälfte des 19. und über weite Strecken des 20. Jahrhunderts eher eine radikale Bereitschaft zur Veränderung der historischen Situation als Erweis angemessenen Administrierens. Rom machte nicht nur keine Ausnahme, sondern bildete ein herausragendes Experimentierfeld urbanistischen Umbaus unter den Prämissen der klassischen Moderne, da es – im Unterschied zu anderen Metropolen – auch nach dem Ersten Weltkrieg ein ungebremstes Fortschreiten seiner spät angelaufenen ‚gründerzeitlichen‘ Expansion und Verwandlung erlebte. Propagandistisch inszenierter Aktionismus und Vitalismus der faschistischen Diktatur haben die zeittypische Dynamik noch verstärkt. Die veränderten Instrumente der klassischen Moderne verliehen der Umgestaltung eine größere Kontrastwirkung als der des späten Ottocento: Zwischen den Polen späthistoristischer Nachklänge und eines monumentalen Neoklassizismus in der Endphase des Regimes überließ sich der Faschismus weitgehend einer avantgardistischen Ästhetik. Der razionalismo prägte, auch wo er nicht baute, die Mentalität einer kategorialen Verschiedenheit von Alt und Neu, die in ihrer Trennung resultierte. Technikgeprägte Stadtutopien räumten dem mechanisierten Massenverkehr hohe Priorität ein und be2
Aus der reichen Bibliografie zum Stadtumbau der jungen Hauptstadt Rom mit besonderer Berücksichtigung der Archäologiepolitik: R. Brentwood Williams, Rome as state image. The architecture and urbanism of the royal Italian government, 1870–1900 (Ann Arbor 1993); F. Coarelli (Hrsg.), Gli scavi di Roma 1878–1921 (Rom 2004).
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förderten eine Kompartimentierung des von neuen Verkehrsschneisen durchschnittenen historischen Stadtzentrums. Der Faschismus hat eine äußerste Beschleunigung des Umbaus des Stadtzentrums als Vorzug des antidemokratischen Systems kultiviert. Kurze, kommandogeprägte Entscheidungswege, extrem knappe Realisierungszeiten, symbolisch aufgeladene Einweihungstermine bevorzugt am 21. April (Geburtstag Roms) und am 28. Oktober (Tag des faschistischen Marsches auf Rom) haben die urbanistischen Projekte unter einen Realisierungsdruck mit erheblicher Eigengesetzlichkeit gesetzt. Der von einem medial vielfältigen propagandistischen Trommelfeuer flankierten faschistischen Urbanistik im centro storico wuchs auf diesem Wege eine negative Megalomanie, eine Megalomanie des Kahlschlags zu, die darauf reagierte, dass sich Zerstörung schneller realisiert als Aufbau. Städtebaulich rechtfertigte sich die Schaffung neuer stadträumlicher Weiten (oder Leeren) als metropolitane Antwort auf die stadträumliche Enge der überforderten traditionellen Stadt bzw. der Hauptstadt eines idyllischen Kleinstaates, sozialpolitisch als die Sanierung überfüllter Stadtquartiere. Machtpolitisch gesehen schufen die neuen Stadträume neue Schauplätze der Inszenierung des Regimes bzw. der Begegnung zwischen Duce und Volk. Räumlich betrachtet bedeutete die Intervention des Faschismus im centro storico eher die Beseitigung alter als die Errichtung neuer Bausubstanz. Überwiegend verwandelten sich zuvor bebaute Areale in Platz- und Straßenraum. Gegen Ende der faschistischen Ära umschloss, wie Wolfgang Schieder jüngst resümierte, ein Ring neuer breiter Verkehrsachsen eine neu entstandene monumentale Verkehrsinsel: die Via dell’Impero (heutige Via dei Fori Imperiali), Via del Mare (Via del Teatro di Marcello), Via del Circo Massimo und Via dei Trionfi (Via di San Gregorio).3 Das von diesen neuen Straßen umgürtete Gebiet bildete eine nahezu geschlossene archäologische Zone, die sich um einzelne antike Baureste entlang der Außenseite des Straßenringes ergänzte. Partiell sind weitere archäologische Areale von Straßendurchbrüchen betroffen worden, die außerhalb des benannten Verkehrsrings lagen. Als 3
W. Schieder, Rom – die Repräsentation der Antike im Faschismus, in: E. Stein-Hölkeskamp – K.-J. Hölkeskamp (Hrsg.), Erinnerungsorte der Antike. Die römische Welt (München 2006) 701–721. bes. 719f. – Zum Verhältnis von Stadtplanung und Archäologie während des Ventennio: A. Muñoz, Via dei Monti e Via del Mare 2(Rom 1932); ders., La Roma di Mussolini, Emporium 78, 1933, 203–222; ders., Via dell’Impero, Emporium 78, 1933, 236–247; ders., Il parco di Traiano e la sistemazione delle terme imperiali (Rom 1936); A. Cederna, Mussolini urbanista. Lo sventramento di Roma negli anni del consenso (Rom 1980); R. T. Ridley, Augusti manes volitant per auras. The archaeology of Rome under the fascists, Xenia 11, 1986, 19–46; H. Schmidt, Wiederaufbau (Stuttgart 1993) 113–117; L. Cardilli (Hrsg.), Gli anni del governatorato (1926–1944). Interventi urbanistici, scoperte archeologiche, arredo urbano, restauri (Rom 1995); I. Insolera – F. Perego, Archeologia e città. Storia moderna dei Fori di Roma 2(Rom 1999); C. Bellanca, Antonio Muñoz. La politica di tutela dei monumenti di Roma durante il Governatorato (Rom 2002); R. Leone – A. Margiotta (Hrsg.), Fori imperiali. Demolizioni e scavi. Fotografie 1924/1940 (Mailand 2007).
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Beispiel sei der von Nordosten auf das Kolosseum zuführende Viale del Monte Oppio genannt, der das Gelände der antiken Trajansthermen durchschnitt. Einige drastische Umbaupläne blieben unrealisiert oder wurden in einer gegenüber der Planung geänderten Form umgesetzt. Allein die enge Beziehung zwischen den neu geschaffenen Straßenräumen und den von ihnen eingeschlossenen bzw. sie flankierenden archäologischen Denkmälern belegt, dass die Inszenierung des antiken Rom einen eigenen Stellenwert in der faschistischen Urbanisierungspolitik beanspruchte. Wie lässt sich dieser Stellenwert beschreiben? Die Straßenfluchten entstanden hastig und die altrömische Szenerie zu beiden ihrer Seiten setzte sich am Ende aus gegeneinander isolierten Ruinenfiguren zusammen. Um diese Raumsituationen erzeugen zu können, hatten unzählige nachantike Bauten wie antike Bodendenkmäler beseitigt werden müssen. Archäologisch gesättigtes Terrain war weniger um seiner überreichen Befunde willen berührt worden, als um in einem historisch ausgewiesenen Gelände neue urbanistische Funktionen zu etablieren. Das Gros der archäologisch sensiblen Befundmasse stand den neuen Zweckbestimmungen im Wege. Quantitativ gesehen wurden daher Überreste der antiken Stadt in großem Umfang beseitigt. Die Relikte einzelner Monumente dagegen wurden selektiert und stadtbildtauglich umgestaltet. Das faschistische Regime inszenierte das antike Rom weder als Exposition seines schieren Trümmererbes, noch als partielle Wiedererstehung antiker urbaner und architektonischer Zustände noch als Annäherung an eine antike lebensweltliche Situation. Es erstrebte keine Überlagerung von altem und neuem Rom, die den gegenwärtigen Zustand – wie so oft im päpstlichen Rom empfunden – als Zustand der Dekadenz oder Idylle im Vergleich mit einer heroischen Vergangenheit erscheinen lassen konnte. Die Reverenz gegenüber der Antike erscheint auf urbanistischer Ebene als eine sehr abstrakte, die in erster Linie der gestalterischen Kraft des alten Rom huldigte – eine Kraft, die als eine unveränderte italisch-italienische Qualität aufgefasst wurde. Es kam nicht auf die konkrete Form wie die Typologie eines antiken Tempels oder diejenige eines modernen Repräsentationsgebäudes an, sondern auf das hinter den äußeren Erscheinungen wirkende Gestaltungsvermögen. So stand im Zentrum der faschistischen Archäologiepolitik nicht der Wunsch nach Bewahrung möglichst vieler lokaler Zeugnisse der antiken Realität, sondern das Bestreben, Kraft und Macht des antiken Rom als wesensverwandtes historisches Leistungsvermögen exemplarisch und emblematisch im neuen Rom erlebbar zu machen. Dabei sollte die Visualisierung des antiken Rom der Inszenierung des modernen Rom nicht widersprechen, durfte sie nicht entwerten. Der Primat der Moderne stand nicht zur Debatte. Daher ist es nur folgerichtig, wenn die Zeitschrift „L’Urbe“, ein Sprachrohr der Denkmalspolitik des Regimes, in einem 1936 veröffentlichten Interview den Beifall
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des Modernisten Le Corbusier gerade für den faschistischen Umgang mit den antiken Monumenten zu gewinnen suchte.4 Le Corbusiers Projektionen und die Realität in Rom deckten sich nicht, aber es ergaben sich gewichtige Übereinstimmungen, und der Begleitartikel aus der Feder des Chefarchäologen Antonio Muñoz zitierte ausführlich die Äußerungen des Interviewten: „Preferivo i monumenti antichi come erano prima, isolati dalla vita moderna; le cose del passato sono meta di pellegrinaggio, oggetto di studio, di devozione, di rispetto, di esame critico. Queste funzioni necessitano la calma, la solitudine; domandano un certo tempo per la riflessione; messe accanto alla vita moderna la soffocano; bisogna liberarsene. I tempi nuovi sono una nuova situazione storica, ma così nuova che non può avere nessun legame con gli oggetti del passato […]. Voi italiani vi sentite legati al passato con lo spirito, ma se volete essere moderni non potete legarvi alle forme antiche. Tra l’antico e il nuovo c’è un distacco, una rottura […]. Seppellite il passato e la vita riprende; non ci può essere continuazione. In materia d’urbanesimo è una chimera volersi ricollegare al passato che è sterilizzante, è come fare del turismo in paesi morti.“5 Die Unterscheidung zwischen spirito und forme traf den Nerv der modernistischen faschistischen Urbanistik; und so begegnete das Begriffspaar in dem angesprochenen Interview noch ein weiteres Mal: „Il problema di un Auditorium è far sentire e vedere in uno spazio chiuso; problema di spirito romano, ma non di forma antica, perché si tratta qui di un ambiente coperto da un soffitto. Oggi per questo abbiamo il vetro e l’acciaio.“6 Und ein drittes Mal: „Pour apparenter les œuvres immortelles des romains, il faut mettre des sœurs du même esprit, mais pas de la même forme. Invece che apparenze di affinità tra il vero antico e un falso moderno, cercate dell’antico di imitare l’anima che è dentro, e che è una qualità dello spirito.“7 Damit hatte der Gast einem anti-konservatorischen, anti-historistischen Umgang mit den antiken Reliquien die Absolution der urbanistischen und architekturtheoretischen Notwendigkeit erteilt. Für die Masse des archäologischen Schutts in Roms Untergrund hieß das in den Worten Emilio Cecchis: „Poche sono le cose che stanno ferme e non si possono toccare.“8 4 5 6 7
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A. Muñoz, Le Corbusier parla di urbanistica romana, L’Urbe 1, Heft 2, 1936, 28–38. Muñoz (Anm. 4) 32. Muñoz (Anm. 4) 34. Muñoz (Anm. 4) 36; der Sprachwechsel (Corbusier wird abwechselnd ins Italienische übersetzt oder unübersetzt französisch zitiert) folgt dem Wortlaut des Artikels von 1936. E. Cecchi, Psicologia delle demolizioni, Capitolium 12, 1937, 31–38. bes. 38.
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Als Form der Inszenierung der wenigen zu bewahrenden Denkmäler begegnet zuerst eine neu interpretierte traditionelle Lösung. Einige der neu aufgedeckten archäologischen Areale wurden nach dem vertrauten Muster von Tempelruinen, die oberirdisch erhalten geblieben waren, transformiert – sie wurden in Bilder künstlicher Ruinen umgewandelt. In diesem Zusammenhang ist zu betonen: Bei archäologischen Tiefengrabungen werden keine mehr oder weniger beschädigten Bauwerke mehr angetroffen, sondern materielle Rückstände und Verwandlungsprodukte der Gesamtgeschichte eines Ortes, darunter auch die Zeugnisse unterschiedlicher Bebauungsphasen. Im Kontext eines archäologischen Befundes weisen diese Reste meist keine mit der Vorstellung von Bauwerken vereinbare Gestalt mehr auf: Ehemalige Innenräume sind verfüllt, Decken kollabiert, Wände eingebrochen oder verdrückt, Baumaterial im Einzelnen verstürzt, verlagert oder in unterschiedlichem Ausmaß entnommen. Ungeachtet ihrer früheren Bedeutung im konstruktiven Gefüge sind Bauteile aus organischen Materialien mit hoher Wahrscheinlichkeit verrottet. Sollen die Resultate der Grabung aber sichtbar bleiben und an ihren Umrissen identifizierbare Typen von Monumenten erinnern können, muss der Befund erst wieder in eine entsprechend erkennbare Form überführt, d.h. manipuliert werden. Dafür bieten sich unterschiedliche Optionen an. Die künstliche Ruine gibt den Typus bzw. die funktionale oder ästhetische Sphäre eines ehemaligen Bauwerks zu erkennen, versetzt es aber in einen eindeutigen Vergangenheitsmodus. Zu diesem Modus gehört die Konzentration auf einen zwar szenografisch wirksamen, aber stark verkürzten Rest. In diesem Sinne scheinen endlose Variationen künstlicher Ruinen möglich, doch haben sich in Rom einige bevorzugte Konventionen ausgebildet. Im Zentrum des Kanonisierungsprozesses einiger bevorzugter Formen künstlicher Ruinen stand das Forum Romanum. Topografisch marginalisiert, waren die antiken Staatsbauten auf dem Forum zunächst unbehelligter geblieben als die meisten Bauten etwa auf dem Marsfeld, dem Areal der mittelalterlichen Altstadt. An den Rand geraten boten sie sich aber auch für eine Steinentnahme an, die ohne Beeinträchtigung einer neuen Funktion erfolgen konnte. Seit dem Ende der Steinausbeutung bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts stellte sich das Forum Romanum als zwar weitgehend nachantik unüberbauter, aber materiell entleerter Erinnerungsort dar. Die Logik der Sekundärnutzung hatte die eigentlichen Baukörper mit ihren aufgehenden Wänden aus vielfältig verwendbaren Quadersteinen meist verschwinden lassen, dagegen aber die weniger gut wieder nutzbaren Säulenstellungen verschont. Regelhafte Formationsprozesse hinterließen im Falle ehemaliger Sakralbauten, die nicht umgenutzt wurden, charakteristische Reste, Ruinen ohne die Körperlichkeit und das Volumen ihrer früheren Zustände, reduziert etwa auf einige noch aufrecht stehende Säulen und Gebälkstücke: Drei Säulen in Reihe oder über Eck jeweils mit Gebälk, die Tempelfront mit Giebel oder eine einzeln stehende Säule – konkret: die Reste der Tempel des Castor und Pollux, des Vespasian, des Saturn bzw. die Phokas-Säule. Diesem zufälligen(?) Ensemble niemals gefallener Ruinenfiguren auf dem Forum Romanum
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haftete eine starke Wirkung an. Panorama- und bildtauglich stand das Forum für eine konkrete Ruinenbotschaft, die bei noch gegebener Wiedererkennbarkeit altrömischer Architektur Geschichte als unwiederbringlich vergangen und Vergänglichkeit als Prinzip erlebbar werden ließ. Das im Anblick der Ruinen des Forum Romanum so häufig empfundene und verbreitete melancholische Ruinenerlebnis ließ die konkreten Ruinen des Ortes zu paradigmatischen Ruinentypen mutieren – und zu Vorbildern für unzählige Projekte der Umwandlung archäologischer Grabungsstätten in gestalthafte Monumente.9 Diese künstlichen Ruinen etablierten sich als die geläufigste Formel für die manipulative Umkehrung eines langfristig unausweichlichen Verfalls- und Zersetzungsprozesses: Was nach Georg Simmel bereits den Zustand der „Formlosigkeit bloßer Materie“ erreicht hatte, wurde artifiziell in den Status der „äußersten Steigerung und Erfüllung der Gegenwartsform der Vergangenheit“ zurückversetzt.10 Auch die faschistische Politik des archäologischen Denkmals bediente sich dieses Kunstgriffs. Ein gutes Beispiel bildet der Umgang mit den Ergebnissen der Ausgrabungen auf dem Caesarforum mit dem Tempel der Venus Genetrix. Trotz starker Zerstörung hatten sich etliche Bauteile des Tempels in den archäologischen Niveaus erhalten. 1933 wurden aus Originalteilen und viel neuem Material drei in einer Reihe stehende Säulen – parallel zur neuen Autostraße stehend – wiedererrichtet (Abb. 1). Vom Tempel des Apollo Sosianus am Marcellus-Theater hatten sich ebenfalls keine aufrecht stehenden Baupartien erhalten. Verstürzte Reste des Tempels traten 1928 bei Ausgrabungsarbeiten zutage. Bis zum 21. April 1940 wurde der komplizierte Befund in eine anschauliche Tempelruine transformiert.11 Für die äußere Säulenstellung sowie die Höhenerstreckung des ehemaligen Tempels treten seither drei wiedererrichtete Säulen ein – über Eck gestellt und mit Architrav-, Fries- und Gebälksteinen verbunden. In dieser Position bot und bietet das Ensemble einen besonders ansprechenden Anblick von dem zuvor angelegten Straßendurchbruch der Via del Mare (Via del Teatro di Marcello) in Richtung Porticus Octaviae (Abb. 2). Antonio Muñoz kommentierte aus Anlass des Abschlusses der Anastylose, es könnte so aussehen, dass von den paganen Tempeln Roms immer je drei Säulen übrig blieben.12 9
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Vgl. A. Rieche, Archäologische Rekonstruktionen: Ziele und Wirkung, in: A. Rieche – S. Kraus (Hrsg.), Xantener Berichte. Grabung, Forschung, Präsentation 6 (Köln 1995) 449–473. bes. 454–456. G. Simmel, Die Ruine. Ein ästhetischer Versuch, in: Georg Simmel Gesamtausgabe 8. Aufsätze und Abhandlungen 1901–1908, II, ed. von A. Cavalli – V. Krech (Frankfurt am Main 1993) 124–130. bes. 126. 129 (geschrieben 1907). A. Muñoz (Vorwort), Bullettino della Commissione Archeologica del Governatorato di Roma 68, 1940, 5–8; A. M. Colini, Il tempio di Apollo, Bullettino della Commissione Archeologica del Governatorato di Roma 68, 1940, 9–40. Muñoz (Anm. 11) 6.
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Abb. 1 Tempel der Venus Genetrix
Im Falle der Tempel der Venus Genetrix und des Apollo Sosianus wurden also Ausgrabungssituationen durch eine Verwandlung in mittlerweile konventionelle Ruinen-Zitate stadtbildtauglich gemacht. Wie eine ironische Randbemerkung stellt sich diesen Maßnahmen ein nicht ausgeführtes Projekt, die Freistellung und Teilrekonstruktion des Tempels der Iuno Regina im Areal der ehemaligen Porticus Octaviae, zur Seite.13 In diesem seit dem Hochmittelalter als Ghetto hoch verdichteten Stadtviertel waren in der Logik der herrschenden Stadtpolitik großflächige Abrissarbeiten vorgesehen. Die entstehenden brachenartigen Freiräume hätten ungehinderte 13
Ceccarius (= G. Ceccarelli), La mostra di sistemazione urbanistica al Centro di Studi di Storia dell’Architettura, Capitolium. 16, 1941, 146–156; zur nach wie vor bestehenden Verbauungssituation: A. M. Palchetti – L. Quilici, Il tempio di Giunone Regina nel Portico d’Ottavia, Quaderni dell’Istituto di Topografia Antica nell’Università di Roma 5, 1968, 77–88.
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Abb. 2 Tempel des Apollo Sosianus
Blicke auf als Solitäre verbliebene Kirchenbauten sowie die aus ihrer späteren Überbauung gelösten Überreste des Iuno-Tempels geboten. Substantielle Reste dieses Tempels waren und sind in der Wohnbebauung entlang der Via S. Angelo in Pescheria sowie der Via della Tribuna di Campitelli erhalten, darunter in der Tat drei über Eck stehende Säulen der ehemaligen prostylen Säulenstellung. Die reale Konstellation entsprach so eng der zuvor fingierten des Apollo-Tempels, dass die Entwurfszeichnung für den Iuno-Tempel eine amtliche Fotografie der Teil-Anastylose des Apollo-Tempels wiederholen konnte; sie stimmt bis auf die Beschädigungen an den Lagerfugen der Säulentrommeln und den Schattenfall der Ruine bei nachmittäglichem Sonnenstand mit dem ausgeführten Projekt überein (Abb. 3). Anekdotenhaft
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Abb. 3 Tempel der Iuno Regina
illustriert sich an diesem Beispiel die Serienmäßigkeit der Denkmalsprojekte im Typus der künstlichen Ruine. Derartige künstliche Ruinen ließen sich auch aus von der Tempelform abweichenden Monumenten gewinnen. Das gilt etwa für die nicht realisierte Freistellung der Reste des Pompeius-Theaters – im Übrigen einer von mehreren Belegen dafür, dass die faschistische Politik des archäologischen Denkmals nicht auf die Panoramaschleife um Kapitol, Palatin und Forum Romanum beschränkt war. Auf alternativen Planungsskizzen wird erkennbar, wie eine Annäherung an die Formulierung einer Theaterruine gelang, die nicht nur als ein Überrest, sondern als Essenz des Theaterbaus in Ruine hätte gelten können. Eine der Projektzeichnungen bediente sich im Übrigen des Drei-Säulen-Motivs zur Andeutung der früheren, den oberen Rand des Zuschauerraums bekrönenden Säulenstellung.14 Das traditionelle Konzept der künstlichen Ruine erwies sich demnach als für den Faschismus gut adaptierbar. Es konnte den Respekt vor der antiken Mutterkultur zum Ausdruck bringen, machte aber auch klar, dass das neue Italien keine Emulation des 14
G. Battista Canevari, Il nuovo Corso del Rinascimento ed il teatro di Pompeo, L’Urbe 1, 1936, Heft 3, 22–28; C. Galassi Paluzzi, Il problema archeologico del teatro di Pompeo e il Corso del Rinascimento, Capitolium 12, 1937, 99–122.
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antiken Italiens darstellte, sondern sein Äquivalent oder sogar seine Steigerung in modernen Zeiten. Auch diejenigen Monumente des alten Rom, die erst jüngst wieder im Stadtbild sichtbar gemacht werden konnten, wurden daher im Vergangenheits- bzw. Vergänglichkeitsmodus gestaltet. Eine wichtige Komponente der faschistischen Politik des archäologischen Denkmals stellt die Vermeidung jeden Eindrucks von Idylle oder gar Dekadenz dar. Das Neue definierte sich nicht im Schatten des Alten als klein und pittoresk, im Grunde nichtig; sondern es setzte sich als ebenbürtig oder sogar überlegen neben das Alte. Daher wurden Alt und Neu geschieden, ihr Abstand war Teil der Inszenierung. Das war ein durch und durch moderner Zug, der das Präzedenzlose einer Gegenwart betont, die Distanz zur Vergangenheit als solcher gewinnt. Mit Abstand korrespondierte daher auch die Kontrastierung. Als ein bestätigendes Indiz für die neuen faschistischen Komponenten eines traditionellen Ruinenverständnisses kann das Verhältnis von Ruine und Vegetation angesehen werden.15 Noch Giacomo Boni hatte Anpflanzungen auf dem Forum Romanum als ein Mittel der didaktischen Verlebendigung, der symbolischen Verstärkung und des gestalterischen Ausgleichs vorgenommen – um den Schauplatz archäologischer Betätigung nicht als die bloß ausgeweidete Beute „gieriger Hyänen“ erscheinen zu lassen.16 Eine derartige Abmilderung oder Ergänzung des monumentalen Duktus der Ruine wurde in der faschistischen Ära eher gemieden. Vegetation trat da, wo sie zugelassen wurde, zu geometrischen Formen getrimmt, in serieller Reihung gleichförmiger Pflanzenkörper oder als Architektur-Ersatz auf, etwa zur Darstellung von Grundrisselementen. Zylindrisch geschnittenes niedriges Buschwerk markierte die Position verlorener Säulen des Tempels der Venus und Roma, zierbeetartige Anpflanzungen projizierten den Grundriss der einstigen Trajansthermen auf die Hänge des Colle Oppio.17 Dem faschistischen Konzept mit seinen Voraussetzungen und Implikationen wurde auch international applaudiert. Dafür kann die Reaktion zweier deutscher Archäologen, Ludwig Curtius und Gerhart Rodenwaldt, einstehen, die sowohl die Massivität des Eingriffs als auch den Primat der Moderne, etwa die Fixierung auf den Verkehr, akzeptierten. Auch zeigten sie sich von einer kontrastierenden Berührung von Alt 15
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S. Altekamp, Ruine und Vegetation, in: T. Mattern (Hrsg.), Munus. Festschrift für Hans Wiegartz (Münster 2000) 13–26. O. von Gerstfeldt, Die Flora des Forum Romanum, Velhagen und Klasings Monatshefte 1906, April, 141–152; G. Boni, Il ‚metodo‘ nelle esplorazioni archeologiche, BdA 7, 1913, 43–67. bes. 65–67. Zum Tempel: A. Muñoz, Il tempio di Venere e Roma, Capitolium 11, 1935, 215–230; zu den Thermen: N. C., Il parco del colle Oppio, Capitolium 4, 1928, 130–138 (anonymer Autor); Muñoz, Parco di Traiano (Anm. 3).
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und Neu fasziniert und gewannen dem politischen Kontext ganz und gar positive Züge ab: „[…] die endgültige Verbindung des alten heiligen Rom mit dem modernen, ja das Wieder-lebendig-Werden der Ruinen in ihrer neuen symbolischen Rolle im Leben des modernen Staates und der Stadt ist erst erreicht durch die Schöpfung der Via dell’Impero […]. Dieses herrliche Unternehmen ist viel weniger ein rein archäologisches als es zunächst scheint. Seine gedanklichen Hintergründe sind politische und verkehrstechnische […]. Das andere moderne Bedürfnis ist das der politischen Massenentfaltung […]. Der moderne Führer, der die Parlamentstribüne hinter sich gelassen hat, braucht ein Forum, auf dem er immer wieder zu der Volksgemeinschaft, zu der jeder gehört, spricht. […] So sind in der Bedrängnis der Gegenwart die Ahnengeister der römischen Ruinen wieder lebendig geworden, um zu helfen, die Idee des Staates wieder herzustellen. [… Es] dient diese ganze Ruinenwelt nur der Verlebendigung einer einzigen geschichtlich-gegenwärtigen Einsicht: der Größe des staatlichen Seins, der Größe der schöpferischen politischen Persönlichkeit.“18 „Früher hätte man wohl für dieses wiedergewonnene Ensemble [d.h. die Kaiserfora] eine zona archeologica geschaffen, eine friedliche Insel der Versenkung in die Vergangenheit, um die man den Strom gegenwärtigen Lebens herumgeleitet hätte. Die große, faszinierende Idee der neuen Leistung ist, daß man die Wirklichkeit mitten in die Vergangenheit hineingeführt hat.“19 Am Rande sei dazu angemerkt, dass die in diesen Äußerungen anklingende Akzeptanz des faschistischen Wegs der Verbindung von Städtebau und Archäologie in direktem Gegensatz zur Situation Ende des 19. Jahrhunderts stand, die von heftigen Debatten zwischen (einheimischen) Stadtplanern, Architekten und (ausländischen) Altertumswissenschaftlern geprägt war.20 Die auswärtigen, vor allem deutschen Gelehrten gingen mit dem rabiaten Ausbau der jungen Hauptstadt Rom schonungslos ins Gericht. Insbesondere kritisierten sie den in der Tat erheblichen Verlust an antiker Stadtsubstanz und die rigorose Unterordnung des historisch-archäologischen Kolorits unter die harschen Prämissen großstädtischen Wachstums. 18 19
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L. Curtius, Mussolini und das antike Rom (Köln 1934) 11f. 20. G. Rodenwaldt, Via dell’Impero in Rom, Zentralblatt der Bauverwaltung 54, 1934, 309–312. bes. 309f. F. Gregorovius, Der Umbau Roms, in: Kleine Schriften zur Geschichte und Cultur (Leipzig 1888) 286–315 (verfasst 1886); H. Grimm, Die Vernichtung Roms. Ein Brief, in: Aus den letzten fünf Jahren. Fünfzehn Essays (Gütersloh 1890) 250–271 (verfasst 1886); O. Richter, Über die moderne Zerstörung Roms und deren Einfluß auf die Erforschung der antiken Stadt, Verhandlungen der 40. Versammlung Deutscher Philologen und Schulmänner Görlitz 1889, 1890, 17–30; A. Busiri Vici, Risposta romana a Ferdinando Gregorovius, Capitolium 36, 1961, Heft 5, 20–25; D. Palombi, Rodolfo Lanciani, L’archeologia a Roma tra Ottocento e Novecento (Rom 2006) 95–112. bes. 102f. Anm. 139.
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Nicht alle archäologischen bzw. architektonischen Befunde ließen sich in Ruinenfiguren von simpler wie ikonenhafter Eindrücklichkeit verwandeln. Die bauliche Substanz des augusteischen Marcellus-Theaters etwa war gut erhalten, da sich in dem von Zuschauerraum und Bühnenhaus umschlossenen Freiraum Befestigungen und Adelsbehausungen, in den Arkadenumgängen weitere Wohnstätten einnisten konnten. Während die Umgänge – in denen noch Barthold Georg Niebuhr als preußischer Gesandter am Heiligen Stuhl logiert hatte – freigestellt wurden, blieben in den oberen Partien die Ein- und Aufbauten des Palazzo Orsini erhalten. Als am 21. April 1930 fertiggestelltes Resultat ergab sich ein bizarres bipolares Monument aus Theater- und Palastpartien, jede so weit als möglich für sich aus einem Bestand, an dem viele Jahrhunderte mitgestaltet hatten, herauspräpariert – und daher in ihrer nunmehr unvermittelten Kontraststellung von monumentaler Rätselhaftigkeit (Abb. 4). Einen Sonderfall auf dem Forum Romanum schließlich stellt der Umgang mit den Resten des antiken Senatssitzes, der Curia Iulia, dar. Als umbautes Volumen hatte sich dieses Monument in die Kirche S. Adriano inkorporiert erhalten, die ihrerseits drastische Umgestaltungen erfahren hatte. 1932–1937 wurden die mittelalterlichen wie barocken Kirchenbestandteile entfernt und der antike Raumkörper der Curia wiederhergestellt (Abb. 5). Widerspricht einerseits die nackte Ziegelhaut des heutigen Zustandes dem Eindruck von Außenbau und Innenraum in der Antike (denn die Wände waren verkleidet bzw. verputzt), so stellt andererseits ein vollständig umbautes und intakt gedecktes Gebäude in antikischem Gewand auf dem Forum Romanum einen Fremdkörper dar, denn in vergleichbarer Vollständigkeit haben sich in diesem Areal antike Bauten nur durch Konversion erhalten können und müssten heute in entsprechend transformierter Gestalt, d.h. vor allem als Kirchen, erfahrbar sein.21 Abschließend sei der Umgang mit den Überbleibseln des Augustus-Mausoleums thematisiert. Dieses kaiserliche Monument hatte eine besonders vielgestaltige Folgegeschichte als Garten, Stierkampfarena, Zirkus, Künstlerarchiv und Konzertsaal aufzuweisen. Die Freilegung der antiken Reste wurde von 1934 bis 1937 ins Werk gesetzt, zugleich durch weitere Abbrucharbeiten anstelle einer engen innerstädtischen Umbauung eine platzförmige Freizone mit einer neuen Randbebauung geschaffen. Als Relikt des Mausoleums liegt seither der zwar umfängliche, aber gestaltlose, im Wesentlichen aus gebrannten Ziegeln errichtete konstruktive Kern der monumentalen Grablege frei. Fast alles, was seit den Maßnahmen der 1930er Jahre äußerlich sichtbar ist, war in der Antike unsichtbar, fast nichts dessen, was die Oberfläche des antiken Monumentes charakterisiert hatte (von seiner Verkleidung bis zur Anschüttung und 21
A. Bartoli, I lavori della curia (Rom 1938); ders., Curia senatus. Lo scavo e il restauro (Rom 1963); P. C. Claussen, Die Kirchen der Stadt Rom im Mittelalter 1050–1300, I, A-F (Stuttgart 2002) 20–38.
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Abb. 4 Marcellus-Theater
Abb. 5 Curia Iulia
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Abb. 6 Mausoleum des Augustus
Bepflanzung auf dem Grabzylinder), ist heute noch vorhanden. Da sich das Gehniveau von der augusteischen Zeit bis ins 20. Jahrhundert erheblich angehoben hat, entbehrt das nicht unbeträchtliche Volumen der Mausoleumsreste außerdem einer überzeugenden monumentalen Wirkung im Zentrum der Platzfläche (Abb. 6). Die Umgestaltung der Piazza Augusto Imperatore kann auch als städtebauliche Fehlleistung charakterisiert werden, auf diesem Schauplatz entfaltet die Inszenierung des antiken Rom kaum eine wie auch immer geartete positive Wirkung. Das latente Problem der Verwahrlosung des umgitterten Mausoleumsareals unterstreicht dessen urbanistische Defizite.22 Die Ergrabung seiner archäologischen Überreste lässt das antike Rom nicht im Format eines lebensweltlichen Realismus anklingen, sondern legt ein materielles Protokoll der Wechselfälle der Stadtgeschichte bloß. Dieses archäologische Exponat taugt nicht zum städtischen Monument. Das faschistische Modell der Verwandlung von
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A. Muñoz, La sistemazione del mausoleo di Augusto, Capitolium 13, 1938, 491–508; S. Kostof, The emperor and the duce. The planning of Piazzale Augusto Imperatore in Rome, in: H. A. Millon – L. Nochlin (Hrsg.), Art and architecture in the service of politics (Cambridge/ Mass. 1978) 270–325; I. Brock, Das faschistische Erbe im Herzen Roms – das Beispiel Piazza Augusto Imperatore, Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar 41, 1995, Heft 4/5, 129–156.
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Grabungsstätten in städtebauliche Aussagen löste das Problem der archäologischen Überinformation bei maximaler Unanschaulichkeit durch radikale Entsorgung. Extrahiert wurde ein bauliches Zitat. Im Sinne der Zeit ermöglichte dieses Zitat einen emotionalen Brückenschlag in eine als wesensverwandt reklamierte, aber entfernte Zeit. Das Bemühen um eine alternative detailreiche und realitätsnahe Annäherung an das antike Stadtbild oblag anstelle der Denkmalpflege den grafischen Medien. Seit dem 16. Jahrhundert ist das antike Rom als Stadtbild darstellend rekonstruiert worden. Eine der ältesten archäologischen Visionen des Rom der Antike stammt von Étienne Dupérac.23 Als farbiges Fliesenbild reproduziert, zierte sie lange Zeit öffentlichkeitswirksam eine der Innenwände des Postamtes an der Piazza San Silvestro (Taf. 13). Sie kann als Urahn für eine lange Tradition einstehen, die bis zu den kühnen Rekonstruktionszeichnungen des Büros „Inklink“ (Florenz) führen, die die jüngsten Grabungen im Areal der Kaiserfora begleiten24 – und natürlich zur Romvision in Leipzig, die den Anlass für dieses Treffen geboten hat. Die antiquarische Forschung hat ein varianten- und informationsreiches Bild der antiken Stadt als eines Stadtkörpers geschaffen. Auch die Rombilder künstlerischer und populärer Medien sind – bei allen Abweichungen – ohne diese Forschungen kaum vorstellbar. Diese Vollständigkeitsbilder sind also geläufig und erfolgreich. Die weite Verbreitung des gebauten Rekonstruktionsmodus der künstlichen Ruine – im gesamten Mittelmeerraum und darüber hinaus – erweist allerdings auch dieses Konzept der extrem partiellen Repräsentation als durchaus erfolgreich; es hat sich unauslöschlich in der modernen Denkmalslandschaft wie im visuellen Gedächtnis eingerichtet. Ihre defizitären Aspekte scheinen besonders dann auf, wenn Alternativen im buchstäblichen Sinne zusammentreffen und dem direkten Vergleich ausgesetzt sind. So erklärt sich der anhaltende Erfolg der seit Jahrzehnten in immer neuen Auflagen und verschiedenen Sprachen an Rom-Touristen verkauften Spiralbücher von Romolo Augusto Staccioli, die dazu einladen, Darstellungen des Jetzt-Zustandes transparente Folien mit den rekonstruierten Erscheinungsbildern der berühmten Stätten überzulegen.25 Diese beliebten „Einst und Jetzt“-Montagen klassifizieren die künstlichen Ruinen nicht als eine sinnhafte oder hinreichende Ausdrucksform, sondern als Schwundstufe und komplettieren sie im Sinne antiquarischen Wissens. Archäologie im faschistischen Städtebau ist also ein dezidierter Gegenentwurf zum antiquarisch festgestellten oder vermuteten Rom der Antike. Aber auch diesem Gegenentwurf fehlte es nicht an wissenschaftlicher Zustimmung, so dass er zugleich als innerwissenschaftlicher Reflex eines Unbehagens an antiquarischer bzw. positivisti23
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Étienne Dupérac, Urbis Romae sciographia ex antiquis monumentis accuratissime delineata (Rom 1574); siehe hier die Beiträge Meier, Gampp, Wulf-Rheidt mit Nachweisen. R. Meneghini – R. Santangeli Valenzani, I fori imperiali. Gli scavi del Comune di Roma (1991–2007) (Rom 2007). R. A. Staccioli, Rom, wie es war und wie es ist. Illustrierter Führer (Rom 1959).
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scher Produktion von Wissensschutt interpretiert werden kann. Antipositivistische Wissenschaftskritik trug populistische Züge oder versuchte sich mit dem Anspruch einer erneuerten Verlebendigung des Zugangs zur Antike zu bewähren. So weisen sowohl der anti-antiquarische Umgang mit den Romruinen wie deren Kritik etwa in den Sehhilfen der Tourismus-Industrie (Früher-Heute) letztlich populistische Züge auf. Hier scheint ein grundsätzliches Dilemma der Visualisierung des antiken im modernen Rom auf. Dass der antiquarische Zugriff auf die Antike auch in faschistischer Zeit nicht erlahmte, sei ergänzend vermerkt. Für die Topografie des antiken Rom stellt das berühmte Rom-Modell von Italo Gismondi den eindrucksvollsten Beleg dar.26 Dieses Modell wurde für die große „Mostra Augustea della Romanità“ aus Anlass des 2000. Geburtstags des Augustus 1937/38 geschaffen, eine Ausstellung, die in sich selber beide Modi der alternativen Antike-Inszenierung des Faschismus vereinte: die zur Identifikation aufrufende Beschwörung von Rom-Emotionen sowie eine massierte Leistungsschau archäologischen Detailwissens.27 Dem wissenschaftspolitischen Klima im Italien der 1930er Jahre wird nicht zuletzt auch die aktualisierte Bearbeitung einer systematisierten Alltagsgeschichte des antiken Rom von Jérôme Carcopino verdankt, die nicht nur mehrfach übersetzt wurde, sondern über Jahrzehnte immer wieder Neuauflagen erfuhr.28 Im Einzelfall ergaben sich sogar Rückwirkungen aktueller Grabungsergebnisse auf die zeitgenössische Architektur, besonders die Wohnarchitektur – Übernahmen, die nicht zuletzt der Akribie und der Suggestivität bildlicher Rekonstruktionsangebote geschuldet sein dürften.29 Der faschistische Städtebau hat der Archäologie ein in vielen Punkten kritikwürdiges Angebot gemacht, aber er hat – mit einem Dilemma konfrontiert – eine Entscheidung getroffen. Kritik an dieser Entscheidung oder Versuche ihrer Revision nehmen dieses Dilemma, das sich zwischen Authentizität und Unanschaulichkeit der archäologischen Stadtgrabung einerseits sowie Manipulation und Stadtverträglichkeit andererseits auftut, nicht aus der Welt.
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F. Filippi (Hrsg.), Ricostruire l’Antico prima del virtuale. Italo Gismondi, un architetto per l’archeologia (1887–1974). Ausstellungskatalog Rom (Rom 2007); siehe hier auch die Beiträge Cain, Bauer, Kockel und Wulf-Rheidt mit Taf. 18b. F. Scriba, Augustus im Schwarzhemd? Die Mostra Augustea della Romanità in Rom 1937/38 (Frankfurt am Main 1995). J. Carcopino, La vie quotidienne à Rome à l’apogée de l’empire (Paris 1939); dt. Übersetzungen: Das Alltagsleben im Alten Rom zur Blütezeit des Kaisertums (Innsbruck 1950); So lebten die Römer während der Kaiserzeit (Stuttgart 1959); Rom: Leben und Kultur in der Kaiserzeit (Stuttgart 1992). V. Kockel, Il palazzo per tutti. Die Entdeckung des antiken Mietshauses und seine Wirkung auf die Architektur des faschistischen Rom, NüBlA 11, 1994/95, 23–36.
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Abb. 7 Via dei Fori Imperiali
Im Bereich der Kaiserfora haben sich viele Polemiken der Nachkriegszeit zunächst stellvertretend auf ein symbolisches Element der faschistischen Planung konzentriert: auf die Straße (Abb. 7). Diese war als Aufmarschgelände politisch konnotiert und zugleich wichtiger Ausdruck des faschistischen Modernitätsbekenntnisses. In den Jahren der ersten linken Stadtregierung Roms besaß entsprechend in den frühen 1980er Jahren für ein Bündnis aus Kulturpolitik und Archäologie die Eliminierung der Straße eine hohe Priorität. Zur Ausführung kamen die entsprechenden Planungen jedoch nie. In einem wenige Jahre alten Projekt findet die Straße – nun als Brücke – nach wie vor ihren Platz und es sieht so aus, als verlöre sie ihren hohen symbolischen Status.30 Auf einer zweiten Ebene kam der eigentliche Umgang mit den archäologischen Monumenten ins Spiel. Der faschistischen Lösung wurden besonders die Befundvernichtung und die Reduzierung einer komplexen archäologischen Situation auf skelettierte künstliche Ruinen ausgewählter Repräsentationsbauten zur Last gelegt. Gegenüber diesen Defiziten formulierten sich die Ideale einer didaktischen Ausgrabungsstätte oder eines archäologischen Geschichtsbuchs – eines Ansatzes, der sowohl den Prozesscharakter der Geschichte Roms zu berücksichtigen wie den gebührenden
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A. La Regina – M. Fuksas – D. O. Mandrelli (Hrsg.), Forma. La città moderna e il suo passato (Mailand 2004).
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Respekt vor dem unscheinbaren, dennoch für die „microstoria“ bedeutsamen Dokument zu wahren versprach.31 Diesem wissenschaftsethischen Bekenntnis32 entspricht eine Forschungsmethode, die sich primär in der Durchführung der archäologischen Grabung realisiert. Ein entsprechendes Vorgehen orientiert sich nicht nur an der Sicherstellung markanter baulicher oder dekorativer Reste, sondern zeichnet die Details der archäologischen Stratifikation als eines Niederschlags materieller Ortsgeschichte nach. Auf dem Felde der Forschung ist das Versprechen eindeutig einlösbar, und während der im Zusammenhang mit dem Heiligen Jahr 2000 durchgeführten Grabungskampagnen auf dem Gelände der Kaiserfora wurde es eingelöst.33 Die auf Dauer sichtbaren Resultate aber lassen das Gestaltungsdilemma erneut aufscheinen. Während die Grabungen ein eindrucksvolles Bild des Stadtwandels von der Antike durch die Jahrhunderte des Mittelalters bis in Renaissance und Barock ermittelten – und in grafischen Rekonstruktionen auch darstellen konnten, mündet das Geschichtsbild am historischen Schauplatz in schwer verständlichen Szenarien (Abb. 8). Nach Entfernung der losen Verschüttungs- und Verfüllungsschichten sowie mancher fragiler Konstruktion verbleibt für ein lesbares Bild zu wenig authentische Masse – „Formlosigkeit bloßer Materie“ unterhalb der Schwelle der Gestalthaftigkeit. Auf der Suche nach einer überzeugenderen Situation gelangt man wenige hundert Meter entfernt in der heutigen Via delle Botteghe Oscure an ein Ziel. Das Museum der Crypta Balbi, einer von vier Standorten des Museo Nazionale Romano, präsen-
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Etwa: A. Carandini, Svestiamo scientificamente i fori, L’Unità 4. März 1981, 3; F. Coarelli, Il progetto di via dei fori imperiali, DialA 3, 1981, Heft 2, II–IV; I. Insolera, Dall’isola, gratis ai fori, Il Messaggero 3. Februar 1981, 4; A. La Regina, Programmi della Soprintendenza Archeologica di Roma, Archeologia Laziale 4, 1981, 15; Roma. Continuità dell’antico. I fori imperiali nel progetto della città (Mailand 1981); L. Barroero – A. Conti – A. M. Racheli – M. Serio, Via dei fori imperiali. La zona archeologica di Roma. Urbanistica, beni artistici e politica culturale (Venedig 1983); H. La Regina, Roma: archeologia e progetto, in: I. Baldassare (Hrsg.), Archeologia urbana e centro antico di Napoli, Atti cel convegno, Napoli 27–29 Aprile 1983 (Tarent 1984) 100, Taf. 2; L. Benevolo (Hrsg.), Roma. Studio per la sistemazione dell’area archeologica centrale (Rom 1985); L. Benevolo – F. Scoppola (Hrsg.), Roma. L’area archeologica centrale e la città moderna (Rom 1988). Vgl. noch M. C. Mosconi (Hrsg.), Progetto Roma. La città del 2000 (Rom 1998) 51: „Alla ricerca della ‚romanità‘ si è contrapposto, oggi, quella della stratificazione, delle fasi storiche – dall’età moderna alla più antica – consentendo, in tal modo, di giungere alla visibilità complessiva e unificata dell’insieme storicizzato. […] Nel caso del futuro Parco dei Fori Imperiali, il progetto non si limiterà a far riaffiorare i diversi monumenti, ma provvederà alla creazione di un tessuto connettivo che ne agevoli l’identificazione nella condizione originaria del loro contesto.“ Zusammenfassend zu den neuen Grabungen: E. La Rocca, Fori Imperiali. Relazione preliminare degli scavi eseguiti in occasione del Grande Giubileo del Duemila, RM 108, 2001, 171–283; Meneghini – Santangeli Valenzani (Anm. 24).
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Abb. 8 Neue Grabungen Kaiserfora
tiert eindrucksvoll die Geschichte seiner eigenen Lokalität.34 Die archäologischen Reste sind hier allerdings in eine museale Konstruktion und Inszenierung eingebunden – und in ihrer Aussagekraft und Verständlichkeit auf eine derartige Einbindung angewiesen. Dieses Museum kann als veritabler Gegenentwurf zur faschistischen Geschichtsinszenierung gelten – wenn auch um den Preis des Rückzugs aus dem offenen Stadtraum in die helfende Hülle eines musealen Gestells.
Abbildungsnachweis Abb. 1.5.6.8.9: Verf. Abb. 2: A. M. Colini, Il Tempio di Apollo, BCom 68, 1940, Taf. 3 Abb. 3: Capitolium 16, 1941, 150 oben Abb. 4: L. Curtius – A. Nawrath, Das antike Rom (Wien 1944) Taf. 127
Tafelnachweis Taf. 13: Verf. 34
M. Stella Arena u.a. (Hrsg.), Roma dall’antichità al medioevo 1. Archeologia e storia nel Museo Nazionale Romano, Cripta Balbi (Mailand 2001); D. Manacorda, Cripta Balbi. Archeologia e storia di un paesaggio urbano (Mailand 2001).
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Fallbeispiele zur Visualisierung des antiken Rom seit der Frühen Neuzeit
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Die Visualisierung des antiken Rom in der Frühen Neuzeit
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Rom zwischen Tivoli und Washington. Die Visualisierung des antiken Rom in der Frühen Neuzeit A xel G a m p p
Einleitung In seinem epochalen Buch „Das klassische Land. Wandlung der Italiensehnsucht“ hat der Kunsthistoriker Wilhelm Waetzoldt 1927 den Wahrnehmungswandel Italiens in der Frühen Neuzeit nachgezeichnet. Während für mittelalterliche Pilger das Erreichen verehrungswürdiger Stätten alleiniges Ziel und ihr Interesse für alles andere dementsprechend marginal war, wandelte sich im Zuge der Grand Tour einiges. Doch die Aufmerksamkeit reisender Adeliger im 17. und 18. Jahrhundert war durchaus nicht auf Zeugnisse einer großen Vergangenheit fixiert, sondern sie entzündete sich an Kuriositäten jeglicher Art und schloss auch erotische Abenteuer ein. Entsprechend diffus war das Bild von Rom, das in den Norden mitgebracht wurde. Am stärksten blieben die Ruinenfelder in der Heiligen Stadt im kulturellen Gedächtnis haften. Sie erscheinen denn auch in Darstellungen des 17. Jahrhunderts, wo das antike Rom aufleuchten soll.1 Diese Ruinen konnten beliebig ihres realen Kontextes entrückt und in einen neuen gesetzt werden. Die Landschaften Claude Lorrains, etwa jene mit dem Konstantinsbogen, sind dafür sprechende Zeugnisse, sie verkörpern in idealtypischer Weise die Gattung der ‚Heroischen Landschaft‘.2 Doch um derartige Darstellungen, die eigentlichen Capricci, geht es hier nicht, denn diese Capricci streben ihrem Wesen nach nicht danach, das Bild von Rom als solches zu transportieren. Sie bedienen sich seiner Versatzstücke, um ein Idealbild einer geografisch unverorteten Antike zu vermitteln. Anders ist es um jene Versuche bestellt, die das antike Rom seinem Erscheinungsbild nach aufleben lassen wollten und dazu antike Bauten in der Zeichnung oder im Plan rekonstruierten und in topografisch korrekter Weise gruppierten. Merkwürdigerweise verband sich das Bild des antiken Rom, das sich im Rest der Welt verbreitete, nur sehr locker damit. Fern von Rom spielte eine frühwissenschaftliche Rekon1
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Als willkürlich herausgegriffenes Beispiel kann von Jacques Callot das Martyrium des Hl. Sebastian angeführt werden, wo im Hintergrund die Umrisse des verfallenen Kolosseums auftauchen. Siehe J. Callot, Das gesammelte Werk II (München 1971) 1496. Das erwähnte Werk „Capriccio mit dem Konstantinsbogen“ aus dem Jahre 1651 im Besitz des Herzogs von Westminster.
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struktion der antiken Urbs eine außerordentlich geringe Rolle. Sie fand jenseits eines engen Gelehrtenkreises wenig Aufmerksamkeit. Derartige Ansätze finden sich im Zuge der aufkeimenden Antikenbegeisterung bereits in der Mitte des 15. Jahrhunderts.3 Der vollkommenste Versuch ist in Pirro Ligorios zweitem Stadtplan von Rom von 1561 zu sehen (der erste kleinere datiert von 1553), wo zahlreiche antike Gebäude ergänzt wurden und sich so das Bild der antiken Stadt einstellt (siehe hier Beitrag Meier mit Abb. 7).4 Diese Versuche stellten allerdings auch in den folgenden Jahrhunderten bis zu Piranesi hin eher die Ausnahme als die Regel dar. Vielleicht ist deswegen das Bild der Stadt Rom, wie es vor allem gerade fern von ihr vermittelt wurde, ein so anderes. Von diesem Bild wird nachfolgend verhandelt. So unpräzise es im Detail sein mag: Seine Wirkungsmacht war weit größer als jede archäologisch nachprüfbare oder der Philologie geschuldete Herangehensweise. Jenes ‚freiere‘ Bild wiederzuerkennen, bereitet wahrscheinlich uns heutigen Betrachtern weit mehr Mühe als den Rezipienten des 16., 17. und 18. Jahrhunderts. Sie konnten von einigen wesentlichen Versatzstücken sofort den Kontext rekonstruieren und zwar auch dann, wenn Anspruch und Wirklichkeit in einem sehr lockeren Verhältnis zueinander gestanden haben. Um dieses assoziative Rombild geht es in der Folge. An drei Komplexen soll es nachgewiesen werden. Zum Ersten an einem frühen Beispiel, nämlich jenem Rombild, das im Park der Villa d’Este in Tivoli Teil der ausgeklügelten Wasserspiele wurde. Dort wird die erwähnte Differenz zwischen realem Bestand und intellektuellem Befund erstmals richtig greifbar. Zum Zweiten wird das ephemere Rombild untersucht. Darunter sind Festdekorationen und Kulissen in Inszenierungen gemeint, in denen das Bild des antiken Rom eine zentrale Rolle spielte. Mit dieser Form von Rombild sind – wie noch zu belegen sein wird – wohl am meisten Personen in der Frühen Neuzeit in Berührung gekommen. 3
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Siehe dazu jüngst den ausgezeichneten Ausstellungskatalog F. P. Fiore (Hrsg.), La Roma di Leon Battista Alberti. Umanisti, architetti e artisti alla scoperta dell’antico nella città del Quattrocento. Ausstellungskatalog Rom, Kapitolinische Museen (Mailand 2005). Ein sprechendes Beispiel für die frühen Bemühungen einer genauen Rekonstruktion der antiken Stadt beispielsweise S. 333 Abb. III.7.1: Jean Fouquet, Une Harangue dans le Forum Romain. Um 1458. Paris, Bibliothèque nationale. Zu Pirro Ligorios Plan siehe M. M. McGowan, The Vision of Rome in Late Renaissance France (New Haven 2000) 13. Zu Pirro Ligorio ferner: D. R. Coffin, Pirro Ligorio. The Renaissance artist, architect and antiquarian (University Park 2004); B. P. Venetucci, Pirro Ligorio and the rediscovery of antiquity, in: J. Fejfer (Hrsg.), The rediscovery of antiquity: the role of the artist, ActaHyp 10 (Copenhagen 2003) 63–88; D. Negri (Hrsg.), Delle antichità di Roma: Circi, theatri, amphitheatri con numerose tavole e la pianta cinquecentesca di Roma (Rom 1989); H. Burns, Pirro Ligorio’s reconstruction of ancient Rome, in: R. W. Gaston (Hrsg.), Pirro Ligorio, artist and antiquarian (Mailand 1988) 19–92; T. Carunchio, L’immagine di Roma di Pirro Ligorio. Proposta metodologica per studio dell’opera dell’antiquario napoletano, in: La città: immagini, documenti. Ricerche di storia dell’arte 3 (Rom 1976) 25–42.
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Zum Dritten und abschließend wird ein städtebaulicher Versuch gewürdigt, wo ganz offensichtlich jenes im ephemeren Bereich gewachsene und fundierte Bild des antiken Rom seine dreidimensionale Umsetzung fand.
Das Rombild in der Villa d’Este in Tivoli Bekanntlich hatte Kardinal Ippolito d’Este sich 1550–1572 in Tivoli unweit Roms eine Villa errichten lassen, umgeben von einem der aufsehenerregendsten Gärten in ganz Italien. Am südwestlichen Rand des Gartens ist eine halbrunde Ausbuchtung in der Begrenzungsmauer besetzt mit einer Fülle von Kleinarchitekturen. Bereits ein Stich von Etienne Dupérac aus dem Jahr unmittelbar nach der Fertigstellung der Villa dokumentiert deren Bauten (Abb. 1a), ein Stich von Venturini aus dem späten 17. Jahrhundert lässt noch mehr Details erkennen (Abb. 1b). Heute ist das Ensemble nicht mehr in dieser Form erkennbar, weil im 19. Jahrhundert ein Teil der dortigen Stützmauer wegbrach. Ein Zeitzeuge aus dem späten 16. Jahrhundert, Nicolas Audebert, hat allerdings die Anlage in ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild beschrieben. Nicht ohne Brisanz ist die Einleitung der Beschreibung. Audebert lässt darin nämlich eine ikonologische Deutung der Anlage aufschimmern, auf die hier nicht vertieft eingegangen wird, die aber in den Worten Audeberts doch wiedergegeben sei. Er berichtet, Papst Pius V. habe es dem Kardinal d’Este untersagt, in unmittelbarer Nähe zum Vatikan einen mit der Papstresidenz konkurrierenden Kardinalspalast zu errichten. Wörtlich fährt er fort: „[…] puis qu’il ne luy estoit permis avoir un château en Rome, qu’il vouloit avoir Rome en son château“ (… und weil es ihm nicht erlaubt war, ein Schloss in Rom zu haben, wollte er Rom in seinem Schloss haben).5 Der gleiche Audebert liefert uns nun auch einen Bericht über jenes Rom im Garten des Kardinals, das sich wie folgt zusammensetzte: „[…] une plate-forme sur laquelle est bastye une petite ville toute massonerie, qui est la ville de Rome non plus hault eslevee de quattre ou cinq pieds, et en icelle se recongnoissent tous les principaux lieux fort bien représentez et reduicts en petits comme les sept monts, et le Vatican, les églises St. Pierre, St. Jean de Latran et autres, l’obélisque de Jules César, le Colisée, la Rotonde, les colonnes d’Antonin et de Trajan, le Château St. Ange, les principales places, et ce qui y est de plus remarquable.“ (Eine Plattform, auf der eine kleine Stadt ganz aus Stein gebaut ist, das ist die Stadt Rom, nicht höher als vier oder fünf Fuß hoch. Darin erkennt man alle wichtigen Orte gut wiedergegeben und in kleinem Maßstab, wie die sieben Hügel und den Vatikan, die Kirchen St. Peter und San Giovanni in Laterano und andere, den Obelisken von Julius Caesar, das Kolosseum, das Pantheon, die Säulen Marc Aurels und Trajans, die Engelsburg, die wich-
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Zitiert nach McGowan (Anm. 4) 175. Zu Dupérac siehe auch hier die Beiträge Meier und WulfRheidt.
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Abb. 1a Tivoli, Villa d’Este. Ausschnitt aus dem Plan von Etienne Dupérac mit dem Bild des Rommodells. Kupferstich 1573
tigsten Plätze und alles, was von Bedeutung ist.) Auf Dupéracs und Venturinis Stichen lässt sich einiges davon wiederfinden, etwa das Pantheon im Vordergrund, die beiden Triumphsäulen, die Kuppel von St. Peter, die Tiberinsel inmitten des durchfließenden Baches usw. (Abb. 1a-b). Für unseren Argumentationsgang dürfte wesentlich sein, dass spätestens ab diesem Beispiel das Bild von Rom durch eine eklektische Auswahl bestimmt wurde. Eine Anzahl von Monumenten wurde als repräsentativ angesehen, doch welche Monumente ausgewählt und in welcher Weise sie zusammenkomponiert wurden, blieb weitgehend dem Belieben anheim gestellt. Das freilich schränkt bisweilen in angedeuteter Weise den Wiedererkennungseffekt für uns Heutige stark ein. Davon wird gleich zu verhandeln sein.
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Abb. 1b Die „Rometta“ Pirro Ligorios in der Villa d’Este in Tivoli, Kupferstich von G. F. Venturini, 1691.
Das Beispiel von Tivoli machte sofort Schule, wie Margaret McGowan jüngst en détail berichtete, vor allem in Frankreich, wo Kardinal d’Este als Legat weilte. Dort allerdings war das Terrain schon gut vorbereitet, denn es zeigt sich, dass zeitgleich, aber unabhängig von Tivoli, in der Malerei ähnliche Versuche unternommen wurden. Als Beispiel mag ein Historienbild von Antoine Caron „Le Massacre du Triumvirat“, um 1566 datiert, angeführt werden (Taf. 14a). Auf den ersten Blick erkennbar sind die verschiedensten Monumente in Architektur und Skulptur, die den unverwechselbaren Reiz von Rom ausmachen, und zwar in synchronisch und topografisch völlig freier Zusammenstellung. Wohl themenbedingt rückt das Kolosseum ins Zentrum, anderes aber darf nicht fehlen: zwei Triumphbögen, die Engelsburg und -brücke, eine der Triumphsäulen und der Obelisk von St. Peter, den Audebert nach einem lang kursierenden Missverständnis für jenen von Julius Caesar hielt. Zu diesen antiken Monumenten gesellt sich aber auch am rechten Rand eine Darstellung des damaligen Kapitolinischen Palastes und der Torre Paolina dahinter. Dieses Gemälde, das parallel zum Rombild der Villa Tivoli entstand, hat jenem unmittelbar nichts zu verdanken. Die Gleichzeitigkeit der Phänomene könnte ihre Wurzel mittelbar in einem gemeinsamen Dritten haben, aus dem beide, das Tafelbild und die Stadtlandschaft, gespeist wurden. In beiden kommt ein wesentlicher Grundgedanke zum Tragen: Das Stadtbild von Rom ist eine Vereinigung von Altem und Neuem. Die Wurzeln für diese Auffassung liegen in der Romliteratur des 15. und
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16. Jahrhunderts. Sowohl Flavio Biondo in seiner „Roma instaurata“ (1446, gedruckt 1481) und in seiner „Roma triumphans“ (1459, gedruckt 1482) wie auch Andreas Fulvius in seiner „Antiquitas urbis“ von 1527 lassen ein Stadtbild entstehen, das eine Verschmelzung von Altem und Neuem darstellt, von rekonstruierten Ruinen und eben Fertiggestelltem. Die Grundidee bleibt überall die gleiche: im Rom der Neuzeit mit seinen im Bau befindlichen Kirchen, allen voran St. Peter, und mit seinen prächtigen Palästen ist die Größe und Herrlichkeit des antiken Rom auferstanden. Deswegen stellte es beispielsweise keine Schwierigkeit dar, den Tempietto von Bramante als vollkommenen Ausdruck antiker Architektur unter ältere Zeugnisse einzureihen.6 Neben Entstehendem oder jüngst Gebautem musste in dieser Sichtweise das Ruinöse des antiken Rom hypothetisch rekonstruiert werden, auf dass alles zu einer grandiosen Mischung verschmelze. Lucio Fauno sprach in diesem Zusammenhang das Dictum aus: „Coniucturas seque necesse est“ – Konjekturen sind notwendig.7 Diese Konjekturen äußern sich genau in der Verschmelzung antiker Zeugnisse und aktuellster Bautätigkeit, um daraus ein unverwechselbares Rombild zu formen, ein Rombild der Synchronie. Das Bild des antiken Rom ist durch eine synchrone Vorgehensweise stark verunklärt. Nur wenige machten sich derart akribisch an die Rekonstruktion eines antiken Rom wie Pirro Ligorio mit seinem oben erwähnten Stadtplan. Dessen Vorgehen ist aber zu detailreich. Dafür interessierten sich außerhalb Roms nur wenige. Die überwiegende Mehrzahl hingegen war zufrieden mit einer Reihe denkwürdiger Monumente, wie sie in Tivoli oder bei Caron ausgewählt wurden. Mit diesem synchronen Rombild war ein erster Baustein gelegt, um darauf ein diachrones aufzubauen, das seinerseits nun aber auch von einem einigermaßen willkürlichen Auswahlverfahren bestimmt war. An erste Stelle traten jene antiken Denkmäler, die dem Bild des antiken Rom den sprechendsten Ausdruck verleihen konnten. Deren Gewichtung wurde durch die humanistischen Romführer im 16. Jahrhundert vorgenommen. Allerdings bemühten sich auch Maler und Architekten, ruinöse Einzelbauten aufgrund archäologischer Annahmen immer exakter zu komplettieren. Dabei wurde häufig nach Gattungen getrennt. Selten sind Rekonstruktionen komplexerer urbanistischer Situationen. Der bereits erwähnte Dupérac hat einen Versuch – allerdings vor dem Forum – unternommen, der sich besonders nahtlos in den weiteren Gang der Argumentation einfügt (Abb. 2). Hier wird an der visuellen Topik Roms weitergearbeitet, deren Erfolg sich in ganz Europa einstellte. Der Ort des Durchbruches deutet sich in der kulissenhaften Auffassung Dupéracs schon an: es ist das Theater als ein Ort, wo die erwähnten Konjekturen Wesenselement sind.
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Dazu McGowan (Anm. 4) 42f. McGowan (Anm. 4) zitiert nach De antiquitatibus urbis Romae, S. 1549.
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Abb. 2 Etienne Dupérac, Aufnahme des Forums und Rekonstruktion desselben
Das Bild des antiken Rom im Theater der Frühen Neuzeit Mit dem Bild des antiken Rom im Theater der Frühen Neuzeit verknüpft sich forschungsgeschichtlich ein Problem: häufig wurde es in ephemeren Medien transportiert, doch derartige Ausstattungselemente wie Kulissen und Festarchitektur sind nur im Einzelfall und ganz akzidentiell erhalten geblieben.
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Trotzdem lässt sich über das Theater ein sich durch mehrere Jahrhunderte hindurchziehendes Rombild erkennen. Die erste Voraussetzung dafür bildete die VitruvRezeption, der ja bekanntlich eine Reihe von Theaterszenen zu entnehmen waren. Bereits in der Vitruv-Ausgabe des Giovanni Battista da Sangallo aus den Jahren um 1520/30 finden sich Randzeichnungen mit allen drei Szenen-Arten des antiken Theaters: der tragischen, der komischen und der satyrischen Szene. Ein Blick auf die tragische Szene (Abb. 3) verdeutlicht, dass hier und nur hier das Bild des antiken Rom aufscheint. Die komische Szene ist demgegenüber durch Architektur der Gegenwart und des Alltages gekennzeichnet. Die Wahl ist gewiss nicht zufällig. Während die Komödie auch häufig Stoff aus der aktuellen Gegenwart aufgriff und verarbeitete, traten in der Tragödie die Heroen der Antike auf die Bühne. Das Rombild, das in der tragischen Szene vermittelt wird, ist neuerdings aus Versatzstücken Roms zusammengefügt. Im Hintergrund besetzt die Mitte der Konstantinsbogen, in der Ferne ragt die Cestius-Pyramide auf, flankiert wohl von zwei Obelisken. Ferner dürfte es sich bei der spiralig aufgefassten Säule im rechten Viertel um eine der beiden römischen Triumphsäulen handeln. Nicht näher interpretierbar sind die einander gegenüberstehenden Tempel im Vordergrund. Besonders interessant ist jener sich im Hintergrund rechts aufrichtende Rundbau. Denn bei diesem müsste es sich um eine frühe Rekonstruktion des Hadriansmausoleums handeln, also der Engelsburg. Dabei wurde der Kernbau mit einem Säulenkranz umstellt. Diese Rekonstruktion hatte in der Folge eine große Verbindlichkeit. Zahlreiche ähnliche Fassungen finden sich im gesamten 16. und 17. Jahrhundert wieder.8 Weitere Beispiele der tragischen Szene belegen, dass sie ohne antik-römische Versatzstücke nicht auskommt, auch wenn diese bisweilen mit neuerer Architektur kombiniert werden. Während die neueren Bauten aber nicht auf leicht erkennbare Modelle zurückzuführen sind, verweisen die antiken Bauten sehr dezidiert auf ihre Vorbilder. Ein ehedem Baldassare Peruzzi selbst, nunmehr aber seiner Nachfolge zugeschriebener Entwurf vereinigt ebenfalls die Engelsburg (allerdings so stark durch vordere Bauten verdeckt, dass keine Rekonstruktion vorliegt), ferner ein hochaufragendes, allerdings ruinöses Kolosseum, dann den Vatikanischen Obelisken mit seiner bekrönenden Kugel und schließlich die Torre della Milizia, die im Kern antik ist. Hinzukomponiert sind ‚moderne Bauten‘, es entsteht also eine typische Konjektion zwischen Alt und Neu.9 Obwohl hier kein ‚reines‘ Bild des antiken Rom auflebt, muss jedem Theaterbesucher um 1535 mit dieser Szene auch das antike Rom vor Augen gestanden haben, mit allen seinen Konjekturen gegen die Frühe Neuzeit. An diese früh im 16. Jahrhun-
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Eine sehr schöne und mit erläuterndem Begleittext versehene Illustration zeigt etwa ein Stich von Henricus von Schoel aus dem Jahre 1583. Die Zeichnung wiedergegeben bei G. Pochat, Theater und Bildende Kunst im Mittelalter und in der Renaissance in Italien (Graz 1990) Abb. S. 287.
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Abb. 3 Giovanni Battista da Sangallo, Randzeichnung zur Vitruv-Edition des Giovanni Sulpizio von 1486. Wohl hinzugefügt um 1530
dert einsetzende Theaterpraxis knüpfen nun die folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte an, allerdings mit einer weiteren Verfremdung. In Serlios Architekturtraktat „Extraordinario libro di architettura, Libro secondo“, Venedig 1566, erscheinen bekanntlich nochmals die Theaterdekorationen (S. 25r-27v). Diejenige zur tragischen Szene bildet gegenüber früheren Errungenschaften einen Rückschritt ins Unbestimmte. Zwar verzichtet Serlio auf mittelalterliche Architektur. Das Mittelalter ist nur in der Scena comica präsent, dort zeigt sich die Kritik am Mittelalter in seiner beißendsten Form, indem sie jener Zeit mit Spott begegnet. In der Scena tragica alludieren einige Bauten generell auf die Antike: ein Triumphbogen im Vordergrund und eine tempelartige, nicht weiter spezifizierte Kleinarchitektur im Mittelgrund. Spezifischer sind die Cestius-Pyramide im Hintergrund und auch der Vatikanische Obelisk mit seiner unverwechselbaren Kugel als Bekrönung.10 Der Dialekt erscheint antik, aber die Sprache ist doch frühneuzeitlich. Wenn das gegenüber der philologischen Genauigkeit eines Sangallo und des Peruzzi-Umkreises einen Rückschritt darstellt, ist dieser Rückschritt für das weitere Fortleben des Bildes des antiken Rom im Theater entscheidend. Zwei Gründe mögen dabei mitspielen.
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Zu Serlio siehe Pochat (Anm. 9) 385–390 mit sämtlichen Abbildungen.
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Zum einen die Verbreitung der Vorlage im Druck, zum anderen die ungenaue Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse nördlich der Alpen. Eine Fortsetzung aller hier schon beschriebenen Tendenzen lässt sich freilich im Eklektizismus der Auswahl erkennen. Dieser Eklektizismus wird auch für die weitere Zukunft bestimmend bleiben. Ihm kommt es weniger auf konkrete Bauten als auf antike Architekturelemente an. Diese Tendenz setzt sich im frühen 17. Jahrhundert selbst in Rom fort, auch dann, wenn tatsächlich das antike Rom gemeint ist. Beispielhaft sind die Bühnenbilder für eines der frühesten römischen Oratorien, Stefano Landis „Il Sant’Alessio“, aufgeführt im Sitz des Kardinalnepoten Francesco Barberini im Palazzo della Cancelleria 1634 zu Ehren des polnischen Prinzen Alexander Karl. Dass es im Titel um eine Anspielung auf dessen Namen ging, ist unverkennbar. Im Prolog tritt Roma selbst auf und kündigt die Geschichte ihres tapferen Sohnes Alexius an; die gesamte Handlung spielt auch in Rom. Als Schöpfer der Kulissen waren die Namen von Bernini und Pietro da Cortona im Spiel, das Gewicht geht heute gegen den Letztgenannten, wenn nicht gar Kardinal Francesco selbst am Bühnenbild mitgestaltet hat. Auf jeden Fall ist das Resultat merkwürdig. Eine weitgehend unspezifische Säulenarchitektur führt den Blick in die Tiefe, wo einzig eine Triumphsäule auf Rom verweist, alles andere ist ebenso fantastisch wie unspezifisch.11 Damit nähert sich das Bild der antiken Stadt Rom im allgemeinen Verständnis der Frühen Neuzeit immer stärker einer bestimmten Bildgattung an: dem Capriccio. Unter Capriccio versteht die Kunstliteratur der Frühen Neuzeit zunächst und grundsätzlich einen merkwürdigen Einfall. Darum geht es hier aber nicht. Das Capriccio hat auch einen inneren Zusammenhang mit der Theaterdekoration. Bei ihr lässt der Kunsttheoretiker Giovanni Battista Passeri das Capriccio zu, nicht jedoch in der wirklich gebauten Architektur.12 Dem Capriccio ist stets die Zusammenfügung von Elementen eigen, die an sich nicht unmittelbar zusammengehören, durch die Fantasie des Künstlers aber zusammengebracht werden. In gewisser Weise ist dadurch die eklektische Auswahl legitimiert, wie sie seit dem Rom-Modell in der Villa d’Este in Tivoli charakteristisch blieb. Der Anteil des Fantastischen steigert sich aber zunehmend, bis nur noch einige Abbreviaturen als pars pro toto für das Bild des antiken Rom als Ganzes stehen, während der Rest der Dekoration aus einer frei erfundenen, antikisch erlebten Architektur besteht.
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Siehe die entsprechenden Abbildungen in S. Franchi, Osservazioni sulla scenografia dei melodrammi Romani nella prima metà del seicento, in: Musica e immagine. Tra iconografia e mondo dell’opera (Florenz 1993) 151–175, der Sant’Alessi Abb. 4, S. 167. Siehe L. Grassi – M. Pepe, Dizionario di Arte (Turin 1995) 132 s. v. Capriccio (Grassi). Zum Architektur-Capriccio vgl. auch W. Busch, Die Wahrheit des Capriccio – die Lüge der Vedute, in: E. Mai – B. Baumgärtel (Hrsg.), Das Capriccio als Kunstprinzip. Ausstellungskatalog Köln – Zürich – Wien (Mailand 1996) 95–101.
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Auch in der Folge genügen auf der Bühne wenige Elemente in freier Verbindung, um den Theaterbesucher ins antike Rom zu versetzen. Andere antike Städte tauchten im Theater ebenfalls auf, etwa Köln13, Seleucia14 oder Alexandria15. Doch Rom unterschied sich von ihnen durch die immer wiederkehrende freie Komposition seiner antiken Monumente. Die wohl berühmtesten Entwerfer von Theaterkulissen, Angehörige der Familie Galli Bibiena, differenzierten in exakt dieser Weise. In Giuseppe Galli Bibienas Architekturtraktat „Architettura e Prospettive“ von 1740 bzw. 174416 werden – im Gegensatz zum erwähnten antiken Alexandrien – nur Rom seine unverwechselbaren Kennzeichen verliehen (Abb. 6b). Die ganz in der Art eines Capriccio zusammengefügten Bestandteile sind Obelisk, Triumphbogen und Kolosseum. Diese Art des capricciösen Bildes vom antiken Rom hat sich nicht nur im Theater, sondern parallel dazu auch in den Souvenirgemälden der Grand Tour in ganz Europa verbreitet. Führend war hierin zweifelsohne Giovanni Paolo Pannini, von dem sich einige Capricci mit den bedeutendsten Baudenkmälern Roms erhalten haben.17 Der Unterschied zwischen ihnen und entsprechenden Bühnenbildern besteht vornehmlich darin, dass bei einem Bühnenbild, das für eine in der Antike angesiedelte Oper entworfen wurde, das Stadtbild naturgemäß weitgehend intakt zu sein hat, wohingegen Panninis Bilder als Souvenirs den aktuellen Zustand des Verfalls mitdokumentieren.18 Zwar mögen auch bei Galli Bibiena Trümmer vorhanden sein, doch insgesamt ist die Stadt bewohn- und belebbar. Sie bewegt sich also zwischen dem Extrem des gemalten Architekturcapriccios und der philologisch-archäologisch genauen Rekonstruktion Roms eines Pirro Ligorio oder im späteren 18. Jahrhundert eines Nolli oder Piranesi. Der Mittelweg ist für das Theater seiner Natur nach richtig, denn in der Regel spielt die Handlung im antiken Rom, das deswegen auch nicht als Ruine zu erscheinen hat. Wahrscheinlich ist es diese Mittellage im antiken Rombild, die am weitaus wirkungsmächtigsten von allen visuellen Umsetzungen war. Das Architektur-Capriccio als Originalgemälde stand immer nur einem zahlenmäßig beschränk13
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Abbildung in: T. Brugnoni, Mutanze, novità, stravaganze. Per le scene del Germanico sul Reno, Rivista italiana di musicologia 37, 1992, NN. 1–2, 125–144 Taf. IV. Abbildung in: M. V. Ferrero, La scenografia del ’700 e i fratelli Galliari, in: V. Viale (Hrsg.), Mostra del Barocco Piemontese I. Architettura – Scenografia. Ausstellungskatalog Turin (Turin 1963) 154. Abbildung in: Architekturtheorie von der Renaissance bis zur Gegenwart. 89 Beiträge zu 117 Traktaten (Köln u.a. 2003) 161 Abb. 4. Siehe zum Traktat jüngst: C. Thoenes – V. Biermann (Hrsg.), Architekturtheorie von der Renaissance bis zur Gegenwart. 89 Beiträge zu 117 Traktaten (Köln 2003) 158–163. Beispiele finden sich etwa in der Sammlung des Fürsten von Liechtenstein (Capriccio mit den bedeutendsten Baudenkmälern und Skulpturen des antiken Rom, 1735) oder derjenigen der Grafen Harrach (Römische Architektur mit Propheten, 1751). Weitere Beispiele in Mai – Baumgärtel (Anm. 12) 248–249. Zum Aspekt des Verfalls siehe B. Buberl – R. Kultzen (Hrsg.), Roma antica. Römische Ruinen in der italienischen Kunst des 18. Jahrhunderts. Ausstellungskatalog Dortmund (München 1994).
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ten Publikum vor Augen. In seiner druckgraphischen Umsetzung mag der Verbreitungsgrad höher gewesen sein. Aber er kann nie an die Verbreitung herangereicht haben, die die Darstellung des antiken Roms auf der Bühne hatte. Das mag erstaunen. Doch die Anzahl derjenigen, die das antike Rom als Bühnendekor erleben konnten, muss ‚Legion‘ gewesen sein. Als Beleg genügt ein Blick auf die Opern- und Theaterpraxis im 18. Jahrhundert. Allein der Stoff „La Clemenza di Tito“ wurde zwischen 1734 und 1798 fast 100mal vertont. Mozart ist nur einer unter 58 Komponisten, deren Namen von A wie Andrea Adolfati bis W wie Georg Christoph Wagenseil reichen und unter die illustre Vertreter wie Hasse, Gluck, Scarlatti, Galuppi oder Caldara fallen.19 Das Libretto von Pietro Metastasio, das am häufigsten vertont wurde und auf dem auch Mozarts Oper basiert, kennt im zweiten Bild des ersten Aktes ein Bühnenbild mit „Forum Romanum mit Kapitol im Hintergrund“, im dritten Akt für das siebte Bild einen „Platz vor dem Amphitheater“.20 Und das ist nur eine Oper, deren Handlung im antiken Rom angesiedelt war. Im Rahmen der sich ausbildenden Opera seria im 17. und 18. Jahrhundert nahmen die Stoffe, die im antiken Rom spielten, fast exponentiell zu. Ein Verzeichnis der Opern des 17. und 18. Jahrhunderts, die auf antiken Stoffen beruhen, umfasst mehr als 4400 Stück. Davon spielen nicht alle im antiken Rom, aber auch wenn es nur ein Drittel ist, so wären das etwa 1500 Opern. Geht man davon aus, dass jede zehnmal gespielt wurde und je 300 Zuschauer im Saal saßen, so müssen gegen 4 Mio. Zuschauer im Verlauf von 150 Jahren das antike Rom als Bühnenbild gesehen haben.21 Das sind gewaltige Zahlen, die zu wenig bedacht werden, wenn die Wirkung des antiken Roms im Bühnenbild erfasst werden soll. Dabei dürfte es genau die im Bühnenbild angewandte Capriccio-Komposition sein, die sogar bis über das 18. Jahrhundert hinaus die visuelle Topik des antiken Roms prägte. Es ist auch diese Topik, die im frühen 19. Jahrhundert wieder in die dreidimensionale Realität umgesetzt wurde. An sie wurde angeknüpft, und nicht an den realen archäologischen Befund, den Rom selbst hätte liefern können. Das Bühnenbild-Capriccio war weitaus dienlicher, die Fantasie zu beflügeln, wo es darum ging, in der gebauten Architektur an den antiken Glanz Roms anzuknüpfen. Davon soll der letzte Teil handeln.
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Siehe dazu H. Lühning, Titus-Vertonungen im 18. Jahrhundert. Untersuchungen zur Tradition der Opera seria von Hasse bis Mozart (Volkach 1983). Die Liste S. 504–522. Lühning (Anm. 19) 11. 13. Die Angaben bei M. McDonald, Sing Sorrow. Classics, History and Heroines in Opera (Westport 2001). Die Liste S. 243–338, hier besonders interessant S. 244–314.
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Das neue Rom in Amerika: Washington Als Amerika 1776 seine Unabhängigkeit von England und damit letztlich von Europa erklärte, war eine Rückbesinnung auf die Antike Teil der Abgrenzungsbestrebungen zur Alten Welt.22 Ob es über diese allgemeinen Beobachtungen hinaus zu einem direkten Austausch kam, der das ‚Bühnenbild‘ des antiken Roms nach Amerika vermittelte, ist bislang zu wenig untersucht worden. Ausgeschlossen ist es nicht: Immerhin ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass Lorenzo da Ponte, der vielleicht für Mozart glücklichste Librettist, sein Leben in New York beschlossen hat.23 Es mag überraschen, wie konkret sich Reminiszenzen an das antike Rom in der jungen Nation finden. Das für unser Interesse schlagendste Beispiel ist dabei die neu gegründete Hauptstadt Washington. Hier spricht ein Detail auf einer frühen Entwurfsskizze für die Stadt von der Hand Thomas Jeffersons Bände (Abb. 4). Der Potomac-River hat zwei Arme: Rock Creek und Goose Creek. Auf Jeffersons Skizze trägt Goose Creek aber einen anderen Namen, nämlich „Tyber“. Diese Namensgebung stammt gar nicht von Jefferson. Vielmehr erstreckten sich an der Stelle, die sich der frühe amerikanische Kongress unter Präsident Washington als Land für die zukünftige Hauptstadt ausgesucht hatte, Plantagen. Unter ihnen trug eine den Namen „Rome“. Wegen dieses Namens hatten Vorbesitzer das Gewässer folgerichtig „Tiber“ genannt.24 Freilich wird diese Nomenklatur mit ihren historischen Anspielungen den Stadtplanern sehr willkommen gewesen sein. Jedenfalls knüpften sie daran an, als sie – was auch schon auf Jeffersons frühem Plan verzeichnet ist – ein Kapitol gründeten. Wie Caroline Winterer jüngst präzise herausgearbeitet hat, war tatsächlich das intellektuelle Milieu Amerikas im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert stark der römischen Antike und ihrem republikanischen Ideal zugewandt, weit mehr als der griechischen Antike. Der Senat sollte wie sein römisches Vorbild der Garant von Freiheit sein, die Landwirtschaft wie in der Antike Grundlage von Prosperität und Wohlstand.25 In derartige Konzeptionen fügte sich ein Kapitol als Sitz des Senates nahtlos ein. In der Tat kannte schon der erste Stadtplan, der in den 1790er Jahren allmählich Formen annahm, ein Kapitol. Der Entwerfer der Stadt, der Franzose Pierre Charles L’Enfant, hatte dabei einen antiken Stadtentwurf vor Augen mit einem Cardo- und Decumanussystem, durchkreuzt von diagonalen Achsen, die ihrerseits an das Rom Sixtus V. erinnerten, aber auch Berliner oder Pariser Erfahrungen mitberücksichtigten.
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Siehe zu diesem Aspekt C. Winterer, The Culture of Classicism. Ancient Greece and Rome in American Intellectual Life 1780–1910 (Baltimore 2002) bes. Kap. 1. Er hielt sich allerdings erst nach 1805 in den USA auf. F. Gutheim – W. E. Washburn, The Federal Cities: Plans and Realities (Washington DC 1981) 4. Winterer (Anm. 22) 19.
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Abb. 4 Thomas Jefferson, Entwurfsskizze für Washington. 1790–1791
Alexis de Toqueville lieferte 1835 die für uns brauchbarste Beschreibung der hier entstehenden Stadt in seinem fundamentalen Werk „De la démocratie en Amerique“ (Buch I, Kap. XII): „Die Amerikaner haben bereits die Umrisse einer immensen Stadt festgelegt, dort, wo sie ihre Hauptstadt planen. Gegenwärtig ist sie kaum bevölkerungsreicher als Pontoise, aber ihren Aussagen zufolge soll sie eines Tages mehr als eine Million Einwohner haben. […] Sie haben im Zentrum der Stadt einen prächtigen Palast errichtet als Sitz des Kongresses und ihm den pompösen Namen Kapitol verliehen.“ In der Tat hieß der Hügel zunächst anders, nämlich Jenkins Hill.26 Dass in seiner Umbenennung in „Kapitol“ die antike Geschichte präsent werden würde, war allen bewusst und wurde sogar noch durch ein Detail unterstrichen. Neben dem Goose Creek, der den Übernamen „Tyber“ trug, gab es ein von Norden her einfließendes Gewässer, das als „Tiber Creek“ bezeichnet wurde. Nach seiner Planung wollte L’Enfant dieses Gewässer fassen, unterirdisch ableiten und in einem großen Brunnen vor dem neuen Kapitol wieder zutage treten lassen. Dadurch wären Kapitol und Tiber also vereint gewesen, es blieb allerdings bei der Planung. Nun ist das Kapitol nicht nur einer der sieben Hügel Roms, sondern vor allem derjenige, auf dem sich der Tempel des Iuppiter Capitolinus erhob. Der Name ist in die Urbanistik verschiedener Städte eingegangen, erwähnt sei etwa Toulouse. Doch dass er in Washington auch wieder auftaucht, ist mit Bestimmtheit kein Zufall, sondern Geschichtsinterpretation und damit Konzept. Denn just in dieser Zeit war Ed-
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Winterer (Anm. 22) 4.
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ward Gibbons „Decline and Fall of the Roman Empire“ erschienen. Gibbon selbst beschreibt, wie er den ersten Einfall dazu just auf dem Kapitol hatte.27 Der Grund liegt auf der Hand. Denn das (römische) Kapitol war aus der Aeneis bekannt als ein Ort, den Aeneas aufsuchte, wo ihm der Tempel Jupiters und eben das Kapitol gezeigt wurden (Buch 8, S. 347–48). Jupiter war jener Gott, der Venus bereits im ersten Buch der Aeneis das zukünftige Reich ohne zeitliche oder räumliche Grenzen verkündet (I, S. 278): „his ego nec metas rerum nec tempora pono, imperium sine fine dedi.“ Dass damit nicht auf das Römische Reich, sondern vielmehr auf jenes der katholischen Kirche angespielt werde, war ein Gemeinplatz frühneuzeitlich-römischen Geschichtsbewusstseins. Doch aus der Sicht der neuen Welt stellte sich der Sachverhalt anders dar. Schon George Berkeley hatte eine weitere geografische Verschiebung in der Erfüllung der Prophetie vorausgesehen. In seinem Gedicht „Verses on the Prospects of Planting Arts and Learning in America“ finden sich die alles deutenden Worte: „Westward the course of empire takes its way“ – westwärts nimmt der Gang des Imperiums seinen Lauf. Damit sich Amerika nun tatsächlich geschichtsphilosophisch in den Fußstapfen des römischen Reiches sehen konnte, war es gewiss kein Nachteil, gleichsam den einen Gründungsakt, die Besteigung des kapitolinischen Hügels, nach Washington zu verlegen und hier ein neues Kapitol zu errichten. In dessen Innerem hat übrigens Emanuel Leutze 1861 genau dieses Dictum in einem großen Wandgemälde festgehalten! Der Titel selbst ziert in Banderolen dessen Rahmen. Indem alles auf das gleiche Anliegen hinweist, ist es wohl kaum erstaunlich, dass die Idee vom antiken Rom nicht nur die Namensgebung des Kapitolshügels, sondern die gesamte Stadtplanung beeinflusste. Hier wurde in der Tat ein letztes Mal das Bild des antiken Roms bemüht. Zu betonen ist: das Bild davon, nicht der historische Befund. Das amerikanische Bild Roms ist am anschaulichsten erfasst von Thomas Cole in seinem fünfteiligen Zyklus „The course of Empire“, bestehend aus einer wilden Vorzeit, einer pastoralen Idylle, dem Höhepunkt, der Zerstörung und der Trauer darüber. Im Höhepunkt (The Consummation) von 1836 (Taf. 14b) kommt noch einmal jenes Rom-Capriccio zum Tragen, das die gesamte Stadtplanung von Washington prägt. Man sieht die typischen Elemente: Säulenarchitektur soweit das Auge reicht, eine Art Pantheonskuppel links im Hintergrund. Im Vordergrund links eine Tholos auf einem säulenumstellten Rundsockel, in dem die Reminiszenz an die früher gezeigte Rekonstruktion des Hadriansmausoleums unmittelbar wieder aufscheint. Für eine Inszenierung Washingtons als neues Rom würden – wie vor allem die Erfahrung aus der Rominszenierung zeigte – zwei Elemente prägend werden: eine antikische Architektur, die durch den damals modischen Klassizismus ohnedies be27
D. F. Kennedy, A sense of place: Rome, history and empire revisited, in: C. Edwards (Hrsg.), Roman Presences. Receptions of Rome in European Culture, 1789–1945 (Cambridge 1999) 19–34. bes. 32.
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fördert wurde, und einige Inkunabeln, die die Unverwechselbarkeit des Ortes ausmachen und in diesem Fall natürlich auf Rom zu verweisen haben. Eines der zweifelsohne wichtigsten Bauwerke Roms war das Pantheon, der einzige intakt erhaltene antike Tempel. Ihn rezipierte nicht nur Thomas Jefferson in seinem Entwurf für die Universität von Virginia, sondern auch frühe Entwürfe des Kapitols weisen eindeutig in die gleiche Richtung. Insbesondere jener von George Hadfield aus dem Jahre 1795 mit der großen, übergiebelten Säulenportikus vor dem Mittelbau und seiner flachen, gegen den Tambour abgetreppten Außenkuppel war ein unmissverständliches Zitat (Abb. 5). Projekte etwa von Benjamin Latrobe (1811) knüpfen an diese Idee an, seine gut dokumentierte Kuppel hätte gar den Okulus des Vorbildes besessen.28 Der erste Bau des Kapitols 1822 von Charles Bulfinch war ein antikischer Bau mit steiler gewölbter Kuppel, die allerdings nach wie vor die Abtreppungen an der Basis aufweist; die Pantheonsportikus blieb ohnehin. Vorstudien zum realisierten Projekt verdeutlichen, wie sehr trotz allem das Pantheon hier Pate stand.29 Der hochgezogene Bau lässt diese Nähe allerdings nur noch erahnen. Eine exaktere Kopie des antiken Bauwerks wurde allerdings in der City Hall von Washington umgesetzt, die als kleinerer Bau 1820 errichtet wurde und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kapitol stand.30 Als das erste Kapitol einem Brand zum Opfer fiel, griff man auch bei seinem Neubau auf römisches Repertoire zurück. Nun wurde jenes Hadriansmausoleum evoziert, das seit der Frührenaissance immer als säulenumstellter Tambour rekonstruiert wurde und so auch im Gemälde von Cole erschien. Dieses Motiv lebte im Neubau der 1860er Jahre wieder auf und bestimmt bis heute das Bild des amerikanischen Parlamentes (Taf. 15). Um die Reminiszenz an Rom noch zu verstärken, sollte das römisch-antikische Kapitol mit einer Reihe von weiteren baulichen Maßnahmen flankiert werden, die alle in die gleiche Richtung zielten. Erste Entwürfe sahen nämlich am Kreuzungspunkt zwischen der Achse vor dem Kapitol und jener vor dem ohnehin auch antikisch angehauchten Weißen Haus die Aufstellung eines Monumentes für George Washington vor. Robert Mill plante 1841 einen Säulenkranz, aus dessen Mitte ein Obelisk emporwachsen sollte.31 Davon wurde allerdings ebenfalls in den 1860er Jahren, also gemeinsam mit dem Neubau des Kapitols, nur der Obelisk selbst realisiert, der immerhin im Rahmen des Rom-Capriccios ein nicht wegzudenkendes Monument darstellt.
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Siehe P. Scott, Temple of Liberty. Building the Capitol for a New Nation (New York 1995) Taf. 7–9 Abb. 88. 94. 95 sowie zum Bauprojekt generell 56–60. Siehe die Vorzeichnungen bei Scott (Anm. 28) 61. Abbildung in: F. Gutheim (Hrsg.), Worthy of the Nation. The History of Planning for the National Capital (Washington 1977) 46. Abbildung in: Worthy of the Nation (Anm. 30) 53. Zur Realisierung auch Gutheim – Washburn (Anm. 24) 138.
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Abb. 5 Umzeichnung nach: Plan for the Capitol, Washington, by George Hadfield, first Arc. 1795
Mit einer abschließenden Kolonnadenarchitektur gegen den Potomac-River, dem Lincoln-Memorial von 1916, präsentiert sich heute die gesamte Szenerie nicht unähnlich wie alle jene barocken Rom-Capricci, die aus dem Bereich des Theaterdekors das Bild der antiken Urbs so maßgeblich geprägt haben (Abb. 6a-b). Dieser Eindruck wurde ehedem übrigens, betrachtet man ein Panorama des 19. Jahrhunderts von Washington, auch dadurch maßgeblich gespiesen, dass es in der Stadtsilhouette keinerlei überragenden christlichen Kirchenbau gab. Würde man aber das Wissen um die Rominszenierung beiseite lassen und sich auch über die Planungsgeschichte von Washington kein Bild machen, so wäre der Kontext schwer herzustellen, insbesondere, weil architekturgeschichtlich im Zusammenhang mit den Bauten Washingtons stets von einem „Greek Revival“ gesprochen
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Abb. 6a-b Blick gegen das Kapitol vom Potomac her, mit LincolnMemorial (Vordergrund) und dem Obelisken des WashingtonMonuments (Mittelgrund) in einer Gegenüberstellung mit Giuseppe Galli-Bibiena, Architettura e Prospettiva. Rom 1740 bzw. 1744
wird.32 Mit Griechenland hat es aber weniger zu tun als mit Rom. An dessen Größe soll hier im Bild angeknüpft werden. Wesentlich ist dabei, dass im Prinzip nur auf das antike Rom rekurriert wird. „Roma moderna“ ist naturgemäß nicht präsent. Die Absicht ist klar und muss im Grunde genommen nicht wiederholt werden: Mit allem Aplomb inszeniert sich hier eine Nation als Großmacht von antiker Grandeur; ein Anspruch, der – im Bild vorgetragen – der Realität um Dezennien vorausging, der allerdings die Planung des ‚Bildes‘ mit großer Persistenz durchdrang bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein. Vor dem Hintergrund dieser Planung macht es denn auch Sinn, George Washington als neuen Caesar darzustellen, wie das sowohl Giuseppe Ceracchi 1792 als auch Antonio Canova 1816 übereinstimmend getan haben.33
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Zu dem gesamten Problem des „Greek Revival“ hat sich in jüngster Zeit brillant geäußert L. Schneider, Klassik ohne Devotion. Ein Blick auf Amerikas griechisch inspirierte Architektur des 19. Jahrhunderts, in: G. Lose (Hrsg.), Aktualisierung von Antike und Epochenbewusstsein (Leipzig 2003) 143–178. Dazu auch: C. Höcker, Greek Revival in America? Reflections on uses and functions of antique architectural patterns in American architecture between 1760 and 1860, Hephaistos 15, 1997, 197–240. Abbildungen aus: P. Bondanella, The Eternal City. Roman Images in the Modern (Chapel Hill 1987) 145f.
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Abbildungsnachweis Abb. 1a: Diathek des Kunsthistorischen Seminars der Universität Basel Abb. 1b: N. Hosch – M Raspe, Konstruktion und Concetto. Die römischen Katafalke für Kardinal Alessandro Farnese (1589), Papst Sixtus V. (1591) und Principe Carlo Barberini (1630), archimaera. architektur. kultur. kontext 3, Mai 2010, 19 Abb. 7. Abb. 2: M. M. McGowan, The Vision of Rome in Late Renaissance France (New Haven 2000) 172 Abb. 61. 62 Abb. 3: Vitruvius, Ten Books on Architecture. The Corsini Incunabulum (Rom 2003) 115 Abb. 4: F. Gutheim (Hrsg.), Worthy of the Nation. The History of Planning for the National Capital (Washington 1977) 374; Markierung d. Verf. Abb. 5: P. Scott, Temple of Liberty. Building the Capitol for a New Nation (New York 1995) 56, Fig. 36 Abb. 6a: F. Gutheim (Hrsg.), Worthy of the Nation. The History of Planning for the National Capital (Washington 1977) 8 Abb. 6b: nach M. V. Ferrero, La scenografia del ’700 e i fratelli Galliari, in: V. Viale (Hrsg.), Mostra del Barocco Piemontese I. Architettura – Scenografia. Ausstellungskatalog Turin (Turin 1963) Taf. 36
Tafelnachweis Taf. 14a: Diathek des Kunsthistorischen Seminars der Universität Basel Taf. 14b: Diathek des Kunsthistorischen Seminars der Universität Basel Taf. 15: P. Scott, Temple of Liberty. Building the Capitol for a New Nation (New York 1995) Abb. 186, Pl. 26.
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Der Kaiserpalast auf dem Palatin
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Die Darstellung komplexer räumlicher Gebilde als Grundlage für bauforscherische Untersuchungen – das Beispiel Kaiserpalast auf dem Palatin U l r i k e Wu l f- Rh ei dt
Zu den antiken Bauwerken, die bis in unsere Zeit das Stadtbild von Rom nachhaltig prägen, gehört der römische Kaiserpalast auf dem Palatin. Die Überreste der großen Exedra vor der Domus Augustana und der Räume vor dem so genannten Gartenstadium sowie die auf hohen zweigeschossigen Substruktionen schwebenden Gebäudeteile der sog. Domus Severiana bilden zusammen mit dem Circus Maximus eine eindrucksvolle Kulisse (Abb. 1). Auch wenn alle Ausstattungsdetails fehlen, lassen die Ruinen noch heute die Pracht der einst über 300 m langen Fassade des römischen Kaiserpalastes erahnen. Es ist so nicht verwunderlich, dass besonders die Baureste im Südosten des ehemaligen Palastes, die in nachantiker Zeit nur in geringem Maße überformt wurden und durch die Jahrhunderte hindurch immer sichtbar waren, zu allen Zeiten Architekten und Altertumsbegeisterte fasziniert haben. Es hat sich eine kaum überschaubare Anzahl von Zeichnungen und Kupferstichen dieses Bereiches erhalten, die bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts zurückreichen und zumeist ein sehr detailliertes Bild dieser Ruinen zeichnen. Sie belegen, dass die Ruinen schon Jahrhunderte, bevor systematische Grabungen im Palastbereich stattfanden, hinter den wenigen erhaltenen Resten der Cavea des Circus Maximus eine eindrucksvolle Ansicht boten.1 Damit ist ein ganz eigenartiges Paradoxon entstanden: Obwohl der Bereich der ‚Domus Severiana‘ lange im Schatten der vielfältigen Betrachtungen der Kaiserpaläste lag, da er als ein später Anbau aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. und damit aus der Zeit der severischen Kaiser gehalten wurde, existieren von ihm die meisten frühen Ansichten. Warum dies so ist, verdeutlicht anschaulich die Darstellung des Palatin von Étienne Dupérac aus dem Jahre 1575. Der französische Künstler Étienne Dupérac
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So zeigt zum Beispiel eine Ansicht des Südabhangs des Palatin von Simone del Pollaiolo, die bereits Ende des 15. Jahrhunderts entstanden ist, die gewaltigen Ruinen der ‚Domus Severiana‘ und des ‚Gartenstadiums‘. Vgl. K. Werner, Antikenschutz und Antikendokumentation am Beispiel einer bislang unbekannten Grabung Sicinio Capizucchis, in: A. Hoffmann – U. Wulf, Die Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom (Mainz 2004) 144–147 Abb. 200. Die Zeichnung muss während einer seiner beiden Romaufenthalte 1493 oder 1497/98 entstanden sein.
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Ulrike Wulf-Rheidt
Abb. 1 Ansicht der Überreste der Kaiserpaläste auf dem Palatin von Südosten. Im Vordergrund der Circus Maximus
(1526–1604),2 der sich von 1560 bis 1578 in Italien aufgehalten hat, gilt als einer der bedeutendsten französischen Architekten der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Während seiner römischen Zeit ist die 36 Ruinenansichten umfassende Sammlung von Radierungen „I vestigi dell’antichità di Roma“ entstanden, die auch zahlreiche Darstellungen des Palatin umfasst. Auf seiner ‚Pianta di Roma‘ stellt er den Hügel in einer Ansicht von Osten als eine große Gartenlandschaft dar, die von zwei Treppen durchschnitten ist (Abb. 2). Die gewählte Vogelperspektive, die schon fast einem Grundriss nahe kommt, hat den Vorteil, dass der Palatin in seiner Gesamtheit erfasst ist. Die bewegte Topografie des Hügels vermag sie aber kaum zu verdeutlichen. Spürbar wird diese nur anhand der beiden dargestellten Treppen, die mit ihren vielen Stufen erahnen lassen, wie steil das Gelände hier jeweils sein muss. Nur wenige antike Ruinen ragen aus den Gärten auf, darunter der ‚Palazzo Maggiore‘, die heute so genannte Domus Severiana, die Reste des damals noch vorhandenen Septizonium (‚Septizonium Severi‘), einige Bögen des Aquädukts, der als Verlängerung der Aqua Claudia an der Ostseite auf den Palatin führt, und wenige Mauern im Zentrum des 2
E. Lurin, Étienne Dupérac, graveur, peintre et architecte (vers 1535?-1604). Un artiste-antiquaire entre l’Italie et la France (Paris 2006); vgl. auch hier die Beiträge Meier und Gampp.
Der Kaiserpalast auf dem Palatin
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Abb. 2 Étienne Dupérac, „Nova Urbis Romae Descriptio“, 1577. Ausschnitt mit Darstellung des Palatin von Nordosten
Hügels, die als die noch heute hoch aufragenden Mauern der Aula Regia und der Basilika im Bereich der Domus Flavia identifiziert werden können. Die Darstellung zeigt deutlich, dass der Anblick von dieser Seite auf den Palatin für die antikenbegeisterten Künstler wenig Reizvolles bot und kaum geeignet war, die einstige Größe der römischen Kaiserpaläste zu illustrieren. Dies gilt nicht für die im selben Jahr wie die Perspektivkarte entstandene Südansicht, die Dupérac ebenfalls mit ‚Architektenblick‘ detailreich und sehr anschaulich dargestellt hat (Abb. 3). Die Baureste am Südabhang des Palatin sind als Frontalansicht dargestellt. In der Mitte des Bildes dominieren die Reste der ‚Arcate‘ mit den zweigeschossigen Substruktionen und ihren großen Rundbogenöffnungen sowie die Reste der Räume vor dem ‚Gartenstadium‘, die sich ebenfalls auf großen, eingeschossigen Substruktionen erheben. Der Bereich der Exedra vor der Domus Augustana war Ende des 16. Jahrhunderts noch nicht ausgegraben, dennoch lassen angedeutete Bogenöffnungen auch hier erahnen, dass sich die Fassade des Kaiserpalastes in diesem Bereich fortsetzte. Am rechten Bildrand ragen die Reste der dreigeschossigen Brunnenfassade des Septizoniums in den Himmel empor. Diese Ansicht Dupéracs benutzte der flämische Maler und Kupferstecher Egidius Sadeler (1570–1629) als Grundlage für seine Ansicht der Ruinen am Südabhang des
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Abb. 3 Ansicht der Ruinen des Kaiserpalastes von Süden von Étienne Dupérac (Vestigi dell’antichità di Roma 1575)
Palatin (Taf. 16 oben).3 In der um 1600 entstandenen Zeichnung bereichert er die nüchterne Darstellung Dupéracs um eine Reihe von malerischen Motiven, doch ist auch bei ihm das Bemühen um eine sehr sachliche, architektonisch richtige Darstellung der Ruinenlandschaft spürbar. Die eigentliche Bildromantik erschließt sich erst nach längerer Betrachtung. Ein heftig bewegter Wolkenhimmel überlagert die Szenerie, wie ein pittoresk zerklüfteter Felsen wirkt die Südwand des ‚Gartenstadiums‘ am linken Bildrand. Als Maßstab dienen bei ihm Personen als Staffagen, die nicht wie bei Dupéracs Zeichnung sehr vereinzelt und eher versteckt in das Bild integriert sind, sondern die vielmehr, indem sie unmittelbar mit den Ruinen in Verbindung gebracht werden, eine Ahnung von der überwältigenden Größe der Anlage geben können. Dies gilt insbesondere für die zwei Personen, die wagemutig auf der obersten Plattform der ‚Arcate‘ heftig gestikulierend stehen. Dennoch ist sein Bild eine Verbindung zwischen einer emotional-atmosphärisch geprägten Ansicht und einer sachlich topografisch richtigen Darstellung. Die Reste der ‚Arcate‘ und der ‚Domus Severiana‘ sind akribisch genau angegeben. Sie kommen einer architektonisch gestalteten Ansicht, in der mehrere Schichten in eine Ebene projiziert sind, schon sehr nahe. Dessen unge-
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Die Ruinenansichten wurden um 1600 von Marco Sadeler herausgegeben. M. Sadeler, Vestigi Delle Antichita Di Roma, Tivoli, Pozzvolo Et Altri Lvochi Come Si Ritrovavano Nel Secolo XV (Rom um 1660) Taf. 9. Vgl. auch A. Grelle (Hrsg.), Vestigi delle antichità di Roma … et altri luochi. Momenti dell’elaborazione di un’immagine (Rom 1987).
Der Kaiserpalast auf dem Palatin
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achtet setzt er in einigen Bereichen gekonnt die Perspektivwirkung ein, denn obwohl als Frontalansicht gestaltet, blickt der Betrachter in die ‚Arcate‘ hinein und bekommt so eine Ahnung von der Tiefenentwicklung der Anlage. Wie genau diese Darstellung ist, kann ein Vergleich mit der vom Lehrstuhl für Baugeschichte und dem Lehrstuhl für Vermessungskunde der BTU Cottbus in den Jahren 1998–1999 angefertigten Bauaufnahmeansicht der ‚Arcate‘ verdeutlichen (Taf. 16 unten).4 Eine unmittelbare Gegenüberstellung zeigt, dass die Längen- und Höhenentwicklung der Darstellung von Sadeler und damit auch der Grundlage von Dupérac mit einer erstaunlichen Genauigkeit wiedergegeben sind. Nur die Maße des Hauptgeschosses sind im Gegensatz zu den Unterbauten viel zu hoch dargestellt. Möglicherweise sollte so den Aufbauten der Hauptebene zeichnerisch ein größeres Gewicht gegeben werden. Neben den Malern und Kupferstechern interessierten sich ab der Mitte des 16. Jahrhunderts auch vermehrt Architekten für die Ruinen. Sie zeichneten nicht nur die Überreste, sondern vermaßen auch Bauglieder und begannen bereits, die Reste objektiv und mehr oder weniger maßstabsgerecht wiederzugeben. So existiert eine Skizze des Grundrisses der Thermenräume auf der ‚Arcate‘ von dem berühmten Architekten und Architekturtheoretiker Alberto Alberti, die sein Interesse an der intensiven Auseinandersetzung mit dem antiken Bestand widerspiegelt.5 Von dem bereits erwähnten französischen Architekten Dupérac stammt auch der erste bekannte Grundriss der zu dieser Zeit sichtbaren Partien. Der Grundriss, der 1600 postum in Onofrio Panvinios Werk „De ludis circensibus“ veröffentlich wurde,6 zeigt mehrere Grundrissebenen des Bereiches im Südosten in einer Grundrissebene vereint: Die ‚Tabernae‘ entlang der ‚Via publica‘ der heutigen Via de’ Cherchi, die hier viel zu gleichmäßig dargestellt sind, die Pfeiler der eine Terrasse höher als die Tabernen liegenden ersten Ebene der ‚Arcate‘ und die Reste der Räume auf der nochmals höher liegenden Hauptebene, die hier noch als Domus Augustana bezeichnet werden, sind in einem Plan vereint (Taf. 18a). Auf der Hauptebene deutlich auszumachen sind die kreisrunde Latrine und die östlich anschließenden, im Grundriss abwechslungsreich gestalteten Räume, die nach den neuen Forschungsergebnissen als maxentianisches Belvedere gedeutet werden (hier als ‚Maenianum‘ bezeichnet) sowie die erhaltenen Thermenräume und die als eine Reihe von Aussichtsräumen zu inter-
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Die Bauaufnahme ist auf der Grundlage einer fotogrammetrischen Aufnahme entstanden. Der Originalmaßstab ist 1:100. Zu den Bauaufnahmemethoden vgl. B. Ritter – U. Weferling, Bauaufnahme der Domus Severiana auf dem Palatin in Rom. Eine interdisziplinäre Aufgabe für Architekten und Geodäten, RM 107, 2000, 299–310; U. Wulf, Mit welcher Methode sollen wir aufnehmen? Kombinierter Einsatz von Aufnahmemethoden am Beispiel der ‚Domus Severiana‘ auf dem Palatin in Rom, in: U. Weferling – K. Heine – U. Wulf (Hrsg.), Von Handaufmass bis High Tech. Aufnahmeverfahren in der historischen Bauforschung (Mainz 2001) 153–164. Werner (Anm. 1) 150 Abb. 210. Vgl. J.-L. Ferrary, Onofrio Panvinio et les antiquités romaines, CEFR 214 (Rom 1996).
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pretierenden Bereiche, die sich westlich an ein Treppenhaus anschließen.7 Ebenso dargestellt ist die mit Nischen gegliederte Exedra mit rückwärtigem Umgang, die sich zum ‚Gartenstadium‘ hin öffnet. Eine Überlagerung mit einem auf der modernen Bauaufnahme beruhenden Gesamtplan des Grundrisses der Hauptebene zeigt, dass Dupérac nicht nur bei der Südostansicht, sondern auch bei seinem Grundriss eine erstaunliche Genauigkeit erreicht. Es verwundert bei der Exaktheit der Darstellung der ‚Domus Severiana‘, dass beim westlich angrenzenden ‚Gartenstadium‘ große Abweichungen in der Längenausdehnung festzustellen sind. Das ‚Atrium Palatinium‘, wie er das ‚Gartenstadium‘ bezeichnet, ist um mehr als ein Viertel zu kurz dargestellt. Die Exedra ist sogar in etwa um die Hälfte zu klein angegeben. Diese Abweichungen könnten zum einen darin begründet sein, dass das ‚Gartenstadium‘ zu dieser Zeit noch hoch verschüttet und seine wahre Ausdehnung nur an wenigen Mauern ablesbar war. Möglicherweise wurde deshalb ein spätantiker Einbau in das ‚Gartenstadium‘ fälschlicherweise als Rückwand interpretiert. Dieser Fehler ist bereits 1552 in einem von Pirro Ligorio angefertigten Grundrissplan zu verzeichnen.8 Auch dieser zeigt die eigenartige Verkürzung des ‚Gartenstadiums‘ und die zu kleine Exedra. Dupérac hat Ligorios Plan offensichtlich ohne nochmalige Überprüfung als Grundlage für seinen Grundrissplan weiterverwendet. Im Gegensatz zu der Detailgenauigkeit im Ostbereich des Palatin ist der im Westen an das ‚Gartenstadium‘ angrenzende Bereich fehlerhaft dargestellt. Die Tatsache, dass dieser Palastbereich zu jener Zeit kaum bekannt war, hat Dupérac offensichtlich zu Spekulationen verleitet, für die es im Befund keine Grundlage gegeben haben kann. Während die Exedra mit den Räumen, die Andeutung eines Peristylhofes und die Nordreihe der Räume der Domus Augustana zumindest teilweise mit dem Befund in Verbindung gebracht werden können, können weder für die zwei großen Säle im Norden (als ‚Bibliothecae Graeca et Latina‘ bezeichnet) noch für den Rundtempel (als ‚Templum Apollinis‘ bezeichnet) und den vorgelagerten ovalen Hof (als ‚Area‘ bezeichnet) im Bereich der Domus Flavia bauliche Hinweise existiert haben. Es verwundert daher nicht, dass nicht nur der Grundriss Dupéracs, sondern alle frühen Rekonstruktionszeichnungen besonders in diesem Bereich sehr fantasievoll sind. So übernimmt offensichtlich auch Dupérac in der 1574 erschienenen Romrekonstruktion ‚Urbis Romae sciographia‘ den rein spekulativen Rundtempel Apollinis kritiklos der 13 Jahre früher veröffentlichten Rekonstruktionszeichnung ‚Antiquae Urbis Imago‘ von Pirro Ligorio.9 Dennoch stellt seine detaillierte Vorstellung besonders des südöstlichen Bereiches der Kaiserpaläste und der Fassade zum Circus Maxi-
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Zur Deutung des Bereichs vgl. A. Hoffmann – U. Wulf, Bade- oder Villenluxus? – Zur Neuinterpretation der ‚Domus Severiana‘, in: A. Hoffmann – U. Wulf, Die Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom (Mainz 2004) 153–171. Abgebildet zum Beispiel in Ministero per i Beni Culturali e Ambientali (Hrsg.), Archeologia in posa. Cento anni di fotografie del Palatino (Rom 1994) Abb. 4. Vgl. Werner (Anm. 1) 152 Abb. 213f.
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mus eine Verbesserung dar. Ligorio war zum Beispiel noch davon ausgegangen, dass das Septizonium sechsgeschossig war und hat daraus auf einen sehr hohen Baukörper am Südosthügel des Palatin geschlossen, der im Gegensatz zu den sonst relativ niedrig gehaltenen übrigen Bauten ein unverhältnismäßig starkes Gewicht bekommt. Dupérac stellt dagegen das dreigeschossige Septizonium frei, und zwar als monumentalen Blickfang für die von Osten in die Stadt kommende Via Appia. Auf den zweigeschossigen Substruktionen der ‚Arcate‘ rekonstruiert er eine eingeschossige Hauptebene. Dabei bilden der Bereich im Südosten, die Räume vor dem als Atrium Augusti bezeichneten ‚Gartenstadium‘ und die Exedra vor der als Balnae Palati interpretierten Domus Augustana eine Fassade, die sich einheitlich auf einem Sockelgeschoss, den zweigeschossigen Tabernen entlang der Strasse zwischen Palast und Circus Maximus erhob. Trotz der fantasievollen Darstellung im Bereich der Domus Augustana ist der Grundriss von Dupérac für lange Zeit eine der genauesten Darstellungen dieses Teilbereiches des Palatin geblieben. Er zeigt dabei schon ein Problem, das sich wie ein ‚roter Faden‘ durch die Darstellungen der Kaiserpaläste ziehen soll: Zum einen sind Bestand und Rekonstruktion miteinander vermischt und zeichnerisch nicht voneinander unterschieden. Auf der anderen Seite sind Räume und Bereiche, die – wie oben erläutert – sich auf sehr unterschiedlichen Niveaus befinden, in eine einzige Ebene projiziert. Eine solche Darstellungsform macht es fast unmöglich, räumliche Zugehörigkeiten und Abhängigkeiten nachzuvollziehen. Zudem birgt sie zahlreiche Fehlerquellen, da die unteren Ebenen zum Beispiel der ‚Domus Severiana‘ reine Substruktionsgeschosse sind, aus denen keine Rückschlüsse auf die verloren gegangene Architektur des Hauptgeschosses gezogen werden können. Erst ab dem 19. Jahrhundert wurde versucht, dieses Problem zeichnerisch zu lösen. Hier haben besonders Architekten, die im Rahmen des von der Academie Française verliehenen Künstlerstipendiums Grands Prix de Rome ihren Romaufenthalt für sehr qualitätvolle und künstlerisch anspruchvolle Aufnahmen der Ruinen Roms nutzten, neue Maßstäbe gesetzt. So hat zum Beispiel Henri Deglane in seinem 1886 entstandenen Grundrissplan des zentralen Bereichs des Palatin die unterschiedlichen Ebenen teilweise farblich differenziert dargestellt, beziehungsweise teilweise durch Überlagerung sichtbar gemacht, dass es sich um zwei verschiedene Grundrissebenen handelt.10 Stringenter hat dies bereits 16 Jahre zuvor Jean-Louis Pascal in seinem Plan des ‚Gartenstadiums‘, der auch große Teile der ‚Domus Severiana‘ mit einschließt, ausgeführt (Taf. 17 links).11 Hier sind durch differenzierte Aquarelltöne die unterschiedlichen Ebenen voneinander unterschieden. Es ist so gut nachvollziehbar, welche Mauern des Hauptgeschosses – in schwarz dargestellt – unmittelbar auf Mauern des Untergeschosses – in hellgrau angelegt – aufsitzen und wo Haupt- und Untergeschoss nicht aufeinander bezogen sind. Eine Überlagerung dieses Bauaufnahmeplans von 1870 mit einem auf den neuesten 10
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F.-Ch. Uginet (Hrsg.), Roma antiqua. ‚Envois‘ des architectes français (1788–1924). Forum, Colisée, Palatin. Ausstellungskatalog Rom und Paris (Paris 1985) 346 Abb. 167. Uginet (Anm. 10) 330 Abb. 157.
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Bauaufnahmeplänen basierenden Gesamtplan der Ebene 3, das heißt der unteren Ebene, die Pascal dargestellt hat, macht deutlich, wie genau und präzise diese Architekten gearbeitet und vermessen haben (Taf. 17 rechts). In Detailplänen wurden zusätzlich Um- und Einbauten, die einer späteren Phase zugeordnet werden können, farblich abgesetzt. Die verstürzten Architekturteile wurden in ihrer Fundlage angegeben und die Aussagekraft der Detailpläne durch weitere Schnittzeichnungen und Ansichten gesteigert.12 Ein solcher Plansatz bildete zusammen mit den Detailaufnahmen der Architekturteile eine hervorragende, gut nachvollziehbare Grundlage für die darauf basierenden Rekonstruktionsvorschläge. So hat zum Beispiel Pascal in seinem Bestandsplan des Längsschnittes durch das Gartenstadium minuziös festgehalten, in welchen Bereichen das Fußbodenniveau bei den damaligen Grabungen erreicht worden war, wo größere Fehlstellen sich befanden, wie zum Beispiel in der Exedrawand, ja sogar der Neubau einer kleinen Hütte, die im Zusammenhang mit den Grabungen hier errichtet worden sein dürfte, ist liebevoll dargestellt (Taf. 17 unten). Mit diesen Arbeiten der französischen Architekten war im 19. Jahrhundert ein Niveau erreicht worden, das unserem heutigen Standard schon sehr nahe kommt: Grundlage für die Rekonstruktionen, sowohl der Grundrisse als auch der Schnitte und Ansichten, war ein zweidimensionaler Bestandsplan, der den Zustand der Ruine genau dokumentiert und nur das wiedergibt, was wirklich vorhanden ist. Dass die Rekonstruktionen dann recht fantasievoll ausgefallen sind, dürfte dem Zeitgeschmack und der mangelnden wissenschaftlichen Aufarbeitung geschuldet sein.13 Es ist erstaunlich, dass dieser hohe Standard in der Folge nicht weiter eingehalten wurde. So stellt zum Beispiel der berühmte Lancianiplan von 1900 eine eigenartige Mischung dar.14 Während im Bereich der ‚Domus Severiana‘ Haupt- und Untergeschoss farblich getrennt dargestellt sind, werden im südlichen Bereich nur die Räume des Untergeschosses dargestellt. Hier sind dafür zeichnerische Ergänzungen wie die zusätzlichen Pfeilerreihen der ‚Arcate‘ als Rekonstruktionen kenntlich gemacht. Dagegen ist im Bereich der Domus Augustana ein 1805 von Giuseppe Antonio Guattani veröffentlichter, fantasievoll rekonstruierter Grundriss des Untergeschosses der Domus Augustana15 offensichtlich von Lanciani unreflektiert übernommen worden, ohne dass er als Rekonstruktion kenntlich gemacht worden wäre. Dasselbe gilt für das Septizonium, das zu dieser Zeit schon über 200 Jahre abgerissen war. Der Grundriss des Nymphäums wurde in einer Idealrekonstruktion angegeben. Dafür sind die Tabernenräume entlang der Straße zwischen Circus Maximus und Palast differenziert
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Uginet (Anm. 10) 334 Abb. 159/4. So wurden zum Beispiel die angesetzten Pfeiler oder die Reste des ovalen Einbaus farblich von der Originalsubstanz unterschieden. Vgl. zum Beispiel die Rekonstruktion des Längsschnittes des ‚Gartenstadiums‘ von Pascal in: Uginet (Anm. 10) 338 Abb. 163/11 oder die von Deglane in Uginet (Anm. 10) 352f. Abb. 173/8 oder zum Querschnitt durch das ‚Gartenstadium‘ in: Uginet (Anm. 10) 341 Abb. 166/15. R. A. Lanciani, Forma urbis Romae (Rom 1893–1901) Taf. 29. 35. G. A. Guattani, Roma descritta ed illustrata (Rom 1805) 49–54.
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dargestellt. Auch wenn aufgrund der fortgeschrittenen Grabungstätigkeit und der höheren Maßgenauigkeit ein viel besserer Gesamtplan der Überreste der Kaiserpaläste auf dem Palatin entstanden ist, machen ihn dieselben Unzulänglichkeiten wie beim über 300 Jahre älteren Grundrissplan von Dupérac – keine Trennung von Rekonstruktion und Bestand, unterschiedliche Ebenen werden nicht deutlich geschieden – als Grundlage für eine detaillierte Bauforschung kaum brauchbar. Viel konsequenter und mit einer bewundernswerten Genauigkeit hat dies in etwa zeitgleich M. Giammiti in seiner ‚Topografia del Palatino‘ 1895 umgesetzt.16 Er hat nur den damals bekannten Bestand dokumentiert und die unterschiedlichen Ebenen differenziert dargestellt. Sein Plan verdeutlicht auch, wie weit die zum Teil sehr fantasievollen Eintragungen Lancianis gehen. Denn er zeigt deutlich, dass gerade im Bereich der Domus Augustana auch Ende des 19. Jahrhunderts weite Teile noch unausgegraben und daher unbekannt waren. Erst mit dem Abriss der neogotischen Villa Mills ab 1909 und den Grabungen unter der Leitung von Alfonso Bartoli in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts sollten sich diese weißen Flecken langsam zeichnerisch füllen lassen.17 Im Bereich des ‚versenkten Peristyls‘ kamen nach Abtragen der gewaltigen Erdmassen erstmals der gesamte, weitläufige Peristylhof mit dem so prägnanten Peltabrunnen und die angrenzenden Räume zutage. Erst jetzt wurde deutlich, dass die angenommene symmetrische Anordnung der Räume nicht zutraf. Im Hauptgeschoss wurden die in die Villa Mills integrierten antiken Räume freigelegt und der große Peristylhof mit dem Wasserbecken und der Insel ausgegraben. Im Norden der Domus Augustana kamen die wenig hoch erhaltenen, verwirrenden und deshalb bis heute nur schwer zu interpretierenden Reste zutage.18 Einer, der diese spannenden Ausgrabungen aus eigener Anschauung wahrscheinlich mit großem Interesse verfolgt hat, war der Architekt Italo Gismondi, der von 1919 bis 1938 Sopraintendent der Soprintendenza di Roma war.19 Ihm ist der erste 16
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Der im Archivio der Soprintendenza Archeologica di Roma (S.A.R.) aufbewahrte Plan ist – zum Teil nur ausschnittsweise – abgebildet bei G. Morganti, BCom 91.2, 1986, 520 Abb. 225; I. Iacopi – M. A. Tomei, Indagini al complesso Severiano sul Palatino, Archeologia Laziale 9, 1988, 71 Abb. 4 und farbig bei M. A. Tomei, in: Il Palatino (Mailand 1998) 6 Abb. 6. A. Bartoli, Scavi del palatino (Domus Augustana) 1926–1928, NSc 1929, 3–4 Abb. 1; Archeologia in posa (Anm. 8) 179–197 Abb. 189–201. Aufgrund des verwirrenden Befundes hat H. Finsen, der sich 1962 als erster mit diesem Bereich beschäftigt hat, ihn als „no man’s land“ bezeichnet, siehe H. Finsen, La Résidence de Domitien sur le Palatin, AnalRom Suppl. 5 (Kopenhagen 1969) 8 mit Faltplan; zu den neuen Überlegungen vgl. U. Wulf-Rheidt – N. Sojc, Evoluzione strutturale del palatino sud-orientale in epoca flavia, in: F. Coarelli (Hrsg.), Divus Vespasianus. Il bimillenario dei Flavi. Ausstellungskatalog Rom (Mailand 2009) 268–279. Zu den Untersuchungen von I. Gismondi im Bereich der Domus Augustana vgl. den Beitrag von M. A. Tomei, Roma. Palatino. Planimetria del palazzo dei Flavi und U. Wulf, Il peristilio inferiore della Domus Augustana, in: F. Filippi (Hrsg.), Ricostruire l’Antico prima del virtuale. Italo Gismondi, un architetto per l’archeologia (1887–1974). Ausstellungskatalog Rom (Rom 2007) 95–106.
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Abb. 4 Italo Gismondi, Grundrissplan der Domus Augustana. Oben: Hauptgeschoss. Unten: Räume am ‚versenkten Peristyl‘
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exakte Plan des Hauptgeschosses der Domus Augustana zu verdanken, in den auch die Grabungsergebnisse von Bartoli eingeflossen sind. Zusammen mit dem Plan von Giammiti bildet er die Grundlage, auf der die meisten in der Folge erschienenen Gesamtpläne basieren (Abb. 4). Sein Plan des Untergeschosses mit den Räumen am ‚versenkten Peristyl‘ stellt die erste richtige und nicht durch Spiegelung der Räume fantasievoll ergänzte Darstellung dieses Bereiches dar: Der Peltabrunnen ist eingezeichnet, es ist richtig erkannt, dass es an der Ostseite bis auf eine Treppe, die ins Obergeschoss führte, keine weiteren Räume gab und auch im Südflügel nur der Raum in der Mittelachse existierte. Zwar weist der Grundrissplan auch einige zum Teil unverständliche Fehler auf, wie fehlende Verbindungstüren, doch sind in diesen Plan ganz offensichtlich auch die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen aus dieser Zeit eingeflossen. So sind in dem Plan von Gismondi die aus Ziegeln gemauerten und mit Marmor verkleideten Pfeiler mit Dreiviertelsäulen des östlich angrenzenden ‚Gartenstadiums‘ differenziert dargestellt. Während die Pfeiler der den Garten in Form einer Rennbahn umlaufenden Halle im südlichen Halbrund wie alle anderen Mauern schwarz ausgefüllt sind, sind die Pfeiler der Westportikus ebenso wie die vorgelagerten Pfeiler der Westwand des ‚Gartenstadiums‘ schraffiert angegeben. Dies zeigt, dass Gismondi die Untersuchungen zu den severischen Bauphasen des ‚Gartenstadiums‘ von Velelia Massaccesi gekannt haben muss, die sie 1939 publiziert hat.20 Ihr ist die Rekonstruktion einer umfassenden Restaurierungsphase unter Septimius Severus zu verdanken, bei der sie unter anderem nachweisen konnte, dass nur die Pfeiler im halbrunden südlichen Abschluss der Portikus des ‚Gartenstadiums‘ noch aus der domitianischen Bauphase stammen. Für sein Hauptanliegen, das große Stadtmodell von Rom, waren diese Detailbeobachtungen allerdings nicht relevant, da es den letzten Ausbauzustand der Kaiserpaläste zur Zeit Kaiser Konstantins wiedergibt (Taf. 18b). Gismondi konnte sich beim Bau des Modells fast ausschließlich auf Grundrisspläne stützen, detaillierte Schnitte und Ansichten aus dieser Zeit sind nicht überliefert. Denn paradoxer Weise haben gerade die große Erhaltungshöhe und Komplexität der Ruinen dazu geführt, dass bis zum Ende des 20. Jahrhunderts so wenige exakte und maßgerechte Schnitte und Ansichten existieren. Auch standen Gismondi in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch keine verlässlichen Rekonstruktionen der Domus Augustana und des gesamten östlich anschließenden Bereiches zur Verfügung. Erst über drei Jahrzehnte nach den Ausgrabungen von Bartoli wurden die Grabungsergebnisse zum ‚versenkten Peristyl‘ 1966 von Gisella Wataghin Cantino aufgearbeitet und publiziert.21 Detaillierte Untersuchungen zum Obergeschoss der Domus Augustana und der Domus
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V. Massaccesi, I restauri di Settimio Severo e Caracalla agli edifici palatini, BCom 67, 1939, 117–127 Abb. 7. G. Wataghin Cantino, La Domus Augustana (Torino 1966).
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Flavia fehlen bis heute. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Modell dieses Bereiches des Kaiserpalastes von Gismondi eine Zusammenschau zahlreicher, Anfang des 20. Jahrhunderts bekannter, fantasievoller Rekonstruktionszeichnungen darstellt. So scheinen auch noch einige Ideen der äußerst fragwürdigen Rekonstruktion des Kaiserpalastes von Bianchini, die 1738 veröffentlicht worden war, hier eingegangen zu sein.22 Besonders aus den Zeichnungen der französischen Architekten aus dem Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts lassen sich einzelne Elemente wieder finden. Der Suggestions- und Aussagekraft des Modells hat dieses Patchwork aber nicht geschadet, gibt es doch bis heute am eindrucksvollsten die Weitläufigkeit und Vielgestaltigkeit des römischen Kaiserpalastes auf dem Palatin wieder. Im Gegensatz zu den zweidimensionalen Rekonstruktionsplänen eröffnete es erstmals die Möglichkeit, die stadträumliche Wirkung des Palastes dreidimensional studieren zu können. Was es allerdings nicht ermöglicht, ist das genaue Studium der räumlichen Zusammenhänge der einzelnen Geschosse des Kaiserpalastes. Dies war eines der Hauptanliegen der verformungsgetreuen Bauaufnahme, die vom Lehrstuhl für Baugeschichte und vom Lehrstuhl für Vermessungskunde der Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus ab 1998 im Auftrag der Soprintendenza di Roma erstmals von dem gesamten Bereich der ‚Domus Severiana‘ erstellt wurde. Angesichts der beträchtlichen Höhe und Komplexität der Ruine und eines Umfanges von 300000 qm, verteilt auf fünf kaum zu überblickende und zum Teil schlecht belichtete Ebenen, war dies auch mit neusten Vermessungsmethoden am Ende des 20. Jahrhunderts immer noch keine leichte Aufgabe. Mit einer Kombination mehrerer Messmethoden – Tachymetrie, reflektorlose Tachymetrie, Fotogrammetrie und Handaufmaß – wurde dabei versucht, auf die unterschiedlichen Anforderungen flexibel zu reagieren.23 Alle gemessenen Punkte sind auf ein übergeordnetes Koordinatensystem bezogen, die Messdaten werden computergestützt aufbereitet und stehen so auch für weitere Zeichnungen zum Beispiel im AutoCad oder als 3D-Koordinaten für ein dreidimensionales Modell der Anlage zur Verfügung. Entstanden ist zunächst ein ganz traditioneller Plansatz im Maßstab 1:100, bestehend aus den Grundrissen der fünf Ebenen. Obwohl jeder Grundrissplan konsequent nur eine Ebene dokumentiert, sind mit Hilfe des übergeordneten Koordinatensystems aber alle Ebenen eindeutig aufeinander zu beziehen. Durch acht Schnitte werden die räumlichen Zusammenhänge auch in der Vertikalrichtung deutlich, so dass Raumhöhen, Geschosshöhen usw. leicht ablesbar sind.
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Vgl. S. Miranda, Francesco Bianchini e lo scavo farnesiano del Palatino (1720–1729) (Pavia 2000); V. Kockel, Ichnographia – Orthographia – Scaenographia. Abbildungsmodi antiker Architektur am Beispiel des ‚Columbarium der Liberti der Livia‘, in: V. Kockel – B. Sölch (Hrsg.), Francesco Bianchini (1662–1729) und die europäische gelehrte Welt um 1700, Colloquia Augustana 21 (Berlin 2005) 107–133. Zum Stadtmodell von Gismondi siehe auch hier die Beiträge Cain, Bauer, Kockel und Altekamp. Zu den Methoden vgl. Ritter – Weferling (Anm. 4); Wulf (Anm. 4).
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Für die Bauforschung waren diese Pläne die Grundlage für die eigentliche Analyse des Bauwerks. Mit Hilfe eines während der Aufarbeitung entwickelten Bauwerkskriterienkatalogs war es möglich anhand von unterschiedlichen Mauerwerkskriterien, Gewölbe- und Fundamentierungstechniken, der Beobachtung von Baufugen, Baunähten, Zusetzungen usw. in der Zusammenschau mit datierbaren Ziegelstempeln, die in situ gefunden wurden, einzelne Bauphasen zu unterscheiden. Alle Beobachtungen wurden in ein so genanntes Raumbuch, ein Instrumentarium, das in der Denkmalpflege entwickelt wurde, zusammengetragen. Die Bauanalyse hat zu der Identifizierung von sechs Hauptphasen und mehreren Zwischenphasen geführt, die in Bauphasenplänen zusammengefasst sind. Alle Tuschepläne wurden eingescannt, um so als digitale Plangrundlagen die neuen computergestützten technischen Möglichkeiten nutzen zu können. So können beispielsweise über die Layerfunktion im Programm Photoshop einzelne Bauphasen zu- beziehungsweise weggeblendet oder Pläne unterschiedlicher Ebenen überlagert werden, um zum Beispiel kontrollieren zu können, welche Mauern des Hauptgeschosses auf Mauern des Untergeschosses gegründet sind. Dennoch zeigte sich sehr schnell, dass für eine räumliche Darstellung eines so komplexen Gebildes die zweidimensionalen Möglichkeiten nicht ausreichen. Es entstand deshalb die Idee, ein Bestandsmodell als 3D Modell in Autocad zu erstellen, in das die Erkenntnisse zu den Bauphasen eingearbeitet sind (Taf. 19a). Mithilfe des 3D Modells können Überlegungen zu Bauphasen leichter räumlich kontrolliert und räumliche Bezüge anschaulich verdeutlicht werden. Mithilfe der Bauphasenpläne und des Modells ist es nun möglich, die einzelnen Phasen herauszukristallisieren, getrennt nach Bauphasen zu visualisieren und das räumliche Wachsen dieses Teilbereiches der Kaiserpaläste anschaulich zu demonstrieren. Das Bestandsmodell wird gleichzeitig genutzt, um darauf aufbauende Rekonstruktionsüberlegungen zu visualisieren (Taf. 19b).24 In einem gemeinsam vom Architekturreferat des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) und der BTU Cottbus durchgeführten Pilotprojekt, das von der Fritz Thyssen Stiftung finanziert wurde, wurde das 3D Modell durch Verknüpfen mit einer Datenbank konsequent zu einem Bauwerksinformationssystem ausgebaut. Alle Daten des Raumbuches wurden in ein digitales Raumbuch in Form einer Datenbank überführt. Zusammen mit weiteren Modulen wie einer Literaturdatenbank, einem Planarchiv, einem Fotoarchiv usw. bietet dieses Bauwerksinformationssystem ein 24
Zu den ersten Ergebnissen vgl. A. Riedel – U. Wulf, Investigating buildings three-dimensionally: the „Domus Severiana“ on the Palatine, in: L. Haselberger – J. Humphrey (Hrsg.), Imaging Ancient Rome. Documentation – Visualization – Imagination, JRA Suppl. 61 (Portsmouth 2006) 220–234; Ch. Brasse – K. Heine – D. Zhao – U. Wulf, A 3D Solution for a Web-based Building Information System, in: A. Posluschny – K. Lambers – I. Herzog (Hrsg.), Layers of Perception. Proceedings of the 35th International Conference on Computer and Quantitative Methods in Archaeology (CAA), Berlin, April 2–6, 2007 (Bonn 2008) 241. Beitrag auf CD: 07–04_ brasse_et-al-3dsolution.pdf.
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Ulrike Wulf-Rheidt
effektives Tool, um Daten dreidimensional zu verwalten. Dabei sind Abfragen ausgehend vom Modell zu den einzelnen Raumeinheiten ebenso möglich, wie in umgekehrter Richtung sich Suchergebnisse der Datenbank dreidimensional im 3DModell darstellen zu lassen.25 Ziel ist es, ausgehend von der Bauaufnahme und der Bauuntersuchung, diesen Teil des Kaiserpalastes in allen seinen Ausbauphasen zeichnerisch und in 3D Modellen wiedererstehen zu lassen. Mit den modernen Darstellungstechniken ist es leichter geworden, komplexe Gebilde dreidimensional abzubilden. Doch haben bis heute weder die Radierungen und Kupferstiche des 15. und 16. Jahrhunderts noch die fantasievollen, zeichnerisch ansprechenden Rekonstruktionen der französischen Architekten des 19. Jahrhunderts und ebenso wenig das beeindruckende Stadtmodell von Gismondi ihren Wert für die Darstellung eines so komplexen räumlichen Gebildes verloren, wie es die Kaiserpaläste auf dem Palatin sind.
Abbildungsnachweis Abb. 1: Verf. Abb. 2–3: nach: Ministero per i Beni Culturali e Ambientali (Hrsg.), Archeologia in posa. Cento anni di fotografie del Palatino (Rom 1994) Abb. 5 und 1 Abb. 4 oben: M. A. Tomei, Roma. Palatino. Planimetria del palazzo dei Flavi, in: F. Filippi (Hrsg.), Ricostruire l’Antico prima del virtuale: Italo Gismondi, un architetto per l’archeologia (1887– 1974) (Rom 2007) 95 Abb. 1 Abb. 4 unten: U. Wulf-Rheidt, Il peristilio inferiore della Domus Augustana, in: ebenda 102 Abb. 1
Tafelnachweis Taf. 16 oben und Mitte links: , Abb. 9 (21. 06. 2010) Taf. 16 Mitte rechts und unten: Lehrstuhl für Baugeschichte, Lehrstuhl für Vermessungskunde, BTU Cottbus Taf. 17 links: F.-Ch. Uginet (Hrsg.), Roma antiqua. ‚Envois‘ des architectes français (1788–1924). Forum, Colisée, Palatin. Ausstellungskatalog Rom und Paris (Rom 1985) 346 Abb. 167 Taf. 17 unten: ebenda 337, Abb. 162/10. Überlagerung: Lehrstuhl für Baugeschichte, Lehrstuhl für Vermessungskunde, BTU Cottbus Taf. 18a: O. Panvinio, de ludis circensibus 1600, abgebildet in: Archeologia in posa (Rom 1994) Abb. 3, überlagert mit A. Hoffmann – U. Wulf, RM 107, 2000, Abb. 11 Taf. 18b: U. Wulf-Rheidt, Modell des antiken Rom, Museo della Cività Romana in Rom Taf. 19a: Lehrstuhl für Baugeschichte, Lehrstuhl für Vermessungskunde, BTU Cottbus Taf. 19b: Architekturreferat der Zentrale des DAI Berlin. A. Müller nach Angaben von U. WulfRheidt
25
Die Module der Palatindatenbank sind in der Zwischenzeit ein Bestandteil von CISAR, einem projektübergreifend einsetzbaren, modular aufgebauten und webbasierten Datenbanksystem für Archäologie und Bauforschung, das an der BTU Cottbus entwickelt wurde. (21. 06. 2010).
Namen
259
Register Namen Aeneas 81. 97. 239 Agesilaos 128. 129 Alberti, Leon Battista 141 Alexander VII. 154 Alkmene 128. 129 Alyattes II. 121.125 Amphion 134. 165 Anchises 81 Ascanius 81 d’Aubigné, Agrippa 173 Audebert, Nicolas 227. 229 Augustus 69. 70. 74. 94. 142 Aurelian 38. 39. 42. Baccelli, Guido 200 Barberini, Francesco 234 Barker, Henry Aston 27 Barker, Robert 23–25 Bartoli, Alfonso 253. 255 Beatrizet, Nicolas 144. 146 Bellay, Jean du 161. 170 Bellay, Joachim du XVI. 159–174 Bellori, Giovanni Pietro 152–153 Bellotto, venezianische Künstlerfamilie 153 Berkeley, George 239 Bernini, Gian Lorenzo 17. 234 Bianchini, Francesco 178. 180. 256 Biondo, Flavio 141. 230 Blacas d’Aulps, Pierre Louis de 195 Bohn, Richard 43 Boni, Giacomo 201. 213 Bonomi, Joseph 33 Borges, Jorge Luis 116 Bracebridge, Selina 33 Bramante, Donato 140. 230 Brasidas 123 Braun, Emil 28 Breysig, Johann Adam 25. 27
Brunelleschi, Filippo 139–140. 150 Bühlmann, Josef VII–IX. XIV. 4–7. 11. 13. 16. 23–24. 26. 34–47. 50–51. 94. 270 Bulfinch, Charles 240 Burford, Robert 33 Calcagnini, Celio 141 Callot, Jacques 226 Canaletto, eigentlich Bernardo Bellotto IX Calvo, Marco Fabio 142–143. 149 Canina, Luigi 198 Canova, Antonio 187. 188. 195. 242 Caracciolo, Ludovico 27 Carcopino, Jérôme 219 Caron, Antoine 229–230. 276–277 Cassas, Louis-François 19 Castellani, G. 29. 45 Castiglione, Conte Baldassare 140 Catull 172 Cecchi, Emilio 207 Ceracchi, Giuseppe 242 Cimabue, eigentlich Cenni di Peppo 140 Chamard, Henri 161 Cicero 136 Clérisseau, Charles-Louis 18. 274 Cock, Hieronymus 145. 149 Cole, Thomas 239–240. 276–277 Cortona, Pietro da, eigentlich Pietro Berrettini da Cortona 234 Crispus 62 Curtius, Ludwig 213–214 Curzon, Paul Alfred de 14. 18 Deglane, Henri 251–252 Devonshire, Herzogin von 195 Diderot, Denis 136–137 Dörpfeld, Wilhelm 39 Donatello, eigentlich Donato di Niccolò di Betto Bardi 139
260
Register
Dosio, Giovanni Antonio 152 Dupérac, Etienne XVIII. 144. 152–154. 161. 218. 227–228. 231. 245–251. 253. 280 Enslen, Carl Georg 25. 27. 29. 32. 268 D’Este, Antonio 195 D’Este, Ippolito 227. 229 Eusebius von Caesarea 50–51. 61–65 Fabrizius, Georg 144 Fagan, Robert 189 Falda, Giovanni Battista 154. 191 Falke, Jakob von 37–38 Fauno, Lucio 161. 230 Fausta 7 Fea, Carlo 183. 186–190. 195–196 Feoli, Vincenzo 196 Filarete, eigentlich Antonio di Pietro Averlino 141 Fiorelli, Giuseppe 200 Fouquet, Jean 19. 226 Fredenheim, Carl Frederik von XVII. 184–186 Frey, Johann Jakob 33. 268 Fugel, Gebhard 45 Fulvius, Andreas 230 Furietti, Alessandro 184 Gärtner, Eduard 25 Galerius 60 Galli Bibiena, Giuseppe 235. 242 Gallus 82–83 Ghezzi, Pier Leone 180 Giammiti, M. 253. 255 Gibbon, Edward 238–239 Giorgi, Andrea 182 Giorgio Martini, Francesco di 141–142 Giotto di Bondone 139 Gismondi, Italo 20. 46–47. 93. 219. 253–256. 258. 280 Gori, Francesco 180 Gregorovius, Ferdinand 40. 214 Guattani, Giuseppe Antonio 252 Hadfield, George 240–241 Hadrian 57 Hagnon 123. 126 Hanfstaengl, Franz 6 Heemskerck, Maarten van 47. 145. 149 Helena 7. 42 Herodot 120–128. 130–131
Hippias 130–131 Hittorf, Jakob Ignaz 24 Homer 116. 121. 124. 131–132 Honorius I. 106 Hordjedef 127 Humboldt, Alexander von 26 Jaffé, Edgar 139 Jefferson, Thomas 237. 238. 240 Johannes von Patmos 164. 167 Juvarra, Filippo 180 Karl VII. 20 Kimon 129 Kips, Alexander 43–44 Kloppstock 173 Koch, Max Friedrich 43–44 Konstantin d. Gr. XIV–XV. 3. 5–9. 12. 21. 23. 36. 42. 49–65. 79–81. 86. 93–96. 255 Lactantius, s. Laktanz Lafreri, Antonio 144. 146–148. 152 Laktanz, eigentlich Lucius Caecilius Firmianus 58. 60–62. 64 Lanciani, Rodolfo 20. 93. 200–201. 252–253 Landi, Stefano 234 Latrobe, Benjamin 240 Le Corbusier, eigentlich Charles-Édouard Jeanneret-Gris 207 Le Masson, Louis 26 L’Enfant, Pierre Charles 237–238 Leo X. 139–140. 142. 155 Leo XII. 196 Lepsius, Richard 33. 268 Leutze, Emanuel 239 Leveil, Jean-Arnaud 198 Lichas 126–128 Licinius 62 Ligorio, Pirro 150–152. 226. 229–230. 235. 250–251 Lorrain, Claude 225 Marc Aurel 71–72. 147. 227 Marguerite von Navarra 170 Marliani, Bartolomeo 161 Maxentius XIV–XV. 3. 8–9. 12. 23. 50–52. 57–58. 61–62 .64. 75. 80–82. 94 Metastasio, Pietro 236 Michelangelo Buonarroti 17. 148. 266 Mill, Robert 240. 253
Namen
261
Montaigne, Michel de 149–150. 173 Moyaux, Constant 17 Mozart, Wolfgang Amadeus 236–237 Muñoz, Antonio 205. 207. 209
Ponte, Lorenzo da 237 Prévost, Pierre 32 Properz 135–136 Pythagoras 132. 134–136
Nazarius 50. 52. 61–62 Nibby, Antonio 196–197 Niebuhr, Barthold Georg 215 Nolli, Giovanni Battista 154–155. 235
Quatremère de Quincy, Antoine Chrysostôme 188–189. 194
Oberlin, Jeremias-Jakob 186 Orest 127–128 Orpheus 165 Ovid XVI. 69. 131–135. 172 Padiglione, Domenico 20 Palladio, eigentlich Andrea di Pietro della Gondola 161 Pannini, Giovanni Paolo 235 Pannini, Giuseppe 182–183 Panvinio, Onofrio 152–153. 249. 280 Pascal, Jean-Louis 251–252. 279 Passeri, Giovanni Battista 234 Paulin, Edmond 18 Péret, Benjamin 116 Perikles 126 Personifikationen von Städten – Alexandria 82. 84. 272 – Antiochia 84. 272 – Constantinopolis 82–85. 272 – Roma XV. 59. 74–75. 80–85. 89. 272 – Trier 82. Peruzzi, Baldassare 232–233 Petersen, Holger 32 Petrarca, Francesco 161–162 Petrini, Giuseppe 189 Petrus 16. 94 Piglheim, Bruno 35. 45 Pindar 117–119. 124. 126 Piranesi, Francesco 186 Piranesi, Giovanni Battista XVII. 143–144. 152–153. 155–156. 180–182. 192. 226. 235 Pius V. 227 Pius VI. 187 Pius VII. 187–188. 194 Platon 130 Plutarch 128–129 Polemius Silvius 103–104 Pollaiolo, Simone del 245 Polyphem, Statuengruppe in Sperlonga 17. 267
Rabelais, François 161 Raffael, eigentlich Raffaello Santi/Sanzio XVI. 139–143. 150. 155 Reber, Franz von XIV. 5. 36–42. 44–45. 47. 50–51 Remus 81–82. 168 Ricci, Marco 156 Robert, Hubert 27. 124. 157 Rodenwaldt, Gerhart 213–214 Romulus 41. 81–82. 142. 168 Rosa, Pietro 199–200 Ross, Ludwig 33 Rossini, Luigi 26–27. 194 Sadeler, Egidius 247. 249. 278 Sadeler, Marco 248 Salamanca, Antonio 144. 147 Sangallo, Giovanni Battista da 232–233 Sangallo, Giuliano da 141 Sattler, Johann Michael 24. 51 Schiller, Friedrich von 173–174 Schliemann, Heinrich 39 Schoel, Henricus von 232 Seneca 133–134. 136 Septimius Severus 255 Serlio, Sebastiano 233 Servius Sulpicius Rufus 76. 86. 136 Servius Tullius 142–143 Silvestre, Israël 156 Simmel, Georg 171. 209 Simonides 119. 126. 131 Sixtus V. 16. 193. 237 Soanes, Sir John 19 Sobiesky, Jan 193 Sokrates 130–131 Sprosse, Carl 28 Staccioli, Romolo Augusto 218 Stademann, Ferdinand 32–34 Staël, Germaine de 157 Stern, Raphael 196–197 Stobaeus, eigentlich Johannes Stobaios 131 Sulpizio, Giovanni 233
262
Register
Theodelinde 105 Thiersch, August 37 Thiersch, Friedrich von 32 Thorvaldsen, Bertel 195 Thukydides 122 Tibull 70. 172 Toqueville, Alexis de 238 Trajan 16. 51–52. 227
Vergil 62. 165. 172 Vespasian 153 Visconti, Filippo Aurelio 195 Visconti, Pietro Ercole 200 Vitalis, Janus 163 Vitruv IX. 38. 41. 140. 142. 232–233
Uchard, Francois-Joseph Toussaint 198 Uggeri, Angelo 195 Urban VIII. 154
Waetzoldt, Wilhelm 225 Wagner, Alexander von VII-IX. XIV. 5–6. 11. 13. 15–16. 23. 34–36. 42. 47. 49–51 Washington, George 237. 240. 242 Winckelmann, Johann Joachim 182. 188
Valadier, Giuseppe 196–197 Vasari, Giorgio 139. 150 Vasi, Giuseppe 190 Veneziano, Agostino 147. 149 Venturini, G. F. 227–229
Zacharias von Mytilene 103 Zanchi, Carlo 182. 184 Zenon 133 Ziegler, Jakob 141 Zosimus 54–55
Orte Aigina 136 Alexandria 82. 84. 235 Altötting 24. 45 Amphipolis 123. 126 Athen XIV. 32. 33. 34. 42. 45. 85. 123. 124. 126. 135. 166
Haliartos 128. 129 Halikarnass, Mausoleum 41
Baccano 182 Baltimore 147 Berlin VIII. IX. 16. 25. 36. 43. 50. 147. 237 Bethlehem 87. 88 Bonn VII.6. 24. 49 Boscoreale, Villa des Publius Fannius Synistor XIX. 52. 76
Köln 86. 235 Konstantinopel 78. 82. 84 Korinth 136
Caen, Université de Caen Basse-Normandie XIX Delos 125 Delphi 117. 127 Einsiedeln 107 Florenz, S. Maria del Fiore 139. 218 Fulda 107 Gizeh 33
Isola Farnese 182 Jerusalem 24. 33. 45. 87. 88. 89. 167. 168
London 16. 19. 25. 26. 29 Lübeck 32 Luzern 5. 11. 13. 37 Megara 136 Mogontiacum mit Castrum Castel 86 Monza 105 München 5. 10. 34. 35. 36. 37. 38. 40. 41. 42. 45. 49. 50. 62. 94 Mykene 124. 134. 135 Neapel 12. 20. 29. 45. 78 New York 29. 237 Olympia 43 Ostia 189 Otricoli 182
Orte Paris 25. 29. 32. 187. 237 – Champs-Elysées, Panorama-Rotunde 13. 24 – Montmartre, Panorama-Gebäude 32 Parma 180 Pergamon IX. 42. 44 Piräus 136 Pompeji XIV. 20. 29. 32. 45. 189. 200 Ravenna – S. Apollinare in Classe 87 – S. Vitale 87 Rom – Aqua Claudia 246 – Arx 7. 41 – Augustus-Mausoleum 215. 217 – Balbus-Theater 10 – Basilica Aemilia 183. 200 – Basilica Iulia 80. 186. 198. 199 – Basilica Ulpia 7. 193 – Caelius 201 – Campidoglio 147. 148, siehe auch Capitol/ Kapitol – Campo Marzio, siehe Marsfeld – Campo Vaccino 183. 186. 190. 195. 197, siehe auch Forum Romanum – Campus Martius, siehe Marsfeld – Capitol, siehe Kapitol – Castra equitum singularium 93–94 – Cestius-Pyramide 232. 233 – Circus Flaminius 3. 7. 10. 11. 15. 40. 73. 101 – Circus Maximus 189. 245. 250. 251.252 – Circus Neronis 94 – Colosseum, siehe Kolosseum – Columbarium der Freigelassenen der Livia 177. 180 – Curia Iulia 71. 215 – Crypta Balbi XVIII. 221 – Engelsbrücke, siehe Ponte Sant’Angelo – Engelsburg 227. 229. 232, siehe auch Hadriansmausoleum – Equus Constantii 93 – Equus Constantini 199 – Equus Domitiani 199 – Esquilin 84 – Forma Urbis 73. 74. 75. 78. 93. 97. 102. 152. 155 – Fora – – Forum Pacis, siehe Tempel der Pax
263
– – Forum Romanum XVI. XVII. XIX. 3. 7. 10. 23. 27. 28. 38. 42. 79. 108. 136. 177–201. 208. 209. 212. 213. 215. 230. 236 – – Kaiserfora XVI. 7. 10. 40. 46. 177–201. 218. 220. 221 – – Augustusforum 11. 16 – – Caesarforum 7. 11. 209 – – Nervaforum 7 – – Trajansforum XVIII. 3. 7. 38. 40. 51. 193–194 – Hadriansmausoleum 141. 232. 239. 240, siehe auch Engelsburg – Haus der Vestalinnen 183. 200 – sieben Hügel 27. 162. 163. 164. 169. 227. 238 – Hütte des Romulus 41 – Kaiserpalast/ -paläste, siehe Palatin – Kapitol XVI. 3. 7.8. 23. 28. 29. 38. 40. 41. 42. 46. 50. 54. 56. 57. 94. 148. 190. 191. 192. 197. 212. 236. 238. 239, siehe auch Campidoglio – Kirchen – – S. Adriano 215 – – S. Cecilia in Trastevere 87 – – Ss. Cosma e Damiano 87 – – S. Eufemia 193 – – S. Francesca Romana 191 – – Ss. Giovanni e Paolo 106 – – S. Giovanni in Laterano/ Lateranbasilika 87. 93. 95. 227 – – S. Lorenzo fuori le mura 87 – – S. Marco 87 – – S. Maria Antiqua 183 – – S. Maria Maggiore 87 – – S. Maria Liberatrice 200 – – S. Maria di Loreto 193. 194 – – S. Maria Nuova 27 – – SS. Nome di Maria 193. 194 – – S. Pietro in Montorio 26 – – S. Pietro in Vaticano/ St. Peter/ Peterskirche 105. 107. 140. 227. 228. 229. 230 – – S. Prassede 87 – – S. Sabina 87 – – S. Spirito 193 – – S. Trinità dei Monti 157 – Kolosseum 7. 29. 93. 145. 146. 190. 197. 200. 206. 225. 227. 229. 232. 235 – Konstantinsbasilika, siehe Maxentiusbasilika
264
Register
– Konstantinsbogen 52. 79. 93. 146. 147. 189. 190. 197. 225 – Marcellus-Theater 98. 209. 215. 216 – Marcussäule 227 – Marsfeld 10. 155. 156. 208 – Maxentiusbasilika 9. 42. 43. 153. 184. 193. 197 – Milvische Brücke 3. 8. 23. 39. 61 – Monumentum Iuliorum 41. 46 – Museo della Civiltà Romana 20. 47. 93 – Obelisken 227. 229. 232. 233. 235 – Oppius 213 – Palatin XVIII. XIX. 7. 15. 16. 27. 29. 37. 41. 55. 152. 177. 199. 212. 245–258 – – ‚Atrium Palatinium‘ 250 – – ‚Arcate‘ 247. 248. 249. 251. 252 – – Aula Regia 247 – – ‚Bibliothecae Graeca et Latina‘ 250 – – Domus Augustana 245. 247. 249. 250. 251. 252. 253. 255 – – Domus Flavia 177–180. 199. 247. 250. 255–256 – – Domus Tiberiana 199 – – ‚Domus Severiana‘ 245. 246. 248. 249. 250. 251. 252. 256 – – ‚Gartenstadium‘ 247. 250. 251. 252 – – Orti Farnesiani 177. 199 – – ‚Palazzo Maggiore‘ 246 – – Villa Mills 253 – Palazzo Orsini 215 – Panodome 6 – Phokassäule 193. 199. 200. 208 – Piazza Augusto Imperatore 217 – Piazza San Silvestro, Rom-Wandbild im Postamt 218 – Pompeius-Theater 212 – Ponte Sant’Angelo 17. 229 – Porta Maggiore 146 – Porticus Metelli 10 – Porticus Octavia 10 – Porticus Octaviae 98. 209. 210 – Quirinal 93. 195 – Regia 200 – Rostra 79–80 – Rostra Diocletiani 10. 79. 199 – Septimius Severus-Bogen 15. 76. 79. 80. 189. 190. 200 – Septizonium 246. 251. 252 – Tabularium 7. 17. 190. 192. 196 – Tempel
– – Antoninus und Faustina 192. 200 – – Apollo Sosianus 209. 210. 211 – – capitolinischer/ Capitoltempel, siehe Iuppiter Capitolinus – – Castor und Pollux 100. 183. 186. 193. 195. 208 – – Concordia 196–197 – – Divus Iulius 10. 71. 199 – – Hercules Musarum 10 – – Iuno Moneta 3. 7. 11. 16. 23. 41. 42. 50. 51 – – Iuno Regina 210 – – Iuppiter Capitolinus 7. 9. 11. 16. 17. 41. 46. 54. 71. 238 – – Iuppiter Conservator 46 – – Iuppiter Optimus Maximus, siehe Iuppiter Capitolinus – – Iuppiter Stator 183 – – kapitolinischer Jupitertempel, siehe Iuppiter Capitolinus – – Mars Ultor 198 – – Pantheon 6. 16. 146. 190. 227. 228. 240 – – Pax 7. 40. 73. 74. 153. 193 – – Saturn 191. 208 – – Traianus 10. 51 – – Veiovis 41. 46 – – Venus Genetrix 209. 210 – – Venus und Roma 57. 75. 80. 191. 200. 213. – – Vespasian und Titus 191. 196. 208 – – Vesta 183. 199 – Terminus-Altar im Tempel des Iuppiter Capitolinus 41 – Thermen – – Caracallathermen 189 – – Diokletiansthermen 18. 146. 162 – – Konstantinsthermen 9 – – Trajansthermen 206. 215 – Tiber 10. 162. 167. 168. 169 – Tiberinsel 228 – Tiberiusbogen 80 – Titusbogen 27. 52. 191. 196 – Torre della Milizia 232 – Torre Paolina 229 – Trajanssäule 15. 16. 189. 193. 227 – Trastevere 73. 87. 97 – Vatikan 85. 227 – Via Anicia (in Trastevere) 73. 97. 100 – Via Appia 177. 251 – Via Bonella 200 – Via Cornelia 105. 106 – Via de’Cherchi 249
Orte – – – – – – – – – – – – – – –
Via dei Fori Imperiali 24. 205. 220 Via dei Trionfi (Via di San Gregorio) 205 Via del Circo Massimo 205 Via del Impero (Via dei Fori Imperiali) 205. 214 Via del Mare (Via del Teatro di Marcello) 205. 209 Via della Polveriera 99 Via della Tribuna di Campitelli 211 Via delle Botthege Oscure 221 Via Portuense 106 ‚Via Publica‘ 249 Via Sacra 3. 184. 192. 200 Via S. Angelo in Pescheria 211 Viale del Monte Oppio 206 Villa Chigi 157 Villa Ludovisi 28
Salamis 121 Salzburg 24. 51 Seleucia 235 Skyros 129 Sparta 123. 124. 127. 128. 129. 134. 135 Sperlonga 17 Speyer 109 Stockholm 186
Theben 33. 135. 165 Tiryns 38 Tivoli 73. 225–234 – Villa d’Este XVII. 226. 227. 228. 229. 234 – Villa Hadriana 186 Toulouse 238 Troja 116. 124. 131. 134. 135 Urbino 147 Veji 182 Venedig 153. 156. 187. 233 Virginia, University of Virginia XIX. 240 Washington XVIII. 237–242 – City Hall 240 – George Washington-Monument 240. 242 – Kapitol XVIII. 237. 238. 239. 240 – Lincoln-Memorial 241 – Obelisk 240. 242 – Potomac 241 – Tiber/ Tyber XVIII. 237. 238 – Weißes Haus 240
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Register
Informationen zu den Autoren
Informationen zu den Autoren PD Dr. Stefan Altekamp Institut für Archäologie Lehrbereich Klassische Archäologie – Winckelmann-Institut Humboldt-Universität zu Berlin Unter den Linden 6 D-10099 Berlin Prof. Dr. Franz Alto Bauer Institut für Byzantinistik, Byzantinische Kunstgeschichte und Neogräzistik LMU München Geschwister-Scholl-Platz 1 D-80539 München Prof. Dr. Hans-Ulrich Cain Institut für Klassische Archäologie und Antikenmuseum Universität Leipzig Ritterstr. 14 D-04109 Leipzig Prof. Dr. Josef Engemann Moosstr. 145a A-5020 Salzburg PD Dr. Axel Christoph Gampp Privatdozent für Allgemeine Kunstgeschichte Kunsthistorisches Seminar der Universität Basel St. Alban-Graben 8 Postfach CH-4010 Basel
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Informationen zu den Autoren
PD Dr. Annette Haug Heisenberg-Stipendiatin Institut für Klassische Archäologie LMU München Katharina-von-Bora-Str. 10 D-80333 München Prof. Dr. Angelika Hoffmann-Maxis Institut für Klassische Philologie und Komparatistik Universität Leipzig Beethovenstr. 15 D-04107 Leipzig Prof. Dr. Valentin Kockel Fach Klassische Archäologie Universität Augsburg Universitätsstr. 10 D-86159 Augsburg Prof. Dr. Paolo Liverani Dipartimento di Scienze dell’Antichità, Medioevo e Rinascimento e Linguistica Piazza Brunelleschi 4 I-50121 Firenze Prof. Dr. Hans-Rudolf Meier Professur Denkmalpflege und Baugeschichte Bauhaus-Universität Weimar Geschister-Scholl-Str. 8 D-99421 Weimar Prof. Dr. Alain Schnapp Université Paris I, Panthéon Sorbonne Institut d’Art et d’Archéologie 3, rue Michelet F-75006 Paris Prof. Dr.-Ing. Ulrike Wulf-Rheidt Architekturreferat Deutsches Archäologisches Institut Berlin Podbielskiallee 60–71 D-14195 Berlin
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Tafelteil
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Tafel 1
Taf. 1a Querschnitt des Leipziger Panometers mit Panoramakonstruktion und Besucherturm im Zentrum
Taf. 1b Leipziger Panorama ROM 312. Blick auf Forum Romanum und Septimius Severus-Bogen im Vordergrund
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Tafel 2
Taf. 2 Leipziger Panorama ROM 312. Einzeln stehende Säule
Tafel 3
Taf. 3a Leipziger Panorama ROM 312. Gänsehirt
Taf. 3b Leipziger Panorama ROM 312. Den Betrachter fixierende Römerinnen und Römer
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Tafel 4
Taf. 4a Leipziger Panorama ROM 312. Den Betrachter fixierende Römerin und Römer
Taf. 4b Leipziger Panorama ROM 312 in feuerrotem Morgenlicht
Tafel 5
Taf. 5 Leipziger Panorama ROM 312. Oberer Abschnitt der Trajanssäule
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Tafel 6
Taf. 6a Leipziger Panorama ROM 312. Blick auf die nördliche Substruktionsmauer des Palatins mit seitenverkehrt eingeblendeter Umfassungsmauer des Augustusforums
Taf. 6b Leipziger Panorama ROM 312. Statuen des trunkenen Bacchus des Michelangelo und des Apollon vom Belvedere
Tafel 7
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Taf. 7a Leipziger Panorama ROM 312. Statuengruppe der Blendung des Polyphem in Sperlonga zwischen anderen antiken und neuzeitlichen Bildwerken
Taf. 7b Leipziger Panorama ROM 312. Engelsstatue in Rückansicht vom Ponte Sant’Angelo in Rom
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Tafel 8
Taf. 8a Carl Georg Enslen, Drei Blätter aus dem Theaterpanorama von Pompeji, 1826
Taf. 8b Johann Jakob Frey oder Joseph Bonomi, Panorama von Gizeh, 1842, nach Richard Lepsius
Tafel 8
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Tafel 9
Taf. 9 Josef Bühlmann, Zwei Lichtpausen zur Vorbereitung des Rompanoramas mit Darstellung des Capitolhügels, um 1886. Architekturmuseum der TU München
Tafel 9
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Tafel 10
Taf. 10 Stadtpersonifikationen der Roma, Antiochia, Constantinopolis und Alexandria aus dem Silberschatz vom Esquilin, zweite Hälfte 4. Jahrhundert
Tafel 11
Taf. 11 Jerusalem-Darstellung vom Triumphbogen in S. Maria Maggiore, Rom
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Tafel 12
Taf. 12 Charles-Louis Clérisseau (zugeschrieben), Römische Monumente mit dem Vesta-Tempel, 2. Hälfte 18. Jahrhundert, Rom, Galleria Nazionale d’Arte Antica
Tafel 13
Taf. 13 Rom-Wandbild Piazza San Silvestro
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Tafel 12
Taf. 14a Antoine Caron, Le Massacre du Triumvirat. Um 1566. Paris, Musée du Louvre
Taf. 14b Thomas Cole, The Course of the Empire – The consummation of Empire. 1836. New York Historical Society
Tafel 15
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Taf. 15 Thomas U. Walter, Design for the Extension and New Dome of the United States Capitol. 1855
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Tafel 16
Taf. 16 Egidius Sadeler, Ruinen auf dem Palatin, Radierung um 1660 (links) kombiniert mit dem Bauaufnahmeplan der Südansicht der ‚Arcate‘ (im Original Maßstab 1:100) 1999
Tafel 17
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Taf. 17 Jean-Louis Pascal, 1870: Grundriss des ‚Gartenstadiums‘ und der östlich anschließenden ‚Domus Severiana‘ auf dem Palatin. Die beiden Ebenen sind farblich differenziert dargestellt: Schwarz = Hauptebene, 3 = Untergeschoss. Rechts: Überlagerung der Aufnahme von Pascal mit dem Bauaufnahmeplan des Grundrisses des Untergeschosses (= Ebene 3) im Original Maßstab 1:100, 2000. Unten: Jean-Louis Pascal, 1870, Schnitt durch das ‚Gartenstadium‘ mit Blick nach Osten
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Tafel 18
Taf. 18a Grundriss des Südostabhangs des Palatin (‚Gartenstadium‘ und ‚Domus Severiana‘) von Étienne Dupérac, veröffentlicht postum in Onofrio Panvinios ‚de ludis circensibus‘ aus dem Jahre 1600, überlagert mit einem generalisierten Bauaufnahmeplan des Grundrisses der Hauptebene der ‚Domus Severiana‘ 1990
Taf. 18b Modell der Kaiserpaläste auf dem Palatin in der letzten großen Ausbauphase Anfang des 4. Jahrhunderts n. Chr. Ausschnitt aus dem Stadtmodell des antiken Rom von Italo Gismondi
Tafel 19
Taf. 19a Bestandsmodell der ‚Domus Severiana‘. Die einzelnen Ausbauphasen können getrennt voneinander dargestellt werden. Links: flavische Phase, Ende 1. Jahrhundert n. Chr. Mitte: severische Phase, Anfang 3. Jahrhundert n. Chr. Rechts: maxentianische Phase, Anfang 4. Jahrhundert n. Chr.
Taf. 19b Rekonstruktionsmodell der ‚Domus Severiana‘ in der flavischen Ausbauphase, Ende 1. Jahrhundert n. Chr.
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Faltblatt 1 Nach Leporello des Rom-Panoramas von Josef Bühlmann und Alexander von Wagner, München 1888/89, fotografiert von Franz Hanfstaengl
Faltblatt 2 Panorama ROM 312 von Yadegar Asisi, Leipzig 2005. © Asisi