Das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch nebst den sich daran anschließenden Reichsgesetzen: (Markenschutzgesetz, Aktiennovelle vom 18. Juli 1884, Gesetz über die Nationalität der Kauffarteischiffe und ihre Befugnis zur Führung der Bundesflagge, Seemannsordnung u.a.) [Reprint 2018 ed.] 9783111660110, 9783111275727


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German Pages 1287 [1292] Year 1891

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Table of contents :
Vorwort
Einleitung
Inhaltsverzeichniß
Allgemeines deutsches handelsgesetzbuch
Erstes Buch. Vom Handelsstande
Erster Titel. Von Kaufleuten
Zweiter Titel. von dem Handelsregister.
Dritter Titel. von Handelsfirmen
Vierter Titel. Von den Handelsbüchern
Fünfter Titel. Von den Prokuristen und handlungsbevollmächtigten
Sechster Titel. Von den Handlungsgehnlfen
Siebenter Titel. Von den Handelsmäflern oder Sensalen
Zweites Buch. von den Handelsgesellschaften
Erster Titel. Von der offenen Handelsgesellschaft
Zweiter Titel. Von der Kommanditgesellschaft
Dritter Titel. Von der Aktiengesellschaft.
Vierter Titel. Strafbestimmungen
Drittes Buch. Port der stillen gesellschaft und von der vereinigung zu einzelnen handelsgeschäften für gemeinschaftliche Rechnung.
Erster Titel. Von der stillen gesellschaft
Zweiter Titel. Von der vereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften für gemeinschaftliche Rechnung
Viertes Buch. Don den Handelsgeschäften
Erster Titel. Von den handelsgeschäften im allgemeinen
Zweiter Titel. Vom kauf
Dritter Titel. Von den Kommissionsgeschäft
Vierter Titel. von dem Speditionsgeschäfte
Fünfter Titel. Von dem Frachtgeschäft
Fünftes Buch. Dom seehandel.
Erster Titel. Allgemeine Bestimmungen
Zweiter Titel. Von dem rheder und von der Rhederei
Dritter Titel. Von dem Schisser
Vierter Titel. Von der Schiffsmannschaft
Fünfter Titel. Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern
Sechster Titel. Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von reisenden
Siebenter Titel. Von der bodmerei
Achter Titel. Von der Haverei
Neunter Titel. Von der bergung und hnlfsleistnng in seenoth
Elfter Titel. Von der Versicherung gegen die gefahren der Seeschiffahrt
Zwölfter Titel. Von der verjährung
Zwölfter Titel.Von der verjährung
Alphabetisches sachregister
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Das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch nebst den sich daran anschließenden Reichsgesetzen: (Markenschutzgesetz, Aktiennovelle vom 18. Juli 1884, Gesetz über die Nationalität der Kauffarteischiffe und ihre Befugnis zur Führung der Bundesflagge, Seemannsordnung u.a.) [Reprint 2018 ed.]
 9783111660110, 9783111275727

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ord. Professor der Rechte an der Universität Königsberg i. Pr.

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Berlin.

I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. 1891.

Vorwort. Wohl mit Recht giebt die Besprechung eines Kommentars zu bedenken, daß „die Form eines Kommentars nimmermehr auch nur annähernd den wissen­ schaftlichen Werth eines strenggegliederten Systems erreichen kann: sie* nöthige zn zahlreichen Wiederholungen und Verweisungen und hindere schon dadurch das Gefühl stetiger Ruhe und jenes eigenthümliche Behagen, mit dem wir einer wohlgefügten, sicher vorwärtsschreitenden wissenschaftlichen Erörterung zu folgen pflegen" (V. Ehrenberg in Goldschmidt's Zeitschrift für das gesammte Handels­ recht Bd. XXI S. 162). Trotzdem wird aber nicht verkannt werden können, daß ein Bedürfniß nach Kommentaren bestehe und daß den Kommentaren auch eine nicht unbedeutende Rolle in der Entwicklung des geltenden Rechts und seiner Uebung zukomme. Jenem Bedürfniß und dieser Rolle entsprechend be­ findet sich nun freilich bereits eine Anzahl trefflicher Kommentare auch des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs im Gebrauch, und diesen gegenüber muß sich ein neuer Kommentar desselben Gesetzbuchs durch bestimmte Eigen­ thümlichkeiten auszeichnen, auf denen sozusagen seine Existenzberechtigung beruht. Die Eigenthümlichkeiten des vorliegenden Kommentars liegen theils in der Heranziehung neuer Jnterpretationsmittel, theils iu der Methode der Dar­ stellung und Stoffanordnung. Der vorliegende Kommentar hat da einzusetzen, wo die bisherigen Erlüuternngswerke in ihrer Entwicklung allmählich angelangt sind; er hat demnach als Neubau die Errungenschaften der früheren Werke in selbständiger Weise zu verwerthen; was aus den Protokollen der Kommission, welche den Entwurf beSADHGB. zu berathen hatte, und was aus den Motiven des dieser Berathung zu Grunde gelegten Preußischen Entwurfs zu ziehen war und daraus von den bekannten Kommentaren zum Heile der deutschen Handelsrechtspflege gewonnen wurde, darf demnach ebensowenig außer Acht gelassen werden, wie Dasjenige, was die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts (25 Bände) und die des Reichsgerichts (24 Bände) und auch die anderer Gerichtshöfe (namentlich von Berlin, München, Hamburg, Lübeck, Nürnberg) an Nechtsanschaunngen für die

glücklich erreichte Rechtseinheit in Handelssachen hegend und fortentwickelnd zu Tage förderten. Selbstverständlich bietet die Berücksichtigung der Recht­ sprechung täglich neues Material zur Interpretation des Gesetzbuchs, aker in mindestens gleichem Maße auch die Berücksichtigung der Literatur, welche außerhalb der Kommentare in zahlreichen Einzelwerken, in Abhandlungen der Zeitschriften, sowie in Lehr- und Handbüchern dem Ausleger des Handelsgesetz­ buchs einen fast unübersehbaren, höchst werthvollen Stoff zur Erfüllung seiner Aufgabe ununterbrochen an die Hand geben. Gerade in der Verwerthung dieser Literatur sucht der vorliegende Kommentar einen großen Theil seiner Stärke: nach unserer Meinung soll ein Gesetzes - Kommentar eine Brücke sein zwischen Theorie und Praxis; er soll fungieren wie eine fliegende Kolonne, welche aus der Reserve das Nöthige in die Reihe der Kombattanten befördert; und that­ sächlich halten die Kommentare vielfach allein noch die Verbindung älterer Praktiker — vielbeschäftigter Anwälte, zu rascher Entscheidung gezwungener Richter und Anderer — mit der in der Literatur fließenden Quelle der Erkenntniß des positiven Rechts aufrecht; mindestens insoweit, als ihnen der Kommentar den Weg weist und ebnet, weisen soll und ebnen soll zu den neuesten einschlägigen Resultaten der fortschreitenden literarischen Bearbeitung unseres Rechtsstoffes. So dürfen wir die intensivere Heranziehung der neueren und neuesten, inländischen und auch ausländischen Literatur, auf welche sowohl im Allgemeinen an der Spitze eines jeden Abschnittes in besonderen Bemerkungen oder An­ merkungen als auch bei allen Einzelfragen besonders aufmerksam gemacht ist, als eine Eigenthümlichkeit bezeichnen, bei welcher wir, wie überhaupt, nur die stete Rücksicht auf die Oekonomie des Werkes beklagen müssen: das ist der Hauptmißstand, unter welchem der Interpret eines Gesetzes, und noch dazu eines so ausgedehnten, leidet, daß er sich fast nirgends gehen lassen darf, sich überall vielmehr einschränken, ja an vielen Stellen, wo er referieren oder noch lieber kritisieren möchte, mit einigen Citaten begnügen muß! Hier handelt es sich bann darum, daß die Citate so gewählt sind, daß sie den Leser in.medias res oder an die fontes materiae selbst versetzen. Trotz aller Einschränkungen, die wir uns auferlegten und gefallen ließen, ist übrigens der Umfang des Werkes weit über denjenigen hinausgegangen, welchen wir und die Verlagsbuchhandlung dafür ursprünglich in Aussicht genommen hatten! — Mit der hierdurch charakterisierten Stellung unseres Kommentars zur Literatur hängt zum Theil die weitere Eigenthümlichkeit desselben zusammen, daß der Versuch gemacht ist, den Rechtsstoff der mit Nothwendigkeit fragmen­ tarischen oder auch kasuistischen Einzelbestimmungen des Gesetzbuchs systematisch in das Rechtsganze der bürgerlichen Rechte einzuordnen, ihn in ein Ganzes zu verweben und prinzipiell zu behandeln, so daß sich die Einzelbestimmungen nicht als disjecta membra, sondern juristisch konstruiert und als Theile des Rechtssystems ergeben; diesem Zwecke dienen regelmäßig einleitende Bemerkungen an der Spitze eines jeden Abschnittes; im Seehandelsrecht schien uns diese Be-

Handlung besonders wichtig und werthvoll, zumal sie dort besonders weitreichende Gesichtspunkte liefert, wie wir hier nur z. B. durch den Hinweis auf das See­ vermögen, die Nhederhaftung, Seegemeinschaft im Havereirecht u. s. w. zeigen wollen. Aber auch sonst ergab sich uns diese Systematisierung als bedeutungsvoll: die Erörterungen über die Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften (juristische Person, Genossenschaft u. dgl.) und die über Handlungsvollmacht und Dienst­ verträge mögen hier als Beispiele dienen. An zwei Stellen zwang uns das Bedürfniß der Systematisierung und die Absicht, aus ihr für die Interpretation Gewinn zu ziehen, zu einer weitgehenden Abweichung von der legislatorischen Darstellung, nämlich in der Behandlung der Aktiennovelle von 1884 und in der des Rechts der Waarenbeanstandung (Art. 347 ff.). Neben diese Verwerthung der Dogmatik treten als weitere Eigenthümlichkeiten

die

Berücksichtigung

der

Rechtsgeschichte

und

die

Rechts Ver­

gleichung; es bedarf wohl keines Wortes der Rechtfertigung, daß der Ein­ blick in das Werden des positiven Rechts das Verständniß desselben erleichtert, und

daß das Gleiche von dem Einblick in mehrere nebeneinander bestehende,

von einander mehr oder weniger abweichende Gesetzgebungen anerkannt werden muß; leider konnten wir hierin, und zwar wiederum aus Raummangel, lange nicht so weit gehen als wir wollten. Aus demselben Grunde aber, aus welchem wir wenigstens in den Hauptgesichtspunkten die fremden Gesetzgebungen zur Vergleichung heranzogen, nämlich um unsere eigene besser zu verstehen, aus demselben Grunde haben wir auch die Neuerung versucht, zu den einzelnen Ab­ schnitten des HGB. (in der Regel zu den „Titeln") Vorschläge über Ab­ änderung des Gesetzes oder Gedanken über solche Vorschläge einzuflechten; mit größtem Danke erkennen wir hierbei an, wie werthvoll uns in dieser Be­ ziehung für die ersten vier Bücher des HGB. die enorme Revisionsarbeit des Herrn Bankdirektors und Rechtsanwalts I. Rießer (in Gold schm idt's Zeitschrift Bd. XXXIII Beil.) gewesen ist. Es dürfte hier wohl kaum noch besonders hervor­ zuheben sein, daß wir auf Revisionsideen nur deßhalb und nur insoweit eingehen konnten, weil und als wir darin ein Mittel der Kommentierung, einen neuen Weg finden zu dürfen glaubten, die gesetzliche Tragweite einer Bestimmung, den Werth und Zweck eines gesetzgeberischen Gedankens und das legislativeProblem s e l b st festzustellen und an's Licht zu rücken. Nur in diesem Sinne ist unser Hinweis auf Nevisionsideen wie auf Rechtshistorisches und auf Nechtsvergleichendes gemeint und zu verstehen. Nicht selten hat uns das Eingehen auf die Reformbedürftigkeit eines Abschnittes, wie das auf früheres und auf fremdländisches Recht, Veranlassung gegeben,

einen höheren Standpunkt der

Kommentierung einzunehmen, als sonst möglich gewesen wäre; so hoffen wir, daß auch die Praxis davon Nutzen hat, wenn sich ihre Vertreter entschließen, darüber nachzudenken, daß die Normierung eines Rechtsverhältnisses oder der Ausdruck der Norm anders sein könnten, als sie in unserm heutigen Rechte sind,

welches selbstverständlich allein, aber auch vollständig und richtig zur Anwendung kommen muß. Alle diese Dinge, durch deren Heranziehung wir neues Licht für die Gesetzeserklärung gewinnen wollen, beziehen sich regelmäßig nicht auf einzelne Artikel des HGB., sondern auf ganze Gruppen derselben. Um dieser Thatsache gegenüber den Zweck eines Kommentars der einzelnen Gesetzesbestimmungen nicht aus den Augen zu verlieren, gelangten wir zu der übrigens auch schon von Kommentatoren anderer Gesetze angewandten Methode: einerseits unsere Er­ läuterungen in mehr oder weniger kurze Absätze („Bemerkungen") zu ordnen, andererseits bei den einzelnen Artikeln mittels „Schlagwörtern" auf den Inhalt der sich auf diese Artikel beziehenden Bemerkungen zu verweisen. Auf diese Weise konnten Wiederholungen vermieden und doch auf jede einzelne Gesetzes­ bestimmung diejenige präjudizielle, dogmatische, rechtsgeschichtliche, rechtsvergleichende oder kritische Bemerkung bezogen werden, welche zur Erläuterung des einzelnen Artikels oder Wortes desselben diensam ist. Es darf als überflüssig erachtet werden, den Benützern dieses Kommentars zu verrathen, in welcher Weise die beiden Herausgeber desselbeil sich in die Arbeit hieran theilten; vielmehr mag genügen, zu sagen, daß die Stellung eines jeden von uns Beiden zur vorliegenden Kommentierungsarbeit im Wesentlichen dirrch seine bisherige literarische und durch die berufsmäßige Thätigkeit bestimmt worden ist. Ob wir durch diese Arbeitstheilung und Arbeitsverbindung Gedeihliches erreichten, wissen wir nicht, wir möchten es aber hoffen und wünschen. Königsberg i. Pr. und Bayreuth, Oktober 1890.

Die Herausgeber.

Einleitung. Aus der Zeit des für die deutsche Rechtseinheit sonst so wenig fruchtbaren Deutschen Bundes ragen zwei hochbedeutende Gesetzeswerke in unsere Zeit hinein: die Allgemeine Deutsche Wechselordnung und das Allgemeine Deutsche Handels­ gesetzbuch, — beide veranlaßt durch Anträge der Zollvereinskonferenzen, beide hervorgegangen aus Berathungen von Vertretern der deutschen Bundesstaaten, nnd schließlich zu Reichsgesetzen erhoben. Die Geschichte der Entwürfe und Berathungen dieser Gesetze und insbesondere des Allgemeinen Deutschen Handels­ gesetzbuches ist ausführlich dargestellt von L. Goldschmidt in seinem Hand­ buch des Handelsrechts (2. Auflage, Stuttgart 1875, §§ 13—19), ferner von Behrendt in seinem Lehrbuch des Handelsrechts, Berlin 1886, §§ 11—13; vgl. auch Gareis, Lehrbuch des Handelsrechts (3. Auflage, Berlin und Leip­ zig 1888, § 5) und Cosack, Lehrbuch des Handelsrechts, S. 9 und 10. Auf diese Darstellungen sei hiermit mit dem Bemerken verwiesen, daß bei den einzelnen Artikeln des vorliegenden Kommentars Bezug genommen ist auf den preußischen Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (erster Theil Entwurf 1857, zweiter Theil Motive 1857—1859, 599 Seiten), welcher den Berathungen des ADHGB.'s zu Grunde gelegt wurde; es ist ferner bei den einzelnen Artikeln Bezug genommen auf die Protokolle der Konferenz­ berathungen, aus welchen der Entwurf des ADHGB.'s hervorging (Protokolle der Kommission zur Berathung eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches. Im Aufträge dieser Kommission herausgegeben von I. Lutz). Die Berathungen fanden zu Nürnberg — erste und zweite Lesung der jetzigen vier Bücher (21. Januar 1857 bis 2. Juli 1857, 15. September 1857 bis 3. März 1858), zu Hamburg (Berathung des jetzigen fünften Buches „Seerccht" 26. April 1858 bis 15. Januar 1859) und wiederum zu Nürnberg statt (dritte Lesung der ersten vier Bücher 19. November 1860 bis 11. März 1861; zweite Lesung des fünften Buches) und der aus ihnen hervorgegangene Entwurf eines „Allgemeinen

Deutschen Handelsgesetzbuchs" wurde bekanntlich zuerst auf dem Wege der Partikulargesetzgebung (s. unten die Uebersicht partikularer Einführungs­ gesetze S. X—XII) in den Deutschen Bundesstaaten 1861—1865, sowie auch in Oesterreich — hier nur die vier ersten Bücher und auch diese nur im Kaiserthum Oesterreich, nicht in den Ländern der ungarischen Krone (Oesterr. Gesetz vom 17. Dezember 1862) — eingeführt. Als der Nord­ deutsche Bund (1867) gegründet war, erhob dieser das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch zum Bundesgesetz durch Gesetz vom 5. Juni 1869 (siehe hier unten S. VIII—X), und mit der Entstehung desDeutschenReiches (ReichsVerfassung vom 16. April 1871) ward das Handelsgesetzbuch (zugleich mit der Wechselordnung und den Nürnberger Novellen hierzu) Reichsgesetz und somit absolutes gemeines Recht für den Umfang des ganzen Bundesgebietes. Vgl. „Berfassung des Deutschen Bundes" vom 31. Dezember 1870 Art. 80 Nr. 15, wodurch das Handelsgesetzbuch des Norddeutschen Bundes auch in Württemberg, Baden und Hessen — entsprechend den vorausgegangenen Verträgen vom 15. und 25. November 1870 — eingeführt wurde, ferner die Reichsverfassung vom 16. April 1871 Art. 2, auch Art. 4 Ziff. 13, und das Gesetz vom 16. April 1871, betr. die Verfassung des Deutschen Reiches (RGBl. S. 63) § 2. In Bayern, wo das Handelsgesetzbuch als Partikulargesetz vom 1. Juli 1862 an galt auf Grund des bayer. Einf.-Gesetzes vom 10. November 1861, ist es als Bundes- resp. Reichsgesetz vom 13. Mai 1871 an in Kraft auf Grund eines Gesetzes vom 22. April 1871, und in Elsaß-Loth ringeil auf Grund eines Gesetzes vom 19. Juni 1872 mit Wirkung vom 1. Oktober 1872. Seitdem erfuhr dieses Gesetzeswerk ersten Ranges mancherlei Abänderungen und Zilsätze durch die Gesetzgebung des Deutschen Reiches, die in dem vorliegen­ den Kommentar an den einschlägigen Stellen eingefügt sind; die umfangreichste Amendierung desADHGB. führte zum heutigen Aktiengesellschaftsrecht; dieGeschichte desselben s. unten S. 383 ff., auch 303 ff.'; bei den durch die Aktiennovelle in das Gesetz eingerückten Artikeln (Art. 173—249 g, S. 302—556) ist entsprechend auf die Entwürfe von 1883 und 1884, bereit Begründungen, sowie auf deren Berathung im Reichstage verwiesen.

Norddeutsches Bundesgesetz, betreffend die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechseliordmrog, der Nürnberger Wechsel-Novellen und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetz­ buchs als Bundesgesetze. Vom 5. Juni 1869. Bundesgesetzblatt 1869 8. 379. Wir Wilhelm, von Gottes-Gnaden König von Preussen etc. verordnen im Namem des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichsitages, was folgt. .

.

§•

1-

Die Allgemeine Deutsche Wechsel-Ordnung (Anlage A) nebst den die Ergänzung And Erläuterung derselben betreffenden sogenannten -Nürnberger Novellen (Anlage Bj),

Einleitung.

IX

sowie das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (Anlage C)x) werden zu Bundesgesetzen erklärt und als solche in das gesammte Bundesgebiet eingeführt, jedoch unbeschadet der Vorschriften des Bundesgesetzes über die Nationalität der Kauffahrteischiffe und ihre Befugniss zur Führung der Bundesflagge vom 25. Oktober 1867 (Bundesgesetzblatt 8. 35) und des Bundesgesetzes über die Aufhebung der Schuldhaft vom 29. Mai 1868 (Bundes­ gesetzblatt S. 237). §.

2.

Die bei oder nach der Einführung der Wechselordnung, der Nürnberger Novellen und des Handelsgesetzbuches in die einzelnen Bundesstaaten oder deren Landestheile im Wege der Landesgesetzgebung erlassenen Vorschriften bleiben als landesgesetzliche Vor­ schriften insoweit in Kraft, als sie nur eine Ergänzung und nicht eine Abänderung einer Bestimmung der Wechselordnung, der Nürnberger Novellen oder des Handelsgesetzbuches enthalten. §. 3. Insbesondere bleiben folgende auf die Einführung der Wechselordnung und des Handelsgesetzbuches sich beziehende landesgesetzliche Vorschriften in Kraft: A. in Ansehung der Wechselordnung: die Vorschriften der §§. 5. bis 7. der für die freie und Hansestadt Hamburg am 5. März 1849 in Bezug auf die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung publizirten Verordnung und der entsprechenden §§. 8. bis 10. der Königlich Preussischen Verordnung, betreffend die Einführung der All­ gemeinen Deutschen Wechselordnung in die Herzogtümer Holstein und Schleswig, vom 13. Mai 1867; B. in Ansehung des Handelsgesetzbuches: 1) die Vorschriften, nach welchen unter Landesgesetzen im Sinne des Handels­ gesetzbuches nicht blos die förmlichen Gesetze, sondern das gesammte Landes­ recht zu verstehen -) und in Ansehung der betreffenden Vorbehalte des Handelsgesetzbuches die Erlassung maassgebender Vorschriften auf anderem Wege, als auf dem Wege der förmlichen Gesetzgebung, soweit dies nach dem Landesrecht zulässig, nicht ausgeschlossen ist; 2) die Vorschriften, welche in Ansehung der Eintragungen in das Handels­ register noch andere als die in dem Handelsgesetzbuch bestimmten Ein­ tragungen zulassen oder gebieten;*3) 2 3) die Vorschriften, welche den Prokuristen zur Ertheilung von Konsensen vor den mit der Führung der Eigenthums- und Hypothekenbücher oder der Schuld- und Pfandprotokolle beauftragten Behörden und Beamten nur für den Fall befugt erklären, dass demselben diese Befugniss besonders bei­ gelegt ist; 4) die Vorschriften, welche bestimmen, dass die Vorschriften des Landesrechts über die rechtlichen Voraussetzungen für den Erwerb des Eigenthums an unbeweglichen Sachen durch die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches nicht berührt werden; 5) die Vorschriften, welche die Anwendung des Artikels 295.4) des Handels­ gesetzbuches insoweit beschränken, als sie die abweichenden Vorschriften, welche das bürgerliche Recht für die zur Eintragung in das Hypothekenbuch bestimmten Schuldurkunden enthält, in Kraft erhalten; *) S. unten S. 1—1254. 2) s. Preußen: N. vom 5. Juli 1867, betr. E. d. ADHG. in die Herzogthümer Holstein und Schleswig, § 2 (Preuß. Ges.-Samml. 1867 S. 1133). Sachsen: EG. vom 30. Oktober 1861 zum ADHGB. §2 (G. u. VBl. 1861, Stück 14, S. 307-311). 3) Vgl. Preuß. EG. vom 24. Juni 1861, Art. 13, Art. 20 (Gesetzes - Sammlung S. 449—479); V. vom 5. Juli 1867, betr. E. d. ADHGB. in die Herzogthümer Holstein und Schleswig, § 13 (Handlungsvollmacht nach Art. 47 d. HGB.). — Württemberg: EG. vom 13. August 1865 zum ADHGB., Art. 22 (Dispositionsunfähigkeit), Art. 40 (Reg.-Blatt 1865 Nr. 27', S. 211 ff.). — Baden: EG. vom 6. August 1862 zum ADHGB., Art. 4 (Ent­ mündigung u. dgl.), Art. 6—8, 10 ff. (ehel. Güterrecht). Reg.-Blatt 1862 Nr. XL S. 337 ff. 4) Vgl. hierzu Art. 295 und die Bemerkungen 146 und 147 hierzu (unten S. 630), insbes. § 17 d. Einf.G. zur CPrO.

X

Einleitung. 6) die Vorschriften, welche die Artikel 306. und 307. des Handelsgesetzbuches auf Inhaberpapiere, so lange dieselben ausser Kurs gesetzt sind, für nicht anwendbar erklären;1) 7) die Vorschriften, welche bestimmen, dass unter Konkurs im Sinne des Han­ delsgesetzbuches auch das Falliment des Rheinischen Rechts und das Debitverfahren des Bremischen Rechts zu verstehen sei;2) 8) die Vorschriften, welche bestimmen, dass durch die Artikel 313. bis 316. des Handelsgesetzbuches die im bürgerlichen Rechte in einem weiteren Umfange begründete Zulassung des Zurückbehaltungsrechtes (Retentionsrechtes) nicht berührt werden.3) §.

4.

Als Landesgesetze bleiben, auch insoweit sie Abänderungen des Handelsgesetz­ buches enthalten, in Geltung: für das Grossherzogthum Mecklenburg-Schwerin: die §§. 51. bis 55. der die Publikation des Handelsgesetzbuches betreffenden Verordnung vom 28. Dezember 1863 ;4) für die freie Hansestadt Bremen: die am 12. Februar 1866 publizirte, die Löschung der Seeschiffe betreffende obrigkeitliche Verordnung;5) für die freie und Hansestadt Hamburg: der §. 50. des am 22. Dezember 1865 publizirten Einführungsgesetzes zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch.6)7 _ . §. 5. Die in Gemässheit der §§. 16. und 52. der unter dem 6. Juni 1864 von dem Senate der freien Hansestadt Bremen publizirten obrigkeitlichen Verordnung, betreffend die Ein­ führung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, den Privatgläubigern eines Handelsgesellschafters in Ansehung des Vermögens einer Handelsgesellschaft zu der Zeit, zu welcher dieses Gesetz in Geltung tritt, zustehenden Pfand- und Vorzugsrechte bleiben unberührt. §. 6.

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1870 in Kraft. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Bundes-Insiegel. Gegeben Schloss Babelsberg, den 5. Juni 1869. (L. S.) Wilhelm. Gr. v. Bismarck-Schönhause in

Uebersicht partikularer Einführungsgesetze zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuche und partikularer Ausführungsgesetze zur Reichsjustizgesetzgebung. a. Königreich Preußen?) I. EG. vom 24. Juni 1861 (Gesetzes-Sammlung S. 449—479), in Kraft mit l.März 1862. II. Allgemeine Verfügung und Instruktion des Justiz-Ministers vom 12. Dezember 1861, betr. die Ausführung des Gesetzes vom 24. Juni 1861 (I;. Justiz-Ministerial-Blatt 1861 S. 328—374. 2) s. z. B. Preuß. Einf.-G. vom 24. Juni 1861, Art. 15. 2) s. z. B. Preuß. Einf.-G. vom 24. Juni 1861,Art. 17. Hess. EG. vom 1. August 1862, Art. 35 ^Reg.Blatt 1862 Nr. 34, S. 627—642). 3) Soll heißen: werde. 4) Diese beziehen sich auf das sog. „Setzungsrecht" in Rhedereiverhältnissen; s. unten S. 921. 5) Vgl. nunmehr die bremischen Gesetze vom 23. April 1876 und vom 6. Mai 1877; s. unten S. 1011, 1013, 1168. 6) Dieser Paragraphbezieht sich auf eine seerechtliche Verordnung von 1786 und auf die Art. 609 und 610 d. ADHGB.; s. unten S. 1021. Das Hamburgische Einf.-G. s. bei Basch, Codex des Handelsrechts, 1879, S. 787 ff. 7) Die nachstehend genannten Preußischen Gesetze sind u. A. abgedruckt bei Makower, Das allg. Deutsche Handelsgesetzbuch, 10. Ausl., 1890, S. 836ff.; Litthauer, Allg. Deutsches HGB., 7. Aufl., 1890, S. 493 ff. u. a.

Einleitung.

XI

III. Verordnung, bctr. die durch die Einführung des ADHGB. nöthig gewordene Ergänzung der Gesetze über die gerichtlichen Gebühren und Kosten. Vom 27. Januar 1862 (GesetzSammlung 1862, S. 33, 1865 S. 168). — Ausdehnung dieser V. auf Lauenburg und die Bezirke des App.-Ger.-Hofs zu Köln und des App.-Ger. zu Frankfurt a. M., s. IVc § 13. IVa. Ausführungsgesetz vom 24. April 1878 zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetz. Ges.Sammlung 1878 S. 230. IVb. Ausführungsgesetz vom 24. März 1879 zur Deutschen CPrO. Ges.-Sammt. 1879 S. 281. IVc. Ausführungsgesetz vom 10. März 1879 zum Deutschen Gerichtskostcngesetz u. s. w. Ges.Samml. 1879 S. 145. V. EG. vom 17. Oktober 1862 zum ADHGB. für die freie Stadt Frankfurt a. M. (Frank­ furter Einzelgesetze s. Goldschmidt, HR. 2. Ausl. § 21 Bd. I S. 164, 165). VI. EG. vom 5. Oktober 1864 zum ADHGB. für das Königreich Hannover (Hann. Ges.Samml. 1865 S. 213). VII. V. vom 5. Juli 1867, Bctr. Eins. des ADHGB. in die Herzogthümer Holstein und Schleswig (Preuß. Ges.-Samml. 1867 S. 1133). VIII. EG. vom 21. Oktober 1868, betr. die Eins. des ADHGB. im Herzogthum Lauenburg. b. Königreich Bayern: ^ I. EG. vom 10. November 1861 zum ADHGB. Gcs.-Blatt Nr. 25 vom 10. Februar 1862, S. 425 ff. II. Ausführungsgesetz vom 23. Februar 1879 zur Reichs-Civil-Prozeß-Ordnung und Kon­ kursordnung. Ges.-Bl. Nr. 9, S. 63 ff. III. Ausführungsgesetz vom 23. Februar 1879 zum Reichs-Gerichts-Verfassungs-Gesetz. Ges.-Bl. Nr. 15 S. 273 ff. IV. Gesetz vom 18. August 1879 über das Gebührenwesen. Ges.-Bl. Nr. 52 S. 903 ff. V. Königliche Verordnung, betr. die Bildung von Kammern für Handelssachen bei den Land­ gerichten, vom 2. September 1879. Ges.-Bl. Nr. 58, S. 1073 ff. c. Königreich Sachsen:-) I. EG. vom 30. Oktober 1861 zum ADHGB. Ges. u. VBl. 1861, Stück 14, S. 307 bis 311. II. Ausführungs-V. (zu I) vom 30. Dezember 1861. G. u V.-Bl. 1861, Stück 18, S. 559 bis 591. III. Gesetz, Bestimmungen zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 und über die Zuständigkeit der Gerichte in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit enthaltend, vom 1. März 1879. G. u. V.-Bl. 1879, Stück 4, S. 59 ff. d. Königreich Württemberg: I. EG. vom 13. August 1865 zum ADHGB. Reg.-Bl. 1865 Nr. 27, S. 211 ff. II. G., die Errichtung von Handelsgerichten und das Verfahren vor denselben betr. (Handels­ gerichtsordnung), vom 13. August 1865. Reg.-Bl. 1865 Nr. 28 S. 235ff. III. V., die Führung der Handelsregister betr., vom 31. Oktober 1865. Reg.-Bl. 1865 Nr. 40 S. 448 ff. IV. G. zur Ausführung der Civilprozeßordnung vom 18. August 1879. Reg.-Bl. 1879 Nr. 23 S. 173. e. Großherzogthum Baden: I. EG. vom 6. August 1862 zum ADHGB. Reg.-Bl. 1862 Nr. XL S. 337 ff. II. V. vom 3. Oktober 1862 über die Führung der Handelsregister. Reg.-Bl. 1862 Nr. L S. 469 ff. III. V. vom 3. Oktober 1862 über den Ansatz von Sporteln und den Gebrauch von Stempel­ papier. Reg.-Bl. 1862 Nr. L S. 489. IV. V. vom 3. Oktober 1862 über den Vollzug des Art. 33 des EG. vom 6. August 1862 (I). Reg.-Bl. 1862 Nr. L S. 490. V. Gesetz, die Einführung der Reichs-Justiz-Gesetze in Baden betr., vom 3. März 1879. Ges. u. Verordn.-Bl. 1879 Nr. X S. 91 ff. VI. Gesetz, die Einführung des Reichsgerichtskostengesetzes in Baden betr., vom 22. Februar 1879. G. u. V.-Bl. 1879 Nr. XV S. 179 ff. *) Die nachstehend genannten Bayerischen Gesetze sind großentheils abgedruckt bei Litt Hauer, Allg. Deutsches HGB., 7. Aufl., 1890, S. 536 ff. -) Vgl. I. Basch, Codex des Handelsrechts, 1879, S. 779 ff.

XII

Einleitung. f. Großherzogthum Hessen:

I. EG. vom 1. August 1862. Reg.-Bl. 1862 Nr. 34 S. 627-642. II. V. vom 9. Dezember 1862, die Führung der Handelsregister betr. Reg.-Bl. 1862 Nr. 41 S. 699. III. V. vom 22. September 1864, die Bestellung von Handelsmäkleru betr. Reg.-Bl. 1864 Nr. 32 S. 389—391, 392. IV. V. zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einf.-Ges. hierzu vom 14. Mai 1879. Reg.-Bl. 1879 Nr. 15 S. 197. V. V., die Ernennung der Handelsrichter betr., vom 14. Mai 1879. Reg.-Bl. 1879 Nr. 17 S. 221 ff. VI. Gesetz, die Ausführung der Deutschen CPrO. und Konk.-O. betr., vom 4. Juni 1879. Reg.-Bl. 1879 Nr. 20 S. 251 ff. VII. Gesetz, das Verfahren in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit betr., vom 5. Juni 1879. Reg.-Bl. 1879 Nr. 21 S. 309. VIII. V., die Gerichtskosten und Gebühren betr., vom 30. August 1879 und Gebührentarif m der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit. Reg.-Bl. 1879 Nr. 4 S. 594, Tarif S. 603 Ziff. 2 u. 3.

Jnhaltsverzeichniß. Seite Vorwort .......................................................................................... I (Einleitung..................................................................................................................................... VII Norddeutsches Eiusührungsgesetz vom 5. Juni 1869 ..................................................... VIII Uebersicht partikularer Einführungsgesetze $um ADHGB. und partikularer Ausfnhrnngsgesetze zur Neichsjustizgesetzgebnng...................................................... X Das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch........................ i Allgemeine Bestimmungen. Art. 1—3...................................................................... .... . 1 Erstes Buch. Vom Handelsstande. Art. 4— 84 13 Erster Titel. Von Kaufleuten. Art. 4—11............................................ ... 13 Zweiter Titel. Von dem Handelsregister. Art. 12—14 . . . 39 Dritter Titel. Von Handelsfirmen. Art. 15—27........................................................44 Das Neichsgesetz betreffend den Markenschutz, vom 30. November 1874 ..................... 74 Das Reichsgesetz betreffend die Löschung nicht mehr bestehender Firmen und Pro­ kuren im Handelsregister, vom 30. März 1888 ........................................................... 116 Vierter Titel. Von den Handelsbüchern. Art. 28—40 ...................................... 117 Fünfter Titel. Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten. Art. 41- 56................................................................................................................ 135 Sechster Titel. Von den Handlungsgehilfen. Art. 57 — 65 ........................... 167 Siebenter Titel. Von den Handelsmäklern oder Sensalen. Art. 66—84 . 177 Reichsgesetze betreffend die Erhebung von Reichsstempelabgaben..................................... 196 Zweites Buch. Von den Haudelsgesellschasten. Art. 85—249g..................................... 201 Erster Titel. Von der offenen Handelsgesellschaft. Art. 85—149 .....................201 Erster Abschnitt. Von der Errichtung der Gesellschaft. Art. 85 — 89 .......................... 201 Zweiter Abschnitt. Von dem Rechtsverhältniß der Gesellschafter unter einander. Art. 90 — 109 ................................................................................................................ 217 Dritter Abschnitt. Von dem Rechtsverhältnis; der Gesellschaft zu dritten Personen. Art. 110—122 236 Vierter Abschnitt. Von der Auflösung der Gesellschaft und dem Austreten einzelner Gesellschafter aus derselben. Art. 123—132 253 Fünfter Abschnitt. Von der Liquidation der Gesellschaft. Art. 133—145 . . . 265 Sechster Abschnitt. Von der Verjährung der Klagen gegen die Gesellschafter.. Art. 146—149

Inhaltsverzeichnis

XIV

Zweiter Titel. Von der Kommanditgesellschaft. Art. 150—206a .... Erster Abschnitt. Von der Kommanditgesellschaft im Allgemeinen. Art. 150—172 Zweiter Abschnitt. Von der Kommanditgesellschaft auf Aktien insbesondere. *) Art. 173—206 a................................................................................................

Seite 280 280 302.

Dritter Titel. Von der Aktiengesellschaft. *) Art. 207—249g...........................381 Erster Abschnitt. Allgemeine Grundsätze.*) Art. 207—215 d................................ 381 Zweiter Abschnitt. Rechtsverhältniß der Aktionäre.*) Art. 216—226 . . . 466 Dritter Abschnitt. Rechte und Pflichten des Vorstandes. *) Art. 227—241 . . 514 Vierter Abschnitt. Auflösung der Gesellschaft.*) Art. 242—248 ...................... 537 Vierter Titel. Strafbestimmungen.*) Art.249—249g...........................................547 Übergangsbestimmungen *)....................................................................................................... 557

Drittes Buch. Von der stillen Gesellschaft und von der Vereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften für gemeinschaftliche Rechnung. Art. 250—270 .... Erster Titel.

Von der stillen Gesellschaft.

Art. 250—265 ................................

Zweiter Titel. Von der Vereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften für gemeinschaftliche Rechnung. Art.266—270 ...................................................

Viertes Buch. Bon den Handelsgeschäften.

577

......................................

584

Erster Titel. Von den Handelsgeschäften im Allgemeinen. Art. 271—336 Erster Abschnitt. Begriff der Handelsgeschäfte. Art. 271—277 ........................... Zweiter Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte. Art. 278—316 Das Reichsgesetz betreffend den Wucher, vom 24. Mai 1880 ........................... Das Rcichsgesetz betreffend die vertragsmäßigen Zinsen, vom 14. November 1867 Dritter Abschnitt. Abschließung der Handelsgeschäfte. Art. 317—323 .... Vierter Abschnitt. Erfüllung der Handelsgeschäfte. Art. 324—336 .....................

584 584 605 625 626 668 681

Zweiter Titel. Vom Kauf. Art. 337-359 ........................................................... Dritter Titel. Von dem Kommissionsgeschäft. Art. 360—378 .......................... Vierter Titel. Von dem Speditionsgeschäft. Art.379 — 389 ................................. Fünfter Titel. Von dem Frachtgeschäft. Art. 390—431 ...................................... Erster Abschnitt. Von dem Frachtgeschäft überhaupt. Art. 390—42i .... Zweiter Abschnitt. Von dem Frachtgeschäft der Eisenbahnen insbesondere. Art. 422 bis 431 . . . ........................................................................................................

696 772 803 815 815

Fünftes Buch.

Dom Seehandel.

Art. 271—431

563 563

Art. 432—911 .............................................................

855 869

Erster Titel. Allgemeine Bestimmungen. Art. 432—449 ................................ 869 Gesetze, betreffend die Nationalität der Kauffahrteischiffe und ihre Befugnis; zur Führung der Bundesflagge...................................................................................... 873 Zweiter Titel. Vom Rheder und von der Rheder ei. Dritter Titel. Von dem Schisser. Art.478—527

Art. 450—477

.

.

.

901 929

(Vierter Titel. Von derSchiffsmannschaft.Art. 528—556)............................ 966 Statt dieses Titels: Seemannsordnung §§ 1—111........................................... 966 Fünfter Titel. Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern. Art. 557—664

985

Sechster Titel. Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden. Art. 665—679 ................................................................................................................

1066

Siebenter Titel.

1075

Von der Bodmerei.

Art. 680—701

...........................................

-*) nach dem Reichsgesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktien­ gesellschaften vom 18. Juli 1884, RGBl. 1884 S. 123.

Inhaltsverzeichnis

XV Seite

Achter Titel. Von der Haverei. Art. 702—741 ...................................................... 1090 Erster Abschnitt. Große (gemeinschaftliche) Haverei und besondere Haverei. Art. 702-735 ................................................................................................................. 1090 Die York and Antwerp Eules..................................................................................... 1093 Zweiter Abschnitt. Schaden durch Zusammenstoß von Schissen. Art. 736—741 . 1120 Neunter Titel. Von der Bergung und Hilfsleistung in Seenoth. Art. 742 bis 756 ........................................................................................................................... 1130 Zehnter Titel. Von den Schiffsgläubigern. Art. 757—781 ........................... 1144 Elster Titel. Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt. Art. 782—905 1164 Erster Abschnitt. Allgemeine Grundsätze. Art. 782—809 ...................................... 1164 Zweiter Abschnitt. Anzeigen bei dem Abschlüsse des Vertrags. Art. 810—815 . 1190 Dritter Abschnitt. Verpflichtungen des Versicherten aus dem Versicherungsverträge. Art. 816—823 1195 Vierter Abschnitt. Umfang der Gefahr. Art. 824—857 ........................................... 1200 Fünfter Abschnitt. Umfang des Schadens. Art. 858—885 ..................................... 1222 Sechster Abschnitt. Bezahlung des Schadens. Art.886—898 ................................... 1238 Siebenter Abschnitt. Aufhebung der Versicherung und Rückzahlung der Prämie. Art. 899—905 1246 Zwölfter Titel. Von der Verjährung. Art.906—911 ............................................. 1249 Alphabetisches Sachregister............................................................................................................... 1255

Druckfehler. S. 587 Anm. Zeile 4 von oben l: „Gg. Cohn" statt „H. Cohn". S. 674 Zeile 2 von unten: „nicht" statt „noch". S. 769 Zeile 10 von oben: „Stellgeschäft" statt „Stillgeschäft".

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch? Allgemeine Bestimmungen. Einleitende Kemerknngen;u Art. 1—3. 1. Unter der Ueberschrift „Allgemeine Bestimmungen" stellt das Gesetzbuch in den Art. 1—3 Zweierlei zusammen: erstens Regeln über die Tragweite und das Verhältniß von Rechts­ quellen untereinander (vergl. Bern. 2—5) und zweitens eine auf die Gerichtsverfassung bezügliche Jnterpretaüonsregel (vergl. Bern. 6). 2. Die ersteren sind von einer ganz außerordentlich großen Wichtigkeit, weil die LebenSverhältniffe, Beziehungen und Interessen, von denen der Handel erfüllt ist, als Verhältnisse und Interessen von Privatpersonen unter die Regeln des gewöhnlichen bürgerlichen Rechtes, z. B. des preußischen allgemeinen Landrechtes, des Code civil, des gemeinen (römischen) Rechtes ober der (im Gebiete des subsidiär geltenden letztgenannten Rechtes cm erster Stelle in Anwendung zu bringenden) Landrechte gestellt sind und durch diese Regeln rechtlich geschützt, zu Rechtsgütern erhoben und als solche normiert werden. Das Handelsgesetzbuch greift also in einen Lebens- und Jnteressenkreis hinein, welcher bereits allerorten eine rechtliche Regelung gefunden hat; allerdings ist dieser Eingriff insofern nichts Neues, als sich ja, wie die Geschichte des Handelsrechtes zeigt — s. oben in der Einleitung —, der vom Handelsgesetzbuche normierte Thätigkeits- und Jnter­ essenkreis seit Jahrhunderten überall da, wo sich der Handel besonders intensiv entwickelte und das gewöhnliche bürgerliche Recht den von diesem Thätigkeitsbereich an die Rechtsbildung gestellten Anforderungen nicht mehr gerecht werden konnte oder wollte, seine eigenen Rechtsregeln, sei es statutarisch, sei es gewohnheitsmäßig, gebildet und bewahrt hat; aber diese selbsterzeugten Normen des Handels erfassen kein einziges Lebensverhältniß vollständig, vergebens würde man in Para­ graphen irgend einer kommerziellen Kodifikation alter oder neuer Zeit die grundlegenden Defi­ nitionen von „Person" und „Sache", von „Vertrag" und „Willensakt", von ®auf*2), Dienst2) Die Abänderungen, welche dieses Gesetzbuch durch spätere Gesetze, namentlich durch die Gesetzgebung des Deutschen Reiches in Bezug auf die Aktiengesellschaften und Kommanditaktiengesellschaften, 1870 und 1884, auch durch die Justizgesetzgebung, 1877—79, |u. s. w. erfahren hat, sind in dem Texte des Gesetzbuches so aufgenommen, daß diese den Wortlaut des jetzt im Deutschen Reiche geltenden HGB. darstellt, und in Anmerkungen werden jene Abänderungen mit Angabe der Quelle als Neuerung kenntlich gemacht. 2) Vgl. RG. I. 58, wo hervorgehoben ist, daß das HGB. nicht bestimme, was Kauf sei, sondern die Beantwortung dieser Frage den bezüglich maßgebenden Landesrechten über­ lasse (— ROHG. II. 290, XIX. 262 —), diese bestimmen dann auch, ob die Verträge, welche die Lieferung einer erst anzufertigenden Sache zum Gegenstände haben, als Käufe gelten sollen. Vgl. auch RG. XIII. 17 und Gareis in Endemann's Handbuch §§ 258, 259 u. 264.

2

Allgemeine Bestimmungen.

miethe und Sozietas, vergebens darin die erschöpfende Entwickelung von Rechten und Pflichten aus den Handelsgeschäften u. s. w.

suchen;

es

bleiben

also

die

Thatbestände

des

Handels

einerseits doch unter der Herrschaft der gewöhnlichen bürgerlichen Rechte, Landrechte u. s. w., von denen die grundlegenden Begriffe und die Fülle der systematischen Normen entnommen werden — auch für die Handelssachen (vgl. unter Bem. 2 u. 10 zu Art. 1) —; andererseits aber erheischt das Bedürfniß nach gesonderter — fragmentarischer — Regelung gemäß den besonderen Rechlsanschauungen und wirthschaftlichen Verhältnissen des Handels kategorisch seine Befriedigung?) 3. welches

Dem Gesetzgeber entspringt hieraus die schwierige Aufgabe, einerseis: das Gebiet, für

die von den zuletzt erwähnten Anschauungen und Verhältnissen beherrschten besonderen

Rechtsgebilde (Spezial-Rechtssätze) gelten sollen, abzugrenzen gegenüber den hundertfältig damit verwachsenen Nachbargebieten der übrigen bürgerlichen Lebensverhältnisse (z. B. denen der Land­ wirthschaft, des Fabrik- und Handwerkswesens u. dgl.), andererseits: das Verhältniß festzu­ stellen, in welchem auf dem so abgegrenzten Gebiete die Sätze des wie gesagt nicht völlig auszu­ schließenden, sondern nur fragmentarisch in den Hintergrund gedrängten, übrigen,

d. h. gewöhn­

lichen, bürgerlichen Rechtes (der Landrechte u. s. w.) zu den Sätzen des Sonderrechtes des Handels stehen sollen. 4 Jene Gebiets-Abgrenzung nimmt der Gesetzgeber in Art. 1. einstweilen, d. h. vorbe­ haltlich eingehenderer Regelung in Art. 4, 271 ff., dadurch vor, daß er für „Handelssachen" Normen aufzustellen erklärt, und an die dadurch angedeutete Existenz eines besonderen Lebens- und Interessengebietes reiht er die Rang- und Reihenfolge der in Anwendung zu bringenden Quellen: 1) Deutsche Wechselordnung (anwendbar in allen Wechselsachen, auch wenn sie Handels­ sachen sind, Art. 2), 2) Handelsgesetzbuch (anwendbar in allen anderen Handelssachen zunächst, Art. 1), 3) Handelsgebräuche, 5.

4) Allgemeines bürgerliches Recht. Die Gebiets-Abgrenzung sowohl wie die Rechtsquellen-Rangordnung sind nicht besonders

glücklich getroffen, erstere formell zunächst insofern als der Begriff „Handelssachen" nicht direkt im Gesetze selbst angegeben ist, materiell aber insofern, als die Sphäre der Handelsgeschäfte nach der einen Richtung zu weit, nach der anderen zu wenig weit gegriffen ist (hierüber siehe unten Art. 4, Art. 271 ff.)*2); an der Nechtsquellen-Nangordnung aber fällt zunächst auf, daß der Gesetzgeber des Handelsgesetzbuches scheinbar auf die Geltung dieses Gesetzbuches selbst vergessen hat; er spricht in Art. 1 ausdrücklich blos von beit Füllen, für welche das Gesetzbuch keine Bestimmungen enthält, während

eine positive und direkte Aeußerung über die Anwendung des Handelsgesetzbuches —

z. B. analog dem § 3 des Reichsstrafgesetzbuches — doch gewiß der „Selbstverständlichkeit" und der negativen Hervorhebung eines Anwendungsgebietes vorzuziehen gewesen wäre. Sodann ist die Bezeichnung des Gewohnheitsrechtes durch „Handelsgebräuche" ungewöhnlich und unsicher (siehe Bem. G zu Art. 1), ebenso die des gewöhnlichen (d. h. nicht den Handel betreffenden) bürgerlichen Rechtes

*) Dasselbe Verhältniß zeigt auch das französische Recht, dessen Entwickelung für das deutsche Handelsgesetzgebungswerk von größter Bedeutung geworden ist. Lyon-Caen et Renault sagen darüber: A mesure que le commerce s’est developpe, on a senti la necessite d’avoir, pour les actes de commerce et les commerQants, des regles differant en certains points de celles admises pour les actes ordinaires et pour les non - commer^ants. L’ensemble de ces derogations a forme le droit commercial, qui n’est pas devenu par lä un droit absolument independant du droit civil et se süffisant a lui-meme. Le droit civil est reste applicable lä oü les besoins du commerce n’exigeaient pas qu’il füt modifie. Peu Importe, apres cela, qu’on dise que le droit commercial est un droit special, mais non pas un droit exceptionnel. Precis de droit commercial, Paris 1879, I., p. 25. 2) Es genüge in dieser Beziehung hier die Verweisung auf I. Rießer „Zur Revision des Handelsgesetzbuchs" I. Abth., Stuttgart 1887, S. 12 ff. (Beilagenheft zu Bd. XXXIII. der Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht) und hierüber s. Gareis in v. Kirchenheim's Central­ blatt für Rechtswissenschaft, Bd. VII, 1. Heft, Seite 21.

Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 1.

3

als „allgemeines Recht" ebenfalls ungewöhnlich (siehe Bein. 10 zu Art. 1), die unbestimmte Zurückdrängung künftigen Gewohnheitsrechtes aber juristisch iin höchsten Grade bedenklich (sieheBem. 15ff. ebenda). 6.

Die in Art. 3 aufgestellte Auslegungsregel findet in den „Allgemeinen Bestimmungen"

Unterkunft, weil sonst kein Raum für sie ui dem Rahmen des Gesetzbuches zu finden war; sachlich hat sie mit dem übrigen Inhalte der Allgemeinen Bestimmungen Nichts zu thun.

Artikel 1. Jir Handelssachen kommen, insoweit dieses Gesetzbuch keine Bestimmungell enthält, die Handelsgebräuche und in deren Ermallgelung das allgemeine bürger­ liche Recht zur Anwendung. In allen Entwürfen Art. 1. - Nnrnderger Protokolle S. 10-13, 884 ff., 4507 n. 5058 ff.

Jl n h a l t. Abgrenzung des Handels f. Einlcit. Bemerk. 3, 4/ 5; 3 ff, Allgemein, dreierlei Bedeutung dieses Wortes 8, 9, 10. Bürgerliches Recht: E. B. 4; 7, 11. Civilprozeß Ordnung 6. Code civil: E. B. 5 (u. Anm.), 10 (u. Anm.). Consuetudo legi contraria 11 ff. Derogierende Kraft des Gewohnheitsrechtes 5, 11, 15, 16. DiSpofitive Gesetzesbestimmungen 15, 16. Einführungsgesetze, partikul., 3. Gebräuche s. Handelsgebräuche. Gemeines Recht: E. B. 2, 8, 10. Gerichtsverfassung 3. Gewohnheitsrecht s. Handelsgebräuche. Grundbegriffe, civilistische E. B. 2. Händelsgebräuche: E. B. 5, 5, 6, ll, 17 — geri chte. E. B. 6,- 4 (s. auch Art. 3). — geschäfte 2 (s. unter Art. 271 ff.). — gesetzbuch. E. B. 2, 4, ll—13. — fachen: E. B. 4, 1, 3. — stand 2. Kauf: E. B. 2.

Kaufmann 1. Konsulargerichtsbarkeit 17. Kritik: E. B. 5; 4, 15—17 u. a, Landrechte: E. B. 2, 4; 7, 10, 17. Lieferungsgeschäfte.' E. B. 2. Opinio Juris seu necessitatis 6, 16 Parteienabsicht 5 (Anm.), 16. Partikulargesetzgebung 1, 3, 10. Flures actus 6. Preuß. Landrecht: E. B. 2 (u. Anm.), io. Prozessualer Begriff von Handelssachen l, 3. Prozeßrechte 3. Rangordnung der Rechtsguellen: E. B. 3, 4, ll. Richterliche Ermitttelung der Waaren 6. Schutzgebiete, deutsche 17. Stadtrechte 10. Spezialrechte E. B. 2 (u. Anm.). Ufa ge 5, 6, auch Handelsgebräuche. Usance 6, „ „ Usus 6, „ „ Verhältnisse der Rechtsguellen untereinander: E. B. 3, 4; ll. Wechselordnung, deutsche, E. B. 4 (auch Art. 2).

A. Der Begriff „Kandekssachen". 1.

Den Begriff „Handelssache", von dessen Ausdehnung die ganze Tragweite des Gesetz­

buchs abhängt, hat, wie sich aus den Nürnberger Protokollen S. 5058 ff. ergiebt, der Gesetzgeberabsichtlich nicht aufgestellt, sondern der Feststellung durch die Wissenschaft oder Praxis und' m gewisser — nämlich

prozessualer Richtung

— der Partikulargesctzgebung

überlassen.

Wissen­

schaftlich steht fest, daß durch eine bloße Aufzählung — auch Seitens der Partikillargesetzgebung — der Kreis der Handelssachen nicht hinreichend fixiert werden samt,1) daß aber das Handels­ gesetzbuch selbst die Anhaltspunkte für die Gewinnung einer dem Bedürfniß der Gesetzesinterpretation entsprechenden Definition dadurch geboten hat, daß es die Begriffe „Kaufmann" und „Handels­ geschäft" positiv (in Art. 4, 271 ff.) festgestellt hat. 2.

Mit Hilfe dieser Begriffe, auf welchen sich das sog. „gemischte System" der Feststellung

des Handelsbegriffes selbst aufbaut, gelangt man zu der Anerkennung, daß unter Handelssachen im Sinne des HGB. zu verstehen sind diejenigen

Privatrechtsverhältnisse,

welche

dem Handels stände



vergl. Art. 4 ff.

(Erstes Buch) und Art. 85 ff., Art. 150 ff., Art. 208 ff., Art. 250 ff., Art. 266 ff. (Zweites und Drittes Buch) — als solchem rechtseigenthümlich sind, und ferner diejenigen Rechtsverhältnisse, welche durch Handelsgeschäfte begründet oder den durch Handelsgeschäfte begründeten rechtlich gleichgeachtet werden — Art. 271 ff. (Viertes Buch) und Art. 432 ff. (Fünftes Buch) —2). *) Goldschmidt, HR. Bd. I, 2. Aufl. S. 477. 2) Vgl. hierüber Goldschmidt a. a. O. § 43 a.; Ende mann in dem von ihm heraus­ gegebenen Handbuch des Deutschen Handels-, Sec- und Wechselrechts, Bd. I S. 53 ff.; Behrend, Lehrbuch des HR. § 15; Thöl, HR. § 25; Puchelt, HGB. I S. 3; v. Hahn, HGB. S. 1; Gar eis, Kurzgef. Lehrbuch des HR. § 8.

4

Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 1.

3. Eine Anzahl von partikularen Einführungsgesetzen zum HGB. macht den Versuch, den Begriff „Handelssache" durch eine Aufzählung der als solche zu behandelnden Rechtsverhältnisse zu ersetzen, und zwar in der Regel zu dem Zwecke, die Kompetenz der Handelsgerichte oder die Anwendbarkeit merkantil-prozessualer Normen daran anzuknüpfen.

Vgl. Preußisches Einführungs­

gesetz zum HGB. vom 24. Juni 1861 Art. 2 (dessen Bestimmungen im Wesentlichen wiederkehren in Gerichtsverfassungsgesetze § 101, s. unten), Bayerisches Einf.-G. vom 10. November 1861 zun HGB.

Art. 61 ff., Sächsisches Ausführungsgesetz (zum

Einf.-G. vom 30. Oktober 1861) von

30. Dezember 1861, § 8, Württembergisches Einf.-G. vom 13. August 1865 zum HGB. Art. 3, Gesetz,

betr.

die Errichtung

von

Handelsgerichten

und

das

Verfahren

vor

denselben,

von

13. August 1865, Art. 20, Hessisches Einf.-G. vom 1. August 1862, Art. 36, 37 u. ci. Aus diesen Bestimmungen kann sich ein Prozeß rechtlicher Begriff von Handelssachen — quaestiones mercantiles im prozessualen Sinne — ergeben, neben dem materiell-handels­ rechtlichen Begriffe derselben, wie er aus dem Gesetzbuche konstruktiv zu entnehmen ist, aber diese beiden Begriffe dürfen nicht verwechselt werden; sie sind nicht identisch und das Handelsgesetzbuch kann

weder

durch Partikulargesetze

in

dieser Richtung

ergänzt

(denn

die

Ergänzung

würde

eine Abänderung sein, und das HGB. sagt auch nicht: Handelssache sei, was die Partikulargesetze oder Prozeßrecht darunter verstehen), noch auch durch ein späteres, bloß den prozessualen Begriff der Handelssachen berührendes Reichsgesetz abgeändert werden.

Letzteres gilt von dem Verhältniß

des HGB. zum Gerichtsverfassungsgesetze, welches in § 101 sagt: „Vor die Kammern für Handelssachen gehören nach Maßgabe der folgenden Vorschriften diejenigen den Landgerichten in erster Instanz zugewiesenen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch die Klage ein Anspruch: 1.

gegen einen Kaufmann (Art. 4 des Handelsgesetzbuchs) aus Geschäften, welche auf Seiten beider Kontrahenten Handelsgeschäfte (Art. 271—276 des Handelsgesetzbuchs) sind;

2.

aus einem Wechsel im Sinne der Wechselordnung;

3.

aus einem der nachstehend bezeichneten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird: a) aus

dem Rechtsverhältnisse

zwischen den

Mitgliedern

einer. Handelsgesellschaft,

zwischen dem stillen Gesellschafter und dem Inhaber eines Handelsgewerbes, zwischen denTheilnehmcrn

einer Vereinigung

zu

einzelnen Handelsgeschäften

oder

einer

Vereinigung zum Handelsbetriebe (Art. 10 des Handelsgesetzbuchs), sowohl während des Bestehens als nach Auflösung des geschäftlichen Verhältnisses,

sowie aus dem

Rechtsverhältnisse zwischen den Liquidatoren oder den Vorstehern einer Handels­ gesellschaft und der Gesellschaft oder den Mitgliedern der Gesellschaft; b) aus

dem Rechtsverhältnisse,

welches das

Recht

zum

Gebrauche

der

Handels­

firma betrifft; c) aus den Rechtsverhältnissen, welche sich

auf den Schutz der Marken, Muster und

Modelle beziehen; d) aus

dem Rechtsverhältnisse,

welches durch

die

Veräußerung

eines

bestehenden

Handelsgeschäfts zwischen den Kontrahenten entsteht; c) aus dem Rechtsverhältnisse zwischen dem Prokuristen, dem Handlungsbevollmächtigten oder Handlungsgehülfcn und dem Eigenthümer der Handelsniederlassung, sowie ans dem Rechtsverhältnisse zwischen einer dritten Person und demjenigen, welcher ihr als Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter

aus

einem Handelsgeschäfte

hastet

(Art. 55 des Handelsgesetzbuchs); f) aus dem Rechtsverhältnisse, welches aus den Berufsgeschäften des Handelsmäklers im Sinne des Handelsgesetzbuchs zwischen diesem und den Parteien entsteht; g) aus den Rechtsverhältnissen des Seerechts, insbesondere aus denjenigen, welche auf die Rhederei, die Rechte und Pflichten des Rheders, des Korrespondentrheders und der Schiffsbesatzung, auf die Bodmerei und die Haverei, auf den Schadensersatz im Falle des Zusammenstoßens von Schiffen, auf die Bergung und Hülfeleistung in Seenoth und auf die Ansprüche der Schiffsgläubrger sich beziehen."

Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 1.

5

4. Die obigen Erwägungen zeigen, daß die Auffassung des ROHG. (Bd. XI S. 150), wonach unter Handelssachen diejenigen Rechtsverhältnisse zu verstehen seien, welche nach den Grund­ sätzen des Handelsrechtes zu beurtheilen sind und in Streitfällen der Regel nach den Kompetenzen des Handelsgerichtes unterliegen, nach keiner Richtung haltbar ist; es ist eine petitio principii oder eine Tautologie, wenn man sagt: HR. muß auf diejenigen Rechtsverhältnisse angewandt werden, welche Handelssachen sind, Handelssachen aber sind diejenigen Rechtsverhältnisse, auf welche HR. anzuwenden ist; und die Kompetenz der Handelsgerichte ist in keiner Weise bestimmend für die dem HGB. zu Grunde liegende Auffassung der Handelssachen.

B. Die Kandelsgevrauche. 5. Unter „Handelsgebräuchen" ist in Art. 1 Handelsgewohnheitsrechtzu verstehen, also Rechtsnormen, welche begrifflich Gebote oder Verbote sind, und im Gegensatze stehen zu den im Art. 279 erwähnten „Gewohnheiten und Gebräuchen", welch' letztere die „üblichen naturalia negotii", also das der Gewohnheit nach zu vermuthende Gewollte oder Willensresullat der handelnden Personen, nicht aber Rechtsnormen bedeuten *). ROHG. VI. 398—373, VII. 11, VIII. 255, XVII. 368. 6. Die Handelsgebräuche in dem hier (Art. 1) unterliegenden Sinne von Gewohnheits­ rechtssätzen, für welche auch die unsicheren, weil auch auf die Vertragsgewohnheiten angewandten Bezeichnungen: Usancen oder Usus vorkomlnen (s. ROHG. XII. 287, XVI. 37), bedürfen zu ihrer Entstehung und Nachweisung aller derjenigen Elemente und Requisite, welche zur Ent­ stehung und Nachweisung vom Gewohnheitsrecht überhaupt erforderlich finb*2); es genügt also nicht etwa bloß die Ueberzeugung von der Nechtsnothwendigkeit (opinio Juris seu necessitatis) von Dem, was im einzelnen Falle als Recht zu betrachten sei, sondern diese Ueberzeugung muß auch bereits ihren Ausdruck in der faktischen Uebung (plures actus) gefunden haben: es giebt kein ungeübtes Gewohnheitsrecht. ROHG. IX. (8) 23, 253). Ueber die Voraussetzungen der Gewohnheitsrechtsbiloungen und das Erkennen derselben s. Endemann im Hdbch. Bd. I S. 42 ff. In Bezug auf die richterliche Ermittelung des Gewohnheitsrechtes gilt jetzt § 265 der Deutschen Civilprozeßordnung: „Das in einem anderen Staate geltende Recht, die Gewohn­ heitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gerichte unbekannt sind. Bei Ermittelung dieser Rechtsnormen ist das Gericht ans die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, ciutf) andere Erkenntnißquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen." (Vgl. RG. I. 270 und die dort angegebenen Entscheidungen des ROHG.)

C. Jas allgemeine bürgerliche Recht. 7. Die Erwähnung des allgemeinen bürgerlichen Rechtes als Rechtsquelle des Art. 1 läßt direkt darauf schließen, daß sich der Begriff Handelssachen nur auf privatrechtliche Lebensverhält­ nisse beziehen darf (s. oben S. 1) und daß sich das ganze Gesetzbuch nur mit Privathandels- oder Handelsprivat-Recht, nicht mit öffentlichem, z. B. Staatsverwaltungs-Rechte, welches sich selbstver*) Siehe hierüber Lab and in Goldschmidt's Zeitschrift, Bd. XVII S. 466. — Die moderne französische Doktrin scheint unter „usage“ nur Letzteres, nicht aber objektive Rechts­ normen zu verstehen. „La force de l’usage vient surtout, comme nous l’avons explique (p. 27—28), de la volonte tacite des parties; eile doit donc cesser la ou cette volonte exprimee serait sans esset. C’est ainsi qu’il saut ecarter tout usage qui serait contraire a l’ordre public ou aux bons moeurs ou ä une disposition expresse de la loi (arg. art. 6 C. civ.).u So Lyon-Caen et Renault a. a. O. I. p. 29. 2) Hierüber s. die klaren, den ganzen Stand der heutigen Doktrin vom Gewohnheitsrecht darstellenden Erörterungen von B ehr end, Lehrbuch des HR. § 18 S. 79, 80. 3) Vgl. Windscheid, Pand. § 15 Anm. 2: „Die nicht geübte Rechtsüberzeugung ist nicht Recht." — Ebenda s. auch die Literatur über die alte Streitfrage von der Entstehungsform des Gewohnheitsrechtes. — Goldschmidt a. a. O. § 35.

6

Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 1.

stündlich auch auf Handelssachen (z. B. politische Handelsverträge, Errichtung von Handelskonsu­ laten u. s. w.) bezieht, beschäftigt. 8. Das Wort „Allgemein" kommt in den ersten Zeilen des HGB. dreimal vor, jedesmal in einem anderen Sinne: a) in der Beziehung des Gesetzbuches als „Allgem. Deutsches HGB." bedeutet es den Gegensatz einerseits zu den aus einer einzigen Quelle für mehrere Rechts­ oder Staatsgebiete entspringenden gemeinen Rechten und andererseits (und hier vorzugsweise) die Gemeinsamkeit und inhaltliche Gleichheit der Normen für eine Mehrheit von Staaten, von welchen jeder den gemeinsam berathenen Entwurf auf dem Wege seiner Partikulargesetzgebung zum Gesetze für sich erhoben hat, woraus allgemeines, d. h. ein durch die Uebereinstimmung partikularer Rechte entstandenes gemeinsames Recht geworden ist. Nachdem nunmehr die Reichsgesetzgcbung absolut gemeines Recht für das Deutsche Reich schafft und das HGB. zum Reichsgesetze erhoben wurde, hat die Bezeichnung „ADHGB." nur mehr eine „historische Bedeutung". 9. b) In der Überschrift „Allgemeine Bestimmungen" bedeutet „Allgemein" lediglich den Gegensatz zu den besonderen Bestimmungen der einzelnen (übrigen) Titel des Gesetzbuches, von denen jeder den besonderen Inhalt des unter ihm stehenden Abschnittes mit einem Schlagworte überschriftlich andeutet. 10. c) Im Zusammenhange des Art. 1 endlich bedeutet „Allgemein" den Gegensatz zu dem dem Handel dienenden und seine speziellen Interessen schützenden besonderen Rechte, dem Handels­ rechte, das jus civile commune — und zwar gleichviel ob geschriebenes oder ungeschriebenes Recht (Prot. S. 885) — int Gegensatze zum jus speciale oder singulare der Handelssachen. Es ist also unter dem allgemeinen bürgerlichen Rechte zu verstehen: 1. im Gebiete des Preußischen Landrechtes dieses und die unter ihm bestehenden Partikularrechte (Provinzialrechte rc.), 2. im Gebiete des Französischen Civitrechtes der Code civil1), 3. im Königreich Sachsen dessen bürgerliches Gesetzbuch, ebenso 4. in Oesterreich das hier geltende und 5. in den Ländern des gemeinen (römischen) Rechtes dieses subsidiär und die Partikular­ rechte primär, wie die Rechtsparömie sagt: „Willkür bricht Stadtrecht, Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemeines Recht". Die grundlegende Bedeutung dieser Rechte für die Begriffe der Rechtsgeschäfte, auch die des HR. s. oben S. 1 Zifs. 2 die ebenda (Anm. 2) angeführte E. d. R. G. I, 58.

D.

Nangrrerhattrüß der Rechtsnormen und die Streitfrage von der

consuetudo legi contraria.

11. Das gewöhnliche bürgerliche Recht, wie es in den Landrechten u. s. w. enthalten ist, kann, wie schon oben unter Ziff. 4 der eint. Bem. angedeutet wurde, nach Art. 1 zur Beantwortung irgend einer konkreten Rechtsfrage in Handelssachen nur dann angewandt werden, wenn weder das Handels­ gesetzbuch noch das Handelsgewohnheitsrecht ausreichende Bestimmungen für Beantwortung dieser Frage enthalten. Vgl. ROHG. XIII. 184, XIX. 58, 61, XXI. 375, RG. VII. 77. Das Handelsgewohnheitsrecht aber ist nur dann in Anwendung zu bringen, wenn das HGB. selbst keine genügende Norm für das in Betracht kommende Rechtsverhältniß aufzuweisen hat. 12. In erster Linie ist demnach, wie auch das Reichsgericht wiederholt und ausdrücklich sagt, vergl. z. B. IX. 359, das Handelsgesetzbuch selbst zu befragen^) und seine Norm durch­ zuführen. 13. Es gibt jedoch eine außerordentlich große Menge von Fällen, worüber das HGB. keine Verfügung trifft, die Usance aber normierend eingegriffen hat und angewandt werden muß; vgl. *) Vgl. die vom RG. der Vertragsinterpretation zu Grunde gelegten Art. 1110, 1135, 1184 des Code civil in Fällen der Entlassung von Vorständen einer Aktiengesellschaft. Art. 227. RG. VII. 77. 2) So hat das RG. I. S. 37 auch angenommen, daß das kaufmännische Zurückbehaltungs­ recht nach Art. 315 vom Konkursrechte (Preuß. KO. § 264) nicht alteriert werde.

Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 1.

7

z. B. den Rechtssatz: „Wer in das bestehende Geschäft eines Einzelkaufmannes als Gesellschafter eintritt, haftet für die vorhandenen Geschäftsschulden, falls er deren Uebernahme den Gläubigern gegenüber erklärt hat,"

RG. VIII. 65, ferner die Beurtheilung kaufmännischer Empfehlungen

ROHG XI. (124) 411, die Rügepflicht im Plahgeschäfte*), die Bedeutung des Verzugs ROHG. VII. (58) 227, die Rechtsfolge der Dispositionsstellung ROHG. VII. (1), 7, die Börsengeschäfte, die Versicherungsgeschäfte, zahlreiche Bankgeschäfte (s. u.).

Das Usancenrecht kann als über den

Begriff entscheidend zur Anwendung gebracht werden müssen, wenn zwar Einzelheiten im Rechts­ geschäfte, nicht aber dessen Begriff selbst vom HGB. festgestellt ist.

ROHG. III. 1, 408.

14.

Das Handelsgewohnheitsrecht ist als objektives Recht auch dann bindend und maß­ gebend, wenn die Betheiligten oder einer derselben es nicht gekannt hat (error Juris nocet) ROHG. VII. (1) 11, XVII. 497; dieser Satz muß auch in Bezug auf ausländisches Gewohn­ heitsrecht angenommen werden, ohne daß man jedoch davon ausgehen dürfte, daß Art. 1 Bestim­ mungen über die Rangordnung

ausländischer Nechtssähe enthielte.

Vom Handels- oder Civil­

recht des Auslandes aber spricht Art. 1 überhaupt nicht; die Anwendung fremder Rechte hängt von anderen Grundsätzen (nämlich vom internationalen Privatrechte, oder von persönlicher Sub­ jektion, oder von internationalen Vereinbarungen) ab; ein nach diesen Grundsätzen anzuwendender ausländischer Gesetzes- oder Gewohnheitsrcchtssatz kann selbstverständlich im Widerspruch stehen mit allen Arten deutschen Rechtes, von denen Art. 1 spricht. ROHG. VII. 6 ff. 20, VIII. 12, XVII. 167.

15. Nach dem Wortlaute des Art. 1 ist anzunehmen, daß das Gesetz dem Handelsgewohnheitsrechte jede derogierende Wirkung gegenüber gesetzlichen Bestimmungen versagt '); denn Handels­ gebräuche sollen nach Art. 1 nur insoweit in Anwendung kommen, als das Gesetzbuch keine Be­ stimmungen enthält. Diese das Gewohnheitsrecht nach der unzweideutigen Absicht der Gesetzgebung im Interesse der Rechtseinheit und der Stabilität derselben zurückdrängende Herrschaftsmaßregel der Legislative erreicht ihren Zweck vollkommen, insoweit es sich um das zur Zeit der Gesetz­ gebungshandlung, welcher das HGB. seine Kraft verdankt, bereits bestehende lokale oder auch allgemeine Gewohnheitsrecht handelt. Wie verhält es sich aber mit der künftigen (bezw. der jetzt etwa schon vorhandenen neuen) Gewohnheitsrechtsbildung? Erforscht man die Absicht des Gesetz­ gebers, so ist gar kein Zweifel, daß dieselbe dahin ging, daß auch die in Zukunft sich bildenden Handelsgebräuche nicht die Kraft haben sollen, dem HGB. wider dessen Willen zu widersprechen. (Vgl. Nürnb. Prot. S. 13, 884, 885 und die Darstellung der Verhandlungen in Goldschmidt's HR. § 36, Anm. 17). Ihren Grund hat diese Festsetzung, wie Goldschmidt HR. Bd. II. S. 362 bemerkt, „nicht sowohl in der überwundenen Ansicht, daß prinzipiell das Gewohnheitsrecht dem Gesetzesrechte nachstehe, als in dem Streben, die mühsam errungene Rechtsgewißheit und Rechts­ einheit gegen partikuläre Abweichungen auch da zu sichern, wo dieselben unter dem Scheine allge­ meinen oder gemeinen Gewohnheitsrechtes auftreten sollten." Der Streit über die consuetudo legi contraria ist daher denn auch, soweit es sich um die Auslegung von Art. 1 des HGB. handelt, von der herrschenden Lehre wie von der Praxis — ROHG. Bd. VI. S. 370, Bd. XI, S. 243 — dahin entschieden, daß einem Handelsgewohn­ heitsrechtssatze, welchem eine, wenn auch nur dispositive Vorschrift des HGB. widerspricht, gar keine Geltung zukommen kann; ein solcher Satz kann, sagt man, gegenüber den Bestimmungen des Gesetzbuches gar nicht bestehend.

16. Trotz der großen Bestimmtheit, mit welcher diese Ausschließung der consuetudo legi contraria ausgesprochen wird, sind doch Bedenken gegen diese geltend zu machen; zunächst verliert sie gerade in den Fällen, in welchen das Gesetz dispositive (also nicht zwingende, sondern nur präsumierende Auslegungs-) Regeln aufstellt, nicht ihre Richtigkeit, wohl aber ihre praktische

*) 2) 3) Anm. 32

Gareis, Lehrb. § 59, Anm. 69, s. die dort cit. Lit. So verhält es sich auch nach französischem Rechte, s. oben Bem. 5 und Anm. 1, S. 5. Die bedeutende Literatur dieser Frage s. Endemann im Handbuch des HR. § 10, (Bd. I. S. 45).

8

Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 1. 2.

Bedeutung; z. B. gegen den. Satz des Abs. 2 des Art. 291: „Der Rechnungsabschluß geschicht jährlich einmal" kann sich sehr

wohl ein Gewohnheitsrecht

nungsabschluß halbjährlich zu erfolgen hat.

dahin gehend

bilden,

daß der Rech­

Nun wird die Behauptung von der unumstößlicher

Kraft des Gesetzes in diesen und in ähnlichen Fällen allerdings dadurch gerettet, daß man sagt, dem Gesetze wird in solchen Fällen nicht derogiert, sondern nur die Anwendbarkeit, wie ja gesetzlich zugelassen, entzogen, dadurch, daß eben nicht eine unsichere Willenserklärung oder gar der Mangel jeder Willensmeinung vorliegt, indem eine bestimmte von dem Dispositionsgesetze allerdings ab­ weichende, dieses aber nicht aufhebende,

sondern nur im

gelangen lassende Parteienabsicht nachweisbar sei.

konkreten Falle

nicht zur Anwendung

Es begreift sich aber, daß durch die unzweifrlder

in der

Dispositivbestimmung des Gesetzes liegenden Präsumtion des Gesetzes widersprochen wird.

haft gebotene Zulassung einer neuen Präsumtion Dessen,

was die Parteien wollten,

Weiter

reicht aber das Bedenken, welches sich an die heutige Lehre von der gleichen Energie der Gewohn­ heit und des Gesetzes anschließt.

Wenn wirklich, wie Goldschmidt S. 362 a. a. O. sagt, die

Ansicht, daß prinzipiell das Gewohnheitsrecht dem Gesetzesrechte nahstehe, heutzutage überwunden ist, wie kommt es, daß sich gegen ein Gesetz zwar neue gesetzliche Bestimmungen (z. B. gegen das HGB die Aktiennovellen vom 11. Juni 1870 und vom 18. Juli 1884), nicht aber neue Gewohn­ heitsrechtssätze erheben dürfen?

Es ist rechtsphilosophisch,

logisch,

ganz unzweifelhaft,

daß ein

Gesetzgeber die künftige Usancenbildung ebensowenig ausschließen und abschneiden kann, als künftige gesetzgeberische Neubildungen. Tritt eine solche usuelle Neubildung ein, dann enthält eben insoweit das Gesetzbuch, wie Art. 1 auch supponiert, keine (giltigen) Bestimmungen mehr.

Aber während

dem vorangestellten ersten Bedenken die Praxis nothwendig zu Hilfe kommt, steht die Praxis den Konsequenzen dieses zuletzt erhobenen zweiten Bedenkens nothwendig entgegen:

thatsächlich wird

durch das vom Gesetze ausgesprochene Verbot der consuetudo legi contraria die Bildung einer solchen consuetudo bedeutend erschwert,

weil

sich einem solchen Verbote gegenüber

die

opinio

juris seu necessitatis, welche zur Entstehung jeden Gewohnheitsrechtes gehört, nur sehr schwer bilden und durchsetzen kann.

17.

Eine andere Rangordnung ist zu Gunsten lokaler Usancen für Konsulargerichts­

bezirke (über diese und deren Organisation s. bei Gareis, Institutionen des Völkerrechts 1887 § 47 S. 121 ff., § 48 S. 123 ff., § 50 S. 146 ff.) und deutsche Schutzgebiete

(über

deren

Rechtsverhältnisse und Ausdehnung s. Gareis, Institutionen des Völkerrechts 1887, § 51 S. 130 ff.) eingeführt; in diesen kommt nämlich bezüglich aller Handelssachen in erster Linie, also vor dem deutschen Handelsgesetzbuche selbst, das in dem betreffenden Bezirke geltende Handelsgewohnheitsrecht in Anwendung, dann erst die übrigen in Art. 1 genannten Rechtsnormen, wobei als „allgemeines bürgerliches Recht" die Reichsgesetze, das preußische allgemeine Landrecht und die das bürgerliche Recht betreffenden allgemeinen Gesetze derjenigen preußischen Landestheile, in welchen das Allge­ meine Landrecht Gesetzeskraft hat,

zu gelten haben.

(RG. über die Konsulargerichtsbarkeit, vom

20. Juli 1879, § 3, RGBl. 1879 S. 197, ferner RG. betr. die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete, vom 17. April 1886, § 2, RGB. 1886 S. 75.)

Artikel 2. An den Bestimmungen der deutschen Wechsel - Ordnung wird durch dieses Gesetzbuch nichts geändert. Fehlt in Pr. Guttu. «. Guttu. I.

Guttu. II. S. Art. 2. - »fmib. Pr«t. S. 451, 884, 4508. Anhalt.

A. D. W. O. 1. Derogierende Kraft 2.

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Lex specialis 2. Nürnberger Novellen 3.

1. Der Text der „Allgemeinen Deutschen Wechselordnung" ist hervorgegangen aus kommissionellen Berathungen, welche, von der Mehrzahl der deutschen Staatsregierungen beschickt, im Jahre 1847 in Nürnberg stattfanden.

Dieser Text ist alsdann — schon in den Jahren 1848 bis

1850 — auf dem Wege der Partikulargesetzgebung in den deutschen Einzelstaaten als Gesetz zur

Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 2. 3.

9

Einführung gelangt. Im Jahre 1869 wurde diese Wechselordnung Bundesgesetz des Norddeutschen Bundes, im Jahre 1871 Reichsgesetz (s. BGBl. 1869 S. 382; 1871 S. 63, 65.) 2. Durch obigen Art. 2 ist die W. O. als lex specialis erklärt, in Bezug auf welche dem HGB. keine derogierende Kraft zukommen soll (lex posterior generalis non derogat legi priori speciali). Es findet also auch in solchen Fällen, in welchen die Ausstellung oder sonstige Begebung eines Wechsels ein Handelsgeschäft wäre (z. B. nach Art. 272 Ziff. 2 oder Art. 273 Abs. 1) und nach dem HGB. eine von der WO. abweichende Bestimmung zur An­ wendung gelangen sollte, nicht diese, sondern die WO. Anwendung. Vgl. z. B. Art. 77 der WO. mit Art. 146 des HGB.; Art. 93 der WO. mit Art. 328 und 334 des HGB.; Art. 94 der WO. mit Art. 317 des HGB. 3. Den Bestimmungen der WO. sind die der Nürnberger Novellen zur WO. gleich zu behandeln.

Artikel 3. Wo dieses Gesetzbuch von dem Handelsgerichte spricht, tritt in Ermangelung eines besonderen Handelsgerichts das gewöhnliche Gericht an dessen Stelle. Pr. E„tw. Art. 974, E„tw. I. L. > t. II. L. - Protokolle S. 22, 4509. 3 « I) a l t. Amtsgerichte 6, 10, 12—17. Baden, Grotzherzogthum 16. Bayern 13. Bremen 18. Bundesoberhandelsgericht 3. Cöln a. Rh. 12. Deutsche Staaten iS. Elsab-Lotbringen 18. Freiwillige Gerichtsbarkeit 9—17. Gerichtsbarkeit, freiwillige 9—17. — streitige 6—8. Gilden l. Gildegerichte l. Hamburg 18. Handelsgerichte tut Mittelalter l. — nach dem HGB. 2, 12—17. — nach den Reichsjustizgesetzen 2 ff., 6, 7, 9, 10. Handels regi st er s. freiwillige Gerichtsbarkeit. Hessen, Grotzherzogthum 17.

Kammern für Handelssachen 7, 12 ff. Land recht für freiwillige Gerichtsbarkeit 11—17. Landgerichte 6, 7, 12 ff. Lübeck 18.

Merkantil schiedsge richt 13. Norddeutscher Bund 3. Nürnberg 13. Oberlandesgerichte 6. Oberstes Handelsgericht 3, 4. Preußen 12. Prozeßakten 8. Reichsgericht 4, 6. Reichsobe rhandelsgericht 3, 4. Reichs recht für freiwillige Gerichtsbarkeit 9, 10 — für streitige Gerichtsbarkeit 6, 7, 8. Sachsen, Königreich 14. Streitige Gerichtsbarkeit 6—8. Verfahren 8, 10. Württemberg 15.

1. Den ständischen und genossenschaftlichen Einrichtungen des Mittelalters entsprechend hatten die Kaufleute in Italien, Frankreich und Deutschland überall da, wo sich ein besonderer Kaufmannsstand gebildet hatte, dessen Mitglieder in Gilden, Kaufmannsinnungen, kaufmännischen Zünften u. dgl. vereinigt waren, ihre eigene, bis in das zwölfte Jahrhundert zurückreichende Gerichtsbarkeit; Gildegerichte oder mit Kaufleuten ganz oder theilweise besetzte Stadtgerichte fungierten kraft der Privilegien oder der Autonomie der Städte oder Korporationen als Handels­ gerichte; unter ihrem Einflüsse konnte sich das kaufmännische Usancenrecht, das Handelsrecht überhaupt, in seiner Eigenart entwickeln. Die Rechtszersplitterung konnten diese Gerichte jedoch nicht verhindern, theilweise durch sie, theilweise aber durch das Erstarken der Staatsgewalt und die damit zusammenhängende Ausdehnung und Ausbildung der staatlichen Gerichtsbarkeit ging die Gildejurisdiktion größtentheils unter. 2. Zur Zeit der Entstehung des ADHG. bestanden nur noch vereinzelt Reste der früheren Eigengerichtsbarkeit der Kaufleute; man glaubte aber damals vielfach in dem Bestehen der be­ sonderen Handelsgerichte ein werthvolles Element für die zeitgemäße Durchführung der einheit­ lichen Handelsrechtsordnung erblicken zu müssen, während allerdings zahlreiche Andere der ent­ gegengesetzten Ansicht waren. Schließlich ließ man die Frage nach der Berechtigung oder Noth­ wendigkeit besonderer Handelsgerichte im Gesetzbuche unentschieden (s. Art. 3) und dieselbe Unentschiedenheit hat auch 20 Jahre später noch — bei der Feststellung der Reichsjustizgesetze — zu der unten (Bem. 7, 12 ff.) erwähnten fakultativen Einrichtung von Kammern für Handels­ sachen geführt.

10

. Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 3.

3. Aber schon bei der Einführung des HGB. auf dem Wege der Partikulargesetzgebungen gelangte vielseitig die Anschauung zum Durchbruche, daß die Einheit des Rechtes in Handelssachen nur dann andauern werde, wenn die dieselbe bedrohenden Meinungsverschiedenheiten in der Jntrrpretation des Gesetzbuches paralysiert würden durch die Autorität eines gemeinsamen überfielt Gerichtshofes, dessen Rechtssprechung sowohl die Einheit konservierend als auch die Weit.'rentwickelung des Rechtes fördernd wirken solle. Einen solchen Gerichtshof schuf die Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes durch das Bundesgesetz vom 12. Juni 1869, betr. die Errichtung eines obersten Gerichtshofes für Handelssachen: Das Bundes-Oberhandelsgericht zu Leipzig, seit dem 2. September 1871 Reichs-Oberhandelsgericht genannt. Dieser Gerichtshof fungierte ca. 10 Jahre lang nicht bloß als das oberste Tribunal Deutschlands in Handelssachen, sondern auch in manchen anderen durch die Reichsgesetzgebung ihm, als dem thatsächlich bestehenden höchsten Gerichtshöfe des Reiches, zugewiesenen Angelegen­ heiten; zahlreiche prinzipielle Entscheidungen verdankt das HGB., die sich mit diesen beschäftigende Theorie und Praxis, diesem Gerichtshofes. 4. Die Reichsjustizgesetzgebung des Jahres 1877, in Wirkung seit 1. Oktober 1879, hob diesen Gerichtshof formell auf, — er erweiterte sich zum Reichsgerichte. Die am 1. Oktober 1879 am ROHG. anhängigen Rechtsstreitsachen sind in derselben prozessualen Lage, in welcher sie sich an jenem Tage befanden, an das Reichsgericht übergegangen. 5. Nach dem heutigen Stande der deutschen Handelsgesetzgebung ist die Voraussetzung, von welcher Art. 3 ausgeht, daß nämlich in einem Staate keine besonderen Handelsgerichte be­ stehen, allgemein eingetreten: mit der Wirksamkeit der Reichsjustizgesetze (1. Oktober 1879) giebt es im Deutschen Reiche keine besonderen Handelsgerichte mehr; es sind demnach zur Ausübung der Handelsgerichtsbarkeit die gewöhnlichen Gerichte berufen. 6. Die streitige Gerichtsbarkeit in Handelssachen steht nämlich ordentlichen Ge­ richten, also den Amts-, Land- und Oberlandesgerichten und dem Reichsgerichte nach Maßgabe des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich zu. 7. Bei den Landgerichten können gemäß den Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesehes §§ 100—118, vgl. auch oben Art. 1 Bem. Ziff. 9 — nach dem Ermessen der Justizverwaltung der einzelnen deutschen Bundesstaaten — besondere Senate für Handelssachen („Kammern für Handels­ sachen") errichtet werden; die Kompetenz dieser Kammern bestimmt das Gesetz (§ 101 des Gcrichtsverfassungsgesetzes, abgedruckt oben zu Art. 1 Bem. 3 S. 4). 8. Das Verfahren in handelsgerichtlichen Streitigkeiten ist in der Regel und Hauptsache dasselbe wie in anderen bürgerlichen Streitsachen; insbesondere sind neben dem ordentlichen Ver­ fahren auch abgekürzte und außerordentliche Prozeßarten anwendbar, z. B. der Rechnungsprozeß (CPO. §§ 313 ff.), der Urkundenprozeß (ebenda §§ 555 ff.), das Mahnverfahren (ebenda §§ 628 ff.), das Arrestverfahren (ebenda § 796), die Amortisation (ebenda §§ 823 ff.), Schiedsrichterliches Ver­ fahren (ebenda §§ 851 ff.). Eine Eigenthümlichkeit besteht nur insoferne, als die Einlassungsfrist , welche im gewöhnlichen landgerichtlichen Verfahren mindestens einen Monat betragen muß, im Verfahren vor Kammern für Handelssachen mindestens 2 Wochen, in Meß- und Marktsachen aber, gleichviel wo dieselben verhandelt werden, mindestens 24 Stunden betragen muß (EPO. §§ 234, 459), ferner daß die CPO. (§ 30) einen besonderen Gerichtsstand des Meß- und Marktortes für die daselbst abgeschlossenen Handelsgeschäfte anerkennt (Wechselprozeß s. CPO. §§ 565-567). 9. Abgesehen von Streitigkeiten wirken „Handelsgerichte" im Sinne des ADHGB. als Behörden der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Registergerichte, kontrollierende, sogar kon­ stituierende Behörden, z. B. s. Art. 210 a, ferner als eine Art Disziplinarbehörde, mit der *) Die Entscheidungen sind u. A. von den Räthen dieses Gerichtshofes in 25 Bänden herausgegeben und in den Bemerkungen zu den einzelnen Artikeln unter ROHG. einschlägigen Ortes angeführt. — Vgl. O. Fuchs b erg er, Die Entscheidungen des ROHG. und des RG. auf dem Gebiete des Handelsrechts, Gießen 1881, Supplem.-Bd. 1863. Seehandelsrecht (Bd. V) 1884.

Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 3.

11

Befugniß, Ordnungsstrafen zu verhängen, s. z. B. Art. 26, Art. 249 g u. A. Welche Gerichte mit dieser Art von Thätigkeit betraut sind, bestimmt theils Reichsrecht, theils Landesrecht. 10. Nach Neichsrecht, und zwar nach § 13 Abs. 4 des Einf.-G. zur CPO. ist in den Fällen der Art. 348, 365 und 407 des HGB. das in Art. 448 der CPO. bezeichnete Amtsgericht zuständig; dieser § 448 lautet: „Das Gesuch ist bei dem Gerichte anzubringen, vor welchem der Rechtsstreit anhängig ist; es kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden. In Fällen dringender Gefahr kann das Gesuch auch bei dem Amtsgerichte angebracht werden, in dessen Bezirke die zu vernehmenden Personen sich aufhalten oder der in Augenschein zu nehmende Gegenstand sich befindet. Bei dem bezeichneten Amtsgerichte muß das Gesuch angebracht werden, wenn der Rechts­ streit noch nicht anhängig ist." Nach dem erwähnten § 13 des Einf.-G. zur CPO. finden auf die Ernennung, Beeidigung und Vernehmung der Sachverständigen die Vorschriften der CPO. Tit. VIII des I. Abschnittes des II. Buches (§§ 367 ff. der CPO.) Anwendung. 11. Das Landesrecht, und zwar theils die Einführungsgesetze der einzelnen Staaten zum Handelsgesetzbuche, theils die partikularen Ausführungsgesetze zu den Reichsjustizgesetzen be­ stimmen, welchen Gerichten die Führung der Handelsregister und einzelne ähnliche Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit zukommen. 12. In Preußen bestanden vor dem Inkrafttreten der Reichsjustizgesetzgebung — ab­ gesehen von Kommerz- und Admiralitäts-Kollegien — nur im Bezirke des Appellationsgerichts­ hofes zu Cöln besondere Handelsgerichte; auch diese sind, wie die genannten Kollegien, zufolge der Reichsjustizgesetzgebung aufgehoben (s. Preuß. Ausf.-G. vom 24. April 1878 z. D. Gerichts­ verfassungsgesetz § 12 Ziff. 2 und 3, § 25). Die auf die Führung der Handelsregister, der Genossenschafts-, der Muster- und der Schiffsregister bezüglichen Geschäfte, ferner die im HGB., in den Einführungsgesetzen hierzu, sowie im Genossenschaftsgesetze den Gerichten zugewiesenen, von den deutschen Prozeßordnungen nicht betroffenen Angelegenheiten sind den Amtsgerichten übertragen, jedoch so, daß der Justizminister die Führung dieser Register für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte einem derselben überweisen kann (ebenda § 30). Die Mitwirkung der Wechselnotare bei der Führung des Handelsregisters im Bezirke des Appellationsgerichtshofes zu Frankfurt a. M. ist aufgehoben (ebenda § 109). Die Handelsrichter werden vom Könige ernannt, die Vorsitzenden der Kammern für Handelssachen werden mindestens auf die Dauer eines Geschäftsjahres durch den Justizminister bestimmt (s. ebenda §§ 7, 46) Es bestehen in Preußen übrigens nur in dem Bezirke des Appellationsgerichtshofes zu Cöln a. Rh. Kammern für Handelssachen. 13. In Bayern sind die auf Grund des Einf.-G. vom 10. November 1861 zum ADHGB. (Art. 56—81) errichteten Handelsgerichte durch die bayerischen Ausf.-G. zur RCPO. (u. Konk.-O.) und zum RGVG. vom 23. Februar 1879 aufgehoben (s. Art. 7 des letzteren und 235 Ziff. 12 des ersteren Gesetzes), wodurch die Art. 52—62, 66, 67, 69, 80 und 81 des bayer. Einf.-G. zum HGB. beseitigt sind, jedoch unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung des alten Merkantil-Friedens- und Schiedsgerichtes der Stadt Nürnberg als eines Vermittlungs­ amtes in Handelssachen und als einer Beglaubigungsbehörde bezüglich der Handelsbuchsauszüge und der Handelsvollmächten; die Kompetenz der früheren Handelsgerichte ging auf die jetzigen Landgerichte über; von diesen, und zwar von den Kammern für Handelssachen (s. bayer. V., die Bildung von Kammern für Handelssachen bei den Landgerichten vom 2. September 1879, §§ 1 ff.) oder, wo solche nicht bestehen, von den Civilkammern, werden auch alle diejenigen Handelssachen, welche zu der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit nicht gehören, erledigt, mithin die Führung der Register u. dergl. (durch beauftragte Richter), s. Ausf.-G. vom 23. Februar 1879 zur RCPO. und zur Konk.-O., Art. 225; Ausf.-G. vom 23. Februar 1879 zum RGVG., Art. 28 und 29. Ueber die amtsgerichtliche Kompetenz im Falle des Art. 407 des ADHG. s. die Anm. daselbst, in den Fällen der Art. 346 und 365 s. ebenfalls die dortige Anm. gemäß Einf.-G. zur RCPO. § 13. Die Ernennung der bayer. Handelsrichter, ebenda Art. 1 Abs. 1 und 2, die des Vor-

12

Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 3.

sitzenden der Kammer für Handelssachen s. Bayern ebenda Art. 30, ebenda s. auch die Be­ stimmungen über die Ausfertigungen dieser Kammern. — Ueber die Führung der Handelsregister s. bayer. Bekanntmachung vom 30. April 1862 (auch vgl. Bekanntmachung vom 4. August 1879, die Auswahl der zur Veröffentlichung bestimmten Blätter, Bayer. Gesetzblatt 1879 Nr. 43 S. 748, 749). 14. Im Königreich Sachsen, wo Handelsgerichte gemäß dem Einf.-G. vom 30. Oktober 1861 (§ 5) und dem Ausf.-G. zum Einf.-G. vom 30. Dezember 1861 (§§ 1—13) errichtet worden waren, sind dieselben nun theils durch die Amtsgerichte, theils landgerichtliche Kammern für Handelssachen ersetzt (Kgl. sächs. Ges., Bestimmungen zur Ausf. des GDG. und über die Zuständigkeit der Gerichte in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit enth., vom 1. März 1879, § 1. Errichtung von Kammern für Handelssachen s. Verordnung vom 28. Juli 1879, G. und V.-Bl. 1879, Stück 9, S. 235, 297); das erwähnte Gesetz vom 1. März 1879 sagt § 13 Abs. 2: „die in den Gesetzen den Handelsgerichten zugewiesenen Geschäfte der nichtstreitigcn Gerichtsbarkeit fallen den Amtsgerichten auch für diejenigen Gerichtsbezirke zu, für welche Kammern für Handelssachen errichtet sind." 15. In Württemberg waren (4) Handelsgerichte errichtet worden (Gesetz vom 13. August 1865, Art. 1 ff., im Uebrigen Kompetenz des Bezirksgerichts, Einf.-G. vom 13. August 1865, Art. 2 des ersterwähnten Gesetzes, Art. 27). Das Gesetz über die Gerichtsorganisation vom 13. März 1868 und die Art. 2—4 des Gesetzes über Errichtung eines Landesoberhandels­ gerichtes vom 4. Juli 1871 sind durch Art. 36 des Ausf.-G. zum NGVG. vom 24. Januar 1879 (Reg.-Bl. 1879 Nr. 2 S. 3) aufgehoben; eben dieses Gesetz regelt in Art. 21 die Ernennung der Handelsrichter und der Vorsitzenden der Kammern für Handelssachen, deren Bildung der Art. 13 dess. Gesetzes vorsieht. Reg.-Bl. 1879 S. 109 (K. f. H. in Stuttgart). Vgl. Gareis, Kurzgef. Lehrbuch des HR. 2. Aufl. S. 21, 22. Die Führung der Handelsregister liegt den Amtsgerichten ob, s. Ges. zur Ausführung der CPO. vom 18. August 1879, Art. 18, 19. 16. In Baden fungierten Amtsgerichte schon nach Einf.-G. vom 6. August 1862, Art. 48 (u. V. vom 3. Oktober 1862 §§ 4 ff.) als Handelsgerichte und sind insbes. mit der Führung der Handelsregister betraut (ebenda § 4). Die badische Gerichtsverfassung vom 19. Mai 1864 wurde durch Gesetz, betr. die Einführung der Reichsjustizgesetze vom 3. März 1879, § 144, aufgehoben. Kammern für Handelssachen s. V. vom 23. April 1879, G. u. V.-Bl. 1879 Nr. XXII S. 280. Ernennung der Handelsrichter s. Ges., betr. die Eins. d. Reichsjustizgesetze, vom 3. März 1879, § 8. Ueber die Führung der Handelsregister s. V. vom 3. Oktober 1862, §§ 1 ff. 17. In Hessen bestand seit 1862 das Handelsgericht Mainz in Rheinhessen; in den Prov. Starkenburg und Oberhessen fungierten an Stelle von Handelsgerichten die Stadt- und Landgerichte; s. Einf.-G. vom 1. August 1862, Art. 51. V. vom 9. Dezember 1862, die Führung des Handels* register betr., § 1; alle diese Gerichte wurden durch G. zur Ausf. des DGVG. und des Einf.-G. hierzu vom 14. Mai 1879, § 1, aufgehoben; kraft desselben Gesetzes (§ 5) wurden (5) Kammern f. Handelssachen errichtet; Ernennung der Mitglieder der Kammern für Handelssachen s. ebenda und V., die Ernennung der Handelsrichter betr., vom 14. Mai 1879, §§ 1 ff. Die Führung der Handelsregister liegt den Amtsgerichten ob, das Verfahren regelt Ges. vom 5. Juni 1879, Art. 15 ff. Gebühren s. V. vom 30. August 1879 Ziff. 2, 3. 18. In Elsaß-Lothringen, Lübeck, Bremen und Hamburg sind die Landgerichte bezw. Kammern für Handelssachen (ähnlich wie in Bayern) auch Registergerichte; in den übrigen deutschen Staaten sind dies (analog Preußen) die Amtsgerichte.

Erstes Buch.

Vom Handelsstande. (Erster Titel.

Bon Kaufleuten. Einleitende Bemerkungen. 1. In sieben Titeln faßt das erste Buch eine Anzahl von Bestimmungen zusammen, welche sich auf die eigenen Handel treibenden oder den Handelsbetrieb Anderer unterstützenden Personen (Kaufleute — Tit. 1 —, Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte — Titel 5 —, Handlungs­ gehilfen — Titel 6 — und Handels-Mäkler und Sensale — Titel 7 —) und einige für diese Personen besonders wichtige eigenartige Einrichtungen des Handels (Firma — Titel 3 —, Handelsregister — Titel 2 — und Handelsbücher — Titel 4 —) beziehen und in deren Mitte sich der Legalbegriff Kaufmann (s. unten S. 15) erhebt. Erschöpfend ist die unter der Uebcrschrift „Vom Handelsstande" auftretende Zusammenstellung für die durch diese Ueberschrift angezeigte Materie keineswegs; vielmehr beziehen sich noch zahlreiche Sätze aus den folgenden Büchern des HGB. auf den Handelsstand. 2. Der Handelsstand im Sinne des ersten Buches des HGB. ist als Berufsstand gedacht, für welchen das Gewerbe des Kaufmannes im weiten Sinne charakteristisch ist; nicht mehr ist heut­ zutage unter dem Handclsstand ein politischer Volkstheil mit eigener ständischer Ausgabe im Sinne verflossener Jahrhunderte zu denken, noch auch ist nunmehr irgend eine korporative Aufnahme in diesen Stand oder eine Formalität, etwa Eintragung in eine Matrikel die Voraussetzung für die Zugehörigkeit zu diesem Stande. Auch ist das Handelsrecht im heutigen Sinne kein Standes­ recht, d. h. kein für einen besonderen Stand ausschließlich geltendes Recht, sondern es unterliegen den Bestimmungen des Handelsrechtes in vielen Beziehungen (vgl. Art. 271 u. A.) auch Mitglieder anderer Stände und wie für letztere, so ist auch für Kaufleute das gewöhnliche bürgerliche Recht maßgebend (s. oben S. 1, Bem. 2 u. Bem. 7 u. 11 zu Art. 1). Immerhin aber giebt es Rechts­ institute, welche nicht bloß auf dem eigentlichen Gebiete des Handels entstanden sind, sondern sich auch gerade innerhalb des Handelsstandes erhalten haben, so die Prokura, die Firma, das Han­ delsregister und die Handelsbücher —, und von diesen wie von dem den Mittelpunkt des Standes­ begriffs bildenden „Kaufmanne" im Sinne des Gesetzbuches ist passend unter der gegebenen Ueberfchrift die Rede. 3. Das Gesetz bietet keine Definition von Kaufmann, sondern stellt einen Legalbegriff auf1); es sagt nicht, wer oder was „Kaufmann" „ist", sondern: wer als „Kaufmann anzu­ sehen" und zwar als „Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuches anzusehen sei." Der Gesetzgeber läßt es also dahingestellt, welche Personen Kaufleute der allgemeinen Sprachweise nach seien, und begnügt sich damit, kategorisch zu sagen, welche Personen er als Kaufleute angesehen wissen will; *) Vgl. Protokolle S. 1255.

Erstes Buch.

14

Vom Handelsstande.

Art. 4.

er setzt sich damit in einer seinem Bedürfnisse entsprechenden Weise über die großen Schwierig­ keiten der Aufstellung einer logischen Definition, welche zugleich mit der Logik dem Sprachgebrauche des Lebens entsprechen sollte, hinweg. 4. Die gewöhnliche Auffassung des „Kaufmanns" geht dahin, daß derselbe, wie der Name andeutet, ein Mann sei, welcher kauft und zwar um wieder zu verkaufen, demnach der Unternehmer des Spekulationskaufes im Sinne von Ziff. 1 des Art. 271; so haben auch die ältesten Defini­ tionen, welche die Doktrin des Handelsrechtes versucht hat (vgl. Goldschmidt's HR. § 43, Anm. 1 S. 445), das Wort gefaßt, aber frühe schon den Sinn desselben erweitert.

Letzteres ist deßhalb

nothwendig geworden, weil die gewohnheitsrechtlich oder gesetzlich auf den Kaufmann in Anwen­ dung zu bringenden Rechtsnormen ein weiteres Gebiet der Anwendbarkeit erheischten; schon das Zunft- und Gildewesen führte dazu; in diese Korporationen und in deren Matrikel wurden nicht bloß die Waarenhändler, sondern auch — selbstverständlich unter großen lokalen Verschiedenheiten — andere Gewerbetreibende, Fabrikanten, Handwerker sogar, ferner die Banquiers, die Spediteure und andere aufgenommen; damit unterlagen all' diese dem Handelsrecht der Kaufleute und es wurde sodann juristisch nicht bloß dem Spekulationseinkanfe die Bedeutung eines seinen Unter­ nehmer als Kaufmann charakterisierenden Geschäftes zu Theil, sondern einer mehr oder weniger übersichtlichen Reihe von anderen Geschäften ebenfalls jene charakteristische Eigenschaft beigelegt. 5.

Das, worauf es ankam und teilweise noch ankommt, ist, daß ein Wort gefunden wird,

welches die Personen bezeichnet, deren Geschäfte (ganz oder theilweise) unter den besonderen Normen des Handelsrechtes stehen; dazu verwendet man im Englischen das Wort trader (im Gegensatz zu dem engeren Begriffe des merchant1), im Französischen das Wort commert^ant (im Gegensatze zu dem engeren marchand oder negociant)2), im Italienischen commerciante3), int Deutschen nun das Wort „Kaufmann." 6. Ein Bedürfniß aber, ein solches Wort, wie sich zeigen wird (Bem. 6—9 zu Art 4), sogar im Widersprüche mit dem gemeinen Sprachgebrauche in Anwendung zu bringen, liegt vor, weil eine persön­ liche Bezeichnung nöthig ist, um den Anwendungsbereich des HGB. zu markieren: das Gesetzbuch stellt zwar den Begriff „Kaufmann" auf den des „Handelsgeschäftes" (gemischtes System mit objektivem Ausgangspunkte s. oben Bem. 1 u. 2 zu Art. 1), aber es bedarf umgekehrt auch des Be­ griffes Kaufmann, um gewisse einzelne Geschäfte als Handelsgeschäfte zu fixieren (vgl. Art 273, 274); auch giebt es Rechtsinstitllte und Reä)tssätze, welche nur für einen engeren Kreis von Personen des privatrechtlichen Verkehrs, nämlich eben für denjenigen, dessen Mitglieder das Gesetz „Kaufmann" nennt, passen und bestimmt ftnb4); ja einige5) dieser Rechtseinrichtungen sind nicht einmal für alle Kaufleute, sondern nur für einen noch engeren Kreis, nämlich den der Voll­ kaufleute im Gegensatze zu den Kaufleuten minderen Rechtes (s. Art. 10) angenommen und aufgestellt7.

Die Bedeutung des Legalbegriffes, wie ihn das Gesetzbuch in Art. 4 voranstellt, ist

nicht über den angedeuteten Zweck dieser Aufstellung hinaus auszudehnen: die Eigenart und die damit verbundene Beschränkung ergiebt sich auch aus den Worten: „im Sinne dieses Gesetzbuches", sowie auch aus Art. 11 (s. Art. 11, auch Bem. 8, 9). Im Einzelnen folgt hieraus 8.

a. Für andere Rechtsverhältnisse, als die im HGB. normierten, z. B. für öffentlich-

rechtliche, wie steuerrechtliche und ähnliche Verhältnisse ist der Legalbegriff des Art. 4 nicht be­ stimmt; doch hat eine Reihe einzelner Einführungsgesetze zum HGB. denselben auf andere Ver*) Val. Goldschmidt HR. a. a. O. S. 446: trader — one whose operations are regulated by mercantile law (nach Leone Levi). 2) Lyon-Caen et Renault a. a. D. T. I, pag. 71 ff. 3) Marghieri, il diritto commerciale italiano, T. I, Napoli 1882, pag. 169 ff. Der maßgebende Art. 7 des neuen italienischen HGB. stimmt überein mit dem cod. com. franc. in Art. 1 d. 4) Vgl. Art. 250—265, 282, 289—292, 297, 300, 301, 306, 309—316, 323, 378, 388, 420. 5) Nämlich Firma (mit Handelsregisterpflicht), Art. 15—27, Prokura, Art 41 ff., s. Han­ delsbücherführung, Art. 28—40.

Erster Titel.

Von Kaufleuten.

Art. 4.

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hältnisse anwendbar erklärt, insbesondere das Preußische in seinen Art. 18 und 23, das Bayerische in seinem Art. 6, das Württembergische in seinem Art. 6, das Hessische in Art. 16. Weitere Anwendungen s. bei Behrend, Lehrb. § 24 Anm. 15. Es ist prinzipiell daran festzuhalten^ daß der handelsgesetzliche Legalbegriff nur aus das HR., nicht auf das Strafrecht und andere Rechte anwendbar ist1). 9. b. Auch Kaufleute unterstehen dem HR. nur, soweit sie als Kaufleute in Betracht kommen. (Ueber diese Frage s. v. Hahn, Bd. I, 2. Aufl., S. 18—19 und die dort angegebene Kontroversenliteratur.) Dies zeigt sich auf das Deutlichste beim Fiskus, welcher z. B. als Postund Eisenbahn-Frachtgeschäfte betreibend Kaufmann ist (f. Behrend a. a. O. S. 103; vgl. unten Bem. 9 zu Art. 4), im Uebrigen aber nicht als Kaufmann in Betracht kommt. Ebenso sind auch die Mitglieder einer offenen Handelsgesellschaft (s. unten Art. 85) und die Komplementäre einer Kommanditgesellschaft nur, soweit sie durch die Prinzipalschaft der Handelsgesellschaft den juristischen Kaufmannscharakter angelegt haben, demnach nur in Hinblick auf ihre Gesellschaftsgeschäfte, Kauf­ leute. Vgl. hierüber die Literatur bei Behrend a. a. O. S. 105, 106, und v. Hahn a. a. O. S. 19, 20. 10. c. Das Gesetz erklärt seinen Legalbegriff Kaufmann (Art. 4) sofort für anwendbar auf Handelsgesellschaften und öffentliche Banken (Art. 5), und auf Frauen (Art. 6—9), in Bezug auf Kaufleute minderen Rechts s. Art. 10—11 und ROHG. VII 238).

Artikel 4. Als Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist anzusehen, wer gewerbsmäßig Handelsgeschäfte betreibt. Pr. Entw. tt. Entw. I. L. Art. 2. Entw. II. S. Art. 3. Prot. 3. 13-15, 500-551, 885, 926, 1254-1259. I n halt. Arten von Kaufleuten ll ff. Aufzählung von Kaufleuten 9 — von Nichtkaufleuten 10. Banken: E. B. 4, 10; 9. Begriff: E. B. 3. Berufs stand: E. B. 3. Betrieb 7. Commenjant: E. B. 5. Commerciante: E. B. 5. Dauer der Kaufmannseigellschaft 8. Definition: E. B. 3. Erwerbsabsicht 2. Fabrikanten: E. B. 4; 9. Fiskus: E. B. 9. Frauen 14. Gesellschaften: E. B. 10; 15. Gesellschafter 9, 19, 20. Gewerbe 2 Anm. — mästigkeit 2. — treibende: E. B. 4; 9. Gewinn ab sicht 2. Gildeweseu: E. B. 4. Grotzjäh rigkeit 13. Handel 2 Anm. Handelsgeschäft 5. — gesellfchaften: E. B. 10; 15.

Handelsregister l, 12. — stand: E. B. 2. Handwerker: E. B. 4; 6, 9. Kaufleute 19. — minderen Rechts: E. B. 6, 10; ll. Komplementäre: E. B. 9; 9. Konkurs 8.

Krid ar 8. Legalbegriff: E. B. 3. Marchand: (5 B. 5. Matrikel: E. B. 4. Mercliant: E. B. 5. Minderjährige 13. N6gociant: E. B. 5. Oe ff en tlich-re ch tliche Verhältnisse: E. B. 7. SR e gift vierte Kaufleute l, 12. Roystofsproduktion 2 Anm., 10. Spekulation 3. Stand: E. B. 2. S t e u e r r e ch t: 1$. B. 7. Strafrecht: E. B. 7. Trader: E. B. 5. Unregistrierte Kaufleute 12. Vollkaufleute ll. Vormundschaftsgericht 13. Zünfte: E. B. 4.

1. Der Kaufmannsbegriff ist hier nur für den Bereich des Handelsrechtes aufgestellt, ivie dies namentlich auch aus Art. 11 hervorgeht; vgl. oben E. B. 3 ff.; er gilt also für die Art. 5, 6, 10, 15 ff., 18 ff., 273 u. s. tu., — nach Partikularrechten jedoch auch noch weiter, -f. oben Zifs. 8. Ein Formalrequisit, etwa die Eintragung in das Handelsregister oder in eine Matrikel, ist nicht vorgeschrieben, ein Antrag, nur die registrierten Kaufleute als Kaufleute zu *) Literatur über die desfallsige Kontroverse s. Behrend a. a. O. S. 102 Anm. Vgl. hiermit auch Gareis, Kurzgef. Lehrb. § 16 (2. Aufl. S. 81).

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Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 4.

behandeln, wurde in der HG.-Berathungskommission ausdrücklich abgelehnt; s. Prot. S. 528, 1258. Vgl. ROHG. XII. 98; XIV. 69. Den Begriff bilden drei Elemente: Der „gewerbe"mäßige „Betrieb" von „Handelsgeschäften":

I. KerverbemaßigKeit. 2. „Gewerbcmäßig." Unter einem gewerbemäßigen*) Betriebe von Geschäften wird ver­ standen, daß diese Geschäfte vorgenommen werden, um in ihnen eine dauernde Einkommensquelle zu finden oder zu besitzen, ein Betrieb, ergriffen in Folge eines eine Reihe von Handlungen als wirthschaftlich einheitliche Thätigkeit zusammenfassenden Willensentschlusses. Ausgangspunkt für diese Fest­ stellung ist der Willensentschluß (ROHG. Bd. III S. 407): es muß die Absicht bestehen, eine zusammenhängende Reihe von Geschäften in ihrer zur Realisierung einer Erwerbsabsicht erforder­ lichen Zusammengehörigkeit zu besorgen und vorzunehmen, wie sie zur Erreichung jenes Zieles zweckmäßig erscheint2); die auf Grund eines solchen Willensentschlusses, welcher das *) Das Verhältniß zwischen dem Begriffe „Gewerbemäßig" im Sinne des HGB. und dem Begriff „Gewerbe" im Sinne der Gewerbeordnung ist folgendes: Man hat in der gesammten wirthschaftlichen Produktion drei Gruppen von Thätigkeiten zu entscheiden, welche auch eine histo­ rische Aufeinanderfolge, in Deutschland wenigstens, zeigen; die sog. Ur- oder Rohstoff-Produk­ tion (d. i. Gewinnung der Naturerzeugnisse: Land- und Forstwirthschaft, Bergbau, Jagd, Fischerei u. dgl.), dann die Umformung (Transformation) von Natur- und Arbeitserzeugnissen durch die Arbeit (d. i. das Gewerbe im wirthschaftlichen Sinne) und den Austausch der Güter (Güter­ vermittelung, Umsatz der Waaren zwischen Produzenten und Consumenten), d. i. den Handel. Vgl. I. Engelmann Die Deutsche Gewerbeordnung, Erlangen 1885, S. 26 ff. Unzweifelhaft ist der Handel die jüngste, die Urproduktion die älteste; eben weil letztere die schon mit dem leben­ den Menschen auf niederster Kulturstufe beginnende Produktionsart ist und weil sie auch auf immer höheren Kulturstufen (innerhalb der gesammten Naturalwirtschaft) als die selbstverständliche, bei den Römern und bei den Germanen von Jedermann, sei es als Sport, sei es der Ernährung wegen, von und in jeder Familie betrieben wird und in dieser ihrer Ursprünglichkeit nur auf die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse mittels der eigenen Arbeit gerichtet ist, wird sie nicht als Erwerb und nicht als Gewerbe bezeichnet, das „Werben" (das althochdeutsche kiwerban ist das Grundwort von „Gewerbe" wie von Werbung, z. B. Truppenwerbung, Weigand, WB. s. „Gewerbe") beginnt erst mit dem Handwerke und setzt sich in den Fabrikindustrien im groß­ artigen Maßstabe fort, es ist das charakteristische dieses „Werdens" und damit des Gewerbes, aber nicht der Erwerb, sondern der Erwerb mittels einer Arbeit, deren unmittelbares Produkt der Handelnde nicht selbst genießt, sondern für seine eigene Erwerbszwecke einem Anderen überläßt, also für Entgelt. Die Umformung von Natur- und Arbeitsprodukten durch Arbeit außerhalb der Urproduktion ist das Gewerbe, die Thätigkeit des opifex und artifex bei den Römern (Engelmann a. a. O.), das „artificium“ und „opificium“, d. i officium, und nicht bedeu­ tungslos ist, daß unter dem Worte officium nicht bloß die in der officina (opificina), dem Etablissement des Handwerkers und Fabrikanten sich vollziehende Thätigkeit verstanden wird, son­ dern die Obliegenheiten, die Pflicht, die Verbindlichkeit einem Andern gegenüber, weil eben mit dem Gewerbe die Thätigkeit für Andere, die Arbeit für Andere, der Dienst und die (nicht fami­ lienrechtliche) Pflicht beginnt. Die Absicht des Erwerbes mittels Arbeit für Andere liegt auch dem Handel zu Grunde; auch ihm ist charakteristisch, daß über das zur unmittelbaren Befriedigung der eigenen Bedürfnisse erforderliche Maß hinaus gearbeitet und für Andere Arbeit verwerthbar aufgespeichert und dislo­ ciert wird. Von dem alsbald berufsmäßig betriebenen Handel konnte und kann man daher sagen,, daß er wie das Gewerbe betrieben wird, daß ihm jene Erwerbsabsicht und (bis zu einem gewissen Grade auch) Erwerbsart zu Grunde liegt wie dem Handwerk; so kommt man dazu zu sagen: Der Handel wird gewerbemäßig betrieben, was nicht heißen soll, er sei ein Gewerbe, wohl aber er habe im Gegensatz zum Bergbau, zur Jagd und zur Land- und Forstwirthschast mit dem Ge­ werbe, wenn er berufsmäßig betrieben wird, eine hervorragende Eigenschaft gemeinsam. 2) Behrend a. a. O. drückt dieses Erforderniß damit aus, daß es eine wenigstens relative „Gleichartigkeit" der Geschäfte fordert. Merkantiles Kalkulieren, Korrespondieren undKontrahieren einerseits und thatsächliches Umgestalten der Waare, wie z. B. Zusammengießen zweier Flüssigkeiten, oder Zerschlagen, Umpacken, Emballieren der Waare andererseits sind aber nicht gleichartige (auch nicht relativ gleichartige), wohl aber in concreto zusammengehörige Thätig­ keiten des Spezereiwaarenhändlers u. s. w. — Eine fortgesetzte auf Erreichung eines Gewinnes gerichtete Thätigkeit gehört nach Dietz, Die Reichs-Gewerbeordnung 1887 S. 4, zum Begriff des. Gewerbes überhaupt.

Erster Tuet.

Bon Kaufleuten.

Art. 4.

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Handeln der Gewerbetreibenden von dem des Dilettanten, des nur aus Liebhaberei oder aus Neugierde, aus Wißbegierde, aus Forschertrieb, oder zur Gesundheitspflege u. dgl. anderen Motiven Handelnden unterscheidet, vorgenommene Handlungsreihe (Thätigkeit) braucht, um den Handelnden zum Kaufmann zu machen, nicht nothwendig den Mittelpunkt der Lebensthätigkeit desselben zu bilden, nicht nothwendig die ausschließliche oder auch nur die Hauptbeschäftigung zu sein: der hochadelige Standesherr, welcher den Mittelpunkt seiner Lebensstellung und Be­ thätigung etwa im Hofleben oder tm Parlamente findet, ist Kaufmann, wenn er weitab davon etwa eine Glashütte oder eine Zündholzfabrik befitzt oder betreibt *). Ebensowenig ist zum Kaufmannsbegriffe erforderlich, daß die Erwerbsabsicht die alleinige oder auch nur die hervor­ ragendste Absicht des Unternehmers sei, noch auch, daß sie wirklich erreicht und das gehoffte Ein­ kommen aus der deshalb vorgenommenen Thätigkeit gewonnen werde; denn es ist möglich, daß der Betrieb in erster Linie oder wenigstens nebenbei in gemeinnütziger, allgemein wohlthätiger Absicht*2) zur Hebung der sonst arbeitslosen Bevölkerung u. dgl. entnommen wird, ebenso rote es auch möglich ist, daß es keinen Gewinn abwirft, sondern den Unternehmer zum Bankrotte bringt. Ueber diese Erwerbsabsicht s. Behrend, Lehrb. § 24 S. 98 ff.* Goldschmidt, HR. § 43 Ziff. 3 und die dort angegebene Literatur, Th öl, HR. § 30, v. Bölderndorff im Handbuch Bd. I § 26, Gareis, Kurzgef. Lehrbuch § 15 S. 74. 3. Andererseits macht auch die Erwerbsabsicht für sich allein nicht das Geschäft zum Handelsgeschäft, noch auch in Verbindung mit einer gewissen Häufigkeit; ein Advokat z. B., welcher stark, ja gewohnheitsmäßig in Werthpapieren spekuliert, indem er Spekulationspapiere kaust und wieder verkauft, muß trotz der Gewinnabsicht und trotz der Häufigkeit dieser Vertragsabschlüsse noch nicht nothwendig als Kaufmann angesehen werden, nämlich dann nicht, wenn jener GewerbsWillensentschluß fehlt. Vgl. ROHG. IX 436, XVII 157, XXII 303. 4. Ueber das Recht, Handel zu treiben, s. v. Bölderndorff in Endemanns Handbuch, Bd. I §§ 37—39, Gareis, Kurzgef. Lehrbuch, § 12.

II. .Handelsgeschäfte. 5. Den Begriff „Handelsgeschäfte" gibt das HGB. mittels ausdrücklicher Nennung derselben m Art. 271 ff.; es sind hier die Grundgeschäfte des Handels gemeint, welche entweder objektive (Art. 271 Ziff. 1—4) oder subjektive (Art. 272 Ziff. 1—5) sein können. Hierüber s. die Bemerkungen zu den angegebenen Artikeln. 6. Aus Art. 271 Ziff. 1 ist im Zusammenhalt mit Art. 4 z. B. abzuleiten, daß auch ein Handwerker unter Umständen als Kaufmann anzusehen ist, dann nämlich, wenn er nicht bloß das ihm von seinen Kunden zur Be- oder Verarbeitung übergebene Material be- oder verarbeitet, sondern selbst Waaren für eigene Rechnung einkauft und dieselben dann nach einer, gleichviel ob nur auf Bestellung oder behufs Borrath unbestellt vorgenommenen Verarbeitung wieder ver­ kauft. ROHG. VII. 237.

III. Der Selrieö. 7. Als der „Betreibende" ist Derjenige anzusehen, in dessen Namen — sei es mit, sei es ohne dessen Arbeitskraft oder Kapital — das Geschäft geführt wird; mithin derjenige, welcher seinen Namen gibt zu einer merkantilen Unternehmung, so daß diese äußerlich als seine Unternehmung erscheint. 8. Dabei ist hervorzuheben, daß Jemand nur so lange als Kaufmann anzusehen ist, als er ein Handelsgewerbe betreibt und sobald er aufhört Handelsgeschäfte thatsächlich zu be­ treiben, hört er auch auf Kaufmann zu sein; folgeweise wird die Konkurseröffnung regelmäßig den Untergang der Kaufmannseigenschaft herbeiführen, wenn der Kridar nicht etwa fortfährt, *) Es kann heutzutage nach dem Stande der Doktrin wohl nicht mehr bezweifelt werden, daß Jemand in der einen Richtung Kaufmann, in der anderen Nichlkaufmann sein könne. ROHG. XI. 340, s. oben Eml. Bem. 9, Puchelt, Komm., S. 13, la. 2) Vgl. v. Bölderndorff im Handbuch, Bd. I S. 137 Anm. 12. 2 Fuchsberger und Gareis, ADHGB.

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Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 4.

Handelsgeschäfte zu betreiben, wozu er befähigt ist, denn die Konkurseröffnung macht nicht handlungsunfähig. NG. XIII, 152.

IV. verschiedene Kaufleute. 9. Treffen jene 3 zum Begriffe des „Kaufmanns" im Sinne des ADHG. erforderlichen Requisite in irgend einer Einzelperson oder juristischen Person zusammen, so ist dieselbe als „Kaufmann" anzusehen und dies ist unter der Voraussetzung, daß der Name das Zusammen­ treffen jener 3 Requisitionen sachlich bezeichnet, bei folgenden Personen der Fall: Agenten, sofern sie die Vermittelung von Handelsgeschäften (Art. 272 Ziff. 4) in eigenem Ge­ werbebetriebe, in eigenem Namen betreiben, nicht als Bedienstete eines Anderen; über diese Frage s. v. Bölderndorff in Endemann's Hdbch. I § 27 (53b. 11, S. 540) u. Gareis, kurzgef. Lehrb. § 15, Anm. 8a. Annoncen bureau-Besitzer s. ROHG I 207. Anstalten zum Transport s. Art. 272, Ziff. 3. Apotheker (wegen Art. 271, Ziff. 1 vgl. Centralorgan 1862, S. 143, anders S. 269 ebenda); vgl. Württemberg. EG. vom 13. August 1865 zum ADHGB., Art. 5. Associe s. Gesellschafter. Bäcker ROHG. IV. 240, 241. Banken und Banquiers (Art. 272 Ziff. 2) ROHG. XXIV. 35, 37. Branntweinbrenner, sofern sie nicht selbstproduzierte Stoffe verarbeiten und veräußern (Art. 271 Ziff. 1), vgl. ROHG. XIII. 143, XVI. 380. Bräuer ROHG. V. 18, XII 95. Buchbinder ROHG. VII. 237. Buchdrucker, wenn ihr Betrieb nicht rein handwerksmäßig ist (Art. 272 Ziff. 5). Buchhändler (Art. 272 Ziff. 5). Charcutiers (Art. 271 Ziff. 1), sofern sie Fleischwaaren einkaufen, um dieselben — mit oder ohne weitere Zubereitung — wieder zu verkaufen. Collecteure von Lotterien, wenn Art. 271 Ziff. 1 anzuwenden ist, ROHG. XXIII. 213. Drechsler, Dreher, Art. 271 Ziff. 1, Art. 272 Ziff. 1. Eisenbahnen-Aktiengesellschaften, iinb andere Gesellschaften, welche Eisenbahnen betreiben, oder der Staat (Eisenbahnfiskus) — als Frachtführer im Sinne des HGB., Art. 272 Ziff. 3, ROHG. III. 407, XII. 311, XV. 35. Eisenwerksbesitzer, sofern sie gekauftes Material verarbeiten (Art. 271 Ziff. 1), nicht aber, sofern sie das in eigenen Gruben gewonnene Erz verhütten. Essig fab rikanten, sofern sie gekauftes Material verarbeiten (Art. 271 Ziff. 1). Fabrikanten überhaupt, s. Art. 271 Ziff. 1 u. Art. 272 Ziff. 1. Färber nach dens. Artikeln, s. ROHG. I. 132. Fiskus s. Staat. (Fiskus s. auch Württemberg. Ges. vom 13. Aug. 1865, Art. 7.) Frachtführer s. Art. 272 Ziff. 3, Art. 390 ff. Fuhrleute s. ebenda, auch Art. 10. Ga st Wirthe ROHG. XXIV. 270 (vergl. auch XXII. 329), s. Art. 10. Geldwechsler Art. 272 Ziff. 2. Genossenschaften, eingetragene, nach Genossenschafts-Ges. § 11, Abs. 3. Vgl. ROHG. VI. 195. Gesellschafter, persönlich haftende, ROHG. XIV. 210. (Vgl. unten Komplementär.) Handwerker ROHG. VII. 237, s. oben E. B. 4; u. B. 6. Hausierer s. Art. 10. Höker s. Art 10. Hoteliers s. Gastwirthe. Hopfenhändler nach Art. 271 Ziff. 1. Insertions-Unternehmer ROHG. I. 207. Kafetiers (Art. 271 Ziff. 1), vgl. Art. 10 (Wirthe).

Erster Titel.

Von Kaufleuten.

Art. 4.

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Kalkbrennereibesitzer, sofern sie gekauften oder fremden Kalk brennen, s. Art. 271 Ziff- 1, Art. 272 Ziff. 1. Kolonialwaaren Händler Art. 271 Ziff. 1. Kolporteure, selbständige, Art. 272 Ziff. 4. Kommissionäre Art. 272 Ziff. 3, Art. 360. Komplementäre, sofern das Geschäft aus ihren Namen betrieben wird, ROHG. in. 434,

XIV. 210, 285, XVin. 220. Kunstdrucker, sofern nicht handwerksmäßig, Art. 272 Ziff. 5. Kunsthändler Art. 271 Ziff. 1, 272 Ziff. 5. Leihanstalten, sofern bankmäßig betrieben, ROHG. XXIV. 35. Lotteriecollecteure s. Collecteure. Mäkler in Bezug auf gewerbsmäßige, aber nicht amtliche Geschäftsvermittelungen, Art. 272, Ziff. 4. Maschinenfabrikanten, nach Art. 271 Ziff. 1, Art. 271 Ziff. 2. (Vgl. ROHG. XII. 27, VI. 31.) Müller (ROHG. Bd. XI. S. 241), sofern sie fremdes Getreide (fabrikmäßig) mahlen, Art. 272 Ziff. 2, oder kaufen und — gemahlen — wieder verkaufen, Art. 271 Ziff. 1. Musikalienhändler Art. 272 Ziff. 5, auch Art. 271 Ziff. 1. Omnibus-Besitzer, sofern sie Personenbeförderung im Großen („Anstalten") betreiben, Art. 272 Ziff. 3. Pelzwaarenhändler Art. 271 Ziff. 1. Personentransport an stallen s. Omnibus. Post s. Reichspost. Privateisenbahnen ROHG. III. 407. Privatleihanstalten s. Leihanstalten. Reichsbank (diese ist jedoch nicht registerpflichtig, s. Bankgesetz vom 14. März 1875, § 66). Vgl. Gareis, kurzgef. Lehrb. 2. Aufl. § 10, Anm. 19a, S. 48. Reichspost ROHG. XH. 311, XVII. 127, XXIII. 11. Rheder, Rhederei Art. 271 Ziff. 4. Schieferdecker, sofern Schiefer ein- und verkaufend, Art. 271 Ziff. 1. Schiffsexpedienten Art. 271 Ziff. 4, Art. 272 Ziff. 4. Schneider ROHG. VU. 237. Schnittw aarenhändler Art. 271 Ziff. 1. Schuster ROHG. VII. 237. Selbstverleger, wenn er gewerbsmäßig verlegt, RG. V. 67. Socius s. Gesellschafter. Spediteure Art. 272 Ziff. 3. Spekulanten, wenn gewerbsmäßig als Geschäftsleute auftretend, ROHG. XXII. 303, IX. 436 (andern Fall Bd. XVII. S. 157). Staaten, s. Reichsbank,Reichspost, Eisenbahnen. (Vgl.ROHG. XII. 311, XVII. 127, XXIII. 11.) Tischler ROHG. XII. 72. Tramways s. Omnibus. Trödler Art. 10. Uhrmacher, sofern kaufend und wiederverkaufend, Art. 271 Ziff. 1. Verleger RG. V. 67. Versicherungsgesellschaften, Verficherungsübernehmer ROHG V. 10, IX. 386, XVII. 315. Viehhändler ROHG. VII. 58, XIV. 266. Waarenhändler Art. 271 Ziff. 1. Wirthe s. Gastwirthe. Zeitungsverleger ROHG. XIV. 23. Ziegeleibesitzer, sofern aus erkauftem Material produzierend, Art. 271 Ziff. 1. Zimmerleute, sofern sie ihr Werkholz kaufen und wieder verkaufen, Art. 271 Ziff. 1.

2*

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Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 4.

10. Nicht als Kaufleute im Sinne des HGB's sind, soweit die durch die nachstehende Benennung angedeuteten Verhältnisse allein maßgebend sein sollen, anzusehen: Administratoren, die in fremdem Namen handeln, wie Vormünder von Kaufleuten u. dgl.; Agenten, die in einer Firma angestellt sind, ROHG. XXIII. 148; Aktionäre ROHG. XVI. 380; Bauern s. Land­ wirthe; Bauunternehmer ROHG. XI. 329; Bergwerksbesitzer s. Landwirthe; Direktoren von Gesellschaften, im Namen der letzteren handelnd; Eisenbahnbauunternehmer XI. 329; Genossen­ schafter, Gesellschafter, sofern in fremdem Namen handelnd, III. 433, XIV. 210, 284, XVI. 380, vgl. Prot. S. 888, 1259; Güterzertrümmerer, wenn auch gewerbsmäßig, wegen Art. 275; Handelsgärtner, sofern Selbstproduzenten, s. Landwirthe; Handelsmäkler' s. Art. 272 Ziff. 4; Handlungsbevollmächtigte, sofern in fremdem Namen handelnd; Kommis s. Handlungsbevoll­ mächtigte; Kommanditisten s. Gesellschafter; Kunstgärtner s. Landwirthe; Landwirthe, welche die auf ihren Grundstücken gewonnenen Produkte — sei es mit, sei es ohne vorgäugige Be- oder Verarbeitung — verkaufen, ROHG. XI. 263, XIV. 265, XVI. 380, RG. IV. 10; Lehr­ linge; Leihbibliothekare ROHG. XXIII. 400, 401; Liquidatoren; Pfandleihanstalt ROHG. XXIV. 34; Prokuristen s. Handlungsbevollmächtigte; Selbstproduzenten s. Landwirthe; Spekulanten, welche ohne Gewerbswillensentschluß gelegentlich, wenn auch häufig ä la hausse oder ä la baisse spekulieren, s. oben Bem. 3 S. 17; Stille Gesellschafter III. 433; Steinbruchbesitzer RG. VI 4,10 u. die dort angegeb. Lit.; Steinfabrikant (Fabrikant feuerfester Steine), der das Material für seine Fabrikation von eigenem Grundstücke gewinnt, ROHG. XIII. 384, XVI. 380; Theater-. Unternehmer und -Direktoren XXII. 127; Urproduzenten s. Landwirthe; Viehzüchter ebenda; Vorschußvereine, die nicht Banken und nicht eingetragene Genossenschaften sind, V. 210, VI. 195; Weinbauern, Ziegeleibesitzer s. Landwirthe. V. Arten von Kaufleuten. 11. Von praktischer Bedeutung sind folgende Eintheilungen: 1. Vollkauflente und Kauf­ leute minderen Rechts, vgl. oben E. B. 6, S. 14, insbes. aber Art. 10. 12. 2. Registrierte und nicht registrierte Kaufleute. Ueber die Registerpflicht der Firmen s. unten Art. 19, 21 u. a. Die registrierten Kaufleute sind gesetzlich in mehreren Richtungen begünstigt gegenüber den nicht registrierten: ihre Firmen sind exclusiv, ihre Marken können einge­ tragen werden und dadurch Schutz erlangen (s. unten Anhang zum Firmenrccht) und sie selbst sind fähig, Handelsrichter zu werden (GVG. § 113). 13. 3. Großjährige und minderjährige Kaufleute. Letztere sind diejenigen, welche das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben (RG. vom 17. Februar 1875, betr. das Alter der Großjährigkeit, RGBl. 1875 S. 71); in Bezug auf die Befugniß der Minderjährigen, Handel zu treiben, und deren Verpflichtungsfähigkeil entscheiden die Landrechte bezw. das gemeine Recht (s. oben Bem. 7 ff., zu Art. 1), so z. B. Preußisches Einführungsgesetz Art. 21, 37, 38, ferner des Preußische Gesetz vom 12. Juli 1875, betr. die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger (GS. 1875 S. 518), und die Preußische Vormundschafts - Ordnung vom 5. Juli 1875 § 42: „Der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf es ... 9. zur Veränderung oder Auflösung, sowie zur Neubegründung oder Uebernahme eines Erwerbsgeschäfts." — In Bezug auf Hannover s. Preußische Verordnung vom 5. Juli 1867. — Vgl. das Bayerische Einf.G. Art. 7 und Ausf.G. zur RCPrO. und KO. vom 23. Februar 1879, Art. 210 (Ermächtigung Minderjähriger zum Handelsbetriebe), ebenda 212—216 (Verpflichtung zur Veröffentlichung güterrechtlicher Verhältnisse handeltreibender Ehegatten); Württembergisches EG. vom 13. Aug. 1865, Art. 7 (Minderjährige), ferner ebenda Art.21; Baden, EG. vom 6. August 1862, Art. 2; Hessen, EG. vom 1. August 1862, Art. 22, 24, 25. Für das gemeine Recht s. 1. 5 C. de tempp. i. i. r. 2, 52, u. ROHG. VI. 317. Fuchsberger, Entsch. Bd. I, S. 6—7. 14. 4. Verheirathete und nichtverheirathete Kaufleute. Diese Unterscheidung wird nament­ lich dannwon rechtlicher Relevanz, wenn die Handelsgeschäfte gewerbsmäßig von einer Frau betrieben werden (vgl. unten Art. 7), sowie in Hinsicht auf die Einwirkung des Handelsbetriebes auf das eheliche Güterrecht, s. Art. 8 und Preuß. Einf.G. Art. 19 u. 20. 15. 5. Einzelkaufleute und Gesellschaften mit Kaufmannseigenschaft. In Bezug auf letztere s. Art. 5.

Erster Titel. Von Kaufleuten. Art. 5.

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Artikel 5. Die in Betreff der Kaufleute gegebenen Bestimmungen gelten in gleicher Weise in Betreff der Handelsgesellschaften, insbesondere auch der Kommandit­ gesellschaften auf Aktien und der Aktiengesellschaften. Dieselben gelten auch in Betreff der öffentlichen Banken in den Grenzen ihres Handelsbetriebs, unbeschadet der für sie bestehenden Verordnungen. Pr. eiitW. Art. 3. - I. 8. Art. 3. — II. 8. Art. 4. Prot. @. 13 ff., 538 ff., 1259 ff., 4629. — Gesetz, betr. die Kommanditgesellschaften ans Aktien und die Aktiengesellschaften, v. 11. Juni 1870. RGBl. 1870 S. 375.

Inhalt. Ausländische Gesellschaften 5. Banken 6. Firma 2. Gegenseitigkeitsgcsellschaften 4. Genossenschaften, eingetragene 4. Grundkapital 4. Grundstücke, Geschäfte hierüber 3, 5. Handelsbücher 2. Handelsregister?, 6 Anm. Jmmobiliar verkehr 2, 3, 5.

Internationales Privatrecht 5. Kammer für Handelssachen 2. Privilegien 6. Prokura 2, 6 Anm. Schadensersatzpflicht 2, Anm. Staatsbanken 6. Versicherungsgesellschaften 4. Zinsen 2. Zusatz, unzulässiger in der Firma 2, Anm.

1. Anstatt der Worte „der Kommanditgesellschaften auf Aktien und der Aktiengesellschaften", welche durch die Aktiennovelle vom 11. Juni 1870 hinzugefügt und durch die Novelle vom 18. Juli 1884 nicht aufgehoben wurden, enthielt das HGB. in seiner ursprünglichen Fassung die Worte: „der Aktiengesellschaften, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens in Handels­ geschäften besteht." Zu der jetzt geltenden Bestimmung tritt die des Art. 174 und bezw. 208 der Aktiennovelle von 1870, wonach die Kommanditgesellschaften auf Aktien bezw. die Aktiengesellschaften als Handelsgesellschaften gelten, „auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handels­ geschäften besteht." 2. Die Unterstellung aller Aktiengesellschaften und Kommanditaktiengesellschaften unter das Handelsrecht — auch wenn der Gegenstand ihres Unternehmens, z. B. in Geschäften über Grundstücke besteht (Art. 275), was in den Art. 180 e letzter Absatz und 213 f auch vorgesehen ist — bewirkt: 1) daß sie in Bezug auf Firma4), Prokura*2),3 4Handelsbücher, Handelsregister, Zinsen, Schadensersatzpflichtb) u. s. w. so behandelt werden müssen, als wenn sie gewerbsmäßig Handels­ geschäfte betreiben, d. b. wie wenn sie Kaufleute wären (persönliche Privilegierung dieser Gesell­ schaften); 2) daß auch alle von ihnen abgeschlossenen Geschäfte Handelsgeschäfte sind, sofern sie nämlich derart sind, daß sie dadurch, daß ein Kaufmann sie abschließt, Handelsgeschäfte werden (Art. 273, 274), ROHG. XXII, 327, 328; 3) daß nach dem Gerichtsverfassungsgesetz § 101 die Kompetenz der Kammern für Handelssachen unter denjenigen Voraussetzungen gegen sie gegeben ist, unter welchen sie hieraus gegen einen Kaufmann sich ergibt. 3. Jene Unterstellung bewirkt aber nicht, daß solche Geschäfte, welche nach dem Handels­ gesetzbuche niemals Handelsgeschäfte sein können (z. B. nach Art. 275), etwa deshalb Handels­ geschäfte wären, weil sie von jenen Gesellschaften, sei es als Hilfsgeschäft, sei es als Gewerbsgeschäft abgeschlossen werden?) 4) So wurde der Zusatz „einzige" (Fabrik nikotinfreier Tabake) vom RG. III, 165 als unzulässig erklärt, weil sich Art. 16 Absatz 2 letzter Satz nach Art. 5 auch auf Handelsgesell­ schaften bezieht. 2) Ueber Prokura in Aktiengesellschaften s. oben unter B. 6 Anm. 3) Die Schadensersatzverpflichtung nach Art. 283 wurde in Verbindung mit Art. 273 auch auf Aktiengesellschaften angewandt vom RG. V, 25. 4) Vgl. Fuchsberger, Entsch. I, S. 317.

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Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 5.

4. Die eingetragenen Genossenschaften im Sinne des Genossenschaftsgesetzes vom 4. Juli 1868 (Bundes - Gesetzbl. 1868 S. 415) gelten. soweit dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält, als Kaufleute im Sinne des HGB.; dagegen andere Sozietäten, welche weder unter das Genossenschaftsgesetz, noch unter Art. 5 des HGB. fallen, gelten nicht schon um ihrer gesellschaftlichen Formation willen als Kaufleute, möglicherweise aber um ihres gewerbs­ mäßigen Geschäftsbetriebes willen nach Art. 4. So gelten Versicherungsgesellschaften auf Gegen­ seitigkeit (ROHG. VIII, 181) nicht ohne Weiteres als Handelsgesellschaften, wohl aber dann, wenn ihr Grundkapital in Aktien zerlegt ist, da es zum Begriff der Aktiengesellschaft, insbesondere nach der Novelle vom 18. Juli 1884, nicht erforderlich ist, daß das ganze im Betriebe verwendete Aktivvermögen in Aktien besteht (Art. 207). Andere Kollektivpersonen können als Kaufleute be­ handelt werden müssen, nämlich sofern die Voraussetzungen des Art. 4, und soweit diese Voraus­ setzungen zutreffen, so z. B. der Staat, sofern er Transportgelchäste gewerbsmäßig betreibt (s. oben Bem. 9 und E. B. 9). 5. In Bezug auf solche Aktien- und Kommanditaktien-Gesellschaften, welche ihren Wohnsitz im Auslande haben, enthält das HGB. keine Bestimmung; nach den Grundsätzen des inter­ nationalen Privatrechts ist deren Rechtsstellung, insbesondere deren privatrechtliche Persönlichkeit nach dem Rechte des Ortes zu beurtheilen, in welchem sie ihr Domizil haben. In Bezug auf den Erwerb von Grundstücken kommt aber nicht bloß dieses Domizilrecht in Frage, sondern auch das Recht des Ortes, an welchem sich das fragliche Grundstück befindet (lex re sitae).1) Diese Norm gilt nicht bloß hinsichtlich nichtdeutscher Gesellschaften, sondern auch hinsichtlich des Jmmobiliarverkehrs innerhalb des Deutschen Reiches, so daß also z. B. in Preußen deutsche Aktiengesellschaften, welche außerhalb Preußens domizilreren, nur auf Grund besonderer Geneh­ migung des betreffenden preußischen Ministers Grundeigcnthum erwerben können (Preußisches Gesetz vom 4. Mai 1846, Gesetzsamml. S. 235 und Preuß. Erlaß vom 14. Februar 1882, Gesetzsamml. S. 18; Makower S. 28 Anm. 11). 6. Die in Absatz 2 erwähnten öffentlichen Banken sind nicht als Privatbanken zu ver­ stehen, denn für diese gilt das vorerwähnte gewöhnliche Gesellschafts- und Handelsrecht schlechthin, sondern es sind darunter Staatsbanken verstanden, in Bezug auf welche es zweifelhaft sein kann, ob nicht wegen desjenigen Theiles ihres Geschäftsbetriebes, welcher öffentlichen, d. h. staatsrecht­ lichen Interessen dient, die Anwendung des Handelsrechts ausgeschlossen sei. Solche vom Staate errichtete und betriebene oder in Korporation von Staat und Privaten thätige Banken sollen nun in den Grenzen ihres Handelsbetriebes (vgl. oben E. B. 10 und B. 9 zu Art. 4) nach Handelsrecht beurtheilt werden, jedoch sollen diesem die für sie bestehenden Verordnungen derogieren. Unter letzteren sind sowohl die älteren, als auch die neueren staatlichen Verordnungen, Privilegien und staatlich anerkannten Statuten zu verstehen, und selbstverständlich derogieren jenem auch die neueren Spezialgesetze, z. B. das Reichsbankgesetz vom 14. März 18752) (vgl. hierzu auch das Preuß. Einsührungsgesetz zum HGB. Art. 3, § 4).

Kemerkuilgeil zu Art. 6—9. 1. Die aus dem gewöhnlichen bürgerlichen Rechte sich ergebende Beschränkung der Handlungs­ fähigkeit von Frauen ist in das Handelsrecht nicht übergegangen: soweit sich ein besonderes *) Der Umfang der Rechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen richtet sich nach dem Rechte des Ortes, wo sie Rechte geltend machen oder erwerben wollen. (Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts, 2. Aufl., Bd. 1, S. 213, 216. Renaud, Das Recht der Aktiengesell­ schaften, 2. Aufl. S. 194, woselbst Anm. 21 das französische Recht zu ersehen.) 2) „Die Bestimmungen des HGB. über die Eintragung in das Handelsregister und die rechtlichen Folgen derselben finden auf die Reichsbank keine Anwendung." § 66 d. Bankgesetzes. — Ueber Bestellung von Prokuristen der Aktiengesellschaften enthält die Aktiennovelle vom 18. Juli 1884 eine Spezialbestimmung in Art. 234, s. unten a. a. O. — Bankprivilegien s. auch unten in Art. 312.

Erster Titel.

Von Kaufleuten.

Art. 6.

2b

Handelsrecht nachweisen läßt1), ist als zulässig erklärt worden, daß Personen weiblichen Geschlechtes Handelsgeschäfte betreiben, und zwar auch gewerbsmäßig, und alsdann wesentlich unter dieselben Rechtsregeln fallen, denen die das Handelsgewerbe betreibenden Männer unterliegen2). Den mittelalterlichen diesen Weg einschlagenden Statutarrechten folgte das französische Recht und das deutsche Recht in der Anerkennung jener rechtlichen Fähigkeit der Frau zum Betriebe von Handels­ gewerben und nur diejenigen Schranken sind hiergegen aufrechterhalten, welche das Familienleben und ihm folgend das Familienrecht erheischt. Dieses ist auch der Standpunkt des neuesten deutschen Rechtes. 2. Wie in der Natur der Verhältnisse begründet ist, sind zu unterscheiden: a. die Handelsfrau (Kauffrau, feminamercatrix, marchandepublique, femme. commer9ante, donna commercianti); b. die Ehefrau des Kaufmannes (uxor mercatoris, femme d’un commer^ant* donna maritata del commerciante).3)4 3. Zu a. Die Handelsfrau, deren Legalbegrifs Art. 6 des HGB. enthält, ist entweder et) selbständige, d. i. alleinige Inhaberin des von ihr betriebenen Handelsgeschäftes, oder ß) durch ein Gesellschaftsverhältniß Socia) verbunden mit einem Anderen, sei es, daß dieser ihr Ehemann oder ein Dritter ist. Liegt ein solches Gesellschafts­ verhältniß vor, so finden die für dieses Gesellschaftsverhältniß geltenden Regeln ihre unbeschränkte Anwendung. 4. Zu b. Die Ehefrau eines Kaufmannes kann zu dem Handelsgewerbe ihres Gatten in einem vierfachen Verhältnisse stehen: a) es ist denkbar, daß sie völlig außerhalb des Handelsgeschäftes ihres Ehemannes sich befindet und sich an dem Betriebe desselben unmittelbar in keiner Weise be­ theiligt; in einem solchen Falle entsteht nur die Frage, ob nicht auf Grund des maßgebenden ehelichen Güterrechts oder besonderer güterrechtlicher Verträge das Vermögen der Frau von den Handelsunternehmungen des Ehemannes ergriffen und sie hierdurch mittelbar an denselben betheiligt wird; ß) die Ehefrau eines Kaufmannes kann aber auch als Gesellschafterin (Socia), wie bereits oben a. ß. angedeutet, an dem Gewerbebetriebe ihres Mannes bethciligt sein und unter der Voraussetzung, daß sie ihren Namen diesem Handels­ gewerbe leiht oder als offene Handelsgesellschafterin daran theilnimmt, gebührt ihr die Stellung eines Kaufmanns sHandelsfrau iin obigen Sinne) auch in diesem Falle;')

*) Vgl. Einleitung und Seite 1, Bem. 2. 2) Italienische Stadtrechte aus dem Ende des 13. u. Anfang des 14. Jahrhunderts (Piaccnza, Verona, Padua, Cremona und Andere) kennen bereits die rechtliche Fähigkeit von Frauen, Handelsgeschäfte zu betreiben, wenn auch unter im Einzelnen verschiedenen Beschränkungen an; für Ehefrauen ist nach eben diesen Stadtrechten, theilweise wenigstens, der Konsens des Ehe­ mannes zum Handelsgewerbebetriebe der Frau erforderlich. (S. Alessandro Lattes, ü diritto commerciale nella legislazione statutaria delle cittä italiane, Milano 1882, S. 84, 86, 87.) — In Deutschland scheinen sich ähnliche Rechtssätze in den Städten zunächst zu Gunsten der Wittwen von Kaufleuten eingebürgert zu haben, im 16. Jahrhundert aber sind da­ selbst Frauen mit dem Rechte, Handel zu treiben, bereits ausgestattet, wobei sowohl die Kon­ sequenzen der Geschäftsvormundschaft, als auch die sogen, weiblichen Rechtswohlthaten verkehr­ entsprechend in den Hintergrund traten. (Vgl. Behrend, Lehrbuch des Handelsrechts § 34, insbes. Amn. 2 ff.; Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechs § 39 Bd. I S. 282, 283 und § 229 Bd. IV. S. 148 ff.). ö) Die Gegensätze sind, wie sich zeigt, keine ausschließenden, denn es kann die Ehefrau eines Kaufmannes auch Handelsfrau sein, uxor mercatrix mercatoris, vgl. b. ß. 4) Vgl. Stobbe a. a. O. § 229 Anm. 14, wo mit Recht angenommen wird, daß mit dem Ausdruck „commerce s6pare“ in Art. 5 des code de commerce dieser Fall nicht aus­ geschlossen wird.

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Erstes Buch.. Vom Handelsstande.

Art. 6.

7) die Ehefrau ist möglicherweise im Handelsbetriebe ihres Mannes angestellt, sei es als Handlungsbevollmächtigte (z. B. Prokurist), sei es als Handlungsgehilfe. In diesem Fällen ist sie nicht Handelsfrau im Sinne des Gesetzes, sondern es finden die einschlägigen Regeln vom Handlungsbevollmächtigten, bezw. Handlungsgehilfen auf sie Anwendung; 8) möglicherweise leistet eine Ehefrau ihrem Manne in dessen Geschäft, ohne darin juristisch angestellt zu sein, Beihilfe. Dieses Verhältniß, welches seinen Grund regelmäßig in der engen Verknüpfung eines an sich kleinen Handelsgewerbes mit dem Hauswesen der Familie hat, weshalb nach den Landrechten auch die Kinder zur Bethätigung in demselben bis zu einem gewissen Grade angehalten werdm können, wird in den älteren Rechten mit den Ausdrücken bezeichnet, daß die Haus­ frau zu offenem Kram und Laden sitzet u. dgl?) und führte nach den Kodifikarionm des 16—18. Jahrhunderts vielfach zu einer Mithaftung der Frau für die Gewerbe­ schulden des Mannes. Es war diese Feststellung auf dem Wege der allmählichen Anerkennung einer deutsch-rechtlichen ehelichen Gütergemeinschaft seitens der roma­ nistischen Jurisprudenz gelegen und so die dem römischen Rechte unbekannte Er­ rungenschaftsgemeinschaft des deutschen ehelichen Güterrechts auf dem Umwege durch das Gewerberecht als eine unter den — gewerbetreibenden — Ehegatten bestehende Societas quaestuaria oder eine communio bonorum quoad adquaestum. zur rechtlichen Anerkennung gelangt12).3 5. Alle diese Verhältnisse stehen unter besonderen verschiedenartigen Rechtsregeln, jedoch keineswegs durchaus unter handelsrechtlichen. Das HGB. beschäftigt sich vielmehr, abgesehen von den Regeln des Gesellschaftsrechts und dem der Handlungsbevollmächtigten und -Gehilfen, nur mit der allgemeinen Rechtsstellung der Handelsfrau, Art. 6 u. 9, und mit der besonderen Frage der Rechtsstellung derjenigen Handclsfrau, welche Ehefrau, Art. 7. u. 8, sei es eines Kaufmannes, sei es eines Nichtkaufmannes ist. 6. Für die allgemeine Rechtsstellung der Handelsfrau ist das Prinzip vorangestellt, daß sie im Handelsbetriebe alle Rechte und Pflichten eines Kaufmannes hat. Vollständig, t>. h. aus­ nahmslos, ist diese prinzipielle Gleichstellung beider Geschlechter nicht durchgeführt und auch nicht durchführbar, zunächst in staatsbürgerlicher Beziehung nicht, so z. B. in Hinsicht auf die Be­ setzung der Kammern für Handelssachen, GVG. § 113, wie Puchelt S. 22 Ziff. 2 richtig hervorhebt; aber auch im Handelsverkehr ist jenes Prinzip nicht durchgeführt und wohl auch kaum durchführbar. So läßt sich z. B. aus dem in Art. 6 vorangestellten Prinzipe nicht folgern, daß Handelsfrauen auch zum geschäftlichen Besuche der Börsen oder zur persönlichen Theilnahme an Generalversammlungen von Aktiengesellschaften berechtigt sein müssen. Andererseits würde jene prinzipielle Gleichstellung der Geschlechter für den Handelsbetrieb unvereinbar sein mit dem Rechtsinstitute der Geschlechtsvormundschaft und daher deren Aufhebung bewirken müssen. Dieses Rechtsinstitut ist aber inzwischen ohnehin unpraktisch geworden?)

Artikel 6. Eine Frau, welche gewerbemäßig Handelsgeschäfte betreibt (Handelsfrau), hat in dem Handelsbetriebe alle Rechte und Pflichten eines Kaufmanns. 1) Vgl. Stobbe a. a. O. und die daselbst angeführten Stadt- und Landrechte; vgl. hierzu Kreittmayr, Anmerkungen über den Cod. Max. bavar. civil. I. S. 332. 2) Vgl. Gareis, Die Errungenschaftsgemeinschaft in den althessischen Gebietstheilen der Provinz Oberhessen. Gießen 1885. S. 47, S. 56, Anm. 6. 3) Vgl. Behrend a. a. O. § 34 Anm. 4; Roth, Deutsches Privatrecht § 62. — Vgl. Preuß. Verordn, v. 5. Juli 1867, betr. Eins. d. ADHGB. in den Herzogthümern Holstein und Schleswig, § 3. — Eine ausdrückliche Aushebung der Geschlechtsvormundschaft über unverheiratete Handelsfrauen enthält auch das Mecklenburger EG. z. HGB. § 8 und das Hannov. § 3. — -Hierzu nun auch CPrO. § 51, Abs. 3. Vgl. Puchelt Comm. hierzu, I. S. 229.

Erster Titel.

Von Kaufleuten.

Art. 6.

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Dieselbe kann sich in Betreff ihrer Handelsgeschäfte auf die in den ein­ zelnen Staaten geltenden Rechtswohlthaten der Frauen nicht berufen. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob sie das Handelsgewerbe allein oder in Gemeinschaft mit Anderen, ob sie dasselbe in eigener Person oder durch einen Prokuristen betreibt. Pr. «bitte. u. Entw. I. 8. Art. 4. «bitte. II. 8. Art. 5. Prot. 3.15-17, 886,1861 ff.

Inhalt. Aktiengesellschaften 6. Alleinbetrieb 3 a, 7, 8, 25. Beihilfe 4, 23, auch Art. 7. Betrieb 7, 8. Bürsenbesuch 6. Buchführung ll, 23 Anm. Bürgschaften 12, 13. Ehefrau s. Art. 7 u. Art. 8. Firma 8, 23. Gemeinschaft mit Anderen 3 ß, 4ß u. y. Generalversammlungen 6. Gerichts st ändigkeit 25. Geschlechtsvormundschaft 6, 25. Gewerbemätzig 7, 18. Handelsbetrieb 9, 8, 24. Handelsfrau 2. 7. Handelsgeschäfte 7, 11, 13. Handelsgesellschaft 3, 4. Handelsgewerbe 7, 18. Handelsregister 18, ll, 23.

Handlungsbevollmächtigter 4y, 7, 23A. Handlungsgehilfe 4y, 23 A. Kammern für Handelssachen 6. Kaufmann s. Art. 6. Konkursordnung 8. Minderjährigkeit 25. Name 8, 23. Persona standi in judicio (Art. 9), 25 Pflichten des Kaufmanns 11, 8. Politische Rechte 6, 25. Präsumptionen ll, 13. Prokuristen 4 y, 7. Rechte des Kaufmanns 10, u. Art. 9 Rechtswohlthaten 12, 13. Register 18, ll, 23. So eia 3 ß, 4 ß u. 8.

Staatsbürgerliche Rechte 6, 25. Strafrechtliche Haftung 8.

7. Da der Begriff „Handelsfrau" gesetzlich aus denselben drei Elementen wie der Legal­ begriff „Kaufmann" zusammengesetzt ist, so daß die Differenziierung nur in der Verschiedenheit des Geschlechtes besteht, so sind die Erörterungen zu Art. 4 über die Gewerbsmäßigkeit (Art. 4 Bem. 2 S. 16), über Handelsgeschäfte (ebenda Bem. 5 S. 17) und über Betrieb (ebenda Bem. 7 S. 18) auch hierher zu beziehen. Zu letzterem Element ist Absatz 3 des Art. 6 heranzuziehen und zwar als eine Bestätigung für die Auffassung, daß es gleichgiltig ist, ob die betreibende Person selbst mit Arbeit an dem Geschäftsunternehmen betheiligt ist, oder ob die technische Ge­ schäftsleitung von einer anderen Person, z. B. von einem Prokuristen, welchen die Handelsfrau angestellt hat, ausgeht. Unzweifelhaft ist der Prokurist,, welchen Absatz 3 des Art. 6 erwähnt, nicht die einzige Person, deren sich die Handelsfrau zur Leitung ihres Handelsunternehmens oder sonstwie zu ihrer Vertretung im Handelsbetriebe bedienen kann, vielmehr ist sie als Kaufmann betrachtet in der Lage, sich durch alle Arten von Bevollmächtigten, welche das Handelsrecht und den Handelsverkehr kennen (Art. 47 und Art. 298), wie jeder andere Prinzipal vertreten zu lassen; auch steht nichts im Wege, daß eine solche Vertretung der Ehemann einer Handelsfrau übernimmt, ohne daß er dadurch selbst Kaufmann würde. 8. Da das Betreiben des Handelsgewerbes wesentlich in dem Geben des Namens, nicht in der aktiven Betheiligung mittels Arbeit oder Kapital besteht (vgl. oben Art. 4 Bem. 7), in jenem Namengeben aber nicht oder wenigstens für sich allein nicht jenes Willensmoment, welches der Strafrichter bei Ahndung von Delikten voraussetzen muß, so ist mit der Bezeichnung der Frau als Geschäftsinhaberin (Prinzipalin) oder Handelsfrau noch nicht die strafrechtliche Verant­ wortlichkeit eben dieser in den Fällen der §§ 209 (Ziff. 3 u. 4) und 210 (Ziffer 2 u. 3) ohne Weiteres gegeben; vielmehr muß die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Handelsfrau unabhängig von ihrer Stellung als Prinzipalin oder Handelsfrau im Sinne des Art. 6 Abs. 1 beantwortet werden. (Vgl. Keyßner, Handelsgesetzbuch S. 17 Nr. 7; Gareis, Lehrbuch S. 81.) Gleiches ist übrigens auch von dem Kaufmann selbst zu sagen. 9. Die Worte „in dem Handelsbetriebe" bedeuten ebenfalls nichts von der Handelssrau im Gegensatze zum Kaufmann Geltendes: beide nämlich, der Kaufmann und die Handelsfrau, haben außer ihrer Handelspersönlichkeit noch eine andere Person in sich, wie bereits oben in den einleitenden Bemerkungen 9 zu Art. 4 S. 15 für den Kaufmann hervorgehoben wurde. Die Handelsfrau ist also ebenso, wie z. B. der ein Handclsgewerbe betreibende Fiskus nicht immer

26

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 6. 7.

als handeltreibend aufzufassen, sondern eben nur in dem Handelsbetriebe. Aber allerdings nicht bloß in ihrem Handelsbetriebe, sondern, wie das Gesetzbuch in Abänderung des Preußischen Entwurfes (welcher statt „dem" „ihrem" sagte) bestimmt, mit der vollen Ausdehnung auf alle nebenher betriebenen Handelsgeschäfte. Durch diese Verallgemeinerung ist einerseits viel Streit vermieden, welcher sonst über die Grenzen des konkreten Handelsgewerbebetriebes unabwendbar geführt werden würde und andererseits das ganze Präsumptionenrecht *) und das ganze von speziellen Handelsgeschäften*2) redende Recht auch auf die Geschäfte der Handelsfrau anwendbar gemacht. 10. Die Gleichstellung der Handelsfrau in ihren Rechten wird in Art. 9 für einen besonderen Fall noch ausdrücklich hervorgehoben; es sind aber diese Rechte nicht bloß formeller Art, sondern auch von materiellen Wirkungen. So hat die Handelsfrau auch alle die materiell­ rechtlichen Befugnisse, welche sich aus den Art. 288—292, 313—316 für den Kaufmann ergeben. Auf Politische Rechte darf jedoch, wie bereits oben E. B. 6 S. 24 hervorgehoben wurde, jene Gleichstellung nicht ausgedehnt werden. 11. Auch die Pflichten, in Bezug auf welche die Händelsfrau dem Kaufmanne gleichgestellt ist, sind nicht bloß formeller Art, wie etwa die Registerpflicht oder die Verbindlichkeit, Bücher zu führen, sondern auch Verpflichtungen des materiellen Handelsrechts, wie sich solche z. B. aus den Art. 280, 281, 282, 297, 300, 301, 309—311 ergeben. 12. Eine Konsequenz jener Gleichstellung ist der Verzicht auf die sogen, weiblichen Rechts­ wohlthaten, welcher ipso jure eintritt, wenn eine Frau durch den Betrieb eines Handelsgewerbes sich zur Handelsfrau macht. Ueber das Vorhandensein dieses gesetzlichen Verzichtes entscheidet lediglich die Thatsache des wirklichen Handelsbetriebes in dem oben erwähnten Sinne, nicht etwa erst die Eintragung in das Handelsregister oder irgendwelche andere Deklaration. Unter den in den einzelnen Staaten geltenden Rechtswohlthaten der Frauen sind vor Allem die Privilegien des weiblichen Geschlechtes in Bezug auf Bürgschaften zu verstehen; gemein-rechtlich ist dies das Privilegium des Vellejanischen Senatsbeschlusses mit den dazu gehörigen Bestimmungen, ferner das Beneficium ex lege XXIII § 2 C. ad senatus consultum vellejanum und das Beneficium der Auth. Si qua mulier C. eod. Tit. (hierüber Windscheid, Pandekten, § 485—488). Aber nicht die gemeinrechtlichen Privilegien allein, sondern jeder andere singuläre Rechtssatz, welcher zu Gunsten des weiblichen Geschlechtes als solchem gemeinrechtlich oder landesrechtlich festgestellt ist, z. B. Art. 2135 deS französischen Civilgesetzbuches (vgl. Puchelt a. a. O. . Art. 22. I. L. Art. 19. II. L. Art. 16. Protokoll« @. 35 ff., 911,1109, 1144, 1151.

Jireie Wahl der Iikrmar 53cm. 19 ff., 111 ff. Wahrheit der Airma: 11-17, 53-93. Anhalt Aktiengesellschaft (vgl. Art. 18, 209) 75 ff., 113. Kommanditaktiengesellschaft (vgl. Art. 173 ff.) 75, 89.

Kommanditgesellschaft (Art. 151, 164, 168) 74,89. Offene Handelsgesellschaft (Art. 86, Hl) 73, 87. Persönlich haftender Gesellschafter (Art. 150, 175).

45. Wenn aus einem Geschäfte geklagt wird, so ist die Begründung nicht erforderlich, daß der Inhaber der Firma zur Zeit des Abschlusses des Geschäftes mit dem jetzigen Klägeroder Beklagten identisch ist, aber daß und warum, wenn der frühere Inhaber ein anderer war als der jetzige, doch der jetzige Inhaber aus dem vom früheren Inhaber abgeschlossenen Geschäfte berechtigt oder verpflichtet ist. Erst wenn die Aktiv- oder Passivlegitimation bestritten wird, bedarf es einer näheren Darlegung des Verhältnisses. ROHG. XXIII (35) 101, 102. S. über alles dies Fuchsberger, Entsch. des ROHG., I, 16, 17. 46. Ein einem namentlich genannten Kaufmanne auferlegter Eid ist dem Inhaber der unter diesem Namen bestehenden Handlung dann abzunehmen, wenn es aus der Sachlage erhellt, daß nicht das Individuum, sondern die Firm a vom Richter gemeint gewesen ist. ROHG. XIV, 305, 308. Bezüglich der offenen Handelsgesellschaften s. Art. 111. Obiges (Bem. 45) zu­ nächst bezüglich des Einzelkaufmannes Gesagte gilt nach Art. 5 des HGB. auch bezüglich der Handelsgesellschaften. 47. Was die Form der Zeichnung der Firma des Kaufmannes anlangt, so ist die­ selbe im Allgemeinen nichr nach anderen Grundsätzen zu beurtheilen, wie die Zeichnung des 4*

52

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 17.

Namens, unter welchem der Nichtkaufmann als Person und Individuum im Leben und Ver­ kehr auftritt* ROHG. XVI, 209.

48. Die Firmenzeichnung erfordert die Unterschrift derselben in allen ihren wesent­ lichen Bestandtheilen. Hat die Firma einen das Geschäft näher bezeichnenden Zusatz, so bildet dieser einen solchen Bestandtheil. Nur in ihrer Vollständigkeit ist die Firma der Handelsname des Kaufmannes. ROHG. XII, 173. 49. Die Unterschrift einer Person mit deren Namen unter Hinzufügung „in Firm a N. N." verbindet nicht die genannte Firma, sondern nur den Schreibenden persönlich. ROHG. XIV, 202. 50. Die Unterzeichnung eines handelsgeschäftlichen Dokumentes seitens eines Kaufmannes nicht mit seiner Firma, sondern mit seinem bürgerlichen Namen, ist für ihn verbindlich; denn der Art. 15 schließt nicht aus, daß eine solche Urkunde, falls nur ihre Herkunft und Absicht klar ist, als Beweismittel bei Rechtsgeschäften, welche das Handelsgeschäft des fraglichen Kaufmannes berühren, berücksichtigt werden darf. ROHG. IX, 215. 51. Die Zeichnung der Firma kann auch in abgekürzter Form geschehen und ist die Unvollständigkeit der Firmenabgabe, wenn über die Person des Absenders keine Ungewißheit be­ steht, unerheblich. ROHG. XVI, 207. 52. Die Bezeichnung von Waaren mit der Firma desjenigen, welcher sie verfertigt oder umsetzt (Etikettierung derselben), fällt nicht unter den Gebrauch der Firma (ROHG. IV 132, 257, 258, VI 249, RG. III, 165), wohl aber möglicherweise unter § 14 des Markenschutzgesetzes. Vgl. unten Bem. 164.

II. Aas Prinzip der Wahrheit der Kirrria A. 1.

(Art. 16, 17, 18, 22 u. 24).

Ursprüngliche Mrma.

Firma des Einzelkanfmannes

(Art. 16).

a) Familiennamen. 53. Im Interesse des Verkehrs des Publikums geht das Handelsrecht von dem Prinzipe aus, daß die Firma auf Wahrheit beruhen müsse. Es darf also die Firma nicht willkürlich gewählt werden, sondern es soll dieselbe den Inhaber des Geschäftes auch wirklich bezeichnen und soll demgemäß der zu wählende Firmennamen mit dem wirklichen Namen der Person des Firmen­ trägers übereinstimmen. (RG. IX, 1.) 54. Dem entsprechend darf somit nach Art. 16 der Einzelkaufmann nur seinen Familien­ namen, mit oder ohne Vornamen, als Firma führen. Der Träger des Familiennamens hat aber auch auf die Führung der Namcnsfirma ein ausschließliches Recht und steht demselben gegen jeden Dritten, der dessen Familiennamen unbefugt als Firma braucht, ein Untersagungsrecht zu, Art. 16 u. 17. RG. V, 112, VII, 280, 281. 55. Dieses Recht ist nicht dadurch bedingt, daß Jener unter seinem Namen Handels­ geschäfte betreibt, und es ist daher auch unerheblich, wenn der Andere seiner den Familiennamen des ersteren führenden Firma einen Vornamen gibt, wodurch sich seine Firma von der ersteren deutlich unterscheidet. Andererseits knüpft sich das fragliche Untersagungsrecht an den Familien­ namen, und kann sich somit der solchen Mißbrauchende nicht darauf berufen, daß nicht der den Familiennamen Tragende, sondern nur der diesen mit dem seiner Firma gleichen Vornamen. Führende in seinem Rechte verletzt sei. Vielfach kommt es wesentlich auf den Familiennamen an, so daß eine Firma mit diesem Namen geeignet ist, einer anderen mit gleichem Namen Kon­ kurrenz zu machen, wenn auch durch die Vornamen oder Zusätze zum Familiennamen die einzelnen Firmen sich hinreichend von einander unterscheiden. Wollte man nur bei Uebereinstimmung desvollen Namens, also auch der Vornamen, ein Widerspruchsrecht zulassen, so könnte durch eine beliebige Wahl der letzteren das Gesetz illusorisch gemacht werden. NG. VII, 280, 281.

Dritter Titel.

Von Handelsfirmen.

Art. 17.

53

56. Als Einzelkaufmann gilt eine Person auch dann, wenn sich an dem Betriebe ihres Handelsgewerbes ein Anderer als stiller Gesellschafter betheiligt, denn die stille Gesellschaft ist dem Publikum gegenüber keine Gesellschaft; diesem tritt der stille Gesellschafter nicht entgegen, sondern nur der Geschäftsinhaber. Auf eine offene Gesellschaft, welche auch einen stillen Gesellschafter hat, findet selbstverständlich der Art. 16 keine Anwendung. 57. Unter Familiennamen, bürgerlichen Namen, ist derjenige Namen zu verstehen, welcher einer Person nach dem jeweils und an dem betreffenden Orte geltenden bürgerlichen Rechte zukommt. Nach letzterem hat sich also zu entscheiden, welchen Familiennamen der Adoptierte, Arrogiertc, bei Annahme an Kindesstatt rc. zu führen und welche Firma derselbe sonach zu wählen hat. 58. Ist nach Landesgesetzen eine Aenderung des Familiennamens zulässig und ist solche in gesetzlicher Weise erwirkt, so muß dieser bei einer späteren Eröffnung eines Handelsgeschäftes als Firma gewählt werden. Die Frage, ob eine Aenderung auf eine bestehende Firma zurück­ wirkt, dürfte zu bejahen sein, denn der bürgerliche Name kann in Folge besonderer Umstände oder wegen äußerer Nebenumstände eine unangenehme Firma werden und deshalb die Veranlassung sein, die Namensänderung in vorgeschriebener Weise zu erwirken. -Ohne Rückwirkung auf die bereits bestehende Firma würde im Falle einer Namensänderung das Prinzip der Wahrheit der Firma durchlöchert. 59. Auch ein adeliger Familiennamen muß geführt werden. Wenn in einzelnen Rechten (z. B. Bayern, Edikt über den Adel vom 26. Mai 1818 § 21) die Ausübung eines offenen Ge­ schäftes den Adel suspendiert, so bleibt nur der Tttel weg, nicht der adelige Name. Busch's Archiv Bd. II S. 284. Endemann, Handbuch für Handelsrecht rc. Bd. I S. 196 Note 12. Anschütz und v. Völderndorff, Bd. I S. 147 Note 3. 60. Die Handelsfrau als Einzelkaufmann führt, wenn sie verhcirathet ist, als Familien­ namen nicht ihren Mädchennamen, sondern den Namen ihres Mannes. 61. Wittwen haben, wenn sie sich als Handelsfrauen neu etablieren, den Familiennamen ihres Mannes als Firma zu nehmen; eine Wittwe kann aber nicht, wenn sie nicht Alleinerbin ihres Mannes geworden oder wenn nicht die Zustimmung der übrigen Erben vorliegt, den Vornamen ihres Mannes in ihre Firma aufnehmen. Anschütz und v. Völderndorff, Bd. I S. 148 Note 6 u. 150. Protokolle S. 35, 911 (Makower S. 46 Anm. 4). 62. Nur wenn letztere Voraussetzungen gegeben sind, kann sie sich des Namens ihres verstorbenen Mannes mit dem entsprechenden Zusatze in Betreff ihres Wittwenstandes sowohl bei Fortführung des Geschäftes ihres Mannes als auch bei Etablierung eines neuen Geschäftes bedienen. 63. Für geschiedene Frauen ist das im Ehescheidungsprozesse ergangene Urtheil maß­ gebend. Wird einer solchen die Fortführung des Namens ihres Ehemannes gestattet, so hat sie diesen Namen auch als Firma zu führen. Hahn, Comm. I 61. Anschütz u. v. Völderndorff I 147. Das vormalige Handelsappellationsgericht in München hat in einem Urtheile vom 18. Mai 1872 (Sammt. Bd. I Nr. 6 S. 390) entschieden, daß dem geschiedenen Ehemanne einer Handelsfrau nach erfolgter Weiterverehelichung der letzteren^ ein Klagerecht auf Unterlassung der ferneren Führung der von derselben während des Bestandes der aufgelösten Ehe angenommenen, mit ihrem damaligen Familiennamen übereinstimmenden Firma nicht zustehe. 64. Die Firma „N. N.'s Sohn" ist nur zulässig, wenn das Geschäft des verstorbenen Vaters nach Art. 22 des HGB. fortbetrieben wird. 65. Doppelte Familiennamen können nur in einer Form, welche jeden Zweifel über das Bestehen eines Einzelgeschäftes ausschließt, in die Firma aufgenommen werden. An schütz und v. Völderndorff I 149. Vgl. oben Bem. 16. 66. Nach § 186 des DGVG. ist die Gerichtssprache eine deutsche und muß nach Art. 19 des HGB. die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister beim Handelsgerichte geschehen, bei welchem Gerichte sie auch einzutragen ist. Hieraus folgt, daß die Firma selbst wie auch die etwaigen Zusätze deutsch sein müssen.

54

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 18.

Artikel 18. Die Firma einer Aktiengesellschaft muß in der Regel von dem Gegenstände ihrer Unternehmung entlehnt sein. Der Name von Gesellschaftern oder anderen Personen darf in die Firma nicht aufgenommen werden. Pr. Enlw. Art. 23. I. L. Art. 20. II. 8. Art. 17.

Protokoll«

6. 37, 911.

Wahrheit der Kirma: Sein. 11—17, 53—93. S « dal «. Aktiengesellschaft 75 ff., 80. Gesellschafter in der Aktiengesellschaft (Art. 209 e, 209 d, 209 e).

Real- (oder Sach-) Firma 8, 76. Zusätze, unzulässige 69, 70, 71, 72, 77, 78. — zulässige 16, 64, 67, 68, 79, 80.

b) Mit oder ohne Vornamen. 67. Die Beifügung des Vornamens ist nicht geboten, aber gestattet. Als Vorname erscheint der nach § 22 des Neichsgesetzes vom 6. Februar 1875 über die Beurkundung des Familienstandes beurkundete. Theilweise Beifügung oder Abkürzung des Vornamens ist gestattet, nicht aber eine Aenderung oder Uebersetzung desselben in eine fremde Sprache. Letzteres ist nur zulässig, wenn die Bezeichnung des Vornamens in fremder Sprache hergebracht und der Name ein allgemein üblicher ist. S. v. Völderndorff, Comm. I. 148. 68. Wird der Vornamen beigefügt, so ist er dem Familiennamen beizusetzen. Vgl. Gut­ achten der Prager Handelskammer Nr. 28 im Centralorgan Bd. II S. 30. c) Zusatz, welcher ein Gesellschaftsverhältniß andeutet. 69. Jede Bezeichnung, welche es zweifelhaft macht, ob nur eine oder mehrere Personen das Geschäft betreiben, ist untersagt. Nicht zulässig ist also der Zusatz „& Compagnie", „N's Nach-, folger", „Gebrüder", „Söhne" re., sofern kein Gesellschaftsverhältniß vorliegt. 70. Der Einzelkaufmann darf durch die Firma nicht den Schein hervorrufen wollen, daß eine Gesellschaft für die Verbindlichkeiten des Geschäftes hafte. Gar eis, Handelsrecht (2. Aust.) S. 65. d) Andere Zusätze. 71. Weitergehende Zusätze als solche, welche zur näheren Bezeichnung der Person oder des Geschäftes dienen, sind unbedingt verboten. Es fallen also unter das Verbot alle Be­ zeichnungen, welche das äußere Etablissement betreffen, weshalb die Beifügung des Etablissements­ namen unstatthaft ist. Gleichfalls unzulässig ist aus demselben Grunde die Beisetzung von Epitheta, wie „gut und billig" re. rc. Anschütz und v. Völderndorff I. S. 149 ff. Durch den gewählten Zusatz dürfen die Vorschriften der Art. 22 und 24 nicht umgangen werden. Ueber den Zusatz „einzig" s. oben S. 21 Anm. 1. — Ueber den Zusatz „Sohn" s. oben S. 53 Bem. 64. — Ueber Beifügung des Familiennamens der Ehefrau s. S. 48 Bem. 16. 72. Bezüglich der Form der Beifügung der erlaubten Zusätze hat das HGB. an sich keine Bestimmungen getroffen, und kann also der Zusatz und der Name des Firmeninhabers beliebig zusammengesetzt werden, so lange dadurch kein Zweifel darüber veranlaßt wird, ob ein Einzelkaufmann oder eine Gesellschaft besteht. — Die Bestimmung des Abs. 2 des Art. 16 HGB. ist nach Art. 5 (vgl. S. 21 Bem. 2) in ihrem zweiten Theile auch auf die Firmen von Handels­ gesellschaften anzuwenden. RG. III, 166. 2.

Firma der offenen Handelsgesellschaft

(Art. 17 Abs. 1 u. 8).

73. Die Gesellschaftsfirmen beherrscht wesentlich der Grundsatz der freien Wahl der Firma. Eine Einschränkung der Wahlfreiheit besteht nur darin, daß, was selbstverständlich ist, das Gesellschaftsverhältniß in der Firma angedeutet sein muß; dagegen können aber die Gesellschafter entweder alle ihre Namen in die Firma aufnehmen, was ge­ wöhnlich geschieht, wenn nur zwei Gesellschafter vorhanden sind, oder sie können den

Dritter Titel.

Von Handelsfirmen.

Art. 18.

55

Namen eines der Gesellschaft ungehörigen Persönlich hastenden Gesellschafters wählen und demselben einen Zusatz geben, der das Gesellschaftsverhältniß anzeigt, wie z. B. & Compagnie. Die Namen aller Gesellschafter mit dem Zusatze „in Comp." od. dgl. zu nennen, ist eben­ sowenig ungesetzlich, wie von mehreren Gesellschaftern nur einige zu erwähnen. wendung des Art. 16 Abs. 2 ist gestattet.

Die analoge An­

RG. III, 166.

Ein der offenen Handelsgesellschaft beitretender stiller Gesellschafter darf aus dem bereits oben

zu Art. 16

Einzelkaufmann.

erwähnten Grunde in

3. 74.

der Firma

ebensowenig

erwähnt

werden,

wie

beim

Vgl. auch unten Bem. 87.

Firma einer Kommanditgesellschaft (Art. 17 Abs. 2 u. 3).

Es gilt hier das Gleiche wie bei den offenen Handelsgesellschaften (s. oben Bem. 73).

Der Namen eines persönlich haftenden Gesellschafters muß in der Firma genannt werden und es muß das Gesellschaftsverhältniß in solcher angedeutet werden.

Da das Gesetz ganz allgemein

von Andeutung des Vorhandenseins einer Gesellschaft spricht, so geht daraus hervor, daß das Gesellschaftsverhältniß auch als eine Kommanditgesellschaft in der Firma bezeichnet werden darf, nur ist nach Abs. 3 des Art. 17 verboten, solches als Aktiengesellschaft zu bezeichnen und dies selbst dann, wenn das Kapital der Kommanditisten in Aktien zerlegt ist.

Die Gesellschaft im

letzteren Falle als „Kommanditgesellschaft auf Aktien" zu bezeichnen, dem steht nichts im Wege. S. über letzteres v. Völderndorff, Comm. Bd. I S. 155.

4. 75.

Unter Namen

Firma einer Aktiengesellschaft (Art. 18). ist im rechtlichen Sinne

derjenige Namen zu

verstehen,

den

eine

Person zu führen berechtigt ist, gleichviel ob diese Berechtigung in dem maßgebenden bürgerlichen Rechte als ein Privatrecht anerkannt ist, oder als eine nur durch Einrichtungen des öffentlichen Rechtes geschützte Befugmß erscheint. nur vermittels ihrer Firma. 76.

Einen Namen in diesem Sinne führt eme Aktiengesellschaft

RG. I, 26—28.

Wenngleich diese in der Regel vom Gegenstände ihrer Unternehmung entlehnt, die

Aufnahme des bürgerlichen Namens einer einzelnen Person in dieselbe untersagt ist und darum auch wohl von einer Sachfirma gesprochen wird, so ist sie doch immer Name der Aktiengesellschaft, nicht Bezeichnung des Unternehmens. 77.

Was das absolute Verbot des Art. 18 Abs. 2, den Namen von Gesellschaftern oder

anderen Personen in solche aufzunehmen, anlangt, so ist der Zweck desselben der, das Publikum vor der Täuschung zu bewahren, als hafte eine Person mit ihrem Vermögen, demselben vielmehr anzudeuten, daß sich die Haftung nur auf das Aktienkapital erstrecke.

Zu irgend welchem Zweifel

in dieser Beziehung kann es eine Veranlassung nicht geben und ist es deshalb auch erlaubt, der Gesellschaft selbst irgend einen Namen, wie es z. B. vielfach bei Versicherungsgesellschaften vor­ kommt,

als Providentia, Phönix rc. zu geben,

werden,

es

doch darf dieser Namen nicht allein gebraucht

muß das Unternehmen gleichfalls benannt werden.

Dies gilt auch von den von

I. Rieß er, Handelscechtspraktikum, 1885, S. 8 Ziff. 18 u. 19 angeführten Fällen. 78.

Ein Personennamen darf auch dann nicht in der Firma einer Aktiengesellschaft er­

scheinen, wenn er nur als Zusatz vorkommt, insbesondere, wenn er ein Nachfolgeverhältniß an­ deutet, da das Verbot des Art. 18 Abs. 2 eine analoge Anwendung des Art. 16 Abs. 2 in dieser Beziehung geradezu ausschließt. 79.

Nicht erstreckt sich dieses Verbot auf die nähere Bezeichnung des Geschäftes und ist

es deshalb z. B. erlaubt, der Firma eine Staats- oder Ortsbezeichnung hinzuzufügen.

Derartige

Beisätze und Namensbezeichnungen sind schon deshalb geboten, weil der Art. 20 auch auf Aktien­ gesellschaften Anwendung findet und die Firma einer sich neu bildenden Aktiengesellschaft

von

allen bereits bestehenden sich deutlich unterscheiden muß. 80.

Ob

die Aktiengesellschaft

als Gesellschaft

schlechthin oder

gesellschaft in der Firma genannt werden will, steht frei.

ausdrücklich

als Aktien­

Erstes Buch.

56

Vom Handelsstande.

Art. 19.

Artikel 19. Jeder Kaufmann ist verpflichtet, seine Firma bei dem Handelsgerichte, in dessen Bezirk seine Handelsniederlassung sich befindet, Behufs der Eintragung in das Handelsregister anzumelden; er hat dieselbe nebst seiner persönlichen Unter­ schrift vor dem Handelsgerichte zu zeichnen oder die Zeichnung derselben in be­ glaubigter Form einzureichen. Pr. Ei,iw. Art. 21. I. L. Art. 31. II. L. Art. 18. Protokolle T. 82 ff., »11; 916 ff.

Anmeldepflicht (Negisterpflichtigkett): Anmeldung 137, 138. Ausnahme zu Gunsten der Reichsbank 135. Eisenbahn 135, 142. Handelsgericht s. Art. 3 u. Anm. Handelsniederlassung 21 ff., 141. — Haupt-Etablissement 21—23. — Neben- „ 22, 41, 142. — Zweig- „ 21—23, 142.

Handelsregister s. Art. 12—15. Kaufmann (Art. 4), auch 36 ff, 140. Konkursrecht 146, isi, 134. Post 135. Priorität der Eintragung 95 ff, 142, 108, 143. Reich 135. ReichSbank 135. Staat 135.

B. Abgeleitete Mvmen 81.

Bern. 135 ff.

(Art. 22 u. 24).

Hierher gehören zwei Fälle. a) Der vollständige Wechsel der Firma-Jnhaberschaft. Hiervon handelt der Art. 22 u. s. hierüber das Nähere unten Ziff. V Bem. 114 ff. von der Uebertragbarkeit der Firma. b) Der theilweise Wechsel in der Firma-Jnhaberschaft. Diesen behandelt der Art. 24 und soll das Nähere hier ausgeführt, werden. 82. Wie bereits oben sub Lit. A (Bem. 53 ff.) bemerkt, soll die Firma möglichst Wahrheit sein. Es ist deshalb, soweit dieses Prinzip eine Verletzung erfahren würde, die freie Wahl der Firmen ausgeschlossen. Dies ist im HGB. für ursprüngliche Firmen ohne Ausnahme durch­ geführt. Bei den abgeleiteten Firmen sind jedoch Ausnahmen (Art. 22 u. 24) zugelassen. Es wird hiermit der Erfahrung. Rechnung getragen, daß der einer Handlung gewährte Kredit zum großen Theile an der Firma haftet und mit derselben auf den Geschäftsnachfolger übergeht. Es sollten deßhalb die erheblichen Störungen der bestehenden Geschäftsverbindungen und die großen Schwierigkeiten verhütet werden, welche bei einem vollständigen oder theilweisen Wechsel der Firma-Jnhaberschaft ohne nicht gleichzeitige Gestattung der Fortführung der bisherigen Firma eintreten könnten. Zugleich ist hiermit aber auch berücksichtigt, daß in der Handelswelt die Er­ haltung alter berühmter Firmen für einen Ehrenpunkt gilt (vgl. oben Bem. 7). Aus alledem geht hervor, daß mit der Gestattung der Fortführung der alten Firma durch einen neuen Geschäftsinhaber vorzugsweise das Handelsgeschäft in Betracht gezogen ist, für welches dieselbe seither geführt worden ist, dessen Kredit und Kundschaft gesichert werden soll, und für welches allein die kaufmännische Anschauung vorn Ehrenpunkte Berücksichtigung beanspruchen kann. Wenn nun auch im Art. 24 die Fortführung der ursprünglichen Firma in den Vordergrund tritt, so beruht dieser Artikel gleichwohl als weitere Abweichung vom Prinzipe der Wahrheit der Firma auf demselben Gedanken, daß solche für ein Handelsgeschäft erhalten werden soll, welches nur einen theilweisen Wechsel in den Personen erfährt, im Uebrigen aber dasselbe, das bestehende Handelsgeschäft bleibt. Wenn also ein bestehendes Handelsgeschäft sich in Folge des Eintrittes oder Austrittes eines Gesellschafters ändert, so kann die ursprüngliche Firma trotz der erfolgten Veränderung fortgeführt werden. 83. Selbstverständlich kann es sich nur um solche Firmen handeln, in welchen neben der Firma das Handelsgeschäft selbst, d. h. dessen Aktiva und Passiva ohne völlige Liquidation des letzteren von einem der mehreren Theilhaber allein übernommen werden, oder wo der einzige Inhaber einem Eintretenden einen Theil seiner Rechte einräumt, weil die Uebertragung bloßer Firmen ohne das Handelsgeschäft durch Art. 23 verboten ist und das Geschäft bei förmlicher Liquidation zu bestehen aufhört, also nicht.von Uebertragung desselben auf einen Theilhaber

Dritter Titel.

Von Handelsfirmen.

Art. 19.

57

sondern nur von Begründung eines neuen Geschäftes die Rede sein kann, bei welcher die Frage über die Zulässigkeit einer Firma nach den über die Errichtung neuer Firmen bestehenden Rechtssätzen zu beurtheilen ist. 84.

S. hierüber noch unter Ziff. IV, Bem. 111.

Weiter, als es der Absicht und dem. Zwecke des Gesetzgebers, der Erhaltung des

Kredits, der Kundschaft und des Ansehens des bestehenden Handelsgeschäftes, des

gänzlichen oder

theilweisen Wechsels der Personen ungeachtet, entspricht, dürfen diese Ausnahmen nicht ausgedehnt werden.

RG. I, 262—265.

.85.

Der Art. 24 hat zur Voraussetzung, daß, wenn auch eine theilweise Aenderung in

dem Personalbestände der Firmeninhaber eintritt, Hoch das bisherige Geschäft fortgesetzt und die bisherige Firma beibehalten werden soll.

Es bedarf also für den Fall des Fortbetriebes des

bisherigen Geschäftes und der Aenderung der Firma keiner besonderen Vorschriften, und ebenso­ wenig greift Art. 24 Platz, wenn, wie bereits oben ausgeführt, das und mit veränderter Jnhaberschaft neu begonnen wird.

bisherige Geschäft aufgelöst

Die Frage der Firma ist in letzterem

Falle nach den über die Errichtung neuer Firmen bestehenden Rechtsgrundsätzen zu beurtheilen. 86.

Durch den Eintritt eines Anderen in ein bestehendes Handelsgeschäft als Gesellschafter

können zweierlei Arten von Gesellschaften, eine offene oder eine Kommanditgesellschaft begründet werden, je nachdem der Eintretende als offener oder als stiller Gesellschafter eintritt, oder der bisherige Geschäftsinhaber persönlich haftender Gesellschafter oder Kommanditist wird. 87.

Für den Fall einer auf die eine oder andere Weise entstehenden offenen Handels­

gesellschaft gilt nicht das oben sub A II 2, Bem. 73, bezüglich der Firma der offenen Handels­ gesellschaften Gesagte, sondern es kann in Abweichung von der Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 die Firma des Einzelkaufmannes fortgeführt werden, und 88.

hat bezüglich der Haftung für die vorhandenen Geschäftsschulden seitens des in das

bestehende Handelsgeschäft eines Einzelkaufmannes als Gesellschafter Eintretenden das Reichsgericht in einem Erkenntnisse vom 9. Januar 1883 ausgesprochen, daß nach vielfachen Entscheidungen des

Reichsoberhandelsgerichts

als eine Regel des

heutigen deutschen Handclsgewohnheitsrechts

(Art. 1 HGB.) gelten darf, daß eine solche Haftung nur dann entstehe, wenn der eintretende Gesellschafter deren Uebernahme den Gläubigern gegenüber erklärt habe. 89.

(RG. VIII, 65.)

Entsteht aber durch den Beitritt eines Gesellschafters auf die eine oder andere der

oben angeführten Arten eine Kommanditgesellschaft, so bleibt gleichfalls in Abweichung von der Bestimmung des Art. 17 Abs. 2 der das Gesellschaftsverhältniß andeutende Zusatz hinweg, wenn der bisherige Geschäftsinhaber persönlich haftender Gesellschafter bleibt, während für den Fall, daß der bisherige Inhaber der Firma Kommanditist wird, er solches zwar seinem neu eingetretenen Mitgesellschafter gegenüber wird, dritten Personen gegenüber aber nach Art. 168, welcher eine Verschärfung des Art. 17 Abs. 2 enthält, voll und solidarisch wie ein offener Handelsgesellschafter verhaftet bleibt, da in Folge der Fortführung der-ursprünglichen Firma der Name des bisherigen Geschäftsinhabers in der Firma der Gesellschaft bestehen bleibt, bezw. die Firma derselben bildet. Das Verhältniß ist ganz das gleiche, ob nur einer oder mehrere Gesellschafter in ein bestehendes Handelsgeschäft eines Einzelkaufmannes eintraten. 90.

Was sodann den weiteren Fall des Art. 24 Abs. 1 anlangt, daß zu einer Handels­

gesellschaft ein Gesellschafter neu hinzutritt oder aus einer solchen austritt, so kann die Anwendung dieser Gesetzesbestimmung selbstverständlich nur dann in Frage kommen, wenn durch diesen Hinzu­ oder Austritt überhaupt eine Veranlassung zu einer Aenderung der ursprünglichen Firma ge­ geben wäre.

Dies ist der Fall, wenn in der Firma sämmtliche Namen der bisherigen Gesellschafter

genannt sind, nicht aber, wenn das bisher bestandene Gesellschaftsverhältniß nur durch einen diesbezüglichen Zusatz, z. B. „& Compagnie" angedeutet ist.

Ganz gleiche Bewandtniß hat es

aus demselben Grunde, wenn einer offenen Gesellschaft ein Kommanditist oder einer Kommandit­ gesellschaft ein weiterer persönlich haftender Gesellschafter oder ein weiterer Kommanditist beitritt oder wenn aus einer Kommanditgesellschaft einer oder mehrere persönlich haftende Gesellschafter oder einer der mehreren Kommanditisten austritt.

Hierüber und über noch anderweitige Kom­

binationen s. Anschütz und v. Völderndorff Comm. Bd. I S. 200 u. 201.

58

Erstes Buch.

Vom Handelsrechte.

Art. 19. 20.

91. Auch bezieht sich der Artikel auf den Fall, daß mehrere Gesellschafter zu einer Handelsgesellschaft hinzutreten oder aus solcher austreten und ist hierunter auch der Fall zu sub­ sumieren, daß ein Austritt aller Mitgesellschafter bis aus einen erfolgt. An schütz und v. Völderndorff a. a. O. S. 201 u. 202. 92. Die ursprüngliche Firma kann selbstverständlich nur mit Einwilligung der bisherigen Inhaber beibehalten werden und ist solche im Falle des Hinzutrittes eines weiteren Inhabers aus der Nichtanmeldung der Aenderung der Firma zu entnehmen. Für den Fall des Austrittes eines solchen Gesellschafters, dessen Name in der Firma enthalten ist, verlangt aber der Abs. 2 des Art. 24 die ausdrückliche Einwilligung in die Fortführung der Firma. Was hier jedoch das Wort „ausdrücklich" anlangt, so bezweckt dasselbe keine Formvorschrift. Das Gesetz schreibt hiermit eine bestimmte Form für den Ausdruck der Willensäußerung nicht vor, sondern es über­ läßt der Beurtheilung des einzelnen Falles, ob der Wille sich in einer solchen Weise kund­ gegeben hat, daß die Einwilligung als eine ausdrückliche anzusehen ist. ROHG. X, 291. 93. Für den Fall der Nichteinwilligung des Ausscheidenden verbietet aber der Abs. 2 des Art. 24 nicht bloß die Fortführung der unveränderten Firma mit dessen Namen, sondern auch den Gebrauch jeder anderen, den Namen des Letzteren enthaltenden Firma und dieses Verbot umfaßt namentlich auch den Fall, wo dieser Name bezw. die denselben enthaltende frühere Firma in einer das Nachfolgeverhältniß andeutenden Weise in die neue Firma aufgenommen wird. RG. V, 111-113.

Artikel 20. Jede neue Firma muß sich von allen an demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden. Hat ein Kaufmann mit einem in das Handelsregister bereits eingetragenen Kaufmann gleiche Vor- und Familiennamen, und will auch er sich derselben als seiner Firma bedienen, so muß er dieser einen Zusatz beifügen, durch welchen sich dieselbe von der bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheidet. Pr. Entw. Art. 21, 24. I. L. Art. 22. II. & Art. 19. Protokolle S. 85, 919 ff.

Ausschließlichkeit der Kirma:

Bem. 18, 94 ff.

Inhalt Amtliches Einschreiten 110. Anmeldung 98. Eintragung 96—99» Erschleichung 100. Firma, bereits eingetragene 97, 99. — muß legal sein 95, 100.

Gemeinde 101, 106. Ort 101, 106. Unterscheidung, deutliche 102, 10J. Bor- und Familiennamen 102, 103. Zusatz 113.

III. Aas Prinzip der Ausschließlichkeit der Mrrna

(Art. 20 u. 23 Abs. 2).

94. Wie auf der einen Seite eine Pflicht des Kaufmannes zur Führung einer Firma besteht und das HGB., um jeden Zweifel über die Identität der Personen zu beseitigen, bezüglich der Führung und Zeichnung dieser Firma genaue Vorschriften enthält, so besteht aus dem gleichen Grunde für jeden Inhaber einer eingetragenen Firma das Recht, jeden anderen an dem Gebrauche seiner Firma zu verhindern. ROHG. XXI, 221 ff. 95. Hieraus, daß das Bestehen einer Firma das Entstehen einer neuen gleichen Firma verhindert, folgt das Prinzip der Ausschließlichkeit der Firma. Vorausgesetzt ist jedoch zunächst die Berechtigung des Inhabers der schon bestehenden Firma zu deren Führung, denn gegenüber einer illegalen Firma ist der Gebrauch der gleichlautenden rechtmäßigen Firma in keiner Richtung gesetzlich beschränkt oder bedingt. (ROHG. VI, 248.)

Dritter Titel.

V§n Handelsfirmen.

Art. 20.

59

96. Nun ist allerdings die Berechtigung zur Annahme und Führung einer Firma nicht von der Eintragung im Firmenregister abhängig (ROHG. III, 411, 412), allein der Rechts­ schutz wird nicht der bestehenden, sondern nur der im Register eingetragenen gewährt. 97. Das bloße faktische Bestehen genügt nach Art. 20 nicht, es muß vielmehr derjenige Firmeninhaber als der stärkerberechtigle angesehen werden, der zuerst den vom Gesetze vorge­ schriebenen Schritt zur Sicherstellung des faktischen Bestehens gethan hat. Der früher eingetragene, wenn auch später entstandene, geht der früher entstandenen aber später eingetragenen Firma vor. 98. Nach einem Erkenntnisse des Berliner Stadtgerichts vom Februar 1863 (Busches Archiv Bd. I S. 395) würde schon die Anmeldung zum Handelsregister über die Priorität ent­ scheiden, allein es stimmt dies nicht mit dem Wortlaute des Gesetzes (v. Völderndorff in Endemann's Handbuch des Handelsrechts rc. Bd. I S. 203 Note 16). 99. Die eingetragene Firma wird in der eingetragenen Form gegen Firmenkonkurrenz geschützt. (ROHG. IV, 256.) 100. Erschlichene Firmen, Firmeneintragungen auf Namen vorgeschobener Personen werden nicht geschützt. (ROHG. IV, 255, VI, 247, X, 292.) 101. Das Bestehen zweier gleichlautender Firmen ist natürlich nicht allgemein, für die ganze Welt oder auch mir für ein ganzes Land zu verbieten; es hat das HGB. die Ausschließ­ lichkeit einer gleichlautenden Firma auch nur innerhalb eines bestimmten geographischen Bezirkes anerkannt und bezeichnet als solchen „denselben Ort" oder „dieselbe Gemeinde". Unter dem Ausdrucke „Ort" versteht man einen bestimmten mit Häusern bebauten Flächenraum, unter „Gemeinde" die politische Zusammengehörigkeit unter einer kommunalen Verwaltung. (Vgl. die Protokolle S. 920 und Anschütz u. v. Völderndorff Bd. I S. 169.) 102. Die Firmen müssen sich von einander nicht nur unterscheiden, es verlangt der Art. 26 Abs. 1, daß sie sich deutlich unterscheiden müssen. Hierunter darf aber das Prinzip der Wahrheit nicht leiden und darf deshalb der Art. 20 mit dem Art. 16 nicht in Kollision kommen. Nach letzterem Artikel ist nur die Firmierung mit dem Familiennamen geboten und die Beisetzung des Vornamens für fakultativ erklärt. Sind die Vornamen verschieden, so gestaltet sich die Sache, um dem Art. 20 zu genügen, sowohl unter Beifügung wie unter Weglassung des Vornamens ganz einfach. 103. Nicht so verhält es sich, wenn die Familiennamen und die Vornamen gleich sind. Auch hier würde die Sache eine einfache Lösung finden, wenn die betreffenden Kaufleute sich über Bei­ setzung oder Weglassung des Vornamens bei einem oder dem anderen einigen können. Anders aber gestaltet sich die Sache, wenn solches nicht der Fall ist und deshalb hat das HGB. in Art. 20 Abs. 2 die Bestimmung getroffen, daß, wenn ein Kaufmann mit einem in das Handelsregister bereits eingetragenen Kaufmanne gleiche Vor- und Familiennamen hat und sich auch derselben als seiner Firma bedienen will, er dieser einen Zusatz beifügen muß, durch welchen sich dieselbe von der bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheidet. 104. Was als „deutliche Unterscheidung" anzusehen ist, ist nach den Umständen des konkreten Falles zu entscheiden. Das Ermessen des Richters und die Handelssitte entscheiden darüber, ob die Unterscheidung deutlich genug ist, um Verwechslungen vorzubeugen, wobei stets die Absicht des Gesetzes, welche dahin geht, das Publikum vor Täuschungen und den Kaufmann vor unsauberer Konkurrenz zu schützen, im Auge zu behalten ist. 105. Für das Recht, tue Firma, mit welcher eine andere gleichbedeutend ist, führen zu dürfen, entscheidet hierbei die Priorität des erlangten Rechtsschutzes. Letzterer auf den Einzel­ kaufmann bezügliche Fall war somit der einzige, welcher eine gesetzliche Regelung erfahren mußte, denn bei den Aktiengesellschaften und den übrigen Handelsgesellschaften läßt sich in einem der­ artigen Falle gleicher Firmen durch Beifügung eines Zusatzes ohne Verletzung des Grundsatzes der Wahrheit der Firma leicht eine deutliche Unterscheidung schaffen. 106. Wird ein bisher selbständiger Ort zu einer größeren Gemeinde geschlagen, so muß im Falle einer Gleichheit bezüglich der schon bestehenden Firmen diejenige einen Zusatz annehmen, welche später angemeldet bezw. eingetragen wurde. Vgl. v. Völderndorffs's Comm. Bd. I S. 169.

60

Erstes Buch.

Vom Haudelsstande.

Art. 21.

Artikel 21. Die Firma muß auch für die an einem anderen Orte oder in einer anderen Gemeinde errichtete Zweigniederlassung bei dem für die letztere zu­ ständigen Handelsgerichte angemeldet werden. Besteht an dem Orte oder in der Gemeinde, wo die Zweigniederlassung errichtet wird, bereits eine gleiche Firma, so muß der Firma ein Zusatz bei­ gefügt werden, durch welchen sie sich von jener bereits vorhandenen Firma deutlich unterscheidet. Die Eintragung bei dem Handelsgerichte der Zweigniederlassung findet nicht statt, bevor nachgewiesen ist, daß die Eintragung bei dem Handelsgerichte der Hauptniederlassung geschehen ist. Pr. E»tw. Art. 25. I. L. Art. 23. II. L. Art. 20. Protokolle S. 37, 920, «661.

Ausschließlichkeit der Airma (8cm. 18,94 ff.) und Itegisterpflichtigkeit ders. Amtliches Einschreiten 110, 145, 146. Ausland, Hauptniederlassung daselbst 144. Bahnhöfe 142. Eisenbahnstationen 142. Gemeinde ioi, 106. Nebenetablissement 21 ff., 142. Ort 101, 106.

(8cm. 27,185 ff.)

Präjudizielle Eintragung 108. Priorität der Eintragung der Hauptniederlassung 108, 143. Unterscheidung 102. Zusatz, freie Wahl 107. Zweigniederlassung 21—23, 107, 142.

107. Gleich vor dem Gesetze ist es, ob die Firma die einer Hauptniederlassung oder die einer Zweigniederlassung ist. Hierüber hat das Handelsgesetzbuch in Art. 21 Abs. 2 eine Be­ stimmung dahin getroffen, daß, wenn an dem Orte oder in der Gemeinde, wo die Zweignieder­ lassung errichtet wird, bereits eine gleiche Firma — sei es nun die Firma eines selbständigen Geschäftes oder einer dortselbst bereits unter dieser Firma registrierten Zweigniederlassung — besteht, die neu angemeldete Zweigniederlassung der Firma ihres Geschäftes einen unterscheidenden Beisatz hinzufügen muß. 108. Die Registerbehörde am Orte der Zweigniederlassung ist an die Entscheidung des Registergerichts vom Orte der Hauptniederlassung in Betreff der Frage der Gleichartigkeit ge­ bunden. (Erkenntniß des Königsberger Kommerz- u. Admiralitäts-Kollegiums, abgedruckt im Centralorgan, neue Folge Bd. I S. 51.) 109. Was die Normen des Verfahrens von Amtswegen zur Durchführung des Art. 20 des HGB.'s anlangt, so hierüber vorläufig folgendes: Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch unterscheidet: a) die im Civilprozesse realisier­ bare Verfolgung des in dem Art. 27 a. a. O. ins Auge gefaßten Anspruches des durch den unbe­ fugten Gebrauch einer Firma Verletzten gegen den unbefugt Gebrauchenden auf Unterlassung weiterer Führung derFirma und aufSchadensersatz; hierüber s. sub gtff. VII, vgl. unten Bem. 159; und 110. b) das gemäß Art. 26 a. a. O. von Amtswegen zu bethätigende Verfahren des Handels­ gerichts, wodurch dasselbe den Kaufmann, dessen neuere Firma sich nicht, wie solches im Art. 20 a. a.O. verordnet ist, deutlich von allen an demselben Orte oder in derselben Gemeinde bestehenden und in daS Handelsregister eingetragenen Firmen unterscheidet, durch Ordnungsstrafen zur Unter­ lassung des Gebrauches der unzulässig erscheinenden und zum Gebrauche einer deutlich unter­ scheidenden Firma nöthigt. Ueber dieses nicht in der Reichscivilprozeßordnung geregelte, sondern zur Regelung der einzelstaatlichen Gesetzgebung überlassene Verfahren f. sub giss. VI Bem. 185 ff., 154. Bezüglich dieses Verfahrens von Amiswegen ist hier besonders zu erwähnen. Es liegt keine Provokationssache vor, da hier gar nicht von einem Provokanten und Provokat die Rede sein kann; es ist vielmehr der Inhaber der einen Firma allein im Sinne des Gesetzes der Betheiligte und gibt der Inhaber der anderen Firma nur eine gelegentliche Veranlassung zum. amtlichen Einschreiten, wobei er im Verfahren nur als Quelle zur Ermittelung des Sachverhaltes

Dritter Titel.

Von Handelsfirmen.

Art. 21. 22.

61

in Betracht kommen kann. Das betreffende Gericht muß völlig objektiv von Amtswegen, unter Würdigung aller vorliegenden konkreten Umstände, prüfen, ob eine erlassene Verfügung zu befolgen und demgemäß eine Ordnungsstrafe festzusetzen ist, oder ob eine Verpflichtung nicht besteht, eine solche Verfügung zu befolgen, und daher die letztere aufzuheben ist, sowie im ersteren Falle, ob eine neue Verfügung unter Ordnungsstrafandrohung zu erlassen oder etwa solches wegen Ver­ änderung der Umstände zu unterlassen ist. (RG. II, 227, 228.)

IV. Aas Arinzip der freien Wahl der Mrma

(Art. 16 Abf. 2, Art. 17, 22 u. 24; Bern. 19 ff.).

111. Dieses Prinzip ist nur soweit anwendbar, als hierdurch nicht der Grundsatz der Wahrheit der Firma verletzt wird, also, wenn es sich um die Errichtung einer neuen Firma handelt, in Bezug auf die Abkürzungen der Vornamen, der Sach- oder Ortsbezeichnung, der Gesellschastsbezeichnung, jedoch so, daß mehrere Firmen (z. B. Uebersetzungen) für ein und das­ selbe Geschäft sowie eine oder mehrere Firmen für mehrere Etablissements desselben Inhabers geführt werden können (ROHG. XX, 35, 36); 112. weiter reicht die Wahlfreiheit, wenn ein Etablissement auf einen neuen Erwerber übergeht; dieser kann zwischen einer neuen Firma und der Erhaltung des bisherigen Namens mit oder ohne Zusatz wählen, wenn Einverständniß der Betheiligten vorliegt. (ROHG. X, 291.) Gareis, Deutsches Handelsrecht (2. Aufl.) S. 66. — S. hierüber unter Ziff. II u. V. 113. Die Wahlfreiheit besteht ferner in hohem Maße überall da, wo es sich um die Wahl der erforderlichen oder zweckmäßigen, deutlich unterscheidenden Zusätze handelt, z. B. Art. 16, 18, 20, 21, 22; vgl. Bem. 77 n. E.

Artikel 22. Wer ein bestehendes Handelsgeschäft durch Vertrag oder Erbgang erwirbt, kann dasselbe unter der bisherigen Firma mit oder ohne einen das Nachfolge­ verhältniß andeutenden Zusatz fortführen, wenn der bisherige Geschäftsinhaber oder dessen Erben oder die etwaigen Miterben in die Fortführung der Firma ausdrücklich willigen. Pr. @ntto. Art. 26. I. fi. Art. 21. II. L. Art. 21. Prot. @. 38 ff., 920, 1431 ff.

ZlevertragSarKelt der Kirnt« r

Bem. 25, 114 ff.

Inhalt.

Abgeleitete Firmen 81 ff. Aktivaübergang 126. Einwilligung, ausdrückliche 92, 128—131. — deS Konkursschuldners 131. Erbgang, Singularsuccession 134. — Universalsuccession.

Erwerb eines HandelsetabliffementS 120 ff. Geschäftöveräußerung als Handelsgeschäft US.. Haftung für die Geschäftsschulden 120 ff. Handelsbücher 127. Handelsgeschäft, hier Etablissement, Firma nicht ohne dieses zu veräußern (s. Art. 23) 114, 117, 120 ff.

KonkurS des Firmeninhabers 131, 134, 146. Liquidation, Abwesenheit dieser vorausgesetzt beim Uebergang 83, 85, 117, 133, 134. Nachfolaeverhältniß 64. Passivanbernahme s. Schuldübernahme. Registrierung der Etabliffementsübernahme 122. Schuldübernahme 120—125. Uebergang der Aktiva 126. Unterscheidung 102, 104. Verbot der Firmenfortführung 93. Vertrag zu Gunsten Dritter 125. Zwangsvollstreckung in die Firma 131, 134. Zweigniederlassung 118.

Handelsvermögen 126.

V. Aas

Prinzip

der Aeöertragöarkett der Mrma

(Art. 22 u. 23, vgl. Bem. 25 ff.).

114. Wie bereits oben sub Ziff. II lit. B Bem. 81 ausgeführt, läßt sich das Prinzip der Wahrheit, daß die gewählte Firma ihren Träger so genau als möglich bezeichnen müsse, nicht als ausnahmslose Regel hinstellen. Von diesem Erfordernisse der Wahrheit der Firma statuiert das HGB. Befreiungen aber nur zu Gunsten bereits bestehender Handelsgeschäfte. Wie der Art. 24, so macht auch Art. 22 des HGB.'s hiervon eine Ausnahme und gilt das, was Bem. 82 ff. gesagt ist, analog auch hier. Es läßt sich aus solchem unzweideutig erkennen, daß mit der Gestaltung der Fortführung der alten Firma durch einen neuen Geschäftsinhaber vorzugsweise, das Handels­ geschäft in Betracht gezogen wurde, für welches dieselbe seither geführt worden ist, dessen

62

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 22.

Kredit und Kundschaft gesichert werden sollte, und für welches allein die kaufmännische Anschauung vom Ehrenpunkte Berücksichtigung beanspruchen konnte. Damit erklärt sich die Fassung des Art. 22, welche nicht von Fortführung der Firma, sondern von Fortführung des bestehenden Handelsgeschäftes ausgeht, welches durch Vertrag oder Erbgang erworben worden ist. (RG. I, 262—265.) 115. Ein Handelsgeschäft kann sowohl durch testamentarische, als Jntestat-Erbfolgc und Schenkung von Todeswegen, wie durch jedes Rechtsgeschäft unter Lebenden, z. B. Verkauf, Tausch, Schenkung, Vergleich, Verzicht seitens des bisher Berechtigten, ja sogar durch Ver­ pachtung, worin eine Veräußerung im weiteren Sinne liegt, erworben werden. 116. Die Gesetzesbestimmung m Art. 22, daß das durch Vertrag oder Erbgang er­ worbene Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne einen das Nachfolgeverhältniß andeutenden Zusatz vom neuen Erwerber fortgeführt werden kann, wird von dem Grundsätze der freien Wahl der Firma beherrscht. S. hierüber sub Ziff. IV, Bem. 111. 117. Die Fortführung des bestehenden Handelsgeschäftes ist aber unerläßliche Bedingung sowohl des Erwerbes als des Behaltens der Firma, denn wäre dies nicht der Fall, so könnte durch eine dem Erwerbe früher oder später nachfolgende völlige Umwandlung des Geschäftes das Gesetz umgangen und für ein neu begründetes Geschäft eine alte (unwahre) Firma geführt werden. Die Fortführung einer dem wahren Sachverhältnisse nicht entsprechenden Firma ist nur unter der Bedingung gestattet, daß das Geschäft, für welches dieselbe bisher geführt wurde, im wesentlichen als dasselbe fortbestehe, und ist für diese Annahme unter Geschäft nicht bloß der Vermögenskomplex, sondern auch das kaufmännische Unternehmen zu verstehen, welchem jener dienstbar ist. (RG. I, 265.) 118. Besteht neben einem Handelsgeschäfte eine Zweigniederlassung und wechselt nur letztere den Besitzer, während das Hauptgeschäft bleibt, so geht die Firma auf den Erwerber der Zweigniederlassung deshalb nicht über, weil solche am Geschäfte als solchem haftet. (Busches Archiv Bd. IV S. 129 und Anschütz u. v. Bölderndorff Bd. I S. 185.) 119. Die Veräußerung eines Handlungs-Etablissemenrs mit Aktivis und Passivis an einen Dritten ist — möglicherweise wenigstens — ein Handelsgeschäft. ROHG. XI, 150. 120. Die Frage, ob der Rechtsnachfolger einer Firma durch Uebernahme des Geschäftes mit allen Passiven für die Geschäftsschulden des früheren Inhabers verhaftet wird, hat das Handelsgesetzbuch offen gelassen, insbesondere nicht in den Art. 22 und 23 entschieden. Es fehlt auch an jedem haltbaren Grunde für die Annahme des Bestehens einer festen handelsrechtlichen Praxis in dem Sinne, daß der Eintritt in das Handelsgeschäft eines Einzel­ kaufmannes ebenso, wie der Eintritt in eine schon bestehende Handelsgesellschaft ohne Weiteres die Verhaftung für die älteren Passiven nach sich ziehe. Das ROHG. ging nun in verschiedenen Entscheidungen von dem Grundsätze aus, daß ein Vertrag, wodurch ein Handelsgeschäft mit Aktiven und Passiven übertragen und übernommen wird, zunächst nur ein obligatorisches Ver­ hältniß zwischen den beiden Kontrahenten begründe, aber noch nicht den Uebernehmer den Ge­ schäftsgläubigern gegenüber obligiere. Um das Letztere herbeizuführen, bedürfe es noch eines weiteren, das obligatorische Band zwischen dem Uebernehmer und den Geschäftsgläubigern knüpfenden Aktes, und dieser Akt liege in der Bekanntmachung der Uebernahme, nämlich der Uebernahme der Passiva, seitens der Betheiligten in öffentlichen Blättern, durch Cirkular an die Geschäftsfreunde, durch Börsenanschlag oder in sonst geeigneter üblicher Weise. Nur auf solche Weise sei nach den Grundsätzen des heutigen Handelsverkehrs der Uebernehmer für die Passiven des übernommenen Geschäftes in gleicher Weise, wie für die von ihm selbst kontrahierten Schulden für haftbar zu erachten, ohne daß es eines besonderen Nachweises des speziellen Inhaltes des zwischen dem Veräußerer und Uebernehmer des Geschäftes wegen Vertretung der Schulden abgeschlossenen Vertrages bedürfe, gleichviel ob die Firma beibehalten oder geändert werde. Das ROHG. erachtete bei einer erfolgten allgemeinen Veröffentlichung eines Cirkulars nicht noch eine spezielle Uebersendung desselben an den einzelnen Gläubiger für nothwendig; benahm aber einer Mit­ theilung desselben an nur einige wenige Geschäftsfreunde die Bedeutung einer öffentlichen Bekannt-

Dritter Titel.

Von Handelsfirmen.

Art. 22.

63

machung, so daß andere Gläubiger, welche eine solche Meldung nicht erhalten haben, keine Rechte hieraus ableiten können.

Hat aber der Uebernehmer eines Geschäftes bei der Uebernahme in

obiger Weise eine öffentliche Bekanntmachung dahin erlassen, daß die Passiva des Geschäftes auf ihn übergehen, so kann er den Geschäftsgläubigern gegenüber späterhin nicht den Einwand ge­ brauchen, er habe sich ihnen gegenüber nicht verpflichtet, ihnen sei das Cirkular nicht zugestellt worden.

(S. hierüber die Zusammenstellung der Entscheidungen des ROHG. in Fuchsberger,

Entsch. des ROHG. und RG. Bd. I S. 22 ff. und Suppl.-Bd. hierzu S. 9 ff.) Nach der Rechtsprechung des ROHG. ist somit die Frage, ob der Rechtsnachfolger einer Firma durch die Uebernahme des Geschäftes mit allen Passiven für die Geschäftsschulden des früheren Inhabers verhaftet wird, durchgehends verneint, zugleich aber festgestellt, daß aus der Bekanntmachung, die Passiva übernommen zu haben, der Geschäftserwerber unbedingt haftet. 121.

Das Reichsgericht geht aber in Abweichung von der Rechtsprechung des ROHG.

in einem Erkenntnisse vom 9. Juli 1880 (RG. Et, 55, 56) weiter, indem es den Uebergang der Passiva auf den Erwerber eines bestehenden Handelsgeschäftes für den Fall annimmt, daß derselbe durch Vertrag mit dem bisherigen Inhaber oder dessen Erben unter Uebernahme der vorhandenen Aktiven und Passiven in alle geschäftlichen Beziehungen desselben eintritt und

nun

das

Geschäft

unter

Beibehaltung

der

früheren

Firma fortsetzt.

Es

motiviert diesen Ausspruch damit, daß in einem solchen Vorgänge für den kaufmännischen Verkehr ein wirksames Angebot des Erwerbers an die Geschäftsgläubiger, denselben für ihre Forderungen an den früheren Inhaber des Geschäftes gerecht zu werden, also eine Offerte liege, welche der besonderen Zustimmung, der ausdrücklichen Annahme dieser Gläubiger um so weniger bedürfe, als sie nur Rechte für dieselben begründe.

Hierbei ist ausdrücklich hervorgehoben, daß

vom Standpunkte der Handelssitte und des praktischen Bedürfnisses, sowie nach den Grund­ sätzen von Treue und Glauben im Handelsverkehre der Fortführung des Geschäftes unter der­ artigen Umständen dieselbe Wirkung beigelegt werden müsse, wie in der öffentlichen, handelsüblichen Bekanntmachung des Erwerbers, daß Diese

von

der

Reichsgerichts der

früheren

Praxis

führt

des

auch

konstanten

zu

er die Passiva des Geschäftes mit übernommen habe.

Reichsoberhandelsgerichts einer

Praxis

förmlichen des

völlig

Umwälzung

abweichende der

Reichsoberhandelsgerichts

Entscheidung

Beweislast: dem

Während

klagenden

des nach

Geschäfts­

gläubiger zur Begründung seines früheren Forderungsanspruches gegen den beklagten späteren Inhaber des Geschäftes der Nachweis oblag, daß die Veröffentlichung der Uebernahme der Schulden wirklich erfolgt sei, und in einer etwaigen Erwiderung des Beklagten, daß er aus dem Vertrage des Klägers mit seinem Geschäftsvorgänger dem Kläger nicht verhaftet sei, nicht eine eigentliche von ihm zu beweisende Einrede, sondern nur

eine negative Litiskontestation liegt,

während also zur Begründung des Anspruches der Nachweis gehörte, weshalb der Beklagte aus dem Geschäfte seines Vorgängers dem Kläger verhaftet sei, und da diese Verhaftung nicht aus der Geschäftsübernahme und auch noch nicht aus der Uebernahme der Passiva für sich allein folgte, sondern erst durch die öffentliche Bekanntmachung dieser Uebernabme begründet werden konnte, der Kläger den Nachweis zu führen hatte, daß die Bekanntmachung der Uebernahme der

Passiva

geschehen

sei,

so

wird

nach

der

Rechtsprechung

des

Reichsgerichtes

durch

die Fortführung eines übernommenen Geschäftes unter unveränderter Beibehaltung der Firma die

Vermuthung

begründet,

daß

eine

Fortsetzung

nahme der vorhandenen Schulden stattgefunden habe.

der

bestehenden

Gesellschaft

mit

Ueber­

Hiermit wird eine Rechtsvermuthung aus­

gesprochen, welche zur Folge hat, daß es gegenüber einer hierauf gestützten Klage dem beklagten Er­ werber des Handelsgeschäftes obliegt, mit bestimmten Einwendungen hervorzutreten, wenn nach Maß­ gabe des bei der Uebernahme des Handelsgeschäftes abgeschlossenen Vertrages die früheren Geschäfts­ schulden dem ursprünglichen Geschäftsinhaber überwiesen worden waren; denn aus der Thatsache allein, daß das Handelsgeschäft übergegangen ist, kann noch nicht hergeleitet werden, daß die Kontrahenten bei dessen Veräußerung die Uebernahme der Passiva seitens des neuen Erwerbers vertragsmäßig herbeiführen wollten und herbeigeführt haben.

64

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 23.

Artikel 23. Die Veräußerung einer Firma als solcher, abgesondert von dem Handels­ geschäft, für welches sie bisher geführt wurde, ist nicht zulässig. Pr. @«i,60. 60. A 1A

IO

OK

9C

K.O

Identität der Verpackung 59 ff. Namen 56. Waarenzeichen 14 ff. Wahrnehmbarkeit der Unterschiede 59, 60.

80. Was die Vollstreckung der vom Strafrichter über eine Buße erlassenen Entscheidung, anlangt, so bestimmt der § 495 der RStPO., daß solche nach den Vorschriften über die Voll­ streckung der Urtheile der Civilgerichte erfolgt und sind sonach die einschlägigen Bestimmungen der REPO, über die Zwangsvollstreckung maßgebend. Ist der Verurtheilte gestorben, so verliert zwar das Straferkenntniß seine Wirksamkeit, nicht aber das auf Buße lautende Urtheil, welches vielmehr gegen die Erben des Verstorbenen vollstreckt werden kann. 81. Obwohl die Zuerkennung einer Buße eiuen Theil des Strafurtheiles bildet, so ist hierbei doch zu beachten, daß solche nicht als eine Strafe im Sinne des Strafgesetzes aufzufassen ist. Es können deshalb auch nicht die bezüglich einer zuerkannten Geldstrafe geltenden Be­ stimmungen des Strafgesetzbuches, z. B. über Umwandlung in Freiheitsstrafe im Uneinbringlich­ keitsfalle, Verjährung re. auf sie Anwendung finden, es gelten vielmehr bezüglich derselben die diesbezüglichen civilrechtlichen Vorschriften. Dem Nebenkläger stehen die gleichen Rechtsmittel wie dem Staatsanwalte, jedoch unab­ hängig von demselben, zu, und ohne an die dem Staatsanwalte laufende Fristen gebunden zu sein. Jedem Theil läuft vielmehr die Frist von der für ihn wirksamen Publikation der Ent­ scheidung an (RG. 11. Februar 1882, Rechtspr. IV [79] 155, 156, Entsch. VI [13] 28, 29\ Wird auf ein nur von dem Nebenkläger eingelegtes Rechtsmittel die angefochtene Entscheidung aufgehoben, so liegt der Betrieb -der Sache wiederum der Staatsanwaltschaft ob (§ 441 Abs. 2 der RStPO.). Ueber die prozessualen Bestimmungen der Nebenklage, welche in §§ 435—446 der Reichs­ strafprozeßordnung enthalten sind, s. Stenglein Comm. hierzu S. 643 ff., namentlich S. 651 und Fuchsberger, Entscheidungen des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Strafprozeßrechtes S. 365 ff. Nach § 15 haften die zur Buße Verurtheilten als Gesammtschuldner, d. h. solidarisch für den Gesammtbetrag. Die mehreren Verurtheilten können sich in verschiedener Richtung durch widerrechtliche Waarenbezeichnung, Feilhalten rc., also nicht bloß als Mitthäter oder Theilnehmer

Anhang zum dritten Titel.

Das Markenschuhgesetz.

109

an der Strafthat, gegen das Gesetz verfehlt haben, zu einer Buße sind aber nur diejenigen zu verurtheilen, durch deren Handlungsweise ein Schaden verursacht wurde.

Mehrere in demselben

Verfahren wegen Vergehens gegen das Markenschutzgesetz verurtheilte Angeklagte hasten für die dem Nebenkläger zuerkannte Buße dann nicht solidarisch, wenn dieselben nicht Theilnehmer an ein und derselben strafbaren Handlung gewesen sind. Dies

hat

RG. f. Str. V (85) 251, 252, RA. III (344) 720.

der Richter genau zu prüfen

der Berurtheilung

einem

jeden

und

ist er hierbei nicht gehindert, den Betrag

besonders zuzumessen.

Durch

die Zahlung

der Buße seitens

eines der hierzu Berurtheilten werden die übrigen von ihrer Verpflichtung gegen den Beschädigten befreit.

Ob in diesem Falle der Zahlende einen Regreß gegen die Uebrigen hat, bestimmt sich z. Z.

nach dem jeweils geltenden Civitrechte der einzelnen Staaten und wird solches durch das in Aus­ sicht gestellte deutsche Civilgesetzbuch geregelt werden. Subjekt der Bußeforderung ist der „Beschädigte" und versteht hierunter der § 15, obwohl er sich dieses Wortes nicht bedient, den Verletzten.

S. Meves 1. c. S. 226 u. 227.

Rach § 444 Abs. 4 der RStPO. kann der Anspruch auf Buße von den Erben des Ver­ letzten nicht erhoben oder fortgesetzt werden.

Denselben bleibt also bezüglich eines ihrem Erblasser-

erwachsenen Entschädigungsanspruches nur der Civilrechtsweg übrig. 82.

d) Nach § 17 zieht die Berurtheilung auf Grund des § 14 wegen wissentlich wider­

rechtlicher Zeichenführung zwei Folgen nach sich. Der

erste

Absatz

gibt

dem

Verletzten

das

Recht

auf

Vernichtung

der

widerrecht­

lichen Zeichen. Er bezieht sich auf die im Besitze des Berurtheilten befindlichen Waaren.

Unter Besitz

ist hier das thatsächliche Innehaben zu verstehen, wobei es gleichgültig ist, ob der Verurtheilte die Waaren auf Lager

durch Kauf erworben oder auf Kommission oder als Beauftragter eines Anderes hat.

Voraussetzung

ist Hierbei allerdings, daß

der Verurtheilte

die Waaren

zum

Zwecke des Inverkehrbringens oder Feilhaltens in seinem Besitze hat. Der Richter

darf nicht

Waaren oder der Verpackung

von

Amtswegen

auf Einziehung

derselben erkennen.

letzten geschehen und muß im Falle

Es

kann

der Waarenbezeichnung,

einer Antragstellung hierauf erkannt werden.

stellung hat in erster Instanz und vor Erlassung Markenreinigung s. Köhler a. a. O S. 346 ff.

bei*

dies nur auf Antrag des Ver­

des Urtheiles zu geschehen.

Die Antrag­ Ueber die sog.

Entgegengesetzt der Ansicht von Meves 1. c.

S. 238 und Endemann 1. c. S. 89 f. hat das Reichsoberhandelsgericht entschieden, daß nach § 17 Abs. 1 auf Vernichtung der Zeichen auch im Civilverfahren erkannt werden kann und zwar im Gegensatze zu dem zweiten auf die Veröffentlichung des Urtheiles bezüglichen Absätze des § 17, derdie Berurtheilung im Strafverfahren voraussetzt.

Der

davonabhängig, daß die Berurtheilung auf Grund des § 14

erste Absatz macht die Vernichtung erfolgt und diese kann, insoweit cs

sich um eine Entschädigung handelt, auch im Civilverfahren erfolgen. 228, 234). §

(Entsch. des ROHG. XXIV.

Diese Ansicht des ROHG. theilen auch Klosterm ann S. 448, Thöl, Handelsrecht

209 V, und Köhler, Markenschutz S. 349, 350.

Ueber den polizeilichen Charakter

der

Konfiskation im Sinne des § 17 s. Köhler, a. a. O. S. 400 ff. Die Vernichtung erstreckt sich zunächst nur auf die Zeichen und wenn dies unmöglich, auf die Verpackung, wenn solche das Zeichen trägt, und zwar hier unter möglichster Schonung der Waare.

Die Waare selbst soll sie

nur

dann umfassen,

wenn auf solcher das Zeichen der Art

angebracht ist, daß es hiervon nicht abgelöst werden kann.

Die Art der auszuführenden Ver­

nichtung ist Gegenstand des Antrages und des hierauf zu erlassenden Beseitigungs- oder Ver­ nichtungsurtheils.

Es ist das nicht der Vollstreckungsinstanz zu überlassen, sondern es ist schon

im Laufe der Untersuchung und bezw. des Prozesses zu untersuchen, Art der Beseitigung, eventuell Vernichtung Platz zu greifen hat.

ob die eine oder die andere

Wie die Vernichtung zu er­

folgen hat, das ist dem vollstreckenden Beamten zu überlassen, der hierbei den einen Zweck er­ zielen muß, daß die Waaren nicht mehr unter der falschen Bezeichnung in den Verkehr gelangen können.

110

Erstes Buch. Vom Handelsstande.

Die zur Herstellung der Waarenbezcichnungcn benutzten Instrumente unterliegen der Ein­ ziehung. (Meves 1. c. S 239). Die durch die richterliche Ausführung der Vernichtung ent­ standenen Kosten fallen dem Verurtheilten zur Last. §

19.

Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch die Klage ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes erhöhen wird, gelten im Sinne der Reichs- und Landesgesetze als Handelssachen. Kandekssache. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten 68, auch 62—66.

Handelssache, Begriff s. Art. l u. die Bem. hierzu. Landcsgesetze s. oben Einleitung (Einf.-Gesetze z. HEB.).

Rechtsstreitigkeiten, bürgerliche 62—68. Reichsgesetze s. HGB. Art. i und Ger.-Berf.-Gesetz 8 ui ff-

83. Der zweite Absatz des § 17 des MSchG, ist dem § 200 des RStrGB's. nachgebildet und dem Strafverfahren zugewiesen. Die Anwendung dieser Gesetzesvorschrifr ist von einem Antrage des Verletzten unabhängig und hat von Amtswegen zu erfolgen. Ob der Verletzte von der ihm zugesprochenen Publikationsbesugniß Gebrauch machen will, dies ist ihm anheim ge­ geben. Unter allen Umständen ist er an die vom Richter im Urtheile vorgesetzte Frist ge­ bunden, die mit der Beschreitung der Rechtskraft des verurtheilenden Erkenntnisses ihren An­ fang nimmt. Der Richter hat auch die Art der Bekanntmachung zu bestimmen. Er hat also im Ur­ theile anzugeben, was von demselben seitens des Verletzten bekannt gemacht werden darf, ferner auf welche Weise die Publikation zu erfolgen hat, und ob dieselbe mehrmals und in verschiedenen Blättern oder nur einmal und in einem Blatte, sowie in welchem,-geschehen darf. (Rechtspr. Bd. III Nr. 13 S. 27.) Die Kosten der Publikation hat der Verurtheilte zu tragen, selbstverständlich wenn von ihm die im Urtheile bestimmte Art und Frist der Bekanntmachung eingehalten worden ist. Zum Zwecke der Bekanntmachung ist dem Verletzten aus dessen Antrag von der Gerichts­ schreiberei des betreffenden Strafgerichts eine beglaubigte Abschrift des Urtheiles mit der Be­ stätigung von dessen Rechtskraft zuzustellen. Die vereinigten Strafsenate haben in einem Urtheile vom 17. April 1882 (RG. f. Str. Vif 180—184, RA. IV, 333 — 337) ausgesprochen, daß der Urtheilsbckanntmachung nach § 200 des RStrGB. ein pönaler Charakter innewobne und daß demgemäß die Befugniß zur öffentlichen Bekanntmachung der Verurteilung dann nicht zu ertheilen sei, wenn eine Beleidigung in idealer Konkurrenz mit einem Delikte verübt ist, welches mit einer schwereren Strafe bedroht ist. Dieser Plenarentscheidung analog hat dann der II. Strafsenat in einem Urtheile vom 23. März 1886 (RG. f. Str. XIV, 3 4) erkannt, daß auch bei einem Vergehen gegen § 14 des Markenschutzgesehes dem Verletzten die Befugniß zur öffentlichen Bekanntmachung der Ver­ urteilung dann nicht zu ertheilen sei, wenn das Vergehen in idealer Konkurrenz mit Betrug (also einem mit schwererer Strafe bedrohten Delikte) verübt ist. Zur Begründung ist hier aus­ geführt, daß, obwohl die Bekanntmachung auch in § 200 des RStrGB. in das Belieben des Ver­ letzten gestellt ist, und demselben nur die Befugniß dazu zugesprochen werden soll, darin doch kein Hinderniß erblickt worden sei, die Urtheilsbekanntmachung als Strafe im Sinne des § 73 dcs RStGB. aufzufassen (s. obiges Plenarerkenntniß). Im § 17 Abs. 2 des MSchG, sei die Be­ kanntmachungs-Ermächtigung ausdrücklich auf den Fall der Verurtheilung im Strafverfahren be­ schränkt. Hätte das Gesetz dem Interesse dcs Verletzten die entscheidende Bedeutung beigelegt, so würde es nahe gelegen haben, jene Einschränkung auf das Strafverfahren wegfallen zu lassen. IV. Are Waarenvezeichnung ausländischer Inhaber (§ 20 MSchG.). 84. Für die Rechte eines Ausländers auf Markenschutz sind seit Einführung des Marken­ schutzgesetzes nur mehr die Bestimmungen in § 20 dieses Rcichsgesetzes maßgebend und können ihnen gegenüber weitergehende Rechte, welche etwa in einzelnen Bundesstaaten den Ausländern gewährt waren, keine Geltung mehr beanspruchen. (RG. III, 75.)

Anhang zum dritten Titel.

Das Markenschutzgesetz.

111

Die Anwendung der Bestimmungen des § 20 ist nicht davon abhängig, daß deutsche Waarenzeichen, Namen und Firmen im ausländischen Staate den gleichen Schutz wie in Deutsch­ land, oder wie die Angehörigen des fremden Staates in diesem genießen, sondern nur überhaupt davon, daß sie „einen Schutz genießen". (RG. f. Str. VI, 273, II, 344, RA. IV, 346.) 85. Daraus, daß nach §20 des MSchG, die Bestimmungen dieses Gesetzes auch auf Waarenzeichen von Ausländern Anwendung finden sollen, folgt, daß dieselben auch die Bestimmungen der §§ 3 und 9 für sich beanspruchen können (RG. III, 75, IV, 35 f., s. auch RG. f. Str. VI, 33) und zwar kann der Ausländer, welcher vor dein 1. Oktober 1875 sein Waarenzeichen angemeldet hat, seinen Besitzstand (§ 9) auch solchen Anmeldungen gegenüber geltend machen, die vor Bekanntmachung des betreffenden Staatsvertrages im Neichsgesetzblatte erfolgt sind. (RG. IV, 36.) Für die Anwendung des § 9 auf ausländische Gewerbetreibende genügt aber nicht, daß deren Waarenzeichen in den betreffenden ausländischen Territorien gesetzlichen Schutz genossen oder als Kennzeichen der Waaren des ausländischen Gewerbetreibenden allgemein gegolten haben, sondern es wird erfordert, daß Eins oder das Andere innerhalb Deutschland stattgefunden hat. ROHG. XXIV, 80, 81, 220-222. §

20.

Auf Waarenzeichen von Gewerbetreibenden, welche im Inlande eine Handelsniederlassung nicht besitzen, sowie auf die Namen oder die Firmen ausländischer Produzenten oder Handeltreibenden finden, wenn in dem Staate, wo ihre Niederlassung sich befindet, nach einer in dem ReichsGesetzblatt enthaltenen Bekanntmachung deutsche Waarenzeichen, Namen und Firmen einen Schutz geniessen, die Bestimmungen dieses Gesetzes Anwendung, jedoch in Ansehung der Waarenzeichen (§. 1) mit folgenden Massgaben: 1) die Anmeldung eines Waarenzeichens hat bei dem Handels­ gerichte in Leipzig mit der Erklärung zu erfolgen, dass sich der Anmeldende für Klagen auf Grund dieses Gesetzes der Gerichts­ barkeit des genannten Gerichts unterwirft; 2) mit der Anmeldung ist der Nachweis zu verbinden, dass in dem fremden Staate die Voraussetzungen erfüllt sind, unter welchen der Anmeldende dort. einen Schutz für das Zeichen beanspruchen kann; 3) die Anmeldung begründet ein Recht auf das Zeichen nur insofern und auf so lange, als in dem fremden Staate der Anmeldende in der Benutzung des Zeichens geschützt ist. Ausland. | Acecssorischer deutscher Schutz 90. Aeltere Waarenzeichen der Ausländer 85. Anmeldung ausländischer Zeichen 88. Ausländer 13, 40, 41, 84, 85, 87—91. Ausländische Firme« 85, 87. Ausländischer Verkehr 41. Bekanntmachungen int Neichsgesctzbl- 86 u. Anm. hierzu. Dauer des Schutzes 91. Gegensettigkeitsvertrüge 86 u. Anm. hierzu. Gerichtsbarkeit 89.

Handelsgericht 88; auch Art. 3 u. Bem. hierzu. andclsniederlassung § l u. Bem. hierzu. eipziger Handelsgericht 88. Nachweis ausländischen Schutzes 88-91. Namenschutz für Ausländer 87. Prüfung durch den Leipziger Registerrichter 88. Reziprozität 86 u. Anm. hierzu. Staatsverträge 86 u. Anm. hierzu. Ungleicher Rechtsschutz 84, 87. . Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit 89. Voraussetzungen ausländischen Schutzes 88—9L

t

112

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

86. Der Richter hat nicht zu prüfen, ob mit einem ausländischen Staate auch in der That der im Reichsgesehblatte bekannt gemachte Staatsvertrag abgeschloffen worden ist, ob der­ selbe formell und materiell gültig k., es muß für ihn die Bekanntmachung im Reichsgesetzblatte genügen, daß in dem betreffenden ausländischen Staate deutsche Waarenzeichen einen Schutz ge­ nießen. Eine Bekanntmachung im Reichsgesetzblatte ist aber rücksichtlich der Gewerbetreibenden solcher Staaten nicht mehr erforderlich, mit welchen bereits vor Erlassung des Markenschutzgesetzes ein Markenschutzvertrag auf Gegenseitigkeit abgeschlossen und in dem Gesetzblatt für den Nord­ deutschen Bund verkündet worden ist. RG. f. Str. II 344, III 127 ff., RA. II 641 ff., An­ nalen II 439, IV 121. Nur rücksichtlich solcher Verträge, welche vor Begründung des Nord­ deutschen Bundes von dem Zollvereine abgeschlossen worden sind, ist eine Bekanntmachung im Reichsgesetzblatte erforderlich. RG. f. Str. III 127 ff., RA. II 641 ff.1;* * * S. * * * * * II. *) I. Staaten, mit welchen das Deutsche Reich förmliche Staatsverträge über den gegen­ seitigen Schutz von Waarenzeichen geschlossen hat: Vereinigte Staaten von Amerika. Konvention vom 11. Dezember 1871, Art. 17 (RGBl. 1872 S. 106.) Der Art. 17 der im Reichsgesetzblatt verkündeten Konvention vom 17. Dezember 1871 zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika bezieht sich nicht bloß auf den Schutz der Waarenzeichen im Sinne des § 1 des Gesetzes über den Markenschutz vom 30. No­ vember 1874, sondern auch auf den Schutz gegen die Bezeichnung von Waaren mit der Firma eines Anderen. R. St. II 344, 345. (Annalen Bd. IV S. 121.) Italien. Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 4. Mai 1883, Art.5. (RGBl. 1883 S. 109.) Oesterreich-Ungarn. Handelsvertrag vom 23. Mai 1881, Art. 20 und Schlußprotokoll dazu (RGBl. 1881 S. 129, 150,) Portugal. Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 2. März 1872, Art. 10 (RGBl. 1872, S. 254.) Schweiz. Handelsvertrag vom 23. Mai 1881, Art. 11 (RGBl. 1881, S. 158). Serbien. Handelsvertrag vom 6. Januar 1883, Art. 11 (RGBl. 1883, S. 45, 61) und Bekanntmachung vom 7. Juli 1886, (RGBl. 1886, S. 231.) Spanien. Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 12. Juli 1883, Art. 7 und Schlußprotokoll dazu. (RGBl. 1883, S. 807, 326 Südafrikanische Republik. Handelsvertrag vom 22. Januar 1886, Art. 6 (RGBl. 1886, S. 212, 113.) Bezüglich aller dieser Staaten bedarf cs einer Bekanntmachung in Gemäßheit des § 20 des Markenschutzgesetzes nicht mehr. Vgl. Urtheil des Reichsgerichts vom 14. Oktober 1880 (Entsch. für Strass. Bd. II S. 344 und Annalen Bd. II S. 439), ferner vom 17. Dezember 1880 (Entsch. für Strass. Bd. III S. 128 und Rechtspr. Bd. II S. 641). Vgl. noch Urtheil vom 15. Juni 1881. (Annalen Bd. IV, S. 121). II. Staaten, bezüglich deren ältere, seitens des Deutschen Zoll- und Handelsvereins geschlossene Staatsverträge über den gegenseitigen Schutz von Waarenzeichen jetzt noch maß­ gebend sind: Frankreich. Deklaration vom 8. Oktober 1873 (RGBl. 1873, S. 365). Nach Art. 11 der zusätzlichen Uebereinkunft vom 12. Oktober 1871 zwischen Deutschland und Frankreich (RGBl. S. 363) und der Deklaration hierzu vom 8. Oktober 1873 (RGBl. S. 365) sind die Bestimmungen des hanseatisch-französischen Handels- und Schifffahrtsvertrages vom 21. Juni 1865 (Hamburger Verordnungen 1865 S. 152) wieder in Kraft getreten, und nach diesen Bestimmungen die Waarenzeichen (Fabrik-, Handelsmarken, Etiketetten rc.) der An­ gehörigen der Hansestädte in Frankreich gegen Nachahmung geschützt. Die Voraussetzungen der Reziprozität, wie sie § 20 a. a. O. erfordert, sind also unbedenklich vorhanden. Ob der in Frankreich gewährte Markenschutz sich ausschließlich in den Formen des bürgerlichen Prozesses und nicht auch im Wege der Strafverfolgung praktisch verwirklicht, ist gleichgültig. Und ebenso ist es bedeutungslos, ob nach dem hanseatisch-französischen Vertrage vom 21. Juni 1865 die Namen und Firmen der Hanseaten für sich allein, also ohne Verbindung mit Waarenzeichen, in Frankreich des Schutzes ganz entbehren. RSt. VI 273, 274. RA. IV 346 , 347. (RA. VIII 234 ff. RSt. XIV 59 — 67). Die für das Bestehen der Gegenseitigkeit des Schutzes deutscher Waarenzeichen, Namen und Firmen in Frankreich nach § 20 als entscheidend in Betracht kommende Bekanntmachung im Reichsgesetzblatte liegt in der RGBl. 1873 S. 365 enthaltenen Deklaration des Art. 11 der zusätzlichen Übereinkunft vom 12. Oktober 1871 zu dem Friedensvertrage vom 10. Mai 1871 zwischen Deutschland und Frankreich vom

Anhang znm dritten Titel. 87.

Das Markenschutzgesctz.

113

Das Markenschutzgesetz vom 30. November 1874 gewährt in gesonderter und durch­

weg zu unterscheidender Weise einerseits den Schutz gegen widerrechtlichen Gebrauch von Waarenzeichen und andererseits gegen Mißbrauch des Namens oder der Firma eines Produzenten. Nach § 20 des angezogenen Gesetzes kommt unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit des Schutzes nach beiderlei Richtungen den ausländischen Produzenten oder Handeltreibenden der Schutz des Gesetzes zu. Ausschließlich hinsichtlich der Waarenzeichen werden von § 20 Bestimmungen unter Nr. 1—3 getroffen, von welchen die Schutzgewährung als abhängig erklärt ist, und welche sich aus die Anmeldung des Waarenzeichens bei dem Amtsgerichte zu Leipzig beziehen, sowie die Wirksamkeit der Anmeldung auf die Dauer des Schutzes für das bestimmte Waarenzeichen im Auslande beschränken.

Hinsichtlich des Schutzes für die Namen oder der Firmen von Ausländern

sind solche besondere maßgebende Vorschriften nicht vorgezeichnet.

NG. f. Str. XI, 309.

Der § 20 findet auf Waarenzeichen von Gewerbetreibenden, welche im Jnlande eine Handels­ niederlassung nicht besitzen, Anwendung, ohne Rücksicht darauf, ob in dem ausländischen Staate welcher jeweils in Betracht kommt, Firmenzwang besteht oder nicht.

Daher entfallen für die An­

wendung des § 20 prinzipiell alle jene Bestimmungen, nach welchen das Markenschntzrecht durch den Eintrag der betreffenden Firma im Handelsregister bedingt nnd dessen Fortbestand von dem Schicksal der Firma abhängig gestellt ist. Es würden sonst alle diejenigen auswärtigen Gewerbe­ treibenden, nach deren Landesrecht über den Gebrauch der Firma keine oder prinzipiell andere Bestimmungen bestehen, als jene des deutschen Handelsgesetzbuches, von vornherein vom Schutze des § 20 ausgenommen sein, was der Sinn des Gesetzes nicht ist nnd nicht sein kann. lRÄ. VIII, 234 ff., RG. in Str. XIV, 59 ff.) 88. Zu Ziff. 1. Ein ausländisches Waarenzeichen, welches im Leipziger Handelsregister eingetragen und thatsächlich im fremden Staate geschützt ist, genießt, die anderen Erfordernisse vorausgesetzt, den gesetzlichen Schutz in Deutschland, wenn auch die Nachweise, auf welche hin die Eintragung im Register erfolgte, der Wahrheit nicht entsprechen. Wie der § 20 zu Ziff. 2 und 3 des Markenschutzgesetzes vom 30. November 1874 klar ergibt, ist der mit der Anmeldung eines ausländischen Waarenzeichens zu verbindende „Nachweis" des Bestehens fremdländischer Schutz­ rechte wesentlich auf die Beobachtung einer Formalität gerichtet.

Wie der fragliche Nachweis

zu erbringen, woraufhin der Leipziger Registerführer den Nachweis als erbracht ansehen will, 8. Oktober 1873 vor. Die Erläuterung spricht aus, daß alle Bestiinmungen, welche in den vor­ dem Kriege zwischen einem oder mehreren deutschen Staaten einerseits und Frankreich andererseits abgeschlossenen Verträgen über den Schutz der Fabrik- und Handelszeichen getroffen sind, durch Art. 11 der gedachten Uebereinkunft wieder in Kraft gesetzt worden sind. Nach dem Wortlaute dieser wieder in Kraft getretenen, im Art. 28 des zwischen dem Zollvereine und Frankreich am 2. August 1862 abgeschlossenen Handelsvertrages (bayer. Reg.-Bl. 1865 S. 655 nnd Beilage S. 37) enthaltenen Be­ stimmungen ist aber den Unterthanen eines jeden der vertragschließenden Staaten in dem anderen derselben der Schutz, wie ihn die Inländer genießen, nicht nur für die Fabrik- und Handels­ zeichen, sondern auch für die Bezeichnung oder Etikettierung der Waaren gesichert und unter letzterer Bezeichnung ohne Zweifel der Schutz der Namen und Firmen mitbegriffen. RG. in Str. XI, 400. Großbritannien. Deklaration vom 14. April 1875 (RGBl. 1875 S. 199). III. Staaten, bezüglich deren eine Bekanntmachung des Inhaltes, daß in den betreffenden Staaten deutsche Waarenzeichen, Namen und Firmen einen Schutz genießen, im Reichsgesetzblatte veröffentlicht ist: Belgien. Bekanntmachung vom 13. September 1875 (RGBl. 1875 S. 301). Brasilien. Bekanntmachung vom 28. Februar 1877 (RGBl. 1877 S. 406). Dänemark. Bekanntmachung vom 4. April 1879 (RGBl. 1879 S. 123). Luxemburg. Bekanntmachung vom 14. Juli 1876 und 2. August 1883 (RGBl. 1876 S. 169 und 1883 S. 268). Niederlande. Bekanntmachung vom 19. Januar 1882 (RGBl. 1882 S. 5). Rumänien. Bekanntmachung vom 27. Januar 1882 (RGBl. 1882 S. 7). Rußland. Bekanntmachung vom 18. August 1873 (RGBl. 1873 S. 337). Schweden und Norwegen. Bekanntmachung vom 11. Juli 1872 (RGBl. 1872 S. 293). Vereinigte Staaten von Venezuela. Bekanntmachung vom 8. Dezember 1883 (RGBl. 1883 S. 339). Juchsberger und Gareis, NDHGB.

8

114

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

darüber bestimmt das Gesetz nichts, dieses hängt wesentlich von dem Ermessen des Registerführers selbst ab. Die Bedeutung der Förmlichkeit als solcher liegt aber evident darin, daß nur ihre Nichtbeachtung den konkreten Schutzrechten präjudiziert, ihre Beobachtung aber dem ausländischen Waarenzeichen materiell nicht mehr Schutzrechte verleiht, als der Anmeldende in dem fremden Staate wirklich genießt. Die skrupulöseste Prüfung des fraglichen Nachweises und die daraufhin erfolgte Eintragung hilft dem Anmeldenden nichts, wenn später dargethan wird, daß der Leipziger Handelsrichter sich geirrt hat und der Anmeldende m dem fremden Staate aus irgend einem Grunde zur Zeit der Eintragung keinen Schutz für das fragliche Waarenzeichen beanspruchen konnte. Umgekehrt muß mit gleicher logischer Nothwendigkeit auch der fehlerhafteste, ungenügendste Nachweis zum Erwerbe der fraglichen deutschen Schutzrechte ausreichen, sobald der Leipziger Handels­ richter daraufhin das Waarenzeichen in das Schutzregister eingetragen hat und dasselbe in Wahr­ heit irn fremden Staate geschützt war. Mit anderen Worten, für die Anwendung des § 20 a. a. O. kann es überhaupt niemals darauf ankommen, nachzuprüfen, ob die thatsächlich erfolgte Ein­ tragung des Waarenzeichens auf diese oder jene, mehr oder minder beweiskräftigen Grundlagen hin vom Leipziger Handelsregister geschehen ist, sondern allein darauf, ob der von letzterem voraus­ gesetzte fremdländische Markenschutz den wirklich bestehenden fremdländischen Rechtsverhältnissen entsprach, ob er rechtlich existierte oder nicht existierte. RA. VI, 718—720. § 21.

Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Mai 1875 in Kraft. Auf Waarenzeichen, welche bis zu diesem Tage landesgesetzlich geschützt waren, finden jedoch die landesgesetzlichen Bestimmungen noch bis dahin, dass die Anmeldung nach Massgabe gegenwärtigen Gesetzes erfolgt ist, längstens bis zum 1. Oktober 1875 Anwendung. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel. Gegeben Berlin, 30. November 1874. (L. 8.) Wilhelm. Fürst v. Bismarck. Landesges«Hgevu«g INebergangsbestiniinungen). •SaubcBgciefcc 12, 40, 91. Partikularrecht 91. RechtS ein heit 91.

I

Schutz S, »0, »5, L4. UeberaangSbestimmunaen s. Abs. 2. einheitlichen Rechts 91.

I Zweck des

89. Wenn das Markcnschutzgesetz vom Ausländer, der ein Waarenzeichen anmeldet, fordert, daß er mit der Anmeldung zugleich die Erklärung verbinde, sich für Klagen auf Grund dieses Gesetzes der Gerichtsbarkeit des Handelsgerichtes zu Leipzig zu unterwerfen, so können hiermit der Natur der Sache nach nur solche Klagen gemeint sein, zu welchen die in Frage stehende An­ meldung bezw. Eintragung Anlaß gibt. Eine Unterwerfung so allgemeiner Art, daß sie alle Klagen umfaßte, welche irgeudwie wegen Mißbrauches eines Waarenzeichens oder der Firma auf Grund des Markenschutzgesetzes erhoben werden könnten, ganz ohne Rücksicht darauf, ob sie im Zusammenhange mit dem angemeldeten Waarenzeichen stehen, wäre etwas so Abnormes und den gewöhnlichen Prinzipien Widerstreitendes (wie sie denn von der Civilprozeßordnung in § 40 aus­ drücklich für wirkungslos erklärt ist-, daß unmöglich angenommen werden kann, sie sei vom Ge­ setzgeber gewollt. RG. X, 62—64. 90. Zu Ziff. 2. Materielle Voraussetzung des Schutzes eines fremden Waarenzeichens nach § 20 ist die Thatsache, daß der Anmeldende im Auslande einen Schutz für das Zeichen beanspruchen kann (Ziff. 2). Hieraus und aus der Vorschrift in Ziff. 3 folgt, daß das Marken­ schutzrecht des Auslandes in Deutschland (immer die Gegenseitigkeit voraussetzt) prinzipiell ein Annexum des Markenschutzrechtes ist, welches der Ausländer im Auslande (und zwar im Lande seines Niederlassungsortcs) genießt, und daß diejenigen Beschränkungen, welche das deutsche Firmenrecht für das Markenschutzrecht im Gefolge hat, nur insoweit Beachtung finden können,

Anhang 31111t dritten Titel.

Das Markenschutzgesetz.

115

als dieselben auch in« Rechte des fremden Staates statuiert sind. Es sind also für den Schutz im Jnlande materiell nur die Voraussetzungen maßgebend, unter welchen die Marke im ausländischen Bertragsstaate Schutz genießt.

(RA. VIII, 234 ff.; RG. f. Str. XIV, 59 ff.)

Die Löschung

eines (ausländischen- Waarenzcichens kann aus dem Grunde, weil dessen Eintragung unzulässig gewesen sei (§ 10 Abs. 2 und § 11 des Markenschutzgesetzes), nicht verlangt, werden, wenn der Anmeldende zwar den in § 20 Ziff. 2 des Gesetzes erforderten Nachweis geführt hat, nachträglich aber sich zeigt, daß in dem Heimathslande des Anmelders ein Schutz für das Zeichen nicht be­ steht.

RG. XIII, 1, 2. 91.

Zu Ziff. 3.

Der § 20 Ziff. 3 des Markenschutzgesetzes bewilligt den Waarenzeichen

von Gewerbetreibenden, die im Jnlande eine Handelsniederlassung nicht besitzen, den Schutz des deutschen Gesetzes nur unter einer Bedingung und nur auf eine gewisse Zeitdauer.

Die Bedingung

besteht darin, daß der das Zeichen zum Leipziger Register Anmeldende zur Zeit der Anmeldung in dem Gebrauche des Zeichens den ausländischen Schutz genieße.

Die Zeitdauer des inländischen

Schutzes ist dahin bestimmt worden, daß der letztere nur so lange währt, wie der ausländische Schutz.

Denn es erschien ungerechtfertigt, den Gebrauch von Marken, deren Benutzung am Orte

der Niederlassung des betreffenden Gewerbetreibenden erlaubt ist, in Deutschland unter Strafe zu stellen, also Deutsche — von Ausländern abgesehen — in Deutschland schlechter zu stellen, als sie tut Auslande nach dessen Gesetzen gestellt sind.

Tritt daher int Auslande die freie Konkurrenz

int Gebrauche der Marke wieder ein, so wird auch die Konkurrenz int Jnlande wieder frei.

Wie

es zu halten sei, wenn es über einen vor dem Aufhören des ausländischen Schutzes gemachten Gebrauch erst zur Zeit, wenn der letztere nicht mehr besteht, zur Untersuchung kommt, darüber hat sich der § 20 Ziff. 3 des Markenschutzgesetzes nicht ausgesprochen; es entscheiden in dieser Beztehung also die allgemeinen Regeln des deutschen Rechts.

Danach wird, wenn ein Straf­

gesetz

Rechtsgebieten

die Verhängung

der Strafe

an gewisse

aus

anderen

entnommene Be­

dingungen oder an thatsächliche Voraussetzungen gebunden hat, eine Handlung, welche verübt wurde, als diese Voraussetzungen noch erfüllt waren, nicht deßhalb straflos, weil die Voraus­ setzungen zur Zeit, wo es wegen der Handlung zur Untersuchung und Aburtheilung kommt, nicht mehr erfüllt sind; in solchem Falle hat nicht das Strafgesetz an sich eine Aenderung erlitten, sondern es ist nur die Möglichkeit, gegen dasselbe zu verstoßen und deßhalb strafbar zu werden, hinterher weggefallen. Wenn nun ein ausländisches Gesetz von einem bestimmten Zeitpunkte an in der Weise eine Abänderung erleidet, daß in diesem ausländischen Staate auf solche Handlungen, die dort vorher strafbar waren, weil sie in der Zeit des bestehenden Schutzes begangen wurden, ex post für straflos erklärt, so ist diesem ausländischen Gesetze eine rückwirkende Kraft beigelegt, selbstverständlich aber zunächst nur für die Rechtsanwendung in diesem ausländischen Staate. Die Vorschrift des § 20 Ziff. 3 des MSchG, beruht aber auf dem Gedanken einer internationalen Gleichstellung der bei Angelegenheiten dieser Art Betheiligten, und daraus ergibt sich das Be­ denken, ob es die Meinung des deutsche^ Gesetzes gewesen sein könne, daß die nämliche Handlung welche zwar ursprünglich strafbar gewesen, aber durch ein neues ausländisches Gesetz ex post für straffrei erklärt worden ist, dennoch, wenn sie in Deutschland begangen wurde, immer noch strafbar werden müsse. Der Schutz, wovon § 20 Ziff. 3 des MSchG, spricht, ist ein Schutz gegen die Nachbildung und den Gebrauch berechtigter Marken durch andere Personen als die berechtigten Inhaber; hat dieser Schutz im Anslande aufgehört, so kann er nicht in Deutschland fortdauern. RG. f. Str. X, 292, 293. V. Hinführrmgs- und Ilebergangs-Restimmung. 92.

Nach dem § 21 des Markenschutzgesetzes finden landesgesetzliche Bestimmungen über

das Recht des Markenschutzes auf Waarenzeichen, welche bis zum 1. Mai 1875 (dem Tage, mit welchem das Reichsgesetz in Kraft getreten ist) landesgesetzlich geschützt waren, nur noch bis dahin, daß die Anmeldung dieser Zeichen mach Maßgabe des Reichsgesetzes erfolgt ist, längstens aber nur bis zum 1. Oktober 1875 Anwendung. eines Gesetzes

In der Einleitung zu den Motiven des Entwurfes

über Markenschutz, mit welchen dieser vom Bnndesrathe beschlossene Entwurf

8*

110

Erstes Buch. Vom Handelsstande. Art. 28.

durch Anschreiben des Reichskanzlers vom 29. Oktober 1874 tm Namen Seiner Majestät des Kaisers dem Reichstage vorgelegt worden ist, wird m dieser Beziehung klargelegt, daß der Markenschiitz sich zii praktischer Bedcutilng nur dann entwickeln könne, wenn er sich auf ein großes Verkebrsgebiet erstrecke. Solange dieser Schutz den einzelnen Landcsgesetzgebnngen anheimgefallen sei, welche jeden Mißbrauch nur theilweise zu treffen vermocht hätten und über den eigenen Gel­ tungsbereich hinaus weder einer Uebereinstimmung in den Grundsätzen, noch, selbst wo diese be­ standen habe, einer Uebereinstimmung in deren Anwendung sicher gewesen seren, hätten über der» Werth eines solchen gesetzlichen Schutzes nicht ohne Grund Zweifel sich erheben können. Nachdem aber die Gesetzgebung des Reiches den gesammten deutschen Verkehr beherrsche und für die gleich­ mäßige Durchführung ihrer Prinzipien auf diesem Gebiete die Gewähr m einem obersten Gerichts­ höfe besitze, könnten solche Zweifel nicht mehr mit Grund erhoben werden.

Zweiter Anhang zum dritten Titel.

Aas Weichsgeseh über Airmentöschuttg von Amtswegen. Vom 30. März 1888 (RGBl. 1888 Nr. 17 S. 129). 1. Eine Lücke des Handelsgesetzbiichs rm Interesse der Evidenthaltung der Handelsregister auszufüllen ist der Zweck dieses Gesetzes, dessen Prinzip § 1 aufstellt, während § 2 das bei der offiziellen Löschung zu beobachtende Verfahren normiert und § 3 eine Konsequenz des voran­ gestellten Prinzipes enthält. 2. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Gesetz vom 30. März 1888 auch gegen­ über Gcsellschaftsfirmen eine dementsprechende Anwendung zu finden hat

Gesetz, betreffend die Löschung nicht mehr bestehender Firmen und Prokuren im Handelsregister. Vom 30. März 1888, Wir Friedrich, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preussen etc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung' des Bundesraths und des Reichstags, was folgt: § i.

Kann im Falle des Erlöschens einer in das Handelsregister ein­ getragenen Firma die Anmeldung dieser Thatsache durch die hierzu Ver­ pflichteten nicht in Gemässheit des Artikels 26 des Handelsgesetzbuchs herbeigeführt werden, so hat das Gericht das Erlöschen der Firma von Amtswegen in das Handelsregister einzutragen.

8

2.

Vor der Eintragung sind der eingetragene Inhaber der Firma oder die Rechtsnachfolger desselben aufzufordern, einen etwaigen Widerspruch gegen die Eintragung bis zum Ablauf einer nicht unter drei Monaten zu bestimmenden Frist schriftlich oder zum Protokoll des Gerichtsschreibers geltend zu machen. Sind die bezeichneten Personen oder der Aufenthalt derselben nicht bekannt, so erfolgt die Aufforderung durch einmalige Bekanntmachung in den für die Veröffentlichungen aus dem Handelsregister bestimmten öffentlichen Blättern (Handelsgesetzbuch Artikel 13, 14). Auch kann die Einrückung der Bekanntmachung noch in andere Blätter angeordnet werden.

Vierter Titel.

Von den Handelsbüchern.

Art. 28.

117

Das Gericht entscheidet über den erhobenen Widerspruch. Gegen den einen Widerspruch zurückweisenden Beschluss findet binnen der Noth­ frist von zwei Wochen Beschwerde nach Massgabe der in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit geltenden landesgesetzlichen Bestimmungen statt. Eine hiernach zulässige Anfechtung der in der Beschwerdeinstanz ergehenden Entscheidung ist an die gleiche Nothfrist gebunden. § 3.

Im Falle der Löschung einer Firma hat das Gericht zugleich das Erlöschen der für die erloschene Firma eingetragenen Prokuren von Amtswegen in das Handelsregister einzutragen. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei­ gedrucktem Kaiserlichen Insiegel. Gegeben Charlottenburg, den 30. März 1888. (L. 8.) Friedrich. Fürst von Bismarck. Vierter Titel.

Von den Handelsbüchern. Artikel 28. Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen, aus welchen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens vollständig zu ersehen sind. Er ist verpflichtet, die empfangenen Handelsbriefe aufzubewahren und eine Abschrift (Kopie oder Abdruck) der abgesandten Handelsbriefe zurückzubehalten und nach der Zeitfolge in ein Kopirbuch einzutragen. Pr. Entw. Art. 29. Enttv. I. S. Art. 29. E»tw. II. S. Art. 27. Protokolle @. 44, 942. 3f « ft l t. Abdrücke 15.

Abschriften 15. Arten der Bücher 4, 6 ff., 16. Begriff der Handelsbücher 6. Beschaffenheit der Handelsbücher 17 ff. Bestellbücher 6. Bevo llmächtigte 10, 13. Bücher 6, IG. Fremdes Verschulden 12. Geschäfts übern ahme 7. Gesellschaften s. Bem. zu Art. 30. Ges ellschaftsbücher 7, 10, 13. Handelsbriefe 15. Handelsfrau 8 (s. auch Art. 6 ff). Handelsgeschäfte s. Art. 271 ff. Handlungsbevollmächtigte 10. Hausbedarf 19. Kaufmann 8, 10, 41 (auch Art. 4, 5). — minderen RechtS 8 (auch Art. 10). Kommissionsbücher 6. Konkurs Bem.3 (mit Anm. S. 118, auch Bem. 8,11). Kopien 15, 16, 24.

Kopierbuch 15, 24. Korrespondenz 15, 16.

Krankheit 12. Mehrheit von Etablissements 14, 18. Notizbücher 6. Pertinenzqualität der Handelsbücher 7. Privatverbrauch 19. RechtS un kennt» iß 12. Revision deS Gesetzes 5. Strafen s. Konkurs. Uebersichtlichkeit der Buchführung 17. Umfang „ „ 19. Unentschuldbarkeit 12, 43. Verantwortung 12. Vermögensloser Kaufmann 41. Verpflichtung zur Buchführung 8 ff. Vollkaufmann 8. Zahl der Bücher 16. Zahlungseinstellung 11. — -Unfähigkeit 11. Zeit der Buchungen 9, 41, 42. Zweig Niederlassung 14, 18.

1. Der Gebrauch von Aufzeichnungen, welche nicht bloß dazu dienen, Rechtsakte im Ge­ dächtniß des aufzeichnenden Geschäftsmannes zu befestigen, sondern auch anderen Personen gegenüber eine geschäftliche Bedeutung haben sollen, reicht weiter zurück, als das Handelsrecht selbst. Der gewöhnliche privalrechtliche Verkehr kannte im alten Rom bereits umfassende Geschäftsaufzeichnungen, welche in geordneten Büchern (Codices accepti et expensi im Gegensatz zu den Adversaria, bloßen Notizbüchern) mindestens über die Geldgeschäfte geführt wurden und zu einer eigenen

118

Erstes Buch. Vom Handelsstande.

Art. 28.

Entstehungsart von Verbindlichkeiten, sog. Literalobligationen führte; solche Obligationen ent­ standen dadurch, daß der Gläubiger die ihm ans irgend einem Rechtsgrunde geschuldete Summe mit Einwilligung des Schuldners als eine an diesen gemachte Ausgabe in sein Geschäftsbuch eintrug, während der Schuldner denselben Posten als ein acceptum seinem Hausbuche einverleibte. *) War auch in der weiteren Entwickelung des römischen Rechts die Entstehilng von Obliga­ tionen mittels jener Eintragungen in die Hausbücher mit diesen selbst außer Gebrauch gekommen, so darf doch als sicher angenommen werden, daß die Buchführung selbst mindestens in dem Ge­ schäftsverkehre der großen Bankhäuser und ähnlicher merkantiler Unternehmungen nicht verschwand. Dnrch das ganze Mittelalter ist der Gebrauch geschäftlicher Aufzeichnungen der Kaufleute nach­ weisbar; die Beweiskraft der Handelsbücher ward in das System der formalen Beweisführung' aufgenommen und somit mußte es nicht bloß als zweckmäßig, sondern auch als nothwendig er­ scheinen, daß die erste für die weitere Entwickelung des kontinentalen Handelsrechts maßgebend gewordene umfassende Kodifikation, welche das französische Handelsrecht bildet, ausführlich die Führung von Handelsbüchern normiert. 2. Das DHGB. hat, getragen von der Anschauung, daß die Handelsbücher nicht bloß die Bedeutung rein privater Aufzeichnungen zur Unterstützung des Gedächtnisses haben, eine Reihe von Vorschriften über die Führung von Handelsbüchern, sowie über deren Bedeutung für den Geschäftsverkehr erlassen, welche sich im Einzelnen folgendermaßen gruppieren: 1) Verpflichtung zur Aufstellung von Inventuren^) und von Bilanzen3), sowie von Handels­ büchern von besonders normierter Einrichtung4); 2) Periodische Erneuerung der Jnventare und der Bilanzen3); 3) Pflicht zur Aufbewahrung der Handelsbücher8); 4) Beweiskraft der Handels­ bücher 7); 5) Vorlage und Einsichtnahme derselben8). Entsprechend dem zur Zeit der Abfassung und Einführung des A.D.HGB.'s geltenden Systeme formaler Beweistheorie waren die Bestimnnmgen des Handelsgesetzbuches über Handels­ bücher u. s. w. vorzugsweise darauf zugespitzt, einen formalen Beweis mittels der turnn nieder­ gelegten Aufzeichnungen zu erbringen; doch nur ein Theil der handelsrechtlichen Normen (s. unten Bem. 29) hat mit der Beseitigung der formalen Beweistheorie seine Geltung und Bedeutung ver­ loren; die meisten Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs über Handelsbücher haben auch nach der Einführung einer freien Beweiswürdigung (insbes. § 259 der CPrO.) ihre Kraft behalten. 3. Auch abgesehen von der Einwirkung, welche die Civilprozeßordnung des Deutschen Reiches gegenüber den handelsrechtlichen Vorschriften über Handelsbücher ausübte, hat die Reichs­ gesetzgebung auf das Recht der Handelsbücher bedeutenden Einfluß ausgeübt: die beiden Aktien­ novellen vom 11. Juni 1870 und bezw. 18. Juli 1884 enthalten Vorschriften, die sich auf die Buchführung beziehen, insbesondere eine eingehende Normierung für die Aufstellung der Bilanzen, und hatte schon das Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches unter besonderen Voraussetzungen die Pflicht der ordnungsmäßigen Führung von Handelsbüchern strafrechtlich eingeschärft (§§ 281—283), so haben die an die Stelle dieser Bestimmungen getretenen Strafvorschriften der Konkursordnung (§§ 209—214) den strafrechtlichen Schutz3) der mit der Handelsbuchführung verbundenen In­ teressen der Gesammtheit und der Einzelnen noch weiter ausgedehnt und verschärft. Diese Straf­ vorschriften der Konknrsordnnng vom 10. Februar 1877 lauten: § 209. Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Ver­ mögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen betrüglichen Bankerutts mit Zuchthaus bestraft, wenn sie in der Absicht, ihre Gläubiger zu benachteiligen, 3. Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag, oder *) Danz, Lehrbuch der Geschichte des römischen Rechts II. Anst., Leipzig 1873, Bd. II S. 43 ff.; Sohm, Institutionen § 68. — -) Vgl. unten Bem. 55—60, auch 8 ff. — 3) Vgl. unten Bem. 39—54. — 4) Vgl. unten Bem. 6—25. — 5)*Vgl. unten Bem. 39—43, auch Bem. 55 ff. — G) Vgl. unten Bem. 26—28. — 7) Vgl. unten Bem. 29 u. 30. — 8) Vgl. unten Bem. 31—38. — °) Hierüber siehe auch unter Bem. 8, 9 u. 11 (Zahlungseinstellung u. Zahlungsunfähigkeit).

Vierter Titel. Von den Hcuzdelsbüchern. Art. 28.

119

4. ihre Handelsbücher vernichtet oder verheimlicht oder so geführt oder verändert haben; dass dieselben keine Uebersicht des Ver­ mögenszustandes gewähren. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnissstrafe nicht unter drei Monaten ein. § 210. Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Ver­ mögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen einfachen Bankerutts mit Gefängniss bis zu zwei Jahren bestraft, wenn sie 2. Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag, oder dieselben verheimlicht, vernichtet oder so unordentlich geführt haben, dass sie keine Uebersicht ihres Vermögenszustandes gewähren, oder 3. es gegen die Bestimmung des Handelsgesetzbuchs, unterlassen haben, die Bilanz ihres Vermögens in der vorgeschriebenen Zeit zu zi eben. § 214. Die Strafvorschriften der §§ 209—211 linden gegen die Mitglieder des Vor­ standes einer Aktiengesellschaft oder eingetragenen Genossenschaft und gegen die Liquidatoren einer Handelsgesellschaft oder eingetragenen Ge­ nossenschaft, welche ihre Zahlungen eingestellt hat, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, Anwendung, wenn sie in dieser Eigenschaft die mit Strafe bedrohten Handlungen begangen haben. 4. Bestimmungen über Buchführung, Inventarisation und Bilanzenziehung finden sich in allen modernen Handelsgesetzbüchern, wenn auch in sehr verschiedenem Umfange. Die dem Systeme des Code de commerce folgenden Handelsgesetzbücher haben wie dieser selbst sehr eingehende Vor­ schriften über die Zahl, Art und Einrichtung der Bücher, Vorschriften, welche nach vielen neueren Rechten um so komplizierter werden, je mehr aus die Verschiedenheiten der Arten von Kaufleuten darin eingegangen wird?) Das deutsche HGB. entbehrt, abgesehen vom Mäklerrccht, durch welches allerdings besondere Bücher ausdrücklich vorgeschrieben werden, der Anordnung einzelner Buch­ arten. *2) 5. Die Revision des vierten Titels von Buch I des Handelsgesetzbuches ist dadurch ver­ einfacht worden, daß durch die Einführung der Civilprozeßordnung (§§ 259, 392, 399 der CPrO. u. § 14 des Einf.-Ges. hierzu) das nicht mehr Anwendbare jenes Titels direkt aufgehoben wurde. Die deutsche Gesetzgebung ist dadurch noch weiter von dem Systeme entfernt worden, welches in Frankreich und in anderen Ländern auf die Führung gesetzlich einzeln genannter Bücher hindrängt. Trotzdem wird eine größere Spezialisierung der Vorschriften über Bilanzen-Einrichtung überhaupt in der Richtung der Weiterentwickelung liegen und zwar nach dem Muster der ebenfalls weiter auszubildenden Bilanzvorschriften der Aktiennovelle vom 18. Juli 1884. Wünschenswerth erscheint eine schärfere Präzisierung der Editions- und Mittheilungspflicht, welche vom Art. 40 nun in nicht ganz genügender Weise geregelt ist.3) 6. So mannigfaltig auch die Handelsbücher sind und soweit auch der Begriff der Handelsbücher reicht, so ergibt sich doch immer von selbst die Grenze, daß das Handelsbuch das Material, für welches es bestimmt ist, kaufmännisch geordnet zusammenzufassen hat, daß es nach der Geschäftseinrichtung zu Aufzeichnungen gewisser Art bestimmt sein muß. Dient ein Buch mti* zur Aufnahme von Bemerkungen zur Unterstützung des Gedächtniffes, ist es nicht be­ stimmt, diese Aufzeichnungen in sachlich geordneter Weise für das Handelsgeschäft schriftlich zu *) Umfassende Zusammenstellung siehe bei Borchard, Die geltenden Handelsgesetze-des Erdballs, Bd. V. (1887, S. 481—485). 2) Vgl. unten Bem. 16. 3) Vgl. Goldschmidt, Ueber Editionspflicht u. s. w. in G. Z. Bd. XXIX S. 341 ff. und Rießer, Zur Revisiou des Handelsgesetzbuchs/ Beilagenheft zu Bd. XXXIII derselben Zeit­ schrift, S. 37.

120

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 28.

fixieren, so kann es als Handelsbuch nicht angesehen werden. die sogenannten Bestellungs-

Aus diesem Grunde sind z. B.

oder Kommissionsbücher, in welche die mündlich abgeschlossenen

Kaufgeschäfte vom Gegenkontrahenten

des Bucheigenthümers mit Datum und Unterschrift ein­

getragen werden (ROHG. XV, S. 171), ferner die Konto- oder Beibücher, welche Kaufleute über ihre Geschäftsverbindung mit Kaufleuten oder Nichtkaufleuten halten, welche im Allgemeinen im Besitze des einen Kontrahenten verbleiben, von Zeit zu Zeit dem Gegner behufs Notierung der Ergebnisse der inzwischen eingegangenen Geschäfte übergeben und nach Ausführung der Einträge wiederum vom Anderen zurückgenommen werden (ROHG. I, S. 163, XII, S. 70, XIV, S. 261), sowie die Tagenotizdücher, Komptoirkalender keine Handelsbücher.

Diese Notizbücher enthalten

nur die Grundlagen für die Eintragungen in die Handelsbücher.

7. Die Handelsbücher bilden nicht ohne weiteres Pertmenzen einer Handlung, sodaß mit der Geschäftsübernahme cm Anspruch auf die Handelsbücher verbunden wäre. Entscheidend ist hier das Interesse, welches der Geschäftsübernehmer an denselben hat, und dies ist auch für den Richter, welcher hierüber zu entscheiden in die Lage kommt, maßgebend.

Ein solches Interesse

ist z. B. nicht vorhanden, wenn sich an die Geschäftsübernahme eine Liquidation des alten Ge­ schäftes geknüpft hat, da hier der Uebernehmer als solcher durch die früheren Geschäftsverhältnisse nicht berührt wird, während, wenn ein Handelsgewerbe mit Aktiven und Passiven übernommen wird, die geführten Handelsbücher zur Fortführung des Geschäftes so nothwendig sind und der Geschäftsübcrnehmer

em so

offenliegendes Interesse daran hat, dieselben stets zur Hand zu

haben, daß, wenn bei der Vereinbarung über die Uebernahme des Handelsgewerbes betreffs der Handelsbücher nichts ausdrücklich bedungen oder vorbehalten wurde, im Zweifel als von den Betheiligten beabsichtigt anzunehmen ist, daß die Bücher an den Uebernehmer mit übergehen sollen. (Busch's, Archiv, Bd. 47 S. 60 f.) Steht hingegen fest, daß die Betheiligten eine Ver­ einbarung über die Bücher nicht haben treffen wollen, so unterliegt die Entscheidung hierüber dem Richter,

welcher solche nach obigem Grundsätze zu treffen hat.



Dieselbe Bewandtniß

hat

es, bezüglich der von einer Sozietät geführten Bücher, wenn das Geschäft von einem Sozius übernommen wird. S. hierüber die Entsch. des ROHG. vom 10. September 1872 Bd. VII S. 74, 75, vom 10. April 1876 Bd. XIX S. 419, 420, vom 5. Juni 1872 Bd. VI S. 296 ff. — Vgl. auch Busch's Arch. Bd. 5 S. 462, Keyßner HGB. S. 30. 8. Verpflichtet zur Buchführung, und zwar zu einer ordentlichen Buchführung, ist nur der Vollkaufmann (einschließlich der Handelsfrau) und nicht der Kaufmann minderen Rechtes (Art. 10). Auf letzteren sind die gesetzlichen Bestimmungen über Führung der Handelsbücher nicht anwendbar. Aber auch beim Vollkaufmann wird die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung zur Buchführung nicht überwacht oder etwa durch Androhung von Ordnungsstrafen erzwungen, allein die Unterlassung oder unordentliche Führung bewirkt strafrechtliche Folgen, wenn der Unterlassende seine Zahlungen eingestellt hat, oder wenn über dessen Vermögen das Konkurs­ verfahren eröffnet worden ist (§§ 209 Ziff. 3 u. 4, 210 Ziff. 2 der Konk. O.) l).

9. Für die Verpflichtung zur Buchführung ist es gleichgültig, ob von vornherein der Betrieb eines Geschäftes über den eines Kaufmannes minderen Rechtes hinaus beabsichtigt war, oder ob der Betrieb erst später eine solche Ausdehnung erlangt hat, wie auch darauf nichts an­ kommt, ob Jemand das Bewußtsein hatte, daß sein Geschäftsbetrieb ihn zum Vollkaufmann stemple und er demgemäß zur ordentlichen Führung von Geschäftsbüchern verpflichtet sei. (S. hierüber noch unten Bem. 12). Es bildet ferner auch keine Voraussetzung, daß der Kauf­ mann, welcher die in Frage stehenden Pflichten verletzt hat, noch zur Zeit seiner Zahlungsein­ stellung Kaufmann gewesen ist, und so befreit auch einen Handelsgesellschafter der Austritt aus der Gesellschaft, welche nachher die Zahlung

einstellte, nicht von der strafrechtlichen Haftung

für

diejenigen Handlungen, welche er vor seinem Austritte mit begangen, bezw. unterlassen hat. (S. Fuchsberger, Entsch. des RG. auf dem Gebiete des Strafrechts, Bd. III S. 440ff. und Suppl. Bd. hierzu S. 839 f.) Bei der Aufgabe des kaufmännischen Geschäftes kommt aber für die Frage der Fortdauer *) S. oben Bem. 3, insbes. die dort abgedruckten Paragraphe der Konk. O.

Zweiter Titel. Von den Handelsbüchern Art.

28.

20.

121

der dem Kaufmann unter Strafandrohung auferlegten Pflichten wesentlich m Betracht, ob eine Lösung der im früheren Gewerbe eingegangenen Verbindlichkeiten stattgehabt hat, und dies ist auch dafür entscheidend, ob mit dem Zeitpunkte. in welchent ein Kaufmann den Betrieb seines Geschäftes aufgibt, auch die Verpflichtung desselben zur Buchführung aufhört. S. Entsch. des RG. in Strass., Bd. IV S. 41 ff. 10. Bevollmächtigte von Gesellschaftern können für die Buchführung und Bilanzzlehung einer offenen Handelsgesellschaft Nicht verantwortlich gemacht werden, selbst wenn sie als speziell ernannte Vertreter (Vorstände) der Gesellschaft fungieren. So lange solche nicht selbst in eigenem Namen und für eigene Rechnung als persönlich haftende Gesellschafter mitthätig werden, sind sie auch nicht Kaufleute un Sinne des HGB., sondern nur Handlungsbevollmächtigte eines Kauf­ mannes. Rechtspr. V, 362, 363.

Artikel 29. Jeder Kaufmann hat bei dem Beginne seines Gewerbes seine Grundstücke, seine Fordernttgen und Schulden, den Betrag seines baaren Geldes und seine anderen Vermögensstücke genau zu verzeichnen, dabei den Werth der Vermögens­ stücke anzugeben und einen das Verhältniß des Vermögens nnd der Schulden darstellenden Abschluß zu machen; er hat demnächst in jedem Jahre ein solches Inventar und eine solche Bilanz seines Vermögens anzufertigen. Hat der Kaufmann ein Waarenlager, dessen Inventur nach der Beschaffen­ heit des Geschäfts nicht füglich in jedem Jahre geschehen kann, so genügt es, ivcnn das Inventar des Waarenlagers alle zwei Jahre aufgenommen wird. Für Handelsgesellschaften kommen dieselben Bestimmungen in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen zur Anwendung. Pr. entttf. Art. 30 Abs. 1. (glitte. I. L. Art. 30. Entw. II. L. Art. 28. - Prot. S. 46, 933, 4527. I « a I t.

Aktiengesellschaften 52. Aktiva 46, 48, 56. Ausländische Niederlagen 60. Bedeutung des Inventars im Allg. 55. Bilanz 39 ff. — in Aktiengesellschaften 52. . I. L. Art. 32.

Glitte. II. L. Art. 30. - - Prot. S. 47.

Vierter Titel.

Bon den Handelsbüchern.

Art. 31.

125

Anhalt. ^ bzug an Aktiven 48. ktiva 46, 48, 56. Ansch affungswerth 44. B örsenpreiS 46, 47. Buchung deS M'ndenvcNheS 48. Bnchwerth 45—48. Conjnnkturenbernckstchtrgung 57. Eours 46, 47 (vgl. auch unten Art. 311, 343 u. a.). Eisenbahnbilanzen 4ii. Gegenwärtiger Werth künftiger Sachen 46. Grundkapital 49 (vgl. auch unten Art. 207, 209). Künftige Leistungen 46.

Marktpreis 47, 47. Nichtfällige Forderungen 46. „ Schulden 46. 9? o m t n n t m e v 11) c 48. Passiva 46. Stab i (.e Conti 49. Tageswerih 44, 46. Verjährte Forderungen 50. Verkehrs werth 46, *47. Währung 45. Werthabschätzung 45 ff., 57. Werthmesser 45.

20. Einer lebenden Sprache und der Schriftzeichen einer solchen hat man sich nicht blos bei der Führung der Handelsbücher, sondern auch bet der Inventarisation und Bilanz, sowie bet der Korrespondenz zu bedienen. Unter lebenden Sprachen sind nicht blos die bei uns üblichen (deutsch, französisch, englisch, italienisch), sondern ailch solche zu verstehen, die hier weniger gang und gebe sind, z. B. spanisch. Die Grenze im Gebrauch dieser Sprachen bestimmt an sich schon das praktische Leben, welches alles Ueberflüssige ausschließt, allein keinesfalls darf eine fremde lebende Sprache zur Verdeckung, der Buchführung benutzt werden. Vgl. hierüber Anschütz und v. V öl derndorff, HGB. Bd. I S. 243—244; dagegen Brix, HGB. S. 52 und St üben rauch, Handelsrecht S. 87. Der Gebrauch der hebräischen Sprache ist als todte Sprache ausgeschlossen. Protokoll Bd. I S. 48; Anschütz und v. Bölderndorfs, HGB. Bd. I S. 243; Hahn, HGB. Bd. I S. 88; Makower, HGB. zu Art. 32 Note 13. Vgl. preuß. G. vom 23. Juli 1847 § 6. 21. Ob die neueste sog. Weltsprache, genannt B o l a p ü k, als lebende Sprache aufzufassen ist, hängt davon ab, ob die zur Zeit (1888/80) nur m Vereinen und in emer eben erst entstehenden Literatur gepflegte Sprache wirklich m den Verkehr eindringt und zwar ohne Beschränkung auf einen Verkehr, welcher nur unter Bekannten oder Bereinsmitgltedern als solchen, sondern in all­ gemeinen Handelsbeziehungen (wenn auch nicht ausschließlich oder auch mir vorwiegend) gebräuch­ lich wird. Die Schriftzeichen der Volapük sind als solche nicht zu beanstanden, da sie die Schriftzeichen, der lebenden romanischen Sprachen sind. 22. Durch die Vorschrift, die Schriftzeichen einer lebenden Sprache anzuwenden, schließt das HGB. die Kursivschrift der Inden (sog. Nabbinerschrtst) von der Benutzung atis. Vgl. Centralorgan 1863 S. 42. Der Gebrauch griechischer Lettern ist gleichfalls rtnstatthaft. A n s ch ü tz u. v. V ö l d e r n d o r f s, HGB. Bd I S. 244. Hebräische und griechische Buchstaben sind auch dann ausgeschlosseii, trenn durch sie deutscher Text fixiert werden soll. An sich nicht unstatthaft ist der Gebrauch von Abkürzungswörtern (Stubenranch, Han­ delsrecht S. 88); stenographische Aufzeichnungen sind jedoch unzulässig. Anschütz u. v. Völkern dorff, HGB. Bd. I S. 244. 23. Wo das Gesetz „Bücher" verlangt, genügt cm bloßes „Heften" Nicht; es muß ent unbemerktes nachträgliches Herausnehmen oder Einschalten von Blättern ausgeschlossen fern. Die Paginierung der Bücher darf wohl als zur ordnungsmäßigen Führung der Büchen gehörig — mindestens nach Handelssitte erforderlich — aufgefaßt werden; die amtliche Beglaubigung, der Seitenzahl kann durch Partikularrecht vorgeschrieben werden (siehe Prot. S. 48). Vgl. die Einführungsgesetze. Die Führiing der Handelsbücher von verschiedener Hand zu ent und derselben Zeit ist zulässig. 24. Im Briefkopierbuch, wenn es mit Maschine oder sonstwie mittels mechanischen Abdruckes geführt wird, ist das Leerlassen der Rückseite statthaft. Anschütz u. v. B öld.erndorff, HGB. Bd. I S. 244; Auerbach, das Handelsgesetz Bd. I S. 59. Eine auf der Rückseite einer Brief­ kopie geschriebene Briefkopie wäre sogar verdächtig. Vgl. Anschütz m Goldschmidt's Zeit­ schrift,' Bd. I S. 219 ff.

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Erstes Buch. Vom Handelsstande. Art. 31. 32.

Eine größere Anzahl von unbeschriebenen Seiten ist unter Umständen keine Ordnungs­ widrigkeit, z. B. wenn das Buch für verschiedene Waaren verschiedene Abtheilungen macht; in einem solchen Falle hätten ja auch mehrere Bücher angelegt'werden können. NOHG. XVIII, 231 ff. 25. Die Vornahme der Eintragungen in die Handelsbücher mit Tinte oder einem anderen, spätere willkürliche Aenderungen erschwerenden und die Gewähr größerer Dauerhaftigkeit bietenden Stoffe ist im Handelsgesetzbuch nicht vorgeschrieben und obwohl dieselbe üblich ist und der Regel nach als Ersorderniß einer ordnungsmäßigen, unverdächtigen Buchführung angesehen werden muß, erscheint es doch nicht als schlechthin ausgeschlossen, bei gewissen einzelnen Büchern und Notierungen, welche nur einen vorläufigen Zweck haben, aus der Stelle, und zwar häufig cm Orten, wo es an einer geeigneten Schreibgelegenheit fehlt (in Lagerräumen, an Bord von Schiffen, im Freien rc.) gemacht werden müssen und Personen überlassen zu werden pflegen, welche mit der Feder weniger bewandert sind (Markthelfern, Küfern, Lageraufsehern rc.), auch Eintragungen mit Blei für zulässig zu erachten. Fuchsberger, Sammt, der Entsch. des NOHG. n. RG. in Handelss (1881) S. 34. (NOHG. XVIII. S. 231.)

Artikel 32. Bei der Führung der Handelsbücher und bei den übrigen erforderlichen Aufzeichnungen muß sich der Kaufmann einer lebenden Sprache und der Schrift­ zeichen einer solchen bedienen. Die Bücher müssen gebunden und jedes von ihnen muß Blatt für Blatt mit fortlaufenden Zahlen versehen sein. An Stellen, welche der Regel nach zu beschreiben sind, dürfen keine leeren Zwischenräume gelassen werden. Der ursprüngliche Inhalt einer Eintragung darf nicht durch Durchstreichen oder auf andere Weise unleserlich gemacht, es darf nichts radirt, noch dürfen solche Veränderungen vorgenommen werden, bei deren Beschaffenheit es ungewiß ist, ob sie bei der ursprünglichen Eintragung oder erst später gemacht worden sind. Pr. euth». Art. 32. Glitt». I. £. 33. Glitt». II. « Ar«. 32. - Pro«. @. 48, SU.

Inhalt. Abkürzungen 22. Aufbewahrungspflicht f. Art. 33. Beglaubigung 23. Bleifeder 25.

Bücher f. Art. 28 u. die Bem. dazu. Gebundene Bücher 23. Handschriften, verschiedene 23. Hebräische Schrift 22.

Heb rätsche Sprache 20. Kopierpresse 24 Leere Seiten 24. Paginierung 23. Sprach e, lebende 21. Stenographie 22. Tinte 25. Volapük 21.

26. Als ergänzende Verpflichtung zur Buchführung besteht die Verbindlichkeit zur Auf­ bewahrung der geführten Bücher, der empfangenen Handelsbriefe, der Jnventare und Bilanzen und zwar im Original. Nach einem Erkenntnisse des Obertribunals zu Berlin vom 10. Mai 1872 Mppenhof Bd. XIII S. 298) soll es — wenigstens in Bezug der strafrechtlichen Zurechnung — genügen, wenn eine wortgetreue Abschrift behalten wird. Wenn der Tag der letzten Eintragung nicht zu ermitteln ist, so wird der Beginn der Dauer der zehnjährigen Aufbewahrnngspflicht von dem Tage an gerechnet, an welchem der Ein­ trag über das streitige Geschäft ordnungsmäßig hätte erfolgen sollen; v. Hahn, HGB. Bd. I S. 150 § 4. 27. Bei irgend welcher nachträglicher Einschreibung in ein bereits geschlossenes Buch be­ ginnt der Lauf der zehnjährigen Frist von Neuem. v. V ö l d e r n d o r f f, HGB. Bd. I S. 247, Note 3. Bezüglich des Beginnes der Frist der Verbindlichkeit zur Aufbewahrung der Handelsbriefe, Jnventare und Bilanzen ist im Gesetz eine Bestimmung nicht getroffen. Es ist aber nach der

Blerter Titel. Bon den Handelsbüchern.

Art. 32. 33. 34—36.

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Vorschrift in Abs. 1 selbstverständlich, daß jeder Brief zehn Jahre lang von seinem Datnm an, Inventar und Bilanz zehn Jahre lang nach der Aufstellung aufbewahrt bleiben. Atlf die Belege (Fakturen, Wechsel re.) erstreckt sich die Anfbewahrungspflicht nicht, v. Bolderndorff m Endemann's Handbuch des Handelsrechts, Bd. I S. 241.

Artikel 33. Die Kaufleute siud verpflichtet, ihre Haildelsbücher während zehu Jahren, von dem Tage der in dieselben geschehenen letzten Eintragung an gerechilet, aufzubewahren. Dasselbe gilt in Ansehung der empfangenen Handelsbriefe, sowie in An­ sehung der Jnventare und Bilanzen. Pr. eiittv. Art. 33. eiitto. I. s. Art 35. E,,tw. II. 8. Art 31. Prot. 3. 49, 916. AufbewahrungS Pflicht 26. Bilanz 39 ff. HandelSbriefe 15, 16. „ -bücher 6 ff.

Inventar 55—60. Nachträge 27. Strafe 28, auch Bcm. 3. Zeitberechnnng 26, 27.

28. Eine Zuwiderhandlung gegen die Vorschrift des Art. 33 wird nach § 200 Zrff. 4 und §210 Ziff. 2 der Konk.Ordn. bestraft?) Durch Vernichtung der Bücher rc. nach dieser Zeit entsteht dem Kaufmann kein anderer Nachtheil, als daß er dadurch eines wichtigen Beweismittels verlustig geht.

Artikel 34, 35 und 36*2) sind aufgehoben durch § 13 des Einf.-Gcs. zur CPO.3) Auf den Inhalt der aufgehobenen Artikel beziehen sich die Bemerkungen über: Bevollmächtigte 10, 13, 52 (zu Art. 36). Beweiskraft 3, 29, 30. Formvorfchrif ten 20—25, 51.

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Landesgesetzgebung 30. Richterliches Ermessen 29, 30.

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*) Vgl. oben Bem. 3 a. Ende. 2) Sie lauteten: Art. 34. Ordnungsmäßig geführte Handelsbücher liefern bei Streitigkeiten über Handelssachen unter Kaufleuten in der Regel einen unvollständigen Beweis, welcher diirch den Eid oder durch andere Beweismittel ergänzt werden kann. Jedoch hat der Richter nach seinem durch die Erwägung aller Umstände geleiteten Ermessen zu entscheiden, ob dem Inhalte der Bücher ein größeres oder geringeres Maß der Beweiskraft beizulegen, ob in dem Falle, wo die Handelsbücher der streitenden Theile nicht übereinstimmen, von diesem Beweismittel ganz abzusehen, oder ob den Büchern des einen Theils eine überwie­ gende Glaubwürdigkeit beizumessen sei. Ob und inwiefern die Handelsbücher gegen Nichtkaufleutc Beweiskraft haben, ist nach den Landesgesetzen zu beurtheilen. Art. 35. Handelsbücher, bei deren Führung Unregelmäßigkeiten vorgefallen sind, können als Beweismittel nur insoweit berücksichtigt werden, als dieses nach der Art und Bedeutung der Un­ regelmäßigkeiten, sowie nach der Lage der Sache geeignet erscheint. Art. 36. Die Eintragungen in die Handelsbüchcr können, unbeschadet ihrer Beweiskraft, durch Hnndlungsgehülfen bewirkt werden. 3) Dieser lautet: § 13. Die prozessrechtlichen Vorschriften der Reichsgesetze werden durch die Zivilprozessordnung nicht berührt. Aufgehoben werden: 1. § 2 des Gesetzes, betreffend die Aufhebung der Schuldhaft, vom 29. Mai 1868; 2. Artikel 34—36, 37 Satz 2, 30, 77, 78 70 Abs. 2, 488, 494, 889 des Handels­ gesetzbuches;

128

Erstes Buch. Bom Handelsstande. Art. 34—86.

29. Der § 13 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Reichscivilprozeßordnung hat, indem er die in Art. 34 ff. des HGB. aufgestellten Beweis re ge ln aufhob, keineswegs die Beweis kr c ft, welche den Handelsbüchern längst vor dem Handelsgesetzbuche aus in der Sache liegenden Gründen beigelegt ist, beseitigen oder schinälern, sondern nur das im -§ 259 der EPO. generell cnfgestellte Prinzip der freien richterlichen Beweiswürdignng auch für die Handelsbücher maßgebend erklären wollen/) Nach dem Grunde, ans welchein den Handelsbüchern Beweiskraft beigelegt wird, kann diese Beweiskraft den Büchern für sich allein, ohne daß noch andere besondere Mo­ mente zur Begründung der Beweiskraft hinzuzukommen brauchen, also lediglich deshalb, weil der Kaufmann die betreffende Eintragung in die Bücher gemacht hat, beigelegt werden. Nach § 259 der EPO. hat der Richter indeß zu würdigen, ob und welches Maß der Beweiskraft den Büchern im konkreten Falle beizulegett sei, und dabei können andere konkurrierende Mommte zur Minderung oder Stärktmg der Beweiskraft in Betracht kommen. Das Ergebniß der richter­ lichen Würdigung kann also im konkreten Falle die gänzliche Berneinung der Beweiskraft der Handelsbücher sein. Entsch. des RG. in Eivils. Bd. VI S. 346—347, vgl. Entsch. des RG. in Straff, in der Rechtspr., Bd. V S. 627—628, Bd. III S. 18. Es ist davon auszugehen, daß die Eintragungen in die Handelsbücher einseitig abgegebene Erklärungen sind, welche hinsichtlich ihrer Beweiskraft die Natur von Zeugnissen haben, deren Glaubwürdigkeit in Gemäßheit der Borschrift des Art. 259 Abs. 1 der EPO. unter Berück­ sichtigung des gesummten Inhaltes der Berhandlungen, sowie der erhobenen sonstigen Beweise nach freier Ueberzeugung zu würdigen sind. Entsch. des RG. vom 1. Dezember 1885 in Seuffert's Arch. Bd. 41 S. 451. 30. Was die Beweiskraft der Handelsbücher im Berhältnifse zwischen dem Kaufmanne und Nichtkaufmanne betrifft, so hatte der aufgehobene Art. 34 des HGB. hierüber keine Bestim­ mungen getroffen, sondern auf die Landesgesetze verwiesen. Soweit nun letztere mit der freien Beweiswürdigung des § 259 der EPO. nicht im Widersprüche stehen, werden sie von dem § 14 Nr. 3 des Einf.-Ges. zur EPO. nicht getroffen, welcher diejenigen Borschriften der Landesgesetze aufhebt, nach denen unter gewissen Boraussetzungen eine Thatsache als mehr oder minder wahr­ scheinlich anzunehmen ist. Entsch. d. RG. in Straff. IV, 5—6, Rechtspr. III, 18. 31. An sich ist Niemand verbunden, dem Gegner seine eigenen Ausschreibungen vorzu­ legen, und bestritten ist, ob Handelsbücher gemeinschaftliche Urkunden im civil- und prozeßrechtlichen Sinne genannt werden können (Prot. 944); der erste Civilsenat des Reichsgerichts 3. § 6 des Gesetzes, betreffend die Verbindlichkeit zum Schadenersätze für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken u. s. w. herbeigeführten Tödtungen und Körperverletzungen, vom 7. Juni 1871; 4. § 14 des Gesetzes über das Postwesen des Deutschen Reiches vom 28. Ok­ tober 1871, insoweit diese Vorschrift die Unterbrechung der Verjährung an die Anmeldung der Klage knüpft; 5. § 144 Abs. 2 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbe­ amten, vom 31. März 1873; 6. tz 78 Abs. 3 des Gesetzes über Beurkundung des Personenstandes und die Eheschliessung vom 6. Februar 1875. Der Artikel 80 der Wechselordnung wird dahin abgeändert, dass die Verjährung auch nach Massgabe der §§ 190, 254, 461 Abs. 2, 471 Abs. 2 der Civilprozessordnung unterbrochen wird. In den Fällen der Artikel 348, 365, 407 des Handelsgesetzbuches ist das im § 448 der Civilprozessordnung bezeichnete Amtsgericht zuständig; auf die Ernennung, Beeidigung und Vernehmung der Sachverständigen finden die Vorschriften der Civilprozessordnung in dem achten Titel des ersten Abschnittes des zweiten Buches entsprechende Anwendung. ') Die Motive (Seite 207—208) zum Entwürfe der EPO. äußern sich in dieser Be­ ziehung zu § 259, daß bei Anwendung desselben nicht übersehen werden dürfe, daß mit der Ver­ werfung einer gesetzlichen Beweisregel die Regel selbst noch nicht beseitigt, sondern nur in ihrer rechtlichen Bedeutung verändert wird, indem die gesetzlichen Vorschriften den Charakter gol­ dener Erfahrungssätze annehmen, daß also an Stelle ihrer zwingenden Kraft die darin enthaltene Anleitung tritt, bereu Befolgung sich nach den Umständen richtet.

Vierter Titel.

Von den Handelsbüchern. .Art. 34—36.

129

hat dies in Urtheilen v. 3. Oft. 1885 u. v. 18. Sept. 1886 (Rg. XVIII. 24) hinsichtlich der Handelsbücher als Ganzes verneint; es scheint jedoch ein Urtheil des dritten Civilsenates des Reichs­ gerichtes vom 12. Mai 1882 (Seuffert's Archiv, Bd. 37 Nr. 348) einer anderen Ansicht zu folgen. Allein auf die Gemeinschaftlichkeit kommt es nicht an, sofern bezüglich der Editionspflicht nicht die allgemeine Vorschrift des § 387 Nr. 2 der CPO., sondern die durch § 13 des Eins. Ges. zur CPO. aufrecht erhaltene besondere Vorschrift des Art. 37 Satz 1 des HGB's. in An­ wendung zu bringen ist. Mag man die Bestimmung dieses Art. 37 dahin verstehen, daß ein Recht der Partei auf Vorlegung der Handelsbücher des Prozeßgegners überhaupt nicht besteht (Entsch. des ROHG. Bd. TI, S. 129), oder mag man mit Rücksicht auf den Beschluß der Kom­ mission zur Entwerfung eines allgemeinen DHGB. (Protokolle S 946) annehmen, daß ein durch die Befugniß des Richters zur Ablehnung'des Editionsvertrages beschränktes Recht der Partei auf Vorlegung der Handelsbücher anerkannt ist, so ist jedenfalls außer Zweifel, daß das Prozeßgericht befugt ist, den Antrag der Partei auf Vorlegung der Bücher der Gegenpartei nach seinem Ermessen abzulehnen. SoSeuffert's Archiv, 93b. 41, (5.186. (RG. Bd. XV, ©.380,381). RG. XVIII, 24, 25. Behrend, Lehrb. d. HR. Bd. I, S. 302 mit Anm. 58 u. 59; Goldschmidt in seiner Zeitschrift Bd.XXIX, S. 341 ff., insbes. S. 367. And. Ans. Loth.Seuffert, CPO. (4.Aufl. 1889), S. 485 ff. 32. Eine Editionspflicht besteht überhaupt nur im Laufe eines Rechtsstreites, nicht außer­ halb eines Prozesses (Protokolle S. 945) und bezieht sich nur auf die Parteien, berührt aber die Pflicht der Edition von Büchern anderer Personen als der Parteien nicht. (Prot. S. 947). Die Vorlegung der Händelsbücher kann nur auf Antrag einer Partei und nicht von Amts­ wegen erfolgen, (ebenda S. 942). 33. Derjenige, welcher sich zum Beweise bestimmter Thatsachen auf Handelsbücher beruft, muß in solchen selbstverständlich diejenigen einzelnen Stellen nachweisen, aus denen er im kon­ kreten Falle den Beweis führen will. Es ist nicht Sache des Gerichtes oder des gerichtlichen Sachverständigen, eine nach dieser Richtung unvollständige Beweisführung zu ergänzen und den Versuch zu machen, aus umfangreichen Büchern diejenigen Stellen aufzuführen, auf welche sich der beweispflichtige Produzent berufen haben könnte bezw. wollte. Erkenntnisse des preuß. OTr. vom 14. März 1837 — Präjudiz Nr. 175; vom 15. Dezember 1837 in Koch, Archiv Bd. 2, S. 59; vom 10. Februar 1870, Striethorst's Archiv Bd. 76, S. 360; Entsch. des RG. vom 18. Februar 1880 Bd. I, S. 423, 424. Busch's Archiv, Bd. 42, S. 10, 11. 34. Damit kein Kaufmann ohne Noth gezwungen werde, seine ganzen Bücher offen 31t legen, welche über seinen gestimmten Geschäftsverkehr oder Vermögensstand Auskunft geben, ist in Art. 38 verordnet, daß von dem Inhalte der produzierten Bücher nur soweit er den Streitpunkt betrifft, unter Zuziehung der Parteien Einsicht und Abschrift zu nehmen, und daß auch dem Richter der übrige Inhalt der Bücher nur insoweit offen zu legen, als dies zur Prüfung ihrer ordnungsmäßigen Führung nothwendig ist. Prot. S. 944, 946. Zu dieser Prüfung dürfen vom Richter selbstverständlich Sachverständige zugezogen werden. Der Art. 38 gilt für alle Fälle der Produktion von Handelsbüchern, mag dieselbe zur Führung des dem Eigenthümer der Bücher selbst obliegenden Beweises, oder auf Antrag des Gegners erfolgen. Protokoll, S. 947. Busch's Archiv, Bd. 28, S. 435, 445. Daß der Produzent nur einen Auszug aus seinen Büchern, soweit ihr Inhalt den Streit­ punkt betrifft, vorlegt, dies genügt nicht, v. Hahn, HGB. Bd. I, S. 108 (Bem. zu Art. 38). 35. Unter Auszug versteht das Gesetz eine Abschrift des Inhaltes selbst, soweit er sich auf den Streitpunkt, bezieht, wörtlich und in allen Theilen mit der wirklichen Buchführung über­ einstimmend. Anschütz und v. Völderndorff, HGB. Bd. I, S. 290—292. (Vergl. auch vorige Bemerkung 34.) 36. Der Gegensatz des Art. 40 zu Art. 38 liegt darin, daß ersterer die Fälle bezeichnet, in welchen die Mittheilung der Bücher zur vollständigen Kenntnißnahme von ihrem ganzen In­ halte von Amtswegen verordnet werden kann. 37. Das wirkliche Vorhandensein der nach Art. 28 des HGB's. nothwendigen Bücher braucht von dem auf die Edition derselben Antragenden weder behauptet noch bewiesen zu werden.

Fuchsberger und Gareis, ADHGB.

9

130

Erstes Buch.

Bom Handelsstande.

Art. 34—36. 37.

38. Ein Prokurist, welchem ein Antheil am Reingewinne zugestanden ist, kann nicht verlangen, daß ihm die Handelsbücher seines Prinzipales zur vollständigen Kenntnißnahme von ihrem ganzen Inhalte, um darnach die Richtigkeit der gezogenen Bilanzen beurtheilen zu können, mitgetheilt werden; der Art. 40 bezieht sich nur auf Fälle des offiziösen Verfahrens des Handelsgesetzbuches; wenn zwei eigenberechtigte Gesellschafter sich über die Auseinandersetzung nicht einigen können und es wird deßhalb der Rechtsweg beschritten, so kann dort etwa der Fall des Art. 37 eintreten. Oesterr. O. Ger. in Busch's Archiv, Bd. 28, S. 455—457.

Artikel 37. Im Laufe eines Rechtsstreits kann der Richter auf den Antrag einer Partei die Vorlegung der Handelsbücher der Gegenpartei verordnend) Pr. Silit», «ri. 37. 6«tt». I. L. «ri. 38. Snit». II. L. «ri 36. - Prot. ®. 912, 911. Siihali. Antrag einer Partei 32, 37. I Genaue Angabe 33. Beweistheorie 29, 30. j Handelsbücher f. Art. 28 und die Sem. hierzu, Citate auS HandelSbücherm 33. I inSbes. 6 ff. Edition 31—36. I Parteienbücher 32. Einsichtnahme 31. } „ -recht 31. Fremde Bücher 32, vgl. auch Art. 40 und die Sem. j Richterliche Befugniß 31, vgl. hierzu auch Art. 38. hierzu. |

39. Die Aufstellung der Bilanz ist ein Theil der kaufmännischen Buchführung. Nicht jede das Vermögen eines Kaufmannes betreffende ziffermäßige Zusammenstellung kann als Bilanz int Sinne des Gesetzes gelten, dieselbe muß vielmehr den Charakter eines das Verhältniß des Vermögens und der Schulden erweisenden Abschlusses an sich tragen. Der Zweck der Bilanz besteht nämlich darin, eine unmittelbare zuverlässige Uebersicht über den jeweiligen Vermögens­ stand am Schluffe der Rechnungsperioden zu geben; bei der Gesellschaftsbilanz also über die Höhe des reinen Gesellschaftsvermögens und des für die einzelnen Gesellschafter ausgefallenen Gewinnes oder Verlustes. Deren Unterlage bildet das durch die Angabe des Werthes der Vermögensstücke zu vervollständigende vorschriftsmäßige Inventar des Gesammtvermögens. Entspricht das unter der Bezeichnung einer Bilanz errichtete Schriftstück jenem Zwecke nicht, gewährt es die vom Gesetze geforderte Uebersicht überhaupt nicht, oder beruht sein Inhalt nicht auf den gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen, enthält es vielmehr eine Zusammenstellung einzelner nur fingierter oder willkürlich angegebener Posten, so ist der Erfolg derselbe, als wenn überhaupt keine Bilanz errichtet wäre. 40. Die Verpflichtung zur Ziehung der Bilanz tritt nach Art. 29 des HGB's. bei dem Beginne des kaufmännischen Gewerbes in Wirksamkeit, und dies gilt auch für Handelsgesell­ schaften. Der Zeitpunkt des Beginnes des Gewerbes ist dann eingetreten, wenn der erste Akt des Betriebes des kaufmännischen Geschäftes erfolgt, und wann dies der Fall, ist eine rein thatsäch­ liche Frage. Dieser Zeitpunkt ist bei Handelsgesellschaften also nicht nothwendig derselbe, in welchem der Gesellschaftsvertrag abgeschlossen, oder die Gesellschaft zum Handelsregister angemeldet oder in dasselbe eingetragen wird. S. unten Art. 110 u. 163 und die Bem. hierzu. 41. Die Eröffnungsbilanz ist auch dann zu ziehen, wenn der Kaufmann sein Geschäft ohne eigenes Vermögen beginnt. Es ist dann dieser Umstand, dem Art. 30 gemäß, buchmäßig festzustellen. Bei den weiteren Bilanzerrichtungen, welche alljährlich zu geschehen haben, richtet sich die ein­ jährige Frist (Art. 29) nach dem Zeitpunkte des Beginnes des kaufmännischen Gewerbes und der hierbei vorgeschriebenen Aufmachung der Eröffnungsbilanz. Wird die Bilanz erst nach Ablauf des ersten x) Der zweite Satz des Artikel 37 ist aufgehoben durch § 13 des Einf.-Ges. zur CPO., oben Anm. zu Art. 34—36. (S. oben S. 127, Anm. 3.) Er lautete: „Geschieht die Vorlegungnicht, so wird zum Nachtheil des Weigernden der behauptete Inhalt der Bücher für erwiesen angenommen." (Vergl. hierzu Anm. 1, S. 128.) s.

Vierter Titel.

Von den Handelsbüchern.

Art. 37. 38.

131

Geschäftsjahres, wenngleich innerhalb des der Geschäftseröffnung nachfolgenden Kalenderjahres aufgestellt, so ist damit der vom Gesetze als die Maximalsrist bezeichnete einjährige Zeitraum überschritten, innerhalb dessen die der Eröffnungsbilanz nachfolgende Bilanz gezogen werden muß. Entsch. des Obertrib. vom 16. Mai 1866 in Oppenhoff, Rechtsspr. des Obcrtrib. in Strass. Bd. VII, S. 302; Busch's Archiv, Bd. X, S. 313. Entsch. des RG. in Strass. II, 33; Rechtspr. I, 129; II, 418; IV, 592.

Artikel 38. Wenn in einein Rechtsstreite Handelsbücher vorgelegt werden, so ist von dem Inhalte derselben, soweit er den Streitpunkt betrifft, unter Zuziehung der Parteien Einsicht zu nehmen und im geeigneten Falle ein Auszug zu fertigen. Der übrige Inhalt der Bücher ist dem Richter insoweit offen zu legen, als dies zur Prüfung ihrer ordnungsmäßigen Führung nothwendig ist. Pr. etttto. Art. 37. «ntw. I. L. Art. 38. Entw. II. &. Art. 37. - Prot. «. 60, 942, 944 ff. Inhalt. „Auszug" 34, 35. Beschränkung der Einsichtnahme 31—34. — der Produktionspflicht 34, 35.

I Ganzer Inhalt des Handelsbuches 36, s. auch Art. 40 | und die 93cm. hierzu. > Produktionspflicht 31, 34.

42. Entspricht das Geschäftsjahr nicht dem Kalenderjahr und will der Kaufmann die Jahresfrist für die Bilanzziehung mit dem letzteren zusammenfallen lassen, so kann er dies ohne Berletzung des Art. 29 nur erreichen, wenn er an einem auf den Beginn des Geschäftsjahres folgenden Schluß des Kalenderjahres eine Zwischenbilanz aufstellt, von welcher sodann, dem Kalenderjahre entsprechend, die weitere einjährige Bilanzfrist läuft. Entsch. des RG. in Straf­ sachen II, 33. Durch das Entbundensern von der Verpflichtung alljährlicher Jnventierung des Waaren­ lagers wird die Pflicht zu alljährlicher Bilanzziehung nicht berührt. Entsch. des RG. in Straff. I, 421, Rechtspr. I, 354, 467, II, 32, IV, 593. Die Verpflichtung zur jährlichen Er­ richtung eines Inventars wird in Abs. 2 des Art. 29 lediglich hinsichtlich des Waarenlagers des Kaufmannes, wenn dessen Inventur vermöge der Beschaffenheit des Geschäftes nicht füglich in jedem Jahre geschehen kann, dahin beschränkt, daß das Inventar des Waarenlagers alle zwei Jahre aufzunehmen sei, die Verpflichtung, alle übrigen Vermögensstücke jährlich zu verzeichnen, wird jedoch hierdurch nicht geändert. (Siehe Protokolle S. 46, En de mann, Handelsrecht § 22 S. 110 der 2. Aufl.; Anschütz u. v. Völderndorff, HGB. Bd. I, S. 237; Puchelt, Komm. zu Art.29, Anm. 4; Urtheile des OTr. zu Berlin vom 11. September 1867 bei Goltdammer, Arch. Bd. XV, S. 778; vom 15. Mai 1872 ebend. Bd. XX, S. 262; vom 14. Juli 1875 ebend. Bd. XXIII, S. 442; vom 6. März 1877 ebend. Bd. XXV, S. 225. Oppenhoff, Rechtspr. Bd. XVIII, S. 182, 332. Entsch. d. RG. in Straff. I, S. 421.) Bei der Bilanzziehung in dem Zwischenjahre hat das letzte Inventar mit den aus den anderen Handelsbüchern sich ergeben­ den Aenderungen zu Grunde zu liegen. 43. Von der Erfüllung der Verbindlichkeit einer jährlichen Bilanzziehung kann sich ein Kaufmann weder durch den Nachweis einer angeblichen Unmöglichkeit, noch durch den eines ent­ gegenstehenden Gebrauches entziehen. Dem Richter steht es dagegen zu, nach Umständen eine Frist zur Vollendung zu bewilligen. Entsch. des OTr. vom 5. Oktober 1866 in Busch's, Arch. Bd.X, S.314. 44. Aus der in Art. 31 enthaltenen unvollständigen Instruktion ist nur das Prinzip zu entnehmen, daß die Bilanz überhaupt, mithin auch in Ansehung der nicht besonders hervorgeho­ benen Punkte, der objektiven Wahrheit möglichst nahe kommen soll. Der Bilanz liegt hiernach in der That die Idee einer fingierten augenblicklichen allgemeinen Realisierung sämmtlicher Aktiva und Passiva zum Grunde, wobei jedoch davon ausgegangen werden muß, daß in Wirklichkeit nicht die Liquidation, sondern vielmehr der Fortbestand des Geschäftes beabsichtigt wird und daß daher bei der Ermittelung und Feststellung der einzelnen Werthe derjenige Einfluß unberücksichtigt zu /lassen ist, welchen eine Liquidation auf dieselben ausüben würde. (NOHG. XII, 19.) 9*

132

Erstes Buch. Vom Handelsstande. Art. 38. 39.

Als Grundprinzip bei der Aufnahme des Inventars und der Bilanz gilt, daß sämmtliche Lermögensbestandtheile nicht nach dem Anschaffungswerthe, (diese ist nach keiner Richtung eine Grenze, RG. XIX, 119) sondern nur nach dem effektiven zur Zeit der Aufnahme im Inventar bez. in der Bilanz wirklich vorhandenen Werthe anzusetzen sind. Siehe hierüber die folgenden Bem. 45—57, sowie Art. 185 a und Art. 239 b nebst den Bern, zu diesen Artt. 45. Als allgemeiner Werthmesser ist das Geld und bei diesem diejenige Währung zum Grunde zu legen, in welcher der Kaufmann seine Rechnung führt oder zu führen hat. Forderun­ gen oder Schuldverbindlichkeiten, welche zwar im Allgemeinen Geld, aber eine andere Währung, als diejenige, in welcher die Rechnung geführt wird und die Bilanz aufzumachen ist, zum Gegen­ stände haben, sind daher auf die letztere Währung zurückzuführen. 46. Die einzelnen Aktiv- und Passiv-Posten sind nach dem gegenwärtigen Werthe, den sie in demjenigen Zeitpunkte, für welchen die Bilanz aufgenommen wird, besitzen, in die Bilanz aufzunehmen. Hinsichtlich der zur Zeit der Bilanzerrichtung noch nicht fälligen Forderungen und Schul­ den ist dieser Umstand zu berücksichtigen, nicht allein wegen des Einflusses, welchen die Entbehrung des Zinsgenusses resp. die Ersparung an Zinsen während der Zwischenzeit bei unverzinslichen Forderungen und Schulden auf deren gegemvärtigen Werth zur Zeit der Bilanz hat, sondern auch deswegen, weil der Werth solcher erst später fällig werdenden Forderungen und Schulden, deren Gegenstand nicht unmittelbar Geld ist, nur nach dem Werthe bemessen werden kann, welchen der betreffende Gegenstand zur Zeit, wo er rechtlich gefordert resp. gezahlt werden darf, besitzt, und weil dieser Werth keineswegs immer und nothwendig mit demjenigen Werthe zusammenfällt, welchen der betreffende Gegenstand gegenwärtig hat. Bei den erst in Zukunft fällig werdenden Leistungen, deren Gegenstand einen Markt- oder Börsenpreis hat, wird sich der objektive Werth der Regel nach nur nach dem Markt- oder Börsen­ preise der Gegenwart feststellen lassen. Wo sich aber ein solcher zukünftiger Werth objektiv nicht feststellen läßt, was übrigens nicht Sache der rechtlichen, sondern vielmehr der thatsächlichen Be­ urtheilung der konkreten Verhältnisse ist, da bleibt für die Veranschlagung derartiger zukünftiger Leistungen nichts Anderes übrig, als auch hierbei denjenigen Werth zum Grunde zu legen, welchen sie gegenwärtig haben würden, zumal im Allgemeinen davon ausgegangen werden darf und muß, daß auch bei der Bildung des gegenwärtigen Marktpreises resp. Kurses bereits alle diejenigen schon vorhandenen und erkennbaren, wenngleich ihren Einfluß direkt erst für die Folgezeit aus­ übenden Faktoren, soweit sie objektiv von Erheblichkeit sind, mitgewirkt haben. (ROHG. XII, 21. Siehe auch ROHG. XXIV, 73-74.) Passiv-Forderungen (Schulden) sind zu ihrem vollen Betrage in die Bilanz aufzunehmen, Aktivforderungen sind aber nicht zu dem geschuldeten Betrage, sondern nach dem Grade der Sol­ venz des Schuldners und nach den sonstigen Aussichten für ihre Exigibilität zu bemessen.

Artikel 39. Dieser

ist aufgehoben durch § 13 des Einf.-Ges. zur CPO.^)

*) Er lautete: Artikel 39. Befinden sich die Handelsbücher, welche vorzulegen sind, an einem Orte, welcher nicht zum Bezirk des Prozeßrichters gehört, so muß der Letztere das Gericht des Ortes, wo sich die Handelsbücher befinden, ersuchen, die Vorlegung der Bücher vor sich bewirken zu lassen, dabei nach den Bestimmungen des vorhergehenden Artikels zu verfahren und einen beglaubigten Auszug mit dem über die Verhandlungen aufgenommenen Protokolle zu übersenden. 2) § 13 der CPO. so oben Anm. 3 zu Art. 34—36 S. 127—128. Es kommen nunmehr zur Anwendung: Civilprozessordnung § 320. Die Beweisaufnahme erfolgt vor dein Prozessgerichte. Sie ist nur in den durch dieses Gesetz bestimmten Fällen einem Mitgliede des Prozess­ gerichts oder einem anderen Gerichte zu übertragen. Eine Anfechtung des Beschlusses, durch welchen die eine oder die andere Art der Beweisaufnahme angeordnet wird, findet nicht statt. § 399. Wenn die Vorlegung einer Urkunde bei der mündlichen Verhandlung wegen erheblicher Hindernisse nicht erfolgen kann oder wegen der Wichtigkeit der Urkunde und

Vierter Titel. Von den Handelsbüchern.. Art. 39. 40.

133

47. Als der zu ermittelnde Werth ist der allgemeine Verkehrswerth im Gegensatze zu einem nur auf willkürliches subjektives Ermessen oder auf bloße Spekulation zurückzuführenden Werthanschlag zu verstehen, da die Bilanz der objektiven Wahrheit der wirklichen Vermögenslage entsprechen soll, woraus folgt, daß Vermögensbestandtheile (Aktiva oder Passiva), die einen Markt­ oder Börsenpreis (Kurs) haben, der Regel nach zu dem sich hieraus ergebenden Werthe in die Bilanz einzustellen sind, während für andere Vermögensbestandtheile deren gegenwärtiger objektiver Werth auf sonstige Weise zu ermitteln ist. (ROHG. XII, 18.) RG. XIX, 119. Vergl. unten Art. 185 a, Ziff. 1-3. 48. Die Aktiven sind in der Bilanz in ihren wahren dermaligen Werthen anzusetzen, weshalb bei ausstehenden zweifelhaften Forderungen von deren Nennwerth ein verhältnißmäßiger Abzug zu machen ist. Letzterer kann sofort bei Einstellung der einzelnen Forderungen gemacht werden oder es können alle Forderungen zunächst zum Nominalbetrag eingesetzt werden, in welchem Falle schließlich ein Minderbetrag der zweifelhaften Forderungen einzustellen ist. Das letztere Verfahren mag sich aus rechnerischen Gründen in manchen Fällen als das zweckmäßigere empfehlen., (Renaud, Recht der Aktiengesellschaft, § 59 Note 23.) Es kann auch der taxierte präsumtive Minderwerth der Forderungen als definitive Abschreibung gebucht oder als Reserve in die Passiv­ seite der Bilanz eingestellt werden. Wie hier sodann im Falle späterer Realisierung zu einem höheren Betrage das dadurch von der Reserve nicht Gebrauchte in der neuen Bilanz als Aktivum zu buchen ist, so ist im Falle einer gebuchten definitiven Abschreibung ein später realisierter Mehr­ betrag der Forderung über deren Buchwerth als Gewinn einzustellen. (ROHG. XXV, 326—327.) 49. Eine Verschiedenheit besteht bezüglich der Inventarisierung und Bilanzierung bei Eisenbahnen; denn während für's Gewöhnliche alle Aktivposten nach deren derzeitigem wirklichen Werthe zu buchen sind, ist bei denselben eine Bilanzierung der stabilen Konten durch Schätzung der Eisenbahnanlagen zum Werthe des dafür verwendeten Grundkapitales zulässig. Stromb eck in Busch's Archiv, Bd. XXXVII, S. 1—33 und Bd. XXXVIII, S. 15—107; Keyßner in Busch's Archiv, Bd.XXXII, S. 133ff.; Schüler,Vereinf.Eisenbahnkunde, 1878,Sitzungv. 12.Nov. 1878; Löwenfeld, das Recht der Akt.-Ges., S. 409—428. Vergl. ROHG. Bd. XXV, S. 317 ff. 50. Verjährte Forderungen sind zu den uneinbringlichen zu rechnen.

Artikel 40. Die Mittheilung der Handelsbücher zur vollständigen Kenntnißnahme von ihrem ganzen Inhalte kann in Erbschafts- oder Gütergemeinschafts-Angelegen­ heiten,- sowie in Gesellschaftstheilungssachen und im Konkurse, soweit es die Bücher des Gemeinschuldners betrifft, gerichtlich verordnet werden. Pr. Entw. Art. 38. Entw. I. £. Art. 40. II. L. Art. 39. — Prot. S. 60, 948. Inhalt.

Commis int6ress6 38. Editionsantrag Dritter 37, 38 ExistenzbewciS 37. Ganzer Inhalt des Handelsbuches 34, 36. Gesellschafter 38.

Gewinnantheilberechtigter 38. Parteiantrag 37, auch 31 u. 32. Prokurist 38. Revision deS Gesetzes 5.

51. Die Bilanz sowohl wie das Inventar sind nach § 30 Abs. 1 von dem Kaufmanne oder den persönlich haftenden Gesellschaftern zu unterzeichnen; allein weder in der Natur der Dinge liegt es, noch ist es gesetzlich ausgedrückt, daß bei der Nichtbeobachtung dieser Vorschrift die Bilanz oder das Inventar keine rechtliche Existenz hat und nichtig ist. Allerdings soll die Unterschrift des Kaufmannes die Gewähr geben, daß es sich dabei um eine perfekte Rechtshand­ lung handle, für welche der Kaufmann die Verantwortlichkeit übernimmt, und mit Rücksicht hierauf muß es allerdings als erforderlich angesehen werden, daß der Kaufmann die aufgestellte Verder Besorgniss des Verlustes oder der Beschädigung bedenklich erscheint, so kann das Prozessgericht anordnen, dass die Vorlegung vor einem seiner Mitglieder oder vor einem anderen Gerichte geschehe.

134

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 40.

mögensübersicht in der gesetzlich bestimmten Frist als seine Bilanz rc. anerkenne. Hieraus folgt aber noch nicht, daß die Bilanz re., um rechtliche Existenz zu erlangen, von dem Kaufmanne in jedem Falle unterschrieben sein muß. Es kann sich aus anderen Umständen ergeben, daß den gesetzlichen Erfordernissen genügt worden ist. So kann namentlich daraus, daß der Kaufmann die Bilanz eigenhändig geschrieben, dieselbe dann einem anderen Gesellschafter zur Unterzeichnung übersandt, nach dem Rückempfange aber die Beifügung seiner eigenen Unterschrift übersehen hat, mit völliger Bestimmtheit hervorgehen, daß er die Bilanz als die seinige anerkannt hat, obgleich sie nicht mit seiner Unterschrift versehen ist. Es ist also immer nach den Umständen des einzelnen Falles zu prüfen, ob eine nicht unterschriebene, im Uebrigen den gesetzlichen Erfordernissen ent­ sprechende Vermögensübersicht als eine Bilanz im Sinne des Gesetzes anzusehen ist. Siehe hierüber Fuchs b erg er, Entsch. des RG. im Strafrecht, Bd. III, S. 459 ff. und Suppl.-Bd. hierzu S. 853 ff. 52. Bei Aktiengesellschaften wird die Bilanz selbstverständlich nicht von den Aktionären, sondern von den mit der Geschäftsführung Beauftragten unterschrieben. Ueber die Bilanzen der Aktiengesellschaften siehe unter Art. 185, 185 a, 185 c, 206a, 239, 239a, 239b, 240. Der stille Gesellschafter und der Kommanditist unterzeichnen nicht. 53. Bei Gesellschafts-Jnventaren und Bilanzen soll durch die Unterzeichnung seitens der Gesellschafter der Vortheil erreicht werden, künftigen Streitigkeiten vorzubeugen, da die Bedeutung einer solchen Vermögensaufsteüung noch bei der Liquidation der Gesellschaft, z. B. hinsichtlich der Frage des Eigenthums an Apports, hervortreten kann; vgl. Art. 92 Abs. 2 ii. die Bem. hierzu. In der Unterzeichnung der jährlichen Bilanzen und Jnventare liegt eine Einigung hier­ über und somit eine Ordnung von gegenseitigen Ansprüchen. Aus diesem Grunde besteht auch eine Klage auf Abgabe einer Erklärung über Inventar und Bilanz gegen einen die Unter­ zeichnung verweigernden Mitgesellschafter. Entsch. des vorm. Handelsappell.-Ger. Nürnberg v. 28. Juli 1865 in Samml. v. Völderndorff, Bd. II, S. 90ff., Busch's Archw, Bd. VII, S. 349. 54. Aus der Jnventarsanerkennung läßt sich übrigens noch nicht die Bilanzgenehmigung folgern; denn ohngeachtet des Nichtbestreitens der einzelnen Ansätze des Inventars kann doch die Art und Weise der Bilanzierung derselben bemängelt werden. Busch's Archiv, Bd. III, S. 385. Siehe hierüber noch oben bei Vorschriften über die Buchführung, Bem. 8 ff., 39 ff. 55. Das Inventar ist die unentbehrliche Grundlage und als solches integrierender Be­ standtheil der Bilanz. Eine Ausnahme von der Pflicht zur jährlichen Inventur statuiert das Gesetz nur unter den in Abs. 2 des Art. 29 gedachten Voraussetzungen hinsichtlich der Inventarisierung des Waaren­ lagers; immerhin ist aber auch beim Vorhandensein dieser Voraussetzungen einerseits die In­ ventur der übrigen Vermögensstücke geboten, andererseits bleibt auch hinsichtlich des Waaren­ lagers das Inventar die Basis der alljährlich zu ziehenden Bilanz, insoferne diese auch in dem Zwischenjahre, wo eine Lagerinventur nicht stattfindet, dessen Werth anzugeben hat. 56. Das Inventar hat int Haben sämmtliche Aktivbestände des Gesammtvermögeris, nämlich die Grundstücke, die Mobilien, das Waarenlager, das Baargeld, die Wechsel, die Werth­ papiere, die Forderungen und Ausstände aufzuführen; im Soll sind die Passiven aller Art, ins­ besondere die Hypotheken und Kurrentschulden, die acceptierten Wechsel, die unbeglichenen Fakturen u. s. w. aufzunehmen. Die Inventarisierung verzeichnet hierbei die Objekte als solche und nimmt sie im Inventar als in Geld angeschlagene, als geschätzte Vermögensbestandtheile auf. S. v. Völdern­ dorff, Komm, zur Konkursordnung, Bd. II, S. 233 ff. 57. Die Immobilien sind im Inventar nach dem wahrscheinlichen Verkaufspreise an­ zuschlagen, die Waarenvorräthe nach dem Einkaufspreise, das Mobiliar in der Art, daß jährlich vom Anschaffungspreise gewisse Prozente als Abnutzung abgeschrieben werden. Vergl. Busch's Archiv, Bd. 16, S. 145. Ausnahmsweise ist eine Berücksichtigung einer besseren Konjunktur zugelassen. Proto­ kolle, S. 47. 58. Bei Handelsgesellschaften darf die Jnventierung und Bilanz nur das Gesellschafts­ vermögen umfassen; das Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter darf nicht hineingezogen

Fünfter Titel.

Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten. Art. 41.

135

werden. Entsch. des Obertrib. vom 18. Mai 1866, in Busch's Archiv, Bd. X, S. 311. Eine Ueberschuldung der Gesellschaft ist sonach vorhanden, wenn die Passiven der Gesellschaft däs aktive Gesellschaftsvermögen übersteigen. Diese Gesellschafts-Insolvenz wird dadurch nicht aus­ geschlossen, daß in Folge subsidiärer Haftbarkeit der Gesellschafter dieser Schuldenüberschuß aus deren Privatvermögen Deckung findet. 59. Für Haupt- und Zweigniederlassung genügt eine Inventur und Bilanzziehung. Agricola in Siebenhaar, Archiv für Hdls.- und WR. XII, 307. 60. Im Falle einer ausländischen Hauptniederlassung muß aus den Büchern der in­ ländischen Filiale der Stand des gesammten Handlungsfonds hervorgehen; ebenda XII, 320. Bezüglich der Jnventarerrichtung siehe noch die Bem. 51 ff. von der Bilanzziehung.

fünfter Titel.

Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten. Artikel 4L Wer von betn Eigenthümer einer Handelsniederlassung (Prinzipal) be­ auftragt ist, in dessen Namen und für dessen Rechnung das Handelsgeschäft zu betreiben und per procura die Firma zu zeichnen, ist Prokurist. Die Bestellung des Prokuristen kann durch Ertheilnng einer ausdrücklich als Prokura bezeichneten Vollmacht, oder durch ausdrückliche Bezeichnung des Bevollmächtigten als Prokuristen, oder durch die Ermächtigung, per procura die Firma des Prinzipals zu zeichnen, geschehen. Die Prokura kann mehreren Personen gemeinschaftlich ertheilt werden (Kollektivprokura). Pr. ditto. Art. 39. I. 8. Mt«. 41. II. 8. Mt«. 40. - Pro«. Z- 71 f„ 89 f„ 948 f., 951 f., 4630. AbhäugigkeitSverhältniß 3, 4, 5, 6, 8, 64. Agenten 3, 46, 65—69, 85. Aktiengesellschaften 22. Alter ego 4, li, 14. Anfechtung frauduloser Geschäfte 12. Art der Bestellung 27. Auftrag 4/ 5, 6, 27. Befugnis; deS Prokuristen 12 ff. Begriff der Prokura 10. Bestellung 5, 27, 28. Betrieb des Handelsgeschäfts 4, 10, li. Betriebseinstellung li, 14. Dienstverbältnitz 5, 6. 28, 64, 90. Eigenthümer 4, 26. Ertheilung der Prokura 25 ff. Exklusivität der Prokura 8, 12. fform der Bestellung 27. Frau als Prokurist 28, 29. Genossenschaften, eingetragene 22. Geschäftsaufgabe li, 14. Gesellschaften 26.

Inhal t. Handelsniederlassung s. oben Art. 19 und Bem. hierzu, institor 1. Kammern für Handelssachen 17. Kollektivprokura 22, 23. , K onkurrenz zwischen Prinzipal und Prokurist 12. Konkurs des Prinzipals 12. Liquidatoren 26 Anm. Minderjährige Prokuristen 29. Nichtbedienstete 3, 64. Nichtbetrieb io, li. p. p. 33, vgl. 70. Prinzipal 1, 4, 26. Prokura, Bedeutung bei). 10 ff. Schenkungen ll Anm. Veräußerung deS EtabliffementS ll, 14, Verzichte ll Anm. Vollmacht 4—6/27. Wahl der Person 29. Zweigetablissement 24.

KtmerkuWU zu Art. 41—56. 1. Wie der Kaufmann durch seine gewerbliche Thätigkeit, den Handel, Anderen dient, durch den Umsatz von Waaren und diejenigen Beschäftigungen, welche diesem Umsätze förderlich sind, eine Thätigkeit für Andere ausübt, so bedarf auch er der Dienste Anderer: schon eine der primitivsten Aufgaben jedes Handels, nämlich die an Gütern sich vollziehende Ortsveränderung, die Bewegung der Waare vom Produzenten zum Konsumenten, erfordert eine solche Verwendung fremder und damit die Ausdehnung eigener Kraft, daß bereits in den Anfängen alles Handels die

136

Erstes Buch.

Bom Handelsstande.

Art. 41.

Heranziehung von Arbeitskräften Anderer zur Erfüllung der Aufgaben, welche sich ein Kaufmann gesetzt hat, nothwendig war. Im Alterthum leistete die dem Käufmanne nothwendige Unterstützung zum weitaus größten Theile der Sklavenstand; entsprechend den in der Antike bestehenden sozialen Einrichtungen ver­ fügte auch der Kaufmann über ein großes Quantum unfreier Arbeit zu Handelszwecken; recht­ lich maßgebend hierfür waren die gewöhnlichen Grundsätze des Rechtsverkehrs von und mit Unfreien. Doch hat bereits das antike Recht Normen für den Fall der Unterstützung eines HandelsHerrn mittels freier Arbeit geschaffen und anerkannt: neben den für die gewöhnlichen bürgerlichen Rechtsverhältnisse maßgebenden Rechtsinstitutcn der locatio conductio operarum und operis, sowie dem mandatum finden sich zwei Rechtsinstitute, welche speziell Handelsunternehmnngen 511 dienen geeignet waren und mit den Ausdrücken exercitoria und institoria actio bezeichnet werden: hatte Jemand mit einer unfreien oder freien Person, welche von einem Schiffseigenlhümer (Schiffs­ ausrüster, Rheder oder exercitor navis) als Schiffsführer (Schiffskapitän, magister na vis) zur Führung eines Kauffahrteischiffes bevollmächtigt oder von einem Prinzipal (dominus tabernae) als institor (Handlungsbevollmächtigter, preposS)1)2 zur Leitung eines Etablissements angestellt war, einen Vertrag abgeschlossen, so wurde die Klage aus diesem Vertrage als exercitoria actio bezw. institoria actio gegen den Rheder oder Prinzipal gegeben-). Diese Rechtseinrichtung bildet eine wichtige Etappe in der Entwicklung des Prinzips der Stellvertretung (s. lmtm Art. 52 und die Bem. hierzu) und in gewissem Sinne ist der römische institor das antike Vorbild des heutigen Generalhandlungsbevollmächtigten (s. unten Art. 47 und die Bem. hierzu), auch des Prokuristen (Art. 41 und Bem.), und der magister navis als ein solches des Schiffers (Art. 478 ff. des HGB.) zu bezeichnen. 2. Während des Mittelalters vollzog sich in germanischen und romanischen Ländern die Entwicklung des Stellvertretungsprinzips (s. unten Bem. 74 ff.), im Handelsstande aber zuerst hauptsächlich zu Gunsten der Familiengenoffen, von welchen das Familienhaupt im Handels­ betriebe unterstützt wurde; und wie das Gesinde während des Mittelalters als ein Bestandtheil der Familie angesehen wurde, so war auch der Handelsdiener ’ als ein Glied des Hauses betrachtet, welchem er seine berufsmäßigen Dienste leistete. Soweit aber nicht die Regeln der Hausgenossenschast banden oder reichten, war es das Zunft- oder Gilderecht, welches auck) für den Handlungsdiener Interessen schützte und Verbind­ lichkeiten erzeugte. Mit dem Niedergänge des Mittelalters verlor sich mehr und mehr die Be­ deutung des Familienbandes für die handelsrechtlichen Gesellschafts- und Dienstbeziehungcn, da­ gegen entstanden besondere Gewerbe zur Unterstützung und Förderung des Handels. Ein solches Gewerbe, nämlich das des Bankiers, reicht allerdings bis in's Alterthum zurück3), und saßt man die Gastwirthschaft4)*ebenfalls als dem Handel dienend auf, so reicht auch dieses Hilfsgewerbe und mit ihm die Wurzel anderer Hilfsthätigkeiten bis ins Alterthum zurück8). (Gleiches läßt sich wohl auch von der gewerblichen Thätigkeit der nautae in Rom sagen). — Aber gewiß ist, daß noch im Mittelalter der Waarenhändler persönlich oder durch seine Familiengenossen und späterhin auch durch andere ihm verbundene Vertraute manches Hilfsgeschäft seines Handelsbetriebes voll­ zog, für welches, wie z. B. den Transport der Waaren (Spedition, Transportübernahme, Fracht­ geschäft), besondere Gewerbebetriebe als Hilfsgewerbe des Waarenhandels seit dem Ende des Mittelalters eingerichtet und eingeführt wurden. 3. Ueberblickt man die dieser Entwicklung nach sich ergebenden Hilfsthätigkeiten des Handels, so ergibt sich, daß die Personen, welche als HilfsPersonen im weitesten Sinne gegen­ über dem von ihnen unterstützten kaufmännischen Gewerbe aufzufaffen sind, *) Qui tabernae praeponitur, institor appellatur. Gaj. IV, § 71. 2) Dernburg, Pand. Bd. II, § 13; 8?net, Ed. perpet. S. 203ff.; Endemann, HR. § 31 Anm. 6. ....... - 8; Argentarius. Man denke an die besonderen Rechtsinstitute, welche sich an den Ge­ schäftsbetrieb der römischen Argentarien anlehnen, die eigenartigen recepta und compensationes. 4) Vgl. R. Ehrenberg in GZ. XXX, S. 403 ff. r°) Vgl. die besonderen Haftungen der römischen caupones und stabularii.

Fünfter Titel.

Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten.

Art. 41.

137

a) entweder ein eigenes Gewerbe aus dieser ihrer unterstützenden Thätigkeit machen (so daß sie in dieser ihrer Berufsthätigkgit selbst Prinzipale sind) oder b) innerhalb eines fremden Geschäftes (Etablissements) stehen, welchem sie Hilfe leisten, demnach Personen, welche Handlungs- oder Geschäftsgehilfen im weiteren Sinne genannt werden müssen. Zu a). Als selbständige Hilfsgeschäfte des Handels (Handel im engeren Sinne) haben sich die zum Handel im weiteren Sinne (uneigentlichen Hanoel) gehörigen Gewerbsgeschäfte der Kommissionäre (s. unten Art. 360 ff.), „

4.

Spediteure (s. unten Art. 379 ff.),



Frachtführer (s. unten Art. 390 ff.), einschließlich



Eisenbahnen (s. unten Art. 422 ff.),



Banken und Bankiers (s. unten Art. 272 Ziff. 2),



Mäkler (sowohl der Handels-, s. unten Art. 66 ff., als der Privatmäkter),



Versicherungsnehmer (Assekuranzanstalten) s. unten Art. 271 Ziff. 3,



Agenten (unter besonderen Umständen), s. unten Bem. 65—69 und 85.

Zu b). Handlungsgehilfen sind alle Diejenigen, welche im Handelsgewerbe des Prin-

Zipals zum Zwecke des Betriebes desselben angestellt und thätig sind.

Jede der Dienstleistungen

derselben ist als ein Ausfluß oder eine Erfüllung eines Vertragsverhältnisses anzusehen, in welchem diese Hilfspersonen einzeln dem Prinzipal gegenüberstehen. Prinzipal ist der Eigenthümer einer Handelsniederlassung (Art. 41), vorausgesetzt, daß dieser Eigenthümer derjenige ist, welcher zum Verriebe des Handelsgewerbes

den Namen -gibt, demnach

Art. 4 des HGB's. aufgefaßt werden muß,

als der Kaufmann im Sinne des

wie oben Bem. 4 zu Art. 7 S. 17 erörtert ist.

Als Prinzipal (dominus tabernae7 dominus negotiationis s. negotii)

ist, der Bedeutung des

Art. 41 entsprechend, der Kaufmann im Sinne des Art. 4 anzusehen, möglicherweise eine Gesell­ schaft oder Genossenschaft, in deren Namen das Handelsgewerbe betrieben wird

(also Aktien­

gesellschaft, offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, eingetragene Genossenschaft, Handels­ innung, Rhederei, — nicht aber stille Gesellschaft, Gelegenheitsgesellschaft, societas ohne Firma); möglicherweise ein Minderjähriger, dessen Vormund dem Handelsgewerbsbetriebe und dem Dienst­ vertrage zustimmt. Die Hilfe, welche von den Hilfspersonen im Gewerbe des Prinzipals geleistet wird, ist thatsächlich verschieden nach den verschiedenen Richtungen menschlicher Thätigkeit überhaupt. Die Handlungen, welche hierbei juristisch Sachen ^) oder auf Personen.

in Betracht kommen, sind entweder Einwirkungen auf

In letzterem Falle so, daß der Wille des Einwirkenden für den

Anderen maßgebend (vertragsrechtlich: bindend) ist,-) oder so, daß die beiden Willen, nämlich der des Einwirkenden und der der dritten Person, einander gleichberechtigt gegenüberstehen und ein Rechtseffekt demnach durch eine Einigung, welche man Vertrags) nennt, gewollt und erzielt wird. I. Die einseitigen Dispositionen über Sachen führen, angewandt auf die Dienste der Hilfs­ personen, zu der Unterscheidung von a. kaufmännisch-technischen Diensten.

Solche — merkantile —

Dienste leisten z. B.

Buchhalter, Korrespondenten, Kassierer, Magaziniers und diejenigen Laden- oder Lagerdiener, welche nur zur Ordnung, Lagerung und zum Haustransporte der Waaren im weitesten Sinne angestellt sind und hierbei ihre merkantil-technischen Kenntnisse — nötigenfalls unter der Oberleitung des Prinzipals oder seines Repräsentanten (im Sinne von II) — zur Anwendung zu bringen haben (s. Bem. 106 ff. Seite 168); ß technologische Dienste.

Solche bestehen in der Verwerthung chemischer oder mechanischer

Erfahrungen, welche auf wissenschaftlichem Lehrwege erworben werden können linb einem Handclsgewerbe nutzbar gemacht werden. S. unten I a—Y2) S. unten II a. nj S. unten II ß. L)

Es gehören hierher die Dienstleistungen wissenschaftlich gebildeter

138

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 41.

Chemiker in chemischen Fabriken, die von Ingenieuren, Maschinentechnikern, technologisch gebildeten Werkführern in Maschinenfabriken u. s. w. zu leistenden Dienste;

in dieselbe Kategorie können

auch die artistischen Arbeiten gerechnet werden, welche von den in einer gewerblichen Anstalt beschäftigten Zeichnern, Malern, Bildhauern u. s. w. im Auftrag oder für Rechnung ihres Prin­ zipals

angefertigt werden, Arbeiten,

an deren Resultaten nach deut Reichsgesetze betr. das

Urheberrecht an Mustern und Modellen (vom 11. Januar 1876)

das Urheberrecht präsumptive

nicht dem Autor, sondern dem Prinzipale zusteht. y.

Schließlich können zu den Hilfsleistungen, welche in einseitigen Dispositionen über Sachen

bestehen, auch die Dienste gerechnet werden, welche das Gesinde (z. B. Packer, Hausknechte, Putzer) dem Etablissement des Prinzipals leisten. II. Eine Hilfeleistung, welche in Einwirkungen auf Personen besteht, setzt in jedem Falle voraus, daß der Hilfeleistende als Stellvertreter des Prinzipals aufgefaßt wird.

Stellvertreter

in dem hierher gehörigen Sinne ist Jeder, welcher seinen Willen dritten Personen gegenüber mit der Rechtswirkung geltend machen kann, als habe der Prinzipal selbst seinen Willen in gleicher Richtung geäußert.

Diese Stellvertretung im weiteren Sinne umfaßt

a. die Repräsentation des Prinzipals Dritten gegenüber, welche zum Prinzipal in einem vertragsmäßigen Verhältniß stehen, sowie solchen Personen gegenüber, welche ohne solches Ver­ tragsverhältniß sich in Widerspruch setzen mit rechtlich anerkannten Interessen des Prinzipals. Ein Fabrlkaufseher, welcher einem unberufen die Fabrikräume Betretenden gegenüber das Hausrecht des Prinzipals wahrt, ist ein Stellvertreter des Prinzipals in diesem Sinne.

Die

Wahrung der Interessen des Prinzipals mittels autoritativen Auftretens eines Repräsentanten desselben ist unzweifelhaft eine Stellvertretung; ihre Hauptwirkung äußerst dieselbe da, wo die vertragsmäßig bindende Hausordnung oder das vertragsmäßig zu wahrende Gesammtinteresse des Etablissements ein Befehlsrecht des Repräsentanten einerseits und die Subordination des übrigen Personales andererseits zur Folge hat. Eine solche Gewalt und Stellvertretung setzt z. B. § 2 des Haftpflichtgesetzes voraus,

indem es von einem Bevollmächtigten, oder Repräsentanten oder

einer zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder der Arbeiter angenommenen Person spricht.*) Das Stellvertretungsverhältniß ist in dieser Richtung seerechtlich ganz besonders ent­ wickelt; dem Schiffer steht eine Disziplinargewalt zu, welche ihn äußersten Falls ermächtigt zur Anwendung aller Mittel, welche der Schiffsmannschaft gegenüber erforderlich sind, um seinen Be­ fehlen Gehorsam zu verschaffen.-). Mit dieser Art von Stellvertretung ist regelmäßig eine der unter I a oder ß aufgezählten merkantil-technischen oder technologischen Dienstleistungen verknüpft. ß. Die Stellvertretung im engeren Sinne ist die juristische Vertretung des Prinzipales in Bertragsverhältnisien, welche mit dritten Personen abgeschlossen sind oder werden. Der Ver­ treter hat hierbei seinen durch technische oder ähnliche Erwägungen geleiteten Willen mit der Wirkung geltend zu machen, welche die Willenserklärung haben würde, wenn der Prinzipal selbst sie abgegeben hätte. Ein Handlungsgehilfe, welcher zu dieser Art von Hilfeleistung berufen ist, heißt Handlungsbevollmächtigter.

Die Vollmacht ist die juristische That­

sache, vermöge welcher nach positiver Rechtsvorschrift der Willenserklärung einer Hilssperson Dritten gegenüber die Wirkung der Willenserklärung des Prinzipals zukommt. Selbstverständlich kann eine Vollmacht in mehr oder weniger ausgedehntem Umfange ertheilt werden und das posi­ tive Recht der größeren oder geringeren Ausdehnung der Vollmacht jene Wirkung Dritten gegenüber unabänderlich ertheilen oder Dritten gegenüber in bestimmte Grenzen einschränken, an gewisse Bedingungen, Förmlichkeiten oder dergl. knüpfen. 5.

Es unterscheiden sich, wie oben Bem. 3 erwähnt, die Handlungs- oder Geschäfts­

gehilfen von den übrigen Hilfspersonen des Handels dadurch, daß sie in einem bestimmten Ge*) Vgl. Reichsgesetz, betr. die Verbindlichkeit zum Schadenersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken re. herbeigeführten Tödtungen und Körperverletzungen. Vom 7. Juni 1871, §. 2. 2) Vgl. Seemannsordnung, vom 27. Dezember 1872, §§ 72, 79 u. a.

Fünfter Titel.

Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten.

schäfte eines Prinzipales als dessen Bedienstete angestellt sind.

Art. 41.

139

Dieses Verhältniß findet demnach

bei allen vorhin erwähnten Gattungen von Gehilfen (I a ß 7, II et 6- statt und wird durch den Dien st vertrag (als locatio conductio oder als Freidienst- oder als Lohndienstvertrag aufzu­ fassen)

begründet.

Diesem Vertrage entsprechend hat

die Hilfsperson ein gewisses Maß von

Rechten und Pflichten gegenüber dem Prinzipale; fie bezeichnen die dienstliche Stellung des Ge­ hilfen gegenüber dem Prinzipale und bilden, wie man sich auszudrücken pflegt, die innere Seite des Rechtsverhältnisses, in welchem der Gehilfe steht, während als äußere Seite desselben die Vertretung des Prinzipales durch den Gehilfen Dritten gegenüber bezeichnet wird. Die Ver­ bindung zwischen jener inneren und dieser äußeren Seite, zwischen der dienstlichen Stellung gegenüber dem Prinzipale und der Vollmachtsstellung gegenüber dem Publikum bildet der Auf­ trag: es kann der Prinzipal seinen Bediensteten vermöge der Dienstpflicht beauftragen, ihn dem Publikum gegenüber in Rechtsgeschäften zu vertreten.

Einen solchen Auftrag kann der Prinzipal

jedem seiner Gehilfen (I a ß 7, Haß) ertheilen (Bem. 110,112); es kann aber auch das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen und Ausdehnungen in widerleglicher oder unwiderleglicher *) Weise an­ nehmen (präsumieren oder fingieren), daß ein solcher Auftrag ertheilt sei, somit kann eine Diskrepanz zwischen dem Dicnstvcrtrag und der

als

auftragsmäßig

auszuübenden Vollmacht

eintreten,

m. a. W. es kann feilt, daß ein Bediensteter nach dem konkreten Willen des Prinzipales nicht zur Stellvertretung beauftragt ist, dem Publikum gegenüber aber rechtlich als zur Stellvertretung bevollmächtigt erscheint.

6.

Das deutsche Handelsgesetzbuch theilt die angestellten Hilfspersonen in Prokuristen*2) und

Handlungsbevollmächtigte (Buch I Titel 5) und in Handlungsgehilfen (Buch I Titel 6). Diese Eintheilung ist aber richtiger Ansicht nach nur scheinbar eine erschöpfende Personeneintheilung, vielmehr sind darin die vorerwähnten Unterscheidungen in der Weise konfundiert, daß im fünften Titel von der Vertretungsvollmacht nach Außen zu die Rede ist, also eine juristische Art von Hilfsbethärigung, nämlich die Stellvertretung des Prinzipales, welche dem Publikum gegenüber vom Standpunkte der Vollmacht aus geregelt wird, während der sechste Titel einen persön­ lichen Ausgangspunkt hat, nämlich die Kategorie der nicht zur Stellvertretung berufenen Hilfs­ personen des Etablissements (I et—7), dann aber zur Normierung des inneren dienstlichen Ver­ hältnisses der Handlungsgehilfen übergeht. An diese wenig befriedigende Gruppierung reiht sich eine bedeutende Kontroverse (zwischen Thoel und Goldschmidt, unten Bem. 90, 106ff.), welche nach dem unseres Erachtens unzweifelhaften Willen des Gesetzgebers 3) dahin zu entscheiden ist, daß die im Anschlüsse an das Recht der nichtstellvertretungsbevollmächtigten Handlungsgegehilfen dargestellten Normen des inneren oder Dienstverhältnisses (Titel 6) sich auch stellvertretungsbevollmächtigten Hilfspersonen (Titel 5) beziehen müssen. 7.

auf die

Bei einer Revision des HGB's. wird diese Kontroverse durch Beseitigung der Grup­

pierung, wie sie jetzt besteht, vermieden werden; man wird das Dienstverhältniß aller Arten von Angestellten eines Etablissements, also auch das der Stellvertretungsbefugten rein als Dienst­ verhältniß normieren müssen und davon getrennt das Vollmachtsverhältniß, die dem Publikum zugewandte äußere Seite der Rechtsstellung der stellvertretungsbefugten Handlungsgehilfen, d. i. der Handlungsbevollmächtigten einschließlich des Prokuristen zur Darstellung zu bringen haben. Ueber diesen Reformvorschlag, welcher sich an Goldschmidt's bereits im Jahr 1857

ausge­

sprochene Bemängelung des preußischen Entwurfs des HGB's. anschließt, s. Rieß er, Zur Revision des Handelsgesetzbuchs im Beilagenheft zu Bd. XXXIII

der Zeitschrift

für

das

gesammte

Handelsrecht, 1887 S. 38 ff. Ebenda s. auch einige andere Revisionsvorschläge zu den Titeln 5 und 6.

8. Die Normierung des Stellv'ertretungsverhältniffes in Titel 5 des HGB's. zeichnet sich durch die eigenartige Schöpfung eines formaliter gestalteten Rechtsinstitutes aus, nämlich des Instituts der Prokura im fotmellen Sinne dieses Gesetzbuches. Es wird darunter eine Handlungs\) S. unten Art. 43 und die Bem. dazu. 2) Hinsichtlich der Anstellung s. übrigens S.x145, Bem. 26. 3) Vgl. namentlich Protokolle, S. 96, 97. '

140

Erstes Buch. Vom Handelsstande.

Art. 41.

Generalvollmacht verstanden, welche dem Publikum gegenüber unbeschränkbar ist und sich dadurch effektvoll von allen anderen Vollmachten unterscheidet. Bon letzteren kennt das Gesetz drei Arten vom Standpunkte der Ausdehnung der Vollmacht betrachtet, s. unten Bem. 35 ff. 9. Das ausländische Recht kennt eine solche Formalvollmacht im Sinne des demtschen Rechtes nicht; überhaupt sind die Handelsgesetzbücher des Auslandes nach dem Vorgänge des französischen Handelsgesetzbuches in Bezug auf die Normierung der Rechtsverhältnisse sowohl -es Dienstes als der Vollmachten der Handlungsgehilfen durchgängig schweigsam. (Vgl. Behrend, Lehrbuch des HR., Zusatz zu §§ 43, 45. und 55). Eine Zusammenstellung der Bestimmungen -er ausländischen Handelsgesetzbücher über die kaufmännischen Gehilfen: Faktor lJnstitor), Pro­ kurist, Handlungsbevollmächtigter, Handlungsgehilfe, Kommis, Vertreter, Angestellter, Buchhalter, Handlungsreisender, Kassierer, Handlungsdiener und Handlungslehrling s. O. Borchardt, Die geltenden Handelsgesetze des Erdballs, Bd. V, (1887), S. 469—475. Are Kitfspersonen im Kandet. I. Der Prokurist, a. Bedeutung der Prokura. 10. Die Prokura ist eine kaufmännische Vollmacht zum Betriebe der Handelsgeschäfte des Prinzipals, eine Vollmacht, deren Umfang gesetzlich festgestellt und Dritten gegenüber unbeschränk­ bar ist *). Die Prokura ist auch ein Auftrag zum Betriebe des Handelsgeschäftes, aber dieser Auf­ trag ist dem Beauftragten gegenüber gesetzlich nur dispositiv geregelt. Vollmacht und Auftrag sind kraft Gesetz und Parteiwillen begrifflich beschränkt aus den Betrieb des Handelsgeschäftes des Prinzipals. Der Prokurist ist nicht beauftragt, ein beliebiges Geschäft zu betreiben, sondern das (zur Zeit der Prokuraertheilung bestehende, das vorhandene) Handelsgeschäft'), er ist nicht beauftragt, das Handelsgeschäft eines Prinzipals außer Betrieb zu setzen, den Betrieb einzustellen, das ganze Etablissement in toto zu veräußern u. dgl.; er ist nicht befugt, Grundstücke des Prinzipals zu veräußern oder zu belasten, er ist nicht befugt, sich selbst einen Generalvertreter, Prokuristen zu bestellen (s. unten Bem. 15), — es geht daher viel zu weit, wenn der Prokur.):, wie nicht selten geschieht, als alter ego des Prinzipals (Prot. S. 79) bezeichnet wird, denn der Prinzlpal kann selbstverständlich all' Dies, das nach dem eben Erwähnten dem Prokuristen ver­ fügt ist, beliebig vornehmen. 11. Der Auftrag, den der Prokurist ausführen soll, hat eine gesetzliche und gewo'l e Grenze in dem ihm übertragenen Geschäftsbetriebes. (Vergl. unten Bem. 38.) Diese Grenze wird in Art. 41 ausdrücklich gezogen, aber in Art. 42, welcher von der äußeren Seite der Prokura, der Vollmacht, Ermächtigung zu Geschäften und Rechtshandlungen, welche der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, handelt, ist jene Grenze aufgegeben und nur festgehalten, daß überhaupt ein Handelsgewerbe durch die in Rede stehende Handlung der Pro­ kuristen betrieben, gefördert, ausgeübt werden kann. Soweit erstreckt sich das Prüfungsrecht und die Prüfungspflicht des Publikums, auch nach der Bestimmung der Art. 42 und 43 und trotz dieser; daher verpflichtet den Prinzipal nicht die vom Prokuristen ohne Spezialvollmacht vorgenommene Veräußerung des ganzen Etablissements des Prinzipals, noch auch die eben*) Vgl. Wendt in Endemann's Hdbuch. I, S. 280. Anderer Ansicht sind Thöl § 56 und Kowalzig S. 61, welche die Fassung des Art. 41 übersehen, indem sie sich von Art. 42 allein leiten lassen. 3) Zuzustimmen ist in dieser Hinsicht Wendt in Endemann's Handbuch a. a. O. S 282, wenn er sagt: „Das findet z. B. auf die Veräußerung des ganzen Gewerbes seine Anwendung. Man hebt weiter Verzichte und Schenkungen hervor als in der Regel nicht unter den Geschäfts­ betrieb fallend, wie schon die römischen Juristen beim Vermögensverwalter das largiri ex alieno als ausgeschlossen erwähnen. (Zu vergleichen z. B. Anschütz, Völderndorff, Komm. Bd. I, S. 323). So bleibt trotz aller gesetzlichen Feststellung des Inhalts der Prokura in dieser Be­ ziehung ein Schwanken möglich, insofern doch für manche Geschäfte nicht ohne Prüfung sofort gewiß sein wird, ob sie die Grenze des Geschäftsbetriebes überschreiten oder nicht." *)

Fünfter Titel.

Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten.

so herbeigeführte gänzliche (ROHG. XXII, 28)1).

Betriebseinstellung

in

dem

Unternehmen

des

Art. 41.

141

Geschäftsherrn.

12. Aber innerhalb dieser Grenze gilt der Prokurist zu allen Handlungen befugt, welche ein Kaufmann in irgend einem Handelsgewerbe vornehmen kann. S. Protokolle der Nürn­ berger Kommission zu Art. 42, S. 91 und 951, ferner Anschütz und v. Völderndorf, HGB. Bd. I, S. 321, 322; NOHG. IX, 71, VII, 416; Wendt in Endemann's Handbuch des Handelsrechts rc., Bd. I, S. 280; Seuffert's Archiv, Bd. 41, Nr. 204 S. 316. Inner­ halb jener Grenze vertritt der Wille des Prokuristen den Willen des Prinzipals dergestalt, daß z. B. wegen des bösen Glaubens, der fraudulosen Absicht des Prokuristen ein von diesem ab­ geschlossenes Veräußerungsgeschäft im Konkurse des Prinzipals, sofern die übrigen Voraussetzungen der Anfechtung vorliegen, angefochten werden kann. Der Prinzipal bezw. der Anfechtungsbeklagte kann sich nicht darauf berufen, daß der Prinzipal die Absicht, seine Gläubiger 311 benachtheiligen, nicht gehabt habe. Entsch. des RG. vom 17. November 1885 in Seuffert's Arch , Bd. 41, Nr. 204 S. 316. Und dieser Willensvertretung kann sogar eine gewisse Exklusivität nicht abgesprochen werden: bei einer Konkurrenz von Handlungen des Prinzipals mit denen des Prokuristen gehen nicht unter allen Umständen diejenigen des Prinzipals vor, es ist vielmehr anzunehmen, daß beide Handlungen von ein und derselben Person vorgenommen wurden. 13. Der Umfang der Befugnisse des Prokuristen ist in Art. 42 und 43 gesetzlich und in einer — Dritten gegenüber — der Privatwillkür der Betheiligten nicht unterliegenden Weise festgestellt, nicht in dem Sinne, daß der Prinzipal dem Prokuristen nicht auch Schranken setzen könnte, wohl aber in dem Sinne, daß solche Beschränkungen den Prokuristen nicht hindern, rechtsver­ bindlich für den Prinzipal mit Dritten zu kontrahieren. Hierin unterscheidet sich die Prokura von jeder anderen Handlungsbevollmächtigung, denn bei letzterer überläßt das Handelsgesetzbuch die Bestimmung der Rechte des Handlungsbevoll­ mächtigten im Einzelnen wert mehr dem Willen des Prinzipals beziehungsweise der Vereinbarung zwischen ihm und dem Ersteren.' Die Handlungen des Prokuristen verpflichten Dritten gegenüber den Prinzipal nicht blos mit seinem Vermögen, sondern auch mit seiner Person; nachtheilige oder wider den Willen des Prinzipals vorgenommene Handlungen berechtigen diesen nur zur Schadensersatzforderung gegen den Prokuristen, dem Dritten gegenüber aber haftet er. Ebenso hat der Prinzipal auch die Hand­ lungen Dritter dein Prokuristen gegenüber als ihm selbst gegenüber geschehen anzuerkennen. 14. Die Prokura ersetzt jede Spezialvollmacht. Der Prokurist ist also namentlich befugt, Vergleiche und Kompromisse zu schließen, auf Rechte des Prinzipals Verzicht zu leisten, Wechsel­ verbindlichkeiten und Versicherungsverträge einzugehen rc. (s. Motive S. 27.) Zur Belastung oder Veräußerung von Grundstücken ist er aber nur dann ermächtigt, wenn er hierzu besondere Voll­ macht erhalten hat (Art. 42 Abs. 2, Prot. S. 90, 91,. Gleichgültig ist es hierbei, ob diese Vollmachtsertheilung gleichzeitig mit der Prokuraertheilung oder in einem späteren Akte geschehen ist (Prot. S. 952). Eine solche Spezialvoll­ macht ermächtigt aber noch nicht zur Empfangnahme oder Kreditierung des Kaufpreises.

*) So unzweifelhaft das oben Gesagte im Allgemeinen ist, so sonn doch im Einzelnen viet Bedenken daraus entstehen und die praktische Bedeutung des oben Gesagten wird regelmäßig sehr in den Hintergrund treten. Wenn Th öl (I, S. 192) sagt: „Ein Weinhändler, von einer Reise zurückkehrend, kann sich als Bankier wiederfinden", so ist diesem Beispiel gegenüber zu unter­ scheiden: Hat der Prokurist des Weinhändlers das Weingeschäft im Ganzen veräußert und ein Bankgeschäft gegründet (— zum Handelsregister würde er letzteres wegen der Formvorschriften des Art. 19 ohnehin nicht anmelden können —), so wäre der Prinzipal an diese Rechtshandlungendes Prokuristen weder diesem selbst noch dem Publikum gegenüber gebunden. Wohl aber wird der Prin­ zipal dem Publikum gegenüber die Rechtsgültigkeit aller einzelnen — wenn auch im Ganzen auf die Geschäftsumgestaltung abzielenden — Realisationsveräußerungen oder anderer Abwicklungs­ geschäfte anerkennen müssen.

142

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 41. 42.

Mit der in der Ertheilung der Prokura liegenden Vollmacht zum Betriebe des Handllsgewerbes ist die Vollmacht zur Betriebseinstellung und demgemäßen Aufhebung der KaufmannsEigenschaft des Prinzipals nicht verbunden; hierzu wie zur Veräußerung des ganzen Etabl.ssements bedarf es einer Spezialvollmacht. S. hierüber ROHG. XXIII, 28. Zum Erwerbe von Grundstücken und zu deren Entlastung bedarf der Prokurist keiner be­ sonderen Ermächtigung. 15. Die Prokura berechtigt den Prokuristen auch zur Anstellung und Entlassung von Handlungsgehilfen (s. unten Art. 57 ff) und Handlungs- (s. unten Art. 47) oder Prozeßbevoll­ mächtigten (vgl. § 521 Thl. II Titel 8 des preuß. Allgem. Ldr.). Die Bevollmächtigten sind hier in weiterem Sinne zu verstehen und sind also hierunter die zu einzelnen Handels­ geschäften oder die zum Betriebe eines ganzen Handelsgewerbes und die dauernd Bevoll­ mächtigten begriffen. Er darf nur nicht selbst einen Prokuristen ernennen, seine Prokura nicht auf einen Anderen übertragen (Substitutionsverbot, Art. 53). Verträge, bei welchen es auf die Individua­ lität des Kontrahenten ankommt, lassen den Eintritt eines Vertreters nicht zu. Ein in der Prokuraertheilung liegendes Mandatsverhältniß zwischen dem Prinzipal und dem Prokuristen ent­ steht im Vertrauen auf die Bürgschaften, welche die Individualität des erwähnten Mandatars, seine Beschaffenheit, Erfahrung, besonderen Kenntniße rc. dem Mandanten gewährt. Des letzteren Willen kann also nicht darauf gehen, auch aus Rechtsgeschäften haftbar zu werden, die nicht die von ihm gewählte Persönlichkeit, sondern ein Anderer anstatt derselben geschlossen hat. ROHG. XXV, 92, 93. 16. In den durch deu Betrieb des Handelsgewerbes hervorgerufenen Rechtsstreitigkeiten erfolgt die Zustellung an den Prokuristen mit gleicher Wirkung wie an die Partei, den Prinzipal selbst (CPO. § 159); allein nur wenn der Prokurist den Prozeß freiwillig aufnimmt, hat die an ihn geschehene Zustellung rechtliche Wirkung für den Prinzipal, denn der Prokurist ist zur Prozessualen Vertretung fernes Prinzipals nach § 42 zwar legitimiert, aber nicht verpflichtet. Vgl. v. Hahn, Komm. 3. Aufl. § 5 zu Art. 47; s. auch RG. I, 297, 298. Uebernlmmt der Prokurist für seinen Prmzipal die Prozeßführung, so bedarf er keiner Prozeßvollmacht. 17. Diejenigen den Landgerichten in erster Instanz zugewiesenen bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten, in welchen durch die Klage ein Anspruch aus dem Rechtsverhältnisse zwischen dem Prokuristen, dem Handlungsbevollmächtigten oder Handlungsgehilfen und dem Eigenthümer der Handelsniederlassung, sowie aus dem Rechtsverhältnisse zwischen einer dritten Person und Dem­ jenigen, welcher ihr als Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter aus einem Handelsgeschäfte haftet (Art. 55, HGB's.), geltend gemacht wird, gehören nach § 101 Ziff. 3 lit. e des AGVG. vor die Kammern für Handelssachen. 18. In Rechtsstreitigkeiten des Prinzipals kann der Eid nur diesem selbst, nicht aber dem Prokuristen, der nicht Streitgenosse der Partei ist, zugeschoben werden. (S. Struömann und Koch, Komm. zur REPO, zu § 440 Note 1). 19. Die Vorschriften in den Artikeln 42 u. 43 des HGB's. über den gesetzlichen Umfang der Vollmacht des Prokuristen und die Unbeschränkbarkeit desselben nach außen habm nur Privatrechtliche Bedeutung und deshalb auf dem dem öffentlichen Rechte angehörenden Gebiete der Berechtigung zu Stellung von Strafanträgen keine Geltung zu beanspruchen. Entch. des RG. in Strass, in Rechtsspr. VIII, 756.

Artikel 42. Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außerrerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, welche der Betrieb eines Hmdelsgewerbes mit sich bringt; sie ersetzt jede nach den Landesgesetzen erforderliche

Fünfter Titel.

Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten.

Art. 42.

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Spezialvollmacht; sie berechtigt zur Anstellung und Entlassung von Handlungsgehülfen und Bevollmächtigten. Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist mir ermächtigt, wenn ihm diese Befugniß besonders ertheilt ist. Pr. @titw. Art. 1«. I. L. Art. 42. II. 3 ii Anfechtung frauduloser Geschäfte 12. Befuqnitz des Prokuristen 12 ff. Belastung 14. Berechtigung des Prinzipals 13, Bürgschaft 15. Eid 18. Entlastung von Grundstücken 14. Ermächtigung 11 ff. Erwerb von Grundstücken 14. Grundstücke 14. Handelsgewerbe li, 14. Handlungsgehilfen 3, 4, 15. „ -bevollmächtigter 4, 6, 15. Kaufpreis 14.

Kompromisse u Anm.

Art. 41. - Prot. 3. 71, 77, 89 f., 950 f, alt. Konkurrenz zwischen Prinzipal und Prokurist 12. Konkurs des Prinzipals 12. Prozeßbevollmächtigte 15. Prozeßlegitimrrrtvn 16. Rechtsstreitigkeiten 16. Spezialvollmachten 14. Stellvertretungsprinzip 32, l a E., 2. Strafan träge 19. Substitutionsverbot 15. Veräußerung von Grundstücken 14. Vergleiche 14 Anm. Verpflichtung deö Prinzipats 13. Vollmacht 4—6, 8. Zustellung 16.

20. Jene (Bem. 10 ff.) weitgehende Vollmacht kann der Prinzipal, welcher einen Prokuristen anstellt, dem Publikum gegenüber nicht einschränken; letzteres ist unter allen Umständen berechtigt, anzu­ nehmen, der Handlungsbevollmächtigte, welcher Prokurist heißt oder Prokura hat, sei zu allen den erwähnten Rechtshandlungen Namens der Firma, welche er vertritt, wirklich befugt und nur an die genannten (Bem. 14, 15) gesetzlichen Schranken gebunden. Jede Beschränkung des Umfanges der Prokura hat Dritten gegenüber, selbst wenn diese sie kennen und selbst wenn die Einschränkung in das Handelsregister eingetragen — was rechtlich unzulässig ist, l. oben S. 41, 42; Bem. 15 — oder durch Zeitungen bekannt gemacht wäre, keine recht­ liche Wirkung (Art. 43; s. Th öl Handelsrecht!, S. 291 § 47, Striethorst's Archiv, Bd. 68, S. 349 und Entsch. des preuß. Obertrib. Bd. 59, S. 277; ferner ROHG. V, 295 und nament­ lich Bd. VI, 132, sowie die daselbst angeführte Literatur). 21. Eine andere Bewandtniß hat es bei dolosen Kollusionen. Ein im Namen des Prinzipals geschlossenes Rechtsgeschäft ist nur dann für diesen, Dritten gegenüber, nicht verbind­ lich, wenn der Prokurist von der durch das Gesetz gegebenen Vertretungsbefugniß Gebrauch gemacht hat, in der Absicht, sich oder Anderen zum Nachtheile des Prinzipals einen rechtswidrigen Vortheil zu verschaffen, und der Dritte an dem Dolus des Prokuristen Theil genommen hat. (ROHG. V, 295 ff., VI, 131 ff., VII, 403 ff., IX, 429 ff., XIX, 334 ff., RG. IX, 148, 149). 22. Die einzige nach Außen wirkende vertragsmäßige Beschränkung des Prokuristen kann darm gesehen werden, daß er in seinen Rechtsgeschäften vereinbarungsmäßig an die Mitwirkung eines zweiten Prokuristen, welcher mit ihm Kollektivprokura (Art. 41 Abs. 3 und Art. 44 Abs. 2) hat, oder wenn es sich um die Prokura einer Aktiengesellschaft (vgl. Art. 234) oder einer ein­ getragenen Genossenschaft handelt, an die Mitwirkung eines Vorstandsmitgliedes dieser Assozia­ tionen bei Meidung der Nichtigkeit der Vertretungshandlung gebunden sein kann. (S. Busch's, Archiv, Bd. I, Art. 53, 54); b) das Substitutionsverbot (Art. 53). S. oben Bem. 15; c) die Wirkung der Stellvertretung (Art. 52); d) die Endigung der Prokura nach Außen (Art. 54); e) die Wirkung der Überschreitung der Vollmacht oder der Vollmachtsbeschränkung — Simulation der Prokura — (Art. 55); f) sowie in Bezug auf das Verbot eigenen Geschäftsbetriebes — Bertrauensmißbrauch — (Art. 56). 2) Durch den Gebrauch von Ausdrücken, als wäre er selbst der Kontrahierende, erwächst für den in seiner Prokuristen - Eigenschaft handelnden Prokuristen keine persönliche Verpflichtung. ROHG. Bd. XV S. 76.

Fünfter Titel.

Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten.

Art. 45. 46.

147

in Vertretung des Prinzipales vorgenommen worden ist. Dagegen ist es nicht die Absicht ge­ wesen, die Rechtsgültigkeit einer schriftlichen Willenserklärung oder die Frage, ob solche im Namen und in Vertretung des Prinzipales erfolgt sei, von der Beobachtung dieser Form ab­ hängig zu machen. Entscheidend ist die Thatsache, daß der Zeichnende als Prokurist die Firma gezeichnet hat, beziehungsweise daß die Zeichnung innerhalb der ihm durch die Vollmacht über­ tragenen Befugniß lag. Der Art. 44 Abs. 1 enthält somit nur eine Ordnungsvorschrift. S. Protokolle S. 72—76, 79, 80, 81, 949, 952, 953, 955. Thöl HR. (6. Aufl.) I S. 193; Endemann, Deutsch. Hdlsr. 4. Aufl. S. 101. Anschütz u. v. Völderndorff, Komm. S. 337 ff., S. 359 ff. Hinschius in Behrend's Zeirschr. für Rechtspfl. III S. 574. S. auch noch Entsch. des ROHG. Bd. V S. 266-271; Bd. IX S. 215; Bd. X S. 56, 57; Bd. XII S. 133, 134; Bd. XVII S. 402. Das Gleiche gilt auch bei einer nur theilweisen Erfüllung der Formvorschrift des Art. 44 über die Zeichnung der Firma durch den Prokuristen. Entsch. des ROHG. Bd. XVIII S. 99 ff.; S. 342. S. über all' dieses Fuchsberger, Entsch. des ROHG. in Handelssachen S. 43 u. 44.

Artikel 46. Wenn das Erlöschen der Prokura nicht in das Handelsregister eingetragen und öffentlich bekannt gemacht ist, so kann der Prinzipal dasselbe einem Dritten nur dann entgegensetzen, wenn er beweist, daß es letzterem beim Abschlüsse des Geschäfts bekannt war. Ist die Eintragung und Bekanntmachung geschehen, so muß ein Dritter das Erlöschen der Prokura gegen sich gelten lassen, sofern nicht durch die Um­ stände die Annahme begründet wird, daß er das Erlöschen beim Abschlüsse des Geschäfts weder gekannt habe, noch habe kennen müssen. Pr. Entw. Art. 49. I. L. Ar«. 45. II. 8. Art. 45. - Prot.

87, 953.

Anhalt. Bekanntmachung 99cm. 16 ff. zu Art. 12—14. Erlöschen der Prokura 34. Haftung des Richters f. 39cm. 23 zu Art. 14. Handelsregister 34 (f. auch Art 12—14). Präsunrptionenrecht 34.

Prokura 10.

Rechtsvermut Huna s. auch Art. 12—14 und die 39cm. 16—22 hierzu, ferner Art. 25 und die 99cm. 94 ff, 135 ff. hierzu. Zeitungen Art. 14 39cm. n ff.

d. Erlöschen der Prokura1). 34. Erlischt die Prokura, sei es vertragsmäßig, durch Kündigung des Prokuristen oder .des Prinzipales, sei es durch einseitigen Widerruf des Prinzipales (Art. 54), so muß die That­ sache des Erlöschens vom Prinzipale, ebenso wie vorher die Ertheilung, zur Eintragung in das Handelsregister in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise angemeldet werden. Unterbleibt die Eintragung und Veröffentlichung dieser Thatsache, so tritt das mit dem Institute der Registrierung verbundene eigenthümliche Präsumptionenrecht in Anwendung; es kann alsdann der Prinzipal das Erlöschen der Prokura einem Dritten nur dann entgegensetzen, wenn -er beweist, daß dies Letzterem beim Abschlüsse des Geschäftes, welches der Dritte mit dem Pro­ kuristen einging, bekannt war (Art. 46 Abs. 1); umgekehrt: ist die Thatsache des Erlöschens der Prokura im Register eingetragen und vorschriftsmäßig (Art. 13, 14) veröffentlicht worden, so anuß ein Dritter diese Thatsache gegen sich gelten lassen, sofern nicht durch die Umstände die Annahme begründet wird, daß er das Erlöschen beim Abschlüsse des Geschäftes weder gekannt habe, noch habe kennen müssen (Art. 46 Abs. 2). S. hierüber noch unten bei Handlungsbevollrnächtigten Bem. 97 ff., und vergl. auch die Bemerkungen oben zu Art. 12—14, insbesondere Bemerkung 16—24 S. 42—44. x) Vgl. oben Anm. zu 32.

148

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 47.

Artikel 47. Wenn ein Prinzipal Jemanden ohne Ertheilung der Prokura, sei es zum Betriebe seines ganzen Handelsgewerbes oder zu einer bestimmten Art von Geschäften oder zu einzelnen Geschäften, in seinem Handelsgewerbe bestellt (Handlungsbevollmächtigter), so erstreckt sich die Vollmacht auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, welche der-Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Jedoch ist der Handlungsbevollmächtigte zum Eingehen von Wechselver­ bindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozcßführung nur er­ mächtigt, wenn ihm eine solche Befugniß besonders ertheilt ist. Im Uebrigen bedarf er zu den Geschäften, auf welche sich seine Vollmacht erstreckt, der in den Landesgesetzen vorgeschriebenen Spezialvollmacht nicht. Pr. Entw. Art. 50. I. L. Ar«. 47. II. 8. Ar«. 46. - Pro«. @. 83 ff, 955, 965 «., 4514 f., 4631. 3 n a X t. Abhäugigkeitsverhältniß 64. Handlungsbevollmächtigte l, 2, 35. Handlungsgehilfen 3, 4, 106 ff., HO, 112, in. Accept 40. HilfSpcrsonen im Allgemeinen 3, 4. Agenten 65 ff. Agentenprovision 66, 67. Immobilien 43. Agenturauftrag, Rücktritt 66. Indossament 40. Arbeitervertretung 90. Innere Seite der Bevollmächtigung 90. Artbevollmächtigte 35. Inneres Verhältniß 38. Arten (3) der Handlungsbevollmächtigten 8, 35. Kaufleute minderen Rechts 118 (vgl. Art. 10> Auftragsverhältnitz 38. Kommissionäre 3, 65 Anm., Art. 360 ff. Ausstellung eines Wechsels 40. Konkurs des Agenten 66. K o r r e s p o n d en t - Rheder 35. Aval 40. Beschränkungen der Vollmacht 87. Lohndienstvertretung 90. Lombard 41. Besondere Fälle 45. Bestellung der Handlungsbevollmächtigten 71. Mitzverstandener Auftrag 72, auch 8iX Bevollmächtigung der Agenten 69. Nichtbedienstete 64. Commis int6ress6 90. Prokurazusatz 39. Prozetzführung 42. Darlehen 41. Depositengeld 41. Repräsentanten 4. Dienstverhältniß 64, 90. Schadensersatz 90. Dominus tabemae l, 4, 26. Schiffer 4, 35. Sorgfalt des Agenten 68. Eigener Wechsel 40. Ersatz der Spezialvollmacht 44. Spargeld 41. exercitor navis 1, exercitoria actio 1. Spezia lbevollmächtigte 35, 39. Fr ei dien st Vertretung 90. Ständige Agenten 3, 65 Anm. Gegenbeweis 37. Stellvertretungsprinzip l, 2. Gemeinsame Vorschriften 36 ff., auch S. 146 Anm. l. Stillschweigende Bestellung 71, 86. Genehmigung von Handlungen 71. Tantieme der Agenten 67. Generalhandlungsbevollmächtigte35. Tratte 40. „Gewöhnlicher" Betrieb 37. Verpflichtungen des Agenten 68. Gleichzeitigkeit von Hilfe und Vollmacht HO, Vollmachtsertheilung 71. Wechselverbindlichkeiten 40. 112, 117 Grundstücke 43. Zusammentreffen von Vollmacht und Hilfe HO, Handelsregister, Eintragung 73; s. auch Bem. 15 112, 117. zu Art. 12—14. Zustellungen 42

II. Der Handlungsbevollmächtigte, a. Begriff, Umfang und Arten der Handlnngsbevollmachtigung. 35. Außer dem Prokuristen kennt unser Handelsrecht noch zwei Arten von solchen Handlungsbevollmächtigten, deren Vollmacht gesetzlich näher bestimmt ist, den KorrespondentRheder (s. hierüber bei Art. 459—466) und den Schiffer, Schiffskapitän (s. hierüber bei Art. 452 Ziff. 1, 478, 495—527). Ferner stellt dasselbe noch drei Arten von Handlungsbevollmächtigten neben einander, bei denen vorausgesetzt ist, daß ihnen nicht Prokura ertheilt ist und daß sie, als Bevollmächtigte im Etabliffement angestellt, in dienstlicher Abhängigkeit von der Firma stehen. Handlungsbevollmächtigung kann nämlich sein: 1. Bestellung eines Handlungsbevollmächtigten zum Betriebe des ganzen Handelsgcwerbes des Prinzipales (Generalbevollmächtigter); einen derartigen Handlungsbevoll­ mächtigten nennt man (ohne gesetzliche Fixierung der Terminologie) Disponent, Prepose, Faktor,

Fünfter Titel.

Bon den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten.

Art. 47. 48.

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Generalhandlungsbevollmächtigten, möglicherweise auch Direktor, u. dgl. — er darf aber nicht als „Prokurist" bezeichnet werden, wenn er es nicht wirklich ist oder sein soll. 2. Bestellung eines Handlungsbevollmächtigten zu einer bestimmten Art von Geschäften (Artbevollmächtigter), z. B. zu den Rohmaterialeinkäusen, oder zu Verkäufen. Hierher ge­ hören möglicherweise auch die Handlungsreisenden und Agenten; s. hierüber unten Bem. 46. 3. Bestellung eines Handlungsbevollmächtigten zu einzelnen Geschäften, z. B. zum An­ kauf des Rohmaterials auf einem bestimmten Markte dieses Jahres (Sozialbevollmächtigter vgl. Art. 298). 36. Für diese drei Gattungen hat das Gesetz gemeinsame Bestimmungen, nach denen sich das Publikum im Geschäftsverkehr mit dem Handlungsbevollmächtigten richten darf. Diese sind: a) positive. Die Vollmacht erstreckt sich auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, welche der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbcs (Fall 1) oder die Ausübung derartiger Geschäfte (Fall 2 u. 3) gewöhnlich mit sich bringt (Art. 47 Abs. 1). 37 Die Vollmacht wird im Umfange des „Gewöhnlichen" vermuthet. Es besteht für dritte Personen keine Verpflichtung, vor Abschluß eines Geschäftes mit dem Generalbevollmächtigten eines Kaufmannes, des letzteren bisherigen Betrieb seines Handelsgewerbes und dessen Gewohn­ heit in Geschäftsabschlüssen zu untersuchen. Es genügt die Prüfung der Art des Geschäftes des Kaufmannes und des Umstandes, wie es m Geschäften dieser Art gehalten zu werden pflegt. — Eine besondere Erkundigungspflicht des Dritten nach dem Umfange der Vollmacht tritt nur dann ein, wenn besondere Verdachtsgründe vorliegen. Ein Mißbrauch der Vollmacht ist jedoch im Zweifel vom Prinzipal zu vertreten. Wenn z. B. Jemand ermächtigt ist, nur mit dem Prinzipal bekannten Firmen Käufe für diesen abzuschließen, so darf Jeder, welcher diese Be­ schränkung nicht kennt und nicht kennen muß, Jenen für ermächtigt halten, überhaupt, d. h. von Jedem zu kaufen. S. hierüber ROHG. Bd. I S. 150, Bd. IV S. 294; Bd. V S. 105, 207; Bd. VI S. 86, 153, 400; Bd. VIII S. 150; Bd. IX S. 104; Bd. X S. 142; Bd. XII S. 277; Bd. XVI S. 127; Bd. XXIII S. 348; s. Fuchsberger a. a. O. S. 45 ff. — Gegen­ beweis gegen die Vermuthung des „Gewöhnlichen" ist zulässig; s. ebenda. Es ist Thatfrage und nöthigenfalls durch Sachverständige zu beantworten, was unter diesem „gewöhnlich" zu verstehen ist. Vgl. ROHG. VI 401, XVI 127 ff. 38. Diese Vermuthung bezieht sich nicht blos auf das Verhältniß zu Dritten sondern auch auf das innere (Auftrags-) Verhältniß. (Vergl. oben Bem. 11.) Wenn also nichts Anderes zwischen Prinzipal und Handlungsbevollmächtigten ausgemacht worden ist, so unterliegt bei Beurtheilung der zwischen ihnen bestehenden Rechte und Pflichten der Umfang der Vollmacht demselben Maßstabe, wie bei der Wirksamkeit derselben nach Außen hin. Vgl. Striethorst, Arch. Bd. 64 S. 260 und ROHG. Bd. XXIV S. 197. Vgl. Puchelt Komm. S. 95 Anm. 14.

Artikel 48. Der Handlungsbevollmächtigte hat sich bei der Zeichnung jedes eine Pro­ kura andeutenden Zusatzes zu enthalten; er hat mit einem das Vollmachtsver­ hältniß ausdrückenden Zusatze zu zeichnen. Pr. E»tw. Art.

I. L. Art. 46. II. L. Art. 47. - Prot. 8. 953 f., 4518.

Anhalt. Han d lungsbevollmächtigter 36 ff. — bei Unterschriften 70. Airmierung rc. 33. Ordnungsvorschrift 33, 70.

p. p. 33, 70. Quittung 70. Unterschrift 70.

39. b) negatlve: Die Vollmacht erstreckt sich formell nicht auf den Gebrauch emes eine Prokura andeutenden Zusatzes (Art. 48) und materiell nicht auf folgende drei Fälle, zu welchen der Handlungsbevollmächtigte, wenn er den Prinzipal juristisch vertreten soll, einer besonderen Vollmacht (Spezialvollmacht- bedarf, nämlich:

150

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 48. 49.

40. 1. Das Eingehen von Wechselverbindlichkeiten durch Ausstellung, Indossierung, Acceptierung und Aval eines gezogenen oder eigenen Wechsels. Maßgebend für die Nothwendigkeit einer Spezialvollmacht ist hier eine wechselrechtliche und zwar den Aussteller rc. verpflichtende Folge. Deshalb wird ein Prokuraindossament, ein Indossament nach erhobenem Proteste und das Trassieren an eigene Order durch den Art. 47 nicht getroffen. Anschütz it. v. Völdernborff, Komm. Bd. I S. 356. 41. 2. Die Aufnahme von Darlehen, gleichviel, ob auf Personalkredit, auf Hypotheken oder im Lombardgeschäfte rc. Ueber das kaufmännische Darlehen (Depositengeld) sowie über Spargeldannahme s. Gareis, Lehrb. des HR. § 72, V Ziff. 4, 3. Ausl. S. 548f., über den Lombard ebenda V Ziff. 2 S. 547 f. 42. 3. Die Prozeßführung. (Ueber die Prozeßvollmacht, deren Nachweis, Uebernahme zu den Akten rc. rc. s. §§ 76 ff. der CPO.) Ist dem Handlungsbevollmächtigten die Er­ mächtigung hierzu ertheilt, so darf derselbe alles Dasjenige thun, was der Prinzipal selbst thun darf, nicht aber mehr, denn Niemand kann mehr Rechte übertragen, als er selbst besitzt. Vgl. Goldschmidt's Zeitschrift Bd. VII S. 598 und Centralorgan Bd. III S. 88, dann Busch's Archiv Bd. VII S. 177 und Bd. IX S. 121. In Bezug auf Zustellungen s. CPO. § 159 und § 168 ff., vgl. Puchelt S. 95 Anm. 8. Mit der Eidesleistung verhält es sich wie bei der Prokura. S daselbst Bem. 18 zu Art. 41 ff. 43. Ueber die Vollmacht zu Rechtsgeschäften über Immobilien s. Art. 275 und die Bem. hierzu; vgl. mit Art. 47 Abs. 1 und Art. 42 Abs. 2 und Bem. 14 (oben S. 141, 142). 44. Der Abs. 3 des Art. 47 enthält nur eine nothwendige Folgerung aus dem Schluffe des ersten Absatzes, denn mit dieser allgemeinen Ermächtigung ist stillschweigend die Vollmacht zu jeder dieser Handlungen ertheilt und bedarf es hierzu nicht auch noch einer besonderen Spezial­ vollmacht. 45.. Nur für zwei Kategorien hat das Gesetz einzelne Befugnisse ausdrücklich hervor­ gehoben, nämlich: a) für die Handlungsreisenden in Art. 49 und b) für die Ladendiener in Art. 50. Hierüber'ist folgendes zu bemerken. Artikel 49. Die Bestimmungen der beiden vorhergehenden Artikel finden auch An­ wendung auf Handlungsbevollmächtigte, welche ihr Prinzipal als Handlungs­ reisende zu Geschäften an auswärtigen Orten verwendet. Dieselben gelten ins­ besondere für ermächtigt, den Kaufpreis aus den von ihnen abgeschlossenen Ver­ käufen einzuziehen oder dafür Zahlungsfristen zu bewilligen. Pr. Entw. Art. 50 Abs. 2. 954 f., 4515 f., 4631.

I. L. Art. 47 Abs. 2. II. 8. Art. 46 Abs. 4. - Prot. @. 83, 105,

Inhalt. Agenten 46, 65—69, 85. Aufschub 49. Besonderheiten 45. Commis voyageurs 46 ff. Ha n dl un gö reisende 46 ff., 47, 48, 49, 52. — Besondere Vollmachten 48. — Vertretung des Handlungsreisenden 52. Inkasso 48.

Ladendiener s. Art. 50. Kaufpreis aus Geschäften des Vorgängers 48. Nachlaß 49. Provifionsreisende 46, 50. RechtSoermuthung 37, 47, 52, 54. Stadtreisende 51. Vorgänger 48. Zahlungsfrist 49.

46. Zu a. Unter „Handlungsreisenden" *) (Art. 49) ist eine besondere Art von Handlungsbevollmächtigten im Sinne des Art. 47 zu verstehen; nur wenn sie die Eigenschaft von solchen haben, finden die Vorschriften des Art. 47 auf sie Anwendung. Der Art. 49 bezieht *) Vgl. Bohrend, Lehrb. § 53 HI und P uchelt a. a. O.

Fünfter Titel.

Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten.

Art. 40.

151

sich also namentlich nicht auf selbständige Mandatare, Agenten^, sog. Provisionsreisende oder auf solche, die das Geschäft betreiben, für verschiedene Häuser zu reisen, noch auf diejenigen Bevollmächtigten, welche zur Vornahme eines einzelnen Geschäftes ausgesandt worden sind. Prot. S. 4516 und 4631. 47. Die Handlungsreisenden sind zu allen Rechtshandlungen und Geschäften berechtigt, welche die Ausführung des übertragenen Geschäftszweiges gewöhnlich mit sich bringt; hierbei ist maßgebend, daß dieselben zunächst zum Aufsuchen von Waarcnabnehmern verwendet werden und daß sie demgemäß zunächst nur zum Abschließen diesbezüglicher Verkäufe im Handelsgewerbe ihres Prinzipales bevollmächtigt sind. Hierbei ist jedoch deren Mitwirkung zum Vollzüge ab­ geschlossener Geschäfte nicht ausgeschlossen; nicht befugt sind sie aber zur Aufhebung von durch den Prinzipal abgeschlossenen oder von ihm bereits erfüllten Geschäften. (S. hierüber Entsch. des ROHG. Bd. VII S. 115; Bd. VI S. 400 ff.) 48. Im zweiten Satze des Art. 49 sind zwei besondere Fälle, in denen der Handlungs­ reisende als ermächtigt gilt, ganz besonders deshalb hervorgehoben, weil sie praktisch wichtig und zugleich 31t einer prinzipiellen Regelung geeignet erscheinen. (Protokoll S. 955 und 4517). Es sollten jedoch hiermit andere Fälle nicht ausgeschloffen und den Fällen des Art. 47 Abs. 2, wo eine Spezialvollmacht nothwendig ist, angereiht sein. So ist z. B. die Jnkaffobefugniß des Handlungsreisenden nicht auf die Einziehung der Kaufgelder aus den von ihm abgeschlossenen Geschäften beschränkt, es ist derselbe vielmehr als zu den Geschäftsreisen Bevollmächtigter und im Dienstverhältnisse zum Prinzipale befindlicher Handlungsbevollmächtigter ohne eine diesbezügliche Spezialvollmacht zur Erhebung des Kaufpreises aus einem von seinem Vorgänger abgeschlossenen Geschäfte berechtigt. Derartige Fälle find nach allgemeinen Rechtsprinzipien und nach dem Ge­ brauche des kaufmännischen Geschäftslebens unter Berücksichtigung der konkreten Thatumstände zu beurtheilen. 49. Ebenso verhält es sich mit der Frage, ob ein Geschäftsreisender zu Nachlaßverrrägen, Vergleichsabschlüssen und Bewilligung von Zahlungsfristen ermächtigt ist. Der Reisende ist hier zweifelsohne zur Schlichtung kleiner Differenzen durch Bewilligung von Abzügen, durch kleine Nachlässe, durch Zusicherung kleiner Vortheile für die Zukunft, keinesfalls aber zu förmlichen Nachlaßverträgen, Akkorden, zur Bewilligung übermäßiger Abzüge befugt. S. Entsch. des vorm. Hdlsappel.-Ger. Nürnberg in der Sammlung Bd. II S. 42, dann Goldschmidt's Ztschr. Bd. VIII S. 566, Busch's Archiv Bd. VIII S. 273, ferner Prot. S. 954, 955 und Entsch. des ROHG. Bd. IV S. 294, Bd. VI S. 400, Bd. XV S. 407, Bd. XIII S. 296. 50. Bezüglich des Provisionsreisenden ist noch zu bemerken, daß demselben, obwohl er im Zweifel weder Handlungsbevollmächtigter noch Handlungsgehilfe ist, eine Jnkaffobefugniß zusteht. Es muß dies eben nach den Bestimmungen der Art. 297 und 298, sowie nach den kon­ kreten Umständen des einzelnen Rechtsfalles, sowie der Uebung des kaufmännischen Geschäftsver­ kehres beurtheilt werden. Auf keinen Fall schließt das kontraktliche Verhältniß, in welchem ein Provisionsreisender zum Prinzipale steht, an und für sich die stillschweigende Ermächtigung zur Einziehung der Kaufpreise bei ihm bestellter Waaren aus. Entsch. des ROHG. Bd. I S. 149, Bd. IX S. 104, Bd. XIII S. 296, Bd. XV S. 405. 51. Die Handlungsreisenden müssen „zu Geschäften an auswärtigen Orten ver­ wendet" werden. Demgemäß ist die Bestimmung des Art. 49 auf Stadtreisende, auch wenn sie Handlungsbevollmächtigte sind, nicht anwendbar. Dieselben haben namentlich keine Jnkassobefugniß; es fehlt hier an sich schon das Verkehrsbedürfniß. 52. Abgesehen von der durch die Rücksicht auf das „Gewöhnliche" (Art. 47) in den Geschäften und Rechtshandlungen der Handlungsreisenden sich ergebenden Limitierung ist der dritte Kontrahent an irgend welche Einschränkungen der regelmäßig gesetzlichen Besugniß des Handlungsreisendcn nicht gebunden. Es besteht für denselben auch keine Erkundigungspflicht, z. B. *) Bon den Agenten s. unten Bem. 65ff.

Ueber Provisionsreisende s. unten Bem. 50.

152

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 49. 50.

nach dem zwischen dem Handlungsreisenden und dem Prinzipale bestehenden Dienstverhälltniffe, nach der Fortdauer oder Zurücknahme der Handlungsvollmacht, nach einem dem ersterem ron letzterem etwa gesetzten Verkaufslimitum rc. rc. Der Dritte ist nur dann beengt, wenn err von der Einschränkung Kenntniß gehabt hat oder hätte haben müssen; dies ist ihm aber nachzuweisen. S. hierüber die Entsch. des ROHG. bei Fuchsberger a. a. O. S. 58 ff. Der Prinzipal und bezw. Auftraggeber ist an alle von seinen Handlungsreisenden oder den Nur als solche Beauftragten (also nicht Handlungsbevollmächtigten) mit Dritten abgeschlossene Ver­ träge gebunden, und dies selbst dann, wenn die ihnen ertheilte Vollmacht überschritten worden ist. Eine unrichtige oder unvollständige Berichterstattung über den Inhalt des abgeschlossenem Ge­ schäftes seitens des Reisenden an den Prinzipal hat auf die Rechtsstellung des dritten Kontrahenten gar keinen Einfluß; es ist jedoch der Handlungsrcisende seinem Prinzipal für den hierams er­ wachsenen Schaden verantwortlich.

Artikel 50. Wer in einem Laden oder in einem offenen Magazin oder Waarenlager angestellt ist, gilt für ermächtigt, daselbst Verkäufe und Empfangnahmen vor­ zunehmen, welche in einem derartigen Laden, Magazin oder Waarenlager ge­ wöhnlich geschehen. Pr. Glitt». Art. 54. I. 8. Art. 48. II. 8. Art. 48. Protokolle S. 97

955 f.

Inhalt. Anerkennungen 58. Angestellter 56. Ankäufe 58. Anstellnng 56. Bankbureau 55. Beschränkungen 54. Deckungen 58. Empfa ngnahmen 57, 59. Exceptio doli 54. Gegenbeweis 54. „gewöhnlich" 60 (vgl. 37, 52 u. 54) Kreditierung 58. Kreditverkauf 53.

Laden 55. — Plakate darin 54 u. Anm. zu 54. Ladendiener 4, 53. Ladengeschäft 57. Lokalitäten 55. Magazin 55. Ortsgebrauch 60. Plakate im Laden 54 u. 54 Anm. Preisstun duna 58. Rechtsvermuthung 53, 60 61. Verkäufe 57. Waarenlager 55. Zahlungsleistungen 58.

58. (Ladendiener.) Nach Art. 50 darf jeder Dritte bie Ermächtigung solcher Ange­ stellten für alle diejenigen Geschäfte als bestehend annehmen, welche ordentlicher Werse zu dem bezüglichen Betriebe gehören; der Artikel begründet eine einfache Rechtsvermmhung, welche sich an die Thatsache der Anstellung im Laden u. dgl. anschließt und sich auf die dort üblichen Rechtsgeschäfte, namentlich die Verkäufe und Empfangnahmen, bezieht. 54. Eine dem Angestellten vom Geschäftsherrn ertheilte beschränkende Instruktion hat an sich nur eine Wirkung zwischen diesen beiden. Gegen die gesetzliche Präsumption des Art. 50 ist jedoch der Gegenbeweis der Kenntniß seitens des dritten Kontrahenten von einer durch den Prin­ zipal seinem Personale oder Einzelnen desselben untersagten Stellvertretung oder Beschränkung derselben zulässig. Es wird nämlich die Beschränkung für den Dritten nur dann wirksam, wenn sie durch eine für Jeden, welcher das Geschäftslokal besucht, sicher erkennbare und verständliche Verkündigung Allen, welche mit dem Angestellten in Geschäftsverhandlung treten, bekannt gemacht, oder wenn speziell der Dritte von ihr benachrichtigt worden ist. (Es wird hier dann Dritten die exceptio doli gegenübergesetzt werden können.) Hiernach richtet sich auch die Beschränkung durch Plakat rc. rc. S. hierüber Entsch. des ROHG. Bd. XII S. 38, 39, Bd. XX S. 122?) 55. Unter den in Art. 50 bezeichneten Lokalitäten versteht das Gesetz alle diejenigen Räume, m welchen der Handel öffentlich betrieben wird. Ob außer den hier aufgeführten noch *) Dies gilt namentlich auch von den im Laden aufgehängten oder aufgelegten PreisEouranten oder den Preisauszeichnungen, Preisnotierungen an den Waaren, sowie der Aufschrift feste Preise". Abweichungen hiervon seitens eines Ladendieners rc. sind für den dritten Kon­ trahenten ohne Einfluß. Wegen Zuwiderhandlungen kann sich der Prinzipal an seine Unter­ gebene halten.

Fünfter Titel.

Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten.

Art. 50. 51.

153

andere Lokalitäten hierher gehören, z. B. das Bureau eines Bankgeschäftes, dies ist im konkreten Falle stets nach dem Vorhandensein besonderer Umstände und Einrichtungen zu bemessen. ROHG. Bd. XII S. 38. 56. Als angestellt im Sinne des Art. 50 ist der anzusehen, welchem die Ausübung des Ladengeschäftes übertragen ist; hierbei ist das Alter, der Stand, das Geschlecht re. ohne allen Einfluß. Entscheidend für das Publikum ist der Betrieb des Ladengeschäftes und nicht die bloße Be­ schäftigung tut Laden seitens der dortselbst Anwesenden. Steht die Anstellung fest, so kommt es auf die Art und Weise, sowie auf die Zeit der Ausübung des Ladengeschäftes nicht an. 57. Die Bevollmächtigung bezieht sich nur auf die im Laden rc., nicht aber außerhalb desselben rc. vorgenommenen Verkäufe und Empfangnahmen. Es ist dies ausgedrückt in dem Worte „daselbst". S. hierüber einen Fall in einem Erk. des preuß. Obertr. in Busches Archiv. Bd. IX S. 123. 58. Die Vollmacht ist nur auf Verkäufe und Empfangnahmen beschränkt und erleidet keine Ausdehnung. Es sind also Ankäufe ausgeschlossen, ferner Zahlungsleistungen, ferner An­ erkennung von Forderungen des Prinzipales und Deckung derselben durch Waarenüberlassung; s. über beide letztere Fälle in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. II S. 401. Der Verkauf bezieht sich nicht blos auf den Baar-, sondern auch auf den Kreditverkauf. Prot. S. 99. Die Kreditgewährung darf keine längere (Jahre lange) Stundung, sondern nur eine im Ladengeschäft in den üblichen Grenzen sich bewegende sein. 59. Unter Empfangnahme sind Zahlungsempfangnahmen, wie solche im Ladengeschäfte gewöhnlich vorzukommen pflegen, zu verstehen. Es gehören also hierher nicht Annahme von Wechseln oder Waaren an Zahlungsstatt. S. Gold sch midi's Zeitschr., Bd. II S. 202, dann die Sammlung Handelsger. Entsch. in Bayern, Bd. II S. 45. 60. Mit den Worten: „welche in einem derartigen Laden rc. gewöhnlich geschehen" ist die Bevollmächtigung nicht etwa auf die in dem jeweiligen Laden rc. bestehende Herkömmlichkeit eingeschränkt, es darf dieselbe vielmehr soweit vermuthet werden, als sie nach dem überhaupt in den Läden, Magazins oder Waarenlager bestehenden Orts gebrauche reicht. Prot. S. 98.

Artikel 51. Wer die Waare und eine unquittierte Rechnung überbringt, gilt deshalb noch nicht für ermächtigt, die Zahlung zu empfangen. eilst». Arl. 55. I. 8. Art. 48 Abs. 2. II. 8. Art. 49. Protokoll« @. 99, 955 f., 958, 1632. Inhalt.

Bevollmächtign ng 63. Besonderheit 45. Genehmigung 63. Giro 61. Inkassovollmacht 63.

Quittung 62. Rechnung 62. Rechtsvermuthung 61. Waaren 61. Wechsel 61.

61. Wie aber im Art. 50 eine Vermuthung für, so ist in Art. 51 eine solche gegen das Bestehen einer Handlungsbevollmächtigung aufgestellt. Hierbei ist zu bemerken: Wenn Der­ jenige, welcher die Waare und eine unquittierte Rechnung überbringt, zu einer Zahlungsempfang­ nahme praesumptive nicht ermächtigt ist, so ist es noch viel weniger der Ueberbringer der einen oder der anderen. Zu den Waaren gehören auch Wechsel und andere indossable Papiere; wer ein solches Papier überbringt, ist an und für sich zur Geldempfangnahme nicht berechtigt, selbst wenn das Papier das betr. ächte Giro trägt. S. Komm. von Anschütz u. v. Völderndorff, Bd.I S. 381. 62. Unter Rechnung ist jedes Dokument, zu verstehen, durch dessen hierauf befindliche Quittierung für den.Schuldner der Beweis der Zahlung geliefert wird. Darauf, welche sonstige Form oder welchen sonstigen Inhalt dieses Dokument hat, kommt nichts an; der Form nach kann cs ein Wechsel, ein Kontokorrent rc. sein.

154

Erstes Buch. Vom Handelsstande. Art. 51.

Als quittiert gilt eine Rechnung, wenn die Quittung, also Empfangsbescheinigung, von dem Forderungsberechtigten selbst oder von einem dazu Bevollmächtigten ausgestellt ist. Eine von einem Unberechtigten auf die Urkunde gesetzte Empfangsbescheinigung gilt nicht als Quittung; in einem solchen Falle liegt möglicherweise eine Fälschung vor. Wenn der Kaufmann durch einen Handlungsgehilfen, Commis oder durch eine im Geschäfte angestellte Person, einen Ladendiener, Ausgeher, durch einen Ausläufer oder Packträger rc. rc. eine unquittierte Rechnung, eine Waare oder beides zusammen überschickt, so ist hierdurch allein der Ueberbringer vom Prinzipal noch nicht zur Geldempfangnahme bevollmächtigt; nur wenn der Ueberbringer eine quittierte Rechnung vorzeigt, kann sich der Schuldner durch Zahlung an denselben von seiner Verbindlichkeit befreien, sofern nicht die dem Zahlenden bekannten Umstände gegen die Annahme einer Jnkassoermächtigung sprechen. (Art. 296.) Die unquittierte Rechnung in den Händen des Ueberbringers gibt aber gerade zu verstehen, daß an denselben nicht bezahlt werden soll. Erfolgt dennoch eine Zahlung an denselben und wird das Gezahlte an den Prinzipal abgeliefert, so rekonvalesziert diese Zahlung durch die nachträgliche Genehmigung des Berechtigten. Eine unter solchen Verhältnissen vom Ueberbringer aufgestellte Quittung liefert dem Schuldner aber keine urkundliche Bescheinigung für seine Zahlung. 63. Es versteht sich von selbst, daß der Ueberbringer der Waare und einer imquittierten Rechnung zur Geldempfangnahme ausdrücklich bevollmächtigt sein oder daß eine solche Ermäch­ tigung in den Kreis der ihm ertheilten Handlungsvollmacht fallen kann. Aus der unbeanstandeten Zahlungsempfangnahme seitens des Ueberbringers in früheren Fällen kann unter Umständen wohl eine Bevollmächtigung hierzu vermuthet werden, allein eine Vollmachtsertheilung zu künftigem Geldempfange liegt in einer solchen stillschweigenden Genehmigung einzelner Zahlungsakte noch nicht. .Vgl. Anschütz und v. Bölderndorff, a. a. O. Bd. I S. 383. 64. Diese sämmtlichen in Art. 41 —50 erwähnten Handlungsbevollmächtigten unterscheiden sich von einem zu Handelsgeschäften Bevollmächtigten im Sinne des Art. 298 dadurch, daß letz­ terer begrifflich nicht in dienstlicher Abhängigkeit von dem Prinzipale steht (vergl. jedoch 93ein. 28 oben S. 145), sowie daß er nur zu einem einzigen Geschäfte oder zu bestimmt abgegrenzten ein­ zelnen Geschäften ermächtigt ist. Die Handlungsbevollmächtigten des Art. 47 erfüllen sämmtlich ihren Beruf in dienstlicher Abhängigkeit im Etablissement des Prinzipales und ihnen ist auch durch die oben (Bem. 35) unter Ziffer 3 erwähnte Bevollmächtigung zu einzelnen „Geschäften" int Sinne des Art. 47 ein, wenn auch kleinster „Geschäftskreis" übertragen, in welchen auch nichtaufgezählte Geschäfte, ungezählte Rechtshandlungen fallen können. Gar eis, Lehrb. des HR. (3. Aufl.) S. 107. 65. Fehlt es an diesem Abhängigkeitsverhältnisse zu einem Anderen, gehört also Jemand nicht zu dem Handelsgewerbe eines Anderen, ist derselbe vielmehr selbständiger Geschäftsmann'), welchem der Andere nur vertragsmäßig die Besorgung von Geschäften aufgetragen hat, so ist der­ selbe nicht Handlungsbevollmächtigter im Sinne des Art. 47, sondern Agent, möglicherweise ständiger Agents) Die Befugnisse des Agenten sind durch das Handelsgesetzbuch nicht generell normiert, sondern nach den Umständen des konkreten Falles zu bestimmen, wobei es stets darauf ankommt, ob und inwieweit derselbe bezüglich der für einen Anderen mit einem Dritten abge­ schlossenen Geschäfte von ersterem hierzu bevollmächtigt war. *) Ueber die bestrittene Kaufmannseigenschaft der Agenten s. Gareis, Lehrb. d. HR. 3. Aufl. S. 86 Anm. 8a n. die dort angef. Literatur. 2) Ständige Agenten sind solche, die für die Besorgung gewisser Geschäftszweige eines Hauses derartig dauernd engagiert sind, daß sie diese Besorgung in bestimmten Bezirken aus­ schließlich für das betreffende Haus übernehmen und dadurch in einen engeren Zusammenhang mit dem auftraggebenden Hause treten, der dem Verhältnisse eines Handlungsreisenden resp. Handlungsbevollmächtigten am nächsten kommt. Einer derartigen Geschäftsverbindung stehen die Fälle gegenüber, in welchen sich nicht vertragsmäßig das Haus an den Agenten, und der Agent an das Haus gebunden hat.

Fünfter Titel.

Bon den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten.

Art. 51.

155

66. Was das Verhältniß des Agenten zum Prinzipale anlangt, so kann das Agentur­ verhältniß auf gewisse Zeiträume oder Geschäftsperioden ausdrücklich oder durch konkludente Handlungen eingegangen sein, oder es kann der Agent auch nur zum Abschlüsse eines Geschäftes mit einem Dritten bevollmächtigt fein.l) Die Funktionen des Agenten können im ersteren Falle vom Prinzipale jeder Zeit einseitig beendigt werden, nur erwächst demselben im Falle einer vor­ zeitigen und vom Agenten nicht veranlaßten Beendigung unter Umständen eine Entschädigungs­ verpflichtung. Es hat der Agent nämlich nicht ohne Weiteres einen Schadensersatzanspruch wegen des unzeiligen Rücktrittes des Geschäftsherrn vom Vertrage. Es kommt hier wesentlich auf den Inhalt des abgeschlossenen Vertrages an. Uebernimmt z. B. der Agent die Einführung und den Vertrieb von Waaren auf unbestimmte Zeit, so ist der Geschäftsherr berechtigt, jederzeit einseitig vom Vertrage zurückzutreten. War hier für die Bemühungen des Agenten eine bestimmte Pro­ vision verabredet, so gilt im Zweifel diese versprochene Vergütung für alle Aufwendungen, welche der Agent zur Ausführung des Vertrages vorgenommen hat, allein es hat der Agent in diesem Falle nicht einen Anspruch auf angemessene Entschädigung für seine aufgewendeten Bemühungen oder auf Fortsetzung des Bertragsverhältnisses. Vgl. Erk. des HAG's. für Bayern in Busch's Archiv für HR. Bd. I S. 422; OAG's. Dresden in dessen Annalen. N. F. Bd. V S. 36; ROHG. Bd. XVI S. 375, Bd. XIX S. 257. - Auf jeden Fall erlischt eine kaufmännische Agentur mit der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Agenten. 67. Die einem Agenten zu gewährende Provision hängt im konkreten Falle von dem erklärten Vertragswillen der Betheiligten ab, zu dessen Feststellung und Interpretation geeigneten* falls nach Art. 278, 279 auf das im Geschäftsleben Uebliche und Gewöhnliche Rücksicht zu nehmen ist. — Der nicht ständige Agent hat gleich einem Mäkler nur für diejenigen Geschäfte, welche durch seine direkte Vermittelung zum Abschlüsse gediehen sind, eine Provision zu beanspruchen. Als Vergütung des Agenten für die von demselben geleisteten Dienste kann auch die Be­ zahlung einer bestimmten Quote desjenigen Betrages bedungen sein, um welchen die Preise ge­ wisser, für Rechnung des berechtigten Handlungshauses abgeschlossener Kaufverträge eine Normal­ summe übersteigen (Tantieme). In diesem Falle ist das Handlungshaus wohl verpflichtet, über die betreffenden Kaufverträge eine spezielle Rechenschaft und Auskunft zu geben oder in eingehen­ der Weise zu manifestieren, welche Kaufverträge und zu welchen Preisen die einzelnen Verträge zum Abschlüsse gelangt sind, allein es hat keine Verpflichtung zu einer Rechtfertigung durch Be­ läge der in Form einer Rechnung oder Abrechnung gekleideten Manifestation. Entsch. des OLG's., Karlsruhe vom 4. November 1881, in Seuffert's Archiv Bd. 38 Nr. 118 S. 156, 157 und auch Entsch. des ROHG. vom 21. Mai 1875 in Seuffert's Archiv, Bd. 31 Nr. 227 S. 288, 289. 68. Von den Verpflichtungen des Agenten seinem Prinzipale gegenüber ist be­ sonders hervorzuheben, daß es das Vertragsverhältniß zwischen einem Handlungshause und dem von demselben an einem anderen Handelsplätze zum Zwecke des Absatzes von Waaren bestellten Agenten mit sich bringt, daß letzterer auch die Kreditwürdigkeit der Abnehmer, insbesondere dann, wenn die Verkäufe regelmäßig nicht gegen Baarzahlung, sondern auf Ziel abgeschlossen *) Die Stellung des Agenten (vgl. B ehr end, Lehrb. des HR. § 55) ist verschieden von der des Kommissionärs, indem letzterer zwar für Rechnung des Kommittenten, aber im eigenen Namen mit Dritten Handelsgeschäfte abschließt. Die Funktionen, die rechtliche Stellung und die Ansprüche des Kommissionärs sind durch das Handelsgesetzbuch (Art. 360) genau geregelt. Der Agent kann bald im eigenen Namen, bald im Namen des Geschäftsherrn mit Dritten kontrahieren, es hängt dies von den konkreten Verhältnissen ab; jedenfalls ist er im letzteren Falle nicht Kommissionär. Wenn ein Agent, welcher zwischen seinem Auftraggeber und einem Dritten ein Geschäft vermittelt, von diesem Dritten einen neuen Auftrag erhält, welcher zu jenem Ge­ schäfte in Beziehung steht, also in den Kreis der Agenturgeschäfte fällt, und diesen Auftrag seinem ursprünglichen Auftraggeber (Prinzipal) mittheilt, so kann der Agent nicht als Bevollmächtigter des Dritten angesehen werden, sondern er hat bei Empfangnahme des-neuen Auftrages und Uebermittelung desselben an den Prinzipal als dessen Agent gehandelt. S. hierüber Entsch. des RG. Bd. XII S. 17 ff..

156

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 51.

werden, zu prüfen hat.

Der Agent übernimmt in einem solchen Falle von vornherein still­

schweigend die Verpflichtung, sein Haus nur mit kreditwürdigen Personen in Verbindung zu bringen und demselben keinen Geschäftsabschluß vorzuschlagen, sobald die Verhältnisse der Käufer zu einem begründeten Bedenken Veranlassung geben, sowie über etwaige Zweifel dieserhalb zu berichten, so daß. die einfache Ueberschreibnng einer Kaufofferte zugleich die Versicherung enthält, es liegen in Betreff der Kreditwürdigkeit des Käufers keine Bedenken vor.

Dem Agenten liegt

damit zugleich die vertragsmäßige Pflicht ob, sich nach der Kreditwürdigkeit der von ihm seinem Hause zugeführten Käufer zu erkundigen und

demselben darüber eventuell wahrheitsgemäß zu

berichten. Auf die Erfüllung dieser ihm obliegenden Pflicht hat der Agent nach Art. 282 die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu verwenden. Er haftet also für jeden dem Prinzipale aus deren Vernachlässigung erwachsenen Schaden, und seine Sache ist es, die Beobachtung dieser Sorgfalt darzulegen und eventuell zu beweisen. Allerdings kann dem Agenten, falls er nicht bas Delkredere für einen Käufer übernommen hat, eine Garantie für die Zahlungsfähigkeit der seinem Hause zugeführten Käufer nicht zugemmhet werden, er hat vielmehr für den Erfolg seiner Erkundigungen

nach

der

Kreditwürdigkeit

Prinzipal den Agenten in dieser Beziehung

der Käufer

an

sich

nicht

verantwortlich machen,

einzustehen.

so hat

er

Will

der

seinerseits zu

substantiieren und eventuell zu beweisen, daß derselbe die ihm obliegende Sorgfalt vernachlässigt oder sogar wider besseres Wissen gehandelt hat. Vgl. hierüber Entsch. des ROHG. vom 28. März 1877 in Seufsert's Archiv, Bd. 34 Nr. 320 S. 466 — 469, vgl. auch RG Bd. XII S. 17 ff. Hat der Agent für den Schaden, der seinem Prinzipale durch die unrichtige Mittheilung bezüglich der Kreditwürdigkeit eines Dritten entstanden ist, aufzukommen, so ist bei der Berechnung desselben davon auszugehen, welchen Schaden sein Prinzipal dadurch erlitten hat, daß er dem Dritten einen Kredit einräumte, welchen er demselben sonst nicht eingeräumt haben würde; es umfaßt also nach Art. 283 der Schadensersatz sowohl den positiven Schaden wie den entgangenen Gewinn. Dieser Schadensersatzanspruch

gegen den Agenten erlischt nicht durch den Beitritt des

Prinzipales zu einem außerordentlichen Akkorde des Käufers.

ROHG. Bd. XXII S. 119

bis 121. 69.

Wenn die von einem Agenten mit einem Dritten abgeschlossenen Rechtsgeschäfte den

Prinzipal letzterem gegenüber berechtigen oder verpflichten sollen, so muß der Agent zu den Vertragsabschlüssen bevollmächtigt gewesen sein und solche wirklich als Bevollmächtigter ab­ geschlossen haben. Aus der Bevollmächtigung zum Abschlüsse eines Geschäftes folgt noch nicht die Vollmacht zu allen mit demselben zusammenhängenden Rechtsgeschäften. Der Agent hat zunächst keine Jnkassobefugniß, sondern bedarf zur Einkassierung von Geldern einer besonderen Vollmacht.

Durch die

Zahlung an einen nichtbevollmächtigten Agenten wird der Dritte erst dann von seiner Schuld iberiert, wenn das Geld in die Hände des Berechtigten gekommen ist. Läßt der Geschäftsherr wissentlich den Agenten so handeln, als wenn er mit einem allgemeinen Jnkassomandat versehen wäre, so kann er bezüglich der an Letzteren geleisteten Zahlungen als genehmigend, nicht aber Dieser wegen Unterlassung einer sofortigen Protestation seitens des Geschäftsherrn gegen eine an einen Agenten geleistete Zahlung als zum Inkasso bevollmächtigt erachtet werden. Auch daraus, daß Jemand mehrere Jahre für ein Handlungshaus als Agent thätig war, kann dessen Bevollmächtigung für einen einzelnen Fall nicht gefolgert werden. Die Vollmacht des Agenten braucht jedoch nicht gerade eine spezielle zu sein, sie kann auch generell z. B. für eine gewisse Geschäftsbranche eines Handlungshauses ertheilr sein. Ein Geschäftsherr kann durch sein Verhalten dritten Personen gegenüber diesen eine Ver­ anlassung geben, einen für ihn handelnden Agenten als von ihm bevollmächtigt zu erachten. S. hierüber einen Fall ROHG. XXII 373 ff. Ueber die Rechtsverhältnisse der Agenten s. die Entsch. des ROHG. in der Sammlung.von Fuchsberger a. a. O. S. 49ff.

Fünfter Titel. Von den Prokuristen imb Handlungsbevollmächtigten. Art. 51. 52.

157

70. Die Vorschrift des Art. 48, daß der Handlungsbevollmächtigte bei seinen Unter­ zeichnungen seine Bevollmächtigten-Qualität auszudrücken habe, ist eine bloße Ordnungsvorschrift, an deren Beobachtung oder Nichtbeobachtung Rechtsfolgen nicht geknüpft find. Mako wer, Komm. Note 14 a zu Art. 48. Die Nichtbeachtung dieser Vorschrift hat nicht die Bedeutung, daß das Geschäft nicht oder nicht für den Prinzipal gelte; es genügt, um das Geschäft für den Prinzipal gültig und wirksam zu machen, daß die Umstände ergeben, es solle nach dem Willen der Kontrahenten für den Prin­ zipal geschlossen werden. ROHG. Bd. XII, 134. Es kann sonach eine von einem Handlungs­ bevollmächtigten ohne einen das Vollmachtsverhältniß ausdrückenden Zusatz ausgestellte Quittung dem Vollmachtgeber entgegengesetzt werden. S. ebenda.

b. Bestellung des Handlungsbevollmächtigten 71. Die Bevollmächtigung bedarf keiner schriftlichen Form; auch keiner ausdrücklichen Vollmachtsertheilung, sie kann durch stillschweigende Willenserklärung erfolgen. Letzteres ist anzu­ nehmen, wenn der Prinzipal es zuläßt, daß sich Jemand als sein Handlungsbevollmächtigter geriert. ROHG. Bd. VII S. 57, Bd. XII S. 277, RG. Bd. I S. 9. Jedoch ist darin allein, daß der Prinzipal zu wiederholten Rechtshandlungen gewisser Art, welche sein Handlungsgehilfe ohne Ermächtigung von ihm, aber in seinem, des Prinzipales, Namen vorgenommen hat, aus die ihm davon seitens des Handlungsgehilfen gemachte Mittheilung stillgeschwiegen hat, eine Genehmigung dieser imb gleichartiger Rechtshandlungen zu Gunsten des betheiligten Dritten bezw. eine Bestellung des Handlungsgehilfen zum Handlungsbevollmächtigten nicht zu erkennen. ROHG. Bd. X S. 97. Besondere Umstände, welche in obigem Falle die Annahme einer 'stillschweigenden Bestellung zum Handlungsbevollmächtigten auszuschließen geeignet sind, hat der Prinzipal anzilführen. 72. Darauf, daß sein Handlungsbevollmächtigter den Auftrag zum Vertragsabschlüsse falsch verstanden habe, kann sich der Prinzipal nicht berufen. Vgl. RG. I, 8. 73 Die Eintragung im Handelsregister ist unzulässig. ROHG. Bd. IV S. 302. Vgl. oben Art. 13 Bem. 15.

Artikel 52. Durch das Rechtsgeschäft, welches ein Prokurist oder ein Handlungsbevoll­ mächtigter gemäß der Prokura oder der Vollmacht im Namen des Prinzipals schließt, wird der letztere dem Dritten gegenüber berechtigt und verpflichtet. Es ist gleichgültig, ob das Geschäft ausdrücklich im Namen des Prinzipals geschlossen worden ist, oder ob die Umstände ergeben, daß es nach dem Willen der Kontrahenten für den Prinzipal geschlossen werden sollte. Zwischen dem Prokuristen oder Bevollmächtigten und dem Dritten erzeugt das Geschäft weder Rechte noch Verbindlichkeiten. Pr. Eniw. Art. 41, 50. I. L. Art. 59. II. L. Art. 50. - Prot. D. 78 f., 83 f., 958 f. Anhalt.

Alieno nomine 74. Beschränkungen der Vollmacht 87. Besitz 81. Bestellung der Vertreter 70. Ein schränkn» gen der Prokura 76. — der Vollmacht 76. Erkundigungspflicht 77. „Gemäß der Prokura oder der Vollmacht" 75. Geschäftsverkehr, laufender 77. Haftung des Stellvertreters 83. Irrthum des Vertreters 79. Mißverständnis 80, auch 72.

Namens des Auftraggebers 74. Prokura 10, 76. Sec um eontrahere 74. Stellvertretung 1 a. E., 2, 3, 4, 32, 74. Stillschweigende Bestellung 86. Versehen der Vertreter 79. Vertrauensmißbrauch 77. Vertretungswille 82. Vollmacht überhaupt 4, 6, 76. Wirkung der Stellvertretung 78. Zwang gegen den Vertreter 79.

158

Erstes Buch. c.

Vom Handelsstande.

Art. 52.

Rechtsstellung aller Handlungsbevollmächtigten (also auch der Prokuristen).

1) Die Stellvertretung des Prinzipales durch den Bevollmächtigten Dritten gegenüber. (Andererseits s. unten Bem. 90 ff.) 74. Diese Stellvertretung ist eine echte und vollständige. Wie hier einerseits das Prinzip der freien und direkten Stellvertretung anerkannt und konsequent durchgeführt ist, so wird anderer­ seits strenge daran festgehalten, daß, von rein positiven und singulären Ausnahmen abgesehen, nur wer Namens eines Anderen, sei es ausdrücklich, sei es mit erkennbarem Hinweis auf sein Vertretungsverhältniß, nicht schon, wer im Auftrage oder gar nur im Interesse eines Anderen kontrahiert, als dessen Vertreter erscheint und durch seinen Vertragsabschluß unmittelbar für denselben Rechte begründet. ROHG. Bd. VI S. 404, Bd. XIII, 322, 328. *) Dieses Prinzip reicht soweit, daß Jemand im eigenen Namen oder als Vertreter eines Anderen oder einer Gesellschaft sogar mit sich selbst, als dem Vertreter eines Anderen oder einer anderen Gesellschaft, Verträge abschließen kann. Entsch. des RG. Bd. VI S. 11—17, Bd. VII S. 120. Vgl. Römer, Zeitschr. für Handelsrecht, Bd. XIX S. 67 ff.; Dernburg, Preuß. Privatrecht, 2. Aufl., Bd. II § 181 Note 11; Behrend, Lehrbuch des Handelsr., Bd. I S. 345. Gareis, Lehrb. d. HR. § 56 VIII. 75. Bei einem vollmachtsmäßigen Abschlüsse eines Geschäftes seitens eines Prokuristen oder sonstigen Bevollmächtigten treten die hieraus erwachsenden Rechte und Verbindlichkeiten für -en Prinzipal schlechthin ein, wenn der Bevollmächtigte in seiner bei der Prokura gesetzlich genau begrenzten, bei den übrigen Handlungsbevollmächtigten durch Bezugnahme auf das Ge­ wöhnliche des ihnen zugetheilten Geschäftsbetriebes bestimmten Stellung handelt, ohne daß der Prinzipal sich jener Wirkung entziehen könnte. (Vergl. Bem. 10 ff., 37 ff., 52 ff.) „Gemäß der Prokura oder der Vollmacht re." ist dahin zu verstehen, daß ein Geschäft der eingegangenen Art in dem Bereiche der Vollmacht oder der Prokura liegen müsse. Die . Worte: „gemäß der Vollmacht" sind den Worten: „gemäß des Auftrages" nur substituiert worden, um zu erkennen zu geben, daß es nicht auf den in Wirklichkeit ertheilten Auftrag, sondern auf die in der Vollmacht ausgedrückte Vertretungsbefugniß ankommt. Protokolle S. 78, 958, 959; Laband in Goldschmidt's Zeitschr., Bd. X S. 203ff.; ROHG. Bd. VI, 408, Bd. X, 381, Bd. XVIII, 342, 343. 76. Zwischen der Prokura und der sonstigen Handlungsvollmacht besteht jedoch der Unter­ schied, daß eine Einschränkung der Prokura selbst dann wirkungslos ist, wenn der Dritte dieselbe kannte (auch wenn dieselbe unstatthafter rmd irrthümlicher Weise vom Handelsrichter in das Register eingetragen ist — ROHG. Bd. VI S. 139, s. oben S. 41, Bem. 15) und jener trotz­ dem mit dem diese Einschränkung überschreitenden Prokuristen kontrahierte, während die Voll­ macht eines anderen Handlungsbevollmächtigten vom Prinzipale von vornherein präzisiert und hiernach seine Haftung für Handlungen des Bevollmächtigten modifiziert sein kann, da Art. 47 nur Rechtsvermuthungen aufstellt und der Dritte, ^welcher weiß, daß der mit ihm abschließende Bevollmächtigte die ihm ertheilten Befugnisse überschreitet, aus solcher ihm bekannten Vollmachts­ überschreitung kein Recht gegen den Prinzipal erlangt. Gareis, Lehrbuch d. HRs. (3. Aust.), S. 108,109 (§ 20 Anm. 11); ROHG. IV, 294, V, 207, X, 142, XII, 277, XX, 122. Kannte der Dritte aber jene Einschränkung nicht, so gilt der Bevollmächtigte für nach Inhalt des Art. 47 ermächtigt und der Prinzipal kann.trotz jener Einschränkung dem Dritten verpflichtet werden. *) Der Rechtssatz nämlich, „daß, wer mit einem Bevollmächtigten kontrahiere, sich haupt­ sächlich nur an den Machtgcber halten könne", besteht nach bürgerlichem wie nach Handelsrecht nur da, wo der Bevollmächtigte im Namen des Machtgebers oder doch sonst erkennbar für diesen, als dessen Stellvertreter, den Vertrag geschlossen hat, während im Uebrigen das innere Verhält­ niß zwischen Machtgeber und Bevollmächtigten, mag es dem dritten Kontrahenten auch bekannt sein, weder zwischen dem Machtgeber und dem Dritten direkte Rechtsbeziehungen zu erzeugen, noch die kontraktlich entstandenen.direkten Rechtsbeziehungen zwischen dem Dritten rmd dem Be­ vollmächtigten zu alterieren vermag. ROHG. Bd. IV S. 172, 174.

Fünfter Titel.

Bon den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten.

Art. 52.

159

77. Eine Erkundigungspflicht besteht nur bei besonderem Verdachte; den Vertrauensmiß­ brauch büßt in der Regel der Prinzipal. Dem dritten Kontrahenten aber zuzumuthen, sich bei fortlaufender Geschäftsverbindung in jedem "einzelnen Falle nach der Fortdauer und dem Umfange der einmal ertheilten Vollmacht zu erkundigen, widerstreitet gleichmäßig dem Gesetze, wie dem Geschäftsgebrauche. S. Th öl, Handelsrecht I. § 31b, bes. Note 6, § 33 Nr. 1; Literatur des preuß. Ldr. s. Entsch. des preuß. Obertr. Bd. XXII S. 206 ff.; Gruchot, Beiträge, Bd. XIV S. 427—430;

v. Rönne, Ergänzungen rc. I.

S. 621—623; Bornemann, preuß. Civilr.,

Bd. III S. 249; Förster, preuß. Privatr., 2. Aufl., Bd. II S. 320 Note 153; Koch, Komm. zum ALR., Bd. II S. 162 Note 21, S. 147, 148 Note 62; dann preuß. Ldr. Thl. I Tit. 13 §§ 167, 168, 147; Ueber das gem. Recht s. L. 11 §§ 2—5 D. de inst. act. (14, 3) — neque enim decipi debent contrahentes; L. 12 § 2, L. 34 § 3. D. de solut. (46, 3); dann ROHG. Bd. IV S. 305, Bd. VI S. 154, Bd. X S. 142, 381; s. auch oben bei „Handlungs­ reisenden". 78.

Bem. 52. Daß der vom Stellvertreter geäußerte Wille so angesehen wird, als habe der Vertre­

tene seinen Willen geäußert, dieser Grundgedanke der freien und direkten Stellvertretung (das sog. Repräsentationsprinzip), bewirkt auch, daß der Vertretene civilrechtlich für Betrug und Ver­ sehen des Vertreters einstehen muß, sofern eine derartige Handlungsweise in den Bereich des aufgetragenen Geschäftes fällt, und daß umgekehrt die Anfechtbarkeit eines solchen Geschäftes wegen eines vom Stellvertreter begangenen Irrthumes oder wegen eines gegen ihn verübten Zwanges oder Betruges dem Vertretenen zu Gute kommt.

ROHG. Bd. VI S. 403, Bd. XV S. 26,

256, 260, NG. Bd. XII S. 112, 113, (auch Bd. VIII S. 208 — preuß. Ldr.).

79.

Es kommt selbstverständlich dem Repräsentationsprinzipe nicht die Wirkung zu, daß

es den Vertreter von den Rechtsfolgen seiner eigenen betrügerischen Handlungen befreie; es ist selbstverständlich, daß der Vertreter aus seinen Betrugshandlungen dem Prinzipale haftet. ROHG. Bd. XVIII S. 295.

80. Hat der Handlungsbevollmächtigte den Allstrag zum Abschlüsse des Vertrages miß­ verstanden oder ist bei demselben durch ungenaue oder unvollständige Mittheilung der Vertrags­ abreden seitens des Prinzipales bezüglich dieser ein Mißverständniß hervorgerufen worden, so kann sich der Prinzipal dem anderen Kontrahenten gegenüber nicht darauf berufen, daß er von seinem Handlungsbevollmächtigten mißverstanden worden sei.

ROHG. Bd. XVII S. 228, RG.

Bd. I S. 8f.

81. Die Frage,, ob der Besitz an Gegenständen, welche für den Auftraggeber bestimmt, in die Detention des Beauftragten gelangt sind, auf den Auftraggeber übergeht und dieser Eigen­ thümer wird, hat das Handelsgesetzbuch offen gelassen und ist also nach dem jeweils zur Anwendung gelangenden territorialen Rechte zu entscheiden. Goldschmidt, HR. II § 66. Gareis Lehrb. § 48.

82. Voraussetzung der Anwendbarkeit des Abs. 2 des Art. 52 ist immer, daß Beide, der Vertreter und der dritte Kontrahent, den Willen gehabt haben, für den Prinzipal bez. mit demselben zu kontrahieren, und das kann der Fall sein, wenn, auch ohne ausdrückliche Erwähnung des Prinzipales, der dritte Kontrahent aus den früheren Erklärungen des Vertreters, oder aus anderen Umständen sich vergewissert hatte, oder sich dessen vergewissert haben mußte, daß der Ver­ treter das Geschäft nicht für sich, sondern für seinen Prinzipal abschloß. (ROHG. I, 56, IV, 174). S. hierüber noch über einzelne spezielle Fälle getroffene Entsch. des ROHG. bei Fuchsberger a. a. O. S. 67.

Ist das nicht der Fall, so kann das innere Verhältniß zwischen Prinzipal

und Bevollmächtigten, mag es dem dritten Kontrahenten auch bekannt sein, weder zwischen dem Machtgeber und dem Dritten direkte Rechtsdeziehungen erzeugen, noch die kontraktlich entstandenen zwischen dem Dritten und dem Bevollmächtigten ändern (ROHG. IV, 174). Derjenige, welcher den Prinzipal aus dem mit dem Bevollmächtigten geschlossenen Ge­ schäfte belangen will, nmß darlegen, in welcher Weise das Kontrahieren für den Prinzipal zum Ausdruck gelangt ist.

Es gehört dies zur Begründung der Klage *).

*) Wenn der aus einem Vertrage Belangte geltend macht, entweder: er selbst habe das Geschäft nicht in eigenem, sondern in fremdem Namen geschlossen, so trifft den Kläger die Be-

160

Erstes Buch.

Born Handelsstande.

Art. 52. 53.

Aber eine urtheilsmäßige Feststellung, das Geschäft sei ausdrücklich im Namen des Prin­ zipales geschlossen worden, ist — gemäß Abs. 2 des Art. 52 — überflüssig, wenn nur jene konkludenten Umstände festgestellt sind. RG. Bd. XII S. 13. 83. Durch den Abs. 3 des Art. 52 sind partikularrechtliche Bestimmungen, welche, wie z. B. das bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen § 1318, dem Vertreter eine gewisse Haftung aus den von ihm geschlossenen Geschäften aufbürden, hier ausgeschlossen. ROHG. Bd. XIX S. 327. 84. Handelt Jemand ohne Stellvertretungsbefngniß, gibt er sich, ohne es zu sein, für einen Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten aus, so wird er aus dem.vollmachtslos ge­ schlossenen Geschäfte persönlich dem Dritten verpflichtet, es wäre denn, daß der Dritte den Mangel der Vollmacht kannte und sich trotzdem mit dem Pseudostellvertreter eingelassen hat. Nach dem Art. 55 muß in einem solchen Falle der Gegenkontrahent gegen den falsus procurator einen ebenso wirksamen Anspruch erlangen, als er gegen den vermeintlichen Geschäftsherrn erlangt haben würde, wenn dieser dem falschen Vertreter eine vollgültige, denselben zu dem von ihm ab­ geschlossenen Geschäfte ermächtigende Vollmacht ertheilt hätte. Die Folge hiervon ist, daß, wenn der vermeintliche Geschäftsherr Kaufmann ist, der falsus procurator aber nicht, letzterer sich trotzdem nur solcher Einreden bedienen kann, welche er nach dem Handelsrecht vorbringen darf; er darf also z. B. die Einrede der kurzen Verjährung nicht erheben, wenn diese dem vermeintichen Geschäftsherrn nicht zugestanden hätte.

Artikel 53. Der Prokurist oder der Handlungsbevollmächtigte kaun ohne Einwilligung des Prinzipals seine Prokura oder Handlungsvollmacht auf einen Anderen nicht übertragen. Pr.

«rt. 47, 50. I. £. Art. 50. II. L. Art. 51. Prot. 3. 87, 959, 1425.

Inhalt Handlungsbevollmächtigter s. Art. 47. Kollektivprokura 22, 23. Liquidation-befugnitz 26.

Prokurist s. Art. 41. Substitutionsverbot 15.

85. Ueber die Fiktion eines Vertragsabschlusses mit dem falsus procurator s. ROHG, Bd. XI S. 356 ff.; Bd. XXII S. 33, 34 und RG. Bd. VI S. 214 ff. Vgl. Behrend. weis last dafür, daß der Beklagte in eigenem Namen kontrahiert habe. Denn das Kontrahieren in eigenem und das Kontrahieren in fremdem Namen sind verschiedene selbständige Begriffe und bringen verschiedenartige Rechtsverhältnisse hervor. Die betreffende Gegenbehauptung des Be­ klagten ist also keine Einrede, sondern Leugnen des Klaggrundes, welchen letzteren nach allgemeiner Rcchtsregel der Kläger zu beweisen hat. Eine andere Frage ist die der Beweisführung. Da jedes Geschäft seine Wirkungen zwischen Denjenigen erzeugt, zwischen welchen es schlechthin, d. h. nicht — ausdrücklich oder nach den begleitenden Umständen — im Namen eines Anderen ge­ schlossen ist, so genügt der Kläger seiner Beweispflicht bezüglich des Kontraktschlusses in eigenem Namen, wenn er darthut, daß zwischen ihm und dem Beklagten das Geschäft schlechthin ge­ schlossen worden, d. h. ohne daß ein Kontrahieren in fremdem Namen erkennbar gewesen sei. Dann ist es Sache des Beklagten, im Gegenbeweise Moinente beizubringen, aus welchen sich er­ gibt, daß in fremdem Namen kontrahiert sei. Hieraus erhellt, daß es nicht korrekt ist, in solchen Fällen von einer dem Kläger zur Seite stehenden faktischen Vermuthung, welche die Be­ weislast nicht ändert, zu sprechen. S. Striethorst Arch. Bd. 43 S. 101; Erk. des Ob.-App.Ger.'s. zu München vom 9. Dezember 1859 in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. VII S. 611; ferner einerseits: für Leugnen des Klagegrundes: Seuffert's Arch. Bd. 8 Nr. 103; Bd. 12 Nr. 27; Bd. 16 Nr. 150; Bd. 22 Nr. 84; andererseits für Einrede: Seuffert's Arch. Bd. 1 Nr. 193; Bd. 15 Nr. 272; Bd. 17 Nr. 107; Bd. 18 Nr. 126. — v. Hahn, Komm. Bd. 1 S. 206 zu Art. 52 §7; Römer im Archiv für die civil. Praxis Bd. 62 (NF. Bd. 12) S. 160 fg.; Laband in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. 10 S. 214; v. Völderndorff, Komment, zu Art. 55 HGB. Bd. 1 S. 404; Art. 52 HGB. — Vgl. ROHG. Bd. IV S. 174, Bd. XVIII S. 294 fg., Bd. XXII S. 222; Bd. XXIII S. 57 und RG. Bd. II S. 195, 196.

Fünfter Titel.

Bon den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten.

Art. 53.

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Lehrb. des HN. tz 51. Diese Fiktion fällt weg, wenn der Beauftragte als Agent handelte. RG. Bd. XII, S. 17. S. hierüber oben Bem. 69. 86. Läßt Jemand es zu, daß ein Anderer sich als sein Handlungsbevollmächtigter geriert, so ist darin in Ermangelung besonderer Umstände eine stillschweigende Bestellung desselben zum Handlungsbevollmächtrgten zu finden. RG. Bd. I, S. 9. 87. Hat der Prinzipal einem nach Art. 47 ermächtigten Handlungsbevollmächtigten Ein­ schränkungen auferlegt, welche engere Grenzen ziehen als die Rahmen dieses Artikels, m. a. W.: hat der Prinzipal dem zum Betriebe eines ganzen Handelsgewerbes Bevollmächtigten einzelne innerhalb dieses Betriebes gewöhnlich nöthig werdende Rechtshandlungen untersagt, oder dem zu einer bestimmten Art von Geschäften Ermächtigten Handlungen verboten, welche dem gewöhnlichen Laufe der Dinge nach zu jener Art von Geschäften gehören, so haftet der Prmzipal dem Dritten trotz der Vollmachtsüberschreitung seines Bevollmächtigten, wenn der Dritte die Einschränkungen nicht kannte. Ueberschreitet der Bevollmächtigte jedoch die m Art. 47 und in den diesem ent­ sprechenden Vollmachten gezogenen Schranken, so haftet er, nicht der Prinzipal, dem Dritten, es wäre denn, daß der Dritte die Einschränkungen kannte und ungeachtet derselben sich Mit dem Minderbevollmächtigten eingelassen hat. Gareis, Lehrb. (3. Aufl.) S. 109, HO1). 88. Der falsus procurator schließt seinerseits den Vertrag mit dem Dritten ab, wenn auch in fremdem Namen. Die rechtliche Folge, daß der Machtgeber direkt verpflichtet wird, und der Bevollmächtigte außer Verbindlichkeit bleibt, tritt nur ein, wenn die behauptete Vollmacht in Wirklichkeit ertheilt ist. Fällt diese Voraussetzung fort, so haftet der angebliche Bevollmächtigte als Kontrahent. Er würde arglistig handeln, wenn er den Dritten an den Machtgeber verweisen wollte, obwohl er weiß oder wissen muß, daß derselbe wegen Mangels der Vollmacht an den Vertrag nicht gebimden ist. Der Dritte darf deshalb von dem Bevollmächtigten Erfüllung verlangen. Andererseits ist letzterer nicht berechtigt, zu verlangen, daß in seiner Bereiterklärung, persönlich in den Vertrag einzutreten, die Erfüllung seiner Verbindlichkeit gefunden werde. Denn ihm gegenüber ist eine Verbindlichkeit des Dritten überhaupt nicht existent geworden. Es hängt deshalb von der Wahl des Dritten ab, ob er den falsus procurator als Kontrahenten auf Er­ füllung oder auf Entschädigung in Anspruch nehmen will. S. hierüber Entsch. des RG's. Bd. VI, S. 214 ff. Der Dritte hat aber nur das Wahlrecht entweder auf Vertragserfüllung (mithin Eintreten des Pseudostellvertreters in den Vertrag als Selbstkontrahent) oder auf Schadens­ ersatz (Leistung des negativen Vertragsinteresses nebst Kostenersatz u. s. w.) ') gegen den falsus procurator zu klagen; das Gesetz gibt ihm also nicht das Recht, neben der Vertragserfüllung zu­ gleich Schadensersatz zu fordern. Hat Jemand als Beauftragter eines Anderen mit einem Dritten, ohne sich diesem gegenüber über die Ertheilung eines Mandates auszuweisen, Geschästsunterhandlungen angeknüpft und der Dritte hat sich, indem er den Angaben des vermeintlichen Beauftragten, mit welchem er schon längere Zeit in Geschäftsverbindimg stand, Glauben schenkte, ohne vorherigen Nachweis seiner Legitimation zu verlangen, in ein Rechtsgeschäft eingelassen und solches mit diesem zum Abschlüsse J) Eine Überschreitung der Vollmacht m Ansehung der Quantität (also wenn der Be­ vollmächtigte mehr fest verkauft als ihm aufgetragen ist, oder wenn er unter dem limitierten Preise verkauft) berechtigt den Prinzipal nicht zur Ablehnung des Geschäftes, wenn der Bevollmächtigte nachträglich durch Vereinbarung mit dem Abnehmer das verkaufte Quantum auf den vertrags­ mäßigen Betrag herabmindert, beziehentlich die Differenz selbst übernimmt. Entsch. des ROHG. Bd. IV, S. 219. 2) Zu der Entschädigung, die ein falsus procurator dem dritten Kontrahenten zu leisten hat, gehört nicht bloß der volle Kaufpreis, insofern der Dritte in Folge des Verhaltens des an­ geblichen Bevollmächtigten denselben verloren hat, sondern es gehört hierzu auch die Erstattung der Kosten eines unnützen Vorprozesses gegen den vorgeschobenen Auftraggeber; hierin ist keine unzulässige Annullierung der Kontrakts- und der Entschädigungsklage zu erblicken. — Dieser An­ spruch gegen den falsus procurator ist nicht von einer Streitverkündung an denselben im Vorprozessc gegen den vermeintlichen Machtgeber bedingt. ROHG. Bd. XI, S. 355 ff. u. 359. Fuchsberger und Gareis, ADHGB.

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Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 53.

gebracht, so hat der vermeintliche Beauftragte zweifellos die Verpflichtung, dem dritten Kontra­ henten auf Verlangen nachträglich den Nachweis des ihm wirklich ertheilten Auftrages dergestalt zu führen, daß dieser dritte Kontrahent in die Lage versetzt ist, den renitenten Auftraggeber im Prozeßwege mit Ausstcht auf Erfolg in Anspruch zu nehmen; m. a. W.: Derjenige, welcher sich als Beauftragter eines. Anderen dem dritten Kontrahenten gegenüber gevierte, muß diesen seinen Auftraggeber als einen solchen, welchen derselbe rechtlich auf Erfüllung des mandierten Geschäftes in Anspruch nehmen kann, stellen, dem Dritten also die Anstellung einer rechtlich be­ gründeten Klage ermöglichen. Zu diesem Zwecke muß der Beauftragte die zwischen ihm und seinem Machtgeber gepflogenen Verhandlungen dem Dritten, soweit sie zur Begründung des An­ spruches desselben gegen den Machtgeber nothwendig sind, bekannt geben und demselben eventuell die hierauf bezüglichen Urkunden herausgeben. — Nun kann es sein, daß der vermeintlich Be­ auftragte dieser Verpflichtung nicht nachkommen kann, entweder weil er einen Auftrag zum Ab­ schlüsse dieses Geschäftes von einem Anderen nicht erhalten hat, oder doch die Ertheilung eines solchen Mandates nicht nachweisen kann. In einem solchen Falle kann dem dritten Kontrahenten nicht zugemuthet werden, gegen Den, welcher als Beauftragter handelte, zunächst auf Beschaffung des Materials zur Begründung einer Klage gegen den Machtgeber zu klagen, und erst wenn dieses präparatorische Prozeßverfahren ergebnißlos beendet ist, gegen diesen Beauftragten in einer zweiten Klage die in Art. 55,298 des HGB's. näher angegebenen Ansprüche zu verfolgen, ebensowenig kann ihm aber ferner zugemuthet werden, zunächst gegen den vermeintlichen Machtgeber auf Er­ füllung des mandierten Geschäftes, ohne das Material zum Beweise des Mandates in Händen zu haben, zu klagen, und erst nach Abweisung einer solchen aussichtslosen Klage gegen Denjenigen, welcher als Beauftragter das Rechtsgeschäft mit ihm abgeschlossen hat, als falsus procurator vor­ zugehen. Durch das Gesetz sind nur die Pflichten des falsus procurator normiert, nicht aber die prozessualen Wege und Formen der Geltendmachung der betreffenden Ansprüche. Dem dritten Kontrahenten kann nicht zugemuthet werden, voraussichtlich ganz ergebnislose Prozesse nach der einen oder anderen Richtung hin zu führen, es kann derselbe vielmehr sofort gegen Denjenigen,' welcher mit ihm als Beauftragter kontrahierte, als falsus procurator klagen. Zur Begründung dieser Klage gehört dann nicht einmal die bestimmte positive Behauptung, daß der von dem Be­ klagten als Machtgeber Genannte ihm zu dem fraglichen Geschäfte ein Mandat nicht ertheilt habe, was ja der klagende Dritte mit Sicherheit gar nicht behaupten kann. Zur Begründung der Klage genügt vielmehr die Behauptung, daß der falsus procurator es bisher unterlassen hat, den dritten Kontrahenten in den Stand zu setzen, den Machtgeber in Anspruch nehmen zu können. Besteht der als falsus procurator Eingeklagte sodann in diesem Prozesse darauf; daß ihm das fragliche Mandat wirklich ertheilt worden war, so ist es seine Sache, dies nunmehr in der Klage­ beantwortung zu exzipieren. Diese Einrede kann sodann von dem Kläger in der Replick noch be­ stritten werden. Führt der hier Beklagte den Beweis des Mandates, so wendet er die Vcrurtheilung gemäß Art. 55 ab, entgegengesetzten Falles aber muß der Kläger den Beklagten befriedigen, und es muß dann letzterem überlassen werden, .mit der actio mandati contraria seinen Machtgeber in Anspruch zu nehmen, welcher Prozeß gegen diesen selbstverständlich nur dann mit Erfolg be­ gleitet ist, wenn er nun letzterem gegenüber den im früheren gegen den dritten Kontrahenten ge­ führten Prozesse mißlungenen Beweis des Mandates zu führen im Stande ist. S. hierüber Th öl, Handelsr. 6. Aufl. Thl. I § 71, I § 75, III, 2 und Note 42 das.; IHering, Jahrb. Bd. VI, S. 289 f., sowie ROHG. Bd. XXII, .©. 33 f. 89. Zum Fundament der auf Grund der Art. 55 und 298 des HGB's. zu erhebenden Klage gehört nur die Behauptung, daß der im Namen eines Dritten Kontrahierende keine Er­ mächtigung dazu gehabt, bezw. seine Vollmacht überschritten habe, nicht aber auch die Behauptung, daß der mit dem im Namen des Dritten Auftretenden Kontrahierende den Mangel bezw. die Ueberschreitung der Vollmacht nicht gekannt habe; die. Behauptung des auf Grund des Mangels und bezw. der Ueberschreitung der Vollmacht in Anspruch Genommenen, der andere Kontrahent habe den Mangel bezw. die Ueberschreitung der Vollmacht gekannt, ist Einrede. — Das Anführm des (wegen Ueberschreitung oder Mangels der Vollmacht) in Anspruch Genommenen: er habe nicht

Fünfter Titel.

Bon den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten.

Art. 53. 54.

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mit dem Kläger in Person, sondern mtt einem Stellvertreter desselben kontrahiert, ist dann er­ heblich, wenn er an dieses Anführen eine Einrede knüpft, deren Bedeutung gerade darin begründet ist, daß er mit einem Stellvertreter kontrahiert hat. ROHG. Bd. XVII, S. 176, 377.

Artikel 54. Die Prokura oder Handlungsvollmacht ist zu jeder Zeit widerruflich, un­ beschadet der Rechte aus dem bestehenden Dienstverhältnisse. Der Tod des Prinzipals hat das Erlöschen der Prokllra oder Handlungs­ vollmacht nicht zur Folge. Pr. Entw. Art. 48, 50. I. £. Art. 51. II. L. Art. 52. - Prot. S. 87, 959, 4518 (auch letzter Gettagenband S. 15). Anfe ch tbarkeit deS Dienstvertrags 102. AnfechtungSgrund 102. Dauer der Handlungsvollmacht 98, 101. DienstvertragSende 101.

Dolus causam dans 102.

-Eintragung im Handelsregister 100. Erlöschen deS Geschäfts 98, 101. Haftung deS Widerrufenden 99, 100. Kaufmann minderen Rechts 100. Konkurseröffnung lOJ. Konventionalstrafe 101.

Nichteintragung lOO. Prokura Bem. 10 ff. Salär 101.

Schadensersatz 101. Todeserklärung 103. Vermögenslage 102. Verschollenheit 103. Verzicht auf Widerruf 102. VollmachtSendigung 105. Widerruf 101. Widerruflichkeit 98, 101.

2. Das zwischen dem Prinzipale und dem Bevollmächtigten bestehende (Dienst-) Bertragsverh ältniß. (Andererseits s. oben Bem. 74ff.). 90. Dieses Verhältniß (oder wie man mitunter sagt, die innere Seite der Bevollmäch­ tigung) ist auf einen Arbeitsvertrag, Freidienst- oder Lohndienstvertrag zurückzuführen. Inhaltlich desselben ist der Bevollmächtigte, er sei Prokurist oder sonstiger Handlungsbevollmächtigter, an die Weisungen des Prinzipales im Geschäftsbetriebe gebunden, selbst wenn solche Weisungen den Stell­ vertretungscharakter des Bevollmächtigten nicht durchbrechen können und der Prinzipal dem Dritten gegenüber auch dann haften muß, wenn der Vertreter seine Vollmacht überschritt (worüber die unter Ziff. 1 oben (Bern. 74—89] erörterten Grundsätze entscheiden); in jedem Falle aber — mithin auch in dem zuletzt erwähnten — haftet der Bevollmächtigte dem Prinzipale für Ersatz des ganzen Schadens, welcher aus der Nichtbeachtung vertragsmäßig zu beachtender Weisungen und Schranken dem Prinzipale erwuchs. Die beiderseitigen Rechten und Pflichten regelt der freie, formlose Vertrag zwischen den Betheiligten. (Ueber die Commis Interesse s. unten Bem. 115, 116.) Gar eis, Lehrb. S. 110 ff. Gesetzliche Bestimmungen enthält das HGB. nur über das Substltutionsverbot (§ 53), if. hierüber oben Bem. 15 bei Prokuristen und Vollmachtsende (§ 54), s. hierüber unten Bem. 98 ff. 91. Art. 56 trifft besondere Bestimmungen gegen den Bert raue ns mißbrauch indem er den Prokuristen und den zum Betriebe eines ganzen Handelsgewerbes bestell­ ten Handlungsbevollmächtigten (nicht die Minderbevollmächtigten) noch einer eigenartigen Ein­ schränkung in ihrer Lebensthätigkeit unterwirft. Auf Personen, die nicht Bedienstete des Prinzipales smd, ist das Verbot des Abs. 1 des Art. 56 nicht anzuwenden, sofern sie Nicht Prokuristen oder Generalbevollmächtigte sind; auf Bedienstete aber erstreckt es sich schlechthin, selbst wenn sie keine Stellvertretungsbcfugniß haben. (S. Art. 59 Abs. 1.> Das Verbot des Abs. 1 des Art. 56 ist aber sowohl ein Verbot des gewerbsmäßigen Betriebes des Handels, als auch ein Verbot einzelner Handelsgeschäfte. ROHG. Bd. I, S. 37, Bd. VII, S. 418, Bd. XVI, S. 290. ^ *) Das ALR. § 523 Thl. II Tit. 8 erfordert eine ausdrückliche Erlaubniß des Prinzipals. Zu dieser Beschränkung ist jedoch kein zwingender Grund vorhanden; es muß genügen, wenn die

164

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 54. 55.

92. Der Art. 56 setzt ein bestehendes, noch nicht gelöstes Vollmachtsverhältniß voraus. Weil der in diesem Art. bezeichnete Handlungsbevollmächtigte seine ganze Thätigkeit für das Prinzipals-Geschäft verwenden, am wenigsten demselben durch Eigenhandel Konkurrenz machen soll, so ist der Prinzipal für befugt erklärt, die vom Bevollmächtigten dennoch auf eigene Rrchnung gemachten Geschäfte als im Dienste und für Rechnung des Prinzipales geschlossen anzusehen; er kann außerdem Schadensersatz fordern und den Bevollmächtigten wegen derartigen Eigenhankels vorzeitig des Dienstes entlassen. (Art. 64 Ziff. 2.)

Artikel 55. Wer ein Handelsgeschäft als Prokurist oder als Handlungsbevollmächtigter schließt, ohne Prokura oder Handlungsvollmacht erhalten zu haben, ingleichen ein Handlungsbevollmächtigter, welcher bei Abschluß eines Geschäfts seine Voll­ macht überschreitet, ist dem Dritten persönlich nach Handelsrecht verhaftet; der Dritte kann nach seiner Wahl ihn auf Schadensersatz oder Erfüllung belangen. Diese Haftungspflicht tritt nicht ein, wenn der Dritte, ungeachtet er den Mangel der Prokura oder der Vollmacht oder die Ueberschreitung der letzteren kannte,' sich mit ihm eingelassen hat. Pr. Eniw. Art. 45, 50. I. 8. Art. 53. II. 8. Art 54. - Prot. S. 87, 89 f., 959-963, 975 f., 4662 f.

3 Beschränkungen der Vollmacht 87. Entschädigung 88. Falsus procurator 84, 88. Fiktion 85. Haftun g deS Stellvertreters 83. Klagfundierung 89 Negatives VertragSinteresie 88.

Nichtbevollmächtigte 84, 88. Preisüberschreitung 87 Anm. Quantitätsüberschreitung 87 Anm. Stillschweigende Bestellung 86. Unbefugtes Handeln 84, 88. BerjährungSeinrede 84. Wahl des Dritten 88.

93. Der Abs. 3 letzter Sah des Art. 56 bezieht sich aber nur auf die für eigene Rechnung, nicht auf die für fremde Rechnung (f. Art. 360, 397) geschlossenen Geschäfte; dabei, hat der Prinzipal keinen Anspruch auf die vom Prokuristen (u. dgl.) gegen das Verbot des Art. 56 durch Abschluß von Handelsgeschäften für Rechnung Dritter verdienten Provisionen; s. RG. Bd. Vin, S. 48—51. Die Schadensersatzpflicht des Prokuristen rc. kann sich auch auf die Zeit nach dem Dienstaustritte erstrecken, wenn derselbe nämlich vertragswidrig seine dienstliche Stellung aufgibt und ein gleichartiges Konkurrenzgeschäft errichtet; denn es ist nicht'einzusehen, warum ein solcher kontrakts­ brüchiger Handlungsbevollmächtigter sich durch seinen Kontraktsbruch sollte den Vortheil verschaffen können, Handlungen, welche bei gebührender Fortsetzung seines Dienstverhältnisses widerrechtliche gewesen sein würden, in Folge verweigerter Fortsetzung als rechtlich zulässige betrachten zu Hirsen. S. Entsch. des Bundes-OHG. Dom 3. Oktober 1870, Bd. I S. 42 der ROHG.-Entsch. 94. Es läßt sich jedoch aus dem Art. 56 nicht folgern, daß, wenn der Bevollmächtigte das Dienst- oder Vollmachtsverhältniß einseitig, obwohl ohne Grund, gelöst hat, die dennächst von ihm gemachten eigenen Geschäfte von dem der Lösung widersprechenden Prinzipale as Ge­ schäft des letzteren behandelt werden dürfen. Eine solche Forderung wäre unvereinbar mit dem rechtlichen Charakter des Mandates. Betreffs des Dienstvcrtrages besteht zwischen dem Pruzipale und dem Handlungsbevollmächtigten beiderseits freies Rücktrittsrecht. Ist der Rücktritt nnmal erklärt, so ist die Klage auf Erfüllung gegen den Rücktretenden ausgeschlossen; es bleibt bei einem vorzeitigen und grundlosen Zurücktritt des Handlungsbevollmächtigten dem Prinzipale gegen diesen nur eine Klage auf Schadensersatz. Gerade aber aus dem Ausschluffe der Klage auf Erfillunst Genehmigung aus beit Umständen unzweifelhaft gefolgert werden kann. Motive S. 91. Dev Abs. 2 des Art. 56 enthält offenbar nur einen einzelnen Fall der stillschweigenden Einwilügung» und schließt andere Arten derselben nicht aus'. Mako wer, HGB. Note 27 zu Art 78.

Fünfter Titel.

Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten.

Art. 55. 56.

165

folgt, daß betreffs der nach dem Rücktritte gemachten Eigengeschäfte der Bevollmächtigte nicht so behandelt werden kann, als ob er noch im Dienste des Prinzipals stände und deshalb die Ge­ schäfte für Rechnung des Prinzipales hätte schließen müssen.

S. hierüber Entsch. des ROHG.

Bd. XVI, S. 170, 171.

95.

Auf einen Prokuristen, welcher zugleich Handlungsgehilfe ist, findet wegen Eigen-

handets sowohl die Vorschrift des Art. 56 Abs. 3, als auch -die des Art. 64 Ziff. 2 des HGB's. Anwendung, denn während der Art. 56, weil er von dem Vorhandensein eines Dienstverhältnisses absteht, sich auf die von einem solchen unabhängigen Folgen der Uebertretung des Verbotes be­ schränkt, ist das Gesetz hinsichtlich der Handlungsgehilfen, eben weil sie in einem Dienstverhält­ nisse stehen, weiter gegangen, indem es im Art. 59 die Nachtheile des Art. 56 androht, außerdem aber im Art. 64 Nr. 2 dem Prinzipale das Recht verleiht, gegen einen Handlungsgehilfen, welcher der Vorschrift des Art. 59 zuwiderhandelt, die Aufhebung des Dienstverhältnisses zu begehren. ROHG. Bd. XVI, S. 290, 291.

96. Für die Ausübung der Befugniß des Art. 56 Abs. 3 ist dem Prinzipale eine Frist, abgesehen von der Verjährungsfrist, nicht gesetzt. Ueber die rechtliche Konstruktion des Eintrittes in das Vertragsverhältniß des das Vertrauen mißbrauchenden Bevollmächtigten zu einem dritten Kontrahenten s. Laband in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. X S. 202, und Gareis, Verträge zu Gunsten Dritter, S. 19 ff.

97. Der nicht selten vorkommende Vertrag zwischen einem Handlungsbevollmächtigten und dem Prinzipale, inhaltlich dessen ersterer nach Beendigung des Dienstverhältnisses eine gewisse Frist hindurch (z. B. 5 Jahre) in einem bestimmten Bezirke (z. B. an dem Wohnorte des Prinzipales, in derselben Provinz)

ein Konkurrenzgeschäft weder gründen, noch sich

an einem solchen mit

Kapital oder Arbeit betheiligen darf bei hoher Konventionalstrafe, ist als der Gewerbefreiheit nicht widersprechend und überhaupt als zulässig zu erklären (ROHG. Bd. VII S. 423; RG. Bd. I S. 22. Vgl. auch Entsch. des RG. Bd. II S. 118—121), vorausgesetzt, daß durch die Höhe der Strafe, die allzulange Dauer der Frist und die allzuweite Bezirksbestimmung nicht das Maß der guten Sitten überschritten wird. Busch's Archiv, Bd. XXVIII S. 462 und Bd. XXX S. 208, auch Entsch.

des ROHG. Bd. XVIII S. 102; vgl. auch Entsch. des RG. Bd. II S. 119.

Gareis, Lehrb. S. 112, 113.

Artikel 56. Ein Prokurist oder ein zum Betriebe eines ganzeil Handelsgewerbes be­ stellter Handlungsbevollmächtigter darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder für eigene Rechnung, noch für Rechnung eines Dritten Handelsgeschäfte machen. Eine Einwilligung des Prinzipals ist schon dann anzunehmen, wenn ihm bei Ertheilung der Prokura oder der Vollmacht bekannt war, daß der Prokurist oder Handlungsbevollmächtigte für eigene oder fremde Rechnung Handelsgeschäfte betreibe, und er die Aufgebung dieses Betriebes nicht bedungen hat. Uebertritt der Prokurist oder Handlungsbevollmächtigte diese Vorschrift, so kann der Prinzipal Ersatz des verursachten Schadens fordern. Auch muß sich der Prokurist oder Handlungsbevollmächtigte auf Verlangen des Prinzipals ge­ fallen lassen, daß die für seine Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung des Prinzipals geschlossen angesehen werden. Pr. entte. Art. 4«, 50. I. L. Art. 54. II. L. Art. 55. - Prot. 3. 87, 93, 963, 975.

166

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 65.

Anhalt. AuSrritt cmS dem Dienste 94, 95. Dienstverhältniß 92, 93. Ei gen Handel 91 ff. Eintritt in daS Geschäft 93, 96. Frist des Eintritts 96. Gewerbsmäßiger Betrieb 91, 120. Handlungsgehilfen 95, 120, 121, 122. Konkurrenzgeschäftseintritt 92, 97, 120 ff.

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I

1 1 | I | I

Konvents onal st rase 97. LebenSeinschränknng 91, 120. Provisionen 93, 96. Rechtsfolgen der Konkurrenzgeschäfte Schadensersatz 93, 123. Verhältniß zu Art. 56 u. 59, 95, 122. Vertraue nsmißb rauch 91, 120. Voraussetzung 92.

123.

d. Dauer und Widerruflichkeit. 98.

Was die Dauer einer Handlungsvollmacht anlangt, so kann sich eine solche Voll­ macht selbstverständlich schon von vornherein als eine zeitlich beschränkte darstellen, auch können Umstände eintreten, welche dem Dritten jeden vernünftigen Grund und damit auch das Recht nehmen, anzunehmen, die Vollmacht dauere fort; andererseits ist der Dritte, wenn die Vollmacht nach der ihm mitgetheilten Willenserklärung ihm als eine auf unbestimmte Zeit ertheilte erscheinen mußte und sodann der Prinzipal mit ihm durch eben dieselbe bevollmächtigte Person in fortge­ setzter Geschäftsverbindung verblieb, wohl berechtigt, bis auf Weiteres von der Fortdauer der Handlungsvollmacht auszugehen. Allerdings muß eine Handlungsvollmacht mit der Beendigung des ganzen betreffenden Geschäftsbetriebes des Prinzipals erlöschen, v. Hahn, Komm., Bd. I (3. Aust.) S. 209, 213; Thöl, Handelsrecht, Bd. I (6. Aufl.) S. 228, auch Anschütz und v. Völderndorff, Komm. Bd. I S. 399, und Entsch. des RG. Bd. XII S. 11.

99. Der Vollmachtgeber bleibt auch nach dem Widerruf der Vollmacht dem dritten Kon­ trahenten, welcher den Widerruf nicht kannte, auch nicht kennen mußte, als solcher verhaftet. (Vgl. oben bei Prokura unter Bem. 34.) 100. In dieser Beziehung gelten auch bei Kaufleuten minderen Rechtes (Art. 10 Abs. 1) analoge Rechtssätze, wie sie Art. 25 Abs. 2 u. 3 des HGB's. für die Firmen aufstellt, nur mit dem Unterschiede, daß die ganz bestimmt normierte Bedeutung, welche dort der Eintragung oder Nichteintragung im Handelsregister zukommt, hier natürlich wegfällt, so daß nur eine freie rich­ terliche Erwägung aller erheblichen Umstände übrig bleibt. In beiden Fällen hat der Richter aber immer nach den Umständen des speziellen Falles zu ermessen, ob nicht nach den den gesammten Geschäftsverkehr beherrschenden Grundsätzen von Treue und Glauben der frühere Inhaber des Betriebes, der dem Dritten keine Mittheilung von der eingetretenen Veränderung hat zukommen lassen, es sich gefallen lassen müsse, trotz der letzteren noch von dem Dritten als Geschäftsinhaber in Anspruch genommen zu werden. S. hierüber Entsch. des RG. Bd. XII S. 11, 12. 101. Was das innere Vertragsverhältniß zwischen dem Prinzipale und dem Prokuristen li. dergl. anlangt, so besteht zweifelsohne beiderseits ein freies Rücktrittsrecht; die einseitige Wider­ rufung der Prokura oder der Handlungsvollmacht ist aber mit rechtlichen Folgen begleitet. (Art. 54.) Widerruft der Prinzipal die Handlungsvollmacht, ohne die vertragsmäßige oder gewohnheits­ mäßige Kündigungsfrist abzuwarten, und ohne einen triftigen Grund zur Auflösung des Dienst­ verhältnisses geltend machen zu können oder zu wollen, so erlischt die Vertretungsbefugniß des Bevollmächtigten zwar sofort, aber der Prinzipal hat demselben das Salär bis zu dem Zeitpunkt zu bezahlen, an welchem der Dienstvertrag nach vorgängiger Kündigung zum Erlöschen gebracht werden könnte, oder die Abstandssumme u. dergl. zu entrichten, wenn eine solche für den Fall eines plötzlichen und nicht mit triftigem Grunde motivierten Widerrufes der Vollmacht vereinbart war, oder den Schaden zu ersetzen, welcher dem vorzeitig und unmotiviert Entlassenen hieraus erwächst; eine Klage auf Erfüllung steht keinem Theile zu, auch der Prinzipal hat nur die Klage auf Schadensersatz oder auf Konventionalstrafe, wenn der Bevollmächtigte sein Mandat vertrags­ widrig niederlegt. Striethorst, Arch. Bd. 89 S. 22; Gruchot, Beiträge Bd. III S. 172, 173; Entsch. des ROHG. Bd. I S. 37, Bd. V S. 349, Bd. VIII S. 153, Bd. XIII S. 221, Bd. XVII S. 220. S. hierüber namentlich Fuchsberger a. a. O. S. 69. 102. Auf die Widerruflichkeit kann nicht im Voraus verzichtet werden. ROHG. Bd. XXIII S. 324.

S. Entsch. des

Sechster Titel.

Von den Handlungsgebilfen.

Art. 57.

167

Der Engagementvertrag mit einem Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten kann bei einer betrüglichen Verheimlichung der zerrütteten Vermögensverhältnisse seitens des Engagierten vom Prinzipale angefochten werden. Eine Verpflichtung zur unaufgeforderten Auskunftsertheilung über die Vermögensverhältnisse seitens eines Kontrahenten dem anderen gegenüber besteht aller­ dings im Allgemeinen nicht. Wenn aber der Vertragsabschluß ein bedeutendes Vertrauen des Prinzipales zu der Solidität des Prokuristen rc. bedingte und dem letzteren nicht zweifelhaft sein konnte, daß der Prinzipal sich darüber vergewiffern mußte und wollte, daß er sich durch den Ab­ schluß mit ihm keinen Vermögensverlusten aussetzte, so darf der Prokurist dem Prinzipale seine bedenkliche Vermögenslage ohne Verletzung von Treue und Glauben nicht verheimlichen oder gar geflissentlich verhindern, von seiner Vermögenslage sich Kenntniß zu verschaffen. Ist dann der Irrthum, in welchen der Prokurist den Prinzipal versetzt hat, ursächlich für den Vertragsabschluß gewesen, und würde letzterer bei Kenntniß der Verhältnisse des ersteren den Vertrag nicht abge­ schlossen haben, so sind die Erfordernisse des dolus causam dans, daß der Prokurist einen Irr­ thum des Prinzipales wissentlich und vorsätzlich veranlaßt hat, und daß dadurch die Willens­ erklärung des Prinzipales veranlaßt ist, gegeben, mtb ist der Vertrag daher für den Prinzipal unverbindlich. Dernburg, preuß. Privatr., Bd. I (3. Ausg.) S. 237 Note 13; Entsch. des NG. Bd. XII S. 102 ff. 103. Nach Absatz 2 des Art. 54 hat der Tod des Prinzipales das Erlöschen der Prokura oder Handlungsvollmacht nicht zur Folge. Aus einer Entsch. des ROHG. vom 5. Februar 1878 (Bd. XXIV S. 45 der' Sammt.) ist zu entnehmen, daß dies auch nicht bei der Verschollenheit des Prinzipales der Fall ist. Es kann ein Verschollener von einem Bevollmächtigten dergestalt vertreten werden, daß die Anordnung einer Kuratel über ihn nicht erforderlich ist. (Kraut, Bormundschaftsr. II S. 217; Glück, Pand. XXXIII S. 261 u. 266.) Die preußische Vor­ mundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 erachtet den Bevollmächtigten zur Vertretung des Macht­ gebers auch dann für ermächtigt, wenn unsicher ist, ob letzterer sich noch am Leben befindet. Der Umstand, daß der Bevollmächtigte persönlich von dem Tode des Mandanten überzeugt ist, ändert hieran nichts. 104. Die Konkurseröffnung endet die Vollmacht. S. Entsch. des ROHG. Bd. XXIV S. 193. 105. Zu Abs. 2 des Art. 54 vgl. Art. 297 und die Bemerkungen hierzu.

Sechster Titel.

Von den Handlungsgehnlfen. Artikel 57. Die Natur der Dienste und die Ansprüche der Handlnngsgehülfen (Hand­ lungsdiener, Handlungslehrlinge) auf Gehalt und Unterhalt werden, in Er­ mangelung einer Uebereinkunft, durch den Ortsgebrauch oder durch das Ermessen des Gerichts, nöthigenfalls nach Einholung eines Gutachtens von Sachverständigen, bestimmt. Pr. «tUt». Ar«. 52 Abs. 2. I. 8. Art. 56. II. 8. Art. 56. - Prot. 3. 94 f., 964, 4519Arten von Handlungsgehilfen 107. Auffeher 109. Begriff des Handlungsgehilfen 105, 106. Billnz 115, 116. Billhauer 4. Bierbrauer 4, 108. Braumeister 108. Buchhalter 4.

Inhalt Bürgerliches Recht 113 (f. auch Art. l und Bem. 13—17 hierzu). Chemiker 4, 108. Commis Interesse 115. Dienstverhältnitz der Handlungsgehilfen 113. Entgeltliche Dienstleistungen 114. fvuuTitai'beitci* 109.

GesellschaftSvertrag 115, 116.

168

Erstes Buch. Vom Handelsstaude. Art. 57.

Gewerbclchrlinge 109. Gewerbegehilfen 106. Gewerberecht, Anwendbarkeit dess. 106. Gleichzeitigkeit von Hilfe und Vollmacht 110, 112, 117. Hanbelslehrlinge 119. Handlungsgehilfen 106. Ingenieure 4. Kassierer 4, 107.

Kaufleute minderen Rechts 118. Kaufmännische Dienste 108. Kellner 108, HO. Kellnerin 108, HO. Koch 108. Korrespondent 4. Ladendiener 4, 107. Lagerdiener 4.

Lehrlinge 107,119. Magazinier 4. Maler, angestellter 4. Monita 115, 116. Namen von Handlungsgehilfen 107. Ortsgcbrauch 113. Repräsentanten 4. Richterliches Ermessen 113. Tantieme 115. Unentgeltliche Dienste 114. Volontär 115. Vorgeber 109. Werkmeister 4, 108. Zeichner, angestellter 4. Zusammentreffen von Vollmacht und Hilfe HO, 112, 117. Zuschneider 108.

III. Dev Handlungsgehilfe, a. Begriff.

106. Handlungsgehilfe (Handlungsdiener, Handlungslehrling) ist diejenige Person, welche im Handelsgeschäfte des Prinzipales angestellt, bedienstet ist und darin kaufmännische, kom­ merziell-technische Dienste im hergebrachten Sinne des Wortes (f. oben Bem. 4 Ia Seite 137) verrichtet, und zwar — nach der vom Handelsgesetzbuche schematisch angenommenen, aber nicht fest­ gehaltenen gegensätzlichen Scheidung von Handelsgehilfen und Handlungsbevollmächtigten, s. oben Bem. 6 S. 139 — regelmäßig (aber nicht nothwendig) ohne Stellvertrctungsvollmacht zu Rechts­ geschäften (ohne juristische Stellvertretung). Unter der Dienstleistung des Handlungsgehilfen ist also die Vornahme solcher Geschäfte verstanden, in welchen derjenige Geschäftsbetrieb besteht, welcher im historischen Sinne als kaufmännischer Betrieb, als Handel, bezeichnet wird. Dadurch bestimmt sich der Begriff der Handlungsgehilfen im Gegensatz zu dem der Ge­ werbegehilfen, d. i. der Personen, welche im Geschäfte des Prinzipales angestellt sind zur Vornahme gewerblicher, industriell-technischer Arbeiten für das Geschäft, die Arbeiten mögen der mechanischen oder der chemischen Technik angehören, in Leitung oder in Ausübung solcher technischen Verrich­ tungen bestehen (Bem. 4 Iß). Diese Personen sind Gewerbe- und nicht Handlungsgehilfen selbst dann, wenn das Geschäft des Prinzipales ein Handelsgeschäft ist. Von praktischer Bedeutung ist diese Unterscheidung namentlich deshalb, weil für die Dienstverhältnisse der Gewerbegehilfen nicht das Handelsrecht, sondern das Gewerberecht maßgebend ist. Diese Ansicht hat einen Hauptgegner in Th öl (s. Praxis des Handelsrechts, erstes Heft, S. 40—51; Handelsrecht, 6. Aust. § 77), eine Opposition, welche auch von Wendt (in Endemann's Handbuch Bd. I S. 250 § 64) getheilt wird. Dieselben behaupten nämlich, daß der Titel 6 des HGB's. zu seiner Anwendung das besondere Erforderniß der kaufmännischen Arbeit keineswegs bedingt, daß vielmehr zwischen kaufmännischen Gehilfen und sonstigen Gewerbegehilfen beim Kaufmann nicht unterschieden werden dürfe. Dieser Ansicht können wir uns nicht anschließen; wir stimmen überein mit B ehr end, Lehrb. § 44, Anm. 9; Endem ann, Handelsrecht, § 28 Anm. 3; Anschütz, v. Völderndorff, Komm. Bd. I S. 416, 427; v. Hahn, Komm., 3. Anst., S. 231-234, 247; Makower, Komm. Note lb zu Titel 6, Prot. S. 95; Entsch. des HAG. Nürnberg vom 29. Oktober 1866, Sammt. Bd. II S. 312, sowie die konstante Praxis des ROHG. (s. hierüber Fuchsberger, Entsch. des ROHG. auf dem Gebiete des Handelsrechts, S. 75 ff.), namentlich Entsch. vom 29. Mai 1878 Bd. XVII S. 307 ff., in welcher Thöl's Ansicht mit Entschiedenheit bekämpft wird. Vgl. Gareis, Lehrb. S. 100, 113, 114. 107. Das Wort „Handlungsgehülfe" umfaßt eine große Reihe von Varietäten, wie es eben der Betrieb eines Handelsgeschäftes mit sich bringt. So können unter Anderem zu den Handlungsgehilfen zu rechnen sein: die Buchhalter, Kassierer, Handlungsdiener, Kommis, Hand­ lungsreisenden, Volontärs, Ladenmädchen, Lehrlinge rc. rc./) mit anderen Worten, diejenigen Personen, welche, ohne im Allgemeinen mit Abschließung von Handelsgeschäften beauftragt zu 1) Auf die Namen und Chargenbezeichnungen kommt juristisch Nichts an; sie lassen ins­ besondere darauf keinen Schluß zu, ob der Betreffende nicht auch zum Abschlüsse von Handels­ geschäften für den Prinzipal berechtigt sei oder nicht.

Sechster Titel. Bon den Handlungsgehilfen.

Art. 57. 58.

169

teilt, im Komptoir und im Handelsgewölbe kaufmännische Dienste leisten (Prot. S. 95), wobei -es aber kein charakteristisches Merkmal des Handlungsgehilfen ist, daß derselbe in den Räumen des Prinzipales arbeite. 108. Was aber unter kaufmännischen Diensten nach obiger Begriffsbestimmung zu verstehen ist, hierüber läßt sich ein bestimmter Satz nicht aufstellen, es ist dies vielmehr nach den Umständen des einzelnen Falles zu beurtheilen. Eine Vermuthung dafür, daß die im Dienste des Prinzipales vorgenoinmene Thätigkeit als kaufmännischer Dienst aufzufassen sei, existiert nicht, es ist vielmehr im ZweiselsfaÜe die Qualität der Dienstleistung in dieser Richtung von Demjenigen zu beweisen, der aus der Natur der Dienste Rechte für sich ableitet. NG. Bd. I S. 268, 269. Durch das Neichsoberhandelsgericht ist unter Festhaltung an obiger Begriffsbestimmung der kaufmännischen Dienste und in deren Gegenüberstellung der technischen Dienstleistungen aus-gesprochen, daß der technische Leiter (Braumeister) einer Bierfabrik (Brauerei), der technische Leiter einer chemischen Fabrik (wenn er nicht zugleich Kassa- oder Komptoirgeschäfte zu besorgen hat), der Werkmeister in einer Tuchfabrik, der Zuschneider in einem Kleidergeschäfte, der Koch eines Restaurateurs und der Kellner eines Wirthes Gewerbegehilfen, nicht aber Handlungsgehilfen sind. S. hierüber Fuchsberger a. a. O. S. 77 ff. und Gareis, Lehrb., S. 114. 109. Zu den Gewerbegehilfen gehören auch die in den Fabriken oder Manufakturen mit der Fabrikation direkt beschäftigten Arbeiter, Gewerbsgesellen, Gewerbslehrlinge, Fabrikarbeiter und die Aufseher, Vorgeber u. dergl. Bedienstete in den Fabriken. Auch die Fabrikarbeiter werden von Th öl und Wen dt konsequenzhalber zu den Handlungsgehilfen gerechnet, jedoch mit dem Bemerken, daß sie ihrer besonderen Regel unterstellt seien. (Hierüber f. Bem. 106.)

Artikel 58. Ein Handlungsgehülfe ist nicht ermächtigt, Rechtsgeschäfte im Namen und für Rechnung des Prinzipals vorzunehmen. Wird er jedoch von dem Prinzipal zu Rechtsgeschäften in dessen Handels­ gewerbe beauftragt, so finden die Bestimmungen über Handlungsbevollmächtigte Anwendung. (S. Anm. zu Art. 47. Pr. Eiltw. Art. 53. I. L. Art. 57. II. L. Art. 57. — Prot. S. 97, 964.

I n Gleichzeitigkeit der Hilfe und Vollmacht 4, 5, HO, 112, 117. Handelsgehilfei, 4, 106 ff. Handels'lehrltugc 119. Handlungsbevollmächtigte 35 ff. Hilfe mit Vollmacht 4, 5, liö, 112, in.

a I t. Kaufleute mindere« Rechts 118. Lehrlinge 119. Vollmach t mit Hilfe 4, 5, 110, 112, 117. Zusammentreffen von Hilfe und Vollmacht HO, 112, 117.

110. Weun es auch viele Personen gibt, welche nach außen Handlungsbevollmächtigte sind und nach innen Handlungsgehilfen, so ist doch dieses Zusammentreffen kein nothwendiges, denn -es gibt Handlungsbevollmächtigte, die keine Handlungsgehilfen sind, und umgekehrt. Die Be­ stimmungen des 6. Titels finden also auf den Handlungsbevollmächtigten nur dann Anwendung, wenn er zugleich Handlungsgehilfe, bevollmächtigter Gehilfe ist. A. A. W endt a. a. O. S. hierüber auch Th öl, Handelsrecht, 6. Aufl. § 77. Dagegen aber eine Entsch. des vormaligen Hdls.-App.Ger. Nürnberg vom 12. September 1864 (Samml. Bd. I S. 473) und eine Entsch. des ROHG. Bd. XIV S. 271, in welchen beiden Entsch. es sich um die Stellung eines Kellners bezw. einer Kellnerin handelt. Vgl. auch noch Entsch. des ROHG. Bd. VII S. 300. Die An­ wendung des 6. Titels auf — nicht als Handlungsgehilfen angestellte — Handlungsbevollmächtigte ist nicht aus Art. 58 abzuleiten, denn hier ist bestimmt, daß, wenn der Handlungsgehilfe, als welcher er schon den Vorschriften des sich auf das Dienstverhältniß zwischen ihm und dem Prinzipal sich beziehenden Titels 6 unterliegt, vom Prinzipale zu Rechtsgeschäften in dessen Handclsgewerbe, zu

170

Erstes Buch.

Bom Handelsstande.

Art. 58. 59.

dessen Vornahme er nach Art. 58 Abs. 1 nicht ermächtigt ist, beauftragt wird, auf diesen auch die Bestimmungen über Handlungsbevollmächtigte, also außer denen des 6. Titels auch noch, was die Stellvertretung des Prinzipales anlangt, die des 5. Titels Anwendung finden. S. hierüber noch unten Bem. 117 und oben Bem. 6. 111. Der Handels stand bedient sich — abgesehen von den Handlungsgehilfen (nut Hand­ lungsbevollmächtigten und Prokuristen- und Gewerbegehilfen — noch einer anderen Art von Be­ diensteten, nämlich des Gesindes, d. h. Personen, welche bei dem Betriebe des Handelsgewerbes ausschließlich mechanische Dienste, Gesindedienste, verrichten, z. B. Hausknechte, Packer, Küper, Markthelfer rc. (Bem. 4 17). In Bezug auf diese gelten die Gesindeordnungen und die übrigen das Gesindeoerhältniß betreffenden Vorschriften (Art. 65). Das Handelsrecht kommt höchstens subsidiär, soweit Analogie zulässig ist, zur Anwendung. 112. Sind solchen Personen von ihrem. Dienstherrn besondere Aufträge zu Rechtgeschästen ertheilt, so gelten sie als dessen Bevollmächtigte und es finden auf dieselben die allgemeinen Grund­ sätze über Vollmachten Anwendung. Auch versteht es sich nach Obigem, daß solche Personen Handlungsbevollmächtigte sein können. (Bem. 5.)

Artikel 59. Ein Handlungsgehülfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder für eigene Rechnung noch für Rechnung eines Dritten Handelsgeschäfte machen. In dieser Beziehung kommen die für den Prokuristen und Handlungs­ bevollmächtigten gellenden Bestimmungen (Artikel 56.) zur Anwendung. Pr. Etttw. Art. 58. I. L. Art. 58. II. L. Art. 58. - Prot. S. 101, 964. Austritt aus dem Dienste 94, 95. Dienstverhältnis 4, 92, 93, 113 ff. Eigenhandel 91 ff. Eintritt in daS Geschäft 93, 96. Einwilligung des Prinzipals 121. Frist deS Eintritts 96. Gewerbsmäßiger Betrieb 91, 120. Handlungsgehilfen 95, 120, 121, 122. Konkurrenzgeschäfte 120.

Anhalt. K 0 nkurrenzqes chäftseintrit t 97. Konventionalstrafe 97. Lebenseinschränkung 91, 120. Mißbrauch deS Vertrauens 120, 121. Rechtsfolgen der Konkurrenzgeschäfte 123. Schadensersatz 93, 123. Verhältniß zwischen Art. 56 u. 59 122. Vertrauens bruch 121. VorauSsetzun g 92.

b. Das Dienftverhältniß des Handlungsgehilfen znm Prinzipale. 113. Im Begriffe des Handlungsgehilfen liegt es, daß derselbe von dem Prinzipale zum Betriebe seines Handelsgewerbes in ein dauerndes Dienstverhältniß angenommen sein muß. Ueber die Natur und den Umfang der Dienstleistungen seitens der Gehilfen sowie über deren Ansprüche auf Gehalt und Unterhalt bestehen aber keine speziell handelsrechtlichen Grundsätze all­ gemeiner Geltung. Wie in dieser Beziehung Leistung und Gegenleistung zu bemessen sind, hierüber enthält der Art. 57 Bestimmungen; über die Rechte und Pflichten an sich aber sind die Vor­ schriften des allgemeinen bürgerlichen Rechtes (Art. 1) maßgebend, nach welchen sich die Wirksam­ keit der Anstellungsverträge zu richten hat; schweigt der Vertrag nach der einen oder anderen Richtung, so entscheidet das richterliche Ermessen (möglicherweise an der Hand eines den Richter übrigens nicht bindenden Gutachtens von Sachverständigen), sofern nicht nach einem Ortsgebrauche eine besondere Abweichung besteht. (Vergl. Art. 69.) 114. Zum Abschlüsse des Dienstvertrages bedarf es keiner bestimmten Form. Derselbe ist für den Prinzipal Handelsgeschäft (Art. 273, 274). In dem Vertrage kann durch Festsetzung von Konventional-Ordnungsstrafen eine Geschäftsordnung vereinbart sein. 115. Vom Standpunkte der Vergeltung der Dienste, welche die Handlungsgehilfen dem Prinzipale leisten, lassen sich letztere eintheilen in a) entgeltlich arbeitende Gehilfen und b) unentgeltlich arbeitende.

Sechster Titel.

Von den Handlungsgehilfen

Art. 59. 60.

171

a) Zu den letzteren gehören die Volontäre, und in der Regel auch die Lehrlinge, bei denen es überdies vorkommt, daß an den Prinzipal ein Lehrgeld entrichtet werden muß; die Gegen­ leistung für die in solchen Fällen dem Prinzipale geleisteten Dienste besteht hier in der Erweiterung der Kenntnisse und Erfahrungen, in dem Gewinn aus dem Lernen und aus der Beschäftigung überhaupt. b) Die entgeltlich arbeitenden Gehilfen sind a) solche, welche Gewinnantheile, Tantiemen, Prozente des Reingewinnes, Provision hiervon beziehen, (wie dem commis Interesse), mit oder ohne festen Gehalt; ß) solche, welche auf festen Gehalt, mit oder ohne Wohnung und Kost, gestellt sind, unt> y) solche, welche nur Wohnung und Kost erhalten. In den letztgenannten Fällen b a — y und namentlich auch beim commis Interesse charakterisiert sich das Dienstverhältniß als Dienstmiethe. Dieser Auffassung steht die Recht­ sprechung des Reichsoberhandelsgerichts (s. Fuchsberger a. a. O. S. 97 ff.) keineswegs ent­ gegen, denn es ist in verschiedenen Entscheidungen und namentlich auch in einer vom 15. Mai 1875 (s. Sammt. Bd. XVII S. 276) ausdrücklich ausgesprochen, daß durch die Zusicherung einer Quote des Reingewinnes an dem Dienstverhältnisse des Kommis zu seinem Geschäfts- und Dienstherrn nichts geändert wird, daß vielmehr jeder in seiner Dienstesstellung bleibt, daß sich der Prinzipal keinen Widerspruch in seinen Unternehmungen seitens seines Kommis gefallen zu lassen braucht und daß letzterer den Anordnungen des ersteren unbedingt Folge zu leisten hat. Wenn nun das ROHG. in dieser Entscheidung sagt, daß das zwischen dem commis interesse und dem Prinzipale betreffs der Betheiligung des ersteren am Gewinne des letzteren bestehende Rechtsverhältniß nach den Grundsätzen des allgemeinen bürgerlichen Rechts über Gesellschaft zu beurtbeilen sei, so hat es hiermit, wie aus der weiteren Ausführung gerade dieser Entscheidung hervorgeht, nicht, wie Wen dt, a. a. O. S. 252, 253 annimmt, ausdrücken wollen, daß es sich nicht mehr um ein Dienstverhältniß in obigem Sinne, sondern überhaupt um einen Gesellschafts­ vertrag handle, es sagt vielmehr hiermit nur, daß bezüglich des in solcher Weise ausgemachten Gehaltes, namentlich was dessen Ermittelung und Feststellung anlangt, die in dieser Beziehung bezüglich eines Gesellschaftsverhältnisses bestehenden Rechtsgrundsätze gelten sollen.

Artikel 60. Ein Handlungsgehülfe, welcher durch unverschuldetes Unglück an Leistung seines Dienstes zeitweise verhindert wird, geht dadurch seiner Ansprüche aus Gehalt und Unterhalt nicht verlustig. Jedoch hat er auf diese Vergünstigung nur für die Dauer von sechs Wochen Anspruch. Pr. Eniw. Art. 59. I. 8. Art. 59. II. 8. Art. 59. - Prot. S. 964. Anhalt. Entschuldbarkeit 134. Gehalt 136. Krankheit 130.

I i

Unglück 134. Unterhalt 136. Wiederholung deS Unglücks 135.

116. Der nach Bem. 115 a. E. als richtig anzunehmenden Ansicht entspricht, daß sich der commis interesse nicht unbedingt und ohne jede eigene Prüfung bei dem Gewinnnachweise des Prin­ zipales zu beruhigen braucht, allein er ist auch nicht berechtigt, gegen die allgemeine Leitung des Ge­ schäftes oder gegen die einzelnen Unternehmungen des Prinzipales Monita zu erheben. Er kann viel­ mehr zur Erwirkung aller derjenigen Ermittelungen, welche nöthig sind, um die Höhe der Tantieme vom Geschäftsgewinn zu ermitteln, am Schluffe des Geschäftsjahres einen speziellen Nachweis des Reirgewinnes verlangen und zu diesem Zwecke steht ihm eventuell ein Klagerecht gegen den Prirzipal zu. Es ist Pflicht des letzteren, die Bücher und die Bilanz vorzulegen und zu gestattm, daß sich der Handlungsgehilfe zur weiteren Prüfung der Richtigkeit der Bilanz Notizen hierms mache. Zum Zwecke der Anfertigung einer Bilanz kann der Handlungs­ gehilfe die Vorlage der Bücher des Prinzipals nicht verlangen.

172

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 60. 61. 62.

117; Die Befugniß, im Namen und für Rechnung des Prinzipales Rechtsgeschäfte vorzu­ nehmen (Art. 58), kann den Handlungsgehilfen in größerem oder geringerem Umfange verliehen werden. Mit der in Art. 58 Abs. 2 für diesen Fall getroffenen Anordnung (s. oben bei 110, 112) sollte aber nicht ausgeschlossen sein, daß einem Handlungsgehilfen auch Prokura ertheilt werden kann und daß, wenn dieses geschieht, — neben den das Dienstverhältniß betreffenden Normen — Ine Bestimmungen über Prokuristen Anwendung finden. Vgl. oben Bem. 5, 6.

Artikel 61. Das Dienstverhältniß zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsdiener kann von jedem Theile mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres nach vor­ gängiger sechswöchentlicher Kündigung aufgehoben werden. Ist durch Vertrag «ine kürzere oder längere Zeitdauer oder eine kürzere oder längere Kündigungs­ frist bedungen, so hat es hierbei sein Bewenden. In Betreff der Handlnngslehrlinge ist die Däner der Lehrzeit nach dem Lehrvertrage und in Ermangelung vertragsmäßiger Bestimmungen nach den örtlichen Verordnungen oder dem Ortsgebrauche zu beurtheilen. Pr. @«il». Ar«. 60.1. 8. Art. 60. II. 8. Ar«. 60. - «Prot. 3. 101, 961. Anstellung, vrobeweise 127. Auflösung des Dienstverhältnisses 124. Bürgerliches Recht 113, 134 (s. Art. 1). Fri stvereinbarung 128. Kalenderjahr 126, 127. Konkurseröffnung 132. Konvention« lstr afe 134. Kündigung 124. Kündigungserklärung 125.

Kün digun gSfrist 124, 126, 128. Lehrvertrag 133. Lehrzeit 124. Probeweise Anstellung 127. Quartale 126. Schadensersatz 134. Vertragsbruch 134.

Verzicht auf die Widerruflichkeit 102.

118. Die Bestimmungen des Titel 5 wie des Titel 6 beziehen sich auch auf Kaufleute minderen Rechtes (Art. 10), soweit es sich nicht um Bestellung eines Prokuristen handelt. S. Entsch. des vorm. Handelsapp.-Ger. Nürnberg vom 12. September 1864 (Sammlung Bd. I S. 472). 119. Ueber den Lehrvertrag gilt ganz das Gleiche, wie über den Dienstvertrag des Hanidlungsdieners. Er ist ein zweiseitiger Vertrag, auf dessen Erfüllung beiderseits geklagt werden kann, denn wenn auch das Entgelt für die vom Lehrling geleistete Arbeit möglicherweise nur in der technischen Unterweisung im Handelsgewerbe des Prinzipales besteht, so ist darin eben auch eine Gegenleistung zu erblicken für die Dienste und Arbeiten, die der Prinzipal von dem Lehrling fordern und erwarten darf. Die Klage geht auf Vertragserfüllung — es kann der Lehrling bei widerrechtlichem Verlassen der Lehre mit gerichtlichem Zwange zur Rückkehr in dieselbe angehalten und der Prinzipal zur Erfüllung seiner Pflicht in Ausbildung und Beschäftigung re. des Lehrlin gs veranlaßt werden — oder auf Entschädigung wegen Nichterfüllung. Die Vorschriften der Gewerbeordnung über Lehrlinge sind auf Handlungslehrlinge nicht anwendbar, wohl aber auf solche Lehrlinge eines Kaufmanns, welche das Handwerk oder Fabrnkgewerbe dieses Geschäftsmannes erlernen sollen. Vgl. Behr end, Lehrb., Anm. 14 § 44.

Artikel 62. Die Aufhebung des Dienstverhältnisses vor der bestimmten Zeit (Artikel 61.) kann aus wichtigen Gründen von jedem Theile verlangt werden. Die Beurtheilung der Wichtigkeit der Gründe bleibt dem Ermessen d«es Richters überlassen. Pr. Entw. Art. 61 Abs. 1 u. 2. I. 8. Art. 61 Abs. 1 u. 2. II. 8. Art. 61. - Prot. @. 1(02, 108, 112, 964.

Sechster Titel.

Bon den Handlungsgehilfen.

Aktiengesellschaftsvorstand 131. Aufhebung, vorzeitige, deS Dienstes 129. Beweise lüi. Beweislast 130. Bürgerliches Recht 133 0- auch Art. i). Exem Plifici erung 132. Gesammtbew eis material 132. Gründe der Entlassung 129, 131, 132. Konkrete Würdigung 132.

c.

Art. 62. 63.

173

Konkurseröffnung 132. Krankheit 130.

Richterliche Entscheidung 129, 131, 132. Schadensersatz 130, 134. Thatsächliche Feststellung 132. Vertragsbruch 134. Vorstandsmitglieder 131. Vorzeitige Ausübung des Dienstes 129.

Das Verbot von Konkurrenzgeschäften.

120. Das Verbot des Art. 59 bezieht sich auf alle Handlungsgehilfen jeglicher Art und Beschäftigung und umfaßt alle Handelsgeschäfte, seien sie absolute oder relative, seien sie gewerbmäßige oder vereinzelte. Zweck des Verbotes ist, den Handlungsgehilfen mit seiner ganzen Arbeit, seinem ganzen Interesse für das Geschäft des Prinzipales zu erhalten und eine dessen Geschäft schädigende Konkurrenz zu verhindern. Ob aber der Prinzipal in der That auch nach der einen oder anderen Richtung durch Uebertretung des Verbotes des Art. 59 geschädigt wurde oder wird, ist für die Anwendung des Art. 56 gleichgültig. 121. Die Einwilligung des Prinzipales braucht nicht auf ausdrücklicher oder positiver Zustimmung und Genehmigung zu beruhen, sie kann auch aus dem Geschehenlassen und Nichtwider­ sprechen gefolgert werden. 122. Das Nebeneinanderbestehenkönnen der beiden Art. 56 und 59 beruht einzig und allein darauf, daß, wie bereits oben (Bem. 28) erwähnt, Handlungsbevollmächtigte und Pro­ kuristen nicht Handlungsgehilfen zu sein brauchen, und daß sie, soweit sie es nicht sind, durch Art. 56, soweit sie es aber sind, durch Art. 59 getroffen werden. Hieraus ergibt sich (Vgl. Wen dt in Endemann's Handbuch rc., S. 256 ff.), daß weder Art. 56 noch Art. 59 entbehrlich oder überflüssig ist. S. oben Bem. 95, 106, 110 (Wendt). 123. Die Uebertretung des Verbotes des Art. 59 hat weder eine Nichtigkeit des einzelnen Geschäftes zur Folge, noch kann dasselbe von dem Handlungsgehilfen oder dem Drittkontrahenten aus diesem Grunde angefochten werden, wobei auch nichts daranf ankommt, ob letzterer in Kennt­ niß oder Unkenntniß der Pflichtverletzung des Handlungsgehilfen kontrahierte, ob er also in bona oder mala fide handelte. S. Entsch. des vorm. Handelsappellationsger. Nürnberg vom 14. Dezember 1866 in der Sammt, wichtiger Entsch. dieses Gerichtshofes Bd. I S. 85, 86; und °Wcndt. a. a.O. S. 257. Anderer Ansicht Anschütz und v. Völderndorff, Komm. Bd. I S. 413. Der verletzte Prinzipal hat aber gegen den pflichtwidrig handelnden Handlungsgehilfen nicht nur eine Schadensersatzklage, sondern er kann gegen denselben klagsweise auch ein richter­ liches Verbot, fernerhin Handelsgeschäfte für eigene oder fremde Rechnung zu machen, erwirken. (Schließung des Geschäftes.) Die Zwangsvollstreckung eines hierauf erwirkten Urtheiles wird auf Grund des §. 775 der REPO, bethätigt. S. Wen dt a. a. O. S. 260, 261, und Entsch. desROHG.Bd. XIXS. 136—138. Vgl. auch die Kommentare- v.Hahn u. Anschütz--v.Völderndorff zu Art. 97. S. hierüber auch noch bei Art. 56 oben unter Bem. 91—96 bei Handlungsbevollmächtigten.

Artikel 63. Gegen den Prinzipal kann insbesondere die Aufhebung des Dienstverhält­ nisses ausgesprochen werden, wenn derselbe den Gehalt oder den gebührenden Unterhalt nicht gewährt, oder wenn er sich thätlicher Mißhandlungen oder schwerer Ehrverletzungen gegen den Handlungsgehülfen schuldig macht. Pr. Entw. Art. 61 Abs. 3. I. 8. Art. 61 Abs. 3. II. 8. Art. 62. — Prot. S. 102, 964.

Anhalt. Beweise 131. Gesammtbew eismaterial 131. Konkrete Würdigung 131. Richterliche Würdigung 131.

Schadensersatz 133. Thatsächliche Feststellung 131. VertragSbr uch 133.

174

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 63.

d. Die Auflösung des Dienstverhältnisses. 1. Aufhebung des Dienstverhältnisses auf Kündigung. 124. Die Bestimmung hierüber enthält der Art. 61 und kommt zur Anwendung, wenn über die Dauer des Vertragsverhältnisses nichts bestimmt ist, oder wenn bei einer festgesetzten Zeit nach Ablauf derselben das Dienstverhältniß stillschweigend durch Bleiben des Handlungs­ gehilfen und Belassen desselben seitens des Prinzipales fortgesetzt wird; auch hier kommen für die spätere Zeit die gesetzlichen Kündigungsfristen zur Anwendung. Bei der Lehrzeit ist in Ermangelung eines Lehrvertrages die für die vollendete Erlernung der Handlung erfahrungsgemäß erforderliche Zeit in Erwägung zu ziehen, worüber äußersten Falles das richterliche Ermessen eventuell (wenn es trotz der mitentscheidenden betn Handelsstande ungehörigen Handelsrichter noch nothwendig sein sollte) nach Einholung eines Sachverständigen­ gutachtens, woran aber der Richter nicht gebunden ist, zu bestimmen hat. 125. Die Kündigungserklärung muß der vorbehaltlose und definitive Willensausdruck der Lösung des Dienstverhältnisses mit Ablauf der Kündigungsfrist sein. In der bloßen Erklärung des Prinzipales, den Gehilfen bei weiterem unzuverlässigen und nachlässigen Verhalten als gekündigt ansehen zu wollen, liegt noch nicht eine feste Kündigung ». Art. 61 Abs. 4. I. 8. Art. 61 Abs. 4. 11. 8. Ar«. 63. - »tot. @. 103, 108, 112, 064.

Anhalt. Beweise 131. Gesammtbe weismaterial 131. Gründe der Entlassung 129, 131, 132. Konkrete Würdigung 131. Krankheit ISO.

Rich terliche Prüfung 129, 131. Schadensersatz 133. Thatsächliche Feststellung 131. Vertra göb ru ch 133.

180. Im Entschädiglmgsprozesse trifft die Beweislast Den, welcher seinen Schadensersatz­ anspruch aus die ungerechtfertigte Entlassung bezw. Dienstverweigerung stützt. In dieser Be­ ziehung ist in einer Entscheidung des ROHG. Bd. VII S. 263 ausgesprochen, daß wenn ein Handlungsgehilfe öfter aus dein Geschäfte fortbleibe, man nicht ohne Weiteres annehmen könne, daß es aus Nachlässigkett geschehen sei, indem an und für sich das Fortbleiben desselben ebenso­ wohl auf einem ihn rechtfertigenden Hinderungsgrunde beruhen könne. Es müsse also z. B. bis zum Beweise des Gegentheiles die Behauptung, krank gewesen zu sein, geglaubt werden. 131. Die Beurtheilung der Wichtigkeit der Gründe ist thatsächliche Feststellung. ROHG. Bd. X S. 185. Auf Mitglieder des Vorstandes von Aktiengesellschaften sind die Art. 62 u. 64 nicht anwendbar. ROHG. Bd. XIII S. 181, Bd. XIX S. 58; 'RG. Bd. VII S. 77 (Vgl. unten Art. 227 ff., 231, 232, 232 a). 132. In Art. 62 ist die Möglichkeit des Vorhandenseins wichtiger Aufhebungsgründe in unbestimmter Mannigfaltigkeit anerkannt und enthalten die Art. 63 und 64 nur einzelne Exemplifi­ kationen der allgemeinen Bestimmung des Art. 62. Aber auch bezüglich der Einzelheiten in den Art. 63 und 64 bleibt es immer noch im richterlichen Ermessen, ob im konkreten Falle ein wich-

176

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

Art. 64. 65.

trger Grund angenommen werden könne. Dies ist auch die konstante Rechtsprechung des NOHG. (s. hierüber Fuchsberger a. a. O. S. 91 ff. und namentlich eine ganz prinzipielle Entscheidung, auf S. 97 und 98, auch Bd. XIX S. 114, 115 der offiziellen Sammlung) und anderer hoher Ge­ richtshöfe, z. B. des Ob.-App.-Ger. Dresden in einer Enlsch. vom Jahr 1858 in S euf f ert'sArchiv Bd. XII Nr. 266 S. 348; ferner des preuß. Obertr. zu Berlin in einer Enlsch. vom 18. September 1860 ebenda Bd. XIV Nr. 228 S. 379, 380 und des OHG. zu Stuttgart in. einer Entsch. vom 9. Juli 1867 ebenda Bd. XXIII Nr. 244 S. 386, 387. Der Richter ist erst dann, wenn ihm das gesammte Beweismaterial vorliegt, im Stande, zu entscheiden, ob die einzelnen Thatsachen an sich oder ob sie in Verbindung mit anderen als wichtiger Aufhebungs­ grund angesehen werden können, und dies ist auch Prinzip in den Fällen der Art. 63 und 64, In der Literatur herrscht hierüber so ziemlich durchweg die gleiche Ansicht, s. v. Hahn, Komm, Bd. I S. 164, Behrend, Lehrb. §46 Anm. 13 u. Zus., Brix, Komm. S. 76, 77, Mako wer, Komm. Note 6 zu Art. 64, v. Kr äw el, Komm. S. 80 Note 1 und Well dt a. a. O. S. 265; gegentheiliger Ansicht sind Anschütz-v.Völderndorff, Komm. Bd. I S. 440, 441, Koch, Komm. S. 167 Note 100 und Busch in seinem Archiv Bd. I S. 86; allein wenn deren Ansicht nach dem Wortlaut im Prot. S. 102 auch den Anschein der Richtigkeit hat, so läßt diese An­ sicht doch nicht die Fassung des Gesetzes bestimmt erkennen und es ist mit der dermaligen Recht­ sprechung anzunehmen, daß es der richterlichen Prüfung vollständig anheimgegeben ist, ob die in Art. 63 und 64 objektiv als wichtig anerkannten Gründe es auch in concreto sind.

Artikel 65. Hinsichtlich der Personen, welche bei dem Betriebe des Handelsgewerbes Gesindedienste verrichten, hat es bei den für das Gesindedienstverhältniß geltenden Bestimmungen sein Bewenden. Pr. E„1w. Art. 62. I. 8. Art. 65. II. 8. Art. 64. - Prot. S. 102. Anhalt.

Bürgerliches Recht 113. Dienstverhältniß der Handelsgehilfen 5, 6, 113. Gesinderecht 4, in, 112. Gleichzeitigkeit von Hilfe und Vollmacht HO, 112, 117. Hausknechte 4. I Kellner, Kellnerin 108, HO. I Koch 108.

Konkurrenz im Handels- und Gesinderecht 112. Packer 4.

Putzer 4. Richterliches Ermessen 113. Vollmacht s. Hilfe HO, 112, 117. Zusammentreffen von Vollmacht und Hilfe HO, 112, 117.

133. Bezüglich der verschiedenen Aufhebungsgründe des Dienstverhältnisses ist nur eines Falles Erwähnung zu thun, nämlich der Konkurses-Eröffnung über das Vermögen des Prinzipales. Bor Einführung der R.-Konk.-O. war man in der Literatur der Ansicht, daß dieser Fall einen wichtigen Grund der Auflösung bilde (f. v. Hahn, Komm. Bd. I S. 163, Endemann, Handelsr. S. 126 Note 30, Busch, Arch. Bd. I S. 83, Bd. III S. 466, Centralorgan von Löhr N. F. Bd. III S. 354) und auch das ROHG. (Bd. XIX S. 390) hat erkannt, daß zwar die Konkurseröffnung über das Vermögen des Prinzipales den Dienstvertrag des Handlungs­ gehilfen nicht 60 ipso auflöse, daß derselbe aber als eine zur Aufhebung berechtigte causa gravis anzusehen sei und daß deshalb die Gläubigerschaft die vorzeitige Aufhebung des Dienstverhältnisses fordern könne. Allein nach § 19 der R.-Konk.-O. ist der Konkursverwalter beim Mangel einer vertragsmäßig bedungenen kürzeren Frist nur zur Aufkündigung des Dienstverhältnisses nach der gesetzlichen Vorschrift des Art. 61 des HGB.'s berechtigt. S. v. Völderndorff, Komm. zur RCO. S. 278 lit. f. und äDendt a. a. O. S. 266. Der § 19 der R.-Konk.-O. hat aber noch die besondere Folge, daß Kündigung nach Art. 61 auch dann Platz greift, wenn der Vertrag auf feste Zeit oder länger als die gesetzliche Frist eingegangen war. 134. Was sodann noch den Schadensersatzanspruch wegen Vertragsbruches anlangt, so ist an- und auszuführen, event, von dem die Entschädigung Beanspruchenden zu beweisen, inwie­ fern diese Mängel nachtheilig einwirkten und welche pekuniären Nachtheile sie ihm zugezogen haben.

Siebenter Titels Von den Handelsmäklern oder Sensalen.

Art. 66.

177

Bei einem unbefugten Austritt des Lehrlings kann nicht sofort direkt auf Ersatz des In­ teresse geklagt werden, es ist vielmehr die Klage zunächst auf den eigentlichen Gegenstand der Obligation, also aus die unmittelbare Erfüllung des Vertrages zu richten. Auf das Ersüllungsinteresse kann nur im Falle hartnäckiger Erfüllungsverweigerung oder wenn in Folge der Nicht­ erfüllung das Interesse des Gläubigers an der Erfüllung selbst wegfiel, geklagt werden; diese Klage ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn im Lehrvertrage eine Konventionalstrafe ausbedungen ist. Entsch. des ROHG. Bd. X S. 220, 224. Uebrigens ist die Frage, welche Folgen es hat, wenn ein Prinzipal oder Gehilfe den Dienstvertrag ohne genügende Gründe vorzeitig löst, im Handelsgesetzbuche offen gelassen, und demgemäß nach betn einschlägigen Civilrechte rc. (Art. 1) zu entscheiden. 3. Zeitweise Verhinderung an der Dienstesleistung (Art. 60). 135. Auf die Vergünstigung des Art. 60 hat der Handlungsgehilfe nur dann Anspruch, wenn die Verhinderung an der Dienstleistung durch Unglück, z. B. unverschuldete Krankheit, hervorgerufen wurde. Reise in Familienangelegenheiten, Einberufung zu militärischer Dienst­ leistung gestattet z. B. die Anwendung des Art. 60 nicht. Ob im einzelnen Falle die Voraus­ setzung des unverschuldeten Unglücks vorliegt, unterliegt ebenfalls wieder dem richterlichen Ermessen. Für den Fall der Wiederholung der Verhinderungsfälle sind jedesmal wieder die sechs Wochen selbständig in Ansatz zu bringen. 136. Schon unter „Gehalt" sind in Art. 60 alle vertragsmäßigen Leistungen des Prinzipals zu verstehen. Prot. S. 101. Das Wort „Unterhalt" wurde in II. Lesung eingefügt.

Siebenter Titel.

Von den Handelsmäklern oder Sensalen. Artikel 66. Die Handelsmäkler (Sensale) sind amtlich bestellte Vermittler für Handels­ geschäfte. Sie leisten vor Antritt ihres Amtes den Eid, daß sie die ihnen obliegenden Pflichten getreu erfüllen wollen. P». Entw. Art. 65. I. L. Uri. 63. II. L. Art 65. - Prot. T. 113, 967. Ä n Agent de change 4. Amtliche Anstellung l, 2, 8, 10, 11—15. AmtScharakter 1, 7, 11, 15, 17, 47. Analoge Anwendung des HGB. auf Privatmäkler 8. Arten der Mäkler 8, 9, 14. Ausländisches Reckt 4. Behörde, anstellende, vorgesetzte 12, 15, 23. Bestellung l, 12, 17, auch Art. 84 u. Bem. dazu. Beurkundung l, 6. Bönhase 8. Bote 7, 21. broker 4. celliere 1. courtier 4. Dolmetsch l. Eid 13. Einführungsgesetze 12, insbes. Anm. Exklusivität 2. fondaco 1. Förmlichkeiten 13. Frachtmäkler 9. Ga st freund l. Geschichte 1. Getreidemäkler 14. Gewerbefreiheit 2. FnchSberger und Gareis ADSGB.

a l t. Güterbestätter 9. andeSgeschüfte s. Art. 271 ff. andelSkammern 12. HandelSmäkler 16, 28. Hilfspersonen 1. HostelierS l. Kaufmannseigenschaft der Handelsmäkler io, 47, 50. — der Privatmäkler 10. Konstatiern ngShandlnng 1, 6. Korporationen, kaufmännische 12. Landesgesetze 12, insbes. Anm., 15 (auch Art. 81). Mäkler, Geschichte 1. — Namen 1, 4. Monopol der Mäkler 2. Nichtkontrahent 6. nuntius 7, 21. Pflichten der Mäkler s. Art. 69 ff., Bem. 38 ff. Pfuschmäkler 8. Privatmakler 8, 9, 10, 15, 40. prox eneta 1. Rechte der Mäkler 18ff. Revision deS Gesetzes 3. SchiffSabrechner 16, 50. — Mäkler 8, 9, 14, 16, 50.

S

12

178

Erstes Buch.

Vom Handelsstande.

SchiffSprokureure 9. Schlußnote 6, 61 ff. Sensale 1, Anm. simsar 1, Anm. StaätShaupt 12. StaatSregierung 12. Unterschied zwischen Mäkler u. Agenten 7. — zwischen Mäkler u.Handlungsbevollmächtigten 7.

Art. 66.

Unterschied zwischen Mäkler u. Kommissionär 7. Urkundsperson i. Verbote 16, s Art. 69 u. 99cm. hierzu. Vermitler, Vermittlung 6, 7, 18, 32, 33. Vorschlagsrecht 12. Winkelmäkler 8.

Kemrlumgkil lu Art. 66—84. 1. Des Mäklers ist bereits als einer Hilfsperson des Kaufmanns im weiteren Sinne gedacht worden (s. oben Bem. 3 zu Art. 41 ff., S. 137); als solche Hilfsperson kennt denselben schon der Verkehr im Alterthum unter dem Namen proxeneta,1)*r*po£evT)TYjc, * * S. * * * *von * * *-itpo-£evsu> 13 (möc), d. i. (Jemandem) Gastfreund sein, insbesondere (Jemandem) öffentlicher, staatlich beauftragter Gastfreund sein, Jemandem (als Gastfreund) beistehen, ihm etwas verschaffen, vermitteln, daher itpo£ev7)TY)c, der Vermittler. Die Hilfsleistung, welche der Mäkler dem Fremden, namentlich dem orts- und sprachen­ kundigen fremden Händler zu gewähren vermochte, mag zunächst in der schützenden Aufnahme und Beherbergung der Person des Fremdlings, dann in der provisorischen Unterbringung seiner Waaren, des Weiteren in der Mittheilung lokaler Bezugs- oder Absatzquellen, ferner in der sprachlichen Vermittlung zwischen dem Fremden und dem einheimischen Kaufs- oder Verkaufs­ lustigen, endlich darin bestanden haben, daß der Gastfreund dem Fremden die Rechtswege wies, auf welchen zu einer rechtsgiltigen und rechtssicheren Abschließung der Verträge nach Ortsrecht zu gelangen war, ja schließlich auch wohl darin, daß jener Gastfreund und Vermittler selbst die sichernde Verlautbarung des Abkommens vornahm. Wie das Alterthum, so bediente sich solcher Hilfspersonen auch der mittelalterliche Handels­ verkehr, aus welchem das Institut der Maklerei in das heutige Handelswesen überging, ohne daß zur Zeit festzustellen ist, welche Seite des Maklergeschäftes oder welche der historisch nach­ gewiesenen Verwendungen des Mäklers die für den Uebergang bedeutungsvollste geworden?) *) Vgl. 1. 1, 1. 2, 1. 3 D. de proxeneticis (50, 14). Andere römische Bezeichnungen s. bei Grünhut in Endemann's Handbuch Bd. III S. 134 Anm. 6. Die Hellenen gebrauchten mitunter auch die Bezeichnung ep^vsuc (Erklärer, Dolmetsch) und itpAT)c (Verkäufer, Unter­ händler beim Kaufverträge) für den Mäkler. 2) Vgl. hierüber Laband (in der Zeitschrift für Deutsches Recht von Beseler, Reyscher und Stobbe, Bd. XX S. 1 ff., 1860), welcher die Bedeutung der Mäkler als Urkundsper­ sonen historisch in den Vordergrund stellt; ähnlich hebt auch Struck (in Schmoller'S staatsund sozialw. Forschungen V S. 186 ff. — über die Entwicklung des Instituts der beeidigten Mäkler in Deutschland im XIII. Jahrhundert —) den Amtscharakter der als Diener der kaufmännischen Korporationen (Zünfte, Aemter) fungierenden Mäkler hervor. Hierüber s. B ehr end, Lehrbuch § 56 Anm. 1 u. 8. In gleicher Weise betont Grün Hut (in seiner Zeitschrift f. Privat- u. öffentl. Recht der Gegenwart Bd. II S. 547 ff. und in Endemann's Handbuch Bd. III S. 132, 135) geschichtlich vor Allem die amtliche Bestallung und Verpflichtung sowie die dadurch gewonnene puMica fides als kaufmännische Notare (so in Florenz 1299, 1327, ähnlich in Frank­ reich und in Holland, vgl. Rießer in GZ. Bd. XXVI S. 346), während Goldschmidt (in GZ. Bd. XXVIII S. 115 ff.) unter Anderem nachweist, daß der Name „Sensal" von dem arabischen Worte simsar und dem persischen sipsar — s. v. a. Vermittler — abstammt und in Zusammen­ hang steht mit dem frühmittelalterlichen italienisch-orientalischen Verkehr, ein Zusammenhang, welcher auf den Ursprung jenes Instituts aus dem Gasthandel (Fremdenverkehr) und dem ihn fördernden Dolmetscherthum hinweist. Für den Zusammenhang von Mäklergeschäft und Dol­ metscherei (auch Kommissionshandel) bringt M. Pappenheim (in GZ. Bd. XXIX S. 440ff.) interessante Belege aus dem nordischen mittelalterlichen Verkehr. In Betreff des levantinischen Handels s. cmd) Pegolotti, Pratica della mercatura (XIV. Jahrh.) S. XXIII. Im Interesse jenes Gasthandels entstanden auch, wie Goldschmidt a. a. O. andeutet, die mit dem Zollwesen in Verbindung gesetzten Lagerhauseinrichtungen, das Recht eines Fondaco (s. v. a. Lager- oder Kaufhaus, arabisch: fonduc, griechisch itavSoxoc). Aus einen ähnlichen Zusammenhang weilt auch Ehrenberg (in GZ. Bd. XXX S. 403ff.) hin: Makler, Hosteliers und Börse in Brügge vom 13. bis zum 16. Jahrhundert; dort ging das Gewerbe der Hosteliers, d. s. Besitzer von Häusern zur Beherbergung von Fremden und zur Waarenlagerung, auch von Kellern (daher auch celliere genannt) und Magazinen (fondachi) theilweise Hand in Hand mit dem Gewerbe der Mäkler, mit deren Zunft sich i. I. 1303 in Brügge die Innung der Hosteliers verschmolz.

Siebenter Titel.

Von den Handelsmäklern oder Sensalen.

Art. 66. 67.

179

Als gewiß ist aber anzunehmen, daß die Erhebung des Mäklergewerbes, welches in der antiken Welt als Gewerbe nicht besonders geachtet war (s. Behrend a. a. O. Anm. 9), zu höherem Ansehen, ja selbst zu einer gesteigerten Glaub- und Vertrauenswürdigkeit (publica fides)1) geschichtlich der Anstellung, Vereidigung und Privilegierung des Mäklers zuzuschreiben ist, lei es, daß die Anstellung von einer kaufmännischen Korporation oder vom Staate, mit oder ohne Mitwirkung einer Innung oder sonstiger kaufmännischer Vertretung, ausging.

Artikel 67. Die Handelsmäkler vermitteln für Auftraggeber Käufe und Verkäufe über Waaren, Schiffe, Wechsel, inländische und ausländische Staatspäpiere, Aktien mnd andere Handelspapiere, ingleichen Verträge über Versicherungen, Bodmerei, Befrachtung und Miethe von Schiffen, sowie über Land- und Wassertransporte und andere den Handel betreffende Gegenstände. Durch die übertragene Geschäftsvermittelung ist ein Handelsmäkler noch nicht als bevollmächtigt anzusehen, eine Zahlung oder eine andere im Vertrage bedungene Leistung in Empfang zu nehmen. Pr. @ntto. «rt. 66. I. L. Art. 64. II. L. Art. 66. - Prot. 2. 114, 161, 967.

Anhalt. ^Aktien s. Art. 207. Auftraggeber 19, 21, 33, 34. Auktionen 15, 45. Befrachtung s. Art. 379, 390 ff., 557 ff. Bevollmächtigung 7, 19, 23, 24. Bodmerei s. Art. 680. Oonsuetudo legi contraria (gegen Abs. 2), 24. GinführungSgesetze 12 u. Anm. dazu. Empfangnahmen 15, 24. fides publica 37, 47. -Geschäftsvermittlung 6, 7, 18. -Handelsgebrauch (gegen Abs. 2) 2t. -Handelsmäkler 2, 8, 16. Inkasso 15, 24, 50. ^auf 18, s. auch Bem. zu Art. 271 Ziff. l u. 2, und zu Art. 337 ff. HaufmannSeigenschaft der Auftraggeber 19. Kaufpreis 24. -Landtransport f. Bem. zu Art. 379, 390ff. Miethe eines Schiffes s. Art. 477 u. Bem. hierzu.

Pflichten d. M. s. Art. 69 u. Bem. hierzu. Privatmäkler 8, 9, 10, 15. Rechte der M. 17, 18. Schiffe 18, s. auch Art. 432ff. u. Bem. hierzu. Schiffsparten 18, f auch Art. 456 ff.,.469ff. Schranken d. M. 20ff., s. auch Art. 69. Staatspapiere f. Bem. zu Art. 271 Ziff. l u. zu Art. 307. Verbote f. d. M. 20ff., f. Art. 69. Verkäufe s. Kauf. . Vermitteln 6, 7, 18, 32, 33. Versicherungen s. Bem. zu Art. 271 Ziff. 3. Versteigerungen 15, 45; s. auch Bem. zu Art. 311, 343. Vertretung d. Mäkler 44. Waaren s. Dem. zu Art. 271 Ziff. 1. Wassertransport s. Art. 390 ff., 557 ff. Wechsel s. Bem. zu Art. 271 und zu Art. 301. Zahlung 15, 24.

2. In Deutschland haben die Gesetzgebungen vor dem HGB. an jener Hebung des MäklerGeschäftes im Sinne einer amtlichen Thätigkeit mitgearbeitet, insbesondere auch dadurch, daß sie Dielfach die Vermittlung von Handelsgeschäften zu Gunsten der amtlich bestellten Mäkler mono­ polisierten, dafür aber andererseits den Mäklern den Betrieb eigener Handelsgeschäfte untersagten?) In letzterer Hinsicht schloß sich das HGB. den damals bestehenden Rechten an; es neigt Dieses Gesetzbuch entschieden dahin, die Mäkler als eine Art von Beamten oder Notaren des Handelsverkehrs aufzufassen: das HGB. beschäftigt sich nur mit amtlich bestellten (s. unten Bem. 8 ff.) Mäklern, setzt Anstellung derselben voraus, fordert deren Beeidigung, statuiert Amts­ pflichten derselben, erklärt die in Erfüllung derselben vorgenommene Thätigkeit ausdrücklich nicht kür ein Handelsgeschäft, normiert, was nun weggefallen ist, die öffentliche Beweiskraft gewisser Mäklerskripturen, überläßt aber die Monopolisierung des Mäklergewerbes den partikularen Gesetz­ gebungen. Letztere hatten von der ihnen vorbehaltenen Kompetenz (Art. 84 Abs. 2), den Handelsinäklern das ausschließliche Recht zur Vermittlung von Handelsgeschäften beizulegen, nur wenig Gebrauch gemacht/) das Prinzip der Gewerbefreiheit aber hat inzwischen auch die gewerbliche L) Partikularrechtlich. S. Behrend a. a. O. Anm. 14. ') La band a. a. O.

doch nicht dahin führen darf, den.

Grundvertrag, auf welchem die Betheiligung der Kommanditisten beruht, ohne deren selbstständige Zustimmung umgestalten zu lassen.

Bei blos redaktioneller Aenderung ist jedoch, wie bei dem

Aktiengesellschaften, eine Delegation zulässig.

So

die Motive zu Art. 180 e, 180 f, vgl. auch,

Motive zu Art. 215.

Artikel 181. Die Einlagen,

mit welchen ein persönlich haftender Gesellschafter sich in

Gemäßheit der Artikel 174a,

180h Absatz 3 betheiligt hat, dürfen ihm weder

ganz noch theilweise zurückgegeben oder erlassen werden. Er darf den Antheil, welcher ihni ant Gcsellschaftsvermögen einschließlich des Gesammtkapitals der Kommanditisten auf solche Einlagen zugewiesen ist, nur an andere persönlich haftende Gesellschafter veräußern.

In gleicher Weise ist,

wemt er als persönlich haftender Gesellschafter ansscheidet, die Veräußerung des­ jenigen, was ihm auf solche Einlagen bei der Auseinandersetzung zugewiesen ist, bis zum Ablauf von drei Jahren seit dem Ausscheiden, jedoch nicht länger als bis zum Ablauf von zehn Jahren seit Eintragitng des Gcsellschaftsvertrages in das Handelsregister beschränkt.

Während der Dauer dieser Beschränkung darf

der Antheil des Gesellschafters oder dasjenige, was ihm bei der Auseinander­ setzung zugewiesett ist, nicht ausgeliefert und für Privatglänbiger desselben nur insoweit gepfändet werden, als diese Gegenstände nicht bis zum Ablauf der Zeitbeschränkung

wegen

Forderungen

der

Gesellschaft

oder

solcher

Gesellschafts­

gläubiger, bereit Ansprüche vor dem Ausscheiden des persönlich haftenden Gesell­ schafters entstanden waren, verwendet oder gepfändet sind. Soweit die Einlagen auf das Gesammtkapital der Kommanditisten gemacht sind, hat der Anfsichtsrath

die hierfür auszustellenden Aktieit oder Jnterims-

scheine in Verwahrung zu nehmen und mit dem Vermerk „unveräußerlich" zu

*) „Drei Vertheilen des in der Generalversammlung vertretenen Grundkapitals" (Art. 180 g Abs. 1, Art. 215 Abs. 2, Art. 242 Abs. 1 Zifs. 2). Bei Berechnung derselben sind die­ jenigen Aktien nicht zu berücksichtigen, deren Inhaber zwar in der Generalversammlung anwesend waren, sich aber bei der Abstimmung nicht betheiligten (vgl. Renaud, Aktiengesellschaft § 54 S. 492, 494; v. Völderndorff, Art. 221 Nr. II v. S. 547; Esser, Art. 213f. Nr. 6 und

344

Zweites Buch.

Von den Handelsgesellschaften. Art. 181. 181a.

versehen. Die Löschung des Bermerkes findet durch den Aufsichtsrath nach dem Wegfalle der bezeichneten Beschränkung statt. Entw. 1883 Art. 181. Begr. hierzu S. 274 , 296 , 297 , 305-310. E„tw. 1884 Art. 181. Begr. hierzu S. 319-320. Komm. Ber. S. 1024. Tteu. Ber. S. 976, 1154.

RG. u. 18. Juli 1884 §1,2. — Ueber Ausschluß der Rückwirkung dieses Artikels s. Art. 174 a. Aktien des Komplementärs 75. Antheil 78, 79, 80. Auseinandersetzung 78, 79. Ausscheiden 78, 79. Ausschluß der Liberierung 76. Berechnung der Antheile Ausscheidender 78. Beth ei ligüngs arten 74, 78. Dauer des VerüuszerungsverbotS 73, 74, 81. Einforde run geu, spätere 75. Einlagen 74, 78, 79. — Arten ders. 74. Cinzah lltn gen 75. Erhöhung des Kapitals o5, 96. Erlaß 76. Errichtung der Gesellschaft 14 ff. Ersatzpflicht 76, s. Art. 204. Erwerbsgeschäfte über gesperrte Aktien 81. Fälligkeit der Einlagen 74. G e s c l l s ch a f t S g l ä u b i g e r 80. — -vermögen 77. Gewinn ant he i l e 77. Gläubigerrecht 77, 79.

Anhalt. Gutgläubiger Eriverb 81. Haftung für dir Einlagen 76. Kaduzierung 75. Kapitaler Höhung s. Art. 180 h. Komp lcmentarbetheiligung 25, 28, Löschung des Vermerks 81, 82. Nachschulden 80. Nichtigkeit 81. Pfändung 79. Privatgläubiger 79. Rechtsnachfolger des Komplementärs Spätere Einlagen 75, 76, 96. Sperrvermerk, Fehlen dess. 81, 82. — -zeit 77, 79. U e b e r g a n g s b e st i m m u n g 509. „Unveräußerlich" 79, 81. Bcräußerungsbeschrünkung 78, 79, Verminderung der Einlage 76, s. Art. Viuklilierung, gesetzliche 79, 81. Wl iterveränßerung 81. I Zeichnung des Komplementärs 75. I Z li r ü ckgabe von Einlagen 68, 69, 76.

73 ff

81

81. 197

54. Wie bet den Aktiengesellschaften, so ist jetzt auch bet den Kommanditgesellschaften eine Uebereinstimmung darin, daß Bestimmungen, welche sich auf die Fortsetzung der Gesellschaft beziehen, ohne gerade etite Abänderung des Gesellschaftsvertrages zu enthalten, den für erstere rücksichtlich der Beurkundung und Eintragung festgesetzten Normen unterworfen sind. 55. ci Die Kommanditisten - Generalversammlung hat auch bet der Grund-Kapitalerhähung (Art. 180 h, Art. 180 i), bei der Grundkapitalreduktton (Art. 203), bet der Nachgrün­ dung (Art. 180 e) und in dem durch die Novelle von 1884 besonders vorgesehenen Falle der Umwandlung emer Kommanditaktiengesellschaft in eine reine Aktiengesellschaft (Art. 206 a) obli­ gatorisch mitzuwirken. (S. hierüber unten Bem. zu Art. 215 a.)

Artikel 181a. Jnterimsscheine, welche auf Inhaber lauten, sind nichtig. Die Ausgeber hafteil den Besitzern solidarisch für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden. Das Gleiche gilt, wenn Aktien oder Jnterimsscheine auf einen geringeren als den nach Artikel 173a zugelassenen Betrag gestellt sind oder ausgegeben werden, bevor der Gesellschaftsvertrag bei dem Handelsgerichte, in dessen Bezirke die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen ist. Aus Aktien und Jnterimsscheinen, welche in Gemäßheit des Artikels 173a auf einen Betrag von weniger als eintausend Mark gestellt sind, sollen im Falle des zweiten Absatzes des bezeichneten Artikels die ertheilte Genehmigung, im Falle des dritten Absatzes die Beschränkungen hervorgehen, welchen die Komman­ ditisten in Bezug ans die Form einer Uebertragung ihrer Rechte und die Ein­ willigung der Gesellschaft in dieselbe unterworfen sind. @wtfr. 1883 Art. 181a. Bear, hierzu Stemm. Ber. 3. 1021. 3t«n, Ber. 3. 976, 1151.

310.

) und eine Uebereinkunft, durch welche der Austritt eines Komplementärs bestimmt wird, sowie der Auflösungsbeschluß (s. Art. 170 mit Art. 123) liegt ebenfalls in der gesetzlichen Kompetenz der Generalversammlung.

Artikel 182. Aktien, welche auf Namen lauten, müssen mit genauer Bezeichnung des Inhabers nach Namen, Wohnort und Stand in das Aktienbuch der Gesellschaft eingetragen werden. Sie können, soweit nicht der Artikel 181 oder der Gesellschaftsvertrag ein Anderes bestimmt, ohne Einwilligung der Gesellschaft auf andere Personen über­ tragen werden. Zu der im Gesellschaftsvertrage vorbehaltenen Einwilligung der Gesellschaft in die Uebertraguug von Aktien, welche ans einen Betrag von weniger als eintausend Mark gestellt sind, ist die Zustimmung des Aufsichts­ raths und der Generalversammlung erforderlich. Die Uebertraguug dieser Aktien bedarf zu ihrer Gültigkeit einer die Person des Erwerbers bezeichnenden gericht­ lich oder notariell beglaubigten Erklärung. Die Uebertragung anderer Aktien, welche auf Namen lauten, kann durch Indossament geschehen. In Betreff der Form desselben kommen die Bestimm­ ungen der Artikel 11—13 der Deutschen Wechselordnung *) zur Anwendung. Entw. 1833 Art. 182. Bear. hierzu —. Entw. 1884 Art. 182. Begr. hierzu —. Komm. Ber. 0. 1024, 1025. Sten. Ber. S. 973 - 975, 1153-1154.

RG. v. 18. Juli 1884 § 1. Anhalt.

Aktienbuch 7, 131. Aufsichtsrath 57 ff. G e u e r a l v e r s a m m l u n a 44 ff. (a. a. O. S. 16 tont. 33 d) hält jeden gutgläubigen Erwerber für geschützt und die Gesellschaftsorgane für regreßpflichtig der Gesellschaft gegenüber nach Art. 204 Abs. 2 Ziff. 1; gegen diese letztere Meinung wenden sich Petersen und v. Pechmann (n. a. O. Bers.-Beschlüffe 261. Registerpflichtigkeit 261, 262, 263. Schriftlichkeit 265. Statutarische Formvorschriften 265. Statutenänderung (Art. 214 ff.), 404 ff., 407 ff. 418 ff., 421 ff., 425 Unternehmung 17. 145, 245, 425. Zweigniederlassung 262, 263

281. Von der Vertretungsbefugniß nach außen ist verschieden die dienstlicheStellung der Vorstandsmitglieder nach innen. Der zwischen den Vorstandsmitgliedern und der hierzu berufenen Vertretung der Gesell­ schaft abzuschließende Dienstvertrag ist von dem Vertrage mit Handelsbevollmächtigten wesentlich verschieden. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist deren nothwendiger, mit der fortdauernden Wahrung der gesummten Interessen der Gesellschaft betrauter Repräsentant, nicht also ein bloßer Gehilfe oder ein durch besondere Vollmacht zum Betriebe einzelner Geschäfte oder eines Geschäfts­ zweiges, oder selbst der ganzen Geschäftsführung berufener Beamter oder Mandatar. Die Art. 57—65, in welchen das Dienstverhältniß der Handlungsgehilfen geregelt ist, finden deshalb keine und nicht einmal eine analoge Anwendung auf das Dienstverhältniß des Vor­ standes einer Aktiengesellschaft. Bezüglich des letzteren ist im HGB. nur das Vertretungsverhältniß normiert; das Dienstverhältniß desselben unterliegt den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Civil­ rechtes über Dienstverträge. (ROHG. XIII. 179 ff. XIX. 58 f. 62 ff. u. RG. VII. 77.) Das Nämliche gilt selbstverständlich auch, wenn die Vorstandschaft aus mehreren Personen besteht, für sämmtliche Mitglieder der Vorstandschaft (ROHG. XXI. 375. XIII. 181). Durch Vertrag kann bezüglich der dienstlichen Stellung des Vorstandes allerdings Etwas Anderes bestimmt werden, allein dadurch, daß er Geschäfte zu besorgen hat, welche in der Regel von gewöhnlichen Hand-

Dritter Titel.

Bon der Aktiengesellschaft.

Art. 214. 215.

455

lungsgehilfen besorgt werden, z. B. Buchführung, erleidet der rechtliche Charakter der Stellung des Vorstandes noch keine Aenderung. 282. Auch dadurch, daß in dem Dienstvertrag oder etwaigen Nachtragsverträgcn hierzu für den Vorstand eine Besoldung festgestellt wird (Art 227 Abs. 2), wird hieran nichts geändert und derselbe keineswegs eut mit Handlungsgehilfen auf einer Stufe stehender, ein bloßer besoldeter Beamter. (ROHG. XIII. 180.) Der Gehalt des Vorstandes kann vertragsmäßig verschieden geregelt werden. Ist für denselben ein Jahresgehalt ausgemacht und wird er krank, so hat er, wenn er trotz der durch Krankheit herbeigeführten zeitweisen oder dauernden Unmöglichkeit der thätigen Fortführimg seiner Dienstesfunktionen von der Gesellschaft in seiner Stellung belassen wird, volles Anrecht auf Fortbezug seines ganzen vertragsmäßigen Gehaltes. (ROHG. XIX. 62 ff.) 283. Es kann auch ein bestimmter Prozentsatz des Reingewinnes als Tantieme hierzu bestimmt sein. Hier ist dann unter Reingewinn dasjenige zu verstehen, was von der Jahres­ emnahme nicht durch die Jahresbetriebskosten absorbiert ist (RG. XI. 161 f.) Ein den Mit­ gliedern der Vorstandschaft eingeräumter Tantiemenanspruch steht nur der Gesammtheit der Mit­ glieder zu, und kann das einzelne Mitglied nicht unabhängig von den übrigen Betheiligten die Zahlung nur eines Theiles des Tantiemenbetrages von der Gesellschaft verlangen. Die Theilung des Tantiemenbezuges haben bte Vorstandsmitglieder vielmehr unter sich selbst auszumachen und steht jedem Betheiligten eventuell em Klagerecht hierauf gegen dm anderen zu. Die Gesellschaft würde sich durch Leistung eines Antheiles an ein einzelnes Mitglied von der ihr gegenüber der Gesammtheit obliegenden Verbindlichkeit auch nicht theilweise befreien (ROHG. XXIV. 355 ff.) 284. Durch Beschluß der hierzu berufenen Gesellschaftsorgane kann dem Vorstand (bei mehreren Vorstandsmitgliedern allen oder einem Theile derselben) für besondere Bemühungen eine in den Statuten nicht bestimmte Remuneration bewilligt werden (ROHG. XIX. 334) und steht auch der Gewährung einer angemessenen Vergütung für gehabte Mühewaltung an den statuten­ mäßig nur auf Tantiemen angewiesenen Vorstand für den Fall nichts entgegen, wenn in einem Jahre nur mit Verlust gearbeitet wurde. (ROHG. XXII. 281.) 285. In dem Dienstvertrage kann ferner eine Kündigungsfrist festgesetzt werden, deren Nichtbeachtung seitens der Gesellschaft diese zwar nicht zur Aufrechthaltung des Dienstverhältnisses — denn dies ist schlechthin widerruflich — wohl aber zu Entschädigungsleistungen und Kon­ ventionalstrafen für den Fall einer vertragsmäßig unmotivierten Entlassung verpflichten kann. S. hierüber bei Art. 227 Abs. 3, namentlich RG. VII. 77 ff.

Artikel 215. Die Abänderung des Inhalts des Gesellschaftsvertrages kann nicht anders als durch Beschluß der Generalversammlung erfolgen. Sofern der Gesellschaftsvertrag für eine Abänderung derjenigen Bestimm­ ung, welche den Gegenstand der Beschlußfassung bildet, nicht andere Erforder­ nisse aufstellt, erfolgt der Beschluß durch eine Mehrheit von drei Viertheilen des in der Generalversammlung vertretenen Grundkapitals. Für eine Abänderung des Gegenstandes des Unternehmens muß diese Mehr­ heit erreicht sein; der Gesellschaftsvertrag kann außer derselben noch andere Er­ fordernisse aufstellen. Dasselbe gilt von dem Falle, wenn die Gesellschaft durch Uebertragung ihres Vermögens und ihrer Schulden an eine andere Aktiengesellschaft gegen Ge­ währung von Aktien der letzteren aufgelöst werden soll. Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch dann, wenn mehrere Gattungen von Aktien mit verschiedener Berechtigung ausgegeben sind.

456

Zweites Buch.

Von den Handelsgesellschaften.

Art. 215.

Soll durch die Beschlußfassung das bisherige Nechtsverhältuiß unter den verschiedenen Gattungen zum Nachtheile einer derselben abgeändert werden, so bedarf es zu dem von der gemeinschaftlichen Generalversammlung gefaßten Be­ schlusse der Zustimmung einer besonderen Generalversammlung der benachtheiligten Aktionäre, deren Beschlußfassung gleichfalls nach der Vorschrift des zweiten Absatzes sich richtet. Die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, Inhalts bereit die Ueber« tragnng von Aktien, welche in Gemäßheit des Artikels 207 a Absatz 3 ans einen geringeren Betrag als eintausend Mark gestellt sind, an die Einwilligung der Gesellschaft gebunden ist, kann nicht abgeändert werden. entto. 188» Art. 215. Begr. hl«»,» 3. 331-335. Entw. 1834 Art. 215. 328. Komm. »er. 3. 1015,1016. Sien. »er. @. 970, 1153.

RG. v. 18. Juli 1884 § 1.

»egt. hierzu 3. 327,

Vgl. Art. 180g.

3» ft ft I t. Aenderung der Statuten 243. — redaktionelle 243. — richterlich verlangte 243. Amortisation der Aktien 400, 403. Anfechtbarkeit 249. Auflösung (s. Art. 242), 244. Beschluß, qualifizierter 243, 246. Blätter 244. Dauer der Gesellschaft 244. Dreiviertelmehrheit 244, 247, 250 (auch Art. 242), 419, 425. Erschwerende Statuten 246. Erwerb eigener Aktien 400ff. Gattungen der Aktien (133ff.), 250, 251, 419. Gattungsrechte 250, 251, 419. Gegen ft and des Unternehmens 245. Generalversammlung 230ff., 449. Gesellschaftsblätter 244, 246. Mehrheit 244, 247, 250, 419.

Nachgründung 248. rioritätsaktien 133, 250, 251. ualifizierter Gen.-Vers.-Beschluß 243, 246. Rechtsverhältnisse der Gattungen 251. Redaktionelle Aenderung 243. Reduktion 403. Repartieren 402. Reservefonds (Art. 185b), 400. Richterliches Verlangen 243. Schenkungen von Aktien 400. Sonderrechte 251, 419. Statutenänderung 243ff., 245, 404ff. Statuten, erschwerende 246. Stimmrecht 250, 251. Ungiltige Beschlüsse 249. Unternehmen 245, 425. Verlorene Aktien 403. Verschärfung 401.

E

286. Durch den Vertrag können auch Beschränkungen der Handlungsbefugniß des Vor­ standes vereinbart sein. Durch solche wird das Vorstandsmitglied ebenso wie durch die aus Generalversammlungen hervorgegangenen Beschränkungen und durch die Dispositionen der höheren Gesellschaftsorgane dienstlich wie gegebenenfalls durch die Verletzung der gesetzlichen Vorschriften zum Schadensersatz verpflichtet, wenn aus der Nichtbeobachtung Schaden entspringt. Solche Be­ schränkungen haben aber gegenüber Dritten, d. h. außerhalb der Gesellschaft stehenden Personen keine rechtliche Wirkung. (S. hierüber Art. 241 und 231.) Letzteres gilt auch von der gesetz­ lichen Beschränkung in Bezug auf Ertheilung der Prokura. (Vgl. die Bem. 272, 325, 344.) . 287. Zum Widerruf der dienstlichen Bestellung ist die Generalversammlung, auch der Aufsichtsrath, wenn derselbe wahlberechtigt ist, befugt, letzterer auch zur Suspendierung der Vor­ standsmitglieder (ROHG. XIV. 86). Zur Ordnung der Di.nstvertragsverhältnisse mit dem entlassenen Vorstandsinitgliede ist aber der Vorstand selbst als ermächtigt anzusehen. Es erscheint hier das entlassene Vorstands­ mitglied als Dritter. (S. hierüber ROHG. XIV. 89. 91.) 288. Dem Vorstande kommt die Exekutive des Gesellschaftswillens und die ganze Geschäftsführung nach Maßgabe des Gesetzes, des Gesellschaftsvertrages und der Be­ schlüsse der dem Vorstande vorgesetzten Gesellschaftsorgane zu. Die Mitglieder des Vorstandes haften für die Unterlassung oder nicht gehörige Erfüllung der ihnen hieraus erwachsenen Pflichten. Was den Grad dtt Sorgfalt, der von ihnen zu vertreten ist, anlangt, so hasten sie für

Dritter Titel.

Von der Aktiengesellschaft.

Art. 215.

457

omnis culpa und zwar nach Art. 241 Abs. 2 (vgl. Art. 282) für die Sorgfalt eines ordent­ lichen Geschäftsmannes. Sie müssen für ein mißglücktes oder schadenbringendcs Geschäft einstehen, wenn sie nicht den Beweis führen, daß von ihnen *) die Eingehung und Abwickelung des Geschäftes selbst mit der bezeichneten Sorgfalt erfolgt ist. (ROHG. VI. 215.) Ist dem Vorstande, wie beim Gründungs­ hergange (Art. 209 h), nur eine bloße Nachprüfung zur Pflicht gemacht, so ist seine Verhaftung wie die der Mitglieder des Aufsichtsrathes und hat er zu seiner Entlastung nur den Beweis zu führen, daß er die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes auf seine kontrollierende Thätigkeit ange­ wendet habe. Diese dem Vorstand obliegende Sorgfalt kann durch den Gesellschastsvertrag nicht ge­ mindert werden; die Frage der Verschärfung ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu ent­ scheiden (Komm. Ber. a. a. O. S. 1020). 289. Im Falle der Verletzung ihrer Obliegenheiten haften die Mitglieder des Vorstandes für den dadurch entstandenen Schaden nach Art. 241 Abs. 3 solidarisch. *2) Die Haftung für die in Art. 241 behandelten Uebertretungssälle ist gegenüber den Gesell­ schaftsgläubigern eine unmittelbare. Vgl. Renaud, Recht der Aktiengesellschaften S. 618, 619, 633; Anschütz u. v. Bölderndorff, Komm. Bd. 2 S. 533; Bekker, Zeitschr. f. Hdlsr. Bd. 17 S. 442; v. Hahn, Komm., 3. Aufl., 51t Art. 204, 241 S. 644, 745; Thöl, Hdlsr., 6. Aufl., Bd. I S. 485, 486; Puchelt, Komm. zu Art. 225b u. 241; v. Sicherer, Komm. zum Genossenschaftsgesetz § 27 S. 259; Parisius, Komm. zu demselben S. 313; auch § 27 Abs. 5 des sächs. Gesetzes betr. die juristischen Personen vom 15. Juni 1868 (Zeitschr. f. Hdlsr. Bd. 13 S. 206); Entsch. des ROHG. Bd. 19 S. 181 und des RG. Bd. VII S. 106 ff. 290. Das Interesse der Gesellschaft erfordert, daß der Vorstand, soweit ihn nicht die Generalversammlung davon entbunden hat, seine Thätigkeit und Sachkenntniß der Gesellschaft und ihrer Verwaltung ausschließlich widmet. So selbstverständlich dieser Grundsatz auch an sich ist, so hat die Aktiennovelle von 1884 trotzdem, den dermaligen Zeitverhältnissen entsprechend, ausdrücklich durch den Art. 237 und bezw. Art. 196 a die in Art. 96 Abs. 1 des HGB. für die offene Handels­ gesellschaft gegebene Vorschrift auf die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft übertragen und im Anschlüsse hieran auch die Vorschrift des Art. 97 Abs. 1 1. c. für entsprechend anwend­ bar erklärt. Danach hat die Gesellschaft, wenn ein Vorstandsmitglied ohne Genehmigung der Gesellschaft eigene Geschäfte in dem Handelszweig der Gesellschaft betreibt sowie an einer anderen gleichartigen Gesellschaft Theil nimmt, die Wahl, zu verlangen, daß entweder solche Geschäfte als für ihre Rechnung gemacht angesehen werden und der dadurch entstandene Gewinn ihr zufließt, oder daß ihr von dem Mitgliede Ersatz des ihr dadurch entstandenen Schadens geleistet werde. Die Modifikationen, welche der Art. 96 Abs. 2 betreffs der Genehmigung der Theilnahme und der Art. 97 Abs. 2 betreffs des Beginnes der Frist erfahren hat, sind dieselben wie bei der Kommanditaktiengesellschaft im Falle des Art. 196 a, auf dessen Begründung hier verwiesen werden kann. (S. also bei Art. 196 a, 96 u. 97.) Die unbefugte Betheiligung eines Vorstandsmitgliedes in der oben bezeichneten Weise kann zugleich den Thatbestand einer Untreue gegen die Gesellschaft im Sinne von Art. 249 und danach die Strafbarkeit des Mitgliedes begründen. Die Mitglieder des Vorstandes sind als Bevollmächtigte im Sinne des § 266 Ziff. 2 des RStGB.'s anzusehen. Entsch. des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. III S. 35, Bd. VII S. 291; Rechtspr. Bd. II S. 515, Bd. IV S. 832, Bd. VIII S. 695. 291. Art. 232 findet keine Anwendung mehr, wenn die Aktiengesellschaft in das Stadium der *) Jedoch kann der Vorstand — wie jeder Aktionär — gesetz- oder statutenwidrige General­ versammlungsbeschlüsse mittels gerichtlicher Klage anfechten. (Art. 222, 190 a Abs. 1 u. 2, Art. 241 Abs. 4. S. hierüber Bem. 439 ff. „Einzelrecht des Aktionärs".) 2) Ueber die Solidarhaft der handelnden oder zum Handeln berufenen Vorstandsmitglieder und die eventuelle Exkulpation der nichthandelnden s oben Bem. 64 und Ring a. a. O. S. 552, 553.

Liquidation getreten ist, denn hier kann von einer Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebes der Gesellschaft durch Konkurrenz eines Mitgliedes des Vorstandes in dem Geschäftszweige derselben deshalb keine Rede mehr sein, weil bei einer Liquidation der Geschäftsbetrieb auf die Abwickelung der bei Auflösung der Gesellschaft schwebenden Geschäfte beschränkt ist. (ROHG. XXI. 140. 145.) S. Art. 244 a. Dieses Verbot mit seinen Konsequenzen finder auch auf Mitglieder älterer Aktiengesell­ schaften Anwendung, sofern die betreffenden Mitglieder erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 18. Juli 1884 bestellt wurden.

Artikel 215a. Eine Erhöhung des Grundkapitals der Gesellschaft darf nicht vor der vollen Einzahlung desselben erfolgen. Für Versichernngsgesellschaften kann der Gesellschaftsvertrag ein Anderes bestimmen. Ueber die Erhöhung hat die Generalversammlung zu beschließen. Für die neu auszugebenden Aktien kann die Leistung eines höheren als des Nomi­ nalbetrages festgesetzt werden; der Beschluß hat den Mindestbetrag zu be­ zeichnen, für welchen die Aktien auszugeben sind. Ein geringerer als der Nomi­ nalbetrag darf nicht festgesetzt werden. Die Beschlußfassung unterliegt den Vor­ schriften im Artikel 215 Absatz 2 und 6. Der Beschluß ist in das Handelsregister einzutragen. Die Anmeldung hat die Angabe zu enthalten, daß das bisherige Grundkapital eingezahlt sei, für Versicherungsgesellschaften, inwieweit die Einzahlung desselben stattgefunden habe. Auf die Eintragung finden die Vorschriften im Artikel 214 Anwendung. Eine Zusicherung von Rechten auf den Bezug neu auszugebender Aktien, welche vor dem Beschlusse auf Erhöhung des Grundkapitals erfolgt, ist der Ge­ sellschaft gegenüber unwirksam. Glitte. 1833 Art. 215a. Btgt. hierzu S. 201-210 (335). ©litte. 1884 Art. 215a. B«gr. hierzu 8. 282-236 (328). Komm. Btt. 8.1016. Stttt. Btt. 8. 970-972, 1153.

RG. v. 18. Juli 1884 § 3.

Vgl. Art. 180h. Inhalt.

Aktionärs aftung 116, 121, 124, 392, 437, 474. Aktionärrechre 437, auch 121. Bestehende Gesellschaften 510. Bezugsrechte 133, 413.

Einzahlung bei Versich.-Ges. 132. Erhöhung des Grundkapitals 252, 407 ff. Generalversammlung 230ff., 252. — Erhöhungsbeschluß ders. 411, 412. Grundkapital 116, 121, 146. — Erhöhung dess. 252, 407, bei Versich.-Ges. 132. — Herabsetzung (Reduktion) defs. 252, 418 ff. — Zurückzahlung deff. 252, 418 ff. Handelsregister 411. Znterimsscheine 413. Kaduzierung 392, 437, 474. Kapitalerhöhung 407.

Kapitalerhöhung, Natur ders. 407. — Verfahren hierbei 411 ff. Lebensversicherungen 408. Neuemission 407. Regi ft er Pflicht 411. Stimmenmehrheit 411. Strafrechtliches 411. Nebergangöbestimmung 510. Ueberpari- Emission 409. Unter pari- Emission 410. Versicherungsgesellschaften 132, 408. Vollcinzahlung 407, 408. Vorgesehene Erhöhung 412. Wirkung der Registrierung 411. Zurückzahlung des Grundkapitals 252.

292. Im Einzelnen stellt die Gesetzgebung besondere Vorschriften für das Verhalten des Vorstandes in folgenden besonders wichtigen Fällen fest: 1. In Folge der vom Gesetze angenommenen Prüfungstheorie obliegt den Mitgliedern des Vorstandes (neben den anderen hierzu berufenen Organen) die Prüfung des Gründungsher­ ganges, die Erstattung des schriftlichen Prüfungsberichtes und die civilrechtliche wie auch die strafrechtliche Haftung für die Wahrheit und Vollständigkeit ihrer geschäftlichen Darlegungen (s. Art. 209h, 213c, 241, 249, 249aff.), ferner

Dritter Titel.

Von der Aktiengesellschaft.

Art. 215 a.

459

2. die Anmeldung des Gesellschaftsvertrages uni) der übrigen behufs der Eintragung in's Handelsregister erforderlichen Thatsachen (s. Art. 210). 3. Der Vorstand hat von jedem Generalversammlungsbeschlusse eine beglaubigte Abschrift zum Handelsregister einzureichen (s. Art. 238 a). 4. Den Vorstand trifft in erster Linie die Sorge für die Erhaltung des Grundkapitales als des realen Substrats der Aktiengesellschaft (s. hierüber unten Bem. 347 ff.). 5. Der Vorstand ist verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die erforderlichen Bücher der Gesell­ schaft geführt werden OÄrt. 239 Abs. 1). Unter dem Ausdrucke „Sorge tragen" ist nichts anderes zu verstehen, als daß ausdrücklich eine dem Vorstande als solchem obliegende Verant­ wortlichkeit für die Erfüllung der objektiv bereits anderweitig feststehenden Pflicht der Gesellschaft zur Buchführung (und Bilanzziehung) gesetzlich konstituiert werden, und die objektive kauf­ männische Gesellschaftspflicht in ihrem vollen Umfange mit dem vollen öffentlich - rechtlichen Charakter sich subjektiv als eine persönliche Vorstandspflicht individualisieren sollte. Es hat also nur die volle persönliche Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder für Dasein und Aufrecht­ haltung der gesetzlich vorgeschriebenen buchmäßigen Ordnung ausgesprochen werden sollen und konnte hiermit nicht beabsichtigt worden sein, die Buchführungspflicht, wie sie objektiv für die Aktiengesellschaft besteht, nicht in ihrem vollen gesetzlichen Umfange, sondern in einer irgendwie abgeschwächten Gestalt auf den Vorstand als dessen persönliche Geschäftsführungspflicht zu übertragen. Diese auf der Grundlage einer absolut gebietenden Gesetzesnorm ruhende öffentlich-rechtliche Vorstandsverantwortlichkeit ist in ihrem Bestände und in ihrem Umfange jeder Einwirkung Pri­ vater Autonomie schlechthin entrückt. Aus allem dem geht hervor, für's erste, daß die strafrechtliche Verantwortlichkeit eine besondere Uebertragung nicht voraussetzt, sodann aber ailch, daß dieselbe weder durch den GesellschaftsVertrag, noch durch einen anderweiten Vertrag oder durch Beschlüsse der Generalversammlung sowie, etwa durch eine zur Geschäftsführung gehörende Maßregel (z. B. bei einer Geschäfts- oder Arbeitstheilung) einem Beamten der Gesellschaft oder einem Handlungsbevollmächtigten oder ein­ zelnen Mitgliedern des Vorstandes überbürdet werden kann. S. hierüber Plenarurtheil der vereinigten Strafsenate des Reichsgerichtes vom 9. Januar 1886 in RA. VIII. 24—30, RG. für Str. XIII. 235—243. (S. auch noch die §§ 209 Ziff. 4, 210 Ziff. 2 der Reichskonkurs­ ordnung in Fuchsberger, Entsch. aus dem Gebiete des Strafrechts Bd. III S. 451 ff. und Supplementband hierzu S. 840 ff.) Durch jenes Plenarurtheil ist aber zugleich auch entschieden, daß es bei mehreren Vor­ standsmitgliedern für die strafrechtliche Verantwortlichkeit des einzelnen Vorstandsmitgliedes bezüg­ lich einer unordentlichen Buchführung oder nicht rechtzeitigen Bilanzstellung nicht, wie in früheren Urtheilen des Reichsgerichtes (RG. für Str. XIII. 359. 360. XII. 78 ff.) ausgesprochen, noch des besonderen Nachweises eines Verschuldens des einzelnen hieran bedarf, sondern daß jedes Vor­ standsmitglied für die fraglichen Unordnungen der Buchführung, ohne Rücksicht darauf, ob nach Gesellschaftsvertrag oder statutarischen Einrichtungen die Führung der Handelsbücher der Gesell­ schaft unmittelbar nur einem Vorstandsmitgliede ausschließlich, oder ob sie einem hierfür speziell bestellten Gesellschastsbeamten übertragen worden ist, strafrechtlich verantwortlich ist. Wo aller­ dings das fragliche Bankruttdelikt zu seinem Thatbestände einen bestimmten Vorsatz oder einen positiven individuellen Thätigkeitsakt des Delinquenten voraussetzt (§ 209 Ziff. 1—4 und § 210 Ziff. 1 der Reichskonkursordnung), kann selbstredend nur bei denjenigen Vorstandsmitgliedern von der Anwendung der betreffenden Rechtsnorm die Rede sein, in deren Person die subjektiven und objektiven Thatbestandsmerkmale strafbarer Bankruitbegangenschaft sich erfüllen. Der Thatbestand des § 210 Ziff. 2 u. 3 der Reichskonkursordnung dagegen verlangt weder einen strafbaren Vor­ satz noch auch — von der „Verheimlichung" und „Vernichtung" der Handelsbücher abgesehen — irgend einen positiven Thätigkeitsakt, er enthält wesentlich ein Unterlassnngsdelikt, bestehend in der Verabsäumung der handelsgesetzlichen Pflichten ordentlicher, den Vermügenszustand klarstellender Buchführung und rechtzeitiger regelmäßiger Bilanzführung. Verpflichtet nun aber das Gesetz

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Zweites Buch.

Von den Handelsgesellschaften.

Art. 215 a. 215 b.

jedes Vorstandsmitglied ohne weiteres persönlich zur Erfüllung derjenigen kaufmännischen Ob­ liegenheiten, welche bezüglich der Buchführung und Bilanzziehung gesetzlich auf der Gesellschaft lasten, so folgt daraus, daß jedes Vorstandsmitglied der Strafbestimmung des § 210 Ziff. 2 u. 3 der Reichskonkursordnung unterliegt, wenn es diese ihm gesetzlich auferlegte Vorstandspflicht ver­ letzt hat. (Art. 239 HGB. und Art. 214 mit 210 Ziff. 2 u. 3 der RKOrd.)

Artikel 215b. Die Zeichnung der neu auszugebenden Aktien erfolgt durch schriftliche Er­ klärung, welche in zwei Exemplaren unterzeichnet werden soll. Die stattgefundene Erhöhung des Grundkapitals ist behufs der Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Vorschriften im Artikel 210 und 212 finden entsprechende Anwendung. Glitt». 1883 Art. 215b. Be«r. biet}» @. 201-210 (335). Glitt». 1884 Art. 215b. S. 282-286 (328). «erntn. Btt. 8. 1016. 8t(n. Btt. 8. 972, 1153.

RG. v. 18. Juli 1884 § 1.

»«gr. hier,»

Vgl. Art. 180i.

Anmeldung 415. ApportS, spätere 414. Aufwendungen 414. Ausführung des Erhöh.-Beschl. 414. Beilagen zur Anmeldung 415, 416. Berichte 415. Bezugsrechte 413. Eintragung, Wirkung ders. 411. Erwerbungen, spätere 414. Förmlichkeit der Erhöhung 414, 415, 416. Haftung deS Vorstands 417.

Haftung deS AufsichtSrathS 417. Handelsregister 411. Jnterimsfchein 413. Kapitalerhöhung 252, 407ff. Neuemission 407, 416. Schriftform 414. Successiv gründung 414. Bol leinzah lung 407 ff. Vorgesehene Erhöhung 412. Zweigniederlassungen 416.

293. Der Vorstand haftet aber nicht nur dafür, daß die nöthigen Bücher überhaupt geführt werden, sondern daß die Führung derselben eine ordnungsmäßige ist, daß somit die die Handelsbücher einen vollständigen Ueberblick über die Vermögenslage der Gesellschaft und die diese bedingenden Handelsgeschäfte geben. Der technische Vollzug der Gesellschaftsbücher wird regelmäßig einem besonderen hierzu aufgestellten Personale obliegen. Welche Bücher nothwendig sind, wird sich, soweit sich solche auf das Unternehmen beziehen, nach diesem bestimmen. Die auf den Geschäftsstand und die Vermögenslage der Gesellschaft bezüglichen Handels­ bücher müssen nach Art. 28 des HGB.'s geführt werden. (S. dortselbst.) Bei den Aktiengesellschaften kommen aber noch zu den für den Handelsbetrieb erforderlichen Büchern die Zeichnungsscheine, das Aktionärverzeichniß, die notariellen oder gerichtlichen Urkunden über die Statuten und Generalversammlungsbeschlüsse, sowie bei Emission von Namensaktien das Aktienbuch. 294. .6. Wenn die Aktionäre in der Lage sein sollen, die wichtige Pflicht der Prüfung und Abnahme der Bilanz gewissenhaft zu erfüllen, so müssen sie rechtzeitig die Möglichkeit haben, sich den erforderlichen Aufschluß über die einzelnen Ansätze zu verschaffen. Nur bei einer gehörigen Vorbereitung des Prüfungsverfahrens kann erwartet werden, daß dasselbe zu einer dem wahren Interesse der Gesellschaft entsprechenden gründlichen Prüfung der ganzen Verwaltung während des Bilanzjahres führen wird. Um dies zu erreichen, ist theils den Aktionären vor der General­ versammlung die Einsicht der Bilanz zu ermöglichen, theils hat eine vorgängige Prüfung durch die Aufsichtsorgane und eine Offenlegung des Berichtes derselben zu geschehen. Zum Zwecke einer gründlichen Prüfung der Bilanz bestimmt deshalb der Abs. 2 des Art. 239: a) Der Vorstand muß binnen statutenmäßiger Frist (jedoch nicht später als 6 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres) und in Ermangelung einer statutenmäßigen Frist innerhalb der nächsten drei Monate für das abgelaufene Geschäftsjahr eine Bilanz, eine Gewinn- und Verlust-

Dritter Titel.

Bon der Aktiengesellschaft.

Art. 215b.

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rechnung, sowie einen den Vermögensstand und die Verhältnisse der Gesellschaft entwickelnden Bericht (Rechenschafts-, Geschäfts- oder Jahresbericht) dem Aufsichtsrathe und mit dessen Be­ merkungen der Generalversammlung vorlegen. Es liegt im offenbaren Interesse der Aktionäre, daß die Aufstellung und Prüfung der Bilanz so schnell, als dies mit einem ordnungsmäßigen Verfahren vereinbar ist, nach dem Ab­ laufe des Geschäftsjahres erfolgt. Zur Aufstellung einer ordnungsmäßigen Bilanz rc. rc. wird in der Regel die vorgesehene dreimonatliche Frist ausreichen; wenn nicht, wie z. B. bei überseeischen Transportgesellschaften, so mag im Gesellschaftsvertrage von der zugelassenen Verlängerung der Frist Gebrauch gemacht werden. Für die Aufstellung der Bilanz sind besondere die Durchsichtigkeit der Darstellung möglichst fördernde Vorschriften gegeben und von den Vorstandsmitgliedern auf's Genaueste zu beobachten (s. Art. 185 a mit Art. 239 b unten Bem. 429 ff., Bilanzvorschriften). 295. b) Bilanz-, Gewinn- und Verlustkonto sowie Geschäftsbericht müssen mindestens zwei Wochen vor der damit zu beschäftigenden Generalversammlung (Art. 221, 225) in dem Geschäftsstelle der Gesellschaft vom Vorstande zur Einsicht der Aktionäre ausgelegt werden. Der Vorstand ist allerdings nur zu deren regelmäßiger „Vorlegung" und nicht ausdrück­ lich zu deren „Anfertigung" verpflichtet. Zweifellos bedarf jedoch die hiernach „vorzulegende" Bilanz der allgemein vorgeschriebenen Unterzeichnung (Art. 30 HGB.) durch den Vorstand, und schon hieraus folgt ohne lveiteres, daß Art. 239 den Vorstand schlechthin dafür haftbar erklärt, daß er der gesetzlichen Pflicht zur Bilanzziehung mit den für Aktiengesellschaften speziell vorge­ schriebenen Fristen und Formen ordnungsmäßig genügt. Die Bilanz gehört zu der vom Vor­ stande als solchem über seine Geschäftsführung regelmäßig zu bewirkenden Rechnungslegung imd stellt einen von ihm zu vertretenden Rechnungsausweis dar. (Plenarurtheil der vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts vom 9. Januar 1886, RA. VIII. 24 ff., RG. für Str. XIII. 235 ff.) Des Nachweises eines Verschuldens des einzelnen Vorstandsmitgliedes bedarf es hierbei nicht. S. oben unter Ziff. 5. 296. c) Ein jeder Aktionär ist berechtigt, auf seine Kosten Kopien der unter b erwähnten Papiere zu fordern (Art. 239 letzter Satz, auch Art. 239 b). Mit dieser gesetzlichen Bestimmung ist bezüglich der Veröffentlichung der Beilagen zur Bilanz hinreichend Genüge geschehen, denn durch ein zu allgemeines Bekanntwerden der übrigen Beilagen, namentlich des Inventars, würde das Interesse der Gesellschaft nur einer Schädigung ausgesetzt werden. (Begründung a. a. O. S. 336.) Dem Aufsichtsrathe ist dagegen vom Vorstande ein detaillierter Nachweis der einzelnen Bilanzposten zu liefern (Art. 225). Im Falle der Nichtbefolgung der Vorschrift des Art. 239 Abs. 2 sind die Mitglieder des Vorstandes durch Ordnungsstrafen hierzu anzuhalten. 297. Außer der nöthigen Klarlegung der Geschäftslage der Gesellschaft verfolgt die Vorleguug der Bilanz auch noch den Zweck, die Entlastung des Vorstandes wegen seiner Geschäfts­ führung zur Entscheidung der Generalversammlung zu bringen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Vorstand nach ordnungsmäßig gelegter Rech­ nung einen Anspruch auf Abnahme derselben und auf Entlastung hat, soweit Erinnerungen gegen die Rechnung nicht gezogen werden, denn man kann es den Mitgliedern des Vorstandes nicht zumuthen, sich die Belege für die Geschäftsführung auf die ganze Dauer der Verjährungsfrist zu sichern, was ihnen bei der jederzeitigen Widerruflichkeit der Bestellung sogar vielfach unmöglich sein würde. Dieser Umstand der Decharge-Ertheilung an den Vorstand gibt aber Veranlassung, daß noch mehr für die Möglichkeit einer ausreichenden Vorbereitung der Aktionäre gesorgt sein muß. Hierzu reichen aber die oben erörterten Mittel manchmal nicht aus, um die Aktionäre in den Stand zu setzen, sich in der Generalversammlung über die Genehmigung der Bilanz zu entschei­ den. Es kann und mag daher statutenmäßig eine weitergehende Prüfung der Bilanz durch Revi-

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Zweites Buch.

Von den Handelsgesellschaften.

Art. 215 b. 215 c.

form als ein besonderes Organ der Gesellschaft vorgesehen werdendes kann aber ebenso von der Generalversammlung im Einzelfalle die Prüfung der Bilanz durch besonders gewählte Revisoren oder eine ernannte Kommission beschlossen und zu diesem Zwecke die Generalversammlung vertagt werden. (Art. 239 a.) S. hierüber Bem. 257, 338 ff.

Artikel 215c. Jnterimsscheine, welche auf Inhaber lauten, sind nichtig; die Ausgeber haften den Besitzern solidarisch für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden. Das Gleiche gilt, wenn Aktien oder Jnterimsscheine auf einen geringeren als den nach Artikel 207 a zugelassenen Betrag gestellt sind, oder wenn sie aus­ gegeben werden, bevor der Gesellschaftsvertrag bei dem Handelsgerichte, in dessen Bezirke die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen ist. Vor der vollen Leistung des Nominalbetrages oder des in den Fällen der Artikel 209 a Ziffer 2, 215 a Absatz 2 festgesetzten Betrages soll die Aktie nicht ausgegeben werden. Jmgleichen sollen im Falle einer stattgefundenen Er­ höhung des Grundkapitals vor Eintragung derselben in das Handelsregister des im vorigen Absätze bezeichneten Gerichts Aktien oder Jnterimsscheine nicht aus­ gegeben werden. Aus Aktien und Jnterimsscheinen, welche in Gemäßheit des Artikels 207 a auf einen Betrag von weniger als eintausend Mark gestellt sind, sollen im Falle des zweiten Absatzes des bezeichneten Artikels die ertheilte Genehmigung, im Falle des dritten Absatzes die Beschränkungen hervorgehen, welchen die Aktionäre in Bezug auf die Form einer Uebertragung ihrer Rechte und die Einwilligung der Gesellschaft in dieselbe unterworfen sind. entto. 1883 Art. 215c. »tot- hl«»,« 335-337. @. 328-329. Komm. Bet. S. 1016. Sien. Bet. S. 972, 1153.

E,,1W. 1884 Art. 215c.

Begr. hierzu

RG. v. 18. Juli 1884. Hinsichtlich der Rückwirkung dieses Artikels s. die ausdrückliche Bestimmung in Abs. 3 des § 2 des Ges. vom 18. Juli 1884, unten nach Art. 249g. Dgl. Art. 181a. Inhalt. Aktienbuch 131, 375, 391. Aktiencertifikate 134.

Appo iutierung der Jnterimsscheine 136. Börsensteuer 137. Condiktionen 135. Haftung des Käufers 376. Inhaberaktien 376. — -promcffen 134. Jnterimsscheine 134ff., 375. Käuferhaftung 134, 135, 376. Liberie rungsverbot 133, 375. Namenaktie 376.

Nichtige Aktien 131. Promessen 134, 375. Reichs st empel 137. Schadenersatzhaftung 131, 134. Stempelpflicht 137. Theilza hlungen 133. UcbergangSbestimmung 509. Nnterpari- Emission 133. Vollzahlung 133, 374ff. Zeichner Haftung 376. Zeichnungsbescheinigungen 134.

298. Die in Bem. 297 erwähnte Vertagung kann nach Abs. 2 des Art. 239 a durch eine einfache Stimmenmehrheit beschlossen werden; dabei ist auch Vorsorge für den Fall getroffen, daß die Mehrheit in der Generalversammlung sich für die Genehmigung der Bilanz entscheidet, die Minderheit der Aktionäre dagegen derselben widerspricht: auch in diesem Falle kann eine Vkrtagung der Verhandlung stattfinden, jedoch nur dann, wenn die Antheile der Minderheit wenigstens den zehnten Theil des Grundkapitales darstellen; allein auch hier ist zur Verhütung von Mißbräuchen eimrseits und behufs Gewinnung einer geeigneten Grundlage für das weitere Verfahren andererseits die Ver-

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Von der Aktiengesellschaft.

Art. 215 c.

463

tagung weiter davon abhängig gemacht, daß das Verlangen unter Bemängelung bestimmter An­ sätze der Bilanz gestellt wird. Soweit die Ansätze von der Minderheit nicht bemängelt worden sind, tritt eine Vertagung der Verhandlung nicht ein, sondern es gilt nach Art. 239 a Abs. 3 bezüglich der nicht bemängel­ ten Ansätze der Bilanz die Entlastung des Vorstandes als erfolgt. Finden die bemängelten Ansätze nicht genügende Aufklärung, so kann die Minderheit ge­ gebenen Falles von der ihr in Gemäßheit des Art. 222 a allgemein gewährten Befugniß, eine Prüfung des fraglichen Herganges herbeizuführen, Gebrauch machen. (Begründung 1884 a. a. O. S. 336.) 299. Wenn eine von der Generalversammlung berufene Revisionskommission in Aus­ übung ihres verfassungsmäßigen Berufes die Vorprüfung der Bilanz vorgenommen hat und hier­ bei ohne Irrthum verfahren ist, so kann sich tue Aktiengesellschaft einem auf Grund dieser Prüfung dechargierten Vorstande gegenüber nicht darauf berufen, daß sie über einzelne Punkte in Unkenntniß gewesen sei, denn wenn die Generalversammlung auf Grund der von der Revisionskommission vorgenommenen Prüfung die Genehmigung der Bilanz dem Vorstande gegenüber erklärt, so kann die Wirksamkeit dieser Erklärung nicht deshalb angefochten werden, weil die Generalversammlung nicht selbst die zur Vorbereitung der Entschließung nöthige Prüfung vorgenommen hat und nicht selbst mit den Einzelheiten der Rechnung und ihrer Unterlage bekannt gewesen ist. ROHG. XXII. 279 ff. 300. Die Entscheidung der Frage, inwieweit ungeachtet der ertheilten Decharge der Vor­ stand dennoch haftbar gemacht werden kann, gehört dem allgemeinen Civilrechte an. Verschiedene interessante Fragen werden behandelt in den Erkenntnissen des Reichsoberhandelsgerichts vom 16. November 1872 (Bd. VIII S. 51), vom 11. November 1878 (33b. XXIV S. 364) und vom 1. Mai 1879 (Bd. XXV, 178). In letzterem ist namentlich der Vorstand einer Aktiengesellschaft dem Verwalter eines fremden Vermögens gegenübergestellt und der Unter­ schied zwischen Rechenschaft (Rechenschaftsablage) des ersteren und Rechnung des letzteren betont. 301. 7. Dem Vorstande obliegt die Berufung der ordentlichen und auch — eventuell neben anderen Organen — der außerordentlichen Generalversammlung unter Beobachtung der hierfür vor­ geschriebenen Fristen und Förmlichkeiten. (Art. 236.) *) Diese Befugmß kann dem Vorstande durch den Gesellschaftsvertrag nicht entzogen, doch kann durch ihn die Generalversammlungsberufungsbefugniß auch noch anderen Personen einge­ räumt werden. Auch das dem Aufsichtsrathe nach Art. 225 Abs. 2 zugesprochene Recht der General­ versammlungsberufung kann statutarisch nicht beeinträchtigt werden. Die „anderen Personen", die das Gesetz zur Berufung der Generalversammlung berechtigt, sind nach Art. 244a die Liquidatoren, im Falle des Art. 210a das Gericht und nach Art. 237, 238 gleichfalls das Gericht auf Veranlassung einer Aktionärsfraktion. 302. 8. Den Vorstand treffen besondere Pflichten, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder von Verlusten betroffen wird, welche die Hälfte des Grundkapitales oder mehr vernichten Im ersteren Falle ist jedes einzelne Mitglied zum Antrag auf Konkurseröffnung zuständig, ebenso wenn sich ergibt, daß das Vermögen nicht mehr die Schulden deckt. (Art. 240 Abs. 2 und RKO. §§ 193, 194.) Im Falle der durch Verlust herbeigeführten Kapitalminderung ultra dimidium hat der Vorstand ohne Verzug die Generalversammlung einzuberufen und dieser hiervon Anzeige zu machen. (Art. 240 Abs. 1.) 303. Was zunächst das Verhältniß der beiden Absätze des Art. 240 zu einander anlangt, so hat der Absatz 2 das Interesse der Gesellschaftsgläubiger im Auge, während sich der Absatz 1 mit dem Interesse der Aktionäre beschäftigt, da für dieselben die Gefahr nicht erst mit der Ueberschuldung des Gesellschaftsvermögens, sondern mit einem allzustarken Zugriffe auf das Grund*) Nach Art. 239 ist alljährlich eine ordentliche Generalversammlung zu berufen; Veranlassung zur Berufung einer außerordentlichen gibt z. 33. der Fall des Art. 240 Abs. 1.

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Zweites Buch.

Von den Handelsgesellschaften.

Art. 215 o. 215 d.

kapital beginnt. In letzterem Falle muß den Aktienbesitzern unverzüglich Gelegenheit zur Prüfung der Sachlage und zur Ergreifung geeigneter Maßregeln gegeben werden. Zur diesbezüglichen Anzeige an die Generalversammlung kann der Vorstand nach Art. 249 g Abs. 2 durch Ordnungs­ strafen angehalten werden. Dieser Fall kann allerdings nur eintreten, wenn das Gericht von dem Vermögensstande der Gesellschaft durch die Jahresbilanz, die unter allen Umständen nach Art. 239 gelegt werden muß, Kenntniß erhält. Inzwischen kann er auch von dem kontrollieren­ den Aufsichtsrathe hierzu veranlaßt sein, obwohl letzterem im Falle der Unthätigkeit des Vorstandes selbst das Recht zur Einberufung der Generalversammlung zusteht. Den lässigen Vorstand trifft aber überdies auch noch die Haftung aus Art. 241 Abs. 3. 304. Wann die Fertigung einer Zwischenbilanz geboten erscheint, hierüber kann das Gesetz nichts bestimmen. Der Eintritt von außerordentlichen Umständen, insbesondere Verlusten, kann es dem Vor­ stände zur Pflicht machen, schon vor Ablauf des Geschäftsjahres eine Bilanz aufzustellen, um Klarheit über den Stand des Vermögens zu gewinnen. Diese Zwischenbilanz unterliegt wie die Jahresbilanz den allgemeinen Vorschriften des Art. 225.

Artikel 215d, Die Aktiengesellschaft soll eigene Aktien im geschäftlichen Betriebe, sofern nicht eine Kommission zum Einkauf ausgeführt wird, weder erwerben noch zum Pfande nehmen. Sie darf eigene Jnterimsscheine im geschäftlichen Betriebe auch in Ausführung einer Einkaufskommission weder erwerben noch zum Pfande nehmen. Eine Amortisation der Aktien ist zulässig, sofern sie unter Beobachtung der für die Zurückzahlung oder Herabsetzung des Grundkapitals maßgebenden Vorschriften erfolgt. Ohne Beobachtung derselben darf die Gesellschaft ihre Aktien nur aus dem nach der jährlichen Bilanz sich ergebenden Gewinne und nur in dem Falle amortisiren, daß dies durch den ursprünglichen Gesellschafts­ vertrag oder durch einen, den letzteren vor Ausgabe der Aktien abändernden Be­ schluß zugelassen ist. Errtw. 1883 Art 215 d. Begr hierzu S. 337—342. S. 329, 330. Komm. Ber. S. 1016. Sten. Ber S. 972, 1153.

RG. v. 18. Juli 1884 § 1.

Entw. 1884 Art 215 d.

Begr. hierzu

Vgl. Art. 184 d. Inhalt.

Amortisation von Aktien 400, 403. Eigene Aktien, Erwerb ders. 400ff. Interimsscheine (134ff.) 401. Reduktion der Aktien 403. Reingewinn 403.

Repartieren 402. Reservefonds (Art. 185b) 400. Schenkungen von Aktien 400. Verlorene Aktien 403. Berschärsung der Bestimmungen 401.

305. Nach der Reichskonkursordnung vom 10. Februar 1877 bedarf es zur Konkurs­ eröffnung nicht mehr einer Ueberschuldung, sondern nach §94 derselben genügt hierzu schon die Zahlungs­ unfähigkeit. Diese ist nach Abs. 2 dess. § 94 insbesondere dann anzunehmen, wenn Zahlungs­ einstellung erfolgt ist. Letztere deckt jedoch nicht alle Fälle der Zahlungsunfähigkeit, sondern ist nur die geeignetste Erkenntnißquelle derselben. Es kann somit die Zahlungseinstellung nicht als allgemeine und ausschließliche Voraussetzung für die Konkurseröffnung an Stelle der Zahlungs­ unfähigkeit dienen. Für diese ist der Zustand der wirklichen Ueberschuldung oder die Vermögensunzulänglich­ keit nicht entscheidend. Kredit ist im Verkehrsleben Vermögen. Solange also die Aktiengesell­ schaft ihre Gläubiger befriedigen kann und befriedigt, sei es aus eigenen Mitteln, sei es vermöge des ihr noch zustehenden Kredits, so ist sie zahlungsfähig, auch wenn bei gleichzeitigem Andrängen

Dritter Titel.

Bon der Aktiengesellschaft.

Art. 215 ä.

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ihrer Gläubiger ihr Vermögen zur vollständigen Befriedigung derselben nicht ausreichen möchte. Umgekehrt ist aber die Gesellschaft, sollte sie sich auch im Zustande der Vermögenssnffiziens befin­ den, indem ihr Aktivvermögen die Schulden übersteigt, doch dann zahlungsunfähig, wenn sie nicht sofort bereite Mittel zur Zahlung ihrer fälligen Schulden herbeizuführen vermag. Von einer Zahlungsunfähigkeit kann natürlich dann noch nicht die Rede sein, wenn nur einzelne fällig gewordene Zahlungen nicht geleistet werden, sondern nur dann, wenn die Gesell­ schaft aus Unvermögen

aufgehört hat, ihre laufenden Verbindlichkeiten im Allgemeinen zu er­

füllen. 9hir also wenn letzterer Zustand eingetreten ist, so erwächst für den Vorstand die zwingende Pflicht, bei dem örtlich zuständigen Amtsgerichte, als dem nach § 64 der Konk. O. sach­ lich für das Konkursverfahren ausschließlich zuständigen Gerichte, die Eröffnung des Konkurses zu beantragen. Eine bloße Anzeige-Erstattung bezüglich der Zahlungsunfähigkeit genügt deshalb nicht, weil die Konkurseröffnung von Amiswegen in Wegfall gekommen ist (§ 95 der Konk. O.) und deshalb dem Gerichte auf eine solche Anzeige-Erstattung hin die Einleitung des Konkurs­ verfahrens nicht überlassen werden kann. Zuständig ist dasjenige Amtsgericht, bei welchem die Aktiengesellschaft ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, und dieser richtet sich gemäß § 19 der CPO. nach dem Sitz derselben. Allein nicht blos für den Fall der Zahlungsunfähigkeit,

sondern auch für den Fall der

Ueberschuldung ist der Vorstand bezw. jedes Mitglied des Vorstandes (§ 194 Konk.O.) zur Bean­ tragung der Konkurseröffnung verpflichtet.

306. Bezüglich der bilanzmäßigen Feststellung des Umstandes, daß das Vermögen die Schulden nicht mehr deckt, ist vor Allem darauf aufmerksam zu machen, daß nach Art. 185 a Zifs. 5 das Grundkapital selbst nebst den Reserve- und Erneuerungsfonds unter die Passiva der Bilanz aufzunehmen sind.

Aus einer Unterbilanz folgt somit an und für sich noch nicht die

Ueberschuldung der Gesellschaft, denn die Aktionäre sind, wenn auch das Aktienkapital als „Soll" figuriert, nicht Gläubiger der Gesellschaft.

Erst wenn die Unterbilanz den Betrag des Gesell­

schaftsvermögens vollständig konsumiert, wenn das Vermögen der Gesellschaft, zu welchem auch die Reservefonds, die Erneuerungsfonds, die Delkredere-Konti :c. re., volleingezahltes Grundkapital noch einzufordernde Betrag gehören,

sowie der auf ein nicht

die Schulden der Gesellschaft

gegen Dritte nicht mehr deckt, so erlangt die Unterbilanz, aus dem Kreise des Gesellschaftsinteresses heraustretend, ein öffentliches Interesse.

(Begründung a. a. O. S. 336.)

307.

Ueber das Konkursverfahren gegen eine Aktiengesellschaft sind die Bestimmungen der §§ 193 und 194 der Konk.O. maßgebend und ist mit Bezugnahme auf § 193 Abs. 2 a. a. O. nur noch zu erwähnen, daß der Konkurs auch nach Auflösung der Gesellschaft eröffnet werden kann, so lange das Vermögen noch unvertheilt ist.

308. Für die Unterlassung des Konkursantrages kann der Vorstand nicht schon dann zivilrechtlich oder gar strafrechtlich haftbar gemacht werden, wenn irgendwie der Zustand der Ueber­ schuldung eingetreten, aber nicht bilanzmäßig, sei es durch die Jahresbilanz oder eine Zwischen-^ bilanz, festgestellt ist. Ist aber auf letztere Weise die Ueberschuldung festgestellt und der Vorstand leistet von diesem Zeitpunkte ab trotzdem noch Zahlungen, so macht er sich nach Art. 241 der Gesellschaft und den Gesellschaftsgläubigern gegenüber ersatzpflichtig. Für den Fall der Unterlassung des Konkursantrages bei feststehender Zahlungsunfähigkeit oder Ueberschuldung der Gesellschaft ist der Vorstand nach Art. 249 c Ziff. 2 strafbar. Für nachträgliche Begünstigungen von Gläubigern im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft unterliegen die Vorstandsmitglieder der Bestrafung nach §§ 214, 211 der Reichs­ konkursordnung, wie sie überhaupt durch § 214 derselben den.Strafbestimmungen der §§209—211 a. a. O. unterworfen sind.

Fuchsberger und Gareis ADHGB.

30

466

Zweites Buch. Von den Handelsgesellschaften.

Art. 216.

Zweiter Abschnitt.

Rechtsverhältnis -er Aktionäre. Artikel 216. Jeder Aktionär hat einen verhältnißmäßigen Antheil an dem Vermögen der Gesellschaft. Er kann den eingezahlten Betrag nicht zurückfordern und hat, solange die Gesellschaft besteht, nur einen Anspruch auf den reinen Gewinn, soweit dieser nach dem Gesellschaftsvertrage zur Vertheilnng unter die Aktionäre bestimmt ist. Prot. zuni ADHGB. S. SIS ff., 1042 ff. Entw. I88S Art. 216. Begr. hierzu S. 348. Gnth>. 188t Ulti. 216. Begr. hierzu S. 331. Komm. Ber. S. 1016. Sterr. Ber. S. 972, 1153.

NG. v. 18. Juli 1884.

Schon Art. 216 d. HGB. Anhalt.

Akrionärsrechte 438. Anfechtungsrechte 439. Antheilsrecht 116, 117, 118, 124, 466, 484. condictio indebiti 466. Dividende 364, 368, 467. Dividendenkoupon 369, 467. Einzelrechte 439. Forderungsrecht e 466, 488.

Gewinn 467. Gewinnantheil 467. Individualrechte 439. Kaduzierung 437. Legitrmationspapiere 468. Miteigenthum? 466, 488. Stimmrecht 231 ff., 438. Talon 468.

309. 9. Der Vorstand haftet der Gesellschaft ans seinen Erklärungen in Bezug auf die Gründung und aus der Geschäftsführung fünf Jahre lang. (Art. 241 Abs. 5.) Eine Decharge (Entlastung), welche vor Ablauf der Verjährungsfrist von der Generalversammlung beschlossen, wird, wie das vom Gesetze vorgesehen ist (Art. 225 a Abs. 2, Art. 239 a Abs. 3), hat im Zweifel nicht die Bedeutung eines Verzichts der Gesellschaft auf die rechtliche Verfolgung ihrer eventuellen Ersatzansprüche. Ueber den Grad der von den Vorstandsmitgliedern bei ihren für die Gesellschaft vorzuneh­ menden Rechtshandlungen zu beobachtenden Sorgfalt s. Bem. 288 (S. 456, 457). Was den Umfang der Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder im Allgemeinen anlangt, so haben sie der Gesellschaft für allen Schaden einzustehen, welcher derselben aus der Unterlassung oder nicht gehörigen Erfüllung der ihnen nach dem Gesetze, dem Gesellschaftsvertrage oder den Beschlüssen der Generalversammlung obliegenden Pflichten erwächst. Bezüglich der Solidarhaft der Vorstandsmitglieder für Verletzungen ihrer Obliegenheiten gelten die allgemeinen Grundsätze. (S.- Art. 280.) 310. Eine besondere gesetzliche Regelung hat die Verantwortlichkeit des Vorstandes über­ dies noch in Abs. 3 des Art. 241 erfahren, wonach dessen Mitglieder in besonders schweren Fällen der Verletzung der ihnen obliegenden Sorgfalt, nämlich für Verschleuderung des Gesellschafts­ vermögens (Art. 226 Ziff. 1—5 und Art. 240 Abs. 2) zu haften haben. Wie die Mitglieder des Aufstchtsrathes in den Fällen der Ziffern 1—5 des Absatz 2 des Artikel 226 für die wisseutliche Duldung der dort vorgesehenen Zahlungen, Lombardierungen, Amortisierungen re. rc., so sind die Mitglieder des Vorstandes, ohne daß es auf den Nachweis eines Schadens ankommen kann, zu dem Ersatz solcher Zahlungen rc. rc. verpflichtet, wenn und soweit sie dieselben leisten oder zulassen. Eine weitere Ersatzpflicht trifft die Vorstandsmitglieder auch dann, wenn dieselben entgegen der Vorschrift des Art. 240 Abs. 2 noch Zahlungen aus dem Vermögen der Gesellschaft leisten, obwohl von ihnen die Eröffnung des Konkurses beantragt werden mußte. Eine Haftpflicht der Mitglieder des Vorstandes ist in den bezeichneten Fällen jedoch der Gesellschaft gegenüber (nicht aber Dritten gegenüber) dann ausgeschlossen, wenn die Hand­ lung auf einem gesetz- oder statutenwidrigen Beschlusse der Generalversammlung beruht.

Dritter Titel.

Von der Aktiengesellschaft.

Art. 216.

467

311. In allen diesen Fällen der Haftung von Vorstandsmitgliedern haben jedoch nicht die einzelnen Aktionäre ein selbständiges Klagerecht gegen die Mitglieder des Vorstandes an sich. Ein solches kann nur von der Gesellschaft geltend gemacht werden und zwar deshalb, weil die Geschäftsführung des Vorstandes nicht für die einzelnen Aktionäre, sondern für die Gesellschaft erfolgt. (ROHG. XIX. 178.) 312. In Abs. 4 des Art. 241 ist außerdem noch eine besondere unmittelbare Haftungs­ verbindlichkeit der Vorstandsmitglieder zu Gunsten der Gesellschaftsgläubiger festgesetzt, allein nur in den oben genannten Fällen der Ziffern 1—5 Absatz 2 des Art. 226 und in dem Falle, daß sie entgegen der Vorschrift des Art. 240 Abs. 2 Zahlungen an die Aktionäre leisten,1) denn man kann dieselben nicht schon für eine bloße kulpose Geschäftsführung und für jedes statutenwidrige Handeln den Gesellschaftsgläubigcrn verantwortlich erklären, da nicht gefor­ dert werden kann, daß sie sich ungeachtet der ihnen von der Gesellschaft ertheilten Entlastung noch nach Jahren Gläubigern gegenüber wegen ihrer Geschäftsführung verantworten sollen. In den Fällen der Haftung kann aber der Ersatzanspruch von den Gesellschaftsgläubigern direkt gegen die solidarisch haftenden Vorstandsmitglieder geltend gemacht werden, soweit ihnen nicht die Gesellschaft Befriedigung gemährt, und die so in Anspruch genommenen Vorstandsmit­ glieder können sich in diesen Fällen ihrer Verpflichtung nicht dadurch entziehen, daß sie die sie belastende Vermögensverschleuderung aus einem Generalversammlungsbeschlusse rechtfertigen (Art. 241 Abs. 4 Satz 2). Allein gerade hieraus folgt, daß dem Vorstande die Anfechtung von derartigen Generalversammlungsbeschlüssen gestattet sein muß, denn wenn der Vorstand auf der einen Seite die Verpflichtung zum Vollzug der Beschlüsse der Generalversammlung hat und ihn andererseits in obigen Fällen die Haftung aus solchen trifft, so wäre er ganz schutzlos gestellt, namentlich wenn ein etwaiger Regreß an die Gesellschaft voraussichtlich erfolglos wäre. 10. Der Vorstand ist, wenn nichts Anderes bestimmt ist, zur Liquidation berechtigt und verpflichtet (s. bei Art. 244, Bem. 478 ff.). 313. 11. In formeller Beziehung ist der Vorstand zur Zeichnung der Gesellschaftsfirma in der Weise verpflichtet, daß die zeichnenden Mitglieder zu der Firma der Gesellschaft oder zu der Benennung des Vorstandes (z. B. Direktion) ihre Unterschrift hinzufügen (Art. 228 Abs. 2, Art. 229 Abs. 2, wie auch Art. 210 bei der Gründungsanmeldung und Art. 212 bei der Filiale­ anmeldung). Diese Vorschrift ist jedoch analog den Vorschriften der Art. 44, 48 und 139 eine bloße Ordnungsvorschrift. (S. ROHG. V. 267; IX. 215; X. 57; XII. 134, 243; XVIII. 340.) Es genügt, um die Gesellschaft durch die Vcrtretungshandlung zu berechtigen oder zu verpflichten, daß sich aus den Umständen der Wille der Kontrahenten ergibt, das Geschäft als für die Gesellschaft geschlossen anzusehen. (Art. 230.)2) Ist in den Statuten die Bestimmung getroffen, daß Quittungen von zwei Vorstandsmit*) Bei gesetzwidriger Dividendenzahlung haftet der schuldige Vorstand auf Grund des Art. 241 HGB. demjenigen Gläubiger der Aktiengesellschaft, der es erst nach der Dividenden­ zahlung geworden, auf Erstattung des Betrages, um welchen sich sein Ausfall vermindert haben würde, wenn der als Dividende ausgezahlte Betrag im Gesellschaftsvermögen verblieben wäre. Jeder darf, ohne daß er für diese Annahme individuelle Umstände vorzubringen braucht, für sich in Anspruch nehmen, daß das einmal angekündigte Kapital zur Zeit seines Gläubigerwerdens, soweit keine Ankündigung seiner Verminderung durch Herauszahlungen an die Aktionäre stattge­ funden hat, auch wirklich keine solche Verminderung erfahren hat. Dies gilt nicht bloß in Bezug auf solche Herauszahlungen, die auch als Kapitalsherauszahlungen stattgefunden haben, sondern auch in Bezug auf solche, welche als Dividendenzahlungen stattgefunden haben, aber in Wirklich­ keit unter dem bloßen Anscheine von Gewinnen Kapitalsherauszahlungen waren. RG. XIX. 111. 116. 117. 2) Im Verkehre kommt es vielfach vor, daß die Angabe der Firma oder des Vorstandes mit Stempel aufgedrückt wird und die Vorstandsmitglieder nur ihre Namen unterschreiben. Dies ist zulässig. Es ist aber auch statthaft, wenn bei Briefen rc. die Firma und Direktion oben auf­ gedruckt oder lithographiert ist und erst unter dem Texte des Briefes die Unterschriften stehen, da die unmittelbare Aufeinanderfolge von Firma und Unterschrift weder geboten noch nöthig ist. (ROHG. XIV. 317.)

468

Zweites Buch. Von den Handelsgesellschaften.

Art. 216. 217.

gliedern unterzeichnet werden müssen, so hat die nur von einem Vorstande unterzeichnete Quittung keine Beweiskraft und es muß daher anderweitig bewiesen werden, daß die Zahlung in die Gesell­ schaftskasse gelangt sei. Es ist jedpch hieraus nicht zu folgern, daß die Rechtsgültigkeit jeder Zahlung an die Gesellschaft von einerschriftlichen Quittung abhänge (ROHG. XII. 34), denn wenn in den Statuten die Firmenzeichnung nur den mehreren Vorstandsmitgliedern gemeinsam gestattet wird, so ist hiermit nicht gesagt und liegt auch nicht darin, daß dieselben ihre Geschäfte nur in schriftlicher Form abschließen dürfen. D. Der Auffichlsrath.

314. Die nach der ursprünglichen- Fassung des Handelsgesetzbuches nur fakultativ vor­ gesehene Bestellung, eines Aufsichtsrathcs ist bereits durch die Novelle von 1870 eine nothwendige Voraussetzung der Entstehung einer Aktiengesellschaft geworden; in der Novelle von 1884 aber ist der Aufsichtsrath um so mehr zu einem obligatorisch zu konstituierenden Kontrolorgan ausgebildet worden, als die Durchführung der Prüfungstheorie gerade in dem Auf­ sichtsrathe einen besonders kräftigen Halt findet und weil die Gesetzgebung nun der An­ sicht ist, daß neben der Verwaltung eines mit den weitgehendsten Befugnissen ausgestatteten Vor­ standes nur ein die Verwaltung des Gesellschaftsinteresses ununterbrochen im Auge behaltendes ständiges Organx) die Interessen der Gesellschaft und der Gesellschaftsgläubiger mit Erfolg wahr­ zunehmen vermag und es nicht ausreicht, daß das Ergebniß der Verwaltung nur zu einer be­ stimmten Zeit einer sachverständigen Prüfung unterzogen wird.

Artikel 217. Zinsen von bestimmter Höhe dürfen für die Aktionäre nicht bedungen, noch ausbezahlt werden; es darf nur dasjenige unter sie vertheilt werden, was sich nach der jährlichen Bilanz als reiner Gewinn ergiebt. Jedoch können für den in dem Gesellschaftsvertrage angegebenen Zeitraum, welchen die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfange des vollen Be­ triebes erfordert, den Aktionären Zinsen von bestimmter Höhe bedungen werden. HGB. Prot. 212-214, 1043 ff., 1053 ff., 1448 ff. Eulw. 1883 Art 217. Bc-r. hierzu S. 342-344, Entw. 1884 Art. 217. Begr. hierzu S. 331. Komm. Ber S. 1016. Sten. Ber. S. 972, 1153.

RG. v. 18. Juli 1884. 11. Juni 1870.

Art. 217 wie nach der Fassung des HGB. vor der Novelle vom Inhalt.

Auatocismus 370. Ausfallsjahrc 367, 466. Bauzinsen 373. Dividenden 364. — -anspruck, 368. — -Nachzahlung 367, 466. — -schein 369, 466. Ertragsgarantie 365. Garantie 365. Klage des Aktionärs 368, 466.

!

j :

Koupon 369, 466. — -Zirkulation 369, 466. promissa 364 Reingewinn 366. Superdividende 372. Talon 371, 466. Zinsen gar antie 365. Zinsenverbot 364 ff. Zinscszinsen 370. Zulässiges Zinsversprechcn 372.

315. Bezüglich der Wahl des Aufsichtsrathes enthält das Gesetz die Bestimmung, daß derselbe von der Generalversammlung der Aktionäre — nicht vom Vorstande, nicht noth­ wendig aus der Zahl der Aktionäre — gewählt werden müsse. (Art. 224, 191 Abs. 1.) Jede Delegations- und Kooptationsbefngniß ist beseitigt und eine solche Ergänzungswcise weder durch die Statuten noch durch einen Generalversammlungsbeschluß einführbar. (S. oben - *) Die Mitglieder des Aufsichtsrathes sind im Sinne des § 266 Ziff. 2 des RStGB. als Bevollmächtigte anzusehen. Entsch. des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. III S. 35, Bd. VII S. 279. Rechtspr. Bd. II S. 515, Bd. IV S. 832, Bd. VIII S. 695.

Dritter Titel.

Von der Aktiengesellschaft.-

Art. 217.

469

Bein. 256.) Die Wahl von stellvertretenden Aufsichtsrathsmitgliedern kann im Gesellschaftsver­ trage angeordnet werden. — Mitglieder des Aussichtsrathes können nur Physische Personen (keine Firmen, Komm.-Ber. a. a. O. S. 1018),*) Reichs- und Staatsbeamte nur mit besonderer Genehmigung sein, f. Reichsbeamten-G. vom 31. März 1873 tz 16, prenß. G vom 10. Juni 1874, bahr. Landtagsabsch. vom 28. April 1872 u. s. tu., s. Ring a. a. O. S. 310. Das Verwandtschafts- und Schwägerschaftsverhältniß der zu wählenden Aufsichtsrathsmit­ glieder unter einander bildet kein Wahlhinderniß und die in der Kommission Hierwegen bestan­ denen Bedenken sind dadurch gehoben, daß die Wahl des Äufsichtsrathes ausschließlich der General­ versammlung zusteht und solche für ihre-Bestimmungen selbst die Verantwortlichkeit trifft. Auch bemakelte Personen sind nicht unwählbar, allein die Generalversammlung wird sich im Interesse der Gesellschaft hüten, solche zu wählen bezw. beizubehalten. Die Generalversammlung ist also in der Wahl der Aufsichtsrathsmitglieder vollkommen unbeschränkt, soweit nicht durch das Statut Schranken gezogen sind. Der zum Aufsichtsrathsmitgliede Gewählte hat ein Klagerecht auf Zulassung hierzu, da es sich hier um ein gesellschaftliches Vorrecht vermögensrechtlichen Inhaltes handelt. (ROHG. XVII. 111. 112.) 316. Was die Zusammensetzung des Aufsichtsrathes -) anlangt, so bestimmt das Gesetz nur, daß derselbe aus wenigstens drei Mitgliedern bestehen müsse. Erscheint diese Mindestzahl unzureichend, so liegt es in der Hand der Gesellschaft, dieselbe zu erweitern. Daß die Aufsichts­ rathsmitglieder keine Aktionäre zu sein brauchen, wurde oben Bem. 256 bereits angedeutet. Es sollen von der Wahl Personen, welche durch ihre Kenntnisse und Erfahrung in hohem Grade zu einer solchen Stellung befähigt sind, nicht deshalb ausgeschlossen sein, weil sie keine Aktionäre sind. S. oben Bem. 256 und die dort Anm. 2 angegeb. Lit.; ebenda s. über Ersatzmännerwahl (S. 443). Einestheils zur Beseitigung der Abhängigkeit der Wahl des Äufsichtsrathes von den Grün­ dern, anderntheils zur Verhütung einer zu großen Stabilität desselben ist in Art. 224, 191 Abs. 2 U. 3 bestimmt, daß die Wahl des ersten Äufsichtsrathes nur für das erste Geschäftsjahr und, wenn etwa dasselbe nach dem Gesellschaftsvertrage einen kürzeren Zeitraum als ein Jahr, von Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister ab gerechnet, umfaßt, nur bis zum Ablauf des am Schluffe dieses Jahres laufenden Geschäftsjahres gelten soll, und daß der Aufsichtsrath auch später nicht auf länger als fünf Geschäftsjahre gewählt werden kann. Ein fürlängere Frist ertheiltes Mandat eines Aufsichtsrathsmitgliedes erlischt von selbst mit dem Ablauf des fünften Jahres, ohne daß jedoch die Wiederwahl ausgeschlossen wäre. Im Nebrigen vgl. hierzu Ring a. a. O. S. 311 und Löwenfeld in Goldschmidt's Zeilschr. Bd. XXXI S. 125ff. 317. Durch qualifizierten Beschluß der Generalversammlung (Dreiviertelsmajorität) kann das Mandat eines jeden Aufstchtsrathsmitgliedes zu jeder Zeit widerrufen werden (Art. 224, 191 Abs. 4). S. hierüber oben Bem. 256, insbesondere Anm. 2 u. 3 daselbst und die dort angegeb. Lit. Den Entschädiglmgsansprüchen abberufener Mitglieder aus bestehenden Verträgen wird selbstverständlich nicht präjudiziert. 318. Um zu verhindern, daß die Gründer durch das Versprechen hoher Vergütung sich willige Aufsichtsrathsmitglieder zur Prüfung ihrer Gründung verschaffen, bestimmt der Art. 224, 192, daß eine Vergütung den Mitgliedern des ersten Atlfsichtsrathes für die Ausübung ihrer Thätigkeit nur durch einen Generalversammlungsbeschluß bewilligt werden darf, welcher nach Ab­ lauf des Zeitraumes, für welchen das betreffende Mitglied gewählt ist (Art. 191 Abs. 2 und 3), gefaßt wurde. Auch was die spateren Aussichtsrathsmitglieder anlangt, so haben dieselben nach dem Ge­ setze einen Anspruch auf ein Honorar nicht, sondern sie können gesetzlich nur ihre baaren Aus*) Bergl. hierzu unten Bem. 320. 2) Die Zusammensetzung des Äufsichtsrathes muß bereits vor der Anmeldung vorgenommen worden sein, denn diese muß, wie von sämmtlichen Gründern und Vorstandsmitgliedern, so auch von den Mitgliedern des Äufsichtsrathes unterzeichnet sein; auch müssen die Namen der Auf­ sichtsrathsmitglieder in dem vom Handelsgericht zu veröffentlichenden Auszug des Statuts bekannt gegeben werden. (S. hierüber oben bei Art. 210, 210 a.)

Zweites Buch.

470

Bon den Handelsgesellschaften.

Art. 217.

lagen (wozu eine Entschädigung für bloße Zeitversäumniß nicht gehört) ersetzt verlangen. Es kann jedoch in dem Gesellschaftsvertrage für die zu wählenden Aufsichtsrathsmitglieder ein Honorar festgesetzt oder denselben durch die Generalversammlung

ein solches zugesprochen werden.

Das

Honorar kann dann in der verschiedensten Weise bestimmt werden: als eine ein- für allemal zu gewährende Geldsumme, als Jahresgehalt, als Tantiemenbezug, nach Prozenten des jeweiligen Reingewinnes rc. re. Ist der Bezug des Honorars statutarisch geregelt, so liegt in einer, wenn auch nur einmaligen Erhöhung, z. B. Gewährung einer besonderen Gratifikation, eine Aenderung des Gesellschaftsvertrages, welche nur in der Form einer Statutenänderung zulässig wäre. Auf Auszahlung des ihnen zugesagten und bezw. zugesprochenen Gehaltes haben die Aufsichtsrathsmitglieder ein Klagerecht.

Besteht derselbe in gewissen Prozenten des Reingewinnes, so

ist dieses Klagerecht dadurch bedingt, daß dieser Reingewinn vorerst von der Generalversammlung anerkannt ist. (ROHG. XXIV. 354.) 319. Um die Interessen der Gesellschaft und der Gesellschaftsgläubiger

gegenüber dem

Vorstande wirksam zu sichern, ist in sicherer Abgrenzung der Funktionen des Aussichtsrathes ltiib des Vorstandes gegeneinander der Aufsichtsrath als eine die gesammte Geschäftsführung des Vorstandes wesentlich überwachende, die Thätigkeit desselben kontrolierende Behörde ge­ schaffen.

Um aber Kollusionen mit der zu kontrolierenden Behörde möglichst zu vermeiden, darf

eine Delegation von Mitgliedern des einen Organs in das andere zur Wahrnehmung von dessen Funktionen nicht stattfinden. Deshalb ist neben den bereits von der Novelle von 1870 eingeführ­ ten Beschränkungen in Bezug

auf die Wahlperiode und in Bezug auf

die Zulässigkeit der

Honorierung in Art. 225 a Abs. 1 u. 2 nunmehr behufs Vermeidung der Kontrolierung der eigenen Verwaltung und der Verwischung der Verantwortlichkeit bet? delegierten Mitglieder ausdrücklich bestimmt, daß die Mitglieder des Aufsichtsrathes nicht zugleich Mitglieder des Vorstandes oder dauernd Stellvertreter derselben sein, auch nicht als Beamte, etwa Direktoren oder Prokuristen, die Geschäfte der Gesellschaft führen dürfen und daß, wenn Mitglieder aus dem Vorstande aus­ scheiden, dieselben nicht vor ertheilter Entlastung (Decharge) in den Anfsichtsrath gewählt werden dürfen. Durch die Kommission veranlaßt, wurde sodann in Berücksichtigung eines Bedürfnisses ins­ besondere kleinerer Aktiengesellschaften, denen es innerhalb des Vorstandes an dem geeigneten Personal für eine Vertretung behinderter Mitglieder mangelt und bei welchen auch die Aussichts­ rathsmitglieder Bedenken tragen würden, in den Vorstand aushilfsweise einzutreten, wenn sie sich nach Beendigung der Vertretung erst einer Neuwahl unterwerfen müßten (Komm.-Ber. a. a. O. S. 1019), unter Sah 2 des Art. 225 a Abs. 1 die Bestimmung getroffen,

daß

für

einen im

Voraus begrenzten Zeitraum Mitglieder des Aufsichtsrathes zu Stellvertretern für behinderte (auch ausgeschiedene) Mitglieder des Vorstandes bestellt werden können und daß zweitens, welches auch sonst die Bestimmungen über die Art der Bestellung des Vorstandes sein mögen, für solche Behinderungsfälle der Anfsichtsrath das Recht zur Bestellung dieser Stellvertreter hat. Damit aber eine unzulässige Vermischung der Funktion des Aussichtsrathes und des Vor­ standes ausgeschlossen ist, ist hier zugleich

weiter bestimmt, daß der Stellvertreter bis zu seiner

erfolgten Entlastung ^Decharge) eine Thätigkeit als

Mitglied

des Aufsichtsrathes

nicht aus-

üben darf. Selbstverständlich ist es, daß bezüglich der hier bezielten Stellvertreter auch der Art. 232a Anwendung findet. 320.

In einer Erörterung „zum neuen Aktiengesetze" in Busch's Arch. Bd. 47 (1887)

S. 1 ff. kommt v. Völderndorff zu dem Resultate, daß von mehreren Mitgliedern einer offenen Handelsgesellschaft in Hinblick auf Art. 225a immer nur ein Mitglied als Gesellschaftsorgan einer Aktiengesellschaft thätig sein kann und daß niemals die Mitglieder derselben offenen Handels­ gesellschaft theils im Vorstande, theils im Aufsichtsrathe einer Aktiengesellschaft sitzen dürfen; v. Völderndorff beruft sich zur Motivierung dieser seiner Ansicht aus die Tendenz des angeführten Artikels, gefährliche Jnteressenverwickelungen 31t vermeiden, und vornehmlich

aus den Satz der

Begründung zum Gesetzentwürfe (S. 292), daß Art. 225a insbesondere gegeben wurde, um dem

Dritter Titel. bisher in der Praxis

Bon der Aktiengesellschaft.

Art. 217.

„namentlich bei Sozien vorkommenden Mißbrauche"

471 vorzubeugen.

Dem

gegenüber ist bereits in einer Anm. d. Red. (a. a. O. S. 4) darauf aufmerksam gemacht worden^ daß der zuletzt erwähnte Satz der Begründung (S. 292) sich auf etwas Anderes, nämlich auf den. Mißbrauch,

sich innerhalb des Aufsichtsraths durch Sozien vertreten zu lassen,

auf Art. 225a, sondern 225 Abs. 4 beziehe.

mithin sich nicht

Zuzugeben ist die von v. Völderndorff angeführte

Tendenz des Art. 225a; aber die Tendenz selbst ist noch nicht Gesetz und dieses über seine wirk­ lichen Dispositionen hinaus auszudehnen, ist nicht gestattet. 003 entgegengesetzter Ansicht,

indem er hervorhebt,

glieder der Gesellschaftsorgane sind.

Es ist

Mit Recht ist Ring a. a. O. S. 309,

daß nicht Firmen, sondern Personen Mit­

darauf

aufmerksam

zu

machen,

nicht blos daß die

offene Handelsgesellschaft eine von den Mitgliedern verschiedene eigene relative juristische Persön­ lichkeit hat (). Art. 85 Bcm. 4 ff.),

sondern auch,

daß gerade bei der Vertrauensstellung, welche

die Mitglieder der Organe der Aktiengesellschaft genießen müssen, nothwendig die Einzclpersönlichkeit des hierzu Gewählten auf seine persönliche Tüchtigkeit u. s. w. geprüft und in's Auge gefaßt erscheint,- nicht die Zugehörigkeit zu einer Gesellschaftsfirma, die dann denn andererseits auch nicht nothwendig ein Hinderniß der Wahl sein muß. Der sonach hier und von Ring (a. a. O.)

vertretenen,

der v. Bölderndorss'schen

Ansicht entgegengesetzten Auffassung des Art. 225a schließt sich auch Hergenhahn in Busch'L Arch. Bd. 47 S. 113—121 an. 321.

Die Kompetenz des Aufsichtsrathes, auch dessen Pflichten.

1. Die bisher bestandene allgemeine Verpflichtung des Aufsichtsrathes, die Geschäftsführung der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen, wobei es lediglich dem Ermessen des Aufsichtsrathes überlassen war, -inwieweit er zu diesen: Zwecke sich von dem Gange der An­ gelegenheiten der Gesellschaft unterrichten,

die Bücher und Schriften derselben einsehen

untersuchen wollte,

Art. 225 mehr spezialisiert.

Eine ausreichende gesetzliche Spezialisierung der Pflichten des Auf­

sichtsrathes

ist allerdings

wurde

durch

die Aktiennovelle von

oder den

Bestand der Gesellschaftskasse

bei der Verschiedenheit des Gesellschaftszweckes

und

1884 in

der Gesellschafts­

verhältnisse der einzelnen Aktiengesellschaften nicht möglich, allein ganz darf es doch nicht dem Er­ messen des Aufsichtsrathes überlassen bleiben, ob und wie er eine Revision der Geschäftsthätigkeit des Vorstandes eintreten lassen will. auferlegt,

In Abs. 1 des Art. 225 ist demselben vielmehr die Pflicht

sich von dem Gange der Angelegenheiten der Gesellschaft zu unterrichten

und wurden

zu dem Zwecke auch seine Befugnisse dahin erweitert und präzisiert, daß er jederzeit (d. h. einerseits zur passenden, den Geschäftsgang nicht störenden, andererseits aber zweckentsprechenden Zeit) und in allen Dingen von dem Vorstande Berichterstattung verlangen, Revisionen nicht blos selbst, son­ dern auch durch einzelne Mitglieder vornehmen

und diese Revisionen außer der Kasse auch

die Bestände an Waaren und sonstigen Werthen erstrecken kann.

auf

(S. hierüber Begründung 1884

a. a. O. S. 290 und § 80 der Konkurs-Ordn. hinsichtlich des Gläubigerausschusses.)

Bezüglich

der Art unb Weise, sowie der Zeit und Zahl der vorzunehmenden Kassen- und Geschäftsrevisionen läßt sich bei der Verschiedenartigkeit der Unternehmungen eine allgemeine Regel nicht ausstellen, es muß vielmehr

dem Einzelfalle überlassen

bleiben,

inwieweit

von

dem Aufsichtsrathe

derartige

Revisionen nothwendig oder zweckmäßig vorzunehmen und die Folgen ihrer Unterlassung zu ver­ treten sind. Da der Aufsichtsrath seiner Ueberwachungspflicht nur dann genügen kann,

wenn er sich

auch von den laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft (also auch von den erst in der Entwicke­ lung begriffenen Geschäften derselben)

unterrichtet,

so macht ihm dies

der Art. 225 zur Pflicht,

während es bisher lediglich in sein Ermessen gestellt war. Durch die Worte

„zu dem Zweck",

Art. 225 Abs. 1 aufgenommen wurden,

welche

Äufsichtsrath einer zu ängstlichen und minutiösen, in die Details der Geschäftsführung enthalten soll. der Pflicht eines

auf Veranlassung der Kommission in den

soll noch besonders hervorgehoben werden,

ordentlichen Geschäftsmannes liegt

daß sich der

die Gesellschaft nur schädigenden Einmischung Sie soll sich nur soweit erstrecken, als sie in und

zur Geschäftsüberwachung, sowie zur

Verhütung gesetz- oder statutenwidriger Handlungen nothwendig ist.

472

Zweites Buch. Von den Handelsgesellschaften.

Art. 217. 218.

Die Einsichtnahme der Bücher rc. steht in der Regel nur den AufsichtsrathSmitgliedern gemeinschaftlich zu, sie kann aber auch von einzelnen derselben vorgenommen werden.. Letzteres ist aber nicht in das Belieben eines jeden Einzelnen gestellt, sondern das einzelne Mitglied muß von dem Anfsichtsrathe hierzu bestimmt sein. Es wurden deshalb von der Kommission die Worte: „von ihm zu bestimmende" in den Gesetzestext aufgenommen und zwar gab die Veranlassung hierzu der Umstand, hiermit nach Möglichkeit der Gefahr vorzubeugen, daß die Einsichitnahme für eigennützige Spekulationen oder sonstige Privatzwecke ausgebeutet werde.

Artikel 218. Der Aktionär ist in keinem Falle verpflichtet, die in gutem Glauben em­ pfangenen Zinsen und Dividenden zurückzugeben. Prot. S. 335 ff 1044. Cntw. 1883 Art. 218. Begr. hierzu T. 342. Pegr. hierzu S. 331. Komm. Ber. S. 1016. Steu. Ber. S. 972, 1153.

Entw. 1884 Art. 218.

RG. v. 18. Juli 1884. HGB. Art. 218. Anhalt.

Böser Glaube 469, 470. Dividenden 364, 368, 467. Empfangene Dividenden 469. — Zinsen 469. condictio indebiti 470. —

sine causa 470.

Guter Glaube 469, 470.

! I

Rückforderungsklage 470. Superdividendc 372. Talon 366, 371. Zins enanspruch 368. Zinsenverbot 364 ftZinseszinsen 370.

ZinSversprechen 372.

322. Eine weitere Pflicht des Aufsichtsrathes besteht nach Art. 225 Abs. 1 noch darin, die Jahresrechnungen, Bilanzen und Gewinnvertheilungsvorschläge zu prüfen und darüber der Generalversammlung zu berichten. Der Entwurf hatte bestimmt, daß diese Berichterstattung „all­ jährlich" zu geschehen habe, es wurde dies jedoch auf Veranlassung der Kommission deshalb gestrichen, weil der Vorstand auch während des Jahres Veranlassung zur Aufstellung einer Zwischenbilanz haben kann (Art. 240), welche sodann auch der allgemeinen Vorschrift des Art. 225 unterliegen. Da das überwachende Organ nicht zugleich verwaltendes und darum selbst zu kontrollieren­ des Gesellschaftsorgan sein kann, so kann der Aufsichtsrath nicht in die Verwaltung selbst herein­ gezogen, nicht Verwaltungsrath werden?) *) Es ergibt sich dies aus der Tendenz des Gesetzes und namentlich aus den Art. 225, 225a und 226. Die Begründung der Aktiennovelle von 1884 hält es jedoch für möglich, ja an­ gesichts der Bedürfnisse der Praxis sogar für häufig nothwendig oder wenigstens zweckmäßig, den Aufsichtsrath in seiner Gesammtheit oder in einem Theile seiner Mitglieder auch als Verwaltungs­ rath fungieren zu lassen und kommt zu dieser mit dem Prinzipe allerdings in Widerspruch stehen­ den Ansicht durch ausführliche Erwägungen, denen in der Hauptsache Folgendes zu entnehmen ist: Wenn aber auch aus obigem Grunde von einem verwaltenden Organe auf Seiten des Auf­ sichtsrathes zunächst nicht die Rede sein kann, so ist hiermit nicht gesagt, daß er der Verwaltung in jeder Beziehung gänzlich fern stehen müsse. Er kann allerdings in seiner dermaligen Gestal­ tung als Kontrolorgan nicht mehr wie fxüher über allgemeine Maßregeln der Geschäftsführung und wichtige Unternehmungen mitbeschließen itnb somit neben seiner beaufsichtigenden Stellung nicht auch noch Verwaltungsrath in dieser Ansdehnimg sein, allein es kann ihm nicht jede Be­ theiligung an der Verwaltung vollständig untersagt sein. Würde er derselben völlig fernzustehen haben, so würde er nie oder nur schwer Einblick in dieselbe gewinnen können; seine Aufsicht würde fick) lediglich auf die formale Geschäftsführung beschränken müssen und der eigentliche Zweck seines Daseins, Mißgriffen und bezüglichen Handlungen des Vorstandes vorzubeugen, würde ver­ eitelt fein. Nun ist allerdings eine vollständige Abgrenzung der Funktionen des Aufsichtsrathes nach dieser Richtung durch das Gesetz nicht wohl möglich, weil ja je nach der Art und dem Betriebe des Gesellschaftsunternehmens die Aufgabe einer wirksamen Kontrole eine verschiedene ist. Durch das Gesetz sind also nur die allgemeinen Grundzüge aufgestellt, während die Feststellung der weiteren Obliegenheiten des Aufsichtsrathes dem Gesellschaftsvertrage überlassen ist. (Art. 225 Abs. 3.) Das jeweilige Gesellschaftsunternehmen kann es aber aus obigem Grunde als noth­ wendig erscheinen lassen, den Aufsichtsrath zugleich mit den Funktionen eines Verwaltungsrathes

Dritter Titel.

Bon der Aktiengesellschaft.

473

Art. 218.

323. Nach Abs. 4 Art. 225 haben die Mitglieder des Aufsichtsrathes keine 8ubstitutlonsbefugniß. Es ist zwar nicht verboten, daß innerhalb des Aufsichtsrathes bestimmte Funktionen einem Einzelnen oder einem engeren Ausschuß delegiert werden, diese Gesetzesbestimmung soll aber verhindern, daß der Einzelne die ihm ftatuten- oder geschäftsordnnngsmäßig obliegenden Geschäfte auf einen Andern abwälze. (Komm.-Ber. a. a 8. S. 1019.) Die Aufsichtsrathsmitglieder können sich in geeigneten Fällen sachverständiger Hülfe, z. Bbei Prüfung der Bilanz eines Bucherrevisors bedienen, sie können' auch die Berrichtung der ein­ zelnen, dem Aufsichtsrathe übertragenen Obliegenheiten unter die Mitglieder verschieden vertheilen Mit der Vertrauensstellung, welche bte Mitglieder des Aufsichtsrathes der Gesellschaft gegenüber einnehmen und mit dem Grundsätze, daß von der Generalversammlung präsumptw bei der Wahl auf die Person des Gewählten entscheidendes Gewicht gelegt worden ist, wäre es nicht vereinbar, wenn dieselben sich in bet* Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten, namentlich bei Berathimgen und Beschlußfassungen durch andere Personen, seien dies auch Mitglieder des Ailfsichtsrathes, ver­ treten lassen und letztere zu diesem Zwecke von ihnen mit Instruktion versehen werden,

lBe­

gründung a. a. O. S. 292 Ziff. 5.) 324.

2. Der Äufsichtsrath hat zugleich mit den Mitgliedern des Vorstandes den Hergang

der Gründung zu prüfen und darüber einen Bericht zu erstatten, für dessen Wahrheit und Voll­ ständigkeit die einzelnen Mitglieder haften.

(8. hierüber oben bei Art. 209 f.)

3. Eine besondere Prüfungspflicht liegt dem Aufsichtsrathe ob im Falle von Nachgründungen; auch hier muß der Prüfungsbericht dem Handelsgericht eingereicht werden. (S. hierüber bei Art. 213 f.) 4. Die Aufsichtsrathsmitglicder haben die Anmeldung mir 51t unterzeichnen und bei Successivgrindungen in der gerichtlichen Generalversammlung sich berichtlich über den Gründungs­ hergang rc. zu erklären. der Gcnerclversammlung Art. 210, $10 a.) 325.

Hierbei kann jedes Mitglied des Aufsichtsrathes bis zur Beschlußfassung seine

Unterschrift

der

Anmeldung

zurückziehen.

(8.

hierüber

bei

5. Der Äufsichtsrath hat das Recht, die Generalversammlung einzuberufen, so oft

ihm dies m Interesse Bem. 239.

der Gesellschaft erforderlich

erscheint.

(Art. 225 Abs. 2.)

Vgl. oben

6. Zur Bestellung eines Prokuristen ist die Zustimmung des Aufsichtsrathes erforderlich, sofern nicfls Anderes statutarisch beschlossen ist. (8. bei Art. 234.,1 Vgl. Bem. 272, 286, 344.

auszustatten oder denselben in zwei Abtheilungen zu zerlegen, von denen die eine als Verwaltungsrath dem Vorstande in der Verwaltung mitwirkend zur 8eite steht, die andere dagegen nur die Geschästsfülrung des Vorstandes beaufsichtigt, wobei diese Abtheilungen in ihrer Thätigkeit mehr oder wenige- in einander greifen können. Wie aber nach dem Gesetze ein Verwaltungsraih neben dem Aufsichsrathe als rechtlich selbstständiges Organ nicht zugelassen ist (s. hierüber auch unten Bem. 343), so darf derselbe, wo es zur Ausübung einer wirksamen Kontrole über den Vorstand einer verwcltenden Mitwirkung bedarf, auch durch den Gesellschaftsvertrag nicht als ein selbst­ ständiges Brwaltungsorgan geschaffen, sondern nur dem Aufsichtsrathe zugetheilt werden. Durch die Beigabe eines Verwaltungsrathes darf jedoch der Aufsichtsrath als Kontrolorgan in gar keiner Weise beeinlußt werden, sondern es soll ihm durch den Verwaltungsrath nur die zu einer wirk­ samen Kontole unbedingt nothwendige Unterstützung gewährt werden. In Betreff der Verant­ wortlichkeit gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschastsgläubigern bestehen nur zwei Organe, der Vorftan) und der Aufsichtsrath. Die zur Berathung bestellten Mitglieder des Vorstandes bleiben Vorsandsmitglieder und die zu einer Theilnahme an der Verwaltung berufenen Mitglieder emes Aufsiotsrathes bleiben Aufsichtsrathsmitglieder. Ein sogenannter Verwaltungsrath bleibt danach entwder ein Theil des Vorstandes oder des Aufsichtsrathes. Ob das eine oder das andere der Fall ist, entscheidet sich nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages. Je nach diesen unterliegt ei den gesetzlichen Pflichten, insbesondere der Verantwortlichkeit entweder des ersteren oder des toteren in vollem Umfange. (8. hierüber die Begründung a. a. O. 8. 288—290.) Wie sich aus dem Folgenden (Bem. 324, 325) ergibt, hat die Aktiennovelle von 1884 selbst dem Aufsichtsratb eine gewisse Exekutiv-Kompetenz ertheilt. 8. Ring a. a. O. 8. 489 Abs. 2.

474

Zweites Buch.

Von den Handelsgesellschaften.

Art. 218.

7. Dem Aufsichtsrathe kommt die Begutachtung des Jahresberichtes, der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung zu.

(S. Art. 239.)

Vgl. oben Bem. 322.

8. Durch Vertrag (Statut) können dem Aufsichtsrath noch weitere Funktionen auferlegt, nicht aber die nach dem Gesetze (Art. 227, 230, 231) dem Vorstande zukommende Führung von laufenden Geschäften ihm wie einem rechtlich selbstständigen Gesellschaftsorgane neben dem Vorstande mit Wirkung gegen Dritte übertragen werden. 9.

(S. oben Bem. 322 Sinnt.)

Auch im Falle der' Liquidation hat der Aufsichtsrath die gesammte Geschäftsführung

zu überwachen; auf seinen Antrag kann die Ernennung und Abberufung von Liquidatoren durch den Richter erfolgen.

(Art. 244 Abs. 2 u. 4, 244 a.)

10. Um die Haftungen der Vorstandsmitglieder ohne Weiteres wirksam werden zu lassen, räumt das Gesetz dem Aufsichtsrathe das Recht ein, auf Beschluß der Geueralversammlung die Prozesse zu führen, mittels welcher die Ansprüche der Gesellschaft aus der Gründung, Geschäfts­ führung und Liquidation gegen die einzelnen haftenden Mitglieder zur Geltung gebracht werden. (S. Art. 223, 194, 195.) 11. Die Repräsentation der Aktiengesellschaft kommt dem Aufsichtsrathe außer dem eben, unter Zifs. 10, erwähnten Falle auch noch dann zu, wenn die Anfechtungsklage gegen einen gesetzoder statutenwidrigen Generalversammlungsbeschluß von Vorstandsmitgliedern erhoben wird; in diesem Falle ist nämlich der Aufsichtsrath Beklagter.

Erheben Dritte oder nicht sämmtliche Vor­

standsmitglieder die Anfechtungsklage, so ist sie gegen die (übrigen) Vorstandsmitglieder und gegen, den Aufsichtsrath zil richten.

326.

(Art. 190 a, 222.)

Die Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrathes während des Bestehens-

der Gesellschaft, die bisher im Akliengesetze keineswegs erschöpfend geregelt, sondern zum größten Theile der Beurtheilung nach den in den verschiedenen Civilgesetzen des Deutschen Reiches nicht übereinstimmenden Grundsätzen des Mandats überlassen war, ist mm zur Beseitigung jeden Zwei­ fels über deren Umfang durch Art. 226 einheitlich geregelt. Dieser Artikel behandelt sowohl die Verantwortlichkeit der Aufsichtsrathsmitglieder gegen­ über der Gesellschaft (Abs. 2), wie die gegenüber den Gesellschaftsgläubigern (Abs. 3). Was die von denselben bezüglich der ihnen nach Art. 225 zugewiesenen Obltegenheiten anzuwendende und zu vertretende Sorgfalt anlangt, so hat man solche nicht, analog den Art. 344, 397, 404, 478wie beim Kaufmann, Frachtführer, Rheder und Schiffer, als die eines ordentlichen Aufsichtsraths­ mitgliedes, sondern als die eines ordentlichen Geschäftsmannes (Art. 343) bestimmt, davon aus­ gehend, daß die Funktion eines Aufsichtsrathsmitgliedes nicht wie die eines Schiffers zc. ein stehendes Gewerbe darstelle und daher die Bezugnahme auf die Sorgfalt eines solchen noch keinen sicheren Maßstab für die Beurtheilung, welche Sorgfalt anzuwenden sei, enthalte.

(Komm.-Ber-

a. a. O. S. 1019 f.) Der Begriff der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes fällt mit dem der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters in seiner ttebertragung auf geschäftliche Verhältnisse zusammen.

Eine besondere

Erfahrung

und Kenntniß in dem bestimmten Geschäftszweige bev

Gesellschaft dient nicht zum Maßstabe, es wird vielmehr nicht mehr und nicht weniger verlangt, als die Sorgfalt, welche ein jeder ordentlicher Geschäftsmann anwendet. Es ist der richterlichen Beurtheilung der nothwendige Spielraum für die Individualität des einzelnen Falles und der einzelnen Persönlichkeit gelassen. Der Richter mag in jedem einzelnen Falle abwägen, wie weit nach der konkreten Lage der Verhältnisse die Kontrole hätte ausgedehnt werden müssen.

Die ein­

fache Thatsache, daß ein Verlust hätte vermieden werden können, wenn das kontrolierende Mit­ glied des Aufsichtsrathes seine Thätigkeit auf die Prüfung des Geschäftes ausgedehnt hätte, reicht zur Substantiierung des Regreßanspruches nicht aus. des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts.

Es gelten auch hier die allgemeinen Regeln

Begründung a. a. £). S. 291.

(Komm.-Ber.

S. 1019, 1020.) Da, wie bereits Bem. 250 und 315 erwähnt, den Aufsichtsrathsmitgliedern die Delegationsbefugniß benommen ist, so kann auch von einer bloßen culpa in eligendo nicht die Rede sein?)

l) Was hier namentlich die Beweispflicht anlangt, so gilt Folgendes: Da es sich um Schadensansprüche aus einem Obligationsverhältnisse handelt, so müssen vor Allem die Kläger,

Dritter Titel.

Von der Aktiengesellschaft.

Art. 219,

475

Artikel 219. Die Verpflichtung des Aktionärs, zu den Zwecken der Gesellschaft und zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten beizutragen, wird durch den Nominalbetrag der

das sind hier die Gesellschaft oder die Gesellschaftsgläubiger, beweisen, daß durch die Handlung des Beklagten, des Mitgliedes des Aufsichtsrathes nämlich, der Schaden entstanden sei, und zwar durch Verletzung der Vorschriften, die demselben für sein Verhalten nach Maßgabe des Gesellschaftsvcrtrages, der Beschlüsse der Generalversammlung oder sonstiger Instruktionen re. rc. ob­ gelegen haben. Weil es sich aber bald um eine allgemeine Pflicht, bald um besondere Verbindlich­ keiten handeln kann, so wird sich die Schadensersatzpflicht, insbesondere der Kausalzusammenhang zwischen der zu erfüllenden Obliegenheit und dem zu vertretenden Schaden, sehr verschieden ge­ stalten. Der Kläger hat also stets den Umfang der Obliegenheit und die Kausalität der Verletz­ ung derselben zu dem Schaden nachzuweisen. Dagegen hat auf der anderen Seite der aus einem kontraktlichen Verhältnisse Beklagte, wenn er den gegen ihn erhobenen und erwiesenen Schadens­ ersatzanspruch von sich abwenden will, die Erfüllung seiner Verbindlichkeit zu beweisen oder nach­ zuweisen, weshalb er eine Nichterfüllung nicht zu vertreten habe; zu diesem Beweis der Pflicht­ erfüllung gehört aber der Beweis der angewendeten, nach dem Gesetze schuldigen Sorgfalt. Nach dem gemeinen Rechte (vgl. Wind scheid, Pandekten § 265 Nr. 6, § 410 Anm. 27; Wächter, Pandekten § 87 Beil. II S. 257 ff., § 89, I, 2, 3 lit. a Note 6, 7, 9; Mommseu, Beiträge rc. III S. 390, 402, Note 27, 405; Weber, Die Verbindlichkeiten zur Beweisführung S. 134ff.; M a xen, Ueber Beweislast :c. S. 146 ff.. 161 ff., 188 ff.), wie nach preußischem Rechte (s. Dernburg, preuß. Landr. II § 70 S: 160 ff.) und nach französischem Rechte (s. Zachariä, srauz. Civilrecht § 308 Nr. 17, § 331 Note 4, 9 a) wird aus der Natur des Mandats, sowie der Rechenschaftspflicht der Verwalter fremden Vermögens und der dabei mitwirkenden Personen un­ beanstandet gefolgert, daß dieselben, um sich von der Vertretung einer Schädigung oder Minderung des ihrer Beaufsichtigung und Verwaltung unterstellten Vermögens zu befreien, der diesbezüg­ lichen klägerischeu Behauptung bezw. Beweisführung gegenüber darzuthun haben, daß die Schä­ digung oder Minderung nicht in Folge einer Vernachlässigung ihrer Obliegenheiten eingetreten sei, daß diese vielmehr von ihnen pflichtgemäß erfüllt worden seien. Begründung 1884 a. a. O. S. 291. (Ueber die Rechtsprechung hierüber s. die Entscheidungen des vormaligen Reichsoberhaudelsgerichtes vom 1. Juni 1872, Sammt. d. Entsch. Bd. VI S. 215 ff.; dann vom 30. April 1875 Bd. XVII S. 239 und die in diesen beiden Entscheidungen vielfach an­ geführten weiteren Entscheidungen dieses Gerichtshofes, sowie anderer deutscher Gerichts­ höfe; s. auch noch Seuffert, Archiv VII Nr. 31, IV Nr. 14, V Nr. 306, XV Nr. 45, 46, XIX Nr. 195, XXV Nr. 184, XXVI Nr. 188, 189, XXXII Nr. 193.) Da aber die Pflichten des Aufsichtsrathes in den Bereich der Obliegenheiten der vorgezeichneten Art fallen, indem, wie bereits oben ausgeführt, sich die Aufgabe des Aufsichtsrathes nicht aus die bloße Revision der Geschäftsführung des Vorstandes beschränkt, dieselbe vielmehr gesetzlich und nach dem Gesellschafts­ vertrage vielfach mit einer mitwirkenden Thätigkeit bei der Verwaltung untrennbar verknüpft ist und die Aufsichtsrathsmitglieder namentlich zum Einschreiten in Fällen, wo das Verfahren des Vorstandes dem Gesetze oder dem Gesellschaftsvertrage, bezw. der ihm ertheilten Instruktion zu­ widerläuft oder die Gesellschaft zu schädigen geeignet ist, verpflichtet (s. hierüber Begründung a. a. O. S. 291), so gelten hier bezüglich der Bcweislast, die als dem Civilrechte angehörig in keiner Weise durch die Reichscivilprozeßordnung eine Aenderung erfahren haben kann und hat, die gleichen Rechtsgrundsätze; es bedarf Hierwegen nicht noch einer besonderen gesetzlichen Regelung und würde namentlich eine hiervon abweichende mit der hier bezüglich der Beweislast geltenden Regel in einen unauflösbaren Widerspruch gerathen. In dem Entwürfe war nämlich in Absatz 1 des Art. 226 noch die Bestimmung ausgenommen, daß die Mitglieder des Ausfichtsrathes, wenn sie in Anspruch genommen werden, die Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu beweisen haben. Dieser Satz wurde aber von der Kommission gestrichen und zwar, wie es in dem Komm.Ber. a. a. O. S. 1020 heißt, deshalb, weil man einestheils nicht verkannte, daß in der That in sehr vielen Fällen ein in Anspruch genommenes Aufsichtsrathsmitglied sich durch den Beweis, es habe die gehörige Sorgfalt angewendet, exkulpieren müsse, anderentheils aber nicht für gerecht­ fertigt hielt, für alle Fälle, deren verschiedenartige Lage gar nicht übersehen werden könne, durch das Gesetz eine allgemeine Regel über die Bewcislast auszustellen, man vielmehr die Frage der richterlichen Entscheidung des Einzelfalles nach Maßgabe der bestehenden Grundsätze über die Bertheiluug der Beweislast überlassen wollte. Wenn sich ein Aufsichtsrathsmitglied einer auf ein Omasi-Mandats-Verhältniß gestützten Schadensersatzklage, bezw. der von dem Kläger Zur Begrün­ dung dieser Klage zu beweisenden Behauptung der Pflichtvernachlässiguyg gegenüber mit dem Ein­ wände der angewendeten, ihm obgelegenen Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vertheidigt, so handelt es sich nach den allgemeinen, bezüglich der Beweislast bei Schadensersatzansprüchen aus

476

Zweites Buch. Von den Handelsgesellschaften. Art. 219.

Aktie, in den Fällen der Artikel 209a Ziffer 2, 215a Absatz 2 durch den Betrag, für welchen die Aktie ausgegeben ist, begrenzt. Rücksichtlich der Einzahlung der auf die Aktie zu leistenden Beträge, sowie rücksichtlich einer zu leistenden Einlage finden die Bestimmungen der Artikel 184 bis 184 c ans den Aktionär und die Nechtsvorgänger desselben Anwendung. Glitt». 1883 Art 219. B«gr. hierzu 3. 121-132, 344. Glitt». 1884 Art. 219. 265-259, Bl. Komm. Bet. 1016, 1017. Tie«, Ber. S. 972, 1153.

RG. v. 18. Juli 1884.

B«gr. hierzu

Vgl Art. 219 d. HGB. S ii

AktioIIärhaftullg 116, 121, 124, 392, 437, 474. Aufrechnung, ausgeschlossen 392. Ein läge, Ersatz 392. Einschränkungen (Art 184) 377. Elsatz-Lothringen 377. Ersatzleistungen 392. Gesellschaftsvertrag (Art. 184) 379. Irrthum 437. Kaduzierung 380ff., 437. Kompensation, auSgeschloffen 392. Konventionalstrafe 377. Liberierungöverbot 133, 374, 375.

Mahnung 377. mora solvendi 377.

halt. '

>

Rübenlieferungspflickt 437. Rübenzuck er fabriken 437. Rückgriff 386—391. Theilzahlungen 380. Berfallerklarung 380. Verkauf der Aktien 381. Verzugszinsen 377. BiertelSdeckung 392.

Volleinzahlung 374fr.

„von Rechtswegen" (Art 184) 378. VormannSgewinn 390. DorftandShaftung 392. eicbnerHaftung 374. urückbehaltungSrecht, ausgeschlossen 393.

Regreh 381, 386ff. (s. Art. 184a, 184b).

327. Die Vorschriften über das Maß der anzuwendenden Sorgfalt können wie beim Vorstande so auch beim Aufsichtsrathe durch den Gesellschaftsvertrag nicht gemindert werden, in­ dem dieselben auch das Interesse der Gläubiger berücksichtigen und insofern öffentliches Recht — lex cogens — sind. Die Frage, ob sie durch Vertrag (Statut) verschärft werden können, ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu entscheiden. (Komm.-Ber. S. 1020.) 328. Da das Aufsichtsrathsmitglied nicht zu jedem einzelnen Aktionär, sondern nur gegenüber der Aktiengesellschaft in einem Vertragsverhältnisse steht, so ist es nur letzterer für den durch Nichterfüllung der . dieser . gegenüber übernommenen Pflichten entstandenen Schaden ver­ antwortlich, und kann deshalb ein Entschädigungsanspruch gegen ihn nur von der Gesellschaft geltend gemacht, von den einzelnen Aktionären aber nur erhoben werden, wenn dafür ein besonderer Grund obwaltet, z. B. wegen einer gegen den einzelnen Aktionär begangenen Arglist des Alls­ sichtsrathes, oder einzelner Mitglieder desselben, oder bei Uebertragung des Klagerechtes der Aktiengesellschaft auf den einzelnen Aktionär. (ROHG. XIX. 179 ff., RG. VII. 107.) 329. In den Fällen des Art. 226 Abs. 2, in denen es sich um wissentliche Duldung und folgeweise Förderung gesetzwidriger Verausgabung oder Verwendung von Grundkapital handelt (namentlich im Falle der Fusion, Art. 247), tritt eine Verschärfung der Haftpflicht ein, denn es handelt sich hier um die Verletzung von Gesetzesvorschriftew, welche im öffentlichen Inter­ esse gegeben sind und den Zweck verfolgen, der Gesellschaft für die nothwendig erachteten Grund­ lagen ihres Bestehens und den Gesellschaftsgläubigern den Gegenstand ihrer Sicherheit, das Grundkapital, zu erhallen. (S. hierüber ROHG. XVII. 385 f., XIX. 181 f. Ueber die un­ mittelbare Haftung der Gesellschaftsorgane gegenüber den Gesellschaftsgläubigern s. unten Bem. 334, auch RG. VII. 106 und die daselbst angeführte Literatur.) Für die Gesellschaft ergibt sich dieser Anspruch als ein prinzipaler, weil dieselbe zu dem Aufsichtsrathe in einem unmittelbaren Vertragsverhaltnisse steht. (Begründung 1884 a. a. O. S. 292.). . Die Haftung erstreckt sich in diesen Fällen auch nur auf den Ersatz eines erweislich der Gesellschaft erwachsenen Schadens, allein sie ist für die Mitglieder des Aufsichtsrathes neben den einem Mandate geltenden Grundsätzen nicht um einen in allen Fällen vom Beklagten zur Ent­ kräftung einer negativen Präsumption zu führenden Nachweis der angewendeten Sorgfalt, sondern um einen Exkulpationsbeweis den etwaigen'diesbezüglichen klägerischen Thatbehanptungen gegenüber.

Dritter Titel.

Bon der Aktiengesellschaft.

Art. 219.

477

Mitgliedern des Vorstandes eine persönliche (s. Bem. 330) und solidarische (s. Bem. 331) und nicht blos eine subsidiarische (s. aber Bem. 332). Der beschädigte Theil hat also vvr allem die Wahl, welches der beiden Organe, ob den Vorstand oder den zugleich mit demselben haftenden Aufsichtsrath er in Anspruch nehmen will. 330. In der persönlichen Haftung der Aufsichtsrathsmilglieder liegt, daß dieselbe unabhängig von dem Betrage der m ihrem Besitze befindlichen oder statutengemäß zu besitzenden Aktien oder einer erlegten Kaution ist, überhaupt von keiner^ vorher oder nachher bestimmten nicht aus der Ausdehnung des Schadens sich ergebenden Limitierung abhängt. Wissentlich falsche Angaben der Aufsichtsrathsmitglledcr können überdies strafrechtliche Ahndung nach sich ziehen. (Art. 249c.) 331. Die Haftung ist, sofern die Mitglieder des Aufsichtsrathes in Frage kommen, eine solidarische und zwar ohne Rücksicht daraus, ob der Schaden nur durch die Pflichtvernach­ lässigung von einem oder einigen Aufsichtsrathsmitgliedern bezüglich der ihnen durch eine Geschäftsvertherlung zugewiesenen Geschäfte entstanden ist. 332. Sie ist aber nur eine subsidiäre für den Ersatz des Schadens, welcher von den primär haftenden Gründern, Gründungskomplizen und Emittenten nicht zu erlangen ist (Art. 213c, Art. 213e). S. hierüber Bem. 226, 348—355. 333. Was die einzelnen Fälle, für welche die Aufsichtsrathsmitglieder aufzukommen haben, anlangt, so siehe hierüber zu Ziffer 1 auch die Bem. bei Art. 225, Art. 216 Abs. 2 und Art. 248, zu Ziffer 2 Bem. bei Art. 217 Abs. 1 undArt.239 b, zu Ziffer 3 Bem. bei Art. 215 d, zu Ziffer 4 Bem. bet Art. 215 c und zu Ziffer 5 Bem. bei Art. 245, 247, 248. 334. Die Gesellschaft wird nach außen, wie bereits oben ausgeführt, nicht durch die Aufsichtsrathsmitglieder, sondern durch deu Vorstand vertreten. Wenn also dritte Personen mit letzterem kontrahieren, so haftet ihnen als Gläubiger die Gesellschaft, zu den Aufsichtsrctthsmitgliedern au sich aber treten sie m kein Rechtsverhältniß. Trotzdem aber ist es dennoch gerecht­ fertigt, m den Fällen des Art. 226 Abs. 2 eine Haftung der Aufsichtsrathsmitglieder den Gesell­ schaftsgläubigern gegenüber eintreten zu lassen, denn erstere haben wenigstens mittelbar zugleich die Interessen der letzteren wahrzunehmen und sind von dem Vorwurfe der Arglist nicht frei, wenn sie als Wahrer des Gesetzes und des Gesellschastsvertrages wissentlich dulden oder gestatten, daß das den Gesellschaftsgläubigern verhaftete Grundkapital unzulässig verwendet wird. (Siehe ROHG. XIX. 180f.; ferner Renand, Recht der Aktiengesellschaft, 2. Auflage, S. 633; Puchelt, Art. 225b Note 2; v. Hahn, Art. 204.) Den Rechtsgrundsätzen würde es jedoch nicht entsprechen, dem Gläubiger auch dann einen Anspruch gegen die Mitglieder des Aufsichts­ rathes einzuräumen, wenn derselbe aus dem Gesellschaftsvermögen vollständig Deckung fände. Der Art. 226 Abs. 3 gibt demselben daher ein Rückgriffsrecht, wenn und soweit dieselben in den Fällen des Art. 226 Abs. 2 ihre Befriedigung nicht aus dem Gesellschaftsvermögen er­ langen können. Eine vorherige Vornusklagung der Gesellschaft und ein Ueberweisenlassen des Anspruchs der Gesellschaft gegen die Aufsichtsrathsmitglieder im Wege der Zwangsvollstreckung ist nicht noth­ wendig, zur selbständigen Verfolgbarkeit des Anspruches gegen ein Aufsichtsrathsmitglied genügt vielmehr der Nachweis seitens des Gesellschaftsgläubigers darüber, daß die Gesellschaft nicht im Stande sei, Befriedigung zu leisten. Dem beklagten Aufsichtsrathsmitgliede muß es sodann über­ lassen bleiben, wie sonstige Einwendungen gegen den Anspruch, so auch Zahlungen geltend zu machen, welche es auf denselben an andere Gläubiger oder an die Gesellschaft etwa geleistet hat. 335. Aus dem den Gläubigern gegebenen selbständigen Verfolgungsrechte ergibt sich ferner, daß jener Anspruch, wenngleich er seinem Wesen nach ein Anspruch der Gesellschaft ist, nicht durch Verzicht, Erlaß oder Vergleich seitens der Gesellschaft den Gläubigern wirksam entzogen werden

478

Zweites Buch.

Von den Handelsgesellschaften.

Art. 219. 220.

kann. Anderenfalls würde ihr Verfolgungsrecht zu einem werthlosen Scheine herabsinken, da die Organe der Gesellschaft es in ihrer Gewalt hätten, den Anspruch zu beseitigen. Nur soweit von den Aufsichtsrathsmitgliedern Ersatz der Gesellschaft wirklich geleistet wird, erlischt natürlich der Anspruch auch den Gläubigern gegenüber. (Begründung a. a. O. S. 292.)

Artikel 220. Für die Eintragung der Jnterimsscheine und der auf Namen gestellten Aktien in das Aktienbuch, sowie für die Uebertragung derselben ans andere Per­ sonen sind die Borschriften der Artikel 182 und 183 maßgebend. CBntto. 1883 Mtt. m Bcgr. hierzu 3.121 ff., 3U. 331. Komm. Bcr. S. 1017. Sien Ber. S. 972, 1153.

1881 Art, 220. Begr. hierzu S. 255 ff-,

RG. v. 18. Juli 1884 §§ 1, 2. F n h a l i. Akticnbuch 131. Appointierung der Jnterimsscheine 136. Jnterimsscheine 134, s. auch Art. 207 a, 215 e (181 a, 183 a).

Namenaktien s. Art. 207, 207a (173, 173a, 182/ 183). Stempelpflicht 137. Uebertragung 135.

336. Die Gläubiger sind noch in einer weiteren Beziehung selbständig und anders als die Gesellschaft, wenn diese klagen würde, gestellt. Diesen gegenüber wird nämlich nach Abs. 3 des Art. 226 Satz 2 die Verbotswidrigkeit der Handlungsweise der Mitglieder des Aufsichts­ rathes und die Ersatzpflicht nicht dadurch beseitigt, daß das Verfahren durch die Generalversamm­ lung beschlossen wurde. Den Gläubigern gegenüber handeln die Gesellschaftsorgane auf eigene Verantwortlichkeit, wenn sie einen an sich ungültigen Beschluß der Generalversammlung ausführen. Dieser strenge Standpunkt gilt nicht gegenüber der klagenden Gesellschaft, denn die letztere kann sich nicht beschweren, wenn der Aufsichtsrath als ihr Mandatar einen von der Generalver­ sammlung selbst gefaßten Beschluß ausgeführt hat, obgleich derselbe gegen das Gesetz verstieß. (Begründung S. 292.) 337. Die Ansprüche sowohl der Gesellschaft wie der Gesellschaftsgläubigcr gegen die Auf­ sichtsrathsmitglieder verjähren nach Art. 226 Abs. 4 in fünf Jahren. Im Kommissionsbericht (S. 1020) ist hierzu bemerkt, daß hier der Beginn des Laufes der Verjährung nach dem bürger­ lichen Rechte zu bestimmen sei. Die partikular-rechtlichen Grundsätze z. B. über die Unter­ brechung der Verjährung, über das Ruhen der Verjährung rc. bleiben unberührt. Dagegen soll durch die Verjährung nicht blos das Klagerecht, sondern auch der Anspruch überhaupt — auch als naturalis obligatio, auch als einredeweise zu gebrauchender Anspruch — beseitigt werden?)

E. Die Revisoren. I.

Gesetzliche Revisoren.

338. Ein besonderes Revisionsorgan, wie es fremden Gesetzgebungen, namentlich der englischen, bereits längst bekannt ist, in Deutschland einzuführen, wurde die Gesetzgebung durch die Prüfungstheorie*2) veranlaßt. Soll die Prüfung und die sich daran reihende persönliche Haf­ tung der Aktiengesellschaft Sicherheit gewähren, so genügt in den gewöhnlichen Fällen, daß den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrathes die Prüfung des Herganges der Gründung, sowie die civilrechtliche und strafrechtliche Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit des x) Die Tendenz dieser Gesetzesbestimmung (Abs. 4 des Art. 226) geht dahin, die Auf­ sichtsrathsmitglieder bezüglich ihrer Verantwortlichkeit nicht zu lange in Besorgniß zu lassen und solcher eine bestimmte Zeitgrenze zu setzen, diese ist aber nur dann erreicht, wenn die Verant­ wortlichkeit nach Ablauf der Verjährungszeit als unverfolgbar beseitigt ist, so daß sie also auch nicht einmal mehr die Unterlage einer Einrede bilden kann. (S. auch v. Völderndorff, Komm. S. 125 zu Art. 180 d.) 2) Vgl. Bem. 117, 183 u. a.

Dritter Titel.

Non der Aktiengesellschaft.

Art. 220.

479

Prüfungsberichtes aufgebürdet wird. Allein unter zwei besonderen Voraussetzungen (Art. 209li) genügt diese Aufbürdung dem erwähnten Zwecke nicht, nämlich dann, wenn Mitglieder des Vor­ standes oder des Aufsichtsrathes zugleich Gründer (s. oben Bem. 140, 166, 217 ff.) sind und dem­ nach ihr eigenes Werk kontrolierend zu prüfen hätten, ferner dann, wenn eine qualifizierte Grün­ dung vorliegt (s. oben Bem. 16, 18, 195 ff.), bei welcher Mitglieder des Vorstandes oder des Auffichtsrathes der Gesellschaft ein Vermögensstück überlassen oder sich einen besonderen Vortheil (wie Gründerlohn u. dgl.) ausbcdnngen haben (Art. 209b). 339. In dem einen wie in dem anderen Falle (Bem. 338 a. E.) fordert die Herstellung der vollen Unparteilichkeit des prüfenden Organs die Einschiebung einer neuen Prüfungsbehörde. Das Gesetz gibt dieser Behörde einen Ursprung, der auf fremdem Gebiete liegt, auf dem des öffentlichen Rechtes. Das staatsrechtlich für die Vertretung des Handelsstandes berufene Organ (nämlich die Handelskammern oder die Handels- und Gewerbekammern und dergl.)A) hat amtliche Revisoren zu ernennen, welche den Gründungshergang bei den in ihrem Bezirke errichteten Aktiengesellschaften in den angedeuteten Fällen persönlicher Interessiertheit von Vorstands- oder Aufsichtsrathsmitgliedern zu prüfen haben (Art. 209h). Die auf diese Art bestellten Revisoren haben den Prüfungsbericht in derselben Weise zu erstatten, wie die Vorstands- und Aufsichtsrathsmitglieder, ohne jedoch wie diese in einem Vertragsverhältnisse zur Gesellschaft zu stehen. Ent­ schädigung für Mühe der Revisoren ist zulässig und eventuell als Gründungsaufwand zu buchen. Ring a. a. O. S. 425. 340. Fehlt es in dem Bezirke, in welchem die zu gründende Aktiengesellschaft ihren Sitz haben soll, an einem amtlichen Organ für die Vertretung des Handelsstandes, so muß der Vor-' stand selbst in Verbindung*2)3 mit dem Aufsichtsrathe die gesetzlich erforderlichen besonderen Revi­ soren ernennen. Auch diese letzterwähnten Revisoren sind nicht in einem Vertragsverhältniß zu der Gesellschaft, deren Angelegenheiten sie zu prüfen haben, sondern stehen ihr amtlich, wenn auch nicht als staatliche Beamte, gegenüber. Vgl. Ring a. a. O. S. 425, 426. II. Gerichtliche Revisoren. 341. Die Aktiennovelle von 1884 räumt einer Aktionärfraktion unter besonderen Voraus­ setzungen^) ein Enqueterecht ein, welches darin gipfelt, daß durch das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, Revisoren ernannt werden, welche Bücher, Schriften, Kassenbestand und Werthgegenstände der Gesellschaft zu prüfen und darüber einen amtlichen Bericht zu erstatten haben (Art. 222a). Siehe die Bemerkungen zu diesem Artikel und insbesondere unten Bem. 450 ff. (Minoritätsrechte). III. Gesellschaftliche Revisoren. 342. Auch die Generalversammlung einer Aktiengesellschaft kann Revisoren bestellen, nämlich zur Prüfung der Bilanz, Art. 239 a.4) Die Aufgabe dieser Revisoren hängt von dem Beschluß der Generalversammlung ab; möglicherweise ist diese Ermächtigung schon im Statut ge­ troffen und näher festgestellt. Einer derartigen Bestimmung liegt sodann die offenbare Annahme zu Grunde, daß die Generalversammlung nicht in der Lage ist, die ihr vorgelegten Jahresrech*) Vgl. Ger. Verf. G. § 112. Im Einzelnen ist Landesrecht maßgebend, so Preuß. Gesetz vom 24. Februar 1870 (Gesetz-Sammlung S. 134); Bayr. Ausführungsgesetz zum Ger. Vers. G. vom 23. Februar 1879 (Gesetzbt. 1879 S. 273 ff.). Landesrecht entscheidet auch über das Be­ stehen oder Nichtbestehen einer Pflicht zur Ernennung eines Revisors oder zur Uebernahme einer Revision, s. v. Völderndorff a.. a. O. S. 362, Ring a. a. O., Stenogr. Reichstagsberichte S. 967 (Hägens) bezw. 966 (Hähnle). Besteht Weigerung und kein Zwang, so wird die Grün­ dung unmöglich, weil die Prüfung unmöglich wird, — und es wäre in einem solchen Falle wohl, wie v. Völderndorff treffend bemerkt, „sicherlich nicht Schade darum". 2) d. i. in gemeinsamer Sitzung mit absoluter Mehrheit der erschienenen Mitglieder beider Behörden wählend. So Ring a. a. O. S. 425, anderer Ans. Kayser a. a. O. S. 70. 3) S. Art. 222 a. 4) S. oben Bem. 257.

480

Zweites Buch.

Bon den Handelsgesellschaften.

Art. 220.

nungen selbst zu prüfen, daß sie hierzu vielmehr besonderer Revisoren bedarf. Eine solche mit der Prüfung der Rechnungsaufstellungen und ihren Unterlagen betraute Revisionskommission ist alsdann nach den Statuten ein nothwendiges verfassungsmäßiges Organ der Gesellschaft. Die hierbei von dieser Revisionskommission gemachten Wahrnehmungen müssen dann aber auch der Aktiengesellschaft gegenüber als von ihr selbst gemacht gelten. ROHG. XXII. 279 f.

F. Verwaltungsrath und Handlungsbevollmächtigte. 343.

Außer den unter Lit.A—E (Bem. 217—342) erwähnten Gesellschaftsorganen haben die Aktiengesellschaften je nach ihrer wirthschaftlichen Thätigkeit und Ausdehnung eine große Menge fakul­ tativer Organe, berathender, stellvertretender und ausführender Natur. Hierher gehört ein Verwaltungsrath, der sich als solcher vom Vorstand dadurch unterscheidet, daß ihm die nach außen zu unbeschränkbare Vertretungsbefugniß mangelt, vom Auf­ sichtsrathe aber dadurch, daß ihm die ausschließliche Aufgabe der Ueberwachung fehlt, denn ihm sind auch Aufgaben der Gesellschaftsexekutive, Beschlußfassungen über vorzunehmende Handlungen der Geschäftsführung u. s. w. übertragen. Darüber, ob wirklich ein Verwaltungsrath bestellt oder ob der sog. Verwaltungsrath ein Theil des Vorstandes ist, entscheidet nicht der Name, sondern die Zuständigkeit und Eintragung im Handelsregister. Die vom Gesetz unabänderlich den Gesellschastsorganen übertragene Kompetenz, vor Allem die nach Außen zu illimitierbare Vertretungsbefugniß des Vorstandes (Art. 227, 230, 231 Abs. 2), ferner die Zuständigkeit des Aufsichtsraths zur Kontrole (Art. 225 u. a.) und die gesetzlich fixierte Bedeutung der Generalversammlung (Art. 221, 231 Abs. 1),' — diese Festlegungen sind Schranken für die Statuten und Generalversammlungsbeschlüsse in Betreff der Kompetenz eines Verwaltungsraths; es kann daher ein Verwaltungsrath weder als nach Außen zu handelndes Organ selbständig neben dem Vorstande bestehen, noch zur Kontrole als rechtlich selbständiges Organ neben dem Aufsichtsrathe; wo es überhaupt, um die Kontrole über den Vorstaud wirksam auszuüben, für diese einer verwaltenden Mitwirkung bedarf, da muß sie dem Aufsichtsrathe zu­ getheilt sein (s. hierüber oben Bem. 322 a. E. und Anm. S. 472 f., ausführlich mit Hinblick auf die Begründung der Novelle von 1884 betr. die Kompetenz des Aufsichtsrathes und seiner mög­ lichen Abtheilungen). Das HGB. thut des Verwaltungsrathes nur vorübergehend Erwähnung, nämlich in Art. 231 Abs. 2; in der Fassung dieses Artikels nach der Aktiennovelle von 1884 findet sich die namentliche Erwähnung dieser Behörde nicht mehr, nach wie vor bleibt es dem Statut oder den Generalversammlungsbeschlüssen überlassen, den Wirkungskreis des Verwaltungs­ rathes innerhalb der erwähnten gesetzlichen Schranken festzusetzen und gegenüber dem des Vor­ standes sowie des Aufsichtsrathes abzugrenzen, eine nicht leichte und darum häufig höchst unvoll­ ständig gelöste Aufgabe. S. oben S. 472, 473 Anm. 344. Die Ernennung von Handlungsbevollmächtigten sowie von Handlungsgehilfen für die Aktiengesellschaft ist regelmäßig Sache des Vorstandes; nur hinsichtlich der Bestellung eines Prokuristen ist der Vorstand nach Art. 234 der Novelle von 1884 an die Zustimmung des Auf­ sichtsrathes gebunden, sofern nicht Statut oder Generalversammlungsbeschluß hiervon entbindet. *) Ist bestimmt, daß ein Prokurist nur gemeinschaftlich mit einem Vorstandsmitgliede die Gesellschaft vertreten kann und ist diese Bestimmuug registriert, so wird hierdurch das Vorstandsmitglied Kollektivprokurist, soweit es sich rnn die Vertretung mittels Prokura handelt. Die Befugnisse der Bevollmächtigten richten sich nach der ihnen ertheilten Vollmacht, im Zweifel nach Maßgabe des gewöhnlichen Umfanges der ihnen übertragenen Geschäfte (Art. 235 und Art. 47). Unter Umständen können auch Vorstandsmitglieder als Bevollmächtigte auftreten: es kann nämlich der Vorstand einer Aktiengesellschaft, deren Vertretung' ihm nur in seiner Gesammtheit verstattet ist, die Ausführung gültig gefaßter Beschlüsse einzelnen Vorstandsmitgliedern übertragen. ROHG. VI. 392. Ein derartig beauftragtes (delegiertes) Vorstandsmitglied dürfte aber nicht als Bevollmächtigter der Aktiengesellschaft, sondern eben nur als Bevollmächtigter des Vorstandes *) S. oben Bem. 272, 286, 325.

Dritter Titel. Bon der Aktiengesellschaft. Art. 220.

481

aufzufassen sein, sofern es nicht der Vorstand innerhalb seiner Kompetenz als Gesellschaftsbevoll­ mächtigten aufstellt. Vgl. hierüber auch oben Bem. 270 und 280 ff. 345. Der Beamte einer Aktiengesellschaft ist nur innerhalb seines Geschäftskreises oder seiner Vollmacht Organ der Gesellschaft, im Uebrigen steht er, gleich jedem Andern, der Gesell­ schaft als Dritter gegenüber. ROHG. VI. 140. 141. 346. An die Stelle des bisherigen Art. 235, wonach es zur Behändigung von Vor­ ladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschaft genügen sollte, wenn dieselbe an ein Mitglied des Vorstandes, welches zu zeichnen oder mitzuzeichnen befugt ist, oder an einen Beamten der Gesellschaft, welcher dieselbe vor Gericht zu vertreten berechtigt ist, geschieht, ist für bürgerliche Nechtsstreitigkeiten die Vorschrift des § 157 der Reichscivilprozeßordnung getreten und für die von dieser nicht getroffenen Fälle erübrigt sich die Vorschrift; auch soweit die Landesgesetzgebungen auf dieselben nicht die Vorschriften der Reichscivilprozeßordnung für anwendbar erklärt haben, versteht die Vorschrift sich von selbst, da bei der Aktiengesellschaft jedes Mitglied des Vorstandes befugt ist, die Firma zu zeichnen oder mitzuzeichnen. (Begründung 1884 S. 334.) IV. Die Herstellung und Erhaltung öes realen Substrats öer Aktiengesellschaft. 347. Da für die Schulden der Aktiengesellschaft als einer reinen Realassoziation (s. oben S. 203, 204) kein einziges Mitglied als solches persönlich, d. h. mit seinem ganzen Vermögen, vielmehr lediglich das Gesellschaftsvermögen haftet, so kommt Alles darauf an, die reale Basis, die vermögensrechtliche Grundlage dieser Assoziationsform sicher zu stellen. Der Gesetzgebung ob­ liegt hier die schwierige Aufgabe, thunlichst für das stete Vorhandensein der Kapitalgrundlage, welche für die Schulden der Gesellschaft zu haften hat, zu sorgen und alle Beuachtheiligungen, welche dem. Publikum daraus erwachsen könnten, daß das allein haftende Kapital zweckwidrig ver­ wendet oder abgeschwendet wird, nach Möglichkeit zu beseitigen. A. Vor Allem handelt es sich um die Herstellung der Vermögensunterlage bei der Errichtung der Gesellschaft. Das Gesetz von 1884 gibt in einer wichtigen Beziehung den Standpunkt auf, welchen die Novelle von 1870 eingenommen hat, nämlich .die Nothwendigkeit des Nachweises der Geld­ einzahlung auf die einzelnen Aktien bis zu bestimmten Minimalhöhen. Allerdings fordert auch das neue Gesetz, daß auf die einzelnen Aktien ein bestimmter Betrag baar eingezahlt und im Besitze des Vorstandes sei, und zwar mindestens ein Viertheil des Nominalbetrages u. s. w.; allein es setzt diese Forderung mittels des ihm eigenthümlichen Systems der Deklarations­ und Prüfungstheorie durch, indem es einfach fordert, daß die gesetzmäßig erforderliche Ein­ zahlung in der Anmeldung ausdrücklich deklariert werde und daß für diese Erklärung be­ stimmte Personen, vor Allem die unterzeichnenden sämmtlichen Gründer, Vorstands- und Auf­ sichtsrathsmitglieder, ebenso wie für die Erklärung, daß alle Aktien gezeichnet sind, persönlich, d. h. mit ihrem ganzen Vermögen haften. Herstellung und Stützung der realen Basis mittels persönlicher Haftungen, dies ist der Grundzug der Novelle vom 18. Juli 1884. Diesem entsprechend haften: 348. 1. Die Gründer*) (Art. 213a) für die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer An­ gaben in Bezug aus die Zeichnung (Art. 209e, 210), ferner für die unter Ausschluß der Kom­ pensation geleistete Einzahlung des Grundkapitalcs (Art. 210 Abs. 3), sowie in Bezug auf quali­ fizierte Gründungen (Art. 209 b) und Nachgründungen (Art. 213 f) solidarisch und in erster Linie. Sie haften subsidiär für fehlende Einzahlungen und für den Ersatz von Ausfällen, welche durch die ihnen bekannte Insolvenz eines Aktiensubskribenten herbeigeführt werden. (Ueber Haf­ tungen der Gründer überhaupt s. Art. 211, 249 a.)*2) *) Lit. s. R. Schmidt, Die civilrechtliche Gründerverantwortlichkeit nach deutschem Aktien­ rechte. München 1888. Hierüber s. Rießer in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXV S. 619 ff. 2) Sind der Gründer einer Aktiengesellschaft, welche die sämmtlichen Aktien oder einen Fuchsberger und Gareis, ADHGB.

31

Zweites Buch.

482 349.

Non den Handelsgesellschaften.

2. Es haften auch Gründungskomplizen.

Art. 220.

Es werden nämlich nach Art. 213 a

Abs. 4 auch dritte bei der Gründung ohne eine äußerlich hervortretende Rolle mitwirkende Perfönen in den Kreis der Verantwortung hineingezogen, soweit dies möglich erscheint.

Eine Mit­

wirkung und Haftbarmachung Dritter ist aber möglich im Falle einer Vergütung, welche aus Anlaß der Gründung zu Lasten der Gesellschaft gezahlt ist, obwohl sie nach der Vorschrift des Art. 209b Abs. 3, 4 gegen die Gesellschaft nicht hätte geltend gemacht werden können, sowie in den Fällen einer Beschädigung derselben durch Einlagen oder Uebernahmen. Zu diesen haftenden Gründungskomplizen gehören also: 350. a) Die Empfänger von Vergütungen, welche nicht unter dem im Gescllschaftsvertrage zu bezeichnenden Gründungsaufwande enthalten, also auch nicht in die mit der Anmeldung zu überreichende Berechnung desselben

ausgenommen und somit verheimlicht worden sind, wenn

sie zur Zeit des Empfanges wußten oder nach den Umständen annehmen mußten, daß die Ver­ heimlichung beabsichtigt oder schon erfolgt war. (Art. 213a Abs. 4 Ziff. 1.) Ob die Ver­ gütung

vor

oder

nach

Feststellung

des

Statuts

gewährt

Unterschied. Durch diese Bestimmung werden Schädigungen

worden

vermieden,

ist,

macht

dabei

keinen

welche der Aktiengesellschaft

dadurch zustoßen könnten, daß die Gründer scheinbar keinen Gründerlohn nehmen, wohl aber das Gesellschaftsvermögen durch Zuwendungen an vertraute Komplizen, die mit den Gründern hinterher den erlangten Vortheil theilen, schmälern Die Haftung eines solchen Komplizen setzt voraus, daß derselbe particeps fraudis war. Es kann nicht unbedingt das, was seitens des Empfängers nicht hätte gegen die Gesellschaft ein­ geklagt werden können, von dieser gegen ihn zurückgefordert werden. Die Forderung der Gesell­ schaft stellt sich vielmehr als eine condictio ex lege dar, und diese setzt voraus, daß auch der Empfänger gegen das Gesetz gehandelt hat. b) Ebenso haftet jeder Dritte als Gründungskomplize, welcher, wenngleich er nicht an der Gründung Theil genommen, doch zur Verschleierung des Gründungsauswandes wissentlich bei­ getragen hat, mit dem Empfänger und den Gründern solidarisch für den Ersatz der Vergütung. (Art. 213 a Abs. 4 Ziff. 1.) Diese Haftung erscheint als nothwendige Folge des in der Handlungsweise gegen die Gesell­ schaft enthaltenen Dolus. (S. Begründung a. a. O. S. 279.) c) Bei qualifizierten Gründungen haftet ebenso Jedermann, welcher zu einer durch Ein­ lagen oder Uebernahmen bewirkten böslichen Schädigung

des Gesellschaftsvermögens wissentlich

mitgewirkt hat (Art 213 a Abs. 4 Ziff. 2). Theil derselben durch Zeichnung geschaffen haben und für gemeinschaftliche Rechnung durch Ver­ äußerung unterbringen wollen, Mehrere, so bilden sie die Gründergesellschaft, das Gründerkon­ sortium oder das Konsortium im engeren Sinne. Vgl. Kowalzig, HGB. 1879 S. 271—274; Entsch. des RG. Bd. I S. 76, Bd. VII S. 100; Gareis, HR. S. 135, 136. Jeder der hier­ bei Betheiligten kann einseitig seine Betheiligung abtreten oder auf seine Betheiligung einen Gesell­ schafter aufnehmen. Alsdann handelt es sich um Abtretung eines Gründerantheils oder um ein auf den Gründ er antheil hin eingegangenes Gesellschaftsverhältuiß. Der Erwerber oder Bethciligte tritt in kein unmittelbares Verhältniß zum Konsortium, aber er nimmt mittelbar an allen Ergebnissen der Grüudcrgesellschaft, insbesondere an dem ganzen, durch Veräußerung der. Aktien über den Selbstkostenpreis der Gründer gezogenen Nutzen Theil. Völlig verschieden von der Gründergesellschaft und den auf den Gründerantheil eingegangenen Gesellschaftern sind die durch „Konsortialbetheiligung" entstehenden Gesellschaften. (S. hierüber unten Bem. 358.) Der Unterschied des Erwerbes eines Gründerantheiles oder einer Betheiligung am Gründerantheil von der Konsortialbetheiligung tritt namentlich darin deutlich zu Tage, daß der durch die Alts­ gabe von Konsortialbetheiligungen für das Gründerkonsortium sich ergebende Profit antheilig auf den Gründerantheil entfällt (ROHG. XXII. 382. 383), nämlich der Profit, welcher sich durch die Begebung der Konsortialbetheiligung (Gründerbelheiligung) ergibt, während der Gewinn, welcher aus dem Begeben von Aktien über dem Konsortialkurs hinaus sich ergibt, den mit dem Konsortialleiter direkt abschließenden „Konsortialbetheiligten" pro rata ihrer Betheiligung zukommt. Ring a. a. O. S. 400ff. und die dort angegeb. Lit., insbes. Sydow in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XIX. S. 427 ff. Hierüber s. auch unten Bem. 358, insbes. S. 488.

Dritter Titel.

Von der Aktiengesellschaft.

Art. 220.

483

Ein bloßes Wissen reicht zur Begründung einer Verantwortlichkeit nicht aus; auch kann gegen Denjenigen, welcher ohne Mitwirkung nur von der stattgehabten Uebertretung Kenntniß erhalten hat, eine Pflicht zur Anzeige nicht aufgestellt werden. (Begründung ebenda.) 351. 3. Die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrathes haften der Gesellschaft nach Art. 213 c aus der von ihnen vorzunehmenden Prüfung solidarisch, jedoch sub­ sidiär nach den unter Art. 213a Abs. 1—3, ferner Art. 213a Abs. 4 Ziff. 1 u. 2 sowie Art. 213 b (hier in den Bem. 348, 349, 350) genannten Personen. Was die Verantwortlichkeit der Vorstands- und Aussichtsrathsmitglieder für ihre Geschäfts­ führung während des 33eftef)en£') der Gesellschaft anlangt, so ist solche in Art. 241 und 226 ge­ regelt. (S. oben Bem. 289 ff., 324, 326 ff.) Hier handelt es sich jedoch um die Haftung für die Zen vor der Eintragung des Gesell­ schaftsvertrages in das Handelsregister, bezüglich welcher in Art. 213c Vorsorge getroffen ist. Die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrathes können sich allerdings auch wie die Gründer und Gründungskomplizen einer aktiven Mitwirkung zu einer Verheimlichung des Grün­ dungsaufwandes oder einer Schädigung der Gesellschaft im Falle der qualifizierten Gründung schuldig machen, allein dann unterliegen sie gleichfalls wie diese den Bestimmungen des Art. 213a. Die Haftbarkeit aber, welche sie stets und nach ihrer Stellung spezifisch zu tragen haben, ist eine weitergehende. Es trifft sie die volle Verantwortung für die Erfüllung der ihnen vom Gesetz auferlegten Pflicht, den ganzen Gründungshergang, insbesondere die richtige Aufbringung und Belegung des Grundkapitales zu prüfen. 2) Die Verhaftung der Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrathes besteht nach Maßgabe des Art. 213c lediglich der Gesellschaft, nicht auch den einzelnen Aktionären gegenüber. Es haften nur Diejenigen, welche ihre Prüfungspflicht verletzt haben. Anlangend die solidarische Haftbarkeit, so ist es streitlos den geltenden Rechten konform, daß, wenn durch die culpa des A. und die culpa des B. derselbe Schaden entstanden ist, A. und B. solidarisch hasten, auch wenn die culpa eines jeden in anderen Thatumständen beruht; wenn *) Art. 223 HGB. in der Fassung des Gesetzes vom 18. Juli 1884 findet auch Anwen­ dung, wenn unter der Herrschaft dieses Gesetzes Ansprüche aus einer früheren Geschäftsführung erhoben werden. RG. XVIII. 56. *) Der Umfang ihrer Prüfungspflicht ist in Art. 209 h genau begrenzt. In dieser Be­ grenzung geht ihre Verantwortlichkeit zwar weiter, als die der Gründer, insofern nämlich, als sie im Falle einer qualifizierten Gründung nicht blos auf das Vorliegen einer böslichen Handlungs­ weise, sondern auch auf eine Uebervortheilung der Gesellschaft gestützt werden kann. Aber sie ist nach ihrem Wesen geringer, als die den Gründern obliegende Verpflichtung. Während die letzteren dafür einzustehen haben, daß ihre Angaben und Handlungen dem Gesetz und Gesellschaftsvertrage entsprechen und wenn dies nicht der Fall ist, für den dadurch unmittelbar zugefügten Schaden haften, Einer für Alle und Alle für Einen, soweit der in Anspruch Genommene sich nicht zu exkulpieren vermag, brauchen die Mitglieder der Gesellschaftsorgane nur zu vertreten, daß sie die Angaben und Handlungen Jener mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes geprüft haben, und nur für einen Schaden einzustehen, welcher aus der Verletzung der bei der Prüfung anzuwendenden Sorgfalt erwächst. Diese Verletzung erst begründet gegen sie einen Schadensersatz­ anspruch und daraus folgt, daß Jeder nur für sein eigenes Verfahren haftet und nur sofern ihm ein solches nachgewiesen werden kann; letzteres bringt der Entwurf (Art. 213 c, im Gegensatz zu der allgemeinen, die eigene Thätigkeit oder Mitwirkung der Gesellschaftsorgaue umfassenden Vor­ schrift in Art. 241 Abs. 2 und 226 Abs. 1 zum bestimmten Ausdruck. Da ferner sie den Schaden nicht selbst verursacht, sondern ihn nur durch unterlassene pflichtmäßige Prüfung nicht abgewendet haben, so dürfen sie auch nur haftbar gemacht werden, wenn und soweit voller Ersatz nicht von den Gründern und den mit diesen solidarisch haftenden Personen erlangt werden kann; wobei zum Nachweise dessen auch hier (s. Art. 184 b) nicht erst die fruchtlose Ausklagung der Haupt­ verpflichteten erforderlich erscheint, es vielmehr für den Rückgriff genügen muß, wenn nach richter­ lichem Ermessen der Ersatz von dem in erster Reihe Verhafteten aussichtslos ist. Endlich ent­ ziehen sich die im ersten Satze des Art. 213a Abs. 1 gegen die Gründer festgesetzten Folgen ihrer Ersatzpflicht der Anwendung auf die Schadensersatzpflicht der Mitglieder des Vorstandes und des Auf­ sichtsraths. (Begründung a. a. O. S. 279.)

484

Zweites Buch.

Von den Handelsgesellschaften.

Art. 220.

aber durch die culpa des A. der Schaden a und durch die culpa des B. der Schaden b ent­ standen ist, so S. 1015.)

kann von einer solidarischen Haftung keine Rede sein.

Vgl. ferner oben S. 850 (Bem. 64),

(Komm. Ber. a. a.

O

v. Völderndorff a. a. O. S. 122ff.,

Ring a. a. O. S. 169, 170. Wie bereits oben bei der Verhaftung der Aufsichtsrathsmitglieder während des Bestehens der Gesellschaft (Bem. 826) dargethan,

hat bei einer Schadensersatzklage, um die es sich hier

handelt, der Kläger sowohl das Vorhandensein und die Größe der Beschädigung, wie auch das Verschulden des in Anspruch Genommenen zu beweisen.

Bezüglich der Beweisführung ist hier­

durch die Bestimmungen des § 260 der NCPO. eine große Erleichterung geschaffen, allein an der Beweislast, die dem Civilrecht angehört, ist selbstverständlich hierdurch nichts geändert.') Zu der vorstehend entwickelten civilrechtlichen Haftung sämmtlicher der Gesellschaft verant­ wortlichen Personen tritt außerdem noch die strafrechtliche Verantwortlichkeit, welche der ersteren eine wirksame Stütze gewährt. 352.

(Art. 249a.)

4. Es haften ferner noch Emittenten, Emissionshäuser und Annoncen­

inserenten. Um eine Umgehung der innerhalb der formalen Gründung der Aktiengesellschaft gesteckten Grenzen der Verantwortlichkeit der ad 1 und 2 genannten Personen zu verhindern, waren für die Zeit des Gründungsstadiums sowie für einen noch weiteren Zeitraum, bezüglich welchen man annehmen kann, daß innerhalb desselben der größte Theil des Aktienkapitals aus dem Besitze der Gründer und der mit ihnen verbundenen Personen in andere Hände übergegangen ist und dadurch die Gesellschaft von der Herrschaft der Gründer befreit ist und wofür man den Ablauf von zwei Jahren

als

hinreichend erachtete, Kautelarvorschriften zu schaffen.

Dies ist

durch die Bestimmungen in den Art. 213 b, 213 d und 213 f geschehen. Die erste Kautelarvorschrift (Art. 213 b) zieht in den Kreis der verantwortlichen Per­ sonen diejenigen hinein, welche, ohne bei der formalen Gründung aktiv hervorzutreten, die Aktien öffentlich in den Verkehr einführen.*2) Es sind dies die Emittenten und bezw. Emissionshäuser, die, weil sie dem Publikum oft besser bekannt als die Gründer, in demselben vielfach mehr Vertrauen genießen als die letzteren, nicht von jeder Verantwortlichkeit für die Legalität der Gründung freigelassen werden dürfen, umsoweniger als gerade sie leicht in der Lage sind, mit den Aktien Agiotage zu treiben, und es auch nicht ausgeschlossen ist, daß sie thatsächlick) die eigentlichen Urheber und Interessenten der Gründung sind. Selbstverständlich kann diesen Emissioushäuseru keine Garantie für die zukünftige Prosperi­ tät des Unternehmens obliegen lind können sie deshalb otid) nicht für ein den Wechselfäüen der Konjunkturen unterliegendes Fehlschlagen der Spektllation oder für' jeden eigenen Irrthum ver­ antwortlich gemacht werden. Da sick) aber des Publikum darauf verläßt, daß Emissionshäuser, welche öffentlich zur Betheiligung an einem Unternehmen auffordern, dies nicht ohne Prüfung desselben thun, wenn auch nicht in der Richtung,

daß es lukrativ,

so doch,

daß es nicht mit

vitalen Mängeln behaftet sei, so ist denselben durch Art. 213b die Pflicht auferlegt, die Nichtig­ keit und Vollständigkeit der Angaben, welche rücksichtlich der Zeichnung und Einzahlung des Grundkapitales, sowie der in Art. 209b vorgesehenen Festsetzungen von den Gründern gemacht sind, nach den vorliegenden Verträgen mtb Urkunden zu prüfen und der Gesellschaft für einen ihr *) Die Behauptung der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes bildet auch hier den Gegenstand des vom Beklagten zu führenden Exkulpationsbeweises, nur wird hier der Richter vielfach in der Lage sein, selbst zu ermessen, ob ein solcher Widerspruch möglich gewesen wäre, wenn die Prüfenden die von ihnen erforderte Sorgfalt angewendet hätten. An dieser Beweislast ist aber, wie es im Komm. Ber. a. a. O. S. 1015 heißt, durch die Bestimmung des Art. 213 c nichts geändert, es ist solche vielmehr nur klar gestellt. 2) In dem Angebot von Aktien ist vom wirthschaftlichen Standpunkte aus betrachtet ein Akt der Gründung enthalten und wer daher in gewissenloser Weise Aktien einer innerlich kranken Gesellschaft in den Verkehr bringt, der hat in den oben gezogenen Grenzen neben den Gründern und Gründungskomplizen und solidarisch mit ihnen einzustehen. Es ist dies eine nothwendige Forderung int Interesse des öffentlichen Verkehrs. (Begründung a. a. O. S. 280.)

Dritter Titel. Bon der Aktiengesellschaft. Art. 220.

485

aus der Unrichtigkeit oder Unvollständigkcit der Angaben erwachsenen Schaden einzustehen, sofern sie von derselben Kenntniß hatten oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäfts­ mannes Kenntniß haben mußten.1) Für Angaben, welche sie in dem Angebot wissentlich falsch machen, verfallen sie zugleich schwerer Strafe (Art. 249 a Ziff. 2). 353. In den Fällen der qualifizierten Gründung ist die Prüfungspflicht der Emissions­ häuser zwar nicht wie gegenüber den zur Prüfung des Gründungsherganges unmittelbar berufenen Gesellschaftsorganen auf die Untersuchung ausgedehnt, ob durch die für eingelegte oder übernommene Gegenstände festgesetzten Vergütungen die Gesellschaft ungerechtfertigt übervortheilt ist; wohl aber hat ihre Prüfungspflicht sich wenigstens darauf zu erstrecken, ob nicht eine bösliche Schädigung der Gesellschaft vorliegt. Für eine solche haben selbst die. Gründer aufzukommen. Der Umfang des zu ersetzenden Schadens bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen; die besonderen Fest­ setzungen in Art. 213a Abs. 1 über die Ersatzpflicht der Gründer können hier keine Anwendung finden. (S. hierüber Begründung 1884 a. a. O. S. 280.) 354. Wie bei den Mitgliedern der Gescllschaftsorgane tritt in gleicher Weise die Haftbar­ keit der Emissionshäuser nur dann ein, wenn ihnen eine Verletzung der Sorgfalt nachgewiesen wird. Die Beweislast obliegt dem Kläger, und wird von den Emissionshänsern nicht mehr ver­ langt, als die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes.-) 355. Wie bereits oben erwähnt, erstreckt sich die Dauer der gesetzlichen Verantwortlich­ keit'1) für die Emission auf die Zeit vor Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handels­ register und die ersten zwei Jahre nach der Eintragung. Unter Eintragung ist auch hier die Ein­ tragung im Handelsregister am Sitze der Gesellschaft, die Eintragung des Hauptetablissements und nicht die der Zweigniederlassung gemeint. Die zwei Jahre sind laufende Jahre, von der Eintragung im Handelsregister an gerechnet und nicht Kalenderjahre."1) 356. Berechtigt zur Schadensersatzfordernng oder zur Erhebung rcstitutorischer Ansprüche ist nach dem Aktiengesetz die Gesellschaft3) und sind es neben derselben nicht auch noch die ein­ zelnen Zeichner oder Aktienerwerber. Es würde dies sonst auf einen doppelten Ersatz durch die verantwortlichen Emissions'*) Selbstverständlich giebt den Emissionshäusern die Prüfungspflicht den Gründern gegen­ über ein Recht zur Prüfung. Finden sie in den Bedingungen der Gründung Mängel, so mag und muß das Angebot der Aktien unterbleiben oder nur unter Aufdeckung des Mangels erfolgen; auch können, sofern es etwa im Falle der Successivgründung als Anwerbung von Primitivzeich­ nern oder zur Unterbringung von Primitivzeichnungen der konstituierenden Generalversammlung vorausgegangen ist, die Erlasser des Angebotes den Mangel in der letzteren rügen. In dem einen wie in dem anderen Falle wäre das Publikum vor Schaden geschützt worden. Begründung 1884 a. a. O. S. 280. 2) Eine Beschränkung der Haftung derselben auf culpa lata und dolus wurde von der Kommission (s. Komm. Ber. a. a. O. S. 1014) abgelehnt, weil das Handelsgesetzbuch, abgesehen von der Vernachlässigung der Sorgfalt, welche jemand in seinen eigenen Angelegenheiten anzu­ wenden pflegt (Art. 94;, nur einen Grad der culpa, die Vernachlässigung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, Kaufmannes, Frachtführers ;e. rc., d. h. der der verschiedenen Geschäftskunde entsprechenden Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters, die auch bei den verschiedenen Arten der Kaufleute wieder eine verschiedene ist, kenne, und weil kein Grund vorliege, hier davon abzuweichen, da eben das Maß der Sorgfalt nach der bei dem Emissionshause vorauszusetzenden Geschäftskunde bestimmt und nicht verlangt werde, daß z. B. ein Bankhaus rein technische Dinge zutreffend beurtheile. 3) Ueber die Verjährung s. unten Bern. 363. 4) Ueber die im Art. 213b bestimmte Zeitgrenze hinaus genießt das. Publikum einen be­ sonderen Schutz nicht mehr, denn es ist anzunehmen, daß der Werth des Unternehmens inzwischen bekannt oder erkennbar geworden ist. Treten aber die Voraussetzungen der Vorschrift ein, so kommt es für das Maß der Haft­ barkeit nicht darauf an, in welchem Umfange Aktien angeboten worden sind. 5) Die Vorschrift des Art. 223 Abs. 1, daß es eines Generalversammlungsbeschlusses auf Erhebung des Anspruches bedürfe, hat nicht die Bedeutung eines Legitimationserfordernisses für die Klagerhebung, sondern hat es nur mit den materiellen Befugnißgrenzen innerhalb der Gesell­ schaft zu thun.

48(3

Zweites Buch.

Häuser rc. hinauslaufen.

Bon den Handelsgesellschaften.

Art. 220.

Ob und welche Schadensersatz- und sonstige Ansprüche Derjenige,

welcher sich auf die öffentlichen Ankündigungen verlassen und auf diese hin Aktien gezeichnet oder solche erworben hat, gegen den Schuldigen zustehen, hierüber entscheiden die Bestimmungen d^s betreffenden bürgerlichen Rechtes.

357. Wenn das Gesetz von Ankündigungen von „Aktien" spricht, so versteht es hierunter Aktienrechte, seien es Aktien (Promessen), s. oben B.em. 7, 134, Jnterimsscheine oder Zeichnungen. Es bezieht sich also nicht auf die Aufnahme von Prioritätsanlehen, s. oben Bem. 133, Gareis, HR. S. 239, 549, 614.

358.

Was nun das Einführen der Aktien in den Verkehr und die dem entsprechende

öffentliche Ankündigung derselben anlangt, so ist hierüber Folgendes zu bemerken. Bei der Großartigkeit der dem heutigen Verkehrsleben entsprechenden Unternehmungen ist zu deren Durchführung vielfach ein Kapitalaufwand erforderlich, der selten in den Händen eines Unternehmers zu finden, sondern im großen Publikum durch Heranziehung desselben mit ihren Kapitalien aufzusuchen ist. Dies geschieht durch Gründung von Kapitalgenossenschaften und das sind unsere Aktien­ gesellschaften^)

Die Heranziebung des fremden Geldes zu den Zwecken des Unternehmens wird

in zweifacher Weise bethätigt. Handelt es sich um eine Snccessivgründung (s. oben Bem. 169 ff., auch 19ff.), so ist das Publikum zur Betheiligung durch Zeichnung von Aktien für die erst zu errichtende Gesellschaft zu veranlassen; ist aber die Aktiengesellschaft bereits im Wege der Simultangründung (s. oben Bem. 167,168) entstanden, so geht die Tendenz der Gründer dahin, die Betheiligung an der Gesellschaft auf die große Menge der Kapitalisten überzuleiten und dementsprechend die in ihren Händen befind­ lichen Aktien durch Einführung in den Handel unter das Publikum zu' bringen. Zur Ver­ mittelung der Primitivzeichnungen bei einer erst zu konstituierenden Aktiengesellschaft oder zur Veräußerung der Aktien einer bereits simultan gegründeten Gesellschaft ist aber eine Mittelsperson nöthig, die mit den Verhältnissen des Geldmarktes genau bekannt ist und durch ihre Konnexionen und Unterstützungen an der Börse den Aktien dortselbst Zugang und die Aufnahme in die offiziellen Kurszettel zu verschaffen tnei§.*2) Diese Mittelspersonen sind die Bankhäuser, in deren Gewerbebetrieb solche Geschäfte fallen. Von Seite des Bankhauses wird sodann die Vermittelung der Primitivzeichnungen und beziehungsweise Veräußerung von Aktien auf verschiedene Weise bethätigt.

Entweder hat das Bank­

haus von Anfang an sofort alle Aktien zu einem bestimmten Kurs übernommen und verkauft dieselben auf eigene Rechnung weiter, was in der Regel bei größeren Kapitalbeschaffungen, z. B. Eisenbahnanlehen rc. der Fall ist,

oder es verpflichtet sich, die Durchführung der Zeichnung vorzukehren

und für alle vom Publikum nicht gezeichneten Aktien als Selbstzeichner einzutreten, oder das Bankhaus sucht als Kommissionär für Rechnung der eigentlichen Gründer aber im eigenen Namen Primitivzeichner oder Aktienkäufer.3)

Die Entlohnung

des Bankhauses besteht in

den beiden

letzten Fällen in der Regel in einer Provision für die Unterbringung, im ersteren Falle aber in der Differenz zwischen dem

Emissions-, d. i. Uebernahmskurs4) und dem höheren Verkaufs­

oder Börsenkurs.

*) Gierke, Genosseuschaftstheorie S. 333, 719; v. Völderndor ff a. a. O. S. 443 ff.; Gareis in Behrend's Zeitschrift Bd. V S. 574 ff., Börse und Gründungen (1874) S. 7 ff. und HR. S. 131, 132, 232 ff. 2) v. Völderndorff a. a. O. S. 444 ff. und Sydow in .Goldschmidt's Zeitschrift Bd. XIX S. 427 ff. Der Darstellung des Letzteren schließen auch wir uns größtenteils an. 3) v. Völderndorff a. a, O. S. 444, 445. 4) Dieser Kurs ist präsumptiv (s. Entsch. des ROHG Bd. XIII S. 309, Ren and st. a. O. S. 206, Ring a. a. O. S. 401) und. nach der Aktiennovelle von 1884 wohl auch regelmäßig der Parikurs (Nominalwerth) der Aktien; Letzteres, weil die Emission unter Pari ververboten ist (Art. 209 a letzter Satz^, die über Pari nicht dem Emittenten (direkt), sondern dem Reservefonds der Gesellschaft zu Gute kommen würde (s. Art. 209 a Abs. 1 Ziff. 2 mit Art. 239b (185b) und Art. 226 Ziff. 2). Es kann zu Mißverständnissen führen, wenn man, wie v. Völderndorff a. a. O.

Dritter Titel.

Von der Aktiengesellschaft.

Art. 220.

487

Znm Zwecke des möglichst günstigen Verkaufes der Aktien **) haben sich aber int Verkehre noch andere Mittel herausgebildet, vor Allem die sogenannte „Konsortialbetheiligung", bereit bereits oben Bem. 348 Anm. 2 S. 481 ff. Erwähnung geschah; die mit diesem Namen bezeichnete Gesellschaft ist nicht mit der als Gründer-konsortium (f. oben Bem. 348) zu bezeichnenden Spekw lationsvereinigung zu verwechseln; sie hat nicht unmittelbar die Gründung zu finanzieren, sondern die Aktien zu lanzieren, ist also eine Aktienübernahme- und Aktienvertriebs-Gesellschaft: von der Doppelabsicht getragen, den Kurs der Aktien in die Höhe zu bringen und dadurch zu ge­ winnen, im schlimmsten Falle aber, d. i. wenn ein die Selbstkosten übersteigender Kurs nicht zu erreichen ist, sich gegen Verluste zu decken, kann das Gründerkonsortium oder das die Emission besorgende Bankhäuserkonsortium, anstatt die Aktien zu einem bestimmten Kurse Dritten definitiv zu überlassen, so daß dann diese selbst die Begebung für eigene Rechnung zu versuchen hätten, einen Leiter, sog. Konsortialleiter bestellen,2) welcher im Austrage des Gründer- oder Emissions­ Konsortiums, aber in eigenem Namen gesellschaftliche Vereinigungen für die Aktienbegebung und ihre Ergebnisse mit den einzelnen dazu bereiten Personen („Konsortialbetheiligre") des Inhaltes abschließt, daß ihm das Geschäft, die Aktien an das Publikum, insbesondere an das Börsen­ publikum zu bringen, überlassen wird, der Nutzen hieraus, nämlich der Profit der Begebung voir Aktien über einen bestimmten Kurs hinaus pro rata — nach dem Verhältnisse der Betheiligungs­ summe zu dem ganzen zu begebenden Aktienkapital — dem gewonnenen Gesellschafter zufällt,, während der nicht vom Publikum abgenommene Theil der Aktien von den Konsortialbetheiligten. zum Konsortialkurse pro rata behalten werden muß. Dabei handelt es sich nicht um die Weiter­ veräußerung einer individuell ausgeschiedenen Aktienquantität der Konsortialbetheiligten durch den beauftragten Konsortialleiter, sondern „um die Verwerthung der gesammten, dem Konsortialleiter von der Gründergescllschaft zur Regelung überlassenen Aktienmasse im gemeinschaftlichen Interesse auch im Interesse der Konsortialbetheiligten" (Ring a. a. O. S. 402); die Gesellschaftsleistung dieser Letzteren besteht in der Uebernahme des Risikos, daß die Aktien nicht oder nicht günstig placiert werden können, mithin auch in eventueller Tragung von Kosten pro rata. Vgl. Sydow, v. Völderndorff und Ring a. a. O. Gelingt es dem Leiter, so viele „Konsortialbetheiligungen" zu finden, d. i. so viele Gesell­ schaftsverhältnisse gedachter Art einzugehen, daß dadurch das ganze zu begebende Aktienkapitals­ quantum absorbiert wird, so hat sich das Gründerkonsortium, wenn auch die Aktienbegebung an Dritte mißlingt, doch der Aktien entledigt, weil die Konsortialbetheiligten sie abnehmen müssen. Der Konsortialbetheiligte steht demnach in einem unmittelbaren Gesellschaftsverhältnisse der ange­ gebenen Art zu Demjenigen, welcher das Begebungsgeschäft leitet und eventuell ausführt und beide Theile, sowohl der konsortialbetheiligende Leiter (Syndikus) wie der konsortialbetheiligte Dritte sind unwiderruflich gebunden, den Verkauf für gemeinschaftliche Rechnung zu bewirken bezw. geschehen zu lassen. Hierbei behält der Konsortialen Suchende, als leitendes Haus, und ebenso das Syndikat, im Falle ein vielköpfiges Konsortium besteht, gewöhnlich die eigentliche Zeichnungs­ bewirkung oder den Aktienverkauf allein in der Hand; die Konsortialen verpflichten sich beim Eintritte in das Syndikat zu einer gewissen Kautionsvorlage, die ®o]ten für Ankündigung,

S. 444 thut, dem „Uebernahmskurs" den „Emissionskurs" gegenüberstellt und den Gewinn des Emittenten in der Differenz dieser Kurse erblickt; nach der Aktiennovelle ist die „Emission" in der „Uebernahme" zu erblicken; die dem Agiotagespekulanten nützende Kurshebung kann erst nach der Emission eintreten. *) Im Folgenden ist vom Verkaufe wirklicher Aktien die Rede; hinsichtlich der durch die Aktiennovelle von 1884 größtentheils der Agiotagespekulalion entzogenen (s. folgende Seite Anm. 1) Unterbringung von Primitivzeichnungen oder von Aktien einer noch zu errichtenden Gesellschaft s. Entsch. des ROHG. Bd. XVII S. 204ff., des RG. Bd. VII S. 104, Renaud a. a. O. K. 205, Sydow a. a. O. S. 435ff. und Ring a. a. O. S. 404. 2) Beim Vorhandensein einer größeren Anzahl Betheiligter, einen Ausschuß, Syndikat genannt, wovon der Leiter Syndikatsleiter heißt.

Zweites Buch.

488

Von den Handelsgesellschaften.

Art. 220.

Reklame, Provisionen für die Syndikatsleiter und Zeichenstellen rc. gehen aus gemeinsame Rech­ nung und am Schlüsse wird dann das Konsortium durch Abwicklung des Geschäftes ausgelöst. *) Das gesellschaftliche Recht eines Konsortialbetheiligten kann aber wiederum Gegenstand des Handels werden und spricht man hier von Verkauf und Kauf einer „Konsortialbetheiligung". Es kann nämlich der unmittelbar Betheiligte oder ein Nacherwerber von seinem vorhandenen Gesell­ schaftsantheile einen Theil an

einen Nachmann abtreten.

Beiden auf jenen Gesellschaftsantheil konsortium.-)

Vgl. Ring

a.

ci. O.

ein

besonderes

Alsdann entsteht zwischen diesen

Gesellschaftsverhältniß,

S. 401, 402,

Sydow

ein sog.

Unter-

in Goldschmidt's Zeitschrift

Bd. XIX S. 432 ff. Was aber das Ncchtsverhältniß einer solchen Unterkonsortialbeiheiliguug anlangt, so ist es das gleiche wie bei der Konsortialbetheiligung, denn wie regelmäßig die sogenannten Konsortien oder Syndikate des Aktienbegeblingsgeschäftes Konsortialbctheiligungsgeschäfte

regelmässig

als Sozietäten erscheinen, und die sogenannten

Assoziationen

zum

bestmöglichen Verkauf

der

be­

treffenden Papiere auf gemeinschaftliche Rechnung sind, so begründet es hierbei keinen Unterschied, ob das ursprüngliche und prmzipale Konsortinm in Frage steht, oder ob es sich um Unterkon­ sortien handelt, welche ein Konsortiale für eigene Rechnung gebildet hat. 3) ** Zu bemerken ist hier noch, daß der Unterkonsortiale von dem ihn Betheiligenden strikte Jnuehaltung der Konsortialbedingungen beanspruchen kann und daß ihm für den Fall späterer Entdeckung von Vertragsverletzungen seitens des Syndikats das Recht zusteht, vom Hauptbctheiligten Abtretung der diesem etwa gegen das Syndikat zustehenden Kondiktionsrechte zu verlangen. Die Feststellung des

auf

einen Gesellschaftsantheil fallenden Gesellschaftsergebnisses

kann

Nur zwischen dem vom Konsortium bestellten Leiter und dem ihm gegenüber unmittelbar Betheiligten erfolgen. Um dieses Ergebniß ans die Nachmänner übertragen zu können, hat jeder Vormann seinen Nachmann von demselben in Kenntniß zu setzen. Hat sich auch der Konsortialleiter seinem unmittelbaren Theilnehmer gegenüber

oder ein

Bormann seinem Nachmann gegenüber Befreiung von der Rechnungslegungspflicht vorbedungen, so entbindet dies den Konsortialleiter nicht von der Aufstellung einer Abrechnung unter Angabe eines bestimmten Gesellschaftsergebnifses, und den Vormann nicht von der entsprechenden Mit­ theilung an den Nachmann, damit Letzterer prüfen kann, ob sich auch nach diesen Angaben der erhobene Anspruch rechtfertigt. Nach Auflösung des Syndikats hat der Konsortiale und bezw. Unterkonsortiale das Recht, bezüglich der weitcrbcgebenen Aktien die Differenz zwischen dem Pari- event. Konsortialkurse und

*) Diese durch solche Konsortialbetheiligung entstehenden Gesellschaften stellen sich — während die Gesellschaft der Gründer nur dann als Gelegenheitsgesellschast im Sinne des Art. 266 ff. des HGB. aufgefaßt werden kann, wenn die Gründerthätigkeit ein Handelsgeschäft (z. B. nach Art. 274 Abs. 1) ist (s. Gareis, HR. S. 135, 136), was keineswegs immer zutrifft (s. Ring a. a. O. S. 400 und vgl. oben Bem. 9 S. 314) — regelmäßig nach Art. 271 (wegen der An­ schaffung behufs Realisationsveräußerung) — als Veremigungcn zu einem einzelnen Handels­ geschäfte für gemeinschaftliche Rechnung im Sinne des Art. 266 ff. des HGB. dar; dementsprechend wird nach Art. 269 nicht das Konsortium als solches, sondern stets nur der Leiter der Konsortialgesellschaft und im Syndikate jedes Mitglied desselben, soweit es handelt, für sich selbst aus den einzelnen Emissionsgeschäften haftbar. Es ist dies insofern von größter Wichtigkeit, als der Art. 213b nicht das emittierende Konsortium, sondern nur das die Ankündigung erlassende Haus und bei mehreren handelnden Häusern unter Ausschluß der Einrede des Nichtselbstgehandelthabens diese soli­ darisch trifft. -) Es ist dies keineswegs immer der Fall, wie denn überhaupt Varietäten innerhalb dieses ^Geschäftsverkehres nicht ausgeschlossen sind. 3) Allerdings kann nur hier von einem ein Gescüschaftsverhältniß zwischen den Konsortialen und Unterkonsortialen bildenden Unterkonsornnm (Art. 266 HGB.) die Rede sein, während, wenn der unmittelbar oder mittelbar Betyeiligte seinen ganzen Gesellschaftsamheit Abtritt, zwischen dem Abtretenden und Erwerber, welcher auch als Unterbetheiligter bezeichnet werden kann, keine Gesellschaft besteht.

Dritter Titel.

Von der Aktiengesellschaft.

489

Art. 220.

bnn Verkaufskurse nach Verhältniß seiner Betheiligllng zu verlangen, er hat aber zugleich auch bk Pflicht, nach dem gleichen Verhältnisse die unverkauften Aktien an dem vom Syndikate befti-iitmtm Tage gegen Zahlung des Pari- event. Konsortialkurses abzunehmen.

Das Syndikat hat

aber die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß die uiwerkauften, bisher in der Gemeinschaft ge­ wesenen und der freien Verfügung des Einzelnen entzogenen Aktien mit Beendigung jener Gemein­ schaft unverzüglich zur Verfügung des Annahmepflichtigen gelangen, damit dieser ohne Weiteres btic aus der nunmehr frei werdenden Cirkulation des Papieres sich ergebenden Konjunkturen für sich benutzen kann. Wird dieser Verpflichtung nicht genügt, so ist das Vertragsverhältnlß wegen Nichterfüllung vorn der einen Seite als

hinfällig zu

19>7 ff. 389 ff. XXII. 381 ff.

NG.

betrachten.

I.

76 ff. VII.

(ROHG. XIII. 306 ff. XV. 249 ff. XVII. 100 ff.

S. hierüber in

Fuchsberger,

Sammt, der Entsch. auf dem Gebiete des Handelsrechts S. 300 ff., 446, 468 ff. und Supplements­ band hierzu S. 105 ff.) Ueber den Unterschied zwischen der sog. Konsortialbetheiligung und der Theilnahme am Gründer- oder Aktienübernehmer-Konsortium s. oben Bem. 348 Anm. 2 S. 481 ff. Das Konsortium, welches von der Gründergesellschaft die Finanzierung

des

projek­

tierten Aktienunternehmens übernimmt, das gewöhnlich aus Bankhäusern bestehende Aktienübernehmcr-Konsortium, wird auch Finanzkonsortium genannt. Werden von solchem die Aktien im Wege

der Vergebung von Konsortialbetheiligungen

vertrieben

und wird

Aktien in Folge Zahlungsunfähigkeit 'Konkurses) eines Mitgliedes

die Begebung von

des Uebernahmekonsortiums

unmöglich, so ist dies nicht ein von den Konsortialbetheiligten zu tragender Zufall, sondern es entsteht für diese das Recht, sich vom Betheiligungsvertragc loszusagen. 359.

» S. 229, 344. E«tw. 1884 Art. 221. Bear. W*4» @. 293 ff., 331. Komm. Ber. $. 1017. steil. Bcr. S. 975, 1151.

RG. v. 18. Juli 1884 §§ 1, 4 (unten nach Art. 249g). Vgl. HGB. Art. 224.

Inhalt. Abwesende 233. Aktionärsrechte 99, 100. 438ff.. Anfechtungsrechte 266. Anwesende 233. Beglaubigte Vollmachten 265. Berufung der Generalversammlung 238. Beschlüsse der Generalversammlung 260 ff. Betheiligte 265. Bilanz 294, 309, 310. Form der Gen.-Vers.-Beschlüsse 260, 265. Gattungen von Aktien 133, 232. Genera lversammlung 230 ff. — Arten ders. 237. — außerordentl. 237. — Bedeutung ders. 230.

j I ;

Geschäftsbericht 294, 309, 310. Gewinnkonto 295. Gründ un gsvcrsammlung 237 (Art. 209d, 210a) Jahresbericht 294. Irrthum 437. Kaduzierung 437. Rüben lieferungspflicht 437. Rüben Zuckerfabriken 437. Stimmenerschleichung 235, 438. Stimmenkauf 234, 438. Stimmenthaltung 265. Stimmrechte 231, 232, 438, 439, 511. Uebergangsbestimmung 511. Verlustkonto 295. Vollmachten 265.

404. V. Garantien der Gesellschaftsgrundlage bei Statutenänderung (s. hier­ über überhaupt Art. 214 ff.). Die Maßregeln, welche das Gesetz enthält, um das reale Substrat der Gesellschaft gegenüber Statutenänderungen zu sichern, beziehen sich auf fünf verschiedene Ver­ hältnisse : 1. Die Nachgründung (Art. 213f). Man versteht unter „Nachgründung" den Ab­ schluß von Verträgen seitens der Gesellschaft, durch welche Etablissements — bestehende oder her­ zustellende Geschäftsanlagen oder unbewegliche Sachen — für eine 10 Prozent des Grundkapitales übersteigende Vergütung für die Gesellschaft in der Form eines Kaufes, oder als datio in solutum auf baar zu zahlende Einlagen, oder in anderer Weise, — in Wahrheit durch einen nach­ träglichen Jllationsvertrag (über dessen Natur s. oben Bem. 18, 162) — erworben werden sollen, vorausgesetzt, daß diese Verträge innerhalb zweier Jahre von der Eintragung der Gesellschaft an gerechnet abgeschlossen werden. Da durch solche Verträge eine Ueber grün düng der Gesellschaft, d. h. ein verhängnißvolles Mißverhältniß zwischen dem wirklichen Werthe der Apports oder übernommenen Anlagen einerseits und dem berechneten Werthe oder der für jene gewährten Gegenleistung andererseits herbeigeführt und damit die Unsolidität des ganzen Gesellschaftsunternehmens veranlaßt werden kann, so ist die Novelle von 1884 bemüht, die Grundsätze der „Prüfungstheorie" zur Sicherung der Solidität der Gesellschaft auch auf die Nachgründung in Anwendung zu bringen. Daher wird zur Gültigkeit der sog. Nachgründungsverträge eine vom Aufsichtsrathe vorzunehmende Prüfung, ein qualifizierter Genehmigungsbeschluß der Generalversammlung und die Einreichung der Vertragsurkunde, des motivierten Aufsichtsrathsberichtes und des Generalversammlungs­ beschlusses zum Handelsregister bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe nach Art. 249g Abs. 2 verlangt. 405. Die nach Art 213 f zu veranlassende Prüfung des Herganges einer solchen Er­ werbung hat der Aufsichtsrath allein vorzunehmen, weil der Vorstand, welcher den Vertrag ab­ geschlossen hat, sich nicht selbst kontrollieren kann. Bei einer quasi Nachgründung (d. i. dem innerhalb zweier Jahren nach der Eintragung er-

Dritter Titel.

Bon der Aktiengesellschaft.

Art. 221. 222.

503

folgenden Abschluß von Ucbernahmsverträgen, welche zur Ausführung einer vor der Errichtung der Gesellschaft von den Gründern getroffenen Vereinbarung abgeschlossen werden) haften die Gründer und Gründungskomplizen (Art. 213 a) wie aus der Gründung selbst, der Genehmigung^ beschluß der Gesellschaft aber wird wie ein Gesellschaftsverzicht (dreijährige Wartefrist rc.) behan­ delt (Art. 213d). 406. Der von der Kommission dem Art. 213 f noch beigefügte letzte Absatz nimmt von dessen Vorschrift den Fall des gewerbsmäßigen oder exekutionsmäßigen Erwerbes seitens der Gesellschaft ans. Diese Bestimmung bezieht sich nur auf den Jmmobiliarerwerb und ist somit die Uebernahme von Anlagen auch bei diesen Gesellschaften nicht ausgenommen. — Bei dem Er­ werbe des Immobile darf nicht der Gegenstand des Unternehmens zweckbestimmend sein, es muß vielmehr der Erwerb selbst den Gegenstand des Gesellschaftsunternehmens bilden. Der Erwerb im Wege der Zwangsvollstreckung muß die Folge der Beitreibung einer der Gesellschaft zu­ stehenden Forderung sein, es darf aber die Zwangsvollstreckung nicht als Mittel zur Verkleidung von Erwerbsgeschäften, die nur unter obiger Voraussetzung giltig sind, benutzt worden sein.

Artikel 222. Die Vorschriften im Artikel 190 a, 190b über die Anfechtung eines Be­ schlusses der Generalversammlung finden mit der Maßgabe Anwendung, daß an die Stelle der persönlich haftenden Gesellschafter der Vorstand tritt. 331.

(glitte. 1883 Art. 222. Begr. hierzu . 1883 Art. 234. Begr. hierzu 0. 319-351. @ntto. 1884 Ar«. 234. B««r. hierzu 0.333-334 «trnim. Brr. @. 1020. @t«n. Brr. @. 975, 1154.

RG. v. 18. Juli 1884.

s «e «i«. AufsiichtSrathskompetenz 272, 286, (314 ff.), 325, 344.

Scannte 344, 345. Beaimtenwahl 257. Generalversammlung, wählende 257.

Hand lungsbevollmächtigte 344. Kompetenz des AufsichtSrathS 272, 286, 825, 344. Kollektivprokura (im Vorstände) 344. Prokura (f. oben Art. 41 ff.) 272, 344. Verwaltungsrath 343.

453. Die diesbezügliche Verhandlung des Gerichts richtet sich nicht nach den Bestimm­ ungen der Civilprozeßordnung, sondern ist Sache der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Vor Ernen­ nung der Revisoren hat das Gericht vorerst den Vorstand und den Aufsichtsrath bezw. die Liqui­ datoren zu hören, d. h. ihnen Gelegenheit zur mündlichen oder schriftlichen Erklärung über die in denn Antrage angeführten Thatsachen und die etwa zu Revisoren vorgeschlagenen Personen zu geben. Erweist sich der Antrag als haltlos, so kann es denselben ohne weitere Verhandlung zurückweisen. Unterliegt er dagegen nur in formeller Beziehung einer Beanstandnng, so ist es dem Richter nicht untersagt, die Mängel verbessern zu lassen- bezw. das Fehlende nachzuholen. Findet aber das Gericht den Antrag begründet, so hat dasselbe die vorgeschlagenen oder andere Revisoren zu ernennen. Da, wo die Beschwerde in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit landesgesetzlich gestattet ist, steht den durch den Beschluß Verletzten, also gegen die Abweisung des Antrages den Aktionären, gegen die Ernennung von Revisoren den Gründern, dem Vorstande, dem Aufsichtsrathe oder den Liquidatoren die Beschwerde zu. Mit der Zulassung der Revision ist die Thätigkeit des Gerichtes erschöpft. *) 454. Durch dieses Recht, die gerichtliche Bestellung von Revisoren zu verlangen (Art. 222a Abs. 1), soll eine erhöhte Sicherheit der Aktionäre und die Durchsichtigkeit der gesummten Geschäftsführung in jedem Augenblicke erreicht werden, selbst wenn eine geschlossene Majorität sich der Prüfung widersetzen sollte. *) Inwieweit vom Gerichte Zwangsmaßregeln gegen die Revisoren zur Einreichung des Berichtes angeordnet werden können, entscheidet sich nach dem Landesrecht. 2) Durch die Revision soll aber nicht etwa eine Entscheidung darüber, ob in der That die behauptete Verletzung begangen ist, herbeigeführt werden, es soll vielmehr nur innerhalb des Kreises der Betheiligten und zur Information für sie eine Aufdeckung des Sachverhaltes durch andere als die Gesellschaftsorgane erfolgen. Zu diesem Zwecke haben die Revisoren von dem Vorstande die Einsicht der Bücher und Schriften der Gesellschaft zu verlangen, sich erforderlichenfalls von dem Bestände der Gesellschafts­ kasse und der Effekten, Handelspapiere und Waaren zu überzeugen und über das Ergebniß ihrer Prüfung zu dem Handelsregister einen Bericht einzureichen, welcher dort zur Einsicht aller Aktio­ näre niederzulegen ist. Zugleich ist dem Vorstande die Pflicht auferlegt, den Bericht bei der Be-

528

Zweites Buch.

Von den Handelsgesellschaften.

Art. 235. 230.

Artikel 235. Der Betrieb von Geschäften der Gesellschaft, sowie die Bertretung der Gesellschaft in Bezng ans diese Geschäftsführung kann auch sonstigen Bevoll­ mächtigten oder Beamten der Gesellschaft zugewiesen werden. In diesem Falle bestimmt sich die Befugniß derselben nach der ihnen ertheilten Vollmacht; sie erstreckt sich im Zweifel auf alle Rechtshandlungen, welche die Ausführung der­ artiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Enttv. 1883 Art. 235. B««r. hierzu 3. 351, 352. glitt». 1884 Art. 235. Begr. hier,,» 3. 334. Komm. Ber. S. 1020. Steri. Ber. S. 975, 1154. RG. v. 18. Juli 1884. HGB. Art. 234, unverändert nun Art. 235.

Prot. S. 346 ff., 1057, 1063 ff.

Inhalt.

Beamte der Gesellschaft 257, 344 ff. Handlungsbevollmächtigte 344, vgl. Art. 47. Kollektiv Prokura des Vorstands 344. Prokuristen 344.

Stellvertreter der Vorstandsmitglieder 280, 3ü bis 346. Bertretun gSbefugii ig 268, 275, 278, 280. Derwaltungsrath 322, 343. V orst an d sv ertreter 280.

455. Da der Kredit der Aktiengesellschaft durch eine muthwillig herbeigeführte Cfaquetc, ebenso wie durch eine frivole Beschlußanfechtung geschädigt werden kann/) so sind nicht blos die erwähnten Voraussetzungen statuiert, sondern es ist in Art. 222a Abs. 5 auch die solidarische Haftung für den Ersatz des durch den ilngerechtfertigten Nevisionsantrag

dem Gesellschaftsver­

mögen zugefügten Schaden gesetzlich vorgesehen.*2)

Artikel 236. Die Generalversammlung der Aktionäre wird durch den Vorstand berufe», soweit nicht nach dem Gesetze oder dem Gesellschaftsvertrage auch andere Per­ sonen dazu befugt sind. Die Generalversammlung ist, außer den tut Gesetze oder im Gesellschnftsvertrage ausdrücklich bestimmten Füllen, zu berufen, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. glitt». 1883 Art. 235. B««r. hierzu S. 352. Komm Ber. S. 1020. Sien. Ber. S. 975, 1154.

Enttv. 1881 Art. 235.

RG. v. 18. Juli 1884. HGB. Art. 236 (Prot. S. 1065—1067), Art. 237 Abs.

1

Begr. hierzu 3. 331.

(Prot. S. 344ff., 1065 ff., 4544 .

Inhalt.

I Berufung der Gen.-Vers. 238ff., 301. j Gerichtliche Berufung der Gen.-Vers. s. Mit. 210a. |

Min oritätSrcch te f. Art. 222, 237 und die Bem. hierzu. Unentziehbarkeit bcS Rechts der Berufung ooi.

rufung der nächsten Generalversammlung als Gegenstand der Beschlußfassung anzukündigen, um die Diskussion und Beschlußfassung über den Rcvisionsbericht sicher zu stellen. Den Antragstellern steht ein Recht der Einmischung, namentlich der Anwohnung der Ein­ sicht der Bücher, Belege, Bestände und Effekten der Gesellschaft nicht 511. Ein solches Recht der Antragsteller würde leicht die Interessen der Gesellschaft gefährden. j) Aehnlich wie oben Bem. 448. S. auch unten Bem. 460. 2) Die „bösliche Handlungsweise" umfaßt hier, wie in anderen Fällen der Vorlage dolus und luxuria. (Ueber den Begriff „bösliche Schädigung" vgl. auch oben Bem. 223, 448, unten Art. 396 Abs. 5 u. Art. 427; dann Entsch. des ROHG.'s Bd. XVII S. 301; RG. Bd. I S. 22, Bd. VII S. 127 ff.; Thöl, HR. Bd. III §29; Gareis, HR. S. 262, 507 und Ströll, Das Reichsgesetz u. s. w. S. 37.)

Dritter Titel. 456.

Bon der Aktiengesellschaft.

529

Art. 236. 237.

2. Das Ersatzklagerecht einer Aktionärsraktion.

Was das Recht der

Gesellschaft zur Verfolgung der Ansprüche aus der Gründung und Geschäftsführung (Art. 223) betrifft, so besteht eine Verantwortlichkeit der Gründer und der anderen bei der Gründung bethei­ ligten Personen (Art. 213a bis 213c) nur der Gesellschaft, nicht den einzelnen Aktionären gegen­ über, und ebenso stehen auch, abgesehen von der Gründung, die Mitglieder des Vorstandes, des Aufsichtsrathes und die Liquidatoren nur zur Gesellschaft, nicht dagegen zu den einzelnen Akticnären in rechtlicher Beziehung. Wenn nun aber die Gesellschaft diese ihr gegen die bezeichneten Personen zustehenden An­ sprüche nicht verfolgt, so können die Interessen des einzelnen Aktionärs mittelbar insofern geschä­ digt werden, als durch das Unersetztbleiben des der Gesellschaft zugefügten Schadens eine Min­ derung des Werthes seines Antheilsrechtes eintritt. Aktionär gericht

Auch im letzteren Falle steht dem einzelnen

keine Klage gegen die Gesellschaft auf Ersatzleistung zu. hat

in

dieser

Beziehung

in

mehreren

Entscheidungen

Das Reichs - Oberhandels­ (s.

Sammlung

derselben

Bd. XVI S. 286 ff., Bd. XIX S. 178 ff., Bd. XXII S. 239) ausgesprochen, daß die Aktien­ gesellschaft, welcher der Ersatzanspruch zusteht, während ihrer Existenz und selbst bis zur Beendi­ gung der Liquidation, eine von den einzelnen Aktionären völlig verschiedene Persönlichkeit sei, daß letzteren an dem Vermögen und den Ansprüchen der Gesellschaft nicht etwa ein Miteigenthum zu­ stehe und daß sie auch nicht ein Recht auf Abtretung eines ihrem Aktienbesitz entsprechenden An­ theiles daran haben, weshalb der einzelne Aktionär an Stelle der dazu bestimmten Organe der Gesellschaft deren Ersatzansprüche nach seinem Ermessen auch nicht selbständig zur Gesellschastskasse verfolgen könne. Es ist dieses auch der Standpunkt des Gesetzes von 1884, indem dasselbe das Ersatzklagerhebnngsrecht nicht als Individualrecht eines jeden einzelnen Aktionärs, sondern als Minoritäts­ recht einer Aktionärfraktion anerkennt.

(S.

hierüber namentlich Begründung 1884 a. a. O.

S. 298.) Da aber, wenn die Entscheidung über die Verfolgung eines Anspruchs der Gesellschaft gegenüber Gründern, Gründungskomplizen, Emissionshäusern, Vorstands- und Aufsichtsrathsmit­ gliedern, sowie Liquidatoren ausschließlich und endgültig in die Macht der Generalversammlung gelegt wird, leicht eine Kollusion zu Gunsten Einzelner und eine Schädigung der Gesellschaftslnteressen

stattfinden

dann eintreten,

kann,

so

läßt

der Art. 223 die Verfolgung der Ansprüche nicht nur

wenn sie von der Generalversammlung mit einer einfachen Mehrheit beschlossen

ist, sondern auch dann, wenn die Antheile der sich für die Verfolgung entscheidenden Minderheit den fünften Theil des Grundkapitals ailsmachen.

Artikel 237. Aktionäre, deren Antheile zusammen den zwanzigsten Theil des Grund­ kapitals darstellen, sind berechtigt, in einer von ihnen unterzeichneten Eingabe unter Angabe des Zwecks und der Gründe die Berufung der Generalversamm­ lung zu verlangen. Ist in dem Gesellschaftsvertragc das Recht, die Berufung der Generalversammlung zu verlangen, an den Besitz eines geringeren Antheils am Grundkapital geknüpft, so hat es hierbei sein Bewenden. In gleicher Weise haben die Aktionäre das Recht, zu verlangen, daß Gegenstände zur Beschlußfassung einer Generalversammlung angekündigt werden. Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das Handelsgericht die Aktionäre, welche das Verlangen gestellt haben, zur Berufung der Generalver­ sammlung oder zur Ankündigung des Gegenstandes ermächtigen. Mit der Bernsting oder Ankündigung ist die gerichtliche Ermächtigung zu veröffentliche». %

u dj 3 ö c v fl c v nnd G rt v c i v, ADHGB.

34

530

Zweites Buch. Von den Handelsgesellschaften. Art. 237. 238.

Enlw. 1883 Art 237. Begr hler-U S. 250, 253, 352. S. 301, 334. Komm. Der. S. 1020. Sten. Ber S. 975, 1154.

E,,tw. 1884 Art. 237.

Begr. hierzir

RG. v. 18. Juli 1884. Anhalt. Aktionärfraktion 238. Antrag auf Berufung 238, 241. — in der Gen.-Ders. 241. Berufungsfälle 238, 463. Form der Berufung 240.

Generalversammlung 230 ff., 238, 463. — Thätigkeit dcrs. 241, 242 ff., 463. Geringerer Theil 238 (Anm.). „kann" (Abs. 3> 238. Tagesordnung 241, 463. Zwanzigster Theil 238.

457. Das hier der Minderheit zugesicherte Verfolgungsrccht hat in dem der gleichen Minderheit durch Art. 213 ä gewährten Widerspruchsrechte gegen den Abschluß von Vergleichen oder die Erklärung von Verzichten seine Voraussetzung, so daß, wie ohne Gebrauch des letzteren das erstere nicht existent wird, der Widerspruch nur erhoben wird, um die Verfolgung der Ansprüche der Gesellschaft herbeizuführen. Hat also ein Vergleich oder Verzicht ohne Widerspruch Nechtsgültigkeit er­ langt, so kann hinterher weder von der Mehrheit noch auf Grund des Art. 223 von der Minderheit eine Verfolgung verlangt werden. Letztere findet nur statt, wenn ein Vergleich rc. überhaupt noch nichtzur Ver­ handlung gekommen oder soweit er in einer früheren oder in derselben Generalversammlung durch die Mehrheit oder den Widerspruch der Minderheit verworfen ist. Ebenso kann einer danach statt­ haften Verfolgung durch eine spätere wirksame Beschlußfassung der Generalversammlung über einen Vergleich oder Verzicht ein Ende gemacht werden; in der späteren Versammlung kann und mag gegen denselben die gleiche Minderheit Widerspruch erheben und dadurch das Verfolgungsrecht für die Gesellschaft erhalten. (Begründung a. a. O. S. 299.) 458. Die Dauer des von einer Majorität oder von einer Minorität beschlossenen Klagerhebungsrechtes ist durch Abs. 2 des Art. 223 rnsoferne zeitlich begrenzt, als die Klage bei Vermeidung der Beseitigung des von der Minderheit gestellten Verlangens binnen drei Monaten seit dem Beschlusse der Generalversammlung erhoben werden muß. Der unbenutzte Fristablauf schließt aber nicht aus, daß, falls von Neuem die Frage der Erhebung oder Beilegung des Anspruches zur Verhandlung gelangt, bic Verfolgung wieder von der Mehrheit beschlossen oder von der Minderheit verlangt werden kann. (Begründung ebenda.)

Artikel 238. Die Berufung der Geueralversammluiig hat in der durch den Gesellschaftsvertrag bestimmten Weise mit einer Frist von mindestens zwei Wochen zu er­ folgen. Ist in dem Gesellschaftsvertrage die Ausübung des Stimmrechts davon abhüngig gemacht, daß die Aktien bis zu einem bestimmten Zeitpunkte vor der Generalversammlung hinterlegt werden, so ist die Frist derart zu bemessen, daß für die Hinterlegung mindestens zwei Wochen frei bleiben. Der Zweck der Generalversammlung soll jederzeit bei der Berufung be­ kannt gemacht werden. Ueber Gegenstände, deren Verhandlung nicht in der durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Artikel 237 Absatz 3 vorgesehenen Weise mindestens eine Woche vor dem Tage der Generalversammlung ange­ kündigt ist, können Beschlüsse nicht gefaßt werden; hiervon ist jedoch der Be­ schluß über den in einer Generalversammlung gestellten Antrag auf Berufung einer außerordentlichen Generalversammlung ausgenommen. Zur Stellung von Anträgen und zu Verhandlungen ohne Beschlußfassung bedarf es der Ankündigung nicht. Entw. 1833 Art. IBS. Begr. hierzu S. 352 -354. Entw. 1834 Art. 233. Begr. hierzu ®. 334. Komm. Ber. 6. 1020. Sie». Ber. 3. 875, 1154.

RG. v. 18. Juli 1884.

Dritter Titel.

Bon der Aktiengesellschaft

Art. 238—239.

531

Anhalt. Anträge in der Gen.-Bers. 241. — auf Berufung 238, 241. AufsichtSrath 239, 314ff., 325. Berufung der Gen.-Berj. 238 ff. Form der Berufung 240.

I ! j 1 ;

©en er a (Versammlung 230ff. Hinterlegung von Aktien 240. Tagesordnung 241. Thätigkeit der ©en.-Verf. 242ff. Vorstand 238ff.

Frist der Berufung 240.

459. Die Erhebung und Durchführung des Prozesses ist, mag die Mehrheit sie beschlossen ober die Minderheit sie verlangt haben, an sich Sache des Vorstandes. Richtet sich die Klage aber gegen die Vorstandsmitglieder, so ist der Aufsichtsrath, und werden Aufsichtsrathsmitglieder verklagt, so sind besondere in der Generalversammlung gewählte/) im Nothfalle vom Handels­ gerichte auf Antrag ernannte Bevollmächtigte mit der Führung des Prozesses zu betrauen. Die Prozeßführung geschieht stets für die Gesellschaft und in Vertretung derselben.

Artikel 238a. Jeder Beschluß der Generalversammlung bedarf zn seiner Gültigkeit der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Die Zuziehung von Zeugen ist nicht erforderlich. Eine beglaubigte Abschrift der Urkunde ist ohne Berzug nach der General­ versammlung von dem Vorstande zu dem Handelsregister einzureichen. Entw. 1883 Art. 238». B«gr. hierzu 0.351. 355. Enlw. isst 4111.238 a. Bcgr. hierzu 3.33t, 335. Stemm. »er. 8. 1020. »er. 6. 975, 1154. RG. v. 18. Juli 1884. 3 «halt. Absibrift 264, 292.

Beschlüsse der Gen.-Bers. 260 ff. ^orm der Gen.-Bers.-Beschlüffe 260ff. ormvorschrifren, ftatut. 265. ©enera (Versammlung 230ff., 260. ©iltigteit der Beschlüsse 263, 264. Kraft, verbindliche 260. Notar 260.

g

No tnriatS ordnung 260. Ordnungsvorschrift 264. Ordnungsstrafe 264.

Qualifizierte Gen.-Bers.-Beschlüsse 261. Richterliche Kompetenz 260. Schriftlichkeit 265. Statutarische Formvorschrift 265. Vollmachten, schriftl. 265.

460. Art. 223 bestimmt in Abs. 2 als zwei den Art. 222 a und 190 a entsprechende Kautelen gegen einen Mißbrauch der hier geschaffenen Minoritätsrechte, daß die Minderheit den Besitz der von ihnen für die Dauer des Prozesses bei dem Prozeßgerichte zu hinterlegenden Aktien seit mindestens sechs Monaten, vom Tage der Generalversammlung rückwärts gerechnet- glaubhaft machen und ferner nicht blos wegen der Prozeßkosten, sondern auch wegen des drohenden Schadens den Beklagten auf deren als prozeßhindernde Einrede zu stellendes Verlangen Sicherheit leisten muß. Die Aktienhinterlegung hat als weiteren Zweck noch den der Legitimation zur Klagestellung im Auge. Die Nichtleistung der Sicherheit innerhalb der vom Gerichte gestellten Frist hat zu Folge, daß auf Antrag die Klage für zurückgenommen erklärt wird. Um den Kredit der Gesellschaft vor frivolen Erschütterungen zu bewahren, ist auch hier der entsprechende Schadensersatzanspruch gegeben. (S. hierüber bei Art. 222 a Abs. 5.)*2)

Artikel 239. Der Vorstand ist verpflichtet, Sorge zu tragen, daß die erforderlichen Bücher der Gesellschaft geführt werden. *) Die Nichtbeilegung eines Auszuges des Generalversammlungsprotokolles zur erhobenen Klage ist ein durch nachträgliche Beibringung zu reparierender Mangel der Legitimation zur Klagestellung und ohne besonderen Rechtsnachtheil. 2) S. oben Bem. 455.

532

Zweites Buch.

Bon den Handelsgesellschaften.

Art. 239. 239 a.

Er muß in der durch den Gesellschaftsvertrag bestimmten Frist, welche über die ersten sechs Monate des Geschäftsjahres nicht erstreckt werden kann, und in Ermangelung einer solchen Frist in den ersten drei Monaten Demselben für das verflossene Geschäftsjahr eine Bilanz, eine Gewinn- und Verlustrech­ nung, sowie einen den Vermögensstand und die Verhältnisse der Gesellschaft entwickelnden Bericht dem Anfsichtsrath und mit dessen Bemerkungen der General­ versammlung vorlegen. Er hat die Vorlagen mindestens zwei Wochen vor der Versammlung tit dem Geschäftslokale der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. Jeder Aktionär ist berechtigt, ans seine Kosten eine Abschrift der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnnng, sowie des Geschäftsberichts zu ver­ langen. @nth>. 1883 Art. 239. Begr, hier,» S. 355-360. E„tw 1884 Art. 239. Begr. hierzu S 335-336 Komm. Brr. 1020. Sten, Brr. @. 975, 1154.

RG. v. 18. Juli 1884 § 7. Inhalt. Abschriften 296. Anfsichtsrath 296 (314ff.) Beilagen der Bilanz 296. Berichterstattung 294. Bilanz 294, 296, 309, 310. Buchführung 281, 293. Decharge 297—301, 309. — provisorische 301. Haftung des Borstandes 300. — Fortdauer derselben 300. Generalversammlung 230ff. 237, 301. — kontrollierende 258, 301. Geschäftsberichte 294, 309, 310. Jahresberichte 294, 309, 310. Irrthum bei Entlastung 299.

Kontrolle durch Gen.-Versammlung 258. Konkursrecht 293. Ordnungsmätzigkeit der Buchführung 293. Ordnungsstrafe 296. Rechenschaftsablage 300. Revi soren 299. Schuldbeweis 295. „S orge zu tragen" 281, 293. Uebergangsbestimmungen 514. Unentziehbar eS Berufungsrecht 301 Urkundensammeln 293. Verschulden 295. Zeichnn ngS schein 293. Zwischenbilanz 304.

1 , i ; I 1 I

461. Da die Verfolgung der Ansprüche seitens der Minderheit der Mehrheit aufgenötigt wird, so ist es gerechtfertigt, erstere zu verpflichten, die der Gesellschaft tu dem Prozesse auferlegten Kosten, gleichviel, ob dieselben vermeidlich gewesen wären oder nicht, ihr zii erstatten.

Artikel 239a. Zur Prüfung der Bilanz können durch die Generalversammlung besondere Revisoren bestellt werden. Die Verhandlung ist zu vertagen, wenn dies mit einfacher Stimmenmehr­ heit beschlossen oder von einer Minderheit, bereit Antheile den zehnten Theil des Grundkapitals darstellen, verlangt wird, auf Verlangen der Minderheit jedoch nur, soweit von ihr bestimmte Ansätze der Bilanz bemängelt werden. Ist die Verhandlung auf Verlangen der Minderheit vertagt, so gilt be­ züglich der nicht bemängelten Ansätze der Bilanz die Entlastung des Vorstandes als erfolgt. Eutw. 1883 Art. 239 a. Begr. hierzu S. 355- 360. 6. 335-336. Komm. Ber. S. 1020. Sten. Der. S. 975, 1154.

Eutw. 1884 Art. 239a.

Begr. hierzu

RG. v. 18. Juli 1884.

Anhalt. Bemängelung der Bilanz 298, 301, 464. Bilanz 427ff, 464. Decharge s. Entlastung. Entlastung deS Vorstandes 297, 298, 299, 300, 309. Fortdauer der Haftung des Vorstandes 300. Generalversammlung, wählende 257, 301, 342.

Haftung deS Vorstandes 300, 428. Irrthum bei Decharge 299. Minoritätsrechte 298. , Provisorische Entlastung 300. , Prüfung der Bilanz 299. Revision der Bilanz 297, 301, 309, 464.

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Dritter Titel.

Bon der Aktiengesellschaft. Art. 239 a. 239 b.

Revisoren 299, 301. Stimmenmehrheit 298 Substantiierung der Bemängelung 298. Theilweise Entlastung 298.

538

UebergangSbestimmungen 514. Bertagung 298. Wallt der Revisoren 257, 342. Zwischenbilanz 304.

462. Den die Minderheit bildenden Aktionären ist durch §§ 63 und 64 der REPO, das Mittel geboten, durch ihren Beitritt zum Prozeß als Nebenintervenienten auf die Führung des Prozesses bestimmend einzuwirken. In gleicher Weise können sie auch Vernachlässigungen seitens des Vorstandes oder der Bevollmächtigten der Mehrheit vorbeugen, falls der Prozeß nicht durch von ihnen benannte Bevollmächtigte geführt wird. 468. 3. Das Recht einer Aktionärfraktion, die Berufung einer Generalversamm­ lung sowie eine bestimmte Ta ge so rdnun g für dieselbe zit verlangen. (S. hierüber oben Bem. 238 ff., 241.) Dieses Recht ist gesetzlich an den Besitz von 5 Prozent, statutenmäßig möglicherweise auch eines geringeren Antheiles am Grundkapital geknüpft (Art. 237,).l) 464. 4. Das Recht einer Minorität, die Bilanz zu bemängeln und die Beschluß­ fassung über die Bilanz zu vertagen. Die Minderheit, welche dieses durchsetzen will, muß mindestens ein Zehntheil des gesammten Grundkapitals besitzen (Art. 239 a).-) 465. 5. Eine Aktionärfraktion, welche den zwanzigsten Theil des Grundkapitals in Aktien besitzt, und zwar seit mindestens sechs Monaten, kann im Falle der Liquidation — entgegen dem Statut oder dem Majoritätsbeschlüsse — verlangen, daß die Ernennung der Liquidatoren durch den Richter erfolge (Art. 244).s)

Artikel 239b. Die Borschriften der Artikel 185 a, 185 b, 185 c über die Bilanz und den Reservefonds finden entsprechende Anwendung. Entw. 1883 Art. 239 c. Begr. hierzu S. 355 - 360. T. 335-336. Komm. Ber. S. 1021. Sten. Ber. S. 975, 1154.

Eutw. 1884 Art. 239 b.

Begr. hierzu

RG. v. 18. Juli 1884 § 7. Inhalt. Abfindungen 435. Abnutzung, Abnutzungökoi ti 430, 432, 435. Abschreibungen 432. Abschriften 290 Agio 435. Aktiva 435. And«.re VermögenSgegenstände (9Ut. l«5a) 430. Anlagen, dauernde 432. Anlage deS Reservefonds 398, 400 n. E. Anschaffungspreis 430. ApportSschätzung 430. Auf sich tS ra t h 296, (314 ff. j. Beilagen zur Bilanz 296. Betriebögewinn 435. Bilanz (Art. 185a), 427 ff. — Zweck der Vorschriften über — 427. Delkredere-Konti 435. Erhaltnn gSkosten 432. Erhöhung des Grundkapitals 435. Erneuerungsfonds 432. 435. Erwerbspreis 430. Fabrikate 430 Genera lnnkost en 43 l. „Gewinn" 436. Gewinn-Konto 436. Grundkapital 435. Gründung?ko sten 433, 434. Halbfabrikate 430. Hau dclsregister 428. Herstellungspreis 430. Jahresbilanz 428.

Konten, stabile — 432. Kursrückgang 43 l. KurSsteigen 431. Marktpreis 431. Mehrheit von Reservefonds 399, 435. Nominalbetrag 435. Ordnungsstrafen 428. OrganrsationSkoften 433, 434. Passiva 433, 435. Quellen des Reservefonds 397. Reingewinn 436. Repartieren 431. Reservefonds (Art. 185 b), 396, 397, 435. Rohbilanz 428. Saldo 436. Semestralbilanz 428. Stabile Konten 432. Tageskurs 431. Tracierungen, Kosten ders. 434. Uebergangsbestimmungen 514. Unterstützungskasscn 135. Vcrlu st-Konto 436. Veröffentlichung 428. V e r w a l t n n g s k o st en 433. Vorarbeiten, Kosten ders. 434. Borstandshaftung bei Prüfung 428. Werth, gemeiner 430, 431. Werthpaviere 431. Werth st eigernng 436. Zeiteinfluft 430. Zwischenbilan z 304.

*) Vgl. hierüber das oben S. 438, 439 Gesagte. -) S. oben Bem. 257. n) S. unten Bem. 479.

534

Zweites Buch.

Von den Handelsgesellschaften.

Art. 239b. 240.

466. Die Fordernngsrechte des Aktionärs als solchen beziehen sich auf Kapital- und Gewinnantheilc. Der Verhältniß mäßige Antheil, welchen der Aktionär am Gesellschaftsver­ mögen hat, wird erst nach der Auflösung der Gesellschaft liquid und kann erst nach Ablauf des gesperrten Jahres, von der richtig bekannt gemachten Auflösung der Gesellschaft an, zur Aus­ zahlung gelangen. Durch die diesbezügliche Bestimmung in Abs. 1 des Art. 216 ist das VereinsVermögen nicht etwa in cm ideelles Miteigenthum aller Vereinsmitglieder aufgelöst, sondern es ist hierdurch nur ausgedrückt, daß aus das Vermögen der Gesellschaft die Erhebungsberechtigten die Aktionäre sind, daß also insbesondere bei Wegfall der Gesellschaft das Gesellschaftsgut nicht etwa bonum vacans wird und daß diese Erhcbungsrechte des einzelnen Aktionärs im Verhältniß zu dem anderen verhältnißmäßige, d. i. der Höhe der Aktienbetheiligung entsprechende sind. Die den Aktionären danach zustehenden Antheilsrechte am Gesellschaftsvermögen sind m Art. 216 Abs. 2 und 245 Abs. 1 näher dahin bezeichnet, daß bte Aktionäre, so lange die Aktiengesellschaft besteht, nur einen Anspruch auf reinen Gewinn, und nach Auflösung der Gesellschaft auf Vertheilung des nach Tilgung der Schulden verbleibenden Vermögens nach Verhältniß ihrer Aktien haben. (S. hierüber ROHG. XX. 241—243. Vgl. auch Primker, die Aktiengesellschaft m Endemann's Handbuch 1881 S. 556 und Windscheid, Pandekten § 58 Anm. 5.)1)

Artikel 240. Erreicht der Verlust, welcher aus der Jahresbilanz oder einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz sich ergiebt, die Hälfte des Grund­ kapitals, so muß der Vorstand unverzüglich die Generalversammlung berufen und dieser davon Anzeige mache». Sobald Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eintritt, muß der Vorstand die Eröffnung des Konkurses beantragen; dasselbe gilt, wenn aus der Jahresbilanz oder einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz sich ergiebt, daß das Vermögen nicht mehr die Schulden deckt. 1883 Art. 240. Btgr. hierzu S. 360, 361. «n(t». 1881 Art. 210. Begr. »Uri» S. 336, 337. Komm. »er. 6. 1021, 1022. @4ett. »er. ®. 975,1154.

RG. v. 18. Juli 1884. Inhalt.

Aktie ik kapital 121, 122, 606. Aktionärinteresse 303. Amtsgerichts. Kompetenz 305. Antrag auf Konkurseröffnung 302, 305, 426. Anzeige der Zahl.-Nnf. 305. Aufsichtsrath 303. Begünstigung von Gläubigern 308. Berechnung des Aktienkapitals 306. Delkredere-Konti 306 Erneuerungsfonds 306. Generalversammlung 230ff. — auverordentl. 237, 238 ff. Gesellschaftsgläubiger 303. Gläubiger der Gesellschaft 303, 308. Grundkapital 121, 122) 306. Haftung deS Vorstands 303, 308. Konkurs nach Auflösung 307.

K onkurScröffnung, Antrag auf — 302, 307, 308, 426. Konkursgericht, kompetentes 114, 208, 305—308. Konkurs ordnung 305—307. Kredit der Gesellschaft 305, 426. Ordnungsstrafen 303, (auch Art. 249g). Passiva der Gesellschaft 306.

I

I

Pflichten deS Vorstands bei GefellschaftSiwolvenz 302, 426.

Reservefonds 306. 1

Ueberschuldung 305, 306. Unterbilanz 306. UnvertheilteS Vermögen 307. Verluste 302, 426. Vorstand, Haftung deff. 303. Vorstandshaftung 308. Zahlungseinstellung 305, 426. Zahlungsunfähigkeit 302, 305, 426.

467. Der Antheil an dem Gewinn, das Recht aus die Dividende,2) auch auf die dem­ entsprechende Zustellung von Dtvidendenkoupons und -Talons, ist kein Zinsrecht, denn Zinsen *) Voraussetzung des Art. 216 Abs. 2 ist, daß Jemand in unanfechtbarer Weise Aktionär geworden ist. Demjenigen also, der in der irrtümlichen Meinung, einer Aktiengesellschaft zur Einzahlung verbunden zu sein, Zahlungen gemacht hat, steht die condictio indebiti zu. ROHG. XXII. 194 ff. 2) Als Dividende darf mit reeller Gewinn (s. oben Bem. 366) vertheilt werden. Die Zahlung fiktiver Dividende ist nicht Vertheilung von Früchten, sondern von Bruchstücken des

Dritter Titel.

Von der Aktiengesellschaft.

Art. 240. 241.

535

von bestimmter Höhe dürfen wie erwähnt (s. oben Bem. 366 ff.) weder bedungen noch ausbezahlt werden, sondern nur ein Recht am Reingewinn, vorausgesetzt, daß die Vertheilung eines solchen von der Generalversammlung beschlossen wird.

Ist eine solche beschlossen, so wird jener Antheil

zn einem unentziehbaren Anspruch des Aktionärs, der ihm nicht mehr, auch nicht durch einen Gesellschaftsbeschluß geschmälert oder genommen werden kann:

dieser Anspruch ist ein Gläubiger­

recht des Aktionärs wider die Gesellschaft. Zum Bezug der Dividende, wie solche durch Generalversammlungsbeschlilß bereits festge­ setzt, ist der Besitzer des Dividenden-Koupons ermächtigt.

(Bezüglich des Dividendennachbezugs-

rechtes s. oben Bem. 367.S. 491.) Der Besitz der Aktie selbst ist also hierzu nicht nothwendig.

Allein dieses an den Divi-

denden-KouPon geknüpfte Recht erstreckt sich nur auf den Bezug des Gewinnantheiles, welchen derselbe repräsentiert. So ist z. B. die Anfechtung der Dividendenfestsetzung ein Ausfluß des Mitgliedschaftsrechtes, welche nur dem Aktieninhaber zusteht. 468.

Die Befugniß zum

Erwerbe der Urkunde über das Bezugsrecht des Gewinn­

antheiles für die späteren Jahre, also der Dividendenkouponsbogen, ist mit dem Besitze der Aktie verbunden. Zu diesem Zwecke ist den Aktien vielfach ein Talon beigegeben. (S. oben Bem. 371.) Solange nun der Aktionär noch Besitzer des Talons ist, kann es selbstverständlich einen Anstand im Bezüge der Dividendenkouponsbogen nicht geben; anders aber gestaltet sich die Sache, wenn der Aktieninhaber und der Taloninhaber verschiedene Personen sind und beide den Anspruch erheben.

Ist hierüber

in dem Gesellschaftsstatut eine Bestimmung getroffen, so hat es hierbei sein Bewenden; ist dies aber nicht der Fall, so ist zu bedenken,

daß der Talon eine Pertinenz der Hauptaktie, ein Legi­

timationspapier *) ist, dessen Bedeutung auf der vorläufigen Annahme beruht, daß sein Inhaber entweder zugleich Inhaber der Aktie selbst oder doch von diesem zur Erhebung der Divi­ dendenbögen

ermächtigt sei

(so v. Völderndorsf, Komm.

zum Aktiengesetz

S. 526).

Dem-

ungeachtet ist aber eine Entkräftung dieser Annahme durch einfachen Widerspruch des Aktien­ inhabers nicht möglich, es erfordert dies vielmehr den Beweis der rechtswidrigen Besitzentziehung des Talons.

Der Aktieninhaber muß also rechtzeitig Schritte thun, den Talon amortisieren zu

lassen, soweit dies zulässig ist, und eventuell einen Arrest auf die Dividendenbogen erwirken, (v. Völderndorsf a. a. O. S. 527.)

Artikel 241. Die Mitglieder des Vorstandes sind aus den von ihnen im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtshandlungen Dritten gegenüber für die Ver­ bindlichkeiten der Gesellschaft persönlich nicht verpflichtet. Die Mitglieder des Vorstandes

haben bei

ihrer Geschäftsführung

die

Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anzuwenden. Mitglieder, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den dadurch entstandenen Schaden. Insbesondere sind sie in den Fällen des Artikels 226 Ziffer 1 bis 5, sowie in dem Falle einer nach der Zahlungsunfähigkeit oder Ueberschuldung der Gesellschaft (Art. 240 Abs. 2) ge­ leisteten Zahlung zum Ersätze verpflichtet. In den vorbezeichneten Fällen kann der Ersatzanspruch auch von den Gläubigern der Gesellschaft, soweit sie von dieser ihre Befriedigung nicht erKapitals, wofür Vorstand und Aufsichtsrath verantwortlich sind. (ROHG. XVIII. 154. 156. 164.) Außer dem Recht auf Dividende, Super- und Extra-Dividende, kann dem einzelnen Aktionär allerdings atlch noch ein Recht auf sog. Bauzinsen zustehen. (S. hierüber oben Bem. 373.) \) Vgl. Gareis in Busch's Archiv Bd. XXXIV S. 97 ff.; insbes. S. 115, 116. S. auch oben S. 491, 492.

536

Zweites Buch. Non dm Handelsgesellschaften. Art. 241.

langen können, selbständig geltend gemacht werden. Die Ersatzpflicht wird ihnen gegenüber dadurch nicht aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschlusse der Generalversammlung beruht. Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren. Entw. 1883 Art. 241. »rar. hierzu 3. 361-364. 338. Komm. Ber. S. 1022. St««. Btt. S. 975. 1154.

Enti». 1884 Art. 241. Bear. hierzu @. 337,

RG. v. 18. Juli 1884. S » » a l t.

Anfechtung 289, 309, 310, 312. 21 rfl lift bcö Borstandes 276. Bereicherunfl der Gesellschaft 276. Beschränkung, interne 286. Betrufl des Vorstandes 276. Dauer der Haftung 309. Decharge 309. DeliktSodligationen 276. Eide 275, 346. Einze lan sprLi che, von 2lktionären? 311. Eisenbahnunter nehmen 276. Exekutivgewalt deS Vorstandes 288. Exkulpation 289. Geschäftsführung des Vorstandes 288, 309, 310. Gesellschaftsgläubiger 289, 303, 309, 310, 312, 489. Grün dun gsprüfung 288, 309, 310. Haftung des Vorstandes 276, 277, 303, 308 ff., 417. — der Liquidatoren 489. Interne Beschiänkungen 286. Irrthum des Vorstandes 276. Klagerecht der Gesellschaft 311. — der Gläubiger 312. Konkurseröffnung, Antrag auf — 302, 307, 308, 426.

Nachprüfung 288, 309, 310. Nichtverpflichtnng deS Vorstandes 277. omnis culpa 288, 309, 310. Prozestführung 275, 346. Schadenersatzpflicht 276. 286. Solidarhafr der Vorstandsmitglieder 289, 309, 310. — der Liquidatoren 489. Sorgfalt 288, 309, 310. Stellvertretung 275, 276, 277, 346. Strafverfolgung 276. Verjährung 309. Verluste 288, 309, 310. Vermögensvergeudung 310. Verpflichtung des Vorstandes s. Haftung. Verschleuderung 310. VcrtretungSbefugnisz 268, 271, 275, 277, 278, 280, 286, 346. Vorladungen 346. Vorstandsdelikte 276. Borstandshaftung 276, 308 ff. Wissen des Vorstandes 276. Zahlungen an Aktionäre 312. Zustellungen 346. Zwang 276.

469. Die im guten Glauben empfangenen Zinsen und Dividenden braucht der Aktionär in keinem Falle zurückzuerstatten (Art. 218). Dieser Artikel spricht zwar nur vom Aktionär, allein er enthält das Prinzip, dem auch der bloße Inhaber eines Dividendenscheines untersteht. Maßgebend für die bona fides ist die Zeit des Empfanges der Dividende; nicht gesichert gegen die Rückforderung ist sonach der Dividendenempfänger, wenn er zwar zur Zeit der Fest­ stellung, aber nicht mehr bei dem Empfange in bona fide war. Der gute Glaube wird hier präsumiert, sonach hat Derjenige, welcher die Dividende zurückfordert, den bösen Glauben zu beweisen. 470. Die Rückforderungsklage steht während des Bestehens der Gesellschaft dem Vor­ stande derselben und im Falle deren Insolvenz den Gläubigern derselben zu. Die Klage ist nicht gleichzeitig gegen sämmtliche betheiligte Aktionäre anzustellen, sie ist vielmehr gegen jeden einzelnen als selbständige Klage begründet und zwar unabhängig davon, ob der Verklagte noch Aktionär ist oder nicht. Auch der Inhaber eines Dividendenscheines, der nur zur Erhebung reellen Gewinnes berechtigt ist, darf die empfangene Dividende nicht behalten, wenn er zur Zeit des Empfanges wüßte, daß entsprechender Gewinn nicht gemacht worden ist.l) l) Die Rückforderungsklage setzt voraus, daß ein reiner, reeller Gewinn in dem betreffenden Jahre nicht'entstanden und demnach ein Dividendum nicht vorhanden war; sie ist die condictio sine causa oder die condictio indebiti, je nachdem die veröffentlichte Feststellung der Dividende eine fiktive oder eine irrthümliche war. Doch das eine oder andere vorausgesetzt und klägerischerseits bewiesen, ist die Klage von Erfolg nur dann, wenn auch zugleich die mala fides des Dividenden­ empfängers nachgewiesen ist. Hierzu bedarf es nicht etwa des Nachweises eines besonderen dolus, zum bösen Glauben genügt die Kenntniß des mangelnden Reingewinnes. Derjenige, welcher überhaupt keine Dividende zu erhalten hat, kann sich natürlich nicht -auf einen guten Glauben berufen, und ebensowenig kann Derjenige als im guten Glauben befind-

Dritter Titel.

Bon der Aktiengesellschaft.

537

Art. 242.

Vierte r A bschnit t.

AnflSsung der Gesellschaft. Artikel 242. 1. 2.

Die Aktiengesellschaft wird ausgelöst: durch Ablauf der im Gesellschaftsvertragc bestimmten Zeit; durch Beschluß der Generalversammlung; der Beschluß bedarf einer Mehr­ heit von drei Viertheilen des in der Generalversammlung vertretenen Grund­ kapitals.

•X

Der Gesellschaftsvertrag kann außer dieser Mehrheit noch andere

Erfordernisse ansstellen: durch Eröffnung des Konkurses.

Wenn die Auflösung einer Aktiengesellschaft ans anderen Gründen erfolgt, so finden die Bestimmungen dieses Abschnittes ebenfalls Anwendung. Entw. 1883 Art. 242. Bear, hier,» @. 364-367. «etttm. Bet. 3. 1022. Sien. Ber. 975, 1154.

Entw. 1834 Ar«. 242.

Begr. hierzu 3. 234

RG. v. 18. Juli 1884. Inhalt. Antrag auf Konkurseröffnung 473. AuflöfungSbefchluß 247, 250, 471 ff. Endigungögründe 471 ff. fifovticfcun.q der Gesellschaft 472. 1 Generalversainmlung, beschließende 250, 471 ff. Gerichtsstand 123 144, 208, 305 ff. i Handelsregister 471, 472, 473, 475. Klage auf Auflösung ? 476. Konkurs 473 ff., 305 ff. Konkurs nach Auflösung 307. Konkurseröffnung, Wirkung dcrf. 474. Konkursverfahren 305, 307 ff., 473 ff. Kündigung 476. Mitgliederwcgfall 477.

Nachzahlung 474. Vien grün dun g 472. Polizeiverbot 475. Prolongation der Gesellschaft 472. Staatsvcrbot 175. Statutenänderung 247. Stillschweigender Ablauf 472. Berlängerüng^-befchlust 472. Veröffentlichung 471 475. Verwaltungsbehörden 475. Wegfall aller Mitglieder 477. Zahlungseinstellung 503. Zahlungsunfähigkeit 473. Zeitablauf 472.

VI. Die (Enöigung 6er Aktiengesellschaft. I. Endi gungsgründe. Als solche nennt das Gesetz:') 471. 1. Einen qualifizierten Generalversammlungsbeschluß. Wirthschaftliche und ähnliche Gründe, wie etwa die vollständige Erreichung des Gesellschaftszweckes, oder der Eintritt der Unmöglichkeit, denselben zu erreichen, die Voraussicht dauernder Unrentabilität u. s. w., können die Gesellschaft zu einer beliebigen Zeit veranlassen, sich aufzulösen und in Liquidation zu treten. Durch die Novelle von 1884 ist bestimmt, daß der Auflösungsbeschluß mindestens eine Majorität von drei Viertheilen des in der Generalversammlung vertretenen Grundkapitales gesetzlich, nach Maßgabe des Statuts jedoch möglicherweise auch noch die Erfüllung besonderer — keiner geringeren — Erfordernisse voraussetzt (Art. 242 Ziff. 2; s. hierüber auch oben unter Bem. 244ff., 259ff.). Dazu kommt, daß der Beschluß, notariell oder gerichtlich errichtet, in's Handels­ register einzutragen und zu Blätter unter

gleichzeitiger

drei

verschiedenen Malen durch die hierzu bestimmten öffentlichen

au die Gläubiger

gerichteten

Aufforderung

ihre Ansprüche an das Gesellschaftsvermögeu anzumeldcu (Art. 248;

zu veröffentlichen ist,

Art. 238a; Ordnungsvor­

schrift erzwinglich durch Ordnungsstrafen nach Art 249g Abs. 2; Nichtigkeit des Geueralver-

lich erachtet werden, welcher eine gar nicht existierende Dividende erhalten hat. Zu bemerken ist noch, daß das Gesetz nur von bereits empfangenen Dividenden spricht. Steht fest, daß dir fest­ gestellte Dividende re vera nicht erzielt wurde, so kann eine solche bona fide weder gefordert noch erhoben weiden. lS. hierüber RDHG. XVIII. 157-159; vgl. XXIII. 173.) l) Andere s. Bem. 475.

538

Zweites Buch.

Von den Handelsgesellschaften.

Art. 242.

sammlungsbeschlusses ohne Registrierung im Handelsregister Art. 214.

Ueber den besonderen Fall

der Auflösung mittels Fusion s. oben Bern. 421 ff.; vgl. Art. 247). 472.

2. Zeitablauf.

Die Aktiengesellschaft hört von Rechtswegen — ohne Beschluß

der Generalversammlung — auf, sobald bte Zeit, für welche sie nach dem ursprünglichen oder ab­ geänderten Statut bestehen soll, abgelaufen ist.

(Art. 242 Ziff. 1.)

Im Unterschied von der offenen Handelsgesellschaft kann eine Aktiengesellschaft über

die

statutenmäßig festgesetzte Zeit nicht stillschweigend fortgesetzt werden und aus diesem Grunde kann auch ein Beschluß auf Fortsetzung nach Ablauf des Termins nicht mehr rückwirkend die Auf­ lösung ungeschehen machen, es müßte dann vielmehr die Gesellschaft von Neuem errichtet werden, also eine Neugründung eintreten.

Der Auflösimg der Aktiengesellschaft in Folge Zeitablaufes ist

also nur durch eine Prolongation des Gesellschaftsverhältnisses vor diesem Zeitpunkte vorzubeugen; es setzt diese aber einen rcgisterpflichtigcn qualifizierten Generalversammlungsbeschluß voraus (siehe Bem. 261) und kann, da sie eine Statutenändermlg involviert, in keinem Falle, wie oben erwähnt,, stillschweigend erfolgen. *)

Ring a. a. O. S. S. 555.

Vgl. oben S. 399 Bem. 152.

Auch die durch Zeitablaus eintretende Endigung der Gesellschaft ist registerpflichtig und dreimal mit der erwähnten Gläubigerladung zu publizieren.. (Art. 243, Art. 210, 212.) 473.

3. Konkurseröffnung.

Die Auflösung der Aktiengesellschaft tritt jedenfalls ein,,

wenn der Konkurs über das Vermögen derselben eröffnet wird (s. oben Bem. 305 ff.); dies kann nicht blos im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft, sondern auch im Falle der Ueberschuldung stattfinden. (Art. 242 Ziff. 3; Konk.-Ordn. § 193 Abs. 1; Art. 240.)

-)

In diesen Fällen erfolgt die Ein­

tragung der Auflösung im Handelsregister von Amtswegen. Die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Aktiengesellschaft kann von jedem Konkursgläubiger, jedem Mitgliede des Vorstandes und jedem Liquidator einzeln beantragt werden;. das Konkursgericht hat dem Antrage stattzugeben, wenn er vom ganzen Vorstande oder im Liqui­ dationsfalle von allen Liquidatoren gestellt wurde; ist dies nicht der Fall, so ist der Antrag nur dann zuzulassen, wenn die Zahlungsunfähigkeit (R.-Konk.-Ordn. §§ 194, 97 Abs. 2 u. 3.) 474.

oder Ueberschuldung glaubhaft gemacht wird.

Was die Wirkung der Konkurseröffnung bei einer Aktiengesellschaft anlangt, so liegt

hier bei einer solchen juristischen Person, bei der die Persönlichkeit lediglich auf einem bestimmten Vermögen beruht, die Sache gauz anders, als bei einer physischen Person. Während letztere, in welchem Umfange auch ihr derzeitiges oder ein noch von ihr zu er­ werbendes Vermögen durch den Konkurs ihrer Verfügung entzogen wird, dadurch ihrer Hand­ lungsfähigkeit nicht beraubt wird, dieselbe also im Rechtsverkehre, gleichviel ob sic Vermögen hat oder nicht, Rechtssnbjekt bleibt, so hört dort bei der Aktiengesellschaft, bei welcher die Persönlich­ keit lediglich auf einem bestimmten Vermögen beruht, für den Fall einer durch den Konkurs her­ beigeführten völligen Absorbierung des Vermögens auch die Persönlichkeit auf.

Dies hat jedoch

nicht zur Folge, die Aktiengesellschaft durch den Konkurs für vollständig erloschen anzusehen, es hat obige Wirkung vielmehr nur die Bedeutung, daß hier das ganze Leben der Persönlichkeit als einer, die nach außen handeln könnte, gänzlich durch den Konkurszweck und desffn Organe (Kon­ kursverwalter) absorbiert wird.

(S. hierüber auch ROHG. Bd. XVI S. 284.)

Durch die Konkurseröffnung wird der Aktionär, der noch nicht volle Einzahlung geleistet hat, von der Verpflichtung zur Volleinzablung nicht

entbunden.

Er kann

auf Grund seiner

Aktienzeichnung hierzu gezwungen werden und kann sich hiergegen nicht mit der Einrede der ein-

1) Die vor Ablauf des Termines in den Formen des Art. 214 beschlossene Verlängerung kann der einzelne Aktionär nicht hindern; ein solcher Beschluß bindet denselben wie jede Statuten­ änderung. Es besteht kein Sonderrecht des einzelnen Aktionärs auf Nichtauflösung. ROHG. XIV. 366. RG. VI. 120 ff. 2) Ist die Gesellschaft aus anderen Gründen (s. Bem. 475) aufgelöst, so kann über ihr Vermögen das Konkursverfahren noch so lange eröffnet werden, als die Verkeilung des Ver­ mögens noch nicht vollzogen ist. (§ 193 Abs. 2 der R.-Konk.-Ordn)

Dritter Titel. Von der Aktiengesellschaft.

Art. 242. 243.

539

getretenen Insolvenz der Gesellschaft schützen. (Entsch. des ROHG.'s Bd. XX S. 270 ff., Bd. XXII S. 136, Bd. XIX S, 227, Bd. X S. 227 ff. Vgl. auch RG. Bd. II S. 15 ff.) Der Aktionär einer in Konkurs befindlichen Aktiengesellschaft ist auch nicht berechtigt, der Klage des Konkursverwalters auf Volleinzahlung der Aktien eine Kompensationseinrede aus einer Forderung gegen die Aktiengesellschaft entgegen zu stellen. RG. Bd. VI S. 69 ff.

Artikel 243. Die Auflösung der Gesellschaft muß, wenn sie nicht eine Folge des er­ öffneten Konkurses ist, durch den Borstand zur Eintragung in das Handels­ register (Artikel 210, 212) angemeldet werden; sie muß zu drei verschiedenen Malen durch die hierzu bestimmten öffentlichen Blätter bekannt gemacht werden. Durch diese Bekanntmachung müssen zugleich die Gläubiger aufgefordert werden, sich bei der Gesellschaft zu melden. Entw. 1833 Art. 243. Begr. hierzu —. S. 1022. Steil. Ber. S. 975, 1154.

Eiitw. 1884 Art. 243. Begr. hierzu

Komm. Ber.

RG. u. 18. Juli 1884. Fusion s. Art. 247. Generalversammluiiqsbeschlttb 471. G l ä n b i g e r a u f f o r d c r u n g 113, 485.

Anhalt. j Handels regi st er 471—473. Sperrjahr 418, 423, 486. ! Veröffentlichung 471 ff.

475. Wie der Abs. 2 des Art. 242 ergiebt, hat dadurch indessen der Kreis der Aus­ lösungsgründe nicht erschöpft werden sollen, vielmehr treten denselben schon nach den Art. 215 und 247 die Amortisation der Aktien und die Fusion hinzu. Auch noch aus anderen Gründen kann möglicherweise die Auflösung der Gesellschaft eintreten, z. B. weil der Betrieb staatlich ver­ boten, die erforderliche Konzession entzogen wird. Wird durch Beschluß der Generalversammlung der Sitz der Gesellschaft in's Ausland verlegt, so hat solcher dieselben Wirkungen, wie der einer Auflösung der Gesellschaft. (RG. VII. 70 ff.) Das Gesetz sagt allgemein, daß, wenn die Auf­ lösung der Gesellschaft aus anderen als den drei erwähnten Gründen erfolgt, die Eintragungs­ und Pnblikationspflicht ebenso wie bei der Aufhebung durch Beschluß stattzufinden hat. ^ 476. Eine Klage auf Auflösung der Gesellschaft stehr weder einem einzelnen Aktionär noch auch einer Minorität zu. (v. Völderndorff, Komm, zum Aktiengesetz S. 723ff. und Begründung 1884 a. a. O. S. 338.) Wenn dem einzelnen Aktionär seine Mitgliedschaft nicht mehr behagt, so kaun er sich stets durch Veräußerung der Aktien hiervon befreien. Ob aber die Auflösung der Gesellschaft zweckmäßig zu beschließen sei, hierüber kann im einzelnen Falle nur die Generalversammlung die Entscheidung treffen. 477. Durch Wegfall aller Mitglieder und Vereinigung aller Aktien in Einer Hand wird die Auflösung der Gesellschaft nicht bewirkt.*3) 2 Vgl. oben Bem. 122 S. 386, 387. *) Nach der ursprünglichen Fassung des Handelsgesetzbuches konnte durch Verfügung der Verwaltungsbehörde, wenn sich das Grundkapital um die Hälfte vermindert hatte, in allen Fällen auch durch bloße Zurücknahme der Staatsgenehmigung die Auflösung der Aktiengesellschaft herbei­ geführt werden. Nach der Novelle von 1870 und 1884 ist dies nicht mehr der Fall; vereinspolizeilichc Verbote greifen den handelsrechtlichen Bestand einer Aktiengesellschaft nicht direkt an, können aber die Auflösung der Gesellschaft mittelbar herbeiführen. 2) In geeigneten Fällen wird den Aktionären, welche die Auflösung für wünschenswerth halten, das im Art. 223 a eingeführte Recht auf eine Revision die Handhabe bieten, sich die er­ forderliche Unterlage für die Herbeiführung des Anflösungsbeschlusses der Generalversammlung zu beschaffen. 3) Es ist juristisch denkbar, daß das Etablissement einer Aktiengesellschaft nebst deren Firma

540

Zweites Buch. Von den Handelsgesellschaften. Art. 244. Is. Die Liquidation der Aktiengesellschaft.

Artikel 244. Die Liquidation geschieht durch den Vorstand, wenn nicht dieselbe durch den Gesellschaftsvertrag oder einen Beschluß der Generalversammlung an andere Personen übertragen wird. Auf den Antrag des Aufsichtsraths oder von Aktionären, deren Antheile zusammen den zwanzigsten Theil des Grundkapitals darstellen, kann die Er­ nennung von Liquidatoren durch den Richter erfolgen. Die Aktionäre haben bei Stellung des Antrages glaubhaft zu machen, daß sic die Aktien seit min­ destens sechs Monaten besitzen. Die Anmeldung der ersten Liquidatoren zur Eintragung in das Handelsregister (Artikel 210, 212) ist durch den Vorstand zu machen. Die Abberufung der Liquidatoren kaun durch den Richter unter denselben Voraussetzungen, wie die Bestellung erfolgen. Liquidatoren, welche nicht vom Richter ernannt sind, können auch durch die Generalversammlnng vor Ablauf des Zeitraums, für welchen sie bestellt sind, abberufen werden. Entw. 1383 Art 2». Bear. I)l läufig durch eine Konsulatsurkunde ersetzt werden tarn.4)5 Pr. Entw. Art. 386. 1673, 3696.

I. g. Art. 396, 397 Abs. 2, 898 Abs. 2. - tyxot. S. 1478 sf., 1668 sf., 1672. Anhalt.

Behörden 11. Eintragung 11 ff., 15, 16. Erfordernisse io, 14. Erwerb eines Schiffs 17, 52. Flaggen artest 16.

Flaggen recht öd, 10 ff. Konsul 16. Schiff 8, 9 14. Schiffsregister li, 15, 16. Voraussetzungen 10, 14.

8. Der grundlegende Begriff „Erwerb durch die Seefahrt" enthält den Hinweis darauf^ daß, wenn unser Seehandelsrecht auf die betr. Rechtsverhältnisse anwendbar fern soll, ver­ mittels der Fahrt auf der See Etwas erworben werden soll; die Schiffe, von denen dieses HR. spricht, müssen bestimmt6) sein, durch die Seefahrt zu erwerben. Unbestritten ist dies der Fall. *) Die Vorschriften des Bundesraths vom 13. November 1873 (RGBl. 1873 Nr. 30 S. 367) können und sollen nicht als Legaldefinition des Wortes „Seefahrt" im Art. 432 gelten> So mit Recht N. Wagner a. a. O. S. 149, 150. 2) Durch die reichsgesetzliche Normierung des Flaggenrechts in § 2 des Gesetzes vom 25. Oktober 1867 (s. oben zu Art. 432 S. 873), sowie durch das RG. vom 28. Juni 1873 (s. oben zu Art. 432 S. 876) ist die einzelstaatliche Kompetenz hierzu beseitigt und obiger Abs. 1 somit ersetzt; vgl. jedoch § 19 des angef. Ges. vom 25. Oktober 1867. 8) Diese Kompetenz der Einzelstaaten ist gewahrt in Satz 2 des § 3 des Ges. vom. 25. Oktober 1867 (s. oben zu Art. 432 S. 874 (Schiffsregisterbehörden). 4) Unter Aufhebung der desfallfigen einzelstaatlichen Zuständigkeit greift nunmehr in der von Abs. 3 angedeuteten Richtung die von -§ 16 des angef. Ges. vom 25. Oktober aufgestellteRegel ein, s. oben S. 875, 879. 5) „bestimmt", designiert, nicht gerade dazu gebaut (s. folgende Anm.), noch auch fort­ während und ununterbrochen zur erwerbenden Seefahrt verwendet; es können z. B. auch in Ballast fahrende Seeschiffe sein; s. Rud. Wagner a. a. O. S. 151.

Erster Titel.

Allgemeine Bestimmungen.

885

Art. 434.

a) bei den für das Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern zur See (HGB. Art. 271 Ziff. 4, 557—664) bestimmten Schiffen, gleichviel welcher Größe, $8au*L) und Bewegungsart -(Kauffahrt ei schiffe).2) Wegen der Postschiffe s. Art. 449. Leichterschiffe und (Handels-) Ewer iönncn unter Umständen hierher gehören, nämlich wenn der Begriff „Seefahrt" (wenigstens im Sinne der Küstenschiffahrt) bestimmungsmäßig vorliegt und sie nicht blos als (wie gewöhnlich der 'Fall sein dürfte) ad hoc gemiethete Boote des zu leichternden Schiffes aüfzufassen sind.

Kabel­

leger fallen unter Umständen unter die Kauffahrteischiffe. b) Bei den für das Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden zur See (HGB. Art. 271 Ziff. 4, 665—679) bestimmten Schiffen, ebenfalls ohne Rücksicht auf Größe, Bau- und Be-wegungsart, so Passagierschiffe, Auswandererschiffe, auch die — die Post mitführenden — deutschen Subventionsdampfer; s. Bem. zu Art. 665. Hierher sind ferner zu rechnen: c) die zum Bugsieren von Seeschiffen auf See verwendeten Schiffe, sofern sie zum Erwerbe -aus diesem Bugsieren bestimmt sind,

die Schleppschiffe (Remorqueure, Schleppdampfer u. dgl.),

.sofern sie aus dem Schleppen von Schiffen zur See zu erwerben bestimmt sind. 9.

Dagegen gehören nicht in die Kategorie „der zum Erwerbe durch die Seefahrt be­

stimmten Schiffe" im Sinne des Art. 432 des HGB.: a) die Kriegsschiffe aller Arr,*3)2 4 die 5 Privat-Fahrzeuge der Souveräne u. s. w., von denen -er Kaiserliche Erlaß vom 2. März 1886 (RGBl. 1886 Nr. 5 S. 59) spricht, die den Zwecken «der Schiffs-, Hafen- oder sonstigen Staatspolizei dienenden Regierungsschiffe, die Lootsenschiffe/) tiie Bagger, die zum Ufer- und Hafenbaudienst gehörigen Fahrzeuge, die Dienstschiffe der staatlichen Strandbeamtcn, die Leucht-, Feuer-, Wachtschiffe; b) die ausschließlich zur Hilfeleistung und zur Bergung bestimmten Seefahrzeuge/) sofern sie nicht zu denen unter c der vorigen Kategorie (Schleppschiffe) gehören, die Fahrzeuge der Rettungsstationen, die Schiffe der Vereine zur Rettung Schiffbrüchiger; c) die wesentlich unter Festliegen Erwerb suchenden Schlffe, wie verankerte Hulks, schwim­ mende Restaurationen; d) die wissenschaftlichen Zwecken dienenden Schiffe, so z. B. Schiffe einer Nordpolexpedition, einer Forschungsreise, Planktonexpedition, einer astronomischen Beobachtung dienenden

Schiffe,^

jedoch verlieren Personentransportschiffe ihren Charakter als dem Handelsrecht unterworfene See-

*) Schiffe, welche ihrer Bauart nach Flußschiffe sind, müssen nach Seerecht behandelt iverden, sobald sie „zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmt" werden, was sich, wenn nicht durch die Bauart, durch die thatsächliche Verwendung objektiv ergeben muß; die Verwendung von Fluß­ schiffen zur Seeschiffahrt ist insbesondere deshalb möglich, weil, wie oben S. 883 erwähnt, die Küstenschiffahrt als Seefahrt gerechnet wird. Vgl. Rud. Wagner a. a. O. S. 150. Daß auch ein Schleppkahn, der zur Fortbewegung auf die Zugkraft eines Schleppdampfers .angewiesen ist und sonst zum Flußtransport benutzt wird, als Schiff (Seeschiff) gelten soll, wenn -er zum Seetransport verwandt wird. wie das Oberlandesgericht Hamburg in Entsch. vom 2. November 1886 — s. Hamb. Ger.-Ztg. 1887 S. 18 ff. und Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 275 — annimmt, möchten wir nur dann billigen, wenn letzterer Transport seiner Bestimmung mindestens ebenso sehr entspricht, als der Flußtransport. 2) „Kauffahrteischiffe" werden in einem weiteren Sinne überhaupt alle Seeschiffe genannt, die nicht Kriegsschiffe sind. Rud. Wagner a. a. O. S. 151. Vgl. aber G. betr. die Befugniß von Seefahrzeugen, welche der Gattung der Kauffahrteischiffe nicht angehören, zur Führung der Reichsflagge, vom 15. April 1885, §§ 1 und 2. 3) Auch die Transportschiffe der Kaiserlichen Marine sind hierher zu stellen. 4) Will. Lewis, Seerecht I. S. 9; R. Schröder in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXII S. 82. 5j Zu weit geht Rud. Wagner^ indem er die durch Bugsieren, Hilfeleistung und Bergung den Erwerb bewirkenden Schiffe schlechthin zu den durch Seefahrt erwerbenden Schiffen rechnet. ie Landesgesetze können bestimmen, daß die Vorschriften der Artikel 432. bis 437. auf kleinere Fahrzeuge (Küstenfahrer u. s. w.) keine Anwendung fiuben.] ___________

Fehlt im Pr. Enttv. tut» ftt I. 8. - Prot. @. 1483 ff., 3685. 3772.

4) Das angeführte Gesetz vom 25. Oktober 1867 giebt durch die der Ziff. 1 des § 6 bei­ gefügten Beispiele (ob Barke, Brigg u. s. w.) an, daß es dem Gesetzgeber ouf, die Art der Takelung ankommt; doch schließt dies nicht aus, die Gattung auch nach der Bauart, Betriebs­ art (z. 33. Schraubendampfer), Zahl der Decke u. dgl. bestimmt einzutragen, s. Lewis, See­ recht S. 17. 2) Durch den Schiffsnamen und dessen Anbringen am Schiffskörper wird eine — freilich in vielen Fällen durch die Sachlage ausgeschlossene — Möglichkeit gewährt, die Identität eines Schiffes festzustellen, wenn dies für die Verfolgung von Rechtsansprüchen gegen dasselbe, z. 33. bei Kollisionen, nothwendig ist. Unkenntlichmachung, Verdeckung, Auslöschung oder gar Ver­ änderung des Schiffsnamens ist daher verboten. Das Verbot der Namensänderung beruht überdies auf der Erfahrung, daß solche häufig in betrügerischer Absicht, um einem Schiffe, welches wegen zu hohen Alters oder sonst schlechter Beschaffenheit keine Versicherung oder Frachten mehr erhalten kann, das eine oder das andere zu verschaffen. So Lewis in Endcmann's Hdbch. Bd. IV S. 25. 3) Ueber das internationale Signalbuch, welches aus dem englischen Commercial code of Signals for the use of all Nations hervorgegangen ist, und 78642 Signale durch Gruppierung von je 4 seiner 18 Buchstabenzeichen zu geben vennag, s. Gareis, Institutionen des Völkerrechts S. 149. 4) An Stelle dieses Artikels: das oben S. 876 zu Art. 432 abgedruckte RG. vom 28. Juni 1873; vgl. § 17 des Ges. vom 25. Oktober 1867 (oben S. 875-.

892

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 438.

Anhalt.

Küstenfahrer 7. Landesgc setze s. Art. 434 Anm. 1, 2 und 3.

Reichsgesetze 1, 2, 3, 10. | Schiffe, Arten ders. 8, 9, 14.

I

15. Wenngleich die Schiffe gleichsam die Immobilien des Handels bilden imd daher manchen Grundsätzen des Jmmobiliarrechtes unterworfen stirb1)2 und * 4 *wenngleich ihr Eigenthümer in das Schiffsregister eingetragen ist, so haben die Schiffsregister doch nicht die Bedeutung von Grundbüchern für den Eigenthumserwerb oder Eigenthumsnachweis. Hierüber s. Lewis, Seerecht § 11. In Einer Richtung aber kommt partikular-rechtlich den Schiffsregistern doch die Bedeutung von Grund-, genauer gesprochen die von Hypothekenbüchern zu; das Preußische Einführungsgesetz zum ADHGB. regelt nämltch in seinem Art. 59 die Errichtung eines SchiffsPfandes mittels Eintragung im Schiffsregister?) S. unten Art. 779, 780 und Bem. hierzu. Vgl. Lewis, Seerecht I. S. 21. 16. Die Ausstellung („Ausfertigung") des Certifikats, die letzte formelle Voraussetzung des Flaggenrechts, erfolgt, um dem Schiffe eine Legitimation für Frieden und Krieg beizugeben;8) im Frieden ist dies namentlich erforderlich für den Genuß der staatsrechtlichen und völkerrecht­ lichen Folgen der Handels- und Schiffahrtsverträge/) in Kriegszeiten namentlich, um die Zuge­ hörigkeit des Schiffes zur Partei des begegnenden Kriegsschiffes zu beweisen, oder zu einem neu­ tralen Staate und damit sein Recht auf die Schiff und Cargo deckende Flagge darzuthun. Die dem Certifikate innewohnende publica fides wird nicht nur von dem Staate, dem das Schiff angehört, sondern auch von fremden Nationen anerkannt. Das Certifikat — mit dem Schiffsregister aus dem englischen Seerechte recipierts) — ist als das wichtigste Schiffspapier6)* an Bord zu führen; es sind dadurch die früher zur Legitimation der Schiffe dienenden Schiffs­ papiere, der Bielbrief (Beilbrief), der Seepaß reichsrechtlich ersetzt. Doch kann ein Beilbrief (d. i. ein amtliches Zeugniß über den vorschriftsmäßigen Bau, die Größenverhältnisse, Ort imd Zeit der Erbauung u. s. w.) immerhin noch vorkommen und partikularrechtlich sogar gefordert werden, *) Ueber die Mobiliar- oder Jmmobiliar-Qualität der Seeschiffe s. oben S. 646, Bem. 205 zu Art. 306; sie haben nach der, eine allgemeine Tragweite rechtfertigenden Auffassung in den seerechtlichen Vorschriften des Handelsgesetzbuches, gleich den Grundstücken einen festen Standort, ein Quasidomizil, nämlich den Heimathshafen (s. Art. 455, 475), welcher den rechtlichen Mittelpunkt des Rhedereibetriebs bildet. ROHG. VI. 82, 83; Goldschmidt, Handb. des HR. § 60 S. 527 Note 8. S. auch Lewis in Endemann's Hdbch. S. 26 Ziff. VI. Für die Jmmobiliar-Qualität der Seeschiffe s. ferner die Mecklenburg-Schwerin'sche Verordnung, bett. die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen. Vom 24. Mai 1879: §§ 93ff., Zwangsvollstreckung in ganze Seeschiffe. Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXIV. S. 237 bis 239. 2) Ein gemeinschaftliches Pfandsystem bezüglich der Schiffe und Schiffsparten hat das Handelsgesetzbuch nicht eingeführt (vgl. Prot S. 1711—1750 und 2903—2905); es sind daher die Voraussetzungen des Pfandrechtes von Schiffsparten nach dem betreffenden Landesgesetze zu beurtheilen. RG. XIV. 15. Eine Zusammenstellung der von den verschiedenen deutschen Küstenstaaten über die Verpfändung von Seeschiffen und Schiffsparten getroffenen Bestimmungen s. Lewis, Seerecht (2. Ausl.) zu Art. 780 HGB. а) Die Strafbarkeit der Flaggenführung ohne materielle (§ 13 des Ges. vom 25. Ok­ tober 1867) oder ohne formelle (§§ 14, 15 dess. Ges.) Berechtigung setzt in jedem Falle ein Verschulden des zu Bestrafenden voraus; dies ist aus allgemeinen Gründen des Strafrechts anzunehmen, obgleich nur § 14, nicht auch § 13 darauf hinweist, s. Rud. Wagner a. a. O. S. 166. 4) „Die Bundeskonsuln haben die Jnnehaltung der wegen Führung der Bundesflagge be­ stehenden Vorschriften zu überwachen." G. bett. die Organisation der Bundeskonsulate re. vom 8. November 1867 (BGBl. 186? S. 137) § 30, und hierzu die Allgemeine Dienst-Instruktion für die Konsuln des Deutschen Reiches, vom 6. Juni 1871 (Gesetzgebung des Deutschen Reiches, Berlin, I. Guttentag, Bd. I S. 105 ff.). б) Lewis, Seerecht S. 23. 6) Ueber die sonstigen Schiffspapiere an Bord s. Art. 480 Bem. 156. Ueber Lieferung von Schiffspapiercn Seitens des Verkäufers eines Schiffes s. OLG. Hamburg, Entsch. vom 23. November 1886 m Hamb. Ger. Ztg. 1886 S. 305 und in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 276.

Erster Titel.

Allgemeine Bestimmungen.

Art. 438. 439.

893

so nach dem von Lewis, Seerccht S. 23 Anm. 21) angeführten Hamburger Gesetz vom 22. Dezember 1865. Und wenn auch der Seepaß — ein analog dem (Land-) Paffe gestaltetes visierbares Legitimationspapier — nach § 9 Abs. 2 des angeführten Gesetzes zum Nachweis des Flaggenrechts nicht mehr erforderlich ist, so ist er doch nach internationalen Verträgen völkerrecht­ lich möglicherweise von Bedeutung. Lewis a. a. O. In den Fällen, in welchen eine Zurücklieferung des Certifikates nothwendig ist, aber wegen Verlustes nicht erfolgen kann, bedarf es einer förmlichen Amortisation desselben nicht; es genügt die glaubhafte Bescheinigung der Unmöglichkeit, dasselbe zurückzuliefern. Makower (10. Aufl.) S. 504 Anm. 6. Ein Surrogat des Certifikats ist für den in § 16 des angeführten Gesetzes vorgesehenen Fall das Flaggenattest. Hierüber s. Rud. Wagner a. a. O. S. 165, 166.

Artikel 439. Bei der Veräußerung eines Schiffs oder eines Antheils ant Schiff (Schiffspart) kann zum Eigenthumserwerb die nach den Grundsätzen des bürger­ lichen Rechts etwa erforderliche Uebergabe durch die unter den Kontrahenten getroffene Vereinbarung ersetzt werden, daß das Eigenthum sofort auf den Er­ werber übergehen soll. Pr. Eniw. Art. 389 Abf. 2. 1. K. Art. 401. - Prst. S. 1692 ff., 1772 ff., 3702 ff., 3712.

Ausdrücklichkeit der Vcreinbarnnq 18, 19. Beurkundung der Veräußerung f. Art. 440. Bedingter Nebergang 19. Besitzübcrgang 18, 20.

Beweis des Eigenthums 15, 17. bi 11 of sale 19. EigenthumSbeweiS 15, 17. — -Übergang 17, 18, 19, 20. Form des UebergabegeschäftS 17, 19, 20. — des BeräußerungSgeschäftS 17, vgl. auch Art. 440. Gleichzeitigkeit der Veräußerung und Ncbertragung 19. Grund des Art. 439: 17, auch 16. Jmmobiliar eigens chaft deS Schiffs 15. Pfand an Schiffen 15.

Präsumption in Art. 439? 18. Realübergabe 20. Reise 24. Schiffe 7, 8. — in transitu 17, 24. Schiffspart s. Art. 456 ff., 469, 470, 474 u. A. — -register 15. — -Verpfändung 15. „sofort" 19. Symbolische Tradition 20.

„transfer“ 19. Uebergabe 17, 19, 20. DeräußerungSgeschäft 17, s. auch Art. 440. »Vereinbarung" 17. Zahlung deS Kaufpreises 19.

17. Bei jeder rechtsgeschäftlichen Veräußerung ist zu unterscheiden zwischen dem auf die Erzeugung einer Ueberlieferungspflicht gerichteten Rechtsgeschäfte (d. i. Veräußerungsgeschäft im engern Sinne, z. B. Kauf) und dem die Erfüllung jener Pflicht bildenden Rechtsgeschäfte, d. i. der Uebergabe, dem Uebergabsgeschäftc, traditio;2) von dem Ersatz dieses letzteren Geschäfts han­ delt der Art. 439. Ueber die Form des ersteren dieser beiden Geschäfte enthält Art. 439 keine Bestimmung; es kommen also, sofern sie keine Handelsgeschäfte sind, bei welch letzteren der Art. 317 Platz greift, die Vorschriften der einzelnen Landesrechte (z. B. Prenß. ALR. Theil I Titel 5) zur An­ wendung. S. Prot. S. 1692—1702, 1711; Goldschmidt, HR. a. a. O. Anm. 17; Makower, Komm. Anm. 15 a, zu Art. 439; C. F. Koch, Komm., zu dems. Artikel. Ganz dasselbe soll nach C. F. Koch's (a. a. O.) und Makower's (Anm. 15b zu dems. Artikel) Meinung auch bezüglich der nach Art. 439 die Tradition ersetzenden Vereinbarung des sofortigen Eigenthumsüberganges gelten. Gegen diese Meinung wenden sich Goldschmidt, welcher (Bd. 1.2 S. 806 Note 18) die formlose, z. B.

*) Ebenda s. das Osten*. Recht, wonach der Beilbries das Eigenthum, ein Registerbricf aber unserem Certifikat entsprechend das Flaggenrecht nachzuweisen hat. 2) Vgl. über diese Unterscheidung,, welche von der Gesetzgebung nicht selten übersehen wurde, G old schm idt, HR. I. 2. § 79 Anm. 15, 16, 17 (S. 805 ff.); Stobbe, Deutsches Privatrecht § 94 Bd. II S. 194 ff., § 95 und S. 198 ff., auch Gareis, Encyclopädie § 18 S. 73.

894

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 439. 440.

mündliche oder briefliche Vereinbarung des Eigenthumsübergangs ohne Rücksicht auf landeerechtliche Bestimmungen als genügend ansieht, und Lewis, welcher mEndemann's Hdbch. Bd. IV, 1. S. 38 Anm. 5 bemerkt, daß die Uebereinkunft eine formlose sein könne, gehe daraus hervor, daß das Gesetz das Wort Vereinbarung (— pactum) gebrauche und von dem Erforderniß irgend einer Form absehe (vgl. Prot. S. 1772, 1703). Diese Ansicht von Goldschmidt und Lewis ver­ dient den Vorzug, die wiederholt ausgesprochene Tendenz des HGB. spricht dafür. — Der Grund der verkehrerleichternden Bestimmung des Art. 439 ist in dem Bedürfniß zu erblicken, Eigenthum an einem auf der Fahrt (in transitu) oder im fremden Hafen befindlichen Schiffe zu übertragen, was namentlich in Kriegszeiten, z. B. des Rechts der neutralen Flagge wegen, von BedMung ist. Vgl. Goldschmidt a. a. O. § 79 Anm. 14. Ueber Letzteres s. z. B. Gar eis, Insti­ tutionen des Völkerrechts S. 220, vgl. auch oben Bem. 5c und unten Bem. 24. 18. Art. 439 stellt bezüglich des sofortigen Eigenthumsüberganges keine Präsumption der hierauf bezüglichen Vereinbarung auf, es ist vielmehr diese besondere Vereinbarung wesentlich, wenn Eigenthum ohne Tradition übergehen soll. S. ROHG. IV. 309, 310. Es ist aber auch nicht nöthig, daß jene Vereinbarung, um den Eigenthumsübergang zu be­ wirken, wörtlich ausdrücklich ausspreche, daß das Eigenthum ohne Weiteres auf den Erwerber übergehe, sondern es genügt, wenn dies nur als die unzweifelhafte Absicht der Parteien ausge­ sprochen ist. ROHG. a. a. O. —- Handelt es sich um den Erwerb des Besitzes als solchen (nicht um den Erwerb des Eigenthums), so findet Art. 439 nicht Anwendung, sondern es müßte derselbe allerdings stets besonders erworben werden, was mittels Stellvertreter regelmäßig ohne Schwierigkeiten möglich sein wird. 19. Ob die Vereinbarung gleichzeitig mit dem Veräußerungsvertrage oder später erfolgt, ist gleichgültig. Prot. S. 1705. Es genügt aber sowohl nach deutschem Rechte als auch nach englischem Rechte zum Eigenthumsübergange bei Schiffen die in den bills of sale enthaltene Erklärung der Uebertragung (transfer). RG. VII. 11. Auch bedingte Vereinbarungen mit der in Art. 439 bestimmten Wirkung sind zulässig (Prot. S. 1772); es kann z B. bedungen werden (Prot. S. 1704), daß das Eigen­ thum auf den Käufer nach Bezahlung des Kaufschillings, aber dann sofort, d. h. ohne Weiteres, ohne besondere Tradition übergehen solle, dann würde nach Bezahlung des Kaufgeldes das Eigenthum in Folge jener Willenserklärung auf den Käufer übergehen. Vgl. Makower, Komm., zu Art. 439 Anm. 15b und Lewis a. a. O. S. 38 Note 6. 20. Durch die Bestimmung des Art. 439 soll selbstverständlich die Zulässigkeit einer Eigenthumsübertragung mittels realer oder mittels der dem amerikanischen und englischen Rechte nicht unbekannten symbolischen Uebergabe nicht ausgeschlossen sein. Prot. S. 1704. — Ueber Schiffsverpfändung s. oben Bem. 15 und Anm. ebenda.

Artikel 440. In allen Fällen der Veräußerung eines Schiffs oder einer Schiffspart kann jeder Theil verlangen, daß ihm auf seine Kosten eine beglaubigte Urkunde über die Veräußerung ertheilt werde. Pr. Entw. Art. 389 Abs. 1 I. L. Art. 402. - Prot. S. 1701 sf., 1771, 3703.

Anhalt. Administrativbehörden 22. „alle Fälle der Veräußerung" 21. „Beglaubigte Urkunde" 23. Freiwillige Veräußerung 21. Perfektion der Veräußerung 23. Schiff 7, 8.

Schiff in transitu 17. SchiffSpart f. Art. 456 ff., 469, 470, 474. „transfer“ 19. Veräußernng 17 19, 20, 21, 23. Vollzug der Veräußerung 23. ZwangSveräußerung 21.

Erster Titel.

Allgemeine Bestimmungen.

Art. 440—442.

895

21. „In allen Fällen der Veräußerung"; daß das Gesetz hier nur an freiwillige Ver­ äußerung gedacht hat, wie in der Kommission ausdrücklich hervorgehoben wurde, geht aus der Stellung des Art. 440 hervor. Vgl. Prot. S. 3703. 22. Der in der sachlichen Berathung des HGB. zuerst gewählte engere Ausdruck: „ge­ richtlich oder notariell beglaubigte Urkunde" ist durch den allgemeinen „beglaubigte Urkunde" ersetzt worden, damit nicht ausgeschlossen sei, daß vom Veräußerer da, wo dies nach den Landesgesetzen genügt, nur eine von einer Administrativbehörde beglaubigte Urkunde ausgestellt werde. Prot. S. 1771. 23. Die Urkunde, die lediglich die Bedeutung einer Beweisurkunde hat, kann erst gefor­ dert werden, nachdem der Veräußerungsvertrag bereits durch Eigenthumsübertragung zur Aus­ führung gekommen, die Veräußerung also vollzogen ist. ROHG. XXIV. 47. Fuchsberger a. a. O. S. 140; vgl. Prot. S. 1701, 1702.

Artikel 441. Wird ein Schiff oder eine Schiffspart veräußert, während das Schiff der Reise sich befindet, so ist im Verhältniß zwischen dem Veräußerer und werber in Ermangelung einer anderen Vereinbarung anzunehmen, daß dem werber der Gewinn der laufenden Reise gebühre oder der Verlust derselben zur Last falle.

auf Er­ Er­ zur

P». Entw. Art. 391 Abs. 2. I. L. Art. 4M Abs. 3, 430. - Prot. @. 1490 ff., 1636 ff., 1652, 3705, 3738.

Dispositionsbestimmung 24. Dritte 25. Gefahr 24. Reise, laufende 24. Schiff 7, 8.

Schiff in transitu 17, 24. Schiffspart f. Art. 456 ff., 469, 470, 474. Veräußerung 17, 19, 20, 21, 23. Verbindlichkeit gegen Dritte 25. Vermuthung 24.

24. Die rein dispositive Bestimmung des Art. 441 erklärt sich daraus, daß in dem in Rede stehenden Falle regelmäßig präsumiert werden darf, es sei die Absicht der Parteien darauf gerichtet, daß der Erwerber in das ganze Unternehmen eintrete, auf welches das Schiff ausge­ gangen sei; folglich soll der Erwerber Gewinn und Verlust der laufenden Reise tragen. Prot. S. 1490-1492, 1636—1638, 3738. 25. Verhältniß des Veräußerers und des Erwerbers zu Dritten s. Art. 442,

Artikel 442. Durch die Veräußerung eines Schiffs oder einer Schiffspart wird in den persönlichen Verpflichtungen des Veräußerers gegen Dritte nichts geändert. Fehlt Im Pr. eilst». I. £. Art. 429. - Prot. S. 1616, 1636, 2933, 3738, 3774.

Anhalt. fortune de mer 26. Rhederverpflichtung 26. Schiff in transitu 17, 24. Schifföpart f. Art. 456ff.

Veräußerung 17, 19, 20, 21, 23. Verhältniß zw. Erwerber und Veräußerer siehe Art. 441. — zw. Dritten 25, 26.

26. Die bis zum Zeitpunkte der Veräußerung entstandenen Forderungen, für welche der Rheder persönlich haftet, können auch nach der Veräußerung gegen ihn geltend gemacht werden; die Schulden, für welche der Rheder aber nur mit dem fortune de mer haftet (s. Art. 452 fp, natürlich nach der Beräußerlmg nicht.

896

Fünftes Buch.

Vom Scehandel.

Art. 443. 444.

Artikel 443, Unter dem Zubehör eines Schiffs sind alle Sachen begriffen, welche zu dem bleibenden Gebrauch des Schiffs bei der Seefahrt bestimmt sind. Dahin gehören insbesondere auch die Schiffsboote. Im Zweifel werden Gegenstände, welche in das Schiffsinventar einge­ tragen sind, als Zubehör des Schiffs angesehen. Pr. esttto. Art. 391 Abs. 1. 1. £. Art. 404. - Prot. @. 1485 ff., 3704, 3712. Anhalt.

Ballast 28. Beweis 29. Boote 27. BootSauSrüstung 27. Inventar 29.

Pertincnzen 27. Präsumption 29. Schifsöpapiere 28. Theile dcS Schiffs 27. Zubehör 27 ff.

27. Der Begriff „Zubehör", welcher in mehrfacher Richtung wegen der Gleichheit des rechtlichen Schicksals des Zubehörs und des Schiffes, z. B. beim Verkauf, bei der Versicherung u. s. w. vgl. Art. 711, von Bedeutung ist, ist zunächst negativ zu bestimmen: Theile des Schiffes (wie Masten, Maschinen, Steuer, Schlote, Nebelhorn, Tauwerk, und zwar sowohl laufendes als stehen­ des Gut, Raaen, Davids, Segel) sind nicht Zubehör; vgl. Wind scheid, Pand. § 143 Anm. 1. sodann positiv: durch die Worte: zum bleibenden Gebrauche des Schiffes bei der Seefahrt be­ stimmt. Daher sind Zubehör (Pertinenzen) des Schiffes: dessen Anker, Ankerketten, Stangen, Signalglocken, Log, Loth, einzelne Signalkanonen, Signallaternen, Signalflaggen, Raketenapparat, Ruder,, sowie — was gegenüber abweichenden Ansichten ausdrücklich ausgesprochen ist — die Boote des Schiffes; auch die diesen Booten nothwendigen Ruder, Scgelstangen, Taue und Segel sind als Zubehör des Schiffes anzusehen. 28. Nicht sind Zubehör: Ausrüstungsgegenstände des Schiffsführers, der Schiffsmann­ schaft und der übrigen auf dem Schiffe angestellten Personen; so ist z. B. die Handapotheke des Schiffsarztes, gleichviel wer ihr Eigenthümer ist, nicht Zubehör des Schiffes, ebensowenig wie der nautische Apparat (Fernrohre, Seekarten, Chronometers u. s. w.), welcher dem Kapitän dient; ebensowenig Proviant und Munition*2) (Prot. S. 1486, 1489), sowie ein nur zu einer bestimm­ ten Reise an Bord genommener Ballast (während die zur Erhaltung des Gleichgewichts ständig an Bord befindlichen beweglichen Ballastkugeln wohl zum Zubehör zu rechnen sein werden). Die Schiffspapiere sind Zubehör, soweit sie nicht zu einer einzelnen Reise, sondern zum dauernden Gebrauche bei der Seefahrt dienen; s. oben Bem. 16 Anm. 6 S. 892. 29. In Abs. 3 ist für die in das Schiffsinvcntar eingetragenen Gegenstände eine ein­ fache Präsumption für die Pertinenzqualität ausgestellt. (Vgl. Art. 91.) Im Uebrigen muß letztere Derjenige beweisen, der sie behauptet, nöthigensalls durch Gutachten von Sachverständigen. 30. Reparaturnnfähigkeit (absolute und relative) und Reparaturunwürdigkeit kommen in Betracht in den Fällen des Art. 473 (Auflösung der Rhederei), Art. 542 (Endigung des Heuer­ vertrags, jetzt durch § 56 der Seemannsordn, geregelt), Art. 630 u. 632 (Endigung des Fracht­ vertrags, Art. 669 (Endigung des Ueberfahrtsvertrags), Art. 877 (Versicherungssumme), auch im Falle des Art. 499 (Verkaufsberechtigung des Schiffers); amtliche Feststellung der Reparatur­ unfähigkeit oder Reparaturunwürdigkeit s. Art. 499, hierzu auch Art. 877, 878. — Vgl. Lewis, Seerecht I. S. 35.

x) Vgl. Lewis in Endemann's Hdbch. IV. S. 20 Anm. 10, ebenda s. die französische Kontroverse. . 2) Vgl. Lewis, Seerccht I. S. 34.

Artikel 444. Im Sinne dieses fünften Buches gilt ein seeuntüchtig gewordenes Schiff 1) als reparaturunfähig, wenn die Reparatur des Schiffs überhaupt nicht möglich ist, oder an dem Ort, wo das Schiff sich befindet, nicht bewerk­ stelligt, dasselbe auch nicht nach dem Hafen, wo die Reparatur auszuführen wäre, gebracht werden kann; 2) als reparaturunwürdig, wenn die Kosten der Reparatur ohne Abzug für den Unterschied zwischen alt und neu mehr betragen würden, als drei Biertel seines früheren Werths. Ist die Seeuntüchtigkeit während einer Reise eingetreten, so gilt als der frühere Werth derjenige, welchen das Schiff bei dem Antritt der Reise gehabt hat, in den übrigen Fällen derjenige, welchen das Schiff, bevor es seeuntüchtig geworden ist, gehabt hat oder bei gehöriger Ausrüstung gehabt haben würde. Fehlt litt Pr. E»tw. I. £. Art. 760 Abs. 3. - Prot. @. 3991 ff., 4069, 4111, 4416, 4488. Anhalt.

Abgangshafen 33. Absolute Reparatur-unfähigkeit 31. Fälle der Seeuntüchtigkcit 30. Geldbeschaffung 34. Heimathshafen 15.

Relative Reparaturuufähigkeit 31, 32. Reparaturkosten 34. Schiff 6, 7. Seeuntüchtigkeit 5d, 30. Werthermittlung 33.

31. Absolute Reparatur-unfähigkeit setzt voraus, daß, wenn nicht etwa das Schiff ohne Weiteres als Wrack erkennbar ist, die Verbindungen desselben in solchem Maße gelöst und Theile desselben zertrümmert oder doch so sehr beschädigt sind, daß nur ein Neubau, wenn auch nnter Mitbenutzung eines Theiles der alten Materialien, die Seefähigkeit wiederherstellen kann. Die rela­ tive Reparaturunfähigkeit beruht in besonderen Umständen des Ortes u. s. w. (§ 131 Abs. 1 und § 130 Abs. 5. 1. d der Allgemeinen Seevers.-Bedingungen). ROHG. XVI. 106. Fuchs berger a. a. O. S. 141. 32. Eine Reparaturunfähigkeit liegt dann nicht vor, weiln die Reparatur an dem Orte, wo das Schiff sich befindet, blos zur Zeit unmöglich, mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft oder nur unter Aufwendung außergewöhnlicher Mittel zu bewerkstelligen ist. RG. XXI. 86. S. ferner Urtheil des Lübecker Ob.-App.-Ger. in der Hamburger Sammt. Bd. II T. 2 S. 1024 ff. und Seebohm, Sammt. S. 562ff. Handelt es sich jedoch darum, daß das Schiff behufs der Reparatur erst nach einem anderen Hafen gebracht werden muß, so ist der Unmöglichkeit die nur unter Aufwendung ganz außergewöhnlicher Mittel vorhalldene Möglichkeit gleichzustellen. RG. XXI. 86, 87. 33. Bei Ermittelung des früheren Werthes ist in der Regel von dem Werthe auszugehen, welchen das Schiff im Abgangshafen, beziehungsweise an dem Orte hatte, wo es sich befindet; dies ist jedoch nicht ausdrücklich ausgesprochen worden, um die Berücksichtigung der Preisverhältnisse eines in der Nähe befindlichen größeren Hafens nicht auszuschließen. Prot. S. 4142. S. Makower, Komm., zu Art. 444 Note 20. 34. Ueber Reparaturkosten s. Art. 711, 712, 876; zu ihnen ist der Aufwand für Geld­ beschaffung nicht zu rechnen. ROHG. Bd. XII S. 404.

Artikel 445. Zur Schiffsbesatzung werden gerechnet der Schiffer, die Schiffsmannschaft, sowie alle übrigen auf dem Schiff angestellten Personen. Fehlt im Pr. Eiitw. und in I. L. — Prot. S. 3712. Fuchsbcrger und Gareis, ADHGB.

898

Angestellte 38, 39. Aerzte 38. conductio operis 38. Entlöschung 38. Lootsen 39. ratio legis 39. Remorqueur 39. Schiffer 35, 36.

Fünftes Buch.

Vom Scehandel.

Art. 445.

Schiffsbesatzung 35, 39. — »Mannschaft 37. — -Offiziere 37. Schleppdampfe rbesatzung 39. Steuermann 37. Temporär Angestellte 39. ZwangSloorse 39.

35. Schiffsbesatzung ist der weiteste der in Betracht kommenden Begriffe, weiter als Schiffsmannschaft. Vgl. Unfallversicherung der (Seeleute und anderer bei der Seeschiffahrt bethei­ ligten Personen, RG. vom 13. Juni 1887 (RGBl. 1887 Nr. 27 S. 329). Vgl. ferner unten Art. 451, 452. 36. Schiffer s. unten Art. 476—527. NG. Bd. X S. 19, wo die Verantwortlichkeit des Rheders für Handlungen des Schiffers auf Grund des Art. 451 angenommen wurde. 37. Schiffsmannschaft (auch „Schiffsvolk", „Schiffskinder", franz. equipage, engl, crew) s. ursprünglich Art. 528—556 und nun Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872; sie umfaßt: Schiffsoffiziere, darunter erster Offizier, dann Steuermann (Seemannsordn. § 2, § 3, HGB. Art. 484), s. z. B. Art. 686 (Konstatierung des Bodmereibedürfnisses), ferner Art. 490—494 (Mitwirkung bei Verklarung), Art. 484 (Vertreter des Schiffers), Art. 485 (Schiffs­ rath); ferner Schiffsfunktionäre (wie Zimmerlcute u. dgl.), Voll- und Leichtmatrosen und Schiffs­ jungen. Vgl. Goldschmidt, System S. 200—203, Art. 484 u. Anm. hierzu. 38. Zur Schiffsbesatzung gehören auch sonstige Angestellte, wie etwa Aerzte, Kassen­ beamte u. a. Wer aber als conductor operis die Beschaffung der Entlöschung eines Schiffes übernommen hat, gehört nebst den von ihm angestellten Personen nicht zur Schiffsmannschaft; sie stehen nicht unter des Schiffers Disziplinargewalt. Hamburger OLG.; s. Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 277. 39. Art. 445 (wie der Ausdruck „Schiffsmann" im weiteren Sinne, s. Seemanns-Ordn. § 3) umfaßt auch alle nur temporär zu Schiffsdiensten angestellten Personen und die ratio legis dieses Artikels in Verbindung mit der des Art. 451 geht dahin, den Rheder ohne Rücksicht auf sein eigenes Verschulden (Art. 451) im Interesse der Sicherheit des Verkehrs mit Schiff und Fracht für denjenigen Schaden haftbar machen zu wollen, welchen „das Schiff", d. h. eine „im Dienste" des Rheders zu Schiffszwecken thätige Person, in Ausführung ihrer Dienstverrichtungen einem Dritten zufügt. RG. XIII. 114 ff. und die dort angegeb. Lit., sowie RG. XX'. 85. Zur „Schiffsbesatzung" gehören sonach auch die zu einer vorübergehenden Dienstleistung angenom­ menen Lootsen (nicht die Zwangslootsen, vgl. hierzu noch ROHG. XI. 332, sowie Prot. S. 1782—1786, 2031—2033) und auch solche Personen anzusehen, welche während des Aufenthaltes des Schiffes in einem Hafen nach der Entlassung der alten und vor der Annahme einer neuen Schiffsmannschaft im Auftrage des Rheders oder Schiffers aus dem Schiffe Dienste verrichten, die in den Kreis der sonst von der Mannschaft, dem Maschinenpersonale rc. auszuführenden Thätig­ keit fallen. Obige ratio legis führt aber auch noch dazu, daß es als unerheblich erscheint, ob eine solche Person auf dem Schiffe selbst oder außerhalb desselben ihre Thätigkeit ausübt, denn der Sinn der Worte des Art. 445: „sowie alle übrigen auf dem Schiffe angestellten Personen" kann nur dahin verstanden werden, daß außer dem Schiffer und der eigentlichen Schiffsmannschaft im engeren Sinne auch alle sonstigen zu Schiffszwecken von dem Rheder oder Führer des Schiffes verwendeten Personen zu rechnen seien. Konsequenterweise gehören also hierher auch die Schiffer und die Mannschaften eines Schleppdampfers (Remorqueurs), dessen sich das Schiff bedient und haftet der Rheder sonach auch für die Versehen der Besatzung des angenommenen Schleppdampfers, welche dadurch temporär-materiell in dem Dienste des geschleppten Schiffes, bezw. des Rheders des­ selben steht. S. hierüber RG. XX. 85 und die dort angeführte Literatur, auch die hanseatische Handelszeitung, Jahrgang 1887 Nr. 16. S. dagegen Ehrenberg, Beschränkte Haftung des

Erster Titel.

Allgemeine Bestimmungen,

Art. 445. 446.

899

Schuldners rc (1880) S 220ff., 227, 228, welcher sich der französischen Auffassung zuneigt, wonach der Rheder des Remorqueurs tzen Schaden zu vertreten hat, welcher von der Benutzung dieses Schiffes ausgeht, während die englische Anfsassung nach Ehrenberg ebenda S. 227 die Rheder beider Schiffe, den des Remorqueurs und den des bugsierten Schiffes, neben einander haften läßt. Gegen Ehrenberg: RG. a. a. O. S. 87—88.

Artikel 446. Ein zum Abgehen fertiges (segelfertiges) Schiff kann wegen Schulden nicht mit Beschlag belegt werden. Diese Bestimmung tritt jedoch nicht ein, wenn die Schulden zum Behuf der anzutretenden Reise gemacht worden sind. Durch eine Beschlagnahme von bereits an Bord des Schiffs befindlichen Gütern wegen Schulden kann deren Wiederausladung nur in denjenigen Fällen erwirkt werden, in welchen der Ablader selbst die Wiederausladung noch zu fordern befugt wäre, und nur gegen Leistung desjenigen, was dieser alsdann zu leisten haben würde. Eine zur Schiffsbesatzung gehörige Person kann wegen Schulden von dem Zeitpunkt an nicht mehr verhaftet werden, in welchem das Schiff segelfertig ist. Pr

Art. 392. I. L. «rt. 405. - Prot. @. 1492 ff-, 3706 ff„ 3774 ff.

Ablader 4L, s. auch Art. 479, 564, 567ff. Arrest 40, 43. Ausrüstungskosten 41. Beschlagnahme 42. «Civilprozeßordnung 43. Fautfracht 42, s. auch Art. 581 ff. Haft 43.

Konnossement 42 A, s. auch Art. 644 ff.

Offenbarungseid 43. Personalhaft 43. Schiffsbesatzung 35, 39. Schulden 41. Sicherheitsarrest 43. „Segelfertig" 40. Vindikationsansprüche 41.

40. Voraussetzung in Abs. 1 ist ein „scgelfertiges" Schiff, worunter auch ein Dampfer verstanden werden kann bezw. muß (Prot. S. 1496) und ist es ganz gleichgültig, ob eS ein be­ ladenes oder in Ballast gehendes Schiff ist. Wann das Schiff als zum Abgang fertig anzusehen ist, hierüber sind keine Bestimmungen getroffen, weil die Voraussetzungen für die Segelfertigkeil je nach dem Zwecke der bevorstehenden Reise und je nach den örtlichen Berhältniffen der verschie­ denen Häfen zu verschieden sind. (Prot. a. a. O.) 41. Unter den Schulden des Abs. 1 sind nicht auch dingliche Ansprüche, z. B. Vinditationsansprüche, verstanden. S. Prot. S. 3709. Eine Ausnahme gilt hinsichtlich der Schulden, die behufs Ausführung der anzutretenden Reise, als für Ausrüstung, Verproviantierung des Schiffes, gemacht sind, weil durch diese das Schiff erst in den Stand gesetzt ist, abgehen zu können. 42. In Abs. 2 ist die Frage nicht entschieden, ob und unter welchen Voraussetzungen «ine Beschlagnahme von bereits an Bord des Schiffes befindlichen Gütern ohne Wiederausladung zulässig ist,*) sondern lediglich die Frage, in welchen Fällen durch eine Beschlagnahme wegen Schulden deren Wiederausladung bewirkt werden kann, wobei dein Arrestsucher, jedoch unter den­ selben Verpflichtungen (Zahlung der Fautfracht, ganzen Fracht rc.) die gleichen Rechte wie dem Ablader selbst (Art. 581 ff.) beigelegt werden. (Prot. S. 3774—8778.) 48. Durch Nordd. B. Gesetz vom 29. Mai 1868 ist die Personalhaft als Schulden­ exekutionsmittel aufgehoben und ebenso die Haft zur Erzwingung eines Zeugnisses, des Offen« Larungseides u. s. w., durch § 785 Ziff. 3 der REPO, „gegen den Schiffer, die Schiffsmannschaft und alle übrigen auf einem Seeschiff angestellten Personen, wenn das Schiff zum Abgehen fertig

*) Die Zulässigkeit einer solchen Pfändung endigt jedenfalls mit der Absendung des Kon­ nossements seitens des Abladers. Art. 661. Lewis, Seerecht I. S. 40 Ziff. 6.

900

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 446 —449.

(.segelfertig) ist". Diese Bestimmung gilt nach § 812 a. a. O. auch in Bezug auf die durch Haft erfolgende Vollziehung des persönlichen Sicherheitsarrestcs.

Artikel 447. Wenn in diesem fünften Buche 'die europäischen Häfen den nichteuropäischen Häfen entgegengesetzt werden, so sind unter den ersteren zugleich die nichteuro­ päischen Häfen des Mittelländischen, Schwarzen und Azowschen Meeres als mit­ begriffen anzusehen. Fehlt im Pr. Entw. und I. L. — Prot. S. 3712. Inhalt. Entlassung dcS Schiffers s. Art. 515. Kündigung des Schiffers s. Art. 521.

] |

Verschollenheit des Schiffes f Art 866. Wechselordnung 44.

44. Der in Art. 447 festgesetzte Sprachgebrauch wirkt m den Fällen der Art. 518, 521 tt, 866; die Bestimmung ist dem Sinne nach wiederholt in § 71 der Seemannsordnung. Vgl. die geographische Grenzenziehung in ADWO. Art. 78 Ziff. 2 und Art. 79 Ziff. 2.

Artikel 448. Die Bestimmungen des fünften Buches, welche sich auf den Aufenthalt des Schiffs im Heimathshafen beziehen, können von den Landesgesetzen auf alle oder einige Häfen des Reviers des Heimathshafen ausgedehnt werden. Fehlt im Pr. EntM. I. £. Ar«. 443. - Pro«. @. 1584, 1882, 3765 ff.

3 n » « 1 «. Heimathshafen 15, 45. Landesgesetze 46.

I |

Vorbehalte 46.

45. Heimathshafen s. z. B. § 5 des RG. bctr. die Nationalität der Kauffahrteischiffe :c. hierzu, abgedruckt oben S. 874 (zu Art. 432). Vgl. oben Bem. 15, S. 892 Anm. 1; ferner Art. 495, 496, 681.

Artikel 449. Für die Postanstalten gelten die Bestimmungen des fünften Buches nur insoweit, als nicht durch besondere Gesetze oder Verordnungen für dieselben ein Anderes vorgeschrieben ist. Fehlt im Pr. Entw. I. 8. Art. 781. - Prot.

4010 ff.

Inhalt. Postdampfer 47. — -flagge 47. — -frachtgeschäst 46.

I Postgesetze 46. Schisse 6, 7. |

46. Im prcuß. Einf.-G. § 44 ist eine königliche Verordnung mit Bezug auf Art. 44 S vorbehalten, von diesem Vorbehalte wurde jedoch kein Gebrauch gemacht. Eine Ausdehnung im Sinne des Vorbehalts in Art. 448 enthält das Hannov. Einf.-G. in §§ 32 u. 33, das Oldenburgische Einf.-G. in Art. 27, das Hamburgische in § 46, das Bre­ mische in § 40, das Schleswig-Holsteinische in § 67 und das Lübeckische in § 17. S. über allediese Gesetze Lewis, Seerecht I. S. 41, 42. Vgl. Art. 421 Abs. 2 des HGB. Bem. 150—154 oben S. 854 f. — RG. über das Post­ wesen des Deutschen Reiches vom 28. Oktober 1871. Postordnung vom 8. März 1879 mit Ab­ änderungen vom 24. August 1879 und vom 12. März 1883.

Zweiter Titel.

Kon bem Rheder und von der Rhederei.

Art. 450.

901

47. Postdampfschiffsverbindungen, RG. vom 6. April 1885 und 27. Mai 1887 s. unten Art. 665. Ebenda s. in Ziff. 6 der Anlage zu dem Gesetz vom 6. April 1885 die Bestimmung über die Postflagge.

Zweiter Titel.

Von dem Rheder und von der Rhederei. Artikel 450.

Rheder ist der Eigenthümer eines ihm zum Erwerb durch die Seefahrt dienenden Schiffs. Fehlt im Pr. Entw. 1. L. Art. 406. - Prot. @. 1496 ff., 3713 ff., 3739. 3 Aktiengesellschaften 51. Armateur 49. Assoziationsformen 51. AuSrüster 49. „dienend"? „bestimmt" 8. Eigenthümer 10, 12, 15, 48, 49, 52. EigenthumSerwerb 52. Erwerb durch die Seefahrt 6, 7, 8, 9. Etymologie 49 Anm. exercitor navis 49. fortune de mer 48, 64ff. Gesellschaften 51.

Haftung des Rheders, öffentl. rechtl. 50. — des Rheders, privatrechtl. 48, 53 ff. owner 49. Oeffentlichrechtliche Pflichten 50. Personen 51. propridtaire 49. „Rheder" 48, 49 Anm. Schiff 5, 9. Seefahrt 7, 8. — -schiff 8, 9. Nnfallversicherun g 50. Verbindlichkeit des RhcderS 48, 50, 53ff.

48. Das Rechtseigenthümliche in der Stellung des Rheders und die Bedeutung des' Be­ griffs Rheder liegt in einer besonderen Ausdehnung und Einschränkung der Haftung *) für fremde Handlungen: einer Ausdehnung: insofern der Rheder einzustehen hat für gewisse Rechtsgeschäfte des Schiffsführers (Art. 495, 496, 497, 499, 502, 512) und für gewisse Delikte der Schiffs­ besatzung (Art. 451); in einer Einschränkung: insofern der Rheder für gewisse fremde Hand­ lungen nicht mit seinem ganzen, persönlichen Vermögen, sondern nur mit einem Theild desselben — mit der fortune de mer, diesen Begriff jedoch relativ*2) genommen, so daß wer Rheder mehrerer Schiffe ist, ebenso viele „fortunes de mer“ hat — haftet (Art. 452) und zwar — sowohl in den Fällen einer solchen beschränkten Haftung als auch sonst — unter einem eigenen Gerichtsstände, dem des Heimathshafens des Schiffes bezw. jedes seiner Schiffe. Die Voraussetzung dieser Rechtseigenthümlichkeiten ist die Rhedereigenschaft, welche für das Privat-Handelsrecht besonders und enger als für das öffentliche Seerecht3) aufgestellt wird. Es -kommt bei dieser Begriffsaufstellung (Art. 450) im vollsten Maße Alles zur Geltung, was im An­ schlüsse an Art. 432 über den Begriff: „Erwerb durch die Seefahrt" oben in den Bem. 6, 7, 8 und 9 gesagt wurde; denn „Rheder" im Sinne unseres HGB. (Art. 450ff.) ist nur der Eigenthümer eines Schiffes, welches zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmt ist (ArU 432); es ist mithin auf die Erörterungen von S. 882 bis S. 886 zu verweisen, insoweit die Ausdrücke: „Erwerb", „Seefahrt", „bestimmt" und „Schiff" in Frage kommen. Systematik s. Bem. 4 S. 873. 49. Die Etymologie des Wortes „Rheder" führt nicht auf den Eigenthumsbegriff, son­ dern auf den des Ausrüstens oder auf den des Fahrens4) zurück, während in der englischen *) Ueber die Haftung des Rheders s. B. Ehrenberg, Beschränkte Haftung des Schuld­ ners nach See- und Handelsrecht, Jena 1880, S. 178 ff., 208, 218 f.; Rud. Wagner, Seereck)t I. S. 178ff.; W. Lewis, Seerecht I. S. 46ff. in Endemann's Hdbch. IV. 1. S. 40ff. 2) Diese Relativität wird häufig übersehen. 8) So mit Recht R. Schröder in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXII S. 85. 4) Rheder und Rhede (historisch richtiger ohne h zu schreiben!) werden sprachlich zurück­ geführt auf „reiten", althochdeutsch „ritan“, welches „sitzend fahren", „aufsitzend sich fortbewegen",

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Vom Seehandcl.

Art. 450.

und französischen Rechtssprache der Rheder als Schiffseigenthümer benannt wird, shipsownei, propiStaire de navire. Nach unserem gesetzlichen Sprachgebrauche bedeutet „Rheder" den Eigenthümer, dieser und der Ausrüster eines Schiffes wird in der römischen Rechtssprache als exercitor navis be­ zeichnet und beide, den Eigenthümer und den Ausrüster, stellt das römische Recht in einer Anzahl von Beziehungen gleich; ebenso sieht aber auch das neueste Recht den Ausrüster (armateur) — d. i. Denjenigen, welcher ein ihm nicht gehöriges Schiff zum Erwerb durch die Seefahrt aus seine Rechnung verwendet (s. Art. 477) — im Verhältniß zu Dritten als Rheder an.1) Das bloße Eigenthum an einem zur Seefahrt dienenden Schiffe macht den Eigenthümer nicht zum Rheder; er wird es erst dadurch, daß er sich des Schiffes zum Erwerbe durch die See­ fahrt wirklich, wenn auch nicht ununterbrochen, bedient. Prot. S. 1500. „Rheder ist nach Art. 450 nicht schlechthin der Eigenthümer eines Seeschiffes, sondern nur derjenige Eigenthümer, der sein Schiff zum Erwerb durch Seefahrt (s. Bem. 6 zu Art. 433) ver­ wendet. Fehlt es an diesem Requisit, läßt er sein Schiff durch einen Andern in der im Art. 417 gedachten Weise verwenden, so hat er, * abgesehen von seinem Verhältniß zu diesem sog. „Aus­ rüster", während der Dauer dieses Verhältnisses dritten Personen gegenüber nicht mehr die Quali­ tät des Rheders, kann ihnen also auch nicht als solcher haften." Hamburger OLG.-Erk., mitge­ theilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 276. 50. Auf dem Rheder, welcher sein Schiff zum Erwerb mittels Seefahrt bestimmungs­ gemäß verwenden will, lasten öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten;2) vor Allem die aus der Natio­ nalisierung des Schiffes sich ergebende Pflicht, das Schiff registrieren3) und vermessen4)* zu 6 lassen; ferner die auch privatrechtlich wirkende Pflicht, einen geeigneten Schiffer zu bestellen/) sofern er das Schiff nicht selbst führt und dazu geeignet ist; ferner die Unfallverficherungspflicht: Bei Schiff­ fahrtsbetrieben gilt er nämlich als der versicherungspflichtige Unternehmer im Sinne des RG. betr. die Unfallversicherung der Seeleute und anderer bei der Seeschiffahrt betheiligter Personen vom 13. Juli 1887 §§ 16, 2, 1, 17 ff. (Verpflichtungen des Rheders), § 4 (Versicherungsberechtigung); vgl. ferner ebenda §§ 13, 17, 21, 93; Wählbarkeit der Rheder zu Berufs-Genossenschafts­ vorständen und Vertrauensmännern ebenda § 30; Stimmrecht der Rheder in der Berufsgenossen­ schaft § 43; Anzeige von Veränderungen ebenda § 45. 51. Rheder kann eine einzelne physische Person, eine Mehrheit von solchen (Gesellschaft) oder eine juristische Person, auch der Staat sein. Auch Handelsgesellschaften, offene und Kom­ manditgesellschaften, sowie Genossenschaften und Aktienvereine können Schiffseigenthümer sein. S. Art. 456 und die Bem. hierzu. Ganz besonders aber hat sich eine Affociationsform unter dem Namen Rhederei für den Fall des Miteigenthums an einem Schiffe und Verwendung desselben auf gemeinschaftliche Rechnung der Miteigenthümer, Mitrheder, entwickelt; hiervon handeln tue Art. 456—475. 52. Im HGB. ist eine besondere Form für den Uebergang des Eigenthums nicht auf­ gestellt; es kommen deshalb in dieser Beziehung die Grundsätze des bürgerlichen, partikularen oder gemeinen Rechts zur Anwendung. Im Uebrigen s. Art. 439 u. 440. Ueber den Erwerb des Eigenthums an Schiffen s. Lewis in Endemann's Hdbch. Bd. IV. 1. S. 37 ff. sowie die „Zurüstung", „Vorbereitung" hierzu, bedeutet, zusammenhängend mit althochd. reita. (der Wagen), altnord, reidhi, die Zurüstung, Ausrüstung eines Wagens oder Schiffes. So be­ deutet auch das mittelhochdeutsche „Bereitschaft" so viel als Ausrüstung, Geräthschaft. Weigand, Deutsches Wörterbuch, unter „Bereiten", „Reiten" und „Rhede". *) Hierüber s. eingehend das vortreffliche Werk V. Ehrend erg's, Beschränkte Haftung des Schuldners nach See- und Handelsrecht, Jena 1880, S. 170 ff. 2) Privatrcchtliche Haftungen s. Bem. 53. 3) S. oben Bem. 11 ff., 15, 16 S. 889, 892. 4) S. oben Bem. 13 S. 890 und Bekanntmachung, betreffend die Schiffsvermessungsordn. vom 20. Juni 1888, RGBl. 1888 Nr. 28 S. 190. 6) Vgl. Rud. Wagner a. a. O. S. 152.

Zweiter Titel.

Von dem Rheder und von der Rhederei.

Art. 451.

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Artikel 451. Der Rheder ist für den Schaden verantwortlich, welchen eine Person bet Schiffsbesatzung einem Dritten durch ihr Verschulden in Ausführung ihrer Dienstverrichtungen zufügt. Pr. entto. Art. 407. I. L. Art. 323. - Prot. S. 1749, 2027 ff., 2921, 3729 ff. Beschränkung der Haftung 53. Beweis 58. culpa 53, 57 Dien st Verrichtungen 56. dolus 57. Dritte 60. fortune de mer 48, 64ff. Geschichte 53. Haftung des RhederS 48, 50, 53ff. Internationales Privatrecht 5ä, 62. Kollision von Schiffen 59. Konkurrenz Verpflichteter 53, 59. Persönliche Haftung 48, 64ff. Prinzipale Haftung 54.

Rheder 48, 49, 51. Schadensursache 55. Schiffer 53, 60, 61. Schiffsbesatzung 39, 60, 61 — -kollision 59. Schuldige 53, 56, 57, 58. Soli darhaft 53, 54. Sorgfalt 53, 57. Statutenkollision 56, 62. Stromschiffahrt 63. Subsidiarhaft? 53. Unterlassungen 57. Verschuldung 55, 57, 58.

53. Die privatrechtliche Haftung des Rheders ist das Eigenartigste des hier vorliegenden Eigenthumsverhältnisses. S. oben Bem. 48. Die Geschichte dieser Haftungen s. Lewis, See­ recht I. S. 46, 47; Rud. Wagner, Seerecht I. S. 178. Beschränkung dieser Haftung s. Art. 452, 454; vgl. auch Art. 740 in dem in Anm. zu Art. 736 angef. Falle der Entsch. des RG. Bd. XIX S. 8 ff. Verpflichtungen des Rheders s. auch in Art. 479. Der Rheder ist auch für den Schaden verantwortlich, welcher aus der Ver­ nachlässigung der dem Schiffer nach Art. 478 obliegenden Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers entspringt; s. RG. Bd. X S. 20; vgl. ROHG. Bd. XIII S. 113. Ueber error in judgement s. unten S. 932. Art. 451 statuiert nicht eine allgemeine Haftungspflicht des Rheders gegenüber jedem durch ein Verschulden der Schiffsbesatzung in Ausführung ihrer Dienstverrichtungen beschädigten Dritten, sondern besagt nur, daß, soweit außerkontraktliche Verhältnisse in Betracht kommen, der Rheder ebenso zu haften habe, wie die schuldige Person selbst, also diese so zu vertreten habe, als wenn die schadenbringende Handlung von ihm selbst begangen wäre, und setzt ein solcher gegen den Rheder zu erhebender Schadensanspruch immer einen gegen die schuldige Person der Schiffs­ besatzung bestehenden Anspruch voraus. S. RG. IX. 162 ff. und die dort angeführte Lit., sowie Gesetzesmaterialien. 54. Der Rheder haftet im Falle des Art. 451 principaliter (Prot. S. 2028) und zwar, da das Gesetz die Verantwortlichkeit desselben schlechtweg ausspricht, solidarisch mit dem Schuldigen selbst. Lewis in Endemanns Hdbch. Bd. IV. 1. S. 42, 43 Note 17. 55. Die Haftung des Rheders erstreckt sich nur auf denjenigen Schaden, der von einem Mitgliede der Besatzung durch fehlerhafte Ausführung seiner Dienstverrichtung selbst hervorgerufen wurde, der also mit dieser in einem inneren Zusammenhange steht, nicht aber auf den Schaden, den ein Mitglied der Besatzung bei Gelegenheit seiner Dienstverrichtungen einem Dritten verur­ sacht. Wenn also z. B. die Mannschaft eines Schiffes in einem Hafen beim Befestigen des Schiffes das Tau so ungeschickt spannt, daß es andere Boote umstürzt, und in Folge hiervon die darin befindlichen Güter zu Grunde gingen, so ist cs angemessen, den Rheder für den Schaden verantwortlich zu machen. Es kann aber dem Rheder sicherlich nicht die Verpflichtung auferlegt werden, für die Wittwe und Waisen Desjenigen zu sorgen, den sein Schiffsmann, nachdem er mit ihm bei Ausführung seines Dienstes in Streit gerathen, weil vielleicht keiner dem anderen im Hafen ausweichen wollte, getödtet hat u. dgl. Prot. S. 2028, 2029. 56. Die Beantwortung der Frage, ob eine Thätigkeit zu den Dicnstverrichtungen der Schiffsbesatzung gehört, ist, wenn das letztere mit dem Rhedereibetrieb selbst, d. h. mit der Be­ nutzung des Schiffes zum Erwerbe durch die Seefahrt in unmittelbarer Beziehung steht. Es charakterisiert sich also auch z. B. die Arbeit des Näherholens eines Schiffes an den Landungs-

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Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art, 451. 452,

Platz als die Ausführung einer Dienstverrichtung einer Schiffsbesatzung im Sinne des Art. 451, welche im (fei es nun wirklichen oder vermeintlichen) Interesse und für Rechnung und aus Ge­ fahr des Rheders vorgenommen wird. RG. XIII. 118, 119. 57. Das Verschulden kann Fahrlässigkeit oder dolus, Thun, unter Umständen aber auch ein Unterlassen sein. Allerdings involviert das Unterlassen eines zur Verhinderung des eingetre­ tenen Schadens geeignet gewesenen Thuns an und für sich Noch kein Verschulden, wohl aber dann, wenn eine rechtliche Verbindlichkeit zu einer fürsorgenden und schützenden Thätigkeit bestand, oder wenn ein durch die Umstände gebotenes schadenabwendendes und als solches erkennbares Verfahren unterlassen wird, wie z. B. die für eine Reise erforderliche Verproviantierung eines Schiffes, die zur Verhütung des Zusammenstoßes von Schiffen vorgeschriebene Führung von Lichtern, Abgabe der nothwendigen Nebelsignale, Vornahme eines zur Abwendung drohender Schiffskollision nöthigen Manövers, Ausbesserung eines Schiffes, welches Havarie erlitten hat re. re. S. hierüber ROHG. XIII. 115, XXIII. 353; vgl. auch Prot. S. 3731 und Lewis a. a. O. S. 43, 44. 58. Nach dem Grundsatz, daß Derjenige, welcher aus der Verschuldung eines Andern den Anspruch auf Schadensersatz ableitet, darzulegen und zu beweisen hat, daß der Schaden, dessen Er­ satz er fordert, eine Folge jener Verschuldung sei, muß auch der den Ersatzanspruch nach Art. 451 geltend machende Kläger beweisen, daß eine Beschädigung durch ein Verschulden der Besatzung herbeigeführt sei. ROHG. XXV. 230 f.; RG. VIII. 167, 168. 59. Ist eine einen Ladungsbetheiligten schädigende Schiffskollision durch kulposes Ver­ halten auf beiden kollidierenden Schiffen verursacht, so haften den Beschädigten die Rheder der mehreren Schiffe solidarisch. Ist der geschädigte Ladungsbetheiligte zugleich Rheder des einen Schiffes, so kann ein Ersatzanspruch an den Rheder des anderen Schiffes nur insoweit eintreten, als der für ihn an der Ladung entstandene Schaden den Werth seines Schiffes und dessen Fracht übersteigt. ROHG. XXIII. 393—396. 60. Unter den dritten Personen, welchen der Rheder nach Art. 451 des Handelsgesetz­ buches für den Schaden haftet, den ihnen eine Person der Schiffsbesatzung durch ihr Verschulden in Ausführung ihrer Dienstverrichtungeu zufügt, sind auch die übrigen Angehörigen der Schiffsbesatz­ ung selbst zu verstehen. RG. XIII. 119. Ebenso Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 276. 61. Ueber den Umfang des Begriffs Schiffsbesatzung (Lootsen, Schlepperbesatzung) s. RG. XIII. 114, XX. 85, oben Bem. 39 S. 898. 62. Der Umfang der Verantwortlichkeit des Rheders wegen Verschuldungen desselben, oder anderer Personen der Schiffsbesatzung, ist nach den Gesetzen des Heimathshafens des Schiffes zu beurtheilen. ROHG. XXIV. 85, 86. (XXII. 98.) S. auch RG. XIX. 10. Hier ist ausgeführt, daß der deutsche Richter die Haftung des Rheders eines deutschen Schiffes nach dem Rechte seines Landes, also nach dem deutschen Handelsgesetzbuch, zu beurtheilen und mithin hiernach auch zu prüfen hat, ob und inwieweit der Rheder für das Verschulden eines Lootsen verantwortlich ist. Gleichgültig ist, ob der Schaden auf offener See zugefügt wurde, wo nicht das Gesetz irgend eines bestimmten Landes gilt und die Schiffe als Gebietstheile desjenigen Landes angesehen werden, dessen Flagge sie führen, oder ob die beschädigende Handlung in einem ausländischen Hafen, mithin unter der Herrschaft des dort geltenden Rechtes, stattgefunden hat. S. hierüber auch die dort angeführte in- und ausländische Literatur und Weiteres bei Art. 736. 68. VI. 396 ff.

Art. 451 ist auf die Stromschiffahrt weder direkt noch analog anwendbar. S. noch bei Art. 432.

ROHG.

Artikel 452. Der Rheder haftet für den Anspruch eines Dritten nicht persönlich, son­ dern er haftet nur mit Schiff und Fracht:

Zweiter Titel.

Bon dem Rheder und von der Rhederei.

Art. 452.

905

1) wenn der Anspruch auf ein Rechtsgeschäft gegründet wird, welches der Schiffer als solcher kraft seiner gesetzlichen Befugnisse und nicht mit Bezug auf eine besondere Vollmacht geschlossen hat; 2) wenn der Anspruch auf die Nichterfüllung oder auf die unvollständige oder mangelhafte Erfüllung eines von dem Rheder abgeschlossenen Vertrages ge­ gründet wird, insofern die Ausführung des Vertrages zu den Dienstobliegen­ heiten des Schiffers gehört hat, ohne Unterschied, ob die Nichterfüllung oder die unvollständige oder die mangelhafte Erfüllung von einer Person der Schiffsbesatzung verschuldet ist oder nicht; 3) wenn der Anspruch auf das Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung gegründet wird. In den unter Ziff. 1. und 2. bezeichneten Fällen kommt jedoch dieser Ar­ tikel nicht zur Anwendung, wenn den Rheder selbst in Ansehung der Vertrags­ erfüllung ein Verschulden trifft, oder wenn derselbe die Vertragserfüllung be­ sonders gewährleistet hat. Pr. e« !

Haverei, besondere Bem. 227, s. auch Art. 709. Verkauf 227.

227. Im Falle der besonderen (partikulären), d. h. nur das Schiss oder nur die Ladung treffenden Haverei (s. Art. 709), ist der Schaden nicht von allen Interessenten zu tragen, und des­ halb hat der Schiffer zunächst mit solchen Mitteln für die Deckung des Bedürfnisses zu sorgen, für welche der Rheder aufzukommen hat, denn von diesem sind regelmäßig die für die Fortsetzung der Reise nothwendigen Gelder zu beschaffen. Im Uebrigen sind die in Art. 709 aufgezählten Fälle zu unterscheiden. Hinsichtlich der Gültigkeit der Geschäfte s. Art. 511. Verbodmung und Verkauf sind im Falle des Abs. 3 Kreditgeschäfte nach Art. 510 und (gemäß Art. 511) von Art. 497 in ihrer Gültigkeit bestimmt; zu ihrer Gültigkeit ist alsdann keine Spezialvollmacht erforderlich (Art. 512).

Dritter Titel.

Von dem Schiffer.

Art. 510—513.

957

Artikel 510. Die Verbodmung der Ladung oder die Verfügung über Ladungstheile durch Verkauf oder Verwendung wird in den Fällen des vorstehenden Artikels als ein für Rechnung des Rheders abgeschlossenes Kreditgeschäft (Artikel 497. und 757. Ziff. 7.) angesehen. v) Fehlt im Pr. Entw. I. L. Art. 451 Abs. 3. - Prot. S. 2463, 3824 ff.

Inhalt. Maßregeln 225. Verbodmung s. Art. 680 ff.

I |

Verkauf 227.

Artikel 511. In Bezug auf die Gültigkeit der in den Fällen der Artikel 504. unb 507. bis 509. von dem Schiffer abgeschlossenen Rechtsgeschäfte kommen die Vor­ schriften des Artikels 497. zur Anwendung. Fehlt In den Entw. — Pest. 3.3317, 3326 ff.

Artikel 512. Zu den Geschäften und Rechtshandlungen, welche der Schiffer nach den Artikeln 495. 496. 497. 499. 504. 507. bis 509. vorzunehmen befugt ist, be­ darf er der in den Landesgesetzen etwa vorgeschriebenen Spezialvollmacht nicht. Fehlt in den Entw. - Prot. S. 3832, 3883.

Artikel 513. Was der Schiffer vom Befrachter, Ablader oder Laduugsempfänger außer der Fracht als Kaplaken, Primage oder sonst als Belohnung oder Entschädigung, gleichviel unter welchem Namen, erhält, muß er dem Rheder als Einnahme in Rechnung bringen. Pr. Entw. Art. 432 Abs. 1 I. L. Ar«. 456 Abs. 1. — Prot. S. 1921 ff., 3789. Ablader f. Art. 564, 567ff. Ausfuhrprämien 230. Befrachter s. Art. 580 ff. Exportprämien 230.

Fracht s. Art. 615, 619ff. Kaplaken 228. Primage 228. Tendenz des Art. 513.

228. Kaplaken und Primage sind besondere im älteren Seebrauche herkömmliche Zuwen­ dungen an den Schiffsführer. Ueber Kaplaken s. W. Lewis in v. Holtzendorff's Nechtslexikon, 3, Anst. Bd. I S. 434r vgl. auch Art. 622. Lyon-Caen et Renault, Precis, II. p. 205: du chapeau du capitaiue. Ueber Primage s. Gareis im angegeb. Nechtslexikon Bd. III S. 154, 155, vgl. auch Art. 622. 229. Bei der Bestimmung des Art. 513 ging man davon aus, daß Kollisionen zwischen den Interessen des Schiffers und Rheders nur dadurch vermieden werden können, daß dem Nbeder Alles zugebilligt werde, was der Schiffer, mit dem Schiffe durch Ausübung seiner Pflicht erwerbe, wenngleich der Geber es dem Schiffer persönlich zugedacht habe, somit Alles, was der Schiffer erhält, auch die ohne besondere Verabredung bezahlten Vergütungen, auch die' nack) der Reise frei*) Auf die genannten Maßregeln ist demnach auch Abs. 2 des Art. 497 anzuwenden. (Vgl. hierzu Art. 613.)

958

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 518—515.

willig gegebenen Geschenke (Prot. S. 1921—1924, 3729; s. auch ROHG. VI. 62 ff.) und zwar gleichviel, ob der Frachtvertrag vom Schiffer oder vom Rheder abgeschlossen ist, ob die Prämien ansbedungen oder ohne vorheriges Versprechen gegeben sind, ob sie im ersteren Falle ohne Nennung des Empfangsberechtigten oder ausdrücklich dem Schiffer (sei es sogar vom Rheder selbst) stipuliert sind. Voraussetzung ist hierbei aber stets, daß freiwillig gegebene Geschenke dem Kapitän in seiner Eigenschaft als Schiffsführer gegeben sind. So Lewis im Hdbch. Bd. IV S. 90. 230. Auch eine dem Schiffer persönlich bewilligte Ausfuhrprämie soll nach Ansicht des ROHG. (Bd. VI S. 62 ff.) dem Rheder zu Gute zu rechnen sein, mag dem exportierenden Kapi­ tän als solchem oder mag dem Kapitän als Vertreter der wirklichen Exporteure, somit als Ver­ treter nicht der Rhederei, sondern der Ladungsinteressenten (vgl. Prot. S. 2461 ff., 3831—3833), die Ausfuhrprämie bewilligt worden sein. Lewis a. a. O. S. 90 Note 5 erklärt sich auf Grund des Art. 518 nur dann damit einverstanden, wenn die Ladungsinteressentcn in Wahrheit einen Anspruch auf die Prämie hatten und diese dem Schiffer überlassen haben, denn sei dies nicht der Fall, so habe nur die Rhederei einen Anspruch darauf, weil als Exporteur der Schiffer nicht als Führer des Schiffs bezeichnet werden könne, sondern nur als Vertreter der Rhederei, mit deren Schiff auch der Export bewerkstelligt werde.

Artikel 514. Der Schiffer darf ohne Einwilligung des Rheders für eigene Rechnung keine Güter verladen. Handelt er dieser Bestimmung zuwider, so muß er dem Rheder die höchste am Abladungsort zur Abladungszeit für solche Reisen und Güter bedungene Fracht erstatten, unbeschadet des Rechts des Rheders, einen erweislich höheren Schaden geltend zu machen. Pr. Entw. Art. 432 Abs. 2. I. L. Art 456 Abs. 2. - Prot. S. 1924 ff., 3789. Inhalt. Gefährdung deS SchiffcS- der Ladung 231. Kricgskontrebande 231.

I |

Schaden 231. Strafrechtliche Ahndung 231.

281. Schaden kann insbesondere dann vorliegen, wenn Kontrebande geladen ist (siehe Geffken in v. Holtzendorff's Hdbch. des Völkerrechts Bd. IV S. 713 ff.) oder sonst der That­ bestand des § 297 des Slraf-GB. gegeben ist, welcher lautet: §. 297.

Ein Reisender oder Schiffsmann, welcher ohne Vorwissen des Schiffers, ingleichen ein Schiffer, welcher ohne Vorwissen des Rheders Gegenstände an Bord nimmt, welche das Schiff oder die Ladung gefährden, indem sie die Beschlagnahme oder Einziehung des Schiffes oder der Ladung veranlassen können, wird mit Geldstrafe bis zu Eintausend­ fünfhundert Mark oder mit Gefängniss bis zu zwei Jahren bestraft.

Artikel 515. . Der Schiffer kann, selbst wenn das Gegentheil vereinbart ist, jederzeit von dem Rheder entlassen werden, jedoch unbeschadet seiner Entschädigungs­ ansprüche. Pr. «ntw. Art. 435 Abs. 1. I. S. Art. 458. - Prot. S. 1930, 1944, 3790. Inhalt. Analoges 232.

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Fälle der Entlassung 232.

232. Mit der Bestimmung des Art. 515 ist die des Art. 54 Abs. 1 (Entlaßbarkeit des Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten) zu vergleichen. S. auch die Bern. 97—101 hierzu, oben S. 165—166. Zu Art. 515 vgl. oben Art. 460 u. 478 und die Anm. hierzu. Fälle der Entlassung s. Art. 516—519.

Artikel 516. Erfolgt die Entlassung, weil der Schiffer untüchtig befunden ist, oder weil er seiner Pflicht nicht genügt, so erhält er nur dasjenige, was er von der Heuer einschließlich aller sonst bedungenen Vortheile bis dahin verdient hat. Pr. Enit». Art. 436 Abs. 1.

I. L. Art. 459. — Prot. 3. 1931 ff., 3790. Inhalt.

Ermessen, richterliches 234. Krankheit 233.

1

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Pflichtverletzung 234. Untüchtigkeit 233.

238. Die Untüchtigkcit des Art. 516 bezieht sich nicht auf die durch Krankheit oder Ver­ wundung herbeigeführte physische Unfähigkeit des Schiffers (]. hierüber Art. 523), sondern auf andere Fälle der Untüchtigkeit. (Prot. S. 1934.) 234. Darüber, ob der Schiffer seiner Pflicht nicht genügt habe, entscheidet der Richter nach billigem Ermessen; in einer geringfügigen Vernachlässigung wird derselbe kaum einen Grund zu einer Entlassung finden. S. hierüber Prot. S. 1934.

Artikel 517. Wenn ein Schiffer, welcher für eine bestimmte Reise angestellt ist, ent­ lassen wird, weil die Reise wegen Krieg, Embargo oder Blokade, oder wegen eines Einfuhr- oder Ausfuhrverbots, oder wegen eines anderen Schiff oder Ladung betreffenden Zufalls nicht angetreten oder fortgesetzt werden kann, so erhält er gleichfalls nur dasjenige, was er von der Heuer einschließlich aller sonst bedungenen Vortheile bis dahin verdient hat. Dasselbe gilt, wenn ein auf unbestimmte Zeit angestellter Schiffer entlassen wird, nachdem er die Aus­ führung einer bestimmten Reise übernommen hat. Erfolgt in diesen Fällen die Entlassung während der Reise, so hat der Schiffer außerdem nach seiner Wahl entweder auf freie Zurückbeförderung nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist, oder auf eine entsprechende Vergütung Anspruch. Wenn nach den Bestimmungen dieses Gesetzbuchs ein Anspruch auf freie Zurückbeförderung begründet ist, so umfaßt derselbe auch den Unterhalt während der Reise. Pr. E»tw. Ar«. 436 Abs. 1. I. L Ar«. 460. — Prot. 3. 1935 ff., 3800, 3896.

Inhalt. Acceptation 237. Angarien 236. Beginn der Bindung 237. Bekleidung 238. Blokade 236. Embargo 236.

Hinderungsgründe 235, 236. Krieg 236. Requisitionen 236. Uebernahme 237. vis major 234. Zufall 235.

Entlassung ohne Entschädigung 235.

235. Die hier erwähnten Reisehindernisse sind seerechtlich der vis major gleichgestellt. Prot. S. 1932, 1936. Ein darauf abzielender Antrag, daß, wenn den Rheder ein Zufall trifft, welcher ihn zwingt oder es für ihn als rathsam erscheinen lasse, die Reise aufzugeben, der Schiffer keinen Schaden zu tragen habe (Prot. S. 1935), ging nicht durch, cs wurde vielmehr bestimmt (Prot. S. 1936), daß außer den gedachten Fällen der vis major die Entlassung ohne Entschädi­ gung für die Zukunft auch dann zulässig sein solle, wenn die Reise wegen eines Schiff oder Ladung (oder beide: Prot. S. 3800) betreffenden Zufalles unterbleiben muß. Die Gesetzesbestimmung des

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Vom Seehandcl.

Art. 517—519.

Art. 517 ist sonach auf die lediglich in der Person des Rheders sich ereignenden Zufälle nicht auszudehnen, also z. B. nicht darauf, wenn dem Rheder die im Frachtvertrag ausbedungene Ladung nicht geliefert wird; hier hört der Anspruch des Schiffers auf Heuer rc. nicht auf. 236. In Betreff einzelner Hinderungsgründe, nämlich Krieg s. Lue der in v. Holtzendorff's Hdbch. des Völkerrecht Bd. IV §§ 48 ff.; Gareis, Institutionen des Völkerrechts, 1888, S. 191 ff. A. Rivier, Lehrb. des Völkerrechts, 1889, S. 432ff. Embargo s. v. Bul merincq in v. Holtzendorff's Hdbch. des Völkerrechts Bd.IV §§34, 35; Gareis a. a. O. S. 189, 190, 192. — Blokade s. v. Bulmerincq a. a. O. §§36, 37; Gcffken ebenda §§ 164-167; Garers a. a. O. S. 16, 189, 190, 192, 220. Angarien (droit d’angarie und arret de prince) s. v. Bulmerincq a. a. O. § 33 und Geffken a. a. O. § 168; auch Gareis a. a. O. S. 217. Requisitionen im Kriege s. Lueder in v. Holtzendorff's Hdbch. des Völkerrechts Bd. IV § 117; auch Gareis a. a. O. S. 206. 237. Entscheidend für die in Satz 2 des ersten Absatzes (von Art. 517) der Anstellung (Satz 1) gleichgestellte Uebernahme einer bestimmten Reise ist (nach Prot. S. 1945) der Augen­ blick, in welchem der Schiffer, dem bei einem Vertrage auf unbestimmte Zeit vorher das Kündi­ gungsrecht ebenfalls zusteht, verpflichtet ist, die Reise auszuführen, also der Augenblick, in welchem er zur Ausführung derselben Anweisung erhalten und letztere ausdrücklich oder faktisch, durch Be­ ginn der Vorbereitungen oder dgl. acceptiert hat. 238. Der Unterhalt im Sinne des Abs. 3 schließt die Bekleidung Nicht in sich. Mako wer, Komm. S. 558 Anm. 72. Mit Abs. 3 stimmt überein § 65 der Scemannsordn.

Artikel 518. Wird ein Schiffer, welcher auf unbestimmte Zeit angestellt ist, aus andereu als den in den Artikeln 516. und 517. angeführten Gründen entlassen, nachden: er die Ausführung einer bestimmten Reise übernommen hat, so erhält er außer demjenigen, was ihm nach den Bestimmungen des vorigen Artikels ge­ bührt, als Entschädigung noch die Heuer für zwei oder vier Monate, je nach­ dem die Entlassung in einem Europäischen oder in einem nichteuropüischen Hafen erfolgt ist. Jedoch erhält er in keinem Falle mehr, als er erhalten haben würde, wenn er die Reise zu Ende geführt hätte. Pr. Entw. Art. 436 «vs. 2. I. L. Art 461. - Prot. S. 1933 ff., 3800 ff. Inhalt. Entlassung s. Art. 515ff.

I Europäischer Hofen und nichtcuropüischer Hafen | s. oben Art. 447.

Artikel 519. War die Heuer nicht zeitweise, sondern in Bausch und Bogen für die ganze Reise bedungen, so wird in den Fällen der Artikel 516. bis 518. die ver­ diente Hener mit Rücksicht auf den vollen Heuerbetrag nach Verhältniß der ge* leisteten Dienste, sowie des etwa zurückgelegten Theiles der Reise bestimmt. Zur Ermittelung der im Artikel 518. erwähnten Heuer für zwei oder vier Monate wird die durchschnittliche Dauer der Reise einschließlich der Ladungs- und Löschungszeit unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Schiffs in Ansatz gebracht und danach die Heuer für zwei oder vier Monate berechnet. Pr. Entw. Art. 436 Abs. 3. I. L. Art. 462. - Prot. @. 1946 ff., 1953 ff., 3803.

Dritter Titel.

Von dem Schiffer.

Art. 520. 521.

961

Artikel 520. Endet die Rückreise des Schiffs nicht in dem Heimathshafen, und war der Schiffer für die Aus- und Rückreise oder auf bestimmte Zeit angestellt, so hat der Schiffer Anspruch auf freie Zurückbeförderung nach dem Hafen, wo er ge­ heuert worden ist, und auf Fortbezug der Heuer während der Reise oder nach seiner Wahl auf eine entsprechende Vergütung. Feh« Im Pr. E«tw. I. S. Art. 464. - Prot. $. 2018 ff., 3804, 3833 ff. »"halt. Berichtigung 239. Bestimmte Zeit 239.

I |

Fälle des Art. 517: 239.

Heimathshafen 11 zu Art. 436.

239. Art. 520 bezieht sich nicht auf die in Art. 517 behandelten Fälle. S. 2018, 3833.)

(Prot.

Die nothwendige (Prot. S. 3833) Berichtigung des durch ein Versehen gebrauchten Wortes „bestimmte" in „unbestimmte" s. für Preußen in der Preuß. Gesetz-Sammlung 1877 S. 218.

Artikel 521. Der Schiffer, welcher auf unbestimmte Zeit angestellt ist, muß, sobald er eine Reise angetreten hat, in dem Dienste verbleiben, bis das Schiff in den Heimathshafen oder in einen inländischen Hafen zurückgekehrt und die Ent­ löschung erfolgt ist. Er kann jedoch seine Entlassung fordern, wenn seit der ersten Abreise zwei oder drei Jahre verflossen sind, je nachdem das Schiff zur Zeit der Auf­ kündigung in einem Europäischen oder in einem nichteuropäischen Hafen sich befindet. Er hat in einem solchen Falle dem Rheder die zu seiner Ersetzung erforderliche Zeit zu gewähren und den Dienst inzwischen fortzusetzen, jedenfalls die laufende Reise zu beendigen. Hat der Rheder sofort nach der Kündigung die Rückreise angeordnet, so muß der Schiffer das Schiff zurückführen. Pr. Entt». Art. 473 Abs. 1.

I. L. Art. 464. - Prot. S. 1948 ff., 1954 ff., 2016 ff., 3804. Inhalt.

Anstellung auf bestimmte Zeit 241. — auf unbestimmte Zeit 241.

Europäischer und nichteuropäischer Hafen siehe

Heimathshafen 11 zu Art. 436. Reise 240. Rückreise 242.

Art. 447.

240, In Abs. 1 des Art. 521 ist für den auf unbestimmte Zeit angestellten Schiffer die Verbindlichkeit zur Vollendung einer bereits angetretenen bestimmten Reise festgesetzt (Prot. S. 1949, 3804), während im Abs. 2 der Willkür des Rheders, die Reise durch Einschaltung von neuen Zwischenreisen rc. zu verzögern, eine Schranke gezogen ist. (Prot. S. 1949 f., 1954—1958.) Im letzteren Falle hat er dem Rheder die zu seiner Ersetzung erforderliche, nötigenfalls durch richterliches Ermessen festzusetzende Zeit zu gewähren und den Dienst inzwischen fortzusetzen, auch demgemäß den auf Antretung einer neuen Reise gerichteten Anweisungen des Rheders Folge zu leisten; jedenfalls hat er die zur Zeit der Kündigung laufende Frachtreise, nicht auch die Rück­ reise bei einer Reise „aus und zu Haus" zu beendigen. S. Prot. S. 2017, 3804. 241.

Bei einer Anstellung auf bestimmte Zeit endigt das Dienstverhältniß mit Ablauf

Fuchsberger und GareiS, ADHGB.

61

962

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 521—523.

der Zeit, ohne Rücksicht darauf, ob alsdann das Schiff sich gerade auf der Reise befindet. (Siehe Prot. S. 1957, 1958.) 242. Rückreise (Abs. 3), d. h. eine Reise, welche im Heimathshafen oder in dessen Nähe endet. Prot. S. 2018, 3804.

Artikel 522. Die Schiffspart, mit welcher der Schiffer auf Grund einer mit den übri­ gen Rhedern getroffenen Vereinbarung als Mitrheder an dem Schiff betheiligt iftz muß im Falle seiner unfreiwilligen Entlassung auf sein Verlangen von den Mitrhedern gegen Auszahlung des durch Sachverständige zu bestimmenden Schätzungswerthes übernommen werden. Dieses Recht des Schiffers erlischt, wenn er die Erklärung, davon Gebrauch zu machen, ohne Grund verzögert. Fehlt im Pr. Eutw. I. L. Art. 463. - Prot. S. 1947 ff., 3803 ff., 3828.

Frrhalt. Erwerbsart 243.

|

Tendenz des Art. 522: 244.

243. Die Bestimmung des Art. 522 bezieht sich nicht auf solche Schiffsparten, welche der Schiffer ohne Wissen der Mitrheder oder ohne Vereinbarung mit ihnen erworben hat. Vgl. Makower, Komm. S. 561 zu Art. 522 Anm. 78b; vgl. Prot. S. 3828. 244. Zu der Bestimmung des Art. 522 führte, wie die Prot. S. 1948 ergeben, die Er­ wägung, daß in manchen Seeplätzen der Schiffer gewöhnlich Miteigenthümer des Schiffes sei und auch von der Rhederei häufig Niemand als Schiffer angenommen werde, wenn er sich nicht durch Ankauf eines Parts am Schiffe betheilige, daß also der Schiffer, der sich ohne Abnahme seines Parts die Entfernung vom Dienste gefallen lassen müßte, sehr oft nicht mehr in der Lage wäre, einen anderen Schiffspart zu erwerben und wieder eine Stelle zu finden. Um aber auf der anderen Seite auch die Rhederei dem Schiffer nicht ungebührlich Preis zu geben und dem Letzteren nicht das Recht einzuräumen, daß er zu jeder beliebigen, wenn auch noch so ungünstigen Zeit und vielleicht erst lange nach seiner Entlassung die Bezahlung seines Parts fordere, wurde beschlossen, daß das erwähnte Recht des Schiffers, wenn er sich bei seiner Entlassung auf Befragen der Mitrhcder über die Geltendmachung seines Rechtes nicht erklärt oder sonst in einer billigen Frist sich zu dessen Ausübung nicht meldet, erlöschen solle. Diese Erwägungen drangen auch gegenüber einem in der Hamburger Kommission später (s. Prot. S. 3803, 3804) gestellten Streichungsantrage durch.

Artikel 523. Falls der Schiffer nach Antritt der Reise erkrankt oder verwundet wird, so trägt der Rheder die Kosten der Verpflegung und Heilung: 1) wenn der Schiffer mit dem Schiff zurückkehrt und die Rückreise in dem Heimathshafen oder in dem Hafen endet, wo er geheuert worden ist, bis zur Beendigung der Rückreise; 2) wenn er mit dem Schiff zurückkehrt und die Reise nicht in einem der ge­ nannten Häfen endet, bis zum Ablauf von sechs Monaten seit Beendigung der Rückreise; 3) wenn er während der Reise am Lande zurückgelassen werden mußte, bis zum Ablauf von sechs Monaten seit der Weiterreise des Schiffs. Auch gebührt ihm in den beiden letzteren Fällen freie Zurückbeförderung (Artikel 517.) oder nach seiner Wahl eine entsprechende Vergütung.

Dritter Titel.

Von dem Schiffer.

Art. 523.

963

Die Heuer einschließlich aller sonst bedungenen Vortheile bezieht der nach Antritt der Reise erkrankte oder verwundete Schiffer, wenn er mit dem Schiss zurückkehrt, bis zur Beendigung der Rückreise, wenn er am Lande zurückgelassen werden mußte, bis zu dem Tage, an welchem er das Schiff verläßt. Ist der Schiffer bei Vertheidigung des Schiffs beschädigt, so hat er über­ dies auf eine angemessene, erforderlichenfalls von dem Richter zu bestimmende Belohnung Anspruch. Fehlt im Pr. Entw. I. L. Art. 465. - Prot. 3. 2015, 2034 ff., 3805 ff. Inhalt. Antrag der Beteiligten 245. Beschädigt 249. B-etheiligte 245. Genehmigung des Rheders 245. Hilfsbedürftige Seeleute 250. Konsuln 245, 246.

Schiffsoffiziere 248. Seemannsordnung 250, 256. Steuermann 247. Sturz 249. Verwundung 249.

245. „Die Bundeskonsuln sind (nach dem Ges. vom 8. November 1867 § 35) befugt, an Stelle eines gestorbenen, erkrankten oder sonst zur Führung des Schiffes untauglich gewordenen Schiffers auf den Antrag der Betheiligten einen neuen Schiffsführer einzusetzen." Vgl. ROHG. XXII. 45. Unter den antragsberechtigten Betheüigten sind nicht nur die Rheder, sondern auch die Mitglieder der Schiffsbesatzung und die Ladungsbetheiligten zu verstehen, tote Lewis im Hdbch. a. a. O. S. 96 Note 39 mit Recht annimmt. Dem Antrag ist der Tendenz des Gesetzes zufolge die nachträgliche Genehmigung des Rheders gleichzustellen, wenn der Konsul ohne Aufforderung dre Bestellung des Schiffers vorge­ nommen hat. ROHG. XX. 47. 246. Der Konsul handelt hierbei als gesetzlicher Vertreter des Rheders, woraus folgt, daß der vom Konsul eingesetzte Schiffer nicht nur überhaupt und auch nach außen hin, mithin z. B. der Schiffsmannschaft, den Befrachtern, Abladern und Empfängern, sowie den Behörden gegenüber die Stellung eines Schiffers tm Sinne des Handelsgesetzbuches einnimmt, sondern daß speziell der Rheder demselben gegenüber auch aus dem vom Konsul mit ihm etwa abgeschlossenen und der Allgemeinen Dienstinstruktion für die Konsuln zufolge abzuschließenden Dienstvertrage, insbesondere also auch in Betreff der dem Schiffer vertragsmäßig zu gewährenden Heuer rc. in gleicher Weise berechtigt und verpflichtet wird, als ob die Anstellung durch den Rheder selbst er­ folgt wäre. ROHG. XXII. 47, 48; Fuchsberger a. a. O. S. 173. 247. Bevor in der angedeuteten Weise (Bem. 245, 246) oder vom Schiffer selbst (Art. 483) Vorsorge.getroffen werden konnte oder mußte, hat der Steuermann — unter meh­ reren der Rangälteste — in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter des Schiffers den Schiffsbesehl zu übernehmen (s. oben Bem. 162, 163) und ist demgemäß mit den Befugnissen und der Vollmacht eines Kapitäns ausgestattet, bis in anderer Weise für die Führung des Schiffes gesorgt ist. Vgl. ROHG. XXII. 49. 248. Uebernimmt die Führung des Schiffes ein anderer Schiffsoffizier, so würden dessen rechtliche Handlungen dem Rheder gegenüber nur als negotiorum gestio verbindliche Kraft er­ langen können. Vgl. Lewis a. a. O. S. 96 Note 37; Prot. S. 3830f. 249. Unter „beschädigt" im letzten Absätze des Art. 523 sind die in Folge großer An­ strengung bei der Vertheidigung des Schiffes zugezogenen Erkrankungsfälle nicht mit einbegriffen; andererseits umfaßt dieser Ausdruck nicht bloß die Verwundung, als eine durch Einwirkung Anderer entstandene Körperverletzung, sondern jede bei Vertheidigung des Schiffes, z. B. durch einen Sturz, herbeigeführte körperliche Beschädigung. S. Prot. S. 3807. 250. Zu Art. 523: Seemannsordn. § 68 (f. Art. 525 mit Anm.). Vgl. auch RG. betr. die Verpflichtung der Kauffahrteischiffe zur Mitnahme hülfsbedürftiger Seeleute, vom 27. Dezember 1872.

964

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 524—526.

Artikel 524. Stirbt der Schiffer nach Antritt des Dienstes, so hat der Rheder die bis zum Todestage verdiente Heuer einschließlich aller sonst bedungenen Vortheile zu entrichten; ist der Tod nach Antritt der Reise erfolgt, so hat der Rheder auch die Beerdigungskosten zu tragen. Wird der Schiffer bei Vertheidigung des Schiffs gelobtet, so hat der Rheder überdies eine angemessene, erforderlichenfalls von dem Richter zu be­ stimmende Belohnung zu zahlen. Fehlt im Pr. Entw. I. L. Art. *66. - Prot. S. 2031 ff., 3807, 3896.

Artikel 525. Auf die in den Artikeln 523. und 524. bezeichneten Forderungen findet die Vorschrift des Artikel 453. ‘) gleichfalls Anwendung. Fehl« Im Pr. Entw. I. L. Art. 465 alle dem Verfrachter wegen seiner Forderungen das Znrückbehaltungs- und Pfandrecht an den Gütern nach Maaßgabe der Artikel 624. 625. 626., sowie das im Artikel 616. bezeichnete Recht zn. Pr. Entw. «. s. w. wie bei Art. 628. Inhalt.

169. Die Verpflichnmg des Schiffers, die vom Empfänger nicht abgenommenen Güter betn Befrachter gegen Zahlung der Fracht herauszugeben, tritt bann nicht ein, wenn der Schiffer eilt Konnossement gezeichnet hatte und der Befrachter dasselbe nicht in Händen hat. NG. XV. 26. 170. Das ADHGB. rechtfertigt die Auffassung nicht, daß der Verfrachter in allen Fällen sich aus der Ladung zu befriedigen gesucht haben müsse, bevor er den Befrachter für die Fracht re. in Anspruch nehmen könne. — Wenn der Empfänger die Güter nicht abnimmt, ist — wegen Mangels eines Schuldners am Bestimmungsorte — überhaupt nicht im Gesetz von einem Rück­ griff an den Befrachter und von einem Erholen an ihm die Rede, sondern haftet Letzterer als der Gegenkontrahent dem Schiffer unbedingt. OLG. Hamburg vom 7. Juli 1885 s. Seufsert's Archiv 1886 S. 61 ff. und H. O. Lehmann ra Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 284. 171. Der Befrachter haftet nicht, wenn der Destinatär wegen Leckage in Gemäßheit des Art. 617 von seinem Abandonrecht Gebrauch gemacht hat. Lewis, Seerccht Bd. I S. 332. Ueber das Zurückbehaltungs- und Pfandrecht im Konkurse s. § 41 Ziff. 8 der Konk -Ordn.

Artikel 630. Der Frachtvertrag tritt außer Kraft, ohne daß ein Theil zur Entschädigung des anderen verpflichtet ist, wenn vor Antritt der Reise durch einen Zufall 1) das Schiff verloren geht, insbesondere wenn es verunglückt, wenn es als reparaturunfähig oder reparaturunwürdig kondemnirt (Artikel 444.) und in dem letzteren Falle ohne Verzug öffentlich ver­ kauft wird, wenn es geraubt wird, wenn cs aufgebracht oder angehalten und für gute Prise erklärt wird; oder 2) die im Frachtvertrag« nicht blos nach Art oder Gattung, sondern speziell bezeichneten Güter verloren gehen; oder 3) die, wenn auch nicht im Frachtverträge speziell bezeichneten Güter verloren gehen, nachdem dieselben bereits au Bord gebracht oder Behufs Einladung in das Schiff an der Landungsstelle von dem Schiffer übernommen worden sind. Hat aber in dem unter Ziffer 3. bezeichneten Falle der Verlust der Güter noch innerhalb der Wartezeit (Artikel 580.) sich zugetragen, so tritt der Vertrag nicht außer Kraft, sofern der Befrachter ohne Verzug sich bereit erklärt, statt der verloren gegangenen andere Güter (Artikel 563.) zu liefern, und mit der Lieferung noch innerhalb der Wartezeit beginnt. Er hat die Abladung der anderen Güter binnen kürzester Frist zu vollenden, die etwaigen Mehrkosten dieser

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Fünftes Buch.

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Art. 630.

Abladung zu tragen und, insoweit durch dieselbe die Wartezeit überschritten wird, den dem Befrachter daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Pr. (glitte. Art. 512. I. L. Art. 561. - Prot. S. 2366 ff., 3947 ff., 3963 ff., 3997. Anh altung 177, s. auch Art. 517 Sem. 236. Aufbringun g 177. Auflösung des Vertrags 173 Blokade 179, s. auch Sem. 236 zu Art. 517. Dauer 180. Embargo 179, s. auch Art. 517. Ersatzgüter 175. Prise/gute 177.

Inhalt. Rücktritt 178. Seeraub 176. Substituierung 175. Nebern ahme 174. Unerheblichkeit 180. Unmöglichkeit 172. Untergang 172, 174. Verschiedene Fälle 172.

172. Das HGB. unterscheidet zwei Fälle der Unmöglichkeit der Transportausführung mit verschiedenen Wirkungen:*) 1. den Fall, in welchem in Folge zufälliger Ereignisse eine faktische Unmöglichkeit, den Frachtvertrag überhaupt auszuführen, eintritt und der Frachtvertrag ipso jure seine Kraft ver­ liert (Art. 630) und 2. den Fall, in welchem die Ausführung des Transportes nicht absolut unmöglich, wohl aber gefährlich ist; cs gehören hierher die Fälle, wo durch Rechtsvorschrift (Sätze des öffentlichen Rechts oder des Völkerrechts) die Unmöglichkeit, den Frachtvertrag zur Zeit auszuführen, ver­ ursacht ist (Art. 631). Hier haben die Kontrahenten nur ein Rücktrittsrecht ohne Verpflichtung zu einer Entschädigungsleistung. Im ersteren Falle macht sich die Auflösung natürlich nur für die Zukunft geltend; bereits begründete Ansprüche, wie etwa die des Verfrachters auf Liegegeld, werden davon nicht berührt. Prot. S. 3965. 173. Art. 630—642 beziehen sich auf den Fall der Charterung eines Schiffes im Ganzen; auf andere Fälle der Befrachtung nur nach Maßgabe des Art. 643. — Ueber das Rechtsverhältniß nach Ausstellung eines Konnossements m den Fällen der Art. 630—643 s. Art. 661-663. Art. 630 führt nur einzelne Fälle der Auflösung des Frachtvertrages an; allein es greifen für die nicht ausdrücklich genannten Fälle die allgemeinen Grundsätze über Rechtsanalogie Platz (Prot. S. 2391); es sind die Wirkungen bei jedem Falle zufälligen Verlustes dieselben, so z. B. wenn das Schiff durch Zwangskauf der Staatsgewalt dem Rheder entzogen und zu Kriegszwecken bestimmt wird. 174. Dem Fall der Spezialisierung der Güter (Ziff. 2 des Art. 630) steht der der generellen Bezeichnung derselben (Art. 630 Ziff. 3) gleich, nur müssen im letzteren Falle die generell bezeichneten Güter bereits an Bord gebracht oder von dem Schiffer behufs Einladung an der Ladungsstelle (Prot. S. 2371) übernommen worden sein. (Ueber die Wirkungen des Zufalls beim Seefrachtverträge auf die Rechte und Pflichten der Kontrahenten s. RG. XIV. 36 ff.) Unter dieser Uebernahme ist die civilrechtliche Besitzergreifung zu verstehen; das bloße Verbringen zur Ladungsstelle und dortige Vorweisen an den Schiffer genügt also nicht (Prot. S. 3952). 175. Die in Abs. 3 für die Fälle unter Ziff. 3 getroffene Bestimmung setzt den Verlust sämmtlicher (Prot. S. 3951) Güter voraus; es darf aber durch den Transport der anderen substituierten Ladung die Lage des Verfrachters nicht erschwert werden. Die Erklärung des Befrachters, ob er vom Substitutionsrechte Gebrauch machen wolle,, hat deshalb schleunig zu erfolgen, weil außerdem der Verfrachter Gefahr laufen würde, seinen Anspruch auf Liegegeld beanstandet zu sehen, wenn er bis zum Ablauf der Lade- und Ueberliegezeit ge­ wartet hat und der Befrachter demnächst erst seinen Rücktritt vom Vertrage erklärt, oder wegen Vertragsbruches in Anspruch genommen zu werden, wenn er früher abgeht und der Befrachter eine andere Ladung liefern wollte. S. Prot. S. 3964. *) Lewis im Hdbch. Bd. IV.

1.

§ 41 S. 212

ff.

176. Ueber den Seeraub s. Gareis in v. Holtzendorfs's Hdbch. des Völkerrechts Bd. II S. 571 ff.; s. auch oben Bem. 5ä zu Art. 432. 177. Ueber die völkerrechtlichen Hemmungsfälle, Aufbringung, Anhaltung, gute Prise, s. Gefsken in v. Holtzendorfs's Hdbch. des Völkerrechts Bd. IV S. 581 ff., 719 ff., 781 ff.; Garels, Institutionen des Völkerrechts, 1888 S. 208, 209, 219—221. Prisenrecht s. oben Bem. 5e zu Art. 432.

Artikel 631. Jeder Theil ist befugt, von dem Vertrage zurückzutreten, ohne zur Ent­ schädigung verpflichtet zu sein: 1) wenn vor Antritt der Reise das Schiff mit Embargo belegt oder zum landesherrlichen Dienst oder zum Dienst einer fremden Macht in Beschlag genommen, der Handel mit dem Bestimmungsort untersagt, der Abladungs- oder Bestimmungshafen blokirt, die Ausfuhr der nach dem Frachtverträge zu verschiffenden Güter aus dem Abladungshafen oder die Einfuhr derselben in den Bestimmungs­ hafen verboten. durch eine andere Verfügung von hoher Hand das Schiff am Auslaufen oder die Reise oder die Versendung der nach dem Frachtverträge zu liefernden Güter verhindert wird. In allen vorstehenden Fällen berechtigt jedoch die Verfügung von hoher Hand nur dann zum Rücktritt, wenn das eingetretene Hinderniß nicht voraus­ sichtlich von nur unerheblicher Dauer ist2) wenn vor Antritt der Reise ein Krieg ausbricht, in Folge dessen das Schiff oder die nach dem Frachtverträge zu verschiffenden Güter oder beide nicht mehr als frei betrachtet werden können und der Gefahr der Aufbringung ausgesetzt würden. Die Ausübung der im Artikel 563. dem Befrachter beigelegten Befugniß ist in den Fällen der vorstehenden Bestimmungen nicht ausgeschlossen. Pr. Entw. Art. 512. I. L. Art. E62. - Prot. ®. 3965 ff., 3992 ff. Inhalt. Blokade 179, s. auch Art. 517 Bem. 236. Dauer 180. Embargo 179, s. auch Art. 517. RücktrittSbefugnitz 178.

Unerheblichkeit 180. Unfreiheit, unbegründete 182. Verfügung von hoher Hand 179> 181, 196. Zo llmaßregeln 181.

178. Ueber diese Fälle nach Antritt der Reise s. Art. 636, über Anlaufen eines Nothtz äse ns in diesen Fällen f. Art. 637, 641. Ueber theilweise Fahrtverhinderung u. dgl. siehe Art. 638. Anwendung der Art. 630—643 auf Theilcharterung und Stückgüterverfrach­ tung s. Art. 643, insbes. Ziff. 1. 179. Verfügungen von hoher Hand: Embargo f. v. Bulmerincq in v. Holtzendorfs's Hdbch. des Völkerrechts Bd. IV S. 98ff. und Gareis, Institutionen des'Völkerrechts, 1888 S. 189, 190, 192. Angarien s. v. Bulmerincq a. a. O. Bd. IV S. 98ff. und Gareis a. ü. O. S. 217. Blokade s. v. Bulmerincq a. a. O. Bd. IV S. 116ff.; Geffken a. a. O. Bd. IV S. 738ff.; Gareis a. a. O. S. 220, 221. S. auch Bem. 196. 180. Ob das eingetretene Hinderniß nicht voraussichtlich von nur unerheblicher Dauer

1036

Fünftes Buch.

Vom.Seehandel.

Art. 631. 632.

ist, ist vom Richter nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Natur und des Zweckes des konkreten Vertrages zu beurtheilen. Er hat hierbei zu untersuchen, ob durch die temporäre Ver­ hinderung eine solche Veränderung der Umstände herbeigeführt wird, daß dadurch der Zweck des einen Kontrahenten vereitelt wird. Die Dauer eines und desselben Ereignisses kann in einem Falle für erheblich, in einem anderen für unerheblich erachtet werden. S. Lewis im Hdbch. S. 214. 181. Die, wenn auch sachlich ungerechtfertigte Verhinderung des Auslaufens eines Schisses durch Zoll- oder andere Staatsbehörden (wegen Nichtentrichtung von Zöllen, • Abgaben u. dgl., welche nach Ansicht der bctheiligten Kaufleute zu Unrecht gefordert werden) ist keine unter Art. 631 des HGB. fallende „Verfügung von hoher Hand", denn es ist möglich, durch vorläufige Befriedi­ gung der behördlichen Forderung die Segelerlaubniß zu erhalten. OLH. Hamburg vom 19. Febr. 1886, Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 54ff., H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 284. S. jedoch unten Bem. 196. 182. Im Falle der Ziff. 2 des Art. 631 wird nicht unbedingt vorausgesetzt, daß die Unfrei­ heit von Schiff oder Gütern wirklich im Recht begründet ist, es genügt vielmehr, daß eine solche von den Befehlshabern der feindlichen Schiffe nach summarischer Prüfung der Sache angenommen werden konnte. Vgl. ROHG. VII. 174; Lewis a. a. O.

Artikel 632. Wenn nach Antritt der Reise das Schiff durch einen Zufall verloren geht (Artikel 630. Ziff. 1.), so endet der Frachtvertrag. Jedoch hat der Befrachter, soweit Güter geborgen oder gerettet fiitb, die Fracht im Verhältniß der zurück­ gelegten zur ganzen Reise zu zahlen (Distanzfracht). Die Distanzfracht ist nur soweit zu zahlen, als der gerettete Werth der Güter reicht. Pr. Entw. Art. 513. I. £. Art. 563. - Prot. S. 2394 s?., 3968 ff., 3997.

Inhalt. Bergung 185. Distanzfracht 183 ff. Statutenkollision 183. Theilfracht 183 ff.

Totaloer ln st 184. Verschulden 186. Wiedergewinnung 185.

183. Ueber die Frage der Distanzfracht*) entscheidet das Recht des Ortes des Ver­ tragsabschlusses. RG. XIII. 122. 184. Bei eingetretenem Totalverlust der Ladung ist gar keine Distanzfracht zu zahlen. RG. XIII. 122 ff. 185. Zum Begriff der Bergung gehört, daß die Güter der Verfügung der Schiffsbesatzung entzogen waren; die durch die Bergung wiedergewonnenen Güter können aber noch Verkaufswerth haben, durch welchen die Fracht ganz oder theilweise gedeckt werden kann; sie sind daher nicht verloren im Sinne des Art. 618 oder 635. RG. XIII. 122 ff. 186. Wenn das Schiff durch Verschulden der Kontrahenten zu Grunde geht, so kann kein Theil vom andern mehr die Ausführung des Transportes verlangen, allein der Vertrag wirkt insoweit fort, als der Anspruch auf Ersatz des Interesses, bezw. auf Zahlung der vollen Fracht bestehen bleibt. Prot. S. 3969.

*) Ueber Distanz- oder Theilfrachr s. Lewis, Seerecht I. S. 353 (ältere Rechte und Literatur ebenda) und im Hdbch. Bd. IV. 1. S. 216 ff.; Cosack, HR. S. 350, 351; Gareis, HR. S. 497, 783. Vgl. auch Art. 394.

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Art. 633. 634.

1037

Artikel 633. Bei Berechnung der Distanzfracht kommt in Anschlag nicht allein das Ver­ hältniß der bereits zurückgelegten zu der noch zurückzulegenden Entfernung, son­ dern auch das Verhältniß des Aufwandes an Kosten und Zeit, der Gefahren und Mühen, welche durchschnittlich mit dem vollendeten Theile der Reise ver­ bunden sind, zu denen des nicht vollendeten Theiles. Können sich die Parteien über den Betrag der Distanzfracht nicht einigen, so entscheidet darüber der Richter nach billigem Ermessen. $«W im Pr. Entw. I. L. Art. 564. - Prot. e. 2399 ff., 3976. Inhalt.

Distanzfracht 183ff.

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UeberfahrtSvertrag f. Art. 671.

Artikel 634. Die Auflösung des Frachtvertrages ändert nichts in den Verpflichtungen des Schiffers, bei Abwesenheit der Betheiligten auch nach dem Verluste des Schiffs für das Beste der Ladung zu sorgen (Artikel 504. bis 506.). Der Schiffer ist demzufolge berechtigt und verpflichtet, und zwar im Falle der Dringlich­ keit auch ohne vorherige Anfrage, je nachdem es den Umständen entspricht, ent­ weder die Ladung für Rechnung der Betheiligten mittelst eines anderen Schiffs nach dem Bestimmungshafen befördern zu lassen, oder die Auflagerung oder den Verkauf derselben zu bewirken und im Falle der Weiterbeförderung oder Auf­ lagerung, behufs Beschaffung der hierzu, sowie zur Erhaltung der Ladung nöthigen Mittel, einen Theil davon zu verkaufen, oder im Falle der Weiter­ beförderung die Ladung ganz oder zum Theil zu verbodmen. Der Schiffer ist jedoch nicht verpflichtet, die Ladung auszuantworten oder zur Weiterbeförderung einem anderen Schiffer zu übergeben, bevor die Distanz­ fracht nebst den sonstigen Forderungen des Verfrachters (Artikel 615.) und die auf der Ladung haftenden Beiträge zur großen Haverei, Bergungs- und Hülfskosten und Bodmereigelder bezahlt oder sichergestellt sind. Auch für die Erfüllung der nach dem ersten Absatz dieses Artikels dem Schiffer obliegenden Pflichten haftet der Rheder mit dem Schiffe, soweit etwas davon gerettet ist, und mit der Fracht. Fehlt tat Pr. Entw. I. 8. Art. 563 «bs. 3. - Prot. @. 2394 ff., 3971 ff., 4306 ff.

Auslagenersatz 189. Bergungsgelder f. Art. 742ff. Bodmereigelder f. Art. 680. Ende der Sorge 187. Gesetzliche Pflichten 187, 188, 189.

Anhalt. Haftung deS Rheders s. Art. 452ff. Haverei, große s. Art. 702 ff. Kostenersatz 189. Unentgeltlichkeit 188.

187. Die dem Schiffer im Art. 634 aufgelegte Verbindlichkeit endet, sobald die Ladung einen Vertreter gefunden hat; es geht dies aus den Worten hervor: „bei Abwesenheit der Be­ iheiligten". ROHG. XV. 66. 188. Im Art. 634 ist keineswegs ausgesprochen, daß der Schiffer für die unter den hier vorallsgesetzten Umständen der Ladung gebrachten Opfer an Geld, Zeit und Mühewaltungen ohne

Vergütung bleiben solle (ROHG. XV. 66) j1) eine Unentgeltlichkeit der hier in Rede stehenden Dienste des Schiffers war auch gar nicht beabsichtigt. Prot. S. 2394 f., 3971 f. 189. Was gemäß Art. 634 der Schiffer im Interesse der Ladung thut, geschieht nicht zum Vollzüge des einmal erloschenen Frachtvertrages, sondern nur zur Erfüllung seiner hier in Abs. 1 erwähnten gesetzlichen Verpflichtungen; die Folge hiervon ist, daß der Schiffer kein Recht auf Entrichtung der vollen Fracht, sondern nur auf Ersatz seiner Auslagen hat und daß dem­ gemäß, wenn der Weitertransport mehr als die Fracht beträgt, der Schaden den Befrachter trifft, während, wenn der Schiffer eine günstigere Transportgelegenheit gefunden hat, dem Befrachter aber auch der hierdurch erwachsene Vortheil gebührt. S. Prot. S. 2394.

Artikel 635. Gehen nach Antritt der Reise die Güter durch einen Zufall verloren, so endet der Frachtvertrag, ohne daß ein Theil zur Entschädigung des anderen ver­ pflichtet ist; insbesondere ist die Fracht weder ganz noch theilweise zu zahlen, insofern nicht im Gesetze das Gegentheil bestimmt ist (Artikel 619.). Feh« in den Entw. - Pro«. @. 3976.

Artikel 636. Ereignet sich nach dem Antritt der Reise einer der im Artikel 631. er­ wähnten Zufälle, so ist jeder Theil befugt, von dem Vertrage zurückzutreten, ohne zur Entschädigung verpflichtet zu sein. Ist jedoch einer der im Artikel 631. unter Ziffer 1. bezeichneten Zufälle eingetreten, so muß, bevor der Rücktritt stattfindet, auf die Beseitigung des Hindernisses drei oder fünf Monate gewartet werden, je nachdem das Schiff in einem Europäischen oder in einem nichtcuropäischen Hafen sich befindet. Die Frist wird, wenn der Schiffer das Hinderniß während des Aufenthalts in einem Hafen erfährt, von dem Tage der erhaltenen Kunde, anderenfalls von dem Tage an berechnet, an welchem der Schiffer, nachdem er davon in Kennt­ niß gesetzt worden ist, mit dem Schiffe zuerst einen Hafen erreicht. Die Ausladung des Schiffs erfolgt, in Ermangelung einer anderweitigen Vereinbarung, in dem Hafen, in welchem es zur Zeit der Erklärung des Rück­ tritts sich befindet. Für den zurückgelegten Theil der Reise ist der Befrachter Distanzfracht (Artikel 632. 633.) zu zahlen verpflichtet. Ist das Schiff in Folge des Hindernisses in den Abgangshafen oder in einen anderen Hafen zurückgekehrt, so wird bei Berechnung der Distanzfracht der dem Bestimmungshafen nächste Punkt, welchen das Schiff erreicht hat, Behufs Feststellung der zurückgelegten Entfernung zum Anhalt genommen. Der Schiffer ist auch in den Fällen dieses Artikels verpflichtet, vor und 9 Ein Urtheil des OLG. Hamburg vom 12. Juli 1887 (Hans. Ger.-Ztg. 1887 S. 250; H. O. Lehmann m Goldschnndt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 284) nimmt jedoch an, der Schiffer könne für die Erfüllung' der gesetzlichen Pflicht, nach Schifssverlust für die Ladung zu sorgen, keine besondere Vergütung verlangen.

Fünfter Titel.

Bon dem Frachtgeschäft znr Beförderung von Gütern.

Art. 636. 637.

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nach der Auflösung des Frachtvertrages für das Beste der Ladung nach Maaß­ gabe der Artikel 504. bis 506. und 634. zu sorgen. Pr.

Art. 514. I. L. Art. 565. - Prot. «. 2401 ff., 2411, 3976 ff., 3983 ff.

Dauer 190. Distanzfracht 183 ff. Stückgüter vertrag 204. Theilchartcrung 205.

Umkehr auf hoher See 191. Wartefrrst 190. Zurückführung 191.

190. Auch wenn es von Anfang an klar sein sollte, daß die Verhinderung eine längere Zeit dauern werde, so muß dennoch die hier in Abs. 2 bestimmte Frist abgewartet werden. Prot. S. 2407. 191. Der Schiffer erhält in den Fällen dieses Artikels nur die Distanzfracht, bei deren Bemessung aber der entfernteste Punkt entscheidend sein soll, den der Schiffer unter ordnungs­ mäßiger Ausführung der Reise erreicht hat, selbst wenn dieser Ort nach Längen- und Breiten­ graden deshalb berechnet werden muß, weil der Schiffer auf offener See umgekehrt und in den Abgangshafen zurückgekehrt ist. Es kann nämlich für die Distanzfracht nicht blos die Erwägung maßgebend sein, wieviel der Schiffer dem Befrachter durch die theilweise Ausführung des Trans­ portes genützt hat, sondern es müssen hauptsächlich seine eigenen Opfer berücksichtigt werden, in­ dem er andernfalls bei der Zurückführung der Ladung in den Abgangshafen oder bei Löschung derselben an einem Orte, an welchem die Waare weniger als im Abgangshafen werth ist, gar nichts bekommen könnte. Prot. S. 2412, 3978. Lewis im Hdbch. a. a. O. S. 216 ff.

Artikel 637. Muß das Schiff, nachdem es die Ladung eingenommen hat, vor Antritt der Reise in dem Abladungshafen oder nach Antritt derselben in einem Zwischen­ oder Nothhafen in Folge eines der im Artikel 631. erwähnten Ereignisse liegen bleiben, so werden die Kosten des Aufenthalts, auch wenn die Erfordernisse der großen Haverei nicht vorliegen, über Schiff, Fracht und Ladung nach den Grund­ sätzen der großen Haverei vertheilt, gleichviel, ob demnächst der Vertrag auf­ gehoben oder vollständig erfüllt wird. Zu den Kosten des Aufenthalts werden alle in dem zweiten Absatz des Artikels 708. Ziffer 4. aufgeführten Kosten ge­ zählt, diejenigen des Ein- und Auslaufens jedoch nur dann, wenn wegen des Hindernisses ein Nothhafen angelaufen ist. Fehlt im Pr. Entw. 1. L. Art. 566. - Prot. S. 2408 ff., 2438 ff., 2674 ff., 2694, 3979. Inhalt.

BeitragSp flicht 192. Interessengemeinschaft 193.

| Kriegserklärung 193. | Zeitpunkt der Hinderung 193.

192. Bei Stückgüter- und Partialbefrachtungen haben die sämmtlichen Güter beizutragen; es werden die Kosten des Aufenthaltes nicht nur auf die etwa durch den Zufall betroffenen Güter, sondern auch auf den nicht betroffenen Theil der Ladung mitvertheilt. Prot. S. 2438—2441. 193. Nach Vollendung der Abladung ist eine Gemeinschaft zwischen Schiff und Ladung eingetreten. *) Die Folge hiervon ist die gemeinsame Tragung des Zufalls, hier also der Auf­ enthaltskosten. Vor Vollendung der Abladung, wo es also an der Gemeinschaft zwischen Schiff und Ladung fehlte, hat jeder Theil den ihn treffenden Schaden zu tragen. Es ist jedoch nicht nothwendig, daß das, das Liegenbleiben verursachende Ereigniß (z. B. Kriegserklärung) erst nach *) Interessengemeinschaft der Ladungsinteressenten s. oben Bern. 219 zu Art. 504 und Bern. 5 zu Art. 702.

1040

Fünftes Buch. Vom Seehandel.

Art. 637—639.

Vollendung der Abladung dem Schiffer bekannt geworden ist; es findet -vielmehr die Repartierung der Kosten auch dann statt, wenn der Schiffer, obwohl ihm das Ereigniß bekannt geworden, mit dem Einnehmen der Ladung fortfährt, nach Vollendung der Abladung aber um des Ereignisses willen liegen geblieben ist. Dies ergiebt sich mit Nothwendigkeit aus dem Wortlaute des Gesetzes: „muß das Schiff, nachdem es die Ladung eingenommen hat re. rc-, liegen bleiben". Auf den Zeitpunkt des Eintrittes des hindernden oder gefährdenden Ereignisses kommt es nicht an, sondern nur darauf, wann dasselbe seine Wirkung äußert. S. hierüber NOHG. VII. 170—174; auch Lewis im Hdbch. a. a. O. S. 220. Der Zusatz, welcher bei Berathung des HGB. betreffs der „Zeit vor Vollendung der Abladung" abgelehnt wurde (Prot. S. 2408—2411), hatte eine ganz andere Bedeutung, und steht diese Ablehnung nicht im Widerspruch mit Obigem. Er wollte näm­ lich die erwähnte Vertheilung der Liegekosten auch für den Fall eintreten lassen, daß die begonnene Abladung durch eines jener, im Art. 631 genannten Hindernisse unterbrochen, gestoppt würde, das Schiff also, ohne die Abladung zu beendigen, liegen bliebe; nur dieser Zusatz wurde abgelehnt.

Artikel 638. Wird nur ein Theil der Ladung vor Antritt der Reise durch einen Zufall betroffen, welcher, hätte er die ganze Ladung betroffen, nach den Artikeln 630. und 631. den Vertrag aufgelöst oder die Parteien zum Rücktritt berechtigt haben würde, so ist der Befrachter nur befugt, entweder statt der vertragsmäßigen andere Güter abzuladen, sofern durch deren Beförderung die Lage des Ver­ frachters nicht erschwert wird (Artikel 563.), oder von dem Vertrage unter der Verpflichtung zurückzutreten, die Hälfte der bedungenen Fracht und die sonstigen Forderungen des Verfrachters zu berichtigen (Artikel 581. und 582.). Bei Aus­ übung dieser Rechte ist der Befrachter jedoch nicht an die sonst einzuhaltende Zeit gebilnden. Er hat sich aber ohne Verzug zu erklären, von welchem der beiden Rechte er Gebrauch machen wolle und, wenn er die Abladung anderer Güter wählt, dieselben binnen kürzester Frist zu bewirken, auch die etwaigen Mehrkosten dieser Abladung zu tragen und, insoweit durch sie die Wartezeit überschritten wird, den dem Verfrachter daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Macht er von keinem der beiden Rechte Gebrauch, so muß er auch für den durch den Zufall betroffenen Theil der Ladung die volle Fracht entrichten. Den durch Krieg, Ein- und Ausfuhrverbot oder eine andere Verfügung von hoher Hand unfrei gewordenen Theil der Ladung ist er jedenfalls ans dem Schiffe herauszunehmen verbunden. Tritt der Zufall nach Antritt der Reise ein, so muß der Befrachter für den dadurch betroffenen Theil der Ladung die volle Fracht auch dann entrichten, wenn der Schiffer diesen Theil in einem anderen als dem Bestimmungshafen zu löschen sich genöthigt gefunden und hierauf mit oder ohne Aufenthalt die Reise fortgesetzt hat. Durch diesen Artikel werden die Bestimmungen der Artikel 618. und 619. nicht berührt. Fehlt im Pr. E„tw. 1. L. Art. 567. - Prot. 3. -4U«., 2467«., 3979«.

Artikel 639. Abgesehen von den Fällen der Artikel 631. bis 638. hat ein Aufenthalt, welchen die Reise vor oder nach ihrem Antritt dnrch Naturereignisse oder andere

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Art. 639. 640.

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Zufälle erleidet, auf die Rechte und Pflichten der Parteien keinen Einfluß, es sei denn, daß der erkennbare Zweck des Vertrages durch einen solchen Aufenthalt vereitelt würde. Der Befrachter ist jedoch befugt, während jedes durch einen Zufall entstandenen, voraussichtlich längeren Aufenthalts die bereits in das Schiff geladenen Güter auf seine Gefahr und Kosten gegen Sicherheitsleistung für die rechtzeitige Wiedereinladung auszuladen. Unterläßt er die Wiedereinladung, so hat er die volle Fracht zu zahlen. In jedem Falle muß er den Schaden er­ setzen, welcher ans der von ihm veranlaßten Wiederausladung entsteht. Gründet sich der Aufenthalt in einer Verfügung von hoher Hand, so ist für die Dauer derselben keine Fracht zu bezahlen, wenn diese zeitweise bedungen war (Artikel 623.). Pr. Enttv. Art. 516. 1. 8. Art. 568. - Prot. @. 2422 ff., 3979, 3985 ff., 4067 ff.

Inhal«. Arrest 196 Einstweilige Löschung Rücktritt 195.

194.

Verfügung von hoher Hand Zweck des Vertrags 197.

177, 179, 181, 196.

194. Bei diesem Rechte der einstweiligen Löschung, welches im Falle des Art. 643 nur mit Zustimmung der Mitbefrachter ausgeübt werden kann, ist es nicht wesentlich, daß der Zufall sich zu einer Zeit ereignete, wo der Frachtkontrakt bereits in der Ausführung begriffen war, d. h. nachdem der Schiffer die Anzeige von der Ladebereitschaft gemacht hatte oder, falls das Schiff erst eine Zureise in Ballast nach dem Abladehafen zu machen hatte, diese Zureise bereits angetreten war. Vgl. Entsch. des O.-App.-Ger. zu Lübeck vom 22. September 1868 in Kierulfs's Sammt. Bd. IV S. 588 f.; Lewis im Hdbch. a. a. O. S. 221. 195. Nimmt der Befrachter, anstatt die Wiederherstellung des Schiffes abzuwarten, seine Güter zurück, so hat er nicht nur die Fracht, sondern auch die übrigen in Art. 615 und 616 des HGB. erwähnten Forderungen zu berichtigen. RG. XIV. 37, 39. 196. Zu „Verfügungen von hoher Hand" (s. Bem. 179) gehört auch der Fall eines unverschuldeten Privatarrestes über das Schiff. Prot. S. 3987. S. jedoch oben Bem. 181. 197. Unter Vereitelung des Vertragszweckes ist natürlich nicht der allgemeine Zweck jedes Frachtvertrages zu verstehen, d. h. für den Befrachter der Zweck, nach einem bestimmten Orte Waaren transportieren zu lassen, für den Verfrachter, die Fracht zu verdienen, sondern der spezielle Zweck, welcher neben dem allgemeinen die eine oder die andere Partei ersichtlich zur Eingehung gerade des in Rede stehenden Vertrages mit seinen besonderen Bestimmungen veranlaßt hat. Daß ein solcher Zweck im Frachtverträge ausdrücklich hervorgehoben, ist nicht erforderlich; es genügt, wenn er sich mit Nothwendigkeit aus dem Inhalte desselben ergiebt. Ueber die recht­ lichen Folgen, welche der Aufenthalt in einem solchen Falle hat, bestimmt das Gesetz nichts; es ist dies also nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts zu entscheiden. (Prot. S. 4067.) Lewis im Hdbch. S. 222, 223; auch Entsch. des O.-App.-Ger. zu Lübeck vom 22. Scpt. 1868 in Kierulfs's Samml. Bd. IV S. 591.

Artikel 640. Muß das Schiff während der Reise ausgebessert werden, so hat der Be­ frachter die Wahl, ob er die ganze Ladung an dem Orte, wo das Schiff sich befindet, gegen Berichtigung der vollen Fracht und der übrigen Forderungen des Verfrachters (Artikel 615.) und gegen Berichtigung oder Sicherstellung der im Artikel 616. bezeichneten Forderungen zurücknehmen, oder die WiederherFuchsbcrgcr und Gareiö, ADLGB.

66

1042

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 640—642.

stellung abwarten will. Im letzteren Falle ist für die Dauer der Ausbesserung keine Fracht zu bezahlen, wenn diese zeitweise bedungen war. Pr. «bitte. Art. 515. I. 8. Art. 569. - Prot. @. 2426 ff., 2434, 3979.

Inhalt. Aufenthalt 198. Ausbesserung deS Schiffes 198. Beschränkung des Art. 640 s. Art. 643.

Nothhafen 198. Zustand der Waare 198.

198. Es besteht kein Rechtsgrund, welcher den Schiffer, der wegen eines Unfalles, von welchem das Schiff betroffen ist, einen Nothhafen hat anlaufen müssen, schlechthin verpflichten könnte, Liber die Zeit des hierdurch veranlaßten Aufenthaltes hmaus mit der Fortsetzung der Reise zu warten, bis auch die nachtheiligen Folgen des Weitertransportes, welche für die Ladung odereinzelne Bestandtheile derselben herbeigeführt werden, wegen deren der Schiffer den Nothhafen nicht angelaufen hat und anzulaufen nicht verpflichtet war, beseitigt sind. Der Grund, einen Aufenthalt der Reise eintreten zu lassen, kann allerdings auch auf einem zunächst die Ladung betreffenden Zufalle beruhen, z. B. wenn Ladungsbestandtheile durch erneu Blitzstrahl oder durch Selbstentzündung in Brand gerathen sind und dieser, die ganze Ladung und auch das Schiff gefährdende Brand sich nur durch Hilfeleistung vom Land und durch das Löschen der Ladung bewältigen läßt. Wenn im Falle einer nothwendigen Ausbesserung des Schiffes der Befrachter seinerseits, sofern er nicht zur Zurücknahme der Güter gegen Zahlung der vollen Fracht bereit und befugt ist, sich den hierdurch verursachten Aufenthalt gefallen lassen muß, so findet dies seine Erklärung und Rechtfertigung darin, daß diese Ausbesserung auch im muthmaßlichen Interesse des Befrachters geschieht, da durch dieselbe die Ausführbarkeit des Frachtvertrages bedingt wird, was sich im umgekehrten Falle der Beseitigung eines beschädigten Zustandes von Gütern an sich nicht so verhält, da die Ausführung des Frachtvertrages auch bei Beschädigung der Güter möglich bleibt. RG. XIV. 34 ff., 42, 44.

Artikel 641. Wird der Frachtvertrag in Gemäßheit der Artikel 630. bis 636. auf­ gelöst, so werden die Kosten der Ausladung aus dem Schiffe von dem Ver­ frachter, die übrigen Löschuugskosten von dem Befrachter getragen. Hat der Zufall jedoch nur die Ladung betroffen, so fallen die sämmtlichen Kosten der Löschung dem Befrachter zur Last. Dasselbe gilt, wenn im Falle des Artikel 638. ein Theil der Ladung gelöscht wird. Mußte in einem solchen Falle Behufs der Löschung ein Hafen angelaufen werden, so hat der Befrachter auch die Hafen­ kosten zu tragen. Pr. @#tte. Art. 512 Abs. 2 «. 3. I. 8. Ars. 570. - Pro«.

2429 ff., 3979 ff.

Inhalt. Nothhafen 198.

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Zureise 199, 202.

Artikel 642. Die Artikel 630. bis 641. kommen auch zur Anwendung, wenn das Schiff zur Einnahme der Ladung eine Zureise in Ballast nach dem Abladungshafen zu machen hat. Die Reise gilt aber in einem solchen Falle erst dann als an­ getreten, wenn sie aus dem Abladungshafen angetreten wird. Wird der Ver­ trag, nachdem das Schiff den Abladungshafen erreicht hat, aber vor Antritt der Reise aus dem letzteren aufgelöst, so erhält der Befrachter für die Zureise eine

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Art. 642.

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nach den Grundsätzen der Distanzfracht (Artikel 633.) zn bemessende Ent­ schädigung. In anderen Fällen einer zusammengesetzten Reise sind die obigen Artikel insoweit anwendbar, als Natur und Inhalt des Vertrages nicht entgegenstehen. Fehlt im Pr. Entw. I. S. Art. 571. - Prot. @. 2430 ff., 3930.

Inhalt. „aber vor Antritt" 201. Aus- und Heimfahrt 202. Ballast reise 199. Bedungene Zureise 199. Entschädigung 200.

Hamburger Recht 203. out and hörne 202. Zureise 199 ff. Zusammengesetzte Reise 202.

199. Dem Sinne nach hat der Art. 642 eine „bedungene" leere Zureise im Auge resp. den Fall, wo das Schiff die Zureise in Ballast machen „sollte" (Prot. S. 2430 ff.), und auch dem Wortlaute nach ist der Anspruch auf Entschädigung für die Zureise davon abhängig gemacht, daß das Schiff die Zureise in Ballast „zu machen hat", nicht macht. — Nur wenn der Verfrachter durch den Frachtvertrag die Verpflichtung übernommen hat, das Schiff in Ballast nach dem Ab­ ladungshafen gehen zu lassen, ist ein solcher Anspruch desselben auf Entschädigung für die Ballast­ reise begründet, nicht aber, wenn es in das Belieben des Verfrachters gestellt war, das Schiff entweder direkt in Ballast oder mit Ladung zum Besten des Schiffes für einen auf dem Wege belegenen Hafen nach dem Abladungshasen segeln zu lassen, sollte selbst die Wahrscheinlichkeit, für die zu machende Zureise Fracht zu finden, eine sehr geringe gewesen sein. Nur im ersteren Falle nämlich kann man sagen, daß die Zurcise lediglich im Interesse des Befrachters ausgeführt wird. ROHG. XXIII. 24, 25. 200. Der Verfrachter hat im Falle des Art. 642 Anspruch auf eine nach den Grund­ sätzen der Distanzfracht zu bemessende Entschädigung: nicht auf Distanzfracht. Die für den An­ spruch auf letztere geltende Bedingung, daß Güter gerettet sein müssen, greift daher bei dem An­ spruch auf die in Rede stehende Entschädigung nicht Platz. Die im Anfang des Art. 642 citier­ ten Art. 630—641 beziehen sich, wie Lewis im Hdbch. S. 217 Anm. 24 richtig bemerkt, gar­ nicht auf den dritten Satz des Art. 642, sondern nur aus die beiden ersten. 201. Die Worte „aber vor Antritt aus dem letzteren" beruhen nur auf einer ungenauen Redaktion und haben nicht den Sinn, daß der Anspruch des Verfrachters auf Entschädigung für die Zureise durch den Antritt der Reise aus dem Abladungshafen wiederum erlösche. Es ergiebt sich auch aus den Prot. S. 2431 ff., daß btefc Worte nur den Sinn haben sollen: „obgleich noch vor Antritt der Reise"; dem Verfrachter ist für den Fall, daß er den Abladungshafen bereits erreicht hat, die Zureise also beendigt ist, eine angemessene Entschädigung für die Zureise bei einer Auflösung des Vertrages zuzuerkennen, wenn er auch den Abladungshafen noch nicht wieder verlassen hat. ROHG. III. 262ff.; vgl. auch XXIII. 23f. 202. Für zusammengesetzte Reisen, bei denen nicht blos eine Zureise in Ballast nach dem Abladehafen m Frage kommt, ist der Abs. 2 des Art. 642 maßgebend. Im Falle einer Be­ frachtung für Aus- und Rückreise (out and hörne) unter der Bestimmung, daß der Schiffer die für die Rückladung ihm zu zahlende Frachtvergütung für die gesammte Frachtleistung empfangen solle, kann nicht etwa Unentgeltlichkeit der Ausreise-Frachtleistung angenommen werden. Ist im Fracht­ verträge die Fracht für die Ausreise und für die Rückreise getrennt, jede für sich, bedungen worden, so ist der Schiffer im Falle des Eintritts der Bestimmung des Art. 632 berechtigt, für die Aus­ reise den vollen Betrag der Fracht, für die Rückreise aber einen nach Maßgabe der geborgenen Güter und des zurückgelegten Theiles der Rückreise zu berechnenden Betrag der Fracht zu be­ anspruchen. Ist dagegen die Fracht für die Aus- und Rückreise im Ganzen bedungen, so ist der Schiffer ebenso unzweifelhaft berechtigt, diese Gesammtfracht in einem angemessenen Ver­ hältnisse auf die Aus- und Rückreise zu vertheilen, den auf die erstere entfallenden Antheil zum Vollen zu beanspruchen und von dem aus die Rückreise entfallenden für die geborgenen Güter

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1044

Fünftes Buch.

Vom Scchandel.

Art. 642—644.

nach Verhältniß des zurückgelegten Theiles der Rückreise Distanzfracht zu fordern. Ist nämlich auch in einem Frachtverträge dieses Inhaltes gesagt, daß die Gcsammtsracht erst nach Ablieferung der Rückladung in ihrem Bestimmungsorte zu zahlen ist, so schließt doch eine solche Stipu­ lation den Frachtanspruch für die Ausreise nicht ans, denn solche, die Frachtzahlung von der Ab­ lieferung der Ladung abhängig machende Stipulationen haben nur den ganz gewöhnlichen Fall vor Augen, daß der Transport in der bedungenen Weise auch zur Ausführung kommen wird, während es in der Regel an Bestimmungen darüber fehlt, wie der Frachtansprnch sich gestaltet, falls jene Voraussetzung nicht eintritt. ROHG. III. 255ff.; vgl. Kierulss, Sammt, der Entsch. des O.-App.-Ger. zu Lübeck Bd. III S.' 317, 318. 203. In Hamburg besteht der, auch in den Allgem. Sccvcrsicherungsbedingungcn (§ 21) zum .Ausdruck gelangte Gebrauch, bei einer für Aus- und Heimreise gemeinsam stipulicrtcn Fracht ein Drittel der Gesammtfracht auf die Ausreise und zwei Drittel auf die Heimreise zu rechnen, wenn eine solche Vertheilung auf Aus- und Rückreise sich als nothwendig ergicbt; vgl. Entsch. des ROHG. III. 265.

Artikel 643. Wenn der Vertrag nicht auf das Schiff im Ganzen, sondern nur auf einen verhältnißmäßigen Theil oder einen bestimmt bezeichneten Raum des Schiffs oder auf Stückgüter sich bezieht, so gelten die Artikel 630. bis 642. mit folgenden Abweichungen: 1) In den Fällen der Artikel 631. und 636. ist jeder Theil sogleich nach Ein­ tritt des Hindernisses und ohne Rücksicht auf die Dauer desselben von dem Vertrage zurückzutreten befugt. 2) Im Falle des Artikels 638. kann von dem Befrachter das Recht, von dem. Vertrage zurückzutreten, nicht ausgeübt werden. 3) Im Falle des Artikels 639. steht dem Befrachter das Recht der einstweiligen Löschung Nur dann zu, wenn die übrigen Befrachter ihre Genehmigung er­ theilen. 4) Im Falle des Artikels 640. kann der Befrachter die Güter gegen Entrichtung der vollen Fracht und der übrigen Forderungen nur dann zurücknehmen, wenn während der Ausbesserung die Löschung dieser Güter ohnehin er­ folgt ist. Die Vorschriften der Artikel 588. und 590. werden hierdurch nicht berührt. Fehlt iw Pr. E»tw. 1. L. Art. 572. — Prot. 3. 2435 ff., 3980, 3994, 3998.

Inhalt. Locatio conductio 204. Partialcharterung 205.

| Quotencharterung 205. | Stückladung 204.

204. Ein Frachtvertrag, welcher eine Stückladung zum Gegenstand hat, ist als eine locatio conductio operis aufzufassen und löst sich also auf, sobald die Ausführung des bedungenen Transportes unmöglich geworden ist. Prot. S. 2435. 205. Die Frachtverträge über verhältnißmäßige Theile oder bestimmte Räume des Schiffes halten die Mitte zwischen den Totalverfrachtungen und den Stückgüterbefrachtungen. Prot. S. 2441 ff.

Artikel 644. Nach Beendigung jeder einzelnen Abladung hat der Schiffer dem Ablader ohne Verzug gegen Rückgabe des etwa bei der Annahme der Güter ertheilten

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Art. 644.

1045

vorläufigen Empfangsscheins ein Konnossement in so vielen Exemplaren auszu­ stellen, als der Ablader verlangt. Alle Exemplare des Konnossements müssen von gleichem Inhalt sein, dasselbe Datum haben und ausdrücken, wie viele Exemplare ausgestellt sind. Dem Schiffer ist auf sein Verlangen von dem Ablader eine mit der Unter­ schrift des letzteren versehene Abschrift des Konnossements zu ertheilen. Pr. E„tw. Art. 483. I. L. Art. 522. — Prot. S. 2193 ff., 2231, 4003. Anhalt.

Ablader l, 210. Abladung 210.

Abschriften 212. Agenten 213.

Anzahl von Exemplaren 211. Auslieferungspflicht 214, 223 ff., 234 ff. Aussteller 213. Binnenverkehr 215.

Datierung des Konnossements 210. Destinatnrrechte 206. Duplikate dcö Konnossements 211, 212. Durchfahrtskonnossement 207, 208, 215. Durchgehendes Konnossement 207, 208, 216. Emp sangscheine 209. Englisches Recht, englische Sprache 208. Formalobligation 206, 217, 224, 239, 268. ^ormulare 208. rachtvertrag 214, 239. Gewahrsam 206. Jnterimsquittung 209. Konnossement 206ff. — Arten dess. 207, 221. — Etymologie 206. — Formulare 208. — Geschichtliches 206. - Inhalt 217 ff. — Klauseln 207, 210, 220, 239, 244, 253.

g

Konnossement, Mehrheit 211, 212, 227. Kopien 212. Ladeschein 216. LadungSbuch 209. — -manifest 209.

Leichte rladung 210. Manifest 209. Namenkon nosscment 207, 221, 222. Orderkonnossement 207, 219, 221, 222, 224, 229, 268. poliza de carico 206. Receipt 209. „received for shipment“ 210. Rdc6piss6 209. r.eceptum 214, 239, 254, 255. Recief 209.

Revers des Abladers 210. Rheder 213 „shipped“ 210. Spediteur 215. Stellvertreter 213.

through bill of lading s. durchgehendes K. Unrichtige Datierung 210. Unterschrift 213. BertragSverhältniß 214, 239. Waarenpapier 206.

Zeit der Ausstattung 210.

206. Das Konnossement*) (etymologisch wohl von dem italienischen conoscere ab­ zuleiten, conoscemento, Anerkenntniß) ist das Waarenpapier des Seehandels, die Dispositions­ urkunde über das schwimmende Gut, das Empfangsbekenntniß des Schiffers (oder seines Ver­ treters)^) über die verladene Waare (Bill of Lading) und das Versprechen desselben, sie nach An­ kunft des Schiffes am Bestimmungsorte dem Empfänger gegen Zahlung der Fracht ausliefern zu wollen; es dient zur Befriedigung des namentlich im Seeverkehr geltend gewordenen Bedürfnisses nach Herstellung der Cirkulationsfähigkeit des Gutes während des Transportes und hat, aus-

*) Literatur über das Recht der Konnossemente und der Konnossementsklauseln insbesondere: Goldschmidt, Hdbch. des HR. I. 2 (erste Aufl.) §§ 70-74 (S. 650—732); Derselbe in seiner Zeitschr. Bd. III S. 58ff., 331 ff.; Schmidt-Scharff, Das Waarenpapier beim See- und Binnentronsport (Frankfurt a. M. 1887), vgl. hierzu Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXV S. 317; Schlodtmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXI S. 384ff.; Lewis in Endemann's Hdbch. Bd. IV. 1. §§ 35—38 (S. 164—198) und die dort angegeb. Lit.; Co sack, Lehrb. des HR. § 50 S. 330 ff., 342 ff.; I F. Voigt (jun.): Ueber Klauseln bei Konnossementen. Die Eisklauseln; I. F. Voigt u. H. G. Heineken, Neues Archiv für HR. Bd, III S. 83—91 und in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXIX S. 432; W. Lewis, Die neuen Konnossemcntsklauseln und die Stellung der Gesetzgebung denselben gegenüber (Leipzig 1885). Hierüber (W. Lewis und I. Fr. Voigt zustimmend): Max Pappenheim in Goldschmidt's Zeitschrift Bd. XXXI S. 557; I. F. Voigt jun.: Ueber Klauseln bei Konnossementen: „Inhalt, Gewicht, Maaß und Stückzahl unbekannt." „Frei von Bruch, von Leckage, von Beschädigung", Neues Archiv für HR. Bd. I S. 487-499. Die Löschungsklauseln: ebenda Bd. II S. 368-379; I. F. Voigt jun.: Ueber nicht vom Schiffer selbst, sondern Namens des Schiffers gezeichnete Konnossemente, Neues Archiv für HR. Bd. II S. 460—467. — Vgl. hierzu oben S. 987 Bem. 3, wo gegenüber der von „Association for the Beform and Codification of the Law of Nations“ vorgeschlagenen „Model Bill of Lading“ (Conference-Form) Stellung genommen ist. 2) S. unten Bem. 213.

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Art. 644.

gehend von der Funktion *) einer Waarcnquittung und zugleich eines Auslieferungsverpflichtungs­ scheines/) die zur Befriedigung dieses Bedürfnisses erforderliche Qualität eines Waaren-Werthpapiers mittels zweier Hauptregeln gewonnen: a) der legitimierte Konnossementsinhaber hat ein selbständiges, d. h. von den Verfügungen des Absenders (Befrachters) und von dem zwischen Absender und Schiffer geschlossenen Vertrage unabhängiges Forderungsrecht auf Ailslieferung des Frachtgutes nach Maßgabe des Konnossements. Letzteres hat sonach die Eigenschaft eines formalen*2)3 Auslieferungsversprechens an den Destinatär. b) die Jnnehabung des Konnossements seitens des legitimierten Destinatärs hat die näm­ liche rechtliche Bedeutung, wie die Jnnehabung des Frachtgutes selbst. (Hiervon Art. 649.) S. hierüber Goldschmidt, HR. §§ 70—74 S. 650—732 und Lewis in Endemann's Hdbch. IV. §§ 35—38 S. 164—198 und die dort angegeb. Lit.; Motive zum preuß. Entw. S. 263. Es steht dies im Zusammenhange mit seiner Eigenschaft als Empfangsbekenntniß des Schiffers. (ROHG. XVII. 70—77.) 207. Es können verschiedene Arten von Konnossementen unterschieden werden: 1. Namenkonnossementeb) und Orderkonnossemente. Die höchste Bedeutung erlangt das Konnossement als Cirkulationsvehikel des Frachtgutes mittels der Anorderstellung, s. oben Art. 302 Bem. 175, 179 S. 639, Bem. 184 S. 640, Bern. 186 S. 641, wodurch dem Konnossementsinhaber die Möglichkeit zur Uebertragung seiner dinglichen und obligatorischen Rechte am Frachtgut durch Indossament verschafft ist. 2. Reine Konnossemente (s. Co sack a. a. O. S. 342) und verklausulierte Konnosse­ mente, das sind Konnossemente, m denen die Haftung des Verfrachters durch verschiedene, meist usancemäßig zu interpretierende Klauseln abgeschwächt oder beschränkt ist. (Hiervon s. unten, auch Bem. 3 zu Art. 557 oben S. 987.) Konnossementsklauseln s. Bem. 220 und Art. 653—660. 3. Einfache und „durchgehende Konnossemente" (Durchfahrtskonnossemente); letz­ tere (sog. Through Bills of Lading) beziehen sich auf Transporte desselben Guts durch mehrere aufeinanderfolgende Transportüberuehmer, von denen der erste, der Aussteller des „durchgehenden Konnossements", nur für einen Theil des Reiseweges als Verfrachter, für die weiteren Theile nur als Spediteur zu haften hat. Vgl. unten Bem. 216. 208. Formulare von Konnossementen s. E. Friedberg, Formelbuch (Leipzig 1890) S. 307—311: Deutsche Konnossemente (Hamburger, mit dem Konnossement der Afrikanischen

*) Beides — Empfangsbekenntniß und Auslieferungsversprechen — erscheint bereits bei dem ersten geschichtlichen Auftreten solcher vom Schiffer nach der Abladung ausgestellten Scheine (literae onerariae) vereinigt; denn diese hießen theils pulize (XIII. Jahrh., von pollicitum, Versprechen, wovon der heutige italienische Ausdruck: polize di carico und der südfranzösische: polices de cargaison oder polices de chargement, wie sie schon die ordonnance de la marine neben connoissements nennt, abstammt), theils conoscimienti (spanisch: Anerkenntniß, s. Ordonnanzen von Burgos und Bilbao; französisch: cognoissements, recognoissances); aus dem Spanischen gelangte die Bezeichnung der literae onerariae als cognoissementi in das Holländische — cognoscement — und von hier aus in das Deutsche (mittels Hanseatenrecht) als Konnossement; s. Goldschmidt, HR. §70 Anm. 1 S. 652—654. Die Entwickelung bei* literae onerariae aus dem Ladungsverzeichniß (cartularium), welches der als Notar fungierende Schiffsschreiber herstellte und wovon der Ablader eine beglaubigte Abschrift erhielt, s. bei Goldschmidt m semcr Zeitschr. Bd. III S. 340 ff. und in seinem HR. § 70 Anm. 5—16. 2) Der Satz Lewis': „Das Konnossement begründet keine Formalobligation" (Endemann's Hdbch. Bd. IV. 1. S. 173), steht im Widerspruch mit Lewis eigenen, unmittelbar auf diese Stelle folgenden, richtigen Ausführungen (S. 173—184); daß das Konnossement ausgestellt wird auf Grund und aus Veranlassung eines materiellen Vertrags, schließt den formalen Charakter der Berechtigung und Verpflichtung nicht aus, welche aus seiner Begebung fließen; auch individuali­ sierte Werthpapiere können cirkulationsfähig gemacht werden und selbst börsengängige Effekten sind auf Grund materieller Verträge emittiert. H. Brunner in Endemann's Hdbch. Bd. II §§ 192, 194; Garcis, HR. § 76 und die dort angegeb. Lit. 3) Hiervon s. Bem. 221, 222.

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Dampfschiffahrts-Aktien-Gesellschaft, Wörmann-Linie S. 308); S. 312—316: Hamburger Durch­ fahrts-Konnossement (Through Bill ofLading) tu englischer Sprache; S. 316: Bremer Konnosse­ ment mit Beziehung auf eine Charte-Partie (englisch); S. 317—321: Konnossement des Oesterreichisch-Ungarischen Lloyd (deutsch und englisch); S. 322—325: Französische Konnossemente. Cosack a. a. O. S. 331—3.32: Konnossement des Norddeutschen Lloyd (englisch). Auch die im Ostseeverkehr gebräuchlichen Konnossemente sind zum Theil in englischer Sprache. Die Anwendung der englischen Sprache zwingt jedoch keineswegs ohne Weiteres zur Anwendung des Rechts in der Auslegung solcher Konnossemente. RG. Bd. XI S. 104.

englischen

209. ladung

Da die Ausstellung eines Konnossements erst nach Beendigung jeder einzelnen Ab­ erfolgen kann, hat sich die Ausstellung eines vorläufigen Empfangsscheines (Empfang­

oder Ladeschein, recepisse, receive, Recief, receipt genannt) eingebürgert, der sofort bet der An­ nahme der Güter ertheilt wird und nichts Anderes ist, als ein „Auszug der wesentlichen Nottzen aus dem Ladebuch, einem Verzeichnisse aller einzelnen verladenen Güter unter Angabe der Namen des Absenders, des Empfängers, der Verpackung, der Signatur rc." Die Bedeutung eines solchen reciefs ist heutzutage — anders früher, s. v. Kaltenborn, Seerecht I. S. 284, 285; Mako wer, Komm. S. 666 Anm. 146 c — nur die einer Jnterimsquittung, welche in Vertretung des Schiffers der Steuermann oder Supercargo, welcher die Ab­ ladung annimmt/) auszustellen pflegt. S. Lewis im Hdbch. S. 166 Anm. 8. Formulare siehe E Friedberg, Formelbuch (Leipzig 1890) S. 305: deutsches und englisches; S. 306: franzö­ sisches Recepisse; S. 307: Revers bei vorgängig ausgestelltem Konnossement (Hamburg).

210. Die Ausstellung des Konnossements hat nach vollendeter Abladung und zwar bei der Befrachtung eines bestimmten Raumes oder Quotentheiles emes Schiffes (m diesen Fällen kann die Ausstellung einer Chartepartie — Art. 558 — vorangegangen sein, s. oben Bem. 5 S. 988), sowie beim Stückgütervertrage nach jeder einzelnen Abladung und nicht erst nach voll­ ständiger Befrachtung des ganzen Schiffes zu erfolgen.

Prot. S. 2193.*2)

') Der Steuermann oder ein anderer dafür bestellter Schiffsoffizier führt eine Rolle über die an Bord genommenen Frachtgüter (Ladungsbuch); em anderes gewissermaßen als Kontrolle dieser Rolle dienendes Ladungsbuch stellt der Schiffer, der Schiffsmäkler oder der Schiffs­ korrespondent auf Grund der Konnossemente zusammen; dieses heißt Ladungsmanifest („Mani­ fest") und wird hauptsächlich bei der Verzollung und den Konsulatsmeldungen benutzt;' siehe Goldschmidt, HR. § 70 Anm. 6 S. 656. S. auch Art. 710. (In entern anderen Sinne wird das Wort „Manifest" auch für das vom Schiffsmäkler über den Abschluß des Frachtvertrags ausgestellte Mäklerattest gebraucht; s. Goldschmidt ebenda.) Das Formular emes Ladungsmanifestes, ausgestellt von einem Schiffsmakler, s. E. Fried berg a. cn O. S. 326. Ueber Schiffspapiere s. oben zu Art. 480 Bem. 156. 2) Die Abladung wird sonach regelmäßig als vollzogene Thatsache bei der Ausstellung des Konnossements vorausgesetzt und kann daher als solche durch das Konnossement bewiesen werden. In dieser Beziehung ist jedoch der Sprachgebrauch zu beachten: Bei emem Konnossement, in welchem die Güter als „shipped“ (verladen) in einem be­ stimmten Schiffe bezeichnet sind, verdient es also keine Beachtung, wenn sich i.n den Klauseln die Bestimmung findet, daß, wenn durch unvorhergesehene Umstände die Unterbringung m diesem Schiffe verhindert werden sollte, die Rheder berechtigt.seien, die Güter mit emem anderen Schiffe zu befördern. Anders verhält es sich aber, wenn am Abladeorte ein Sprack)gebrauch herrscht, nach welchem der Ausdruck „shipped“ (verladen) Nichts anderes bedeutet, als „received for Shippment“ (zum Verladen erhalten), und dies dem Konnossementinhaber beim Erwerbe des Kon­ nossements bekannt war. Würde derselbe dem Konnossement einen anderen Inhalt zu Grunde legen wollen, so würde er wider die Verpflichtung zu Treu und Glauben bandeln. RG. XX. 57—61. — Die Thatsache der Verladung vorausgesetzt, ist aber das Zeitdatum der Konnossemente deshalb nicht selten von großer Wichtigkeit, weil über abzuladende oder schon oerfdpffte Waaren häufig unter Aufnahme des Verladungs- oder Abgangstermines, als eines wesentlichen Zeitpunktes, in die Kontraktsstipulationen Kaufgeschäfte geschlossen werden, indem das in das Konnossement eingesetzte Datum, aus welchem wieder Mit einiger Wahrscheinlichkeit auf den Moment des Ein­ treffens im Bestimmungshafen zu schließen ist, für den Willen des Käufers, sich auf das Kauf­ geschäft überhaupt einzulassen, wie auch für die Normierung des Kaufpreises bestimmend sein kann. Eine in dieser Beziehung unrichtige Konnossementsdatierung enthält sonach eme

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Sie findet regelmäßig aber nicht früher statt, da sonst das Konnossement, in welchem der Schiffer die Güter empfangen zu haben, d. h. sie an Bord seines Schiffes zu haben bekennt, eine Unwahrheit enthalten würde. Hat die Unterzeichnung des Konnossements stattgefunden, bevor die Güter an Bord geliefert wurden, so läßt sich der Schiffer oder Rheder vom Ablader einm Revers geben, inhaltlich dessen die Ansprüche des Konnossementsinhabers befristet sind, bis die richtige Ablieferung an Bord stattgefunden hat; mit letzterer wird der Revers nichtig. Siehe E. Friedberg a. a. O. S. 307. Ist von dem Schiffer das Konnossement schon zur Zeit gezeichnet worden, als die Güter nur in Leichtern zu seiner Disposition gebracht worden waren, so kann er sich nicht auf eine ihn zur vorzeitigen Zeichnung des Konnossements verpflichtende Usance berufen. S. Jurisprudence du port d’Anvers von 1864 Bd. I S. 347; ROHG. XXV. 196 ff., 200; vgl. Hamburger H.G -Ztg. von 1877 Nr. 195, 215; auch NG. XX. 56. 211. Eine Vorschrift über die Anzahl der auszustellenden Konnossementsexemplare besteht nicht (Prot. S. 4003, 4004), nur kann, wenn die mit Angabe der Anzahl versehenen vom Schiffer ab­ geliefert sind, eine Nachforderung nicht mehr stattfinden. Goldschmidt, HR. Bd. 1. 2 S. 676 Anm. 29. Sämmtliche Exemplare müssen den gleichen Inhalt, wenn auch nicht gerade denselben Wortlaut haben; sie können also auch in verschiedenen Sprachen ausgestellt sein; dagegen müssen sie dasselbe Datum haben und die Zahl der ausgestellten Exemplare angeben. Lewis in Endemann's Hdbch. Bd. IV S. 176; Prot. S. 4004, 4005. 212. Verschieden von den mehreren als Originale zu behandelnden (s. Art. 647 ff.), wenngleich dieselbe Obligation tragenden Exemplaren (— analog den Wechselduplikaten, s. ADWO. Art. 66—69 —) ist die in Abs. 3 des Art. 644 vorgesehene Abschrift des Konnossements (— analog den Wechselkopien, s. ADWO. Art. 70—72 —); über den Zweck der Kopien s. Prot. S. 2194-2196; Motive S. 264. 213. Die Worte: „der Schiffer hat — auszustellen" in Art. 644 bedeuten nicht, daß der Schiffer in Person die Ausstellung zu besorgen habe; vielmehr kann sowohl der Rheder selbst, als auch jede andere von ihm dazu ermächtigte Person, also auch ein hierzu beauftragter Agent, ein wirksames Konnossement ausstellen. Es steht dies, wenngleich der Schiffer als gesetzlicher Ver­ treter des Rheders der regelmäßige Aussteller der Konnossemente ist, mit der thatsächlichen Uebung wie mit den Gesetzen in Einklang. Prot. S. 2194 und 2211 ff.; Lewis, Seerecht Bd. I S. 371 und in Endemann's Hdbch. Bd. IV S. 167 ff.; RG. XX. 55 und II. 129, sowie die dort citierte Literatur und ROHG. XIV. 336—338 und die hier Citierten; OLG. Hamburg vom 13. Jull 1887, Hans. Ger.-Ztg. 1887 S. 277ff. und H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 284. Unerheblich ist die Konnossementsklausel: „the Master of Purser has signed“; ROHG. XIV. 336 ff. und Voigt's Neues Arch. für HR. Bd. II S. 105, 107 f., 117, 124; auch RG. II. 128 f. 214. Durch Ausstellung und Aushändigung des Konnossements wird ein selbständiges vertragsmäßiges Verhältniß zwischen dem Verfrachter und dem Destinatär begründet (vgl. RG, XI. 103, 104); mit Aushändigung der Urkunde an den Ablader hört somit jede damit in Wider­ spruch stehende Verfügung des Schiffers über die Ladung auf. S. Lewis a. a. O. S. 171. Ueber die Einwirkung der Konnossementsbegebung auf die Pflicht, das Gut herauszugeben, siehe RG. XV. 25, XX. 53. 215. Ueber die Frage, ob die vom Konnossement des Seeschiffers geltenden Grundsätze auf die Ladescheine des Binnenverkehrs Anwendung leiden, s. oben Bem. 124 zu Art. 413, S. 848, Verletzung der dem Schiffer obliegenden Sorgfalt und verpflichtet ihn, sowie nach Art. 451 auch den Rheder, zum Ersätze des hierdurch dem Konnossementserwerber zugefügten Schadens, ohne daß eine bezügliche Lokalgewohnheit des Abladungsplatzes ihn von dieser Haftung befreit. S. ROHG. XXIV. 194 f., XXV. 196 ff.; RG. II. 128 f., III. 102 f. Vgl. auch RG. XX. 56. In dieser Beziehung ist überhaupt das Recht des Bestimmungsortes und nicht das des Abladeortes entscheidend. RG. XX. 56.

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Art. 644. 645.

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ROHG. VIII. 414 und die bei dieser Entscheidung Anm. * für und wider angeführte Literatur. Für die Bejahung ist Schott in Endemann's Hdbch. Bd. III S. 422. S. auch die hier an­ geführte Literatur.

1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10)

Artikel 645. Das Konnossement enthält: den Namen des Schiffers; den Namen und die Nationalität des Schiffs; den Namen des Abladers; den Namen des Empfängers; den Abladungshafen; den Löschungshafen oder den Ort, an welchem Order über denselben ein­ zuholen ist; die Bezeichnung der abgeladenen Güter, deren Menge und Merkzeichen; die Bestimmung in Ansehung der Fracht; den Ort und den Tag der Ausstellung; die Zahl der ausgestellten Exemplare. Pr. @#tto. Mtt. 484. I. L. Art. 523. - Prot. @. 2202 ff., 2231, 4005. Inhalt.

Ablader 1, 210. Agent 213. Aussteller 210, 213, 217 Empfänger 206. Formalakt 217. Güterbezeichnung 218. Inhalt des Konnossements 217 ff. Klauseln deS Konnossements 207, 210, 220 Konnossemente 206 ff. Merkzeichen 249.

Name des Schiffers 217, auch 213. Order 207, 219, 221, 222, 229. Schiff s. Art. 432. Schiffer 213, 217. Spediteur 215. Stellvertreter 213. Trough Bill of Lading 207, 208, 216. Unterschrift 213. ahl der Exemplare 211, 227, 234 ff. eit der Ausstellung 210.

216. Eine in neuerer Zeit in Gebrauch gekommene, vom HGB. nicht besonders normierte Art von Konnossementen sind die sog. „Durchfahrts-" oder „durchgehende Konnossemente", Through Bills of Lading, s. oben Bem. 207 Zifs. 3; ihr Wesen besteht darin, daß sie, wie das OLG. Hamburg darstellt, nicht das Versprechen des Ausstellers zur eigenen Bewirkung des ganzen über­ nommenen Transportes enthalten, sondern vielmehr dahin gehen, daß der Aussteller nur bis zu einem (meist bekannten und durch seinen Geschäftsbetrieb gegebenen) Punkte die Waare bringen, dort aber sie einem bestimmten anderen Frachtführer übergeben soll. Aus einem solchen Konnosse­ mente haftet der Aussteller für den Transport (als Verfrachter) nur soweit er ihn selbst ausführt. (OLG. Hamburg vom 24. Oktober 1885, Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 6 und H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zertschr. Bd. XXXVI S. 285.) Es ist dabei der Verfrachter freier in der Wahl der Transportroute, so daß auch der Ausdruck „Intermediate port“ eine weitere Bedeutung erlangt, als in dem Falle der Beförderung emes Gutes mit demselben Schiffe bis zum Be­ stimmungsorte. NG. Bd. X S. 31. In Bezug auf den nicht selbst auszuführenden Transport haftet der Aussteller eines durch­ gehenden Konnossements, der Spediteur, in dessen gesetzlicher Definition (Art. 379) ja auch die Besorgung der Güterversendung durch Schiffer ausdrücklich erwähnt ist. S. oben S. 804 Bem. 6 zu Art. 379; Schlodtmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXI. S. 384 ff.; Lewis in Endemann's Hdbch. Bd. IV. 1 S. 184—186; Cosack, Lehrb. des HR. S. 346. Formular s. bei E. Friedberg a. a. O. S. 312ff. 217. Die Vorschrift des Art. 645 ist nicht dahin aufzufassen, daß das Konnossement ein durch die Beobachtung der daselbst vorgesehenen Form bedingter Formalakt sei; es kann vielmehr der auf die Ausstellung oder Lieferung eines Konnossements Berechtigte verlangen, daß dasselbe

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Art. 645. 646.

jenen Vorschriften gemäß ausgefertigt werde bezw. ausgefertigt fei; fehlt es jedoch in der einen oder anderen Beziehung hieran, so ist aus dem sonstigen Inhalt der Urkunde 31t entnehmen, ob sie gleichwohl vom Aussteller als Konnossement gewollt war; so kann z. B. der Name des Schiffers und die Nationalität des Schiffes (vgl. Art. 645 Ziff. 1 u. 2 HGB) in der Urkunde nicht er­ wähnt sein und doch mit Rücksicht auf den-übrigen Inhalt der Urkunde hieran kein Zweifel be­ stehen. RG. XX. 57; OLG. Hamburg vom 13. Juli 1887, Hans. Ger.-Ztg. 1887 S. 277, mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zcitschr. Bd. XXXVI S. 284. Vgl. Prot. S. 2202—2213 u. S. 4005—4007; ferner Lewis, Seerecht (2. 9IufU Bd. I S. 373, sowie Lewis in Endemann's Hdbch. Bd. IV S. 166. 218. Die Angabe der besonderen Gattung der Güter ist nicht nothwendig; sie können ganz allgemein z. B. als Kaufmannsgüter bezeichnet werden. Prot. S. 2210. 219. Ueber die Anorderstellung s. Vem. 207 Ziff. 1; vgl. auch Art. 646 u. Art. 302, 305 mit Bem. oben S. 639 ff. 220. Verklausulierte Konnossemente s. Bem. 207 Ziff. 2. Die Klauseln „Peril of Navigation excepted“ und „Freight earned, Ship lost or not lost“ und deren Bedeutung s. RG. Bd. XI S. 110. Klausel: „as far as she safely may get“ s. RG. Bd. XIV S. 115. Klausel: „or so near thereunto as she may safely get always afloat“ s. RG. Bd. XIV S. 8. Klausel: „Freight and all other Conditio ns as per Charter party“ s. ebenda S. 117. S. unten Bem. 244, 249, 251, 253, 257 — 262, 266 zu Art. 653-660.

Artikel 646. Auf Verlangen des Abladers ist das Konnossement, sofern nicht das Gegentheil vereinbart ist, an die Order des Empfängers oder lediglich an Order zu stellen. Im letzteren Falle ist unter der Order die Order des Abladers zu zu verstehen. Das Konnossement kann auch auf den Namen des Schiffers als Empfänger lauten. Pr. Etttw. Art. 484. 1. L. Art. 523 Ziff. 4. - Prot. S. 2202 ff., 2212, 4005 ff. Inhalt.

Blänkokonnossemente 221. (Schien 222. Destinatär 206. Indossierung 222.

Inhaberk 0 nn 0 ssement 221 Ot 0 m e n 10 n n 0 ff c nt c n t 207, 221. Orderk 0 nn 0 ssement 207, 219, 221, 222, 224, 229. Uebertragbarkeit 222.

221. Der deutsche Schiffahrtsverkehr kennt N amen ko nnoss cm e nie (Rectakonnossemente), d. s. solche Konnossemente, in denen der Destinatär von vornherein eine bestimmte, mit Namen bezcick)nete Person, sei es eine dritte, sei es der Ablader selbst, oder sei es der das Konnossement zeichnende Schiffer ist, und Or de rkonnosse mente, inhaltlich deren die Waare an die Order einer bestimmten Person ausgeliefert werden soll; er kennt aber weder Jnhaberkonnossemente (wo der jedesmalige Urkundeninhaber der Empfangsberechtigte wird), noch Blankokonnosse­ mente (wo der Namen des Empfängers offen gelassen ist) Vgl. hierüber ROHG. XXI. 80 bis 84 und s. Prot. S. 2008, 4005—4006. Zur Ausstellung eines Inhaber- oder Blankokonnossements kann auch der Schiffer wider seinen Willen nicht genöthigt werden. Die gesetzliche Sanktionierung von Konnossementen au porteur, wie sie das französische, englische, nordamerikanische (s. Lewis im Hdbch a. a. O. S. 169 Anm. 22) und russische Recht kennt, scheint aber als wünschenswerth bezeichnet werden zu sollen. 222. Ein an und für sich nicht negoziables Namenkonnossement ist nur durch Cession übertragbar, und ist bei emcr allenfallsigen Indossierung das Indossament nicht als solches an­ zusehen, sondern als Beweismittel für die stattgehabte Cession. Vgl. Kierulff's Sammt. Bd. I

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Art. 646—648.

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S.. 366 f; Seuffert/s Arch. Bd. XXIV Nr. 72. Dagegen schließt die Jndossabilität des Orderkonnossements die Uebertragbarkeit der aus einem solchen erworbenen Rechte vom Berech­ tigten auf enteil Anderen durch Session ohne eine Indossierung des Konnossements nicht aus. ROHG. XXV. 341. Die Uebertragung des Ordcrkonnossements kann durch Indossament, auch durch Blanko­ indossament, geschehen. S. Art. 305; vgl. DWO. Art. 11—13, 36; s. oben S. 643.

Artikel 647. Der Schiffer ist verpflichtet, im Löschungshafen dem legitimirten Inhaber auch nur eines Exemplars des Konnossements die Güter auszuliefern. Zur Empfangnahme der Güter legitimirt ist derjenige, an welchen die Güter nach dem Konnossement abgeliefert werden sollen, oder auf welchen das Konnossement, wenn es an Order lautet, durch Indossament übertragen ist. Pr. (guttu. Art. 189 Abs. 1, 190. I. S. Art. 529 Abs. 1, 530. - Prot. 6. 2132, 2237 ff., 1007. Andere Häfen 225. AuSlieferungspfltcht 214, 223, 224. gorutcilast 224. Indossament 222. Legitimationsprüfung 223.

Löschungshafen 225, 226. Mehrere Exemplare 211, 227, 234ff. Drberinboffament 219, 221, 222, 224, 229. Rhede 226 VertragSverh ältniß 224.

223. Zur Prüfung der Echtheit der Indossamente ist der Schiffer Nicht verpflichtet; ebenso­ wenig, ob die Indossierung des Konnossements behufs eigener Empfangnahme der Ladung seitens des Indossatars erfolgte oder behufs Auslieferung des Konnossements an einen anderen. ROHG. XV. 230; s. auch Lewis in Endemann's Hdbch. IV. S. 193 und die in Anm. 1 Citierten; Prot. S. 2238. Bei der Session eines Namenkonnossements muß sich der Schisser jedoch von der Gültigkeit derselben überzeugen (Prot. S. 2237 f.), wie er auch bei einem Bevollmächtigten dessen Legitimation zu prüfen hat. 224. Der Schiffer darf dem legitimierten Inhaber eines Orderkonnossementes, welcher das Konnossement vom Ablader auf Grund kontraktlicher Beziehungen erhalten hat, die Güter nicht deshalb vorenthalten, weil der Ablader auf Grund später entstandener Differenzen die Rück­ gabe des Konnossements von dem Inhaber fordern kann. RG. XIV. 6, 7. Hierin macht sich die Eigenart der durch die Konnossementsbegcbung entstandenen formalen Obligation geltend; vgl. oben Bem. 214. Vgl. Bem. 138 u. 141 zu Art. 417, auch Bcm. 77 zu Art. 405. 225. Die Ausantwortung der Güter hat im Löschungshafen an den legitimierten In­ haber eines einzigen Konnossementsexemplares zu geschehen, in einem anderen, als dem Bestimmungs­ hafen muß und darf der Schiffer aber einem Konnossementsinhaber die Güter nur gegen Rück­ gabe sämmtlicher Konnossementsexemplare ausliefern, und zwar selbst dann, wenn der Frachtvertrag in Folge eines Zufalles aufgelöst ist. lIrt. 661, 662.) 226. Für Schiffe, welche wegen ihres Tiefganges oder ihrer Dimensionen nicht im Stande sind, ohne Gefahr den in dem Bestimmungsorte selbst befindlichen Hafen zu benutzen, muß als „Löschungshafen" im Sinne des Art. 647 Abs. 1 auch die Rhede des Bestimmungsortes angesehen werden. RG. XIV. 8.

Artikel 648. Melden sich mehrere legitimirte Konnossementsinhaber, so ist der Schiffer verpflichtet, sie sämmtlich zurückzuweisen, die Güter gerichtlich oder in einer anderen sicheren Weise niederzulegen und bte Konnossementsinhaber, welche sich gemeldet haben, unter Angabe der Gründe seines Verfahrens hiervon zu be­ nachrichtigen.

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Vom Seehandel.

Art. 648. 649.

Wenn die Niederlegung nicht gerichtlich geschieht, so ist er befugt, über sein Verfahren und dessen Gründe eine öffentliche Urkunde errichten zu lassen und wegen der daraus entstehenden Kosten in gleicher Art wie wegen der Fracht sich an die Güter zu halten (Artikel 626.). Pr. «ntw. Art. 498 Abs. 4. I. 8. Art. 529 Abs. 2 ». 3. - Prot. @. 2233 ff., 4007. Anhalt. Deponierung bei Dritten 228. Konkurrenz von Konnoffernentöinhabern 227ff. — vor der Auslieferung f. Art. 651 Sem. 235. — nach der Auslieferung s. Art. 650 mit Art. 647. Konsens der Konkurrenten 228.

Meldung 227 Dessentlicfje Urkunde f. Art. 572 Bern. 50, 51. Priorität 227. Theilwerfe Auslieferung 227.

227. Art. 648 bezieht sich sowohl auf die indossablen als auf die nicht indossablen Kon­ nossemente (Prot. S. 2236,2237) und gilt nicht nur für den Fall, wenn die mehreren Konnossements­ inhaber sich gleichzeitig melden, sondern auch, wenn der Schiffer sich Einem gegenüber schon zur Ausantwortung der Güter bereit erklärt hat; ja selbst, wenn er mit der Auslieferung den Anfang gemacht, greift die Bestimmung des Abs. 1 des Art. 648 bezüglich des noch nicht ausgelieferten Theiles der Ladung Platz. Die Priorität der Meldung eines Konnossementsinhabers gewährt ihm kein Vorzugsrecht, auch wenn der Schiffer ihm erklärt hätte, daß er die Güter ihm ausliefern wolle. 228. Wenn die Konnossementsinhaber darüber einig sind, daß der Schiffer einem aus ihrer Mitte die Waare gebe, so hört die Konkurrenz, welche die Voraussetzung des Artikels bildet, wenigstens dem Schiffer gegenüber, auf, vorhanden zu sein. Dasselbe kann aber auch dann erzielt werden, wenn die Waare bei einem Dritten deponiert werden soll, indem dieser Dritte durch Uebertragung eines Exemplars des Konnossements und einen unter Vorbehalt ihrer gegenseitigen Rechte dem Schiffer gegenüber erklärten Rücktritt der Konnossementsmhaber ausschließlich zum Empfang der Waare berechtigt wird. Prot. S. 2236.

Artikel 649. Die Uebergabe des an Order lautenden Konnossements an denjenigen, welcher durch dasselbe zur Empfangnahme legitimirt wird, hat, sobald die Güter wirklich abgeladen sind, für den Erwerb der von der Uebergabe der Güter ab­ hängigen Rechte dieselben rechtlichen Wirkungen wie die Uebergabe der Güter. Pr. Entw. Art. 230 Abs. 2. F«hlt in I. 8.. - Prot. S. 2217 ff., 4015 ff.

Anhalt. Absonderungsrecht 232. Auslieferung 234 235. Auslieferungspflicht 214, 223. Dingliche Wirkungen 229ff. Eigenthumsklage 231. — -Übergang 230. Einreden 231. Genehmigung der Waare 233.

Kaufvertrag 230, 233. Konkursrecht 232 Pfandrecht 229. Rechte, dingliche 229 ff. Retentionsrecht 229. Substanziierung der Eigenthumsklage 231. Vindikation 231 Wirkungen der Uebergabe 229.

229. Art. 649 spricht nur von den Wirkungen der Uebergabe eines an Order lautenden Konnossements und nicht von nicht an Order ausgestellten Konnossementen. S. hierüber Prot. S. 4015—4020. Die Beschränkung der Bestimmung des Art. 649 auf Orderkonnossemente schließt die Möglichkeit der Anwendung desselben auf Rektakonnossemente nicht aus, RG. V. 80, ROHG. XI. 415; insbesondere kann eine solche durch Gewohnheitsrechts begründet fern; s. RG. Bd. V

*) Bedenken hiergegen s. Lewis im Hdbch. S. 187 ff. — Wir tragen übrigens kein Be­ denken, uns der von Goldschmidt, Lewis und dem Reichsgericht aufgestellten resp. adop­ tierten Konstruktion der Besitzübertragung mittels Konnossement anzuschließen.

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Art. 649.

1053

S. 80. Ja in Betreff der Begründung und Fortdauer des gesetzlichen Pfand- und Retentions­ rechtes (Art. 313, 374, 382 HGB.) ist die Gleichstellung der Uebertragung des Konnossements mit der Uebertragung der Güter ausdrücklich auch für andere Konnossemente ausgesprochen. Bremer Recht s. Lewis a. a. O. S. 192 Anm. 30; Fuchsberger a. a. O. S. 234ff. Ueber die nach deutschem Recht unter allen Waarenpapiercn nur auf das Konnossement bezügliche sachrechtliche Wirkung der Uebergabe s. Gold sch midt, HR. § 73 S. 707—724; Lewis im Hdbch. a. a. O. S. 186—193; Brunner ebenda Bd. II S. 150. 230. Welche Rechte von der Uebergabe eines an Order lautenden Konnossements abhängen, ist im Handelsgesetzbuche nicht bestunmt, es ist diese Frage vielmehr nach dem in den einzelnen Ländern geltenden Civilrechte zu beantworten. Das der Uebergabe des Konnossements zu Grunde liegende Rechtsverhältniß äußert die gleiche rechtliche Wirkung, welche es bei der unmittelbaren Uebergabe der Waare selbst gehabt haben würde. Der Konnossementsinhaber wird daher keines­ wegs schlechthin Eigenthümer der in dem Konnossemente verzeichneten Waaren mit dessen Ueber­ gabe, sondern er erwirbt bald das Eigenthum, bald den juristischen Besitze bald auch nur bloße Detention mit den daran sich knüpfenden Rechten, je nachdem er durch die unmittelbare Uebergabe der Waare das Eine oder das Andere erlangt haben würdet) Vgl. Gold sch midt, HR. Bd. I S. 700 ff. und namentlich S. 722 ff.; Th öl, HR. § 270; Lewis in Endemann's Hdbch. Bd. IV S. 190, 191; Exner, Die Lehre vom Rechtserwerb durch Tradition S. 152 ff., 185 ff.; Entsch. des RG. V. 79, XII. 83, 84; ROHG. XI. 415—417. Vgl. auch noch RG. IV. 147—149; Fuchsberger a. a. O. S. 232—236. 231. Zur Substanziierung der auf den Besitz eines indossierten Orderkonnossements ge­ stützten Vindikation ist die Behauptung und der Nachweis der Uebergabe des Konnossements ent­ behrlich, weil der Besitz eines Orderpapiers seitens des als Gläubiger Legitimierten als durch Tradition erfolgt vermuthet wird. Die Behauptung einer anderen Erwerbsart ist also Sache der Einrede. Ebenso wird, was die justa causa traditionis anlangt, bei einem Orderpapier, wenn dasselbe mit einem einfachen Indossamente, nicht etwa mit einem Prokura-Indossamente versehen, dem durch das Jndoffament Legitimierten hingegeben worden ist, der Wille der Eigenthumsübertragung präsumiert; auch hier ist es wieder Sache der Einrede, darzuthun, zu welch' anderem Zwecke die Konnossementsübergabe an den Inhaber erfolgte. Da die Angabe der justa causa traditionis seitens des Vindikanten nicht erforderlich ist, so braucht er da, wo, wie im Gebiete des gemeinen Rechtes, beim Kaufe die Preisregulierung zur Eigenthumsübertragung nothwendig ist, diese nicht zu behaupten, er kann vielmehr abwarten, ob der Gegner einredeweise die Behauptung aufstellen werde, daß das Konnosse­ ment ihm, dem Vindikanten, auf Grund eines Kaufes übergeben worden sei und er den Kaufpreis, weder bezahlt habe, noch ihm derselbe kreditiert worden sei. RG. IV. 147—149. *) „Die Frage, ob das Eigenthum der Waare schon mit der Annahme des Konnossements auf den Käufer übergehe (vorausgesetzt, daß im Nebrigen, insbesondere hinsichtlich der Zahlung, die Bedingungen des Eigenthumserwerbs vorliegen), läßt sich nicht für alle Fälle gleichmäßig ent­ scheiden. Daß die Zustellung des Konnossements seitens des Verkäufers regelmäßig in der Ab­ sicht geschieht, ein Eigenthum zu übertragen, darf ohne Weiteres angenommen werden." Es kommt also darauf an, „ob anzunehmen sei, daß auch dem Käufer bei der Annahme des Konnossements der entsprechende Wille, der animus dominii acquirendi, innewohne. Dieser Wille muß unter Umständen als ausgeschlossen gelten. Dagegen sprechen überwiegende Gründe dafür, im Zweifel den fraglichen Willen als vorhanden anzunehmen. Der Ansicht, daß erst, wenn durch einen Dis­ positionsakt über die Waare der animus dominii acquirendi unzweideutig sich dokumentiere, er als vorhanden anzunehmen, kann nicht beigepflichtet werden. Regelmäßig hat der Käufer, der das ihm zu­ gegangene Konnossement weiter veräußert, nicht die Absicht, damit erst jetzt Eigenthum zu er­ werben, vielmehr übt er einen Akt aus, der aus seinem Bewußtsein, Eigenthümer geworden zu fein, hervorgeht. Die Disposition über das Konnossement erscheint somit mcht als eine Bekundung seines gegenwärtigen, sondern als eine Bethätigung des bereits früher, beim Erwerb des Konnosse­ ments, vorhanden gewesenen Aneignungswillens. OLG. Hamburg vom 11. Juni 1885, Seuffert's Arch. Bd. 41 S. 8ff., mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 285.

1054

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 649—651.

232. Ueber das konkursrechtliche Absonderungsrccht, welches die im Art. 649 bezeichnete Uebergabe des Konnossementes zum Zwecke der Verpfändung der Waare möglicherweise begründet, s. § 14 Abs. 2 Ziff. 1 des Einf.-Ges. zur Konk.-Ordn. und § 40 der Konk.-Ordn. 233. In dem Eigenthumserwerb (mittels Erwerb des Konnossements) liegt nicht zugleich die Genehmigung der Waare. Vielmehr steht es dem Käufer auch dann, wenn er Eigenthümer geworden, frei, die bei der Ankunft der Waare selbst sich als nicht kontraktmäßig erweisende Waare aufzuschießen. OLG. Hamburg vom 11. Juni 1885, Seuffert's Arch. Bd. 41 Nr. 8, Bd. 40 Nr. 182; Hanauseck, Die Haftung des Verkäufers S. 117. Artikel 650. Sind mehrere Exemplare eines an Order lautenden Konnossements aus­ gestellt, so können von dem Inhaber des einen Exemplars die in dem vor­ stehenden Artikel bezeichneten rechtlichen Wirkungen der Uebergabe des Kon­ nossements zum Nachtheil desjenigen nicht geltend gemacht werden, welcher auf Grund eines anderen Exemplars in Gemäßheit des Artikels 647. die Aus­ lieferung der Güter von dem Schiffer erlangt hat, bevor der Anspruch auf Auslieferung von dem Inhaber des ersteren Exemplars erhoben worden ist. Fehlt in »tu E»tw. — Pro«. S. 4032 fl., 4130. Inhalt. Auslieferung 234, 235. Auslieferungspflicht 214, 223ff., 248. Konkurrenz mehrerer Konnossementsinhaber 227,

Nickitauslieferung 234, 235. Orderkonnosfement 219, 221, 222, 224, 229.

234. 235. '

234. Art. 650 bezieht sich nicht auf das Verhältniß der Konnossementsinhaber zum Ab­ sender oder zu den Massegläubigern desselben, sondern nur auf das Verhältniß der mehreren Konnossementsinhabcr unter einander für den Fall der vorangegangenen Auslieferung der Güter an Einen derselben. S. Makower, Komm., Anm. 161 zu Art. 650. Sind nämlich die Güter einem der Konnossementsinhaber bereits vom Schiffer in der dem Gesetze entsprechenden Weise, also im Bestimmungshafen ausgeliefert, bevor der Anspruch auf Aus­ lieferung vom Inhaber des früher begebenen Exemplars erhoben worden ist, so kann dieser das durch die Konnossementsübergabe auf Grund des diese veranlassenden Rechtsgeschäftes an den Gütern für ihn begründete Recht zum Nachtheil des ersteren nicht geltend machen; es ist dies ein vom Gesetz in Art. 650 lediglich aus Zweckmäßigkeitsrücksichten ausgestellter Satz. S. Prot. S. 4032—4034 u. 4130. Ueber den Fall der Nichtausliefcrung s. Art. 651. Artikel 651. Hat der Schiffer die Güter noch nicht ausgeliefert, so geht unter mehreren sich meldenden Konnossementsinhabern, wenn und soweit die von denselben auf Grund der Konnossementsübergabe an den Gütern geltend gemachten Rechte kollidiren, derjenige vor, dessen Exemplar von dem gemeinschaftlichen Vormann, welcher mehrere Konnossementsexemplare an verschiedene Personen übertragen har, zuerst der einen dieser Personen dergestalt übergeben ist, daß dieselbe zur Empfangnahme der Güter legitimirt wurde. Bei dem nach einem anderen Orte übersandten Exemplare wird die Zeit der Uebergabe durch den Zeitpunkt der Absendung bestimmt. Fehlt iti den Entw. - Prot. S. 4032 ff.

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Art. 651—653.

1055

Inhalt. Absenkung 236. Auslieferung 234. 235. AuslieferungsPflicht 214, 223ff., 248. Delilt 236.

Konkurrenz mehrerer Konnossementsinhaber vor Auslieferung s. Art. 651, nach Auslieferung f. Art. 650 mit Art. 647. Vormann, -gemeinsamer 236.

235. Bei der Konkurrenz in Kollisionssällen vor Auslieferung (für den Fall der Kon­ kurrenz in Kollisionsfällen nach Auslieferung entscheidet der Art. 650 in Verbindung mit Art. 647) ist für das Recht auf Ausantwortung der Güter der Umstand maßgebend, welches der verschiedenen Konnossementsexemplare zuerst von dem gemeinschaftlichen Vormann (dem Ablader oder Indossanten) in einer den Empfänger zur Empfangnahme der Güter legitimierenden Weise begeben ist; darauf wird gar keine Rücksicht genommen, welchem der gegenwärtigen Inhaber das betreffende Exemplar zuerst von seinem unmittelbaren Vormann begeben ist. Eine Kollision ist nicht vorhanden, wenn der Befrachter erst einen Spediteur und dann einen anderen Mandatar nnt der Empfangnahme der Güter beauftragt hat (Prot. S. 4032), weil Spediteur und Man­ datar nur eine Person vertreten, wohl aber, wenn mehrere Konnossementsinhaber Eigenthum oder Pfandrecht an den Gütern beanspruchen. Mako wer, Komm., zu Art. 651 Anm. 162. 236. Mit Rücksicht auf die Bestimmungen des Art. 321 über die Perfektion der Verträge wird bei dem nach einem anderen Orte übersandten Exemplar „die Zeit der Uebergabe durch den Zeitpunkt der Absendung bestimmt". (Prot. S. 4034.) Im Falle bei Begebung mehrerer Konnossementsexemplare an verschiedene Personen der gemeinschaftliche Vormann nicht —, oder die Uebertragung derselben als nicht von einem und demselben Vormanne ausgehend nachgewiesen wird, was nur in Folge eines Deliktes vorkommen kann, ist Keiner als Besitzer der Güter anzusehen, da das Gesetz nur den Inhaber des vom gemeinschaft­ lichen Vormann zuerst übertragenen Konnossementsexemplars als Besitzer bezeichnet, cm solcher aber im letzteren Falle nicht vorhanden ist, im ersteren sich nicht ermitteln läßt. Dieser Fall steht einer Nichtausstellung eines Konnossements ganz gleich und haben die Konnossementsinhaber ihre Rechte gegen den Ablader oder ihre resp. Vormänner geltend zu machen. Goldschmidt, HR. Bd. I. 2. S. 732; Lewis a. a. O. S. 196.

Artikel 652. Der Schiffer ist zur Ablieferung der Güter nur gegen Rückgabe eines Exemplars des Konnossements, auf welchem die Ablieferung der Güter zu be­ scheinigen ist, verpflichtet. Pr. Entw. Art. 491. I. S. Art. 531. - Prot. S. 2238 ff., 4007. Abnahme, theilweise 237. Auslieferungspflicht 214, 223ff., 248.

Inhalt. I Befrachter als Empfänger 238. | Zug um Zug 237.

237. Die Auslieferung der Waare und die Rückgabe des Konnossements hat Zug um Zug zu erfolgen. Prot. S. 2239; Makower, Komm., zu Art. 652 Anm. 163b und Lewisa. a. O. S. 193 § 38. I. Theilweise Abnahme s. LG. Hamburg vom 14. Februar 1885, Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 5; H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 286. 238. Wenn das Konnossement an Order gestellt ist, so kann auch der Befrachter, welcher nach Absicht der Betheiligten zugleich Empfänger werden sollte, die Auslieferung der Ladung nur gegen Rückgabe des ihn legitimierenden Konnossements fordern. ROHG. XV. 226; Fuchs­ berger a. a. O. S. 236.

Artikel 653. Das Konnossement ist entscheidend für die Rechtsverhältnisse zwischen dem Verfrachter und dem Empfänger der Güter; insbesondere muß die Ablieferung der Güter an den Empfänger nach Inhalt des Konnossements erfolgen.

1056

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 653.

Die in das Konnossement nicht aufgenommenen Bestimmungen des Fracht­ vertrages haben gegenüber dem Empfänger keine rechtliche Wirkung, sofern nicht auf dieselben ausdrücklich Bezug genommen ist. Wird in Ansehung der Fracht auf den Frachtvertrag verwiesen (z. B. durch die Worte: „Fracht laut Charte­ partie"), so sind hierin die Bestimmungen über Löschzeit, Ueberliegezeit und Liegezeit nicht als einbegriffen anzusehen. Für die Rechtsverhältnisse zwischen Verfrachter und Befrachter bleiben die Bestimmungen des Frachtvertrages maßgebend. Pr. En«w. Art. 486. I. £. Art. 525, 544 Abs. 1. — Prot. 3 n Allgemeine Bezugnahme auf Chartepartie 240. AuslieferungSpflickt 214, 223ff., 248 Bezugnahme, ausdrückliche 240ff. Binnenfrachtfahrt 239. Chartepartie 5, 239ff. Druckfehler 246. Einreden 242, 243. Formalobligation 206, 217, 224, 239, 268 „Fracht laut Chartepartie" 241. Frachtvertrag 214, 239, 254, 255.

Gegenbeweis

242.

Gratifikation 241

2208 ff., 2213, 2226 ff., 4007 ff. -

Inhalt des Konnossements 239, 242. Kaplaken 241. Konnossementsklauseln 207, 210, 220, 239, 244 249 ff., 253, 256—266. „Liegezeit" — „Liegegeld" 246. Ort der Zeichnung 245. Pflichten des Verfrachters 242. Primage 241. Statutenkollision 246. Vertretung des Konnossements 242, 248.

Widerspruch zw. Chartepartie und Konnossement 247.

239. Der Wille des Gesetzes geht dahin, den Umfang der gegenseitigen Rechte und Ver­ bindlichkeiten im Konnossement möglichst genau und strikt abzugrenzen und so dem Konnossement die im Verkehr so gewichtige Funktion eines negoziablen, in zahlreichen Beziehungen die Waare selbst vertretenden Werthpapieres zu sichern. Dies ließ sich nur erreichen, indem aus dem etwaigen Frachtverträge eine durchaus selbständige, lediglich auf dem skripturmäßigen Inhalt des Konnosse­ ments beruhende Obligation zwischen dem Verfrachter bezw. Schiffer und dem legitimierten Konnossementsinhaber ausgeschieden wurde; s. oben Bem. 206. Es übernimmt also durch Zeich­ nung des Konnossements der Schiffer lediglich eine formelle Verpflichtung gegen den künftigen Konnossementsinhabcr zur Leistung der Waare. (ROHG. I. 201, III. 24 f., XVII. 70 und namentlich noch RG. IV. 87 f., XX. 68.) Vermöge dieser Natur verträgt es keine anderen Vorbehalte und Verweisungen, als die ihm selber eingefügten resp. die ihm dergestalt annektierten, daß sich das Konnossement und die Einschränkung als eine Urkunde darstellt. Sollen also nach dem Willen der Paziscenten Be­ stimmungen der Chartepartie auch für den Inhalt der Konnossementsobligation maßgebend sein und soll andererseits das Konnossement nicht in ungewöhnlicher Weise überladen werden, so bleibt nur übrig, in dem Konnossement auf diejenigen Bestimmungen, welche die Chartepartie bilden sollen, ausdrücklich zu verweisen; eine stillschweigende Verweisung ist wirkungslos. Die in das Konnosse­ ment aufgenommenen Bestimmungen der Chartepartie bilden dann, neben dem etwaigen besonderen Inhalt des Konnossements, direkt, die in dem Konnossement nur in Bezug genommenen Bestandtbeile der Chartepartie indirekt Bestandtheile des Konnossements, und erscheint insoweit die Chartepartie.als das maßgebende documentum relatum. S. Prot. S. 2195—2197, 2204, 2205, 2114—2118, 2220, 2265, 2267, 2271—2275, 2290, 2338; Motive zum preuß. Entwurf S. 263, 272, 276; Goldschmidt in s. Hdbch. I. S. 666, 685—687; Pöhls, HR. III. 1. S. 461, 477 bis 479; Voigts Neues Archiv rc. I. S. 487, 497, II. 398; Fuchsberger a. a. O. S. 237 ff.; Entsch. des ROHG. I. 201, VI. 346, XVII. 70 ff. Findet eine Uebernahme der zu transportierenden Waaren seitens des Binnenfrachtführers aus Grund des vom Seeschiffer ausgestellten Konnossements statt, so macht die Vorschrift des Art. 401 den Binnenfrachtführer, welcher den vom Seeverfrachter übernommenen Transport in letzter Strecke binnen zu Ende bringt, nicht ohne Weiteres für die Erfüllung des vom See­ verfrachter gezeichneten Konnossements haftbar, sondern nur dann, wenn er in die durch das

Fünfter Titel.

Bon dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Art. 653.

1057

Konnossement begründete Lieferpflicht des Seeschiffers thatsächlich eingetreten ist und demgemäß den Transport ausgeführt, d. h. sich als Denjenigen dargestellt hat, der die Vertretung des Kon­ nossements übernommen und auf Grund desselben zu liefern hat. Nur im letzteren Falle ist die Vertretungspflicht des Binnenfrachtführers, z. B. nach Maßgabe des Art. 660, zu bemessen. ROHG. XVI. 136—139. 240 Es ist jedoch kein Unterschied gemacht, ob nur bestimmte einzelne oder alle Be­ stimmungen der Chartepartie in Bezug genommen sind; letzteres ist auch im Falle einer ausdrück­ lichen Hinweisung statthaft und maßgebend. ROHG. I. 201, 202, V. 132, 133, VI. 346, 350, VIII. 416, XII. 131, XV. 219, XVII. 70 ff., XIX. 268; NG. I. 39; Entsch. des preuß. Ob.-Trib. vom 2. Februar 1870 (Centralorg. Nr. 4 Bd. VIII S. 249) und über die Praxis der Bremer und Hamburger Gerichte: Cemralorg. N. F. Bd. IV S. 81—83; Busch's Archiv XXII. 82 ff. Wo sich Widersprüche finden zwischen der angezogenen Bestimmung der Chartepartie und dem Konnossement, resp. gesetzlichen Folgen eines solchen, muß selbstverständlich die Chartepartie zurückstehen. 241. Bei der Berathung des HGB. war man darüber einverstanden (Prot. S. 2226), daß die in einem Konnossemente enthaltenen Worte: „Fracht laut Cbartepartie" sich nicht allein auf die mit dem Namen der Fracht in der Chartepartie bezeichnete Geldprästation beziehen, son­ dern auch auf die gewöhnlichen Accessoricn derselben, wie z. B. die Kaplaken/) Primage und die dem Schiffer gebührende Gratifikation,*2) (s. oben Bem. 228 zu Art. 513, auch Art. 622), auf letztere jedoch nur bei Verfrachtungen im Ganzen oder zu einem Theile und soweit eine Repartition überhaupt denkbar ist. Mako wer, Komm., zu Art. 653 Note 165b. Für die Frachtforderung des Verfrachters gegen den Befrachter ist nur die im Fracht­ verträge, nicht aber die im Konnossemente festgesetzte Fracht maßgebend. Erk. des Bremer H.-G. vom 4. Mai 1863, des Lübecker Ob.-App.-Ger. vom 28. Januar 1865 in Kierulff's Samml. Bd. I S. 37. 242 Dem Verfrachter ist dem Empfänger gegenüber die Verpflichtung zur Vertretung des Konnossements ganz allgemein und unbeschränkt auferlegt, und das Gesetz hat denn auch in den nachfolgenden Artikeln die Konsequenzen dieses Grundsatzes gezogen. Vgl. Entsch. des NOHG.'s Bd. III S. 24 ff. und des RG.'s Bd. V S. 81 ff., sowie Lewis, Seerecht (2. Aufl.) Bd. I S. 390 ff. und in Endemann's Hdbch. Bd. IV S. 173. Ein Gegenbeweis gegen die Richtigkeit der Angaben des Konnossements ist an sich dem Verfrachter nicht gestattet. 'Doch kann der Rheder, wenn die noch auf der Werft liegenden Güter in dem Konnossemente, durch welches zugleich die Haftung für jeden Feuerschaden, mag derselbe sich aus der See oder auf der Werft rc. ereignen, abgelehnt wird, als bereits verladen bezeichnet und dann, ehe sie in das Schiff gelangen, auf der Werft durch Feuer beschädigt sind, dem aus Grund des Konnossements auf Auslieferung der Güter oder auf Ersatz des Werthes, welchen sie am Bestimmungsorte haben würden, erhobenen Ansprüche gegenüber den Einwand geltend machen, daß die Güter von dem Konnossementsinhaber gekauft und bereits für ihn ausgeschieden gewesen seien, die Gefahr der Güter mithin ihn getroffen habe und er sich mit dem Schaden des Rheders bereichern würde. RG. Bd. XX S. 62—70.

.

.

.

243 Nichtberechtigung des Schiffers, der Klage wegen Nichtübereinstimmung seiner Aus­ lieferung mit dem Wortlaut des Konnossements Einreden aus der Person des Abladers entgegen­ zusetzen. Der hierdurch gewährte Schutz wird nur im Interesse des Konnossementserwerbers als solchen ertheilt und kommt auch nicht mittelbar dem Ablader zu Gut. ROHG. II. 327 f. 244 Durch die Konnossementsktausel: „on paying freight for the said good and all

.

x) S. oben Art. 513 Bem. 228. Vgl. hierzu Lyon-Caen & Renault, Precis I. II. (1885) S. 205. no. 1910: Du chapeau du capitaine. 2) Hierzu z. B. die in altfranzösischen Rechten „vin du mar che“ und „chausses du capi­ taine“ genannten Gratifikationen und Aehnliches; s. Lyon-Caen et Renault a. a. O. S. 205 Anm. 3; Lewis in v. Holtzendorff's Rechtslexikon Bd. II S. 434. 67 ürud)8öcvßcv und QJctvciÖ, ADHGB.

1058

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 653. 654.

otber conditions as per charterparty“ soll die ganze Chartepartie zu einem Bestandtheil des Konnossements werden; s. hierüber RG. XIV. 115, 116 (auch RG. XVII. 77; hier bezüglich der Feststellung des Bestimmungshafens) und über die Klausel: „Peril of Navigation excepted“ und „Freight earned, ship lost or not lost“ NG. XI. 100 ff. Unter den Begriff: „perils of the sea“ fällt nicht die Gefahr der Beschädigung der Waare durch das gewöhnliche Bilgenwasser. OLG. Hamburg vom 11. Oktober 1886, Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 276. Klausel: „damage from other goods by sweating or otherwise“ s. OLG. Hamburg vom 5. Februar 1887, Hans. Ger.-Ztg. 1887 S. 68; Goldschmidt's Zcitschr. Bd. XXXVI S. 288. Klausel: „to be delivered from the ship’s deck, where ship’s responsability sh all cease“ s. Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 288. 245. Für die Wirksamkeit des Konnossements ist nicht das Recht des Ortes der Zeichnung, sondern dasjenige des Ortes, in welchem dasselbe geltend zu machen ist, entscheidend. ROHG. XXV. 194, 195. 246. „Liegezeit" in Abs. 2 des Art. 653 ist ein Druckfehler und soll heißen: „Liegegeld" (Art. 573). ROHG. V. 132, XV. 222, XVII. 73; Fuchsberger a. a. O. S. 244. 247. In einem Erkenntniß des ROHG. vom 9. April 1875 (Bd. XVII S. 73) ist aus­ gesprochen, daß den von der Chartepartie abweichenden Bestimmungen des jüngeren Konnossements nicht schlechthin derogierende Wirkung zukommt, vielmehr freie richterliche Prüfung eintritt.

Artikel 654. Der Verfrachter ist für die Richtigkeit der im Konnossement enthaltenen Bezeichnung der abgeladenen Güter dem Empfänger verantwortlich. Seine Haftung beschränkt sich jedoch auf den Ersatz des Minderwerths, welcher aus der Nichtübereinstimmung der Güter mit der im Konnossement enthaltenen Be­ zeichnung sich ergiebt. Pr. Entw. Art. 496. Fehlt in I. L. - Prot. S. 2278 ff., 4132 ff. Inhalt. Auslieferungspflicht 214, 223ff., 248. Bezeichnung der Waaren 249. GenuSwaare 248. Konnofl'eMentöklaufeln 207, 210, 220, 239, 244, 249, 253, 256-266.

Marken 249. Nummern 249. Vertretung des Konnossements 242, 248.

248. In Konsequenz des Grundsatzes, daß der Verfrachter dem Empfänger gegenüber zur Vertretung des Konnossements als einer Verpflichtungsurkunde unbeschränkt verbunden ist (s. Bem. 243), ist ihm durch Art. 654 u. 655 auch die Haftung für die Richtigkeit der Bezeich­ nung der Güter auferlegt, so daß er mit dem Einwand, er habe abgeliefert, was er empfangen habe, nicht gehört wird. S. hierüber ROHG. III. 24; RG. IV. 87, 88. Die Verpflichtung des Verfrachters bei nur in genere im Konnossement bezeichneten Waaren geht auf ein in genere bestimmtes Objekt und genus non perit. OLG. Hamburg vom 13. Juli 1887, Hans. Ger.-Ztg. 1887 S. 277 ff. 249. Für die Richtigkeit der „Merkzeichen" erklärt das Gesetz den Verfrachter nicht für verantwortlich; denn daß diese nicht unter dem Ausdruck „Bezeichnung" gleichfalls zu verstehen, geht aus der Rebencinanderstellung von „Bezeichnung" und „Merkzeichen" im Art. 645 Ziff. 7 hervor, wie denn auch von einem durch falsch angegebene Merkzeichen herbeigeführten Minderwerth der Güter (wofür bei fehlerhafter Bezeichnung der Verfrachter allein hastet) nicht recht die Rede sein könnte. Vgl. Schlodtmann in Goldschmidt's Ztschr. Bd. XXI S. 404ff.; Lewis a. a. O. S. 176, 177 Rote 23. Marken und Nummern der Waare im Konnossement. Konnossementsklausel: „not answerahle — for damage — by wrong delivery caused by error or deficiency in the inarks or numbers, or by want of distinct mark“ (ist bedeutungslos für Haftung und Beweislast).

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Art. 654—656.

1059

OLG. Hamburg vom 14. Februar 1885, Hans. Ger.-Ztg. 1886 Nr. 4; H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 286, 287.

Artikel 655. Die im vorstehenden Artikel erwähnte Haftung des Verfrachters tritt auch dann ein, wenn die Güter dem Schiffer in Verpackung oder in geschlossenen Gefäßen übergeben sind. Ist dieses zugleich aus dem Konnossement ersichtlich, so ist der Verfrachter für die Richtigkeit der Bezeichnung der Güter dem Empfänger nicht verantwort­ lich, sofern er beweist, daß ungeachtet der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers die Unrichtigkeit der in dem Konnossement enthaltenen Bezeichnung nicht wahr­ genommen werden konnte. Die Haftung des Verfrachters wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Identität der abgelieferten und der übernommenen Güter nicht bestritten oder daß dieselbe von dem Verfrachter nachgewiesen ist. Pr. entto. Art. 497. I. L. Art 545 Abs. 2. - Prot. ®. 2260 ff., 2277 ff., 4008 ff.

Anhalt. Haftung, Modifikation ders. 253. Identitätsnachweis 250. „Inhalt unbekannt" 251.

Klauseln 253 (f. auch bei Art. 653). Offene Güter 251. Verpackte Güter 252.

250. Wenn die Gattung der Güter äußerlich wahrnehmbar und zugleich aus dem In­ halte des Konnossements ersichtlich ist, so tritt die Haftung des Verfrachters aus dem Ncceptum in den Vordergrund; wird die Identität bestritten, so hat der Verfrachter den Beweis zu liefern, daß trie von ihm ab gelieferten Güter mit den eingenommenen identisch sind (Prot. S. 2268 bis 2270) und daß er trotz Aufwendung der ihm obliegenden Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers die Unrichtigkeit der im Konnossement enthaltenen Bezeichnung nicht habe wahrnehmen können. (ROHG III. 25.) Es erstreckt sich aber dieser Beweis nicht bloß darauf, daß der Ablader dem Schiffer die von ihm abgelieferten unbeschädigten Kolli, Kisten u. dgl. übergeben hat, also nicht bloß auf die Unverletztheit und Identität der Umhüllung, sondern auch aus die Identität des In­ haltes, wodurch jedoch nicht ausgeschlossen wird, für die Identität des Inhaltes die Identität und Unverletztheit der Umhüllung als Beweismittel geltend zu machen. (Prot. S. 2277, 2278.) 251. Der Abs. 3 bezieht sich auf den Fall, wo die bezeichneten Güter dem Schiffer offen übergeben sind und zwar entweder lose, wie Eisen, Kohlen, Getreide rc., oder zwar in Packen zusammengeschnürt, über doch so, daß ihre Art äußerlich erkennbar bleibt, wie z. B. Korkholz, Häute. In diesem Falle befreit die Konnossementsklausel: „Inhalt unbekannt" den Verfrachter nicht von der Verantwortlichkeit. 252. Wenn bei verpackt übergebenen Gütern dieselben in ihrer Verpackung dem Schiffer ohne deren — in concreto nicht thunliche — Oeffnung nicht erkennbar sind, so beschränkt sich die Ver­ antwortlichkeit des Schiffers darauf, daß er keine Bezeichnung wählt, welche sich bei Uebernahme der Güter Dem, der solche sehr häufig zu Gesicht bekommt und mit denselben umzugehen hat, ohne Weiteres als falsch ergeben muß. Vgl. Voigt jun. im Neuen Archiv Bd. I S. 489 ff.

Artikel 656. Werden dem Schiffer Güter in Verpackung oder in geschlossenen Gefäßen übergeben, so kann er das Konnossement mit dem Zusatze: „Inhalt unbekannt" versehen. Enthält das Konnossement diesen oder einen gleichbedeutenden Zusatz, 67*

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Art. 656. 657.

so ist der Verfrachter im Falle der Nichtübereinstimmung des abgelieferten In­ halts mit dem im Konnossement angegebenen nur insoweit verantwortlich, als ihm bewiesen wird, daß er einen anderen als den abgelieferten Inhalt em­ pfangen habe. Pr. Glitte. Art. 485 Abs. 2, 497 Abs. I. I. L. Art. 524 Abs. 2, 545 Abs. 3. - Prot. S. 2213ff., 2231, 2275 ff., 2279 ff., 4010 ff.

Inhalt. Beweislast 254. Haftung 254. „Inhalt unbekannt" 251.

Klauseln 253 (s. auck bei Art. 653). receptum 254, 255.

253. Um übertriebenen Härten, zu welchen der Grundsatz der unbeschränkten Vertretung des Konnossements als einer Verpflichtungsurkunde seitens des Verfrachters dem Empfänger gegenüber in Anwendung der Art. 353—355 führen könnte, vorzubeugen, sind in Art. 655 Abs. 2, 656, 657, 659 und 660 gewisse Modifikationen dieser strengen Haftung geschaffen, bezw. das Gesetz gestattet dem Schiffer, dieselbe durch geeignete Klauseln zu beschränken. Das Gesetz scheint in dieser Richtung jedoch zu Gunsten des Verfrachters zu weit gegangen zu sein und eine Fixierung der Haftung dürfte, wie oben Bem. 3 S. 987 erwähnt, wünschenswerth sein. In gewissen Richtungen s. Lewis, Voigt und Pappen heim in der Literaturnotiz oben Bem. 206 S. 1045. 254. Die Klauseln der Art.- 656 und 657 lassen die Haftung des Schiffers aus dem Frachtvertrag und dem Receptum bestehen, befreien ihn aber von der Haftung für die Richtigkeit der Konnossementsbezeichnung und belasten den Empfänger mit dem Beweise, daß der Schiffer einen anderen Inhalt bezw. ein größeres Quantum, als er abgeliefert, erhalten habe. Für den Fall der Erbringung dieses Beweises seitens des Empfängers ist es wieder Sache des Schiffers, entweder höhere Gewalt rc. zu beweisen oder den Schaden zu vergüten. S. Prot. S. 4011; ROHG. III. 25, XV. 382, 383; RG IV. 88; Fuchsberger a. a. O. S. 249ff.; Lewis, Seerecht Bd. I S. 315 u. 316.

Artikel 657. Sind die im Konnossement nach Zahl, Maaß oder Gewicht bezeichneten Güter dem Schiffer nicht zugezählt, zugemessen oder zugewogen, so kann er das Konnossement mit dem Zusatze: „Zahl, Maaß, Gewicht unbekannt" versehen. Enthält das Konnossement diesen oder einen gleichbedeutenden Zusatz, so hat der Verfrachter die Richtigkeit der Angaben des Konnossements über Zahl, Maaß oder Gewicht der übernommenen Güter nicht zu vertreten. Pr. Glitte. Art. 485 Abs. 2 it. 497 Abs. 2. S. 2214 ff., 2231, 2290 ff., 4008.

I. g. Art. 524 Abs. 2 it. 545 Abs. 1. - Prot.

Anhalt. receptum 254, 255. Stückzahl angegeben 256.

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Zahl, Maß und Gewicht 255. Zählung vorgenommen 256.

255. Die Klausel: „Maaß, Zahl, Gewicht unbekannt" (welche Ausdrücke nicht gleichzeitig angeführt zu werden brauchen, vielmehr auch einzeln, wie: „Maaß unbekannt", „Zahl unbekannt", „Gewicht unbekannt", gebraucht werden können, Prot. S. 4008) befreit zwar von der Vertretung des Konnossements in Betreff der Maß-, Zahl- und Gewichtsangabe, allein es bleibt die Haftung aus dem Receptum für die Auslieferung des wirklich Empfangenen, wenn der Verlust sich nicht auf ein bloßes „Schwinden" zurückführen läßt, bestehen. Der Verfrachter haftet also z. B. für das Fehlen eines ganzen Kollo. RQHG. XtV. 296, XV. 381; Prot. S. 2215, 2290—2295; Ullrich 's Samml. Nr. 72 S. 181; Goldschmidt's Zeitschr. Bd. X S. 148; Hamb. HandelsZtg von 1872 Nr. 50. Der Nachweis des abgeladenen Quantums ist also Sache des Empfängers.

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Art. 657. 658.

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256. Die Aufnahme der Klausel ist selbstverständlich dann von keiner Bedeutung, wenn die Zumessung, Zuzählung ober Zuwiegung der Güter an den Schiffer in der That vorgenommen wurde, denn hier würde die Ungewißheit des Schiffers hierüber auf einer Verletzung der von ihm zu vertretenden Sorgfalt beruhen. Voigt jun. im Neuen Archiv I. S. 495f. und Schlodtmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXI S. 402ff. Die Angabe der Stückzahl im Konnossement neben der Klausel: „Maß unbekannt". Letztere befreit den Verfrachter trotz ersterer. Amtsger. Hamburg vom 21. Juni 1886 u. LG. Hamburg vom 19. Oktober 1886; Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 287. 257. Art. 658 enthält eine Beschränkung des allgemeinen Prinzipes des Art. 621 für den Fall der Angabe von Maß, Zahl und Gewicht im Konnossement durch eine derartige Be­ stimmung. Prot. S. 2338—2341, 3930, 4014. Art. 658 stellt sich also in zweifacher Beziehung als eine Ausnahmebestimmung dar. Während nämlich nach Art. 621 dann, wenn die Fracht nach Maß, Gewicht oder Menge bedungen worden, der Regel nach das Maß, Gewicht oder die Menge der abgelieferten (gelöschten), nicht der eingelieferten (abgeladenen) Güter entscheiden soll, ist ausnahmsweise bte Maß-, Gewichts- und Zahlangabe, welche sich im Konnossement be­ findet, für die Frachtberechnung entscheidend, also nicht das Maß und Gewicht der gelöschten, sondern das im Konnossement angegebene Maß und Gewicht der eingenommenen Güter. Und während fich der Verfrachter nach Art. 657 gegen die Vertretung der Richtigkeit der Angaben des Konnossements über Zahl, Maß oder Gewicht der übernommenen Güter rücksichtlich ihrer Ablieferung durch die Konnossementsklausel: „Zahl, Maaß, Gewicht unbekannt" oder einen gleich­ bedeutenden Zusatz schützen kann, bleiben ungeachtet der Klausel oder eines solchen Zusatzes jene Konnossementsangaben für die Berechnung der Fracht entscheidend, falls diese bedungener­ maßen nach Zahl, Maß oder Gewicht zu entrichten ist. Jene entscheidende Kraft verlieren die erwähnten Konnossements-Angaben nur dann, wenn das Konnossement selbst „eine ab­ weichende Bestimmung" enthält, d. h. wenn klar und deutlich darin gesagt worden, daß sich der Konnossementszeichner den darin gemachten Angaben über Maß und Gewicht rc. betreffs der Fracht nicht unterwerfe, vielmehr Maß-, Zahl- und Gewichtsermittelung bei der Löschung vorbehalte und daß die Fracht gemäß dieser Ermittelung zu zahlen sei. Eine solche Erklärung enthalten z. B. die auf einem Konnossement der Namensunterschrift des Ausstellers beigefügten Worte: „signed under protest“ nicht, da nur eine ausdrückliche abweichende Bestimmung im Konnossement, nicht aber ein der Klausel: „Zahl, Maaß, Gewicht unbekannt" gleichbedeutender Zusatz genügen soll, um den Konnossementsangaben über Zahl, Maß und Gewicht für die Fracht­ berechnung die entscheidende Bedeutung zu nehmen. Eine Zeichnung unterProtest vermag also die Gewichtsangabe im Konnossement nicht zu entkräften. ROHG. I. 198 ff. und ROHG. XII. 370, 371 (vgl. auch ROHG. XVIII. 128 ff.); s. auch Fuchsberger a. a. O. S. 246. 258. Dagegen drückt die Klausel: „unter Protest wegen Uebermaßes" mit genügender Klarheit aus, daß der Schiffer die Maßangaben des Konnossements für den Betrag seines Fracht­ anspruches nicht als entscheidend anerkenne, sondern sich die Feststellung der Zahl der Lasten durch lieb ermessen am Bestimmungsorte vorbehalte; die Bestimmung des Art. 658 ist hier also aus­ geschlossen. ROHG. VI. 350. Wenn aber auch die Erklärung über die Unanwendbarkeit der Quantitätsangaben des Konnossements für die Frachtvermittelung in dem Falle wirkungslos ist, wenn sie sich in einer besonderen Protesturkunde befindet, selbst auch, wenn auf diese im Kon­ nossement (etwa durch die Worte: „unter beiliegendem Protest") Bezug genommen ist, so verhält es sich anders, wenn die Protestirrkunde dem Konnossement dergestalt' annektiert ist, daß sie ein Theil des letzteren geworden und als solcher in die Hände des Destinatärs gelangt ist. ROHG. I. 201 u. ROHG. VI. 348.

Artikel 658. Ist die Fracht nach Zahl, Maaß oder Gewicht der Güter bedungen und im Konnossement Zahl, Maaß oder Gewicht angegeben, so ist diese Angabe für

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Art. 658. 659.

die Berechnung der Fracht entscheidend, wenn nicht das Konnossement eine ab­ weichende Bestimmung enthält. Als eine solche ist der Zusatz: „Zahl, Maaß, Gewicht unbekannt" oder ein gleichbedeutender Zusatz nicht anzusehen. Pr. Entw. Art. 506. I. £. Art. 555 Satz 2. - Pro«. S. 2338 ff., 3930, 4014. Inhalt. Chartepartie 259. Exceptionelle Bedeutung 257. Frachtberechnung 257, 259. Klauseln 253, 257 ff. auch bei Art. 653).

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Quantitätsangabe 259. „Signed under protest“ 257. „Unter Protest wegen Uebermaß" 258.

259. Die Quantitätsangabe des Konnossements ist nicht etwa nur präsumptiv für die Berechnung der Fracht als maßgebend anzunehmen, wenn sie nicht durch eine der erwähnten (Bem. 257, 258) Klauseln diese Bedeutung verloren hat, sondern sie ist, von den Fällen doloser Kollusion abgesehen, entscheidend, und zwar nut Ausschluß jeden Gegenbeweises. Die bloße Bezugnahme auf die Chartepartie kann trotz des Art. 653 Abs. 2 im Allgemeinen noch nicht für eine solche abweichende Bestimmung gelten. Vgl. Kierulff's Samml. von Entsch. des Ob.-App.-Ger. der freien Hansestädte Bd. VI S. 51 ff. und Seuffert's Arch. Bd. XXVII Nr. 251; ROHG. XII. 369ff.; RG. XIV. 117; Lewis in Endemann's Hdbch. S. 181, auch Sinnt. 48. Dies leuchtet namentlich dann ein, wenn laut der Chartepartie die Fracht nach dem eingenommenen Quantum zu berechnen ist; mit dieser Bestimmung ist vollkommen vereinbar die weitere, aus dem Konnossement zu entnehmende, daß für die Berechnung der Fracht eben das und das Quantum schlechthin als das eingenommene gelten solle. Doch kann, wenn das Konnossement in Bezug aus die Frachtberechnung lediglich auf die Chartepartie verweist, die Meinung der Kon­ trahenten in Abweichung von Art. 658 dahin gehen, daß das eingenommene Quantum der Frachtberechnung zu Grund zu legen ist. RG. XIV. 117.

Artikel 659. Ist das Konnossement mit dem Zusatze: „frei von Bruch" oder: „frei von Leckage" oder: „frei von Beschädigung", oder mit einem gleichbedeutenden Zu­ satze versehen, so haftet der Verfrachter bis zum Beweise des Verschuldens des Schiffers oder einer Person, für welche der Verfrachter verantwortlich ist, nicht für Bruch oder Leckage oder Beschädigung. Pr. Entw. Art. 497 Abs. 2. I. L. Art. 546 Abs. 2. - Pro«. @. 2295 ff., 4012.

Anhalt. Bedeutung der Klauseln 260ff. Besatzung 263. „fire excepted“ 262. Personen, dritte 263.

„Quantität und Qualität unbekannt" 261. Schauerleute 263. Stauer 263.

260. Durch die Klausel des Art. 659 beschränkt der Schiffer seine Verantwortlichkeit aus dem Receptum, indem er sich bis zum Bewerfe fernes Verschuldens frei zeichnet, während er sonst für die Schäden aufkommen müßte, wenn er nicht seinerseits beweisen kann, daß dieselben auf höhere Gewalt zurückzuführen feien. Sie hat mithin eine ganz andere Bedeutung, als die Klauseln der Art. 656 und 657. RG. IV. 88. (S. hierüber bei Art. 656, 657.) 261. Die Klausel: „quantity and quality unknown“ (Quantität und Qualität unbekannt) soll nicht etwas Aehnliches ausdrücken, wie die Klausel: „frei von Beschädigung", für welche im Englischen vielmehr der Ausdruck: „not answerable for damage“ oder ähnliche Ausdrücke ge­ braucht zu werden Pflegen, sondern daß der Schiffer damit der im Konnossement angegebenen Beschaffenheit und Menge der verladenen Waare gegenüber die Verantwortlichkeit für die Richtig­ keit dieser Angaben ablehnen und sich demgemäß nur verpflichten will, die Waare in der ihm wirklich übergebenen Beschaffenheit und Menge an den Empfänger abzuliefern. Dies entspricht

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Art. 659. 660

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auch dem englischen Sprachgebrauche. Vgl. Foard, a Treatise on Merchant and Freight, 1880 S. 363 und 364, wo gesagt wird, die Klausel: „ quantity and quality unknown“ drücke nur aus, daß der Schiffer keine Kenntniß in dieser Beziehung habe, während die Klausel: „weight and Contents unknown and not accountable for average, leakage or breakage“ bewirke, daß der Schiffer auch für übermäßige Beschädigung nicht haste, wenn ihm nicht eine Nachlässigkeit nach­ gewiesen werden könne. Durch diese Klausel wird der Schiffer mithin wegen der rechtlichen Folgen der Ablieferung der Ladung in beschädigtem Zustande wenigstens dann nicht gedeckt, wenn es sich um eine erst nach dem Empfange der Ladung eingetretene Beschädigung handelt. Der Schiffer kann aber mit der Klausel: „quality unknown“ bei einer ihm ohne Verpackung geliefer­ ten Ladung beabsichtigen, dieselbe Klausel anzuwenden, welche bei einer in Verpackung befindlichen Waare durch den Zusatz: „Inhalt unbekannt" ausgedrückt wird. RG. IV. 88, 89: Fuchs­ berger a. a. O. S. 249. 262. Der der Klausel: „fire excepted“ im englischen Seeverkehr beigelegte Sinn ist, daß der Rheder für einen an verschifften Gütern durch Feuer entstandenen Schaden niemals, sei es mit dem Werthe von Schiff und Fracht oder einem Theil desselben, sei es mit seinem sonsti­ gen Vermögen, haftet, wenn ihm nicht etwa persönlich eine Verschuldung oder Mitverschuldung am Feuer zur Last gebracht werden kann. NOHG. XXV. 95, 96; vgl. auch RG. XI. 105. 263. Die Worte: „oder einer Person, für welche der Verfrachter verantwortlich ist" sind erst nach mehrmaligem Wechsel der Ausdrücke von der Berathungskommission gewählt und schließ­ lich auch gegenüber dem Antrage, statt derselben: „Schiffsbesatzung" zu sagen, deshalb festgehalten, weil der Ausdruck: „Schiffsbesatzung" jedenfalls zu eng sei, indem er z. B. die Stauer, die Schauerleute u. dgl. nicht erfassen würde. (Prot. S. 2285, 2289, 4012.)

Artikel 660. Sind dem Schiffer Güter übergeben, deren Beschädigung, schlechte Be­ schaffenheit oder schlechte Verpackung sichtbar ist, so hat er diese Mängel im Konnossement zu bemerken, widrigenfalls er dem Empfänger dafür verantwortlich ist, auch wenn das Konnossement mit einem der im vorhergehenden Artikel er­ wähnten Zusätze versehen ist. Pr. ©title. Art. 485 Abs. 1.

I. L. Art. 524 Abs. I. - Prot. S. 2213, 2231, 2298, 4007.

Anhalt. 93 cn> eiS Ist ft 266. Erkennbarkeit von Mängeln 267. Haftung für Beschaffenheit 264, 267. „Inhalt unbekannt" 266.

Konnossement, reines 266. Landbeschädigung 265. Sachkenntnitz 267.

264. Nach Art. 660 hat der Verfrachter für die Beschaffenheit der im Konnossement als empfangen bezeichneten Güter einzustehen, da ihm die Vertheidigung, er habe die Güter in der schlechten Beschaffenheit oder Verpackung, in welcher er sie abliefert, empfangen, nur zusteht, wenn er die sichtbaren Fehler und Mängel im Konnossement bemerkt, mag auch in diesem die gute Be­ schaffenheit oder Verpackung nicht ausdrücklich erwähnt sein, da diese, wenn das Konnossement nicht das Gegentheil ergiebt, vom Gesetze schon als stillschweigender Inhalt des Konnossements betrachtet werden. ROHG. III. 24 ff.; RG. IV. 87 ff. Jeder Umstand, der — wie der Ablauf der Frist des Art. 610 — den Schiffer von der Haftung für die Beschaffenheit der Waare überhaupt befreit, befreit ihn auch von der Haftung aus Art. 660 OLG. Hamburg vom 1. März 1887, Hans. Gcr.-Ztg. 1887 S. 75 ff. 265. Handelt es sich darum, daß der Verfrachter für eine schlechte Beschaffenheit der Güter aufkommen soll, die bereits zur Zeit der Abladung vorhanden war (sog. Landbeschädigung), für die er aus dem Frachtverträge und dem Receptum nicht verantwortlich ist und nur vermöge der Verpflichtung zur Vertretung des Konnossements haftbar sein kann, so kann im Falle einer

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Fünftes Buch.

Vom Seehandcl.

Art. 660. 661.

Nichtsichtbarkeit der Fehler und Mängel zu der Zeit, als der Schiffer die Güter empfing und das Konnossement zeichnete, von einer Hastuug in Gemäßheit des Art. 660 nicht die Rede sein; die Verpflichtung zur Konnossementsvertretung beschränkt der Art. 660 nur auf die zu dieser Zeit sichtbaren Fehler und Mängel. S. hierüber Fuchsberger a. a. O. S. 250ff. 266. Die Beweislast gestaltet sich hier je nach der Art des Konnossements verschieden. Bei der Zeichnung eines reinen Konnossements seitens des Schiffers obliegt dem Verfrachter der Beweis, daß die Mängel auch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentliches Schiffers nicht erkennbar waren. Hat der Schiffer dagegen in das Konnossement die Klausel: „Inhalt unbekannt" aufgenommen, so hat der Empfänger seinerseits den Beweis der Erkennbarkeit der Fehler und Mängel zur Zeit der Abladung zu führen, und zwar selbst in dem Falle, wo das Konnossement das übliche Bekenntniß, die Güter in guter Ordnung empfangen zu haben, enthält, weil hierdurch nur ausgedrückt werden soll, daß der Schiffer Mängel nicht wahrgenommen hat. ROHG. III. 24ff.; RG. IV. 87 ff.; Fuchsberger a. a. O. ©. 252, 258. 267. Es kann Fälle geben, wo nicht ohne Weiteres (selbst bei lose, d. h. unverpackt ver­ ladener Waare, wie Getreide) jeder Mangel eines Zustandes als schlechte Beschaffenheit oder als Beschädigung einer Waare anzusehen ist oder angenommen werden kann, daß ein Schiffer, bei welchem doch speziellere Waarenkunde nicht vorausgesetzt werden kann, den mangelhaften Zustand der Waare als solchen habe zu erkennen vermögen. Allein auch für diesen Fall gilt das allgemeine Prinzip, daß die gesetzlich dem Schiffer obliegende Verpflichtung zur Vertretung des Konnossements nur insoweit vertragsmäßig ausgeschlossen werden kann, als die Unbekanntschast des Schiffers mit der Richtigkeit der Konnossementsangaben nicht eine Verletzung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers in sich schließt. RG. IV. 90, 91; Fuchsberger a. a. O. S. 253, 254; Prot S. 2297 u. 2298; Schlodtmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXI S. 398 ff. und Lewis, Seerecht Bd. I S. 315. Das Reichsgericht hat in einem Erk. vom 16. April 1881 (Entsch. des RG. IV. 90 ff.) bei lose verladenem Roggen der Klausel: „quality unknown“, mit welcher der Schiffer das Kon­ nossement zeichnete, die Bedeutung beigelegt, die Vertretung der Nichtigkeit der Konnossements­ angabe, daß die Ladung „dry, stifted, and in perfect condition and good order“, d. h. „trocken, gesiebt und m vollkommener Beschaffenheit und guter Ordnung" sei, auszuschließen, soweit nicht die mit dieser Angabe im Widerspruch stehende Beschaffenheit der Güter bet der Abladung erkenn­ bar gewesen, die Unkenntniß des Schiffers hiervon also nur aus Mangel an Diligenz zu erklären wäre. In den Gründen dieses Erkenntnisses heißt es in dieser Beziehung, daß die Eigenschaft der Feuchtigkeit sehr relativ, nicht ohne Weiteres jeder Mangel absoluter Trockenheit als schlechte Beschaffenheit oder Beschädigung des Roggens anzusehen, auch nicht anzunehmen sei, daß der Schiffer, bei dem speziellere Waarenkunde nicht vorausgesetzt werden dürfte, den mangelhaften Zu­ stand der Waare zu erkennen vermocht habe.

Artikel 661. Nachdem der Schiffer ein an Order lautendes Konnossement ausgestellt hat, darf er den Anweisungen des Abladers wegen Zurückgabe oder Auslieferung der Güter nur dann Folge leisten, wenn ihm die sämmtlichen Exemplare des Konnossements zurückgegeben werden. Dasselbe gilt in Ansehung der Anforderungen eines Konnossementsinhabers auf Auslieferung der Güter, so lange der Schiffer den Bestimmungshafen nicht erreicht hat. Handelt er diesen Bestimmungen entgegen, so bleibt er dem rechtmäßigen Inhaber des Konnossements verpflichtet. Lautet das Konnossement nicht an Order, so ist der Schiffer zur Zurück-

Fünfter Titel. Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern. Art. 661. 662.

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gäbe oder Auslieferung der Güter, auch ohne Beibringung eines Exemplars des Konnossements, verpflichtet, sofern der Ablader und der im Konnossement bezeichnete Empfänger in die Zurückgabe oder Auslieferung der Güter willigen. Werden jedoch nicht sämmtliche Exemplare des Konnossements zurückgestellt, so kann der Schiffer wegen der deshalb zu besorgenden Nachtheile zuvor Sicher­ heitsleistung fordern. Pr. entto. Ar«. 488, 518. I. L. Art. 526. - Prot. @. 2228 ff., 2457 ff., 4007, 4014.

3 « h a I t. Exceptiones e persona cedentis 269. Formalakt 206, 217, 224, 239, 268. Kaution 269. Konnossementsaus st ellung 268. Ladeschein s. Art. 402.

Namenkonnossement 269. Orderkonnossement 207, 219, 221, 222, 224, 229 268. VertragSverhältnitz 268.

268. Durch Ausstellung und Begebung des Konnossements wird ein selbständiges obligatorisches Verhältniß zwischen dem Verfrachter und dem im Konnossement benannten oder durch Indossament bezeichneten Destinatär begründet, und hört somit, sobald der Schiffer die Urkunde dem Ablader ausgehändigt hat, jede damit in Widerspruch stehende Verfügung des letzteren über die Ladung auf; es müßte denn der Grund jenes obligatorischen Verhältnisses wieder beseitigt sein. Da nun aber alle Exemplare des Orderkonnossements gleichberechtigt sind, so bleibt der Schiffer, welcher nicht nur mit dem Ablader, sondern auch mit dem ihm noch unbekannten Kon­ nossementsinhaber kontrahiert hat, dem Inhaber jedes Exemplars für die darin übernommenen Verbindlichkeiten so lange verhaftet, bis Einem derselben Genüge geschehen ist. (S. Entw. S. 267.) 269. Ist das Konnossement ein Namenkonnossement (Rectakonnossement), so bedarf es nicht der Rückgabe aller Exemplare, um dem Ablader die Möglichkeit, seine früheren Anweisungen zu ändern, zu geben. In einem solchen Falle genügt es, wenn der Destinatär die Einwilligung zur Abänderung der ursprünglichen Anweisungen des Befrachters giebt und dem Schiffer hierüber Urkunde ertheilt wird. Ist das Konnossement durch (Session übertragen worden, so können dem Cessionar die Einreden aus der Person des Cedenten entgegengesetzt werden. Wie also dem im Konnossement bezeichneten Destinatär selbst, wenn er später die Güter fordern sollte, ein wirksamer Einwand auf Grund seiner Zustimmung 31t der Anweisung des Abladers entgegengesetzt werden könnte, so würde eben derselbe Einwand auch dem Inhaber eines Konnossements, welcher dasselbe durch Cession des Destinatärs erworben, gegenüber geltend gemacht werden dürfen. Da jedoch immer noch Gefahr vorhanden ist, daß der Schiffer mit einem solchen Konnossementsinhaber in einen Prozeß über die Auslieferung der Güter verwickelt wird, dessen Durchführung ihm nament­ lich im Auslande sehr lästig werden würde, so kann er Sicherheitsleistung verlangen. Prot. S. 2228—2230. Wenn Ablader und Destinatär darein willigen, so muß der Schiffer die Güter auch einem Dritten ausliefern.

Artikel 662. Die Bestimmungen des Artikels 661. kommen auch dann zur Anwendung, wenn der. Frachtvertrag vor Erreichung des Bestimmungshafens in. Folge eines Zufalls nach den Artikeln 630. bas 643. aufgelöst wird. Pr. Cntw. Art. 518. I. L. Art. 573. - Prot. S. 2457 ff., 4014.

Inhalt. Aufbringung 177. Auflösung deS Frachtvertrags 270.

| Kriegsnoth 177 ff.

270. Die Grundsätze des Art. 661 greifen auch dann Platz, wenn der Frachtvertrag, sei es vor Antritt der Reise, sei es nachher, aufgelöst wird. Lewis in Endemann's Hdbch. Bd. IV. 1. S. 171.

Artikel 663. In Ansehung der Verpflichtungen des Schiffers aus den von ihm ge­ schlossenen Frachtverträgen und ausgestellten Konnossementen hat es bei den Vorschriften der Artikel 478., 479. und 502. sein Bewenden. FrhU im Pr. (glitte. I. L. Art. 575. - Prot. «. 1902,1928, 2459 ff.

3 « 1) « l t. Garantieübernahme 271. Haftung des Rheders 271.

I |

Haftung des Schiffers 271 (Art. 502). Verschulden 271 (Art. 478, 479).

271. Art. 663 besagt, daß die eigene persönliche Verpflichtung des Schiffers außer in Fällen einer Garantieübernahme oder eines Verschuldens von seiner Sette (Art. 478, 479) aus­ geschlossen sei. (Art. 502.) Die althergebrachte Redeweise der Konnossemente darf nicht irre­ führen. Lewis, Seerecht I. S. 411. Rhederhaftung s. Art. 452, 502.

Artikel 664. Im Falle der Unterverfrachtung haftet für die Erfüllung des Unterfracht­ vertrages, insoweit dessen Ausführung zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört und von diesem übernommen ist, insbesondere durch Annahme der Güter und Ausstellung des Konnossements, nicht der Unterverfrachter, sondern der Rheder mit Schiff und Fracht (Artikel 452.). Ob und inwieweit im Uebrigen der Rheder oder der Unterverfrachter von dem Unterbefrachter in Anspruch genommen werden könne, und ob im letzteren Falle der Unterverfrachter für die Erfüllung unbeschränkt zu haften oder nur die auf Schiff und Fracht beschränkte Haftung des Rheders zu vertreten habe, wird durch vorstehende Bestimmung nicht berührt. Fehlt in den (glitte. - Prot S. 3905 ff., 4289 ff., 4301 ff., 4319.

Inhalt. Fortune de mer 64 zu Art. 432.

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Unterfrachtvertrag 272.

272. Ueber Unterfrachtverträge s. oben Bem. 6 (S. 988), Bem. 27 (S. 993) und Bem. 114 (S. 1017).

sechster Titel.

Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden. Artikel 665. Ist der Reisende in dem Ueberfahrtsvertrage genannt, so ist derselbe nicht befugt, das Recht auf die Ueberfahrt an einen Anderen abzutreten. Pr. (gelte. Art. 520. I. L Art. 576. - Prot. @. 2504 ff., 4035.

Sechster Titel.

Von betn Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden. .Art. 665.

1067

Inhalt. Amtsgerichtliche Kompetenz 275. Auswande r un gs wesen 273, 300. Billet auf den Inhaber 276. Bürgerliches Recht 275. Charterung 273,. 297. Formlosigkeit 275. Handelsgeschäft 275.

Literatur 274. Oeffentliches Recht 273. Passageschein 276. — -vertrag 273. Schifföexpcdienten 273, 277. Uebersahrtövertrag 273. Unübertragbarkeit 276.

273. Wie bei dem Gütertransport zur See theils die Schifsscharterung, sei es Total-, sei es Partialcharterung (s. oben Bem. 1, 4 S. 985, 988), theils der Einzelfrachtvertrag (s. ebenda), so kommen auch zum Zweck der Personenbeförderung zur See zweierlei Arten von Verträgen vor: 1. die Charterung eines Schiffes im Ganzen oder eines Theiles desselben, dergestalt, daß eine bestimmte Anzahl von Reisenden befördert werden soll, das Schiff oder der Schiffstheil aber nicht diesen, sondern einem Dritten, z. B. einer Auswanderungs-Expedition oder -Agentur, verchartert ist (s. Art. 677); hierbei kommen zwei Gruppen von Verträgen vor: a) die Charterung selbst, d. i. der Vertrag zwischen dem Rheder und jenem Dritten, dem Schiffsexpedienten, dem Auswanderungsgeschäft, — auf dieses Vertragsverhältniß, im Allgemeinen als Schiffsmiethe zu bezeichnen, ist, soweit thunlich, das Güterfrachtrecht — Titel V — Art. 557 ff. anzuwenden; b) die einzelnen Paffageverträge, welche der Schiffscharterer (Expedient) mit den einzelnen Reisenden abschließt, — auf diese Verhältnisse ist Titel VI Art. 665 ff. anzuwenden; s. Lewis, Seerecht Bd. I S. 421, auch Entsch. des OLG. Hamburg vom 21. Dezember 1886 (Hans. Ger.Ztg. 1887 S. 30), mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI 5. 289; 2. der vom Verfrachter (Reder, Schiffer) mit den einzelnen Reisenden abgeschlossene Ueberfahrts- oder Passagevertrag; dieses Verhältniß ist das Gebiet der unmittelbaren Anwendung der Art. 665—676. Diese Artikel enthalten nur einige privatrechtliche, keine öffentlich (Polizei-) recht­ lichen Bestimmungen und beziehen sich nicht auf Postschiffe (vgl. Art. 449, s. auch RG. vom 6. April 1885), noch auf Auswanderungsschiffe (s. Art. 679), noch auf den Fall der Charterung eines zum Personentransport zu benutzenden Schiffes. Oeffentliches Recht in Hinsicht aus Reisende zur See s. Zorn, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 1883, § 40 S. 541 ff., 648 ff.1) Hin­ sichtlich der Post- und Personenbeförderung sind von Bedeutung das Reichsgesetz betreffend die Postdampfschiffahrtsverbiudungen mit überseeischen Ländern vom 6. April 1885, ergänzt durch RG. vom 27. Juni 1887, und das RG. betreffend eine Postdampfschiffsverbindnng mit Ostafrika vom 1 Februar 1890. 274. Literatur: W. Lewis, Deutsches Seerecht, 2. Aust. 1883 S. 414—422; Derselbe in Endemann's Hdbch. Bd. IV. 1. S. 228—234; Gareis, HR. S. 783—785; Cosack, HR. S. 370, 371; Mako wer, Komm. (1890) S. 680—685; Ly on-Caen & Renault, Präcis II. p. 222—226; E. Friedberg, Formelbuch (Leipzig 1890) S. 327ff.: „Annahmeschein des Bremischen Norddeutschen Lloyd", mit Koupon und Ueberfahrtsbedingungen (S. 328—331); Fuchsberger, Entsch. Bd. V S. 255—257. 275. Der in Bem. 273 unter lb und 2 erwähnte Transportvertrag zur Beförderung von Reisenden, der Ueberfahrts- oder Passagevertrag, ist eine locatio conductio operis. Soweit hierüber in den Art. 665 ff. keine besonderen Vorschriften enthalten sind, sind mehr die Rechtssätze des allgemeinen Obligationenrechts des bürgerlichen Rechtes, als die von der Güter­ fracht in Anwendung zu bringen. Anders im Falle 1 a der Bem. 273. Der Ueberfahrtsvertrag ist ein absolutes Handelsgeschäft auf Seiten des Transportunter­ nehmers (Art. 271 Ziff. 4; Cosack, HR. S. 370. — Amtsgerichtliche Zuständigkeit in Bezug auf eine Anzahl hierher gehöriger Rechtsstreitigkeiten ohne Rücksicht auf den Werth des Objekts *) Zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften über Personentransport zur See ist auch zu rechnen die Verordnung betreffend die Anwerbung und Ausführung von Eingeborenen des Schutz­ gebietes der Neu-Guinea-Kompagnie als Arbeiter. Kolon. Jahrb. 1888 S. 311.

1068

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 665—668.

s. Deutsches Gerichtsvcrfassungsgesetz § 23 Ziff. 2) und bedarf sonach zu seiner Gültigkeit keiner besonderen Form (Art. 317). 276. Ist der Passagevertrag in Bezug auf die zu transportierende Person unbestimmt geschlossen, sind z. B. Billets auf den Inhaber ausgegeben, so findet der Art. 665 keine An­ wendung (Prot. S. 2504); er greift aber Platz, wenn das Billet durch nachträgliche Einschreibung auf eine bestimmte Person bezogen ist, oder wenn Jemand auf Grund des Billets die Reise bereits angetreten hat. Die Annahmescheine pflegen mit den Namen der Passagiere versehen zu werden, der Verkauf derselben ist regelmäßig besonders untersagt, der Passageschein sohin auch vertragsmäßig unübertragbar.

Artikel 666. Der Reisende ist verpflichtet, alle die Schiffsordnung betreffenden An­ weisungen des Schiffers zu befolgen. Pr. Entw. Art. 526. I. L. Art. 577. - Prot. S. 2512, 4035. Isoliertheit s. Art. 433 Bem. Nichtbefolgung 277. Schadensersatz 277.

7.

Inhalt I Schiffsbesehl s. Art. ' 93cm. 142ff.

433

93cm.

7,

Art.

478

|

277. Die Nichtbefolgung der betr. Anweisungen würde Schadenersatzverbindlichkeiten und unter Umständen die Ausschließung von der Fahrt (vgl. Art. 667) zur Folge haben.

Artikel 667. Der Reisende, welcher vor oder nach dem Antritt der Reise sich nicht rechtzeitig an Bord begibt, muß das volle Ueberfahrtsgeld bezahlen, wenn der Schiffer die Reise antritt oder fortsetzt, ohne auf ihn zu warten. Pr. ©Mit». Art. 521, 525. I. L. Art. 578. — Prot. ®. 2595, 2511, 4035. Reiseantritt

278.

Anhalt. I Verzögerung

278.

278. Der Reisende hat sich rechtzeitig, d. h. vor dem Zeitpunkt der Abfahrt des Schiffes, wenn dieser vorher bestimmt ist, oder, wenn dies nicht der Fall, auf die Aufforderung des Schiffers vor Antritt der Reise an Bord des Schiffes oder an den Ort, von welchem aus er vertragentsprechend an Bord zu befördern ist, zu begeben. Bei Verzögerung der Abfahrt darf er ohne Erlaubniß des Schiffers das Schiff nicht verlassen; der Schiffer ist nicht verpflichtet, ihn von Neuem zu rufen. (Motive S. 284.) Das Gleiche gilt, wenn der Reisende ohne Erlaubniß des Schiffers an's Land geht oder wenn beim Einlaufen des Schiffes in einen Hafen dem Reisenden gestattet ist, auf eine gewisse Zeit an's Land zu gehen, und er sich nicht rechtzeitig wieder einfindet.

Artikel 668. Wenn der Reisende vor dem Antritt der Reise den Rücktritt von dem Ueberfahrtsvertrage erklärt, oder stirbt, oder durch Krankheit oder einen anderen in seiner Person sich ereignenden Zufall zurückzubleiben genöthigt wird, so ist nur die Halste des Ueberfahrtsgeldes zu zahlen. Wenn nach Antritt der Reise der Rücktritt erklärt wird oder einer der erwähnten Zufälle sich ereignet, so ist das volle Ueberfahrtsgeld zu zahlen. Pr. Gntto. Art. 529, 531. I. 8. Art. 579. - Prot. S. 2514 ff., 2522, 4036.

Sechster Titel.

Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden.

Art. 668—670.

1069

Anhalt. Auflösung des Vertrags 279ff. Effekten des Reisenden 280. Eintragung des Todesfalles 280. — des Geburtsfalles 281.

Rücktritt 279, 283. Tod 279, 280. Verhinderung der Reisenden 279.

279. Einseitiger Rücktritt ist kein Auflösungsgrund, außer in Fällen der Art. 669 u. 670. Wenn der Passagier durch Tod, Krankheit oder einen anderen Zufall an dem Antritt der Reise verhindert ist, so braucht das Ueberfahrtsgeld selbst dann nur zur Hälfte bezahlt zu werden, wenn eine Rücktrittserklärung nicht abgegeben worden ist. Prot. S. 4036. 280. In Betreff der Effekten eines auf der Reise sterbenden Paffagiers s. Art. 676. Eintragung des Todesfalles in das Journal behufs standesamtlicher Beurkundung s. oben Art. 487 u. Bem. 174 hierzu. 281. Für ein während des Transportes auf dem Schiff geborenes Kind wird ein Ueber­ fahrtsgeld nicht bezahlt. Lewis in Endemann's Hdbch. S. 232. Registrierung der Geburt s. Art. 487.

Artikel 669. Der Ueberfahrtsvertrag tritt außer Kraft, wenn durch einen Zufall das Schiff verloren geht (Artikel 630. Ziff. 1.). Pr. eiitto. Art. 527. I. L. Ar«. 580. - Pro«. @. 2514, 4037. Anhalt.

Distanzfracht 183, 286. Verlust des Schiffs 282.

I |

Zufall, doppelt wirkender 282.

282. „Wenn durch einen Zufall das Schiff verloren geht", d. h. nicht nur, wenn es ver­ unglückt, sondern — wie beim Frachtverträge (Art. 630 Ziff. 1) — für den Transportunter­ nehmer verloren geht. Der Fall, daß der Ueberfahrtskontrakt wegen eines Zufalls sich auslöst, da der Zufall sowohl das Schiff als die Person betroffen hat, ist zu beurtheilen, wie wenn der Zufall das Schiff allein betroffen und deshalb der Kontrakt sich aufgelöst hätte. Prot. S. 2516.

Artikel 670. Der Reisende ist befugt, von dem Vertrage zurückzutreten, wenn ein Krieg ausbricht, in Folge dessen das Schiff nicht mehr als frei betrachtet werden kann und der Gefahr der Aufbringung ausgesetzt wäre, oder wenn die Reise durch eine das Schiff betreffende Verfügung von hoher Hand aufgehalten wird. Das Recht .des Rücktritts steht auch dem Verfrachter zu, wenn er in einem der vorstehenden Fälle die Reise aufgibt, oder wenn das Schiff haupt­ sächlich zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, und die Unternehmung unter­ bleiben muß, weil die Güter ohne sein Verschulden nicht befördert werden können. Pr. Entw. Art. 527. I. L. Art. 581. - Prot. «. 2516 ff., 4037. Inhalt.

Anhaltung 177. Aufbringung 177. Dauer der Verhinderung 181, 283. Distanzfracht 183, 286. Gute Prise 177. Gütertransport neben Personen 284.

Krieg 181, 182, 193, 196. Ladung, Zufall begl. — 284. Nebensächlicher Passagevertrag 284. Rücktritt 283. „Unternehmung" 283. Verfügung von hoher Hand I8i ff.

1070

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 670—672.

288. Im Falle des Abs. 1 tritt der Ueberfährtsvertrag nicht ipso jure außer Kraft, allein der Reisende ist zum Zurücktreten vom Vertrage berechtigt; es ist hier, wie bei der Stück­ güterbefrachtung, von dem Erforderniß der Dauer des Hindernisses Abstand genommen, und wird dem Reisenden nicht zugemurhet, auf Hebung des Hindernisses im Noth Hafen zu warten. Prot. S. 2516. Nur für den Fall des wirklichen Aufgebens der ganzen Reise („der Unternehmung") hat in den in Abs. 1 bezeichneten Fällen auch der Verfrachter das Rücktrittsrecht. Prot. S. 2516. 284. Hat es der Verfrachter bei Ausrüstung seines Schiffes zu einer gewissen Reise hauptsächlich auf den Gütertransport abgesehen und hat er einzelne Ueberfahrtskontrakte gewisser­ maßen nur als Nebensache abgeschlossen, wegen deren allein sich der Verfrachter ohne Zweifel nicht zur Ausführung der Reise entschließen würde, so ist der Passagevertrag dahin zu verstehen, daß sich der Verfrachter eigentlich nur unter der stillschweigend verstandenen Bedingung zur Personen­ beförderung verpflichte, daß die Reise überhaupt zur Ausführung gelange. Wenn die Reise in Folge eines die Ladung treffenden Zufalles unterbleibt oder weil der Verfrachter gegen Zahlung der Fautfracht vom Vertrage zurücktritt, so kann man dem Schiffer nicht zumuthen, wegen einiger Passagiere eine große Reise auszuführen; in Fällen dieser Art ist der Verfrachter vielmehr er­ mächtigt, ohne Entschädigung vom Passagevertrag zurückzutreten. Aus den Verhältnissen des einzelnen Falles wird in der Regel schon unzweifelhaft hervorgehen, daß dem Reisenden beim Abschluß des Ueberfahrtskontraktes diese Sachlage bekannt war, im Uebrigen ergiebt sich dies in der Regel schon aus den Bekanntmachungen des Verfrachters oder seines Mäklers rc. re. Prot. S. 2516, 2517, 4037.

Artikel 671. In allen Fällen, in welchen zufolge der Artikel 669. und 670. der Ueber* fahrtsvertrag aufgelöst wird, ist kein Theil zur Entschädigung des anderen ver­ pflichtet. Ist jedoch die Auflösung erst nach Antritt der Reise erfolgt, so hat der Reisende das Ueberfahrtsgeld nach Verhältniß der zurückgelegten zur ganzen Reise zu zahlen. Bei der Berechnung des zu zahlenden Betrages sind die Vorschriften des Artikels 633. maaßgebend. Pr. Entw. Art. 530. 1. £. Art. 582. - Prot. S. 2520 f?., 2525, 4038.

Inhalt. Beköstigung 288. Distanzfracht 183, 286. Entschädigung, Wegfall der — 285.

Fracht, übliche 287. Kostenersatz 286.

285. Die Entschädigungsverpflichtung fällt weg, mag die Auflösung ipso jure oder durch Rücktritt des Reisenden oder Transportunternehmers erfolgt sein; Voraussetzung ist, daß cs vor Antritt der Reise geschehen ist. 286. Nach Antritt der Reise hat der Reisende einen der Distanzfracht im Frachtrecht entsprechenden und in derselben Weise zu berechnenden Theil des Ueberfahrtsgeldes zu entrichten. In jedem Falle würde der Transportunternehmer Anspruch auf Ersatz seiner baaren Auslagen und für den dem Reisenden bereits gewährten Unterhalt haben. 287. Wo das Frachtvergütungsmaß nicht vereinbart ist, da gilt die übliche Fracht. ROHG. III. 136.

Artikel 672. Muß das Schiff während der Reise ausgebessert werden, so hat der Reisende, auch wenn er die Ausbesserung nicht abwartet, das volle Ueberfahrts-

Sechster Titel.

Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden.

Art. 672. 673.

1071

gelb zu zahlen. Wartet er die Ausbesserung ab, so hat ihm der Verfrachter bis zum Wiederantritt. der Reise ohne besondere Vergütung Wohnung zu ge­ währen, auch die nach dem Ueberfahrtsvertrage in Ansehung der Beköstigung ihm obliegenden Pflichten weiter zu erfüllen. Erbietet sich jedoch der Verfrachter, den Reisenden mit einer anderen gleich guten Schiffsgelegenheit ohne Beeinträchtigung der übrigen vertragsmäßigen Rechte desselben nach dem Bestimmungshafen zu befördern, und weigert sich der Reisende, von dem Anerbieten Gebrauch zu machen, so hat er auf Gewährung von Wohnung und Kost bis zum Wiederantritt der Reise nicht weiter Anspruch. Pr. Enlw. Art. 528. I. L. Art. 583. - Prot. ©. 2530, 4038.

Inhalt. Beköstigung 288.

288. Es ist hinsichtlich der Beköstigung der Reisenden davon auszugehen, daß zu einer solchen der Verfrachter nicht durch das Gesetz, sondern nur laut Vertrag verpflichtet ist; daher hat der Reisende auf Beköstigung in den Fällen des Art. 672 dann keinen Anspruch, wenn er eine solche nicht bei ungestörtem Verlaufe der Reise beanspruchen konnte; und eine bessere Ver­ pflegung, als er sie auf dem Schiffe gehabt haben würde, kann er auch in jenen Fällen selbst­ verständlich nicht verlangen. Prot. S. 4038.

Artikel 673. Für den Transport der Reise-Effekten, welche der Reisende nach dem Ueberfahrtsvertrage an Bord zu bringen befugt ist, hat derselbe, wenn nicht ein Anderes bedungen ist, neben dem Ueberfahrtsgelde keine besondere Vergütung zu zahlen. Pr. Entw. Art. 524 Abs. 1. I. L. Ar«. 684. - Prot. @. 2508 ff., 4038. Befugniß zur Effektenmitnahme 290. Erlaubniß des Schiffers 20, 290—292. Gefährliche Gegenstände 20, 290—292. KriegSkontreband e 20, 290ff. Passagiergut 289, 290.

Reiseeffekten, Begriff der — 289, 290, 293. Ueberfahrtsbedingungen 290. Uebernahme des Gepäcks 293. Unentgeltlichkeit 291.

289. Der Ausdruck „Reise-Effekten" (Passagiergut) ist nicht enge und namentlich so zu verstehen, als ob er sich nur aus diejenigen Gegenstände bezöge, die der Reisende während der Fahrt aus dem Schiffe bedarf, Prot. S. 2510; es sind darunter die Sachen zu verstehen, die der Reisende als seine persönliche Habe mit sich nimmt, im Gegensatz zu Waaren, die er als Fracht­ gut verladet oder doch dem Sinne des Passagekontrakts gemäß verladen sollte. OLG. Hamburg vom 21. Dezember 1886 (Hans. Ger.-Ztg. 1887 S. 30ff.), mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 289. 290. Ob, wieviele und wie geartete Güter als Reise-Effekten ein Reisender mit sich zu nehmen berechtigt sei, ist aus Grund des Uebersahrtskontraktes, sei es nach seinem ausdrücklichen Inhalte, sei es nach den denselben begleitenden Umständen zu entscheiden. Prot. S. 2509. Die Uebersahrtsbedingungen, welche als lex contractus gelten, bestimmen gewöhnlich die Raummaße, welche die Reise-Effekten haben dürfen und schließen aus verschiedenen Gründen ein­ zelne Kategorien von Gegenständen (z. B. feuergefährliche, Spirituosen, fremde Packete) gänzlich vom Passagiergute aus. Vgl. E. Friedberg a. a. O. S. 330, 331. 291. Die Vermuthung spricht gegen eine Verbindlichkeit des Reisenden, etwas Besonderes

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Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 673. 674.

für diejenigen Effekten zu bezahlen, welche er nach dem Ueberfahrtsvertrage mitzunehmen berechtigt ist. Prot. S. 2509. Im Uebrigen sind in Bezug auf Reisegepäck maßgebend: Art. 674: Kosten der Einladung (Art. 562); Kosten der Ausladung (Art. 594); Frachtwegfall bei Untergang der Güter (Art. 618); Haftung des Verfrachters bei Beschädigung und Untergang (Art. 607—611); unrichtige Bezeich­ nung, Kontrebande und andere gefährdende Güter (Art. 564, 565, auch Straf-GB. § 297, siehe oben abgedruckt zu Art. 564); Verladung auf andere Schiffe (Art. 566); Fälligkeit der Fracht (Art. 620). Art. 675: Pfandrecht. Art. 677: Sorge für die Effekten eines Verstorbenen. Art. 725: Befreiung von Beiträgen zur großen Haverei. 292. Die Mitnahme von Waaren darf nie anders als mit Zustimmung des Schiffers geschehen, und darf diesem das Recht, den Reisenden auf die Mitnahme von Reise-Effekten zu be­ schränken, nicht entzogen werden, weil sonst leicht durch Mitnahme von Kontrebande u. dgl. große Verlegenheiten entstehen könnten. Prot S. 2510. S. § 297 des RStrGB.

Artikel 674. Auf die an Bord gebrachten Reise-Effekten finden die Vorschriften der Artikel 562. 594. 618. Anwendung. Sind dieselben von dem Schiffer oder einem dazu bestellten Dritten über­ nommen, so gelten für den Fall ihres Verlustes oder ihrer Beschädigung die Vorschriften der Artikel 607. 608. 609. 610. 611. Auf sämmtliche von den Reisenden an Bord gebrachte Sachen finden außer­ dem die Artikel 564., 565., 566. und 620. Anwendung. Pr. Entw. Art. 524 Abs. 2, 533. I. L. Art. 585. - Prot. S. 2511, 4039.

Anhalt. Passagebedingungen Passagiergut 289, 290, receptum 293, 294.

290. 294.

Schiffsbesatzung 294. I Uebernahme des Gepäcks | Verschulden 294.

I

293.

293. Mit Rücksicht auf denGebrauch und bei der in den meistenFällen eintretenden Unmöglichkeit, für die von denReisenden nicht abgelieferten Effekten gebührend zusorgen, haftet der Verfrachter für die Effekten der Reisenden nach den Grundsätzen über das receptum nur dann, wenn und soweit eine förmliche Uebernahme derselben stattgefunden hat, s. Prot. S. 2509, und zwar soll nach einer beifallwürdigen Entscheidung des OLG. Hamburg vom 21. Dezember 1886 (s. oben Bem. 289) in der „üblichen Zusammenstauung der Auswanderersachcn in einem Theile des Schiffsraums ohne von Schiffswegen erfolgende Kontrolle der Marken u. s. w. und ohne Verabfolgung eines Empfangsbekenntniffes an die Eigenthümer eine bte Verantwortung aus dem receptum nach sich ziehende Uebernahme" nicht gesehen werden ^mitgetheilt von H. O. Leh­ mann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 289). 294. Der Abs. 1 des Art. 674 bezieht sich auf alle Effekten, die der Reisende mitzunehmen befugt ist, und nicht bloß auf diejenigen, welche er ohne besondere Vergütung mit sich nehmen darf, der Abs. 2 auf das receptum und der Abs. 3 hat nicht bloß die Reise-Effekten (Passagier­ gut) im Auge, sondern alle Gegenstände, die der Reisende mit an Bord gebracht hat. Prot. S. 2511. In Bezug auf alle drei hier unterschiedenen Arten von „Sachen der Reisenden" gilt aber gleichmäßig, daß der Verfrachter für Schädigungen aufzukommen hat, welche aus einem Verschulden der Schiffsbesatzung entsprungen sind. Lewis, Seerecht I. S. 420.

Sechster Titel.

Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden.

Art. 675—677.

1073

Artikel 675. Der Verfrachter hat wegen des Ueberfahrtsgeldes an den von dem Reisenden an Bord gebrachten Sachen ein Pfandrecht. Das Pfandrecht besteht jedoch nur so lange die Sachen zurückbehalten oder deponirt sind. Pr. Entw. Art. 532. I. 8. Art. 586. - Prot. 3. 2511, 1039.

Inhalt. Konkursrecht 295.

205.

Pfandrecht 295.

|

Pfandrecht s. Art. 624 und Konkurs-Ordn. § 41 Ziff. 8.

Artikel 676. Stirbt ein Reisender, so ist der Schiffer verpflichtet, in Ansehung der an Bord sich befindenden Effekten desselben das Interesse der Erben nach den Um­ ständen des Falles in geeigneter Weise wahrzunehmen. Pr. Entw. Ar«. 531 Abs. 3. 1. 8. Art. 579 Abs. 3. - Prot. 3. 2523, 1036.

Inhalt. Beurkundung des Todes 296. Tod 279, 280, 296.

|

I

Ueberfahrtsgeld 296.

296. In Betreff des Ueberfahrtsgeldes eines an Bord Verstorbenen s. Art. 668. Be­ urkundung des Todesfalles s. Art. 487. In Bezug auf die geeignete Jntereffenwahrnehmung — ein Akt provisorischer Verlaffenschaftsgerichtsbarkeit des Schiffsführers — ist an die in Satz 1 des § 18 des Gesetzes betr. die Organisation der Bundeskonsulate u. s. w. (vom 8. November 1867) den Konsuln auferlegte Amtspflicht zu erinnern. 297. Auf das durch eine Charterung mt Sinne des Art. 677 entstandene Rechtsverhältniß zwischen Rheder und Charterer (Schiffsexpedienten u. dgl. — s. oben Bem. 273 Ziff. 1) sind, wie bereits a. a. O. angedeutet, die Bestimmungen des Titel 5 über Güterbeförderung und zwar ohne praktische und rechtliche Schwierigkeiten übertragbar; es gilt dies insbesondere rücksichtlich der Bestimmungen über die Form des Vertrages, die Ladezeit, das Liegegeld und die Fautfracht rc. Nur die Vorschriften über die Aufhebung des Frachtvertrages in Folge zufälliger Ereigniffe können in Ansehung ihrer Anwendbarkeit Zweifel hervorrufen, weil möglicherweise die Passagiere von ihren Verträgen sich lossagen können, während der Expedient seinerseits dem Rheder gegen­ über an den Vertrag gebunden bleibt, was z. B. sich ereignen kann, wenn vor Antritt der Reise eine Verfügung von hoher Hand ergeht. Allein auch hier ist es nicht unbillig, für diese Fäll den bezeichneten Grundsatz gleichfalls konsequent durchzuführen, weil der Expedient die Folgen seiner mißlungenen Spekulation tragen muß. Prot. S. 2531.

Artikel 677. Wird ein Schiff zur Beförderung von Reisenden einem Dritten verfrachtet,^) sei es im Ganzen oder zu einem Theil oder dergestalt, daß eine bestimmte Zahl von Reisenden befördert werden soll, so gelten für das Rechtsverhältniß zwischen *) Bei einer solchen Charterung eines Schiffs durch einen Schiffs-Expedienten sind zweierlei Verträge zu unterscheiden: a) der Vertrag zwischen Rheder und Expedient, die Schiffsmiethe (Charterung) — hier­ über ist so viel als thunlich Tit. V maßgebend — und b) die Verträge zwischen den Expedienten und den Reisenden (Paffageverträge); — hierauf ist Tit. VI anzuwenden. Vgl. W. Lewis, Seerecht, 2. Aufl., Bem. zu Art. 677. FuchSberger und GareiS, ADHGB.

68

1074

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 677—679.

dem Verfrachter und dem Dritten die Vorschriften des fünften Titels, soweit die Natur der Sache die Anwendung derselben zuläßt. Fehlt Im Pr. E-iltw. - I. 8. Art. 587. - Prot. S. 253» ff., 4039.

Anzahl der Passagiere 298. Charterung 297.

Anhalt. ; exceptio nondum adimpleti contractus 298 I Raummangel 298.

298. Ob in dem Falle, wo tue Beförderung einer bestimmten Anzahl von Reisenden dm Gegenstand des Vertrages bildet, ine Bestimmungen über den Chartervertrag oder tue über Stückgüterladungen zur Anwendung kommen, ist quaestio facti, indem alles hier auf den Inhalt des Vertrages, die Größe und Beschaffenheit des Schiffes, sowie tue Zahl der Passagiere ankommt. Ist hiernach ausdrücklich oder stillschweigend tue Ueberlassung bestimmter Räume des Schiffes oder des ganzen Schiffes an tue Reisenden vereinbart, so kommen die ersteren Grundsätze zur An­ wendung, sonst die letzteren. Prot. S. 2531. Ueber die Frage, ob bei einem zur Beförderung von Reisenden zur See abgeschlossenen Frachtverträge der Befrachter zu einer verhältmßmäßigen Kürzung des bedungenen Frachtgeldes berechtigt ist, wenn sich herausstellt, daß das Schiff statt der vom Verfrachter dem Befrachter garantierten größeren Anzahl voll Personenplätzen nur eine kleinere Anzahl derselben hat, oder ob der Befrachter nur die Wahl entweder zwischen der gänzlichen Zurückweisung der Benutzung des Schiffes oder einem Ansprüche auf Schadensersatz hat, findet sich im Seerecht überhaupt (und namentlich auch im V. Titel) keine Bestimmung; es ist sonach nach Art. 1 des HGB. das allge­ meine bürgerliche Recht maßgebend. Hierüber s. Fuchsberger a. a. O. S. 255—257, aus­ führlich nach Entsch. des ROHG. Bd. XXII S. 206—212. Vom Standpunkte des gemeinen Rechts wird man annehmen dürfen, daß m dem erwähnten Falle der Befrachter dem Verfrachterfür jeden fehlenden Platz den betreffenden Preis hierfür vermöge der exceptio non adimpleti contractus vorenthalten, nicht aber das Schiff zurückweisen oder Schadensersatz fordern kann, denn es handelt sich hier nicht um eine vom Verfrachter zugesicherte Eigenschaft des Schiffes Vgl. ROHG. a. a. O.

Artikel 678 Wenn in den folgenden Titeln dieses Bnchcs die Fracht erwähnt wird, so sind unter dieser, sofern nicht das Gegentheil bestimmt ist, auch die Ueberfahrtsgelder zu verstehen. F-Htt In de» E»th>. - Prot. ie Uodmerei. 1. Unter Bodmerei wird eine dem Seerecht eigenthümliche Art von Darlehen (f. Bem. 16) mit Konventionalpfand verstanden; das Eigenthümliches dieses Rechtsgeschäfts, welches nicht als *) Ueber das Charakteristische der Bodmerei s. R. Schröder in Endemarm's Hdbch. Bd. IV. 1. S. 250ff. und Ehrenberg, Beschränkte Haftung des Schuldners nach See- und Handelsrecht, 1880 S. 42ff., 179ff. und die bei Schröder tu a. O. sonst angegeb. Literatur.

1076

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 680. 681.

Versicherungsvertrag aufgefaßt werden darf und von den Motiven zur deutschen Konkursordnung (§§ 39, 40) unter die Fälle des KonvenNonalpfandes gestellt wird, liegt zunächst darin, daß zur Sicherung des Darlehens das Schiff (oder die Fracht und die Ladung oder das Eme und Andere hiervon) verpfändet — verbodmet — ist und für die Rückzahlung hastet, und daß diese Rück­ zahlung

regelmäßig

nur

im

Falle

glücklicher

Vollendung

einer

bestimmten

Unternehmung

(„Bodmereireise") verlangt werden kann, so daß demnach der Bodmereigläubiger (Bodmerist) die Gefahr der Bodmereirelse insoferne trägt, als er das Darlehen nicht zurückfordern kann, wenn der verbodmete Gegenstand auf dieser Reise zu Grunde ging.

Ein Bodmereidarlehen kann auf­

genommen werden vom Schiffer, vom Rheder und vom Befrachter. vom Schiffer als solchem in gesetzlich vorgesehenen Fällen

Diejenige Bodmerei, welche

(Art. 681, Nothfällen) eingegangen

-wird, heißt eigentliche Bodmerei oder Nothbodmerei;*2) ihr steht gegenüber die uneigent­ liche Bodmerei, deren Hauptfälle das „Beilbrief-Darlehen", welches der Rheder, und Großavqnturei-Vertrag (oder die Respondentia), welchen der Befrachter eingeht.3)

der

Unser siebente Titel (Art. 680—700) handelt von der eigentlichen Bodmerei; die Be­ stimmungen über die Fälle der uneigentlichen Bodmerei sind durch Art. 701 den Landes­ gesetzen vorbehalten worden. Die Bodmerei ist ein absolutes oder objektives Handelsgeschäft (Art. 271 Ziff. 4) und daher subsidiär den allgemeinen Bestimmungen über Handelsgeschäfte (Art. 271—336),

jedoch die

eigentliche Bodmerei dem Erforderniß der Schriftlichkeit (s. Art. 683) unterworfen. Der Rheder und Frachtforderungsberechtigte haften übrigens, und dieses ist wesentlich, nicht persönlich für Bodmereidarlehen (RG. XIX. 89), res sola obligata est, ohne daß jedoch eine eigene juristische Person als haftend angenommen werden müßte oder dürfte. Lewis a. a. O. II. S. 4; Ehrenberg a. a. O. S. 445; Matthiaß a. a. O. S. 108. 2.

Literatur: R. Schröder, Die Bodmerei, in Endemann's Hdbch. Bd. IV §§ 46—47

S. 235—258; Behrend in v. Holtzendorff's Rechtslexikon unter „Bodmerei"; Ehrenberg, Beschränkte Haftung u. s. w. S. 42 ff.; Th öl, HR. § 313; Lewis, Seerccht Bd. II 1884 S. 1—39; Makower, Komm., 10. Aust. S. 686—698; Max Mittelstein, Deutsches Schiffspsandrecht und Schiffsgläubigerrecht, Hamburg 1889 (309 Seiten); Lyon-Caen & Renault, Precis T. II p. 464—506 (du pret ä la grosse); Cosack, HR. § 43; Gareis, HR. § 123. Geschichte der Bodmerei: R. Schröder a. a. O. S. 235 ff.; L. Goldschmidt, Untersuchungen zu 1. 122 § 1. D. d. V. 0. (1855); B. Matthiaß, Das foenus nauticum und die geschicht­ liche Entwicklung der Bodmerei, Würzburg 1881. Namen der Bodmerei s. N. Schröder a. a. O. S. 245 Anm. 39, 40.

Formulare eines deutschen, französischen und englischen Bodmereibriefs

s. bei E. Friedberg, Formelbuch S. 331—334. 3.

Der Schiffer braucht nicht ausdrücklich zu erklären, daß der Gläubiger nur an den

verbodmeten Gegenstand sich zu halten befugt sein soll; es muß vielmehr angenommen werden, daß die Parteien die betreffende Bestimmung auch dann vereinbart haben, wenn der Vertrag dahin lautet, daß ein Bodmereivertrag geschlossen werde, oder wenn eine ähnliche Ausdrucksweise ge­ braucht ist.

Prot. S. 4042.

Artikel 681. Bodmerei kann von dem Schiffer nur in folgenden Fällen eingegangen werden:

*) Ueber anderweite Schiffsverpfändung s. unten Art. 779 Anm. — Schiffs­ gläubigerrecht s. Art. 762, 758. 2) Ueber die Nothbodmerei des Schiffers als solche s. N. Schröder a. a. O. S. 248, 249. 3) Gareis, HR. S. 786; Cosack, HR. S. 232.

Siebenter Titel.

Von der Bodmerei.

Art. 681.

1077

1) während das Schiff außerhalb des Heimathshafens sich befindet, zum Zweck der Ausführunq der Reise nach Maaßqabe der Artikel 497. 507. bis 509. und 511.; 2) während der Reise im alleinigen Interesse der Ladungsbetheiligten zum Zweck der Erhaltung und Weiterbeförderung der Ladung nach Maaßgabe der Artikel 504. 511. und 634. In dem Falle der Ziffer 2. kann der Schiffer die Ladung allein ver­ bodmen, in allen übrigen Fällen kann er zwar das Schiff oder die Fracht allein, die Ladung aber nur zusammen mit dem Schiff und der Fracht verbodmen. In der Verbodmung des Schiffs ohne Erwähnung der Fracht ist die Ver­ bodmung der letzteren nicht enthalten. Werden aber Schiff und Ladung ver­ bodmet, so gilt die Fracht als mitverbodmet. Die Verbodmung der Fracht ist zulässig, so lange diese der Seegefahr noch nicht entzogen ist. Auch die Fracht desjenigen Theils der Reise, welcher noch nicht angetreten ist, kann verbodmet werden. Pr. E,,«w. Art. 550. I. £. Ar«. 589. - Prot. 3. 2545 ff., 2940, 2945 ff., 2970, 4044.

Inhalt. Bedürfniß 6, 21.

Beschränkung des Schiffers 5, 6, s. Art. 497. Frachtverbodmung 8, f. auch Art. 678. Heimathshafen 4.

Ladungsbetheiligte s. Art. 504 Bem. 219. —

-Verbodmung 9.

Theilverbodmung 10. Voraussetzungen 4—7, 21.

4. Das Schiff muß sich außerhalb des Heimathshafens befinden, denn die sogenannte ausgehende Bodmerei ist unbedingt, selbst wenn Rheder und Befrachter den Auftrag ertheilt haben, ausgeschlossen. Schröder in Endemann's Hdbch. für HR. rc. Bd. IV. 1. S. 250. Ein Beispiel zu Art. 681 Ziff. 1 s. RG. XIX. 89 ff. 5. Eine Beschränkung der gesetzlichen Befugnisse des Schiffers durch den Rheder kann dem Bodmereigeber nur entgegengesetzt werden, wenn ihm die Kenntniß derselben nachgewiesen wird. (Art. 500.) 6. Der Schiffer muß sich innerhalb der Grenzen des Bedürfnisses gehalten haben; es hat jedoch der Bodmereigeber immer nur, seinen guten Glauben vorausgesetzt, die objektive Seite und nicht die subjektive Zweckmäßigkeit der von dem Schiffer ergriffenen Maßregel zu prüfen, z. B. ob der Schiffer sonst keine Mittel zur Verfügung hat, ob ihm nicht etwa günstigere Kreditgeschäfte zu Gebote stehen, ob er die Bodmereigelder wirklich für den Zweck, für den sieerhoben sind, ver­ wendet. Schröder a. a. O. S. 251 und die in Note 6 Citierten. 7. Der Mangel der gesetzlichen Voraussetzungen der Bodmerei befreit den Eigenthümer derverbodmeten Gegenstände von jeder Verbindlichkeit gegenüber dem Bodmereigeber wie dem Indossatar des an Order ausgestellten Bodmereibriefes (Art. 687 Abs. 4); es bleibt diesen nur die persönliche Klage gegen den Schiffer, der seine Befugnisse überschritten hat. (93gl. Art. 502.) 8. Die Verbodmung der Frachtx) ist auch dann gestattet, wenn sie schon im Voraus er­ hoben oder an einen Dritten cediert ist. denn die Fracht ist noch fortwährend der Seegefahr aus­ gesetzt und geht verloren, wenn das Schiff und die Ladung vor Erreichung des Bestimmungs­ hafens zu Grunde gingen; es kommt also die Bodmerei auch der Fracht zu Gute. Prot. S. 2545.

x) Die Rechtsnatur der Fracht als selbständiges Vcrmögensobjekt hebt mit Recht hervor Mittelstein a. a. O. S. 34, 35.

1078

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 681—683.

Die Bodmerei kann sich aus bereits erworbene Frachtforderungen, die keiner Seegefahr mehr ausgesetzt sind, nicht erstrecken, wohl aber auf die gesammte, noch einer Seegefahr ausgesetzte Fracht, welche am Zahlungsorte fällig wird, wenn auch zur Zeit der Verbodmung für den Er­ werb derselben durch theilweise Ausführung der Reise schon etwas geschehen ist. Prot. S. 2546. 9 Die Verbodmung der Ladung allein ist nur zulässig, wenn es sich ausschließlich um das Interesse der Ladung handelt. Die Verbodmung der Ladung allein trotz des Verbotes macht die Verbodmung ungültig. Prot. S. 2948. 10 Die Verbodmung einzelner Theile des Schiffes oder der Ladung ist ausgeschlossen. Schröder a. a. O. S. 251 zu Anm. 11. Das Zubehör (Art. 443) gilt als implizite mit­ verpfändet; s. Mittel stein a. a. O. S. 33, 34.

.

.

Artikel 682. Die Höhe der Bodmereiprämie ist ohne Beschränkung dem Uebereinkommen der Parteien überlassen. Die Prämie umfaßt in Ermangelung einer entgegenstehenden Vereinbarung auch die Zinsen. Pr Entw. Art. 537. I. L. Art. 590. — Prot. S. 2554, 4044.

Inhalt. Bodmereiprämie 11. efte Prämie 11. ereinbarung 3, 15.

g

i Voraussetzungen 4—7, 21 Zeitprämie ll. | Zinsvergütung ll.

.

11 Die Verabredung der Zinsvergütung und der Entschädigung für die Gefahr geschieht gewöhnlich in Einer Summe; es ist deshalb im Zweifel die Annahme berechtigt, daß die Zinsen in der Prämie mit enthalten sind. Motive S. 293. Die Prämie kann als fester Betrag oder als Zeltprämie vereinbart werden. Vgl. Art. 688.

Artikel 683. Ueber die Verbodmung muß von dem Schiffer ein Bodmereibrief aus­ gestellt werden. Ist dieses nicht geschehen, so hat der Gläubiger diejenigen Rechte, welche ihm zustehen würden, wenn der Schiffer zur Befriedigung des Bedürfnisses ein einfaches Kreditgeschäft eingegangen wäre. Pr. Entw. Art. 538 Abs. 1, 539. I. L. Ar«. 591. - Prot. @. 2561 ff., 4014.

Inhalt. AbsonderungS recht 14. Bodmereibrief 12, 15, 20, 22, 24, 25. c au säe cognitio 12. Formular 2. lieben und Nehmen des Bodmereibriefs 12.

.

Konkursrecht 14, 42. Mangelnder Bodmereibrief 13. Schriftlichkeit 12. Vereinbarnng 3. Voraussetzungen 4—7, 21.

12 Ein unbedingtes Erforderniß der Gültigkeit des Bodmereivertrages ist die Schriftlich­ keit; es verkörpert sich die Bodmereiforderung ebenso in dem Bödmereibriefe, tote die Wechsel­ forderung im Wechselbriefe. Es gewinnt aber die zunächst cinsettig ausgestellte Urkunde des Bodmereinehmers erst durch die Annahme von Seiten des Gläubigers den Charakter einer zwei­ seitigen Vertragsurkunde und deshalb wird der Bodmereivertrag geschlossen durch das Geben und Nehmen des vom Schiffer ausgestellten Bodmereibriefes. Schröder a. a. O. S. 252 ff. Eine causae cognitio rücksichtlich der Nothwendigkeit des Bodmereivertrages hat demselben nicht voran­ zugehen. Prot. S. 2554—2562. 13 Wird ein Bodmereibrief nicht ausgestellt, so erwirbt der Gläubiger nur die aus einem gewöhnlichen Kreditgeschäfte folgenden Rechte; das Geschäft ist als ein bloßes Darlehensgeschäft zu

.

behandeln, der Gläubiger erwirbt sonach, wenn er dem Rheder gegenüber nicht die Rechte eines Schiffsgläubigers erlangt, kein Pfandrecht, kann statt der Prämie im Zweifel nur die kauf­ männischen oder landesüblichen Zinsen fordern, die Haftung des Rheders oder des Befrachters bleibt eine unpersönliche und muß der Bodmereigeber gleich jedem anderen Schiffsgläubiger nach­ weisen, daß die Eingehung des Geschäftes nothwendig gewesen ist. S. hierüber Prot. S. 2554 bis 2565. 14. Der Bodmereibrief gewährt ein Absonderungsrecht an den verbodmeten Gegenständen im Sinne des § 40 der D. R.-Konk.-Ordn., was durch § 14 Abs. 2 Ziff. 2 des Einf.-Ges. zur Konk.-Ordn. bestimmt ist.

Artikel 684. Der Bodmereigeber kann verlangen, daß der Bodmereibrief enthalte: 1) den Namen des Bodmereigläubigers; 2) den Kapitalbetrag der Bodmereischuld; 3) den Betrag der Bodmereiprämie oder den Gesammtbetrag der dem Gläubiger zu zahlenden Summe; 4) die Bezeichnung der verbodmeten Gegenstände; 5) die Bezeichnung des Schiffs und des Schiffers; 6) die Bodmereireise; 7) die Zeit, zu welcher die Bodmereischuld gezahlt werden soll; 8) den Ort, wo die Zahlung erfolgen soll; 9) die Bezeichnung der Urkunde im Kontext als Bodmereibrief, oder die Erklärung, daß die Schuld als Bodmereischuld eingegangen sei, oder eine andere das Wesen der Bodmerei genügend bezeichnende Erklärung; 10) die Umstände, welche die Eingehung der Bodmerei nothwendig gemacht haben; 11) den Tag und den Ort der Ausstellung; 12) die Unterschrift des Schiffers. Die Unterschrift des Schiffers muß auf Verlangen in beglaubigter Form ertheilt werden. Pr. Entw. Art. 538. I. L. Art. 592. — Prot. S. 2565, 4044 ff. Inhalt. Abweichendes Ortsrecht 19. Bedürfniß 21, 23. Beglaubigung 15 Bestimmungshafen 18, 27, 38. Bodmereibrief 12, 15, 20, 22, 24, 25, 31. — -darlehen l, 3, 4 ff., 16. — -Hafen 18. — -reife 18, 27, 29, 38. Darlehen 16. Exemplare, mehrere 24. Fälligkeit 27. Formale Bezeichnung 20.

Indossament 22. Inhalt, wesentlicher 15ff. Konsularurkunde 23. Nationalität deß Schiffers 71. Order papier 22, 25. Orts recht 19. Reise 18, 27, 29, 38. Schiffer 17. s. auch Art. 497. Unterschrift, Beglaubigung der — 15. Zahlungsort 27, 28. — -zeit 19, 27. Zwischenhafen 18.

15. Art. 684 schreibt nur vor, was auf Verlangen des Gläubigers in die Urkunde auf­ genommen werden müsse; es haben also die hier aufgezählten Momente keine solche Bedeutung» daß ohne sie der Bodmereibrief nicht zu Recht besteht. Es ist in jedem einzelnen Falle zu be­ urtheilen, welche Momente als wesentliche zu betrachten sind; regelmäßig genügt es, wenn

1080

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 684. 685.

der Bodmereibrief alles enthält, was zum Wesen einer Geschäftsurkunde und zum Wesen eines Bodmereivertrages gehört. (S. Prot. S. 2566.) Ueber Beglaubigung der Unterschrift s. RG. betr. die Organisation der Bundeskonsulate rc. vom 8. November 1867, §§ 14, 15. RG. betr. die Beglaubigung öffentlicher Urkunden vom 1. Mai 1878. CPO. § 403. 16. Ziff. 2 des Art. 684. Der Ausdruck „Bodmereidarlehen" wurde deshalb vermieden, weil das dem Bodmereikontrakt zu Grunde liegende Rechtsgeschäft nicht immer ein eigentliches Darlehen ist, ja nicht einmal mit Grund verlangt werden kann, daß das Rechtsgeschäft immer vor Ausfertigung des Bodmereibriefes durch eine besondere Uebereinkunft der Kontrahenten in ein Darlehen verwandelt werde. (Prot. S. 2566.) 17. Ziff. 5 des Art. 684. Die Angabe der Nationalität des Schiffes im Bödmereibriefe wurde deshalb vermieden, weil solche in Kriegsfällen gefährlich werden könnte. Prot. S. 2567. 18. Ziff. 6 des Art. 684. Bodmereireise, d. h. diejenige Reise, für welche der Bodmerei­ geber die Gefahr übernimmt. Hierzu gehört natürlich auch die Angabe des Bestimmungsortes, wenn aber der Endpunkt zwischen Verfrachter und Befrachter noch nicht ausgemacht worden ist, weil z. B. das Schiff erst noch einen Hafen anlaufen muß, um dort seinen Bestimmungsort zu erfahren, so kann selbstverständlich ein Bestimmungsort in den Bodmereibrief nicht aufgenommen werden. Prot. S. 2567. 19. Ziff. 7 des Art. 684. Die Aufnahme der Zahlungszeit in den Bodmereibrief er­ achtete man für den Fall des Verlangens seitens des Bodmereigebers selbst dann als geboten, wenn die Parteien es bei der gesetzlichen Zahlungszeit von acht Tagen nach der Ankunft des Schiffes im Bestimmungshafen der Bodmereireise belassen sollten, weil in diesem Hasen ein abweichendes Recht gelten und es mit Rücksicht hierauf für den Gläubiger von Wichtigkeit werden könne, daß im Bodmereibrief die kontraktliche, bezw. die gesetzliche Zahlungszeit von acht Tagen erwähnt werde. Prot. S. 4046. 20. Ziff. 9 des Art. 684. Die formale oder unzweideutige Bezeichnung der Urkunde als Bodmereibrief oder des Geschäfts als Bodmerei ist erforderlich, um den Gegensatz der Bod­ merei zu einfachen Kreditgeschäften hervorzuheben und Verwechselungen derselben vorzubeugen. Prot. S. 2568, 2569. 21. Ziff. 10 des Art. 684. Zweck dieser Vorschrift ist, den Bodmereigeber in den Stand zu setzen, zu seiner Sicherheit (s. Bem. 6 u. 7) die nöthigen Nachforschungen darüber anzustellen, ob die Angaben des Schiffers richtig sind, und sich mit den etwa erforderlichen Beweismitteln zu versehen. Auch im Interesse der anderen Betheiligten ist die hier erwähnte Bemerkung ohne Zweifel von großem Werth, da sie Anhaltspunkte für die Beurtheilung der Redlichkeit oder Un­ redlichkeit des Verfahrens des Schiffers bietet und die Grundlage zu einem Gegenbeweis liefern kann. Prot. S. 2569, 2570.

Artikel 685. Auf Verlangen des Bodmereigebers ist der Bodmereibrief, sofern nicht das Gegentheil vereinbart ist, an die Order des Gläubigers oder lediglich an Order zu stellen. Im letzteren Falle ist unter der Order die Order des Bodmereigebers zu verstehen. Fehlt tu den Entw. - Prot. S. 4015. Inhalt. Bodmereibrief 12, 15, 20, 22, 24, 25, 31. Einrederecht 26. Indossament 22, 25.

Orderpapier 22, 25. Präsentationspapier 28.

22. Im Falle des Ausstellens des Bodmereibriefes als Orderpapier gehört er zu den im HGB. anerkannten sieben Orderpapieren (Art. 301 —303) und kann von dem Bodmereigeber durch Indossament übertragen werden (Art. 687 Abs. 3).

Artikel 686. Ist vor Ausstellung des Bodmereibriefs die Nothwendigkeit der Eingehung des Geschäfts von dem Landeskonsul oder demjenigen Konsul, welcher dessen Geschäfte zu versehen berufen ist, und in dessen Ermangelung von dem Gerichte oder der sonst zuständigen Behörde des Orts der Ausstellung, sofern es aber auch an einer solchen fehlt, von den Schiffsoffizieren urkundlich bezeugt, so wird angenommen, daß der Schiffer zur Eingehung des Geschäfts in dem vorliegenden Umfange befugt gewesen sei. Es findet jedoch der Gegenbeweis statt. Pr. Entw. Art. 420, 550. I. L. Art. 593. - Prot. S. 2555 ff., 2579 ff., 4016 ff. Beweis 23. Bodmereibrief 12, 15, 20, 22, 24, 25, 31. Konsularurkunde 23.

Rechtsvermuthung 23. Schiffer s. Art. 497. Schiffsoffiziere s. Art. 445 Bem. 37.

23. Die hier erwähnte Konsular-^ oder Gerichtsurkunde oder das Schiffsrathsprotokoll haben nur eine Bedeutung für den Beweis. Da nämlich dem Bodmereiverträge betreffs seiner Nothwendigkeit eine causae cognitio nicht vorangehen muß (Prot. S. 2561) und deshalb der Bodmereigläubiger oder dessen Indossatar im Falle Bestreitens das Vorhandensein aller gesetzlichen Voraussetzungen der Bodmerei nachzuweisen hat, so kann der Gläubiger, um der ihm obliegenden, oft schwierigen Beweislast auszuweichen, den ihm hier angezeigten Weg wählen, denn für den Fall der Errichtung einer solchen Urkunde gelten die gesetzlichen Voraussetzungen der Nothbodmerei rechtsvermuthungsweise als vorhanden, so lange nicht der Schuldner im Wege des Gegenbeweises die Unrichtigkeit jener Feststellung erwiesen hat. (Prot. S. 2581.) Nicht der Nachweis des Gegentheils, sondern der Gegenbeweis überhaupt findet statt. Würde ersterer, der dem Rheder wohl nur höchst selten gelingen würde, gefordert, so würde es z. B. zur Entlastung des Rheders nicht genügen, wenn dieser zu beweisen vermöchte, daß das Zeugniß durch Bestechung der Behörde zu Stande gekommen sei rc. Prot. S. 4047.

Artikel 687. Der Bodmereigeber kann die Ausstellung des Bodmereibriefs in mehreren Exemplaren verlangen. Werden mehrere Exemplare ausgestellt, so ist in jedem Exemplar anzu­ geben, wie viele ertheilt sind. Der Bodmereibrief kann durch Indossament übertragen werden, wenn er an Order lerntet. Der Einwand, daß der Schiffer zur Eingehung des Geschäfts überhaupt oder in dem vorliegenden Umfange nicht befugt gewesen sei, ist auch gegen den Indossatar zulässig. Pr. Entw. Art. 543. I. L. Art. 594. - Prot. S. 2575 ff., 4047 ff.

Inhalt. Bezeichnung jedes Exemplars 24. Bodmereibrief 12, 15, 20, 22, 24. 25, 31. Einrederecht 26. Exemp la re, mehrere 24. Fälligkeit 27.

Indossament 22, 25. Inkasso 25, 29. Orderpapier 22, 25. P r ä s e n t a t i o n s p a p i c r 28.

*) Vgl. RG. betr. die Organisation der Bundeskonsulate vom 8. November 1867, § 37.

1082

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Art. 687. 688.

24. Abs. 2 des Art. 687. Bei Ausstellung einer Schuldurkunde in mehreren Exemplaren muß nothwendig jedes einzelne Exemplar ergeben, mte viele ertheilt sind, weil sonst ungewiß bleibt, auf welches Geschäft sich das einzelne Exemplar bezieht. Zugleich soll aber hiermit ausgedrückt fern, wieviele Exemplare der Gläubiger in Händen haben müsse, um mit voller Sicherheit auf Zahlung der Schuld rechnen zu können. Prot. S. 2576, 2577. Wenn der Vorschrift des Abs. 2 nicht genügt ist, so sind zwar die Exemplare des Bodmerei­ briefes nicht ungültig, allein der Aussteller, der durch Uebertretung dieser Vorschrift Dritte benachtheiligt, muß für alle von ihm in Verkehr gesetzte Exemplare haften. S. Prot. S. 2577 und 4047. 25. Abs. 3 des Art. 687. Die Bödmereibriefe werden in der Regel nur zum Inkasso indossiert; eine Indossierung in der Absicht, die Bödmereibriefe als negoziable Papiere in den Verkehr zu setzen, ist ungewöhnlich. Die Jndossabilität der Bödmereibriefe erscheint nicht deshalb, weil dieselben etwa häufig Gegenstand eines kaufmännischen Umsatzes gleich den Wechseln sind, sondern darum unentbehrlich, weil der Bodmereigeber nur selten in Person mit Einhebung seiner Forderung sich zu befassen im Stande ist, sondern regelmäßig eines Vertreters oder einer Mittels­ person und m dieser Beziehung das Geschäft emer Erleichterung bedarf, wodurch zugleich das Interesse des Nehmers gefördert wird. Prot. S. 2577, 4045. 26. Abs. 4 des Art. 687. Das Gesetz läßt hier die bei den Orderpapicren öffentlichen Glaubens sonst nicht vorkommende Beschränkung eintreten, daß dem Indossatar die Einrede un­ gehöriger Begründung des Bodmereigeschäftes auf Seiten des Schiffers entgegengesetzt werden kann. Schröder a. a. O. S. 251 Note 31. Vgl. oben 93ent. 6, 7.

Artikel 688. Die Bodmereischuld ist, sofern nicht in dem Bödmereibriefe selbst eine andere Bestimmung getroffen ist, in dem Bestimmungshafen der Bodmereireise und am achten Tage nach der Ankunft des Schiffs in diesem Hafen zu zahlen. Von dem Zahlungstage an laufen kaufmännische Zinsen von der ganzen Bodmereischuld einschließlich der Prämie. Die vorstehende Bestimmung kommt nicht zur Anwendung, wenn die Prämie nach Zeit bedungen ist; die Zeitpränne läuft aber bis zur Zahlung des Bod­ mereikapitals. Pr. (glitte. Art. 545 Abs. 1 u. 2. I. £. Art. 596 Abs. 1, 2 «. 3. - Prot. S. 2581 ff., 4049 ff. Bestimmungshafen 27. Einstellung der Reise 29. Fälligkeit 27. Holschuld 28. Mnhnschuld 28. Prämie 11. Präsentationspapier 28.

Inhalt. Reise 18, 27, 29, 38. Verzugszinsen 30. Zahlungsort 19, 27, 28. — -zeit 19, 27, 31. Zeitprämre n. Zinsen li, 28, 30, 32.

27. Im Bestimmungshafen der Bodmeretreise oder, wenn die Reise in einem anderen Hafen endigt, am achten Tage nach der definitiven Einstellung der Reise; für den Fall, daß dieser Tag ein Sonntag oder allgemeiner Feiertag ist, an dem nächsten Werktage darauf (s. HGB. Art. 329). Im Falle Liegens des Schiffes m einem Zwischenhafen und Bereithaltens desselben zum Wiederauslaufe kann natürlich von einer Reise-Emstellung nicht die Rede sein; es muß die­ selbe vielmehr durch äußere Maßregeln, wie z. B. Abtakelung, Löschung rc., zum Ausdruck gebracht sein. Der Tag der Erreichung des Bestimmungshafens oder der Einstellung der Reise in einem andern Hafen wird in die achttägige Frist nicht mit eingerechnet (Art. 328 Zrff. 1). S. hierüber Schröder a. a. O. S. 254 Note 35. 28. Die Bodmereischuld ist eine Holschuld. Zahlungsort ist im Zweifel der Ort, wo die Reise endigt.

Siebenter Titel.

Von der Bodmerei.

Art. 688—690.

1083

Da die Bodmereischuld eine Mahnschuld ist, so sind die Zinsen keine Verzugszinsen, betragen jedoch nach Art. 287 Abs. 2 (wegen Art. 271 Ziff. 4) 6 °/0- Makower, Komm. S. 691 (der die Ausdrücke „Zahlungszeit" und „kaufmännische" Zinsen hier tadelt). Abweichend von der bei Präsentationspapieren geltenden Regel lausen die Zinsen von dem Betrage der Forderung schon vor Eintritt der Präsentation. Schröder a. a. O. S. 254 Note 36. 29. Die durch eine vorzeitige Einstellung der Reise herbeigeführte frühere Zahlung begründet keinen Anspruch auf Ermäßigung der Prämie. S. Art. 699 Abs. 2. 30. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze über die Beendigung des Laufes der Zinsen sind durch die Bestimmung des Abs. 2 nicht beseitigt. Ist der Gläubiger in mora accipiendi oder liberiert sich der Schuldner durch Deposition der Schuld, so hört die Zinsverbindlichkeit auf. Prot. S. 2585.

Artikel 689. Zur Zahlungszeit kann die Zahlung der .Bodmereischuld dem legilimirten Inhaber auch nur eines Exemplars des Bodmereibriefs nicht verweigert werden. Die Zahlung kann nur gegen Rückgabe dieses Exemplars verlangt werden, auf welchem über die Zahlung zu quittiren ist. Pr. Entw. Art. 545 Abs. 1 u. 2. I. L. Art. 596 Abs. 1, 2 u. 3. — Prot. S. 2581, 2586, 4047 ff., 4052 Inhalt. Bodmereibrief 12, 15, 20, 22, 24, 25, 31. Einrederecht 26. Exemplare, mehrere 24.

I I

Fälligkeit 27. Zahlung ohne Brief 31. — vor Zahlungszeit 31.

31. Es ist keineswegs die Absicht des Abs. 1, zu bestimmen, daß die Bodmereischuld dem Gläubiger nicht früher als zur Zahlungszeit entrichtet werden dürfe. Seine Absicht geht vielmehr dahin, auszusprechen, daß die Zahlung der Bodmereischuld zur Zahlungszeit deshalb, weil nur ein Exemplar des Bodmereibriefes oder doch nicht alle Exemplare vorhanden sind, nicht verweigert werden dürfe. Der Abs. 1 ist deshalb nicht auf indossable Bödmereibriefe zu beschränken, denn wenn der Bodmereibrief nicht indossabel ist, so muß die Bodmereischuld dem Bodmereigeber als dem ursprüng­ lichen Gläubiger oder dem Cessionar, Erben desselben u. dgl., wenn einmal feststeht, daß ihnen diese Qualifikation zukommt, an und für sich selbst dann bezahlt werden, wenn gar kein Exemplar der Urkunde vorgelegt wird. Doch nach manchen Gesetzgebungen würde der Schuldner nicht anders als gegen Rückgabe des Schuldbriefes zu zahlen verpflichtet sein. Prot. S. 4048.

Artikel 690. Melden sich mehrere gehörig legitimirte Bodmereibriefs-Inhaber, so sind sie sämmtlich zurückzuweisen, die Gelder, wenn die verbodmeten Gegenstände befreit werden sollen, gerichtlich oder in anderer sicherer Weise niederzulegen und die Bodmereibriefs-Inhaber, welche sich gemeldet haben, unter Angabe der Gründe des Verfahrens hiervon zu benachrichtigen. Wenn die Niederlegung nicht gerichtlich geschieht, so ist der Deponent be­ fugt, über sein Verfahren und dessen Gründe eine öffentliche Urkunde errichten zu lassen und die daraus entstehenden Kosten von der Bodmereischuld abzuziehen. Pr. Entw. Art. 614. I. 8. Art. 595 Abs. 2 «i. 3. - Prot. S. 2581, 4048.

Anhalt. Aufschub der Zahlung 32. Bodmereibrief 12, io, 20, 22, 24, 25, 31.

Zahlung ohne Brief 31.

Zinsen 11, 28, 30, 32. Zurückweisung 32.

1084

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 690—693.

32. Die Zurückweisung der Präsentanten dauert so lange, bis durch Uebcrcmkunft oder rechtskräftiges Erkenntniß festgestellt ist, wem tue Forderung zusteht. Die Hinterlegung, sowohl die gerichtliche wie außergerichtliche, befreit von der Verpflichtung zu weiterer Verzinsung oder zur Fortentrichtung der Zeitprämie.

Artikel 691. Dem Bodmereigläubiger fällt weder die große noch die besondere Haverei zur Last. Insoweit jedoch die verbodmeten Gegenstände durch große oder besondere Haverei zur Befriedigung des Bodmereigläubigers unzureichend werden, hat derselbe den hieraus entstehenden Nachtheil zu tragen. Fehlt im Pr. Entw. I. £. Art. 597. - Prot. S. 2744, 2776, 4052. Glüubigerlage 33, 34. Haverei 33. — große s. Art. 702 Sem. 2.

Inhalt. i Haverei, besondere s. Art. 702 Sem. 2, 14, 85. I Sicherung des Gläubigers 34. > Wesen der Sobmerei i, 2.

33. Der Bodmereigläubiger leidet durch die Werthsverringerung in Folge besonderer Haverei und durch das Vorzugsrecht der Vergütungen für große Haverei. Er würde also doppelt zahlen, wenn ihm noch besondere Beiträge zu den verschiedenen Havereien auferlegt würden. Vgl. Art. 725 a. E.

Artikel 692. Die sämmtlichen verbodmeten Gegenstände haften dem Bodmereigläubiger solidarisch. Auch schon vor Eintritt der Zahlungszeit kann der Gläubiger nach An­ kunft des Schiffs im Bestimmungshafen der Bodmereireise die Beschlagnahme der sämmtlichen verbodmeten Gegenstände nachsuchen. Pr. Entw. »ft. 636 Abs. 2, Art. 546 Abs. 1. I. L. Art. 593. - Prot. 3. 2586, 4052. Gläubiger reckt 33, 34. Kosten der Beschlagnahme 35. Schiffer Haftung 36.

Inhalt. Sicherung des Gläubigers 34. Solidarschuld s Art. 281. ZahlungSzeit 19, 27, 31

34. Das in Abs. 2 dem Bodmereigläubiger gewährte Sicherhettsmittel wurde in dessen Interesse statuiert, da er sich nur an die verbodmete Sache halten kann — res sola obligata est, s. Bem. 1 — und gegen den Art. 697 Abs. 3 zu schützen ist. S. Prot. S. 2586. 35. Der Antrag, daß zur Vermeidung von Chikane seitens des Bodmereigläubigers die Beschlagnahme, wenn solche durch keine anderen gesetzlichen Gründe gerechtfertigt erscheine, nur auf Kosten des Bodmereigebers erfolgen könne, wurde abgelehnt, weil es nicht darauf ankomme, ob die Beschlagnahme bei ihrem Beginn schon durch besondere gesetzliche Gründe, z. B. die Voraus­ setzungen des Arrestes, die übrigens bei der Fracht fast immer vorhanden sein würden, gerecht­ fertigt sei, sondern nur auf das hinterher sich ergebende Resultat. Prot. S. 2586.

Artikel 693. Der Schiffer hat für die Bewahrung und Erhaltung der verbodmeten Gegenstände zu sorgen; er darf ohne dringende Gründe keine Handlung vor­ nehmen, wodurch die Gefahr für den Bodmereigeber eine größere oder eine andere wird, als derselbe bei dem Abschlüsse des Vertrages voraussetzen mußte.

Siebenter Titel. Von der Bodmerei. Art. 693. 694.

1085

Handelt er diesen Bestimmungen zuwider, so ist er dem Bodmereigläubiger für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich (Artikel 479.). Pr. Entw. Ar«. 535 Ziff. 2. Fehlt in 1. 8. - Pro«. 0. 2615, 2624 ff., 4052 ff.

Inhalt. Deviation 38. Gefahr Vergrößerung 37. Haftung des Schiffers 36, 37, 38, 39 (vgl. auch Art. 478, 479).

Interessenkollision 36. Rhederhaftung s. Art. 696. Verzögerung 37.

36. Gegenüber den Gläubigern aus einfachen Kreditgeschäften hat der Schiffer durchaus keine so großen Verpflichtungen m Ansehung der Bewahrung des Pfandobjektes vor Gefahren u. dgl., wie gegenüber dem Bodmereigläubiger Aus den selbständigen Verpflichtungen des Schiffers dem Bodmereigeber gegenüber geht hervor, daß er tin Interesse des letzteren z. B. ermächtigt und ver­ pflichtet ist, sich der Ausführung von solchen Anordnungen des Rheders zu widersetzen, durch welche die vom Bodmereigläubiger übernommene Gefahr vergrößert oder verändert würde. Prot. S. 4054. Die in Art. 693 statuierte custodia der verbodmeten Sache gehört zu den Dienstverrichtun­ gen des Schiffers und har er z.B., wenn die Interessen des Rheders oder der Ladungsbetheiligtcn unt denen des Bodmereigläubigers kollidieren, den letzteren den Vorzug zu geben, wenn er für den dem Bodmereigläubiger enrstehenden Schaden nicht verantwortlich fern will. Prot, ebenda. 37. Wenn der Schiffer oder Bodmereinehmer die Geltendmachung der Bodmereifordcrung nach der Ankunst tut Bestimmungshafen durch frivoles Prozessieren hinhält, so liegt in der durch dergleichen Verzögerungen der Realisierung einer Bodmereischuld herbeigeführten Verlängerung der Zelt, während welcher der Gläiibiger die Gefahr der Sache zu tragen hat, eine Vergrößerung der Gefahr selbst. Prot. S. 2626.

Artikel 694. Hat der Schiffer die Bodmereireise willkürlich verändert, oder ist er von dem derselben entsprechenden Wege willkürlich abgewichen, oder hat er nach ihrer Beendigung die verbodmeten Gegenstände von neuem einer Seegefahr aus­ gesetzt, ohne daß das Interesse des Gläubigers es geboten hat, so haftet der Schiffer dem Gläubiger für die Bodmereischuld insoweit persönlich, als derselbe aus den verbodmeten Gegenständen seine Befriedigung nicht erhält, es sei denn, daß er beweist, daß die unterbliebene Befriedigung durch die Veränderung der Reife oder die Abweichung oder die nene Seegefahr nicht verursacht ist. Pr. Entw. Art. 535 Ziff. 2. 1. L. Art. 599 Abs. 1. - Prot. S. 2543, 2616 ff., 2623, 4054 ff. Inhalt. Deviation 38 (f. auch Art. 693, 817, 818). Re chtövermut hun g 39. Haftung dcS Schiffers 36, 37, 38, 39 (f. auch Art. RheVerhaftung s. Art. 696. 478, 479). Schadcnhaftung 38, 39. Kaufalzuiammen hang 38.

38. Art. 694 enthält für den Fall, daß nach einer Deviation ein Verlust oder eine Be­ schädigung der verbodmeten Sache eingetreten ist, zu Gunsten des Bodmereigläubigers eine Präsumption des Kausalzusammenhanges zwischen dem Schaden und der Deviation, welcher gegen­ über dem Bodmeremehmer der Gegenbeweis darüber eingeräumt ist, daß der den Bodmereigläubiger treffende Verlust ohnedies eingetreten sein würde, sei es, weil die Güter schon damals unnderwerthig waren, sei es, weil der seither eingetretene Schaden sie auch ohne die gerügte Handlimg des Sd)iffers hätte treffen müssen. Zur Vermeidung weitläufiger und oft schwer zu erbringender Schadensliquidationen wurde bestimmt, daß der Schiffer, wmn nach einer, -ungerechtfertigten

Deviation Verlust oder Beschädigung der verbodmeten Sache eintritt, für die ganze Bodmereischuld persönlich zu hasten habe. Prot. S. 2616. Ueber Deviation s. auch Art. 693, 817, 818. (Vgl. hierzu Windscheid, Pand. § 258 Anm. 15.)

Artikel 695. Der Schiffer darf die verbodmete Ladung vor Befriedigung oder Sicher­ stellung des Gläubigers weder ganz noch theilweise ausliefern, widrigenfalls er dem Gläubiger für die Bodmereischuld insoweit persönlich verpflichtet wird, als derselbe aus den ausgelieferten Gütern zur Zeit der Auslieferung hätte be­ friedigt werden können. Es wird zum Beweise des Gegentheils angenommen, daß der Gläubiger seine vollständige Befriedigung hätte erlangen können. Pr. @it«t». Ar«. 685 Zisf. 2. 1. L. Ar«. 599 Abs. 3. - Prot. S. 259», 4055.

Inhal«. BeweiSlast 39.

Jnteressenkollision 36. Rechtsvermuthung 39. Rheder Haftung s. Art. 696.

Grenze der Schifferhaftung 39. Haftung des Schiffers 36, 37, 38, 39 (s. auch Art. 478, 479).

89. Es handelt sich hier nicht um bie Statuierung einer Pönalklage, in deren Folge der Schiffer für bte ganze Bodmereiforderung persönlich haften müßte, wenn auch die unbefugt ab­ gelieferte Ladung weit weniger werth ist, sondern darum, daß sich die persönliche Haftung des Schiffers nur auf den Werth der abgelieferten Ladung erstreckt. Prot. S. 2590. Ueber die Beweislast s. Art. 694; auch hier wie dort ist zu Gunsten des zu schützenden Gläubigers demselben die schwierige Beweisführung durch Aufstellung des Präjudizes, daß die Güter zu seiner vollständigen Befriedigung ausgereicht hätten, abgenommen und die Beweislast in Form der Gegenbeweisführung auf den Schiffer übergewälzt.

Artikel 696. Hat der Rheder in den Fällen der Artikel 693. 694. 695. die Hand­ lungsweise des Schiffers angeordnet, so kommen die Vorschriften des zweiten und dritten Absatzes des Artikels 479. zur Anwendung. Fehlt im Pr. Entw. I. L. Art. 599 Abs. 3. - Prot. S. 2547, 2590, 2617, 2620, 2628, 4055.

Inhalt. Rhederhaftung, persönliche s. Art. 479 Abs. 3.

|

Schifferhaftung.persönliches.Art.478,479 Abs. 1,2.

Artikel 697. Wird zur Zahlungszeit die Bodmereischuld nicht bezahlt, so kann der Gläubiger den öffentlichen Verkauf des verbodmeten Schiffs und der ver­ bodmeten Ladung, sowie die Ueberweisung der verbodmeten Fracht bei dem zu­ ständigen Gericht beantragen. Die Klage ist zu richten in Ansehung des Schiffs und der Fracht gegen den Schiffer oder Rheder, in Ansehung der Ladung vor der Auslieferung gegen den Schiffer, nach der Auslieferung gegen den Empfänger, sofern dieselbe sich noch bei ihm oder einem Anderen befindet, welcher sie für ihn besitzt.

Siebenter Titel.

Bon der Bodmerei.

Art. 697.

1087

Zum Nachtheil eines dritten Erwerbers, welcher den Besitz der ver­ bodmeten Ladung in gutem Glauben erlangt hat, kann der Gläubiger von seinen Rechten keinen Gebrauch machen. Pr. Entw. Art. 547. 1. 8. Art. 600. — Prot. 8. 2586 ff., 4055 ff. 3 >» >> a l t> Ausfall 41, 44. — -Haftung 44. Beklagter 42, 44. Dritte 42, 44. dolus 41.

Frachtüberweisung 40.

Geldschuld 40. Klage 40, 42. Konkurs 42. M inderwerth 41. Untergang des Pfandes 41, 1, 2. Verjährung 43.

40. Aus der Fassung des Art. 697 ist nicht zu schließen, daß der Bodmereigläubiger keine Klage auf Zahlung der Geldschuld (Darleheu) nebst Zinsen und Kosten habe. Ehrenberg a. a. O. S. 124, 277; Schröder im Hdbch. a. a. O. S. 255, 307; Lewis, Seerecht II. S. 30; Mittelstein a. a. O. S. 188. Abweichend Sofa cf, HN. S. 229. Ein besonderer Zusatz darüber, daß von einer Ueberweisung der Fracht dann keine Rede sein könne, wenn eine Bezahlung der Fracht für die Ladung vom Destinatär nicht gefordert werden könne, weil dieselbe gar nicht in dessen Hände gelangt sei, wurde deshalb für überflüssig erachtet, weil in einem solchen Falle von einem Frachtobjekt gar nicht die Rede sein könne. Prot. S. 4056. 41. Soweit der Bodmereigläubiger durch die Exekution in die verbodmeten Gegenstände seine volle Befriedigung nicht erhält, hat er den Ausfall zu tragen (s. oben Bem. 1), und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Minderwerth durch die Gefahren der Seereise oder durch andere Einflüsse herbeigeführt ist, oder oll das Pfand von vornherein einen geringeren Werth gehabt hat. Nur wenn der Bodmereigeber durch betrügliche Vorstellungen des Schiffers oder eines Dritten zu dem übermäßigen Kredite bewogen wurde, so steht ihm die actio doli auf Ersatz zu. Siehe Schröder a. a. O. 'S. 257 Anm. 55. Mit dem Untergange des Pfandes erlischt die Forderung. 42. Die wegen des verbodmeten Schiffes oder der verbodmeten Fracht gegen den Schiffer gerichtete Klage gilt als gegen den Vertreter des Rheders angestellt; die Klage gegen den Ladungs­ eigenthümer kann vor Auslieferung der Güter nur gegen den Schiffer als Vertreter dessen, den es angeht, nach der Auslieferung nur gegen den Ladungsempfänger als Eigenthümer oder eben­ falls als Vertreter dessen, den es angeht, aber nur so lange sich die Güter noch in seinem Gewahr­ sam oder bei einem für ihn besitzenden Dritten befinden, angestellt werden, denn nach Auslieferung der Güter gilt der Ladungsempfänger als passiv legitimiert/) gleichviel, ob die Güter ihm ge­ hören oder von ihm für einen Dritten verwahrt werden. Ehrenberg, Beschränkte Haftung S. 37 ff., 112—122, 264 f. Selbstverständlich wird durch die Verweisung des Bodmereigläubigers mit der Klage aus dem Bodmereikontrakt an den Empfänger der bereits ausgelieferten Ladung den persönlichen Schadcnsansprüchen an den Schiffer wegen Auslieferung der Ladung ohne Zahlung ober Sicher­ stellung (Art. 695) nicht präjudiziert. Gegen den redlichen Dritterwerber der Ladung hat der Gläubiger keine Klage, dagegen hat er wegen Schiff und Fracht die Rechte eines Schiffsgläubigers. Schröder a. a. O. S. 256. Die Frage, ob die Rechte aus dem Bodmereikontrakte gegen bösgläubige Dritte verfolgt werden können, namentlich in denjenigen Ländern, in welchen die nicht kündbaren Pfandrechte gegen dritte Personen ein für allemal nicht geltend gemacht werden dürfen, ist offen gelassen und nach Maßgabe des übrigen Rechts zu unterscheiden. (Prot. S. 2590, 4056.) Vgl. preuß. Landrecht Thl. II Tit. 8 §§ 2440, 2441; Makower, Komm. S. 696.Anm. 38. Auch im Falle des Konkurses der in Abs. 2 genannten Betheiligten sind diese zu ver­ klagen; s. Konk.-Ordn. §§ 40 ff., 108--110; Einf.-G. zur Konk.-Ordn. § 14 Abs. 2 Ziff. 2.

43. Die Verjährung der Bodmereiforderung tritt sowohl gegenüber den ursprünglichen Schuldnern, als auch hinsichtlich der persönlichen Haftung des Schiffers, des Rheders und des Ladungsempfängers in einem Jahre ein (Art. 906, 907, 909) und beginnt mit dem Tage nach Eintritt der Fälligkeit. (Art. 908 Ziff. 4, 909.)

Artikel 698. Der Empfänger, welchem bei Annahme der verbodmeten Güter bekannt ist, daß auf ihnen eine Bodmereischuld haftet, wird dem Gläubiger für die Schuld bis zum Werthe, welchen die Güter zur Zeit ihrer Auslieferung hatten, insoweit persönlich verpflichtet, als der Gläubiger, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gütern hätte befriedigt werden können. Fehlt in den Entw. - Prot. S. 4056 ff. Ausfallhaftung 41, 44. ft ratfjtübcr Weisung 40.

Anhalt. i Solidarschuld 44. | Untergang der Güter 41, 44.

44. Die Ausfallverhaftung erstreckt sich nur auf den durch die sämmtlichen verbodmeten Gegenstände nicht gedeckten Ausfall. Die solidarische Verhaftung der verbodmeten Gegenstände (Art. 692) überträgt sich nicht auf den Ladungsgläubiger. Vgl. Prot. S. 4056—4063. 45. Sind die Güter im Besitze des Ladungsempfängers untergegangen, so haftet dieser, wenn er nicht beweist, daß der Untergang auch ohne die Auslieferung hätte eintreten müssen. Für den Fall der Minderwerthigkeit obliegt ihm behufs Haftungsbefreiung entweder der Nachweis des Vorhandengewesenseins derselben vor der Auslieferung oder des Eingetretenseins der Werth­ verringerung auch ohne die Auslieferung. Im Falle der Weiterveräußerung der Güter an einen Dritten und der dadurch herbeigeführten Entziehung der Verfolgung seitens des Gläubigers er­ wächst für den veräußernden Ladungsempfängcr dem Gläubiger gegenüber eine Haftung für die ganze Schuld oder doch in Höhe des von ihm zu erweisenden Werthes der veräußerten Güter zur Zeit der Auslieferung an ihn.

Artikel 699. Wird vor dem Antritt der Bodmereireise die Unternehmung aufgegeben, so ist der Gläubiger befugt, die sofortige Bezahlung der Bodmereischuld an dem Orte zu verlangen, an welchem die Bodmerei eingegangen ist; er muß sich jedoch eine verhältnißmäßige Herabsetzung der Prämie gefallen lassen; bei der Herabsetzung ist vorzugsweise das Verhältniß der bestandenen zu der über­ nommenen Gefahr maaßgebend. Wird die Bodmereireise in einem anderen als dem Bestimmungshafen der­ selben beendet, so ist die Bodmereischuld ohne einen Abzug von der Prämie in diesem anderen Hafen nach Ablauf der vertragsmäßigen und in deren Er­ mangelung der achttägigen (Artikel 688.) Zahlungsfrist zu zahlen. Die Zahlungs­ frist wird vom Tage der definitiven Einstellung der Reise berechnet. Soweit in diesem Artikel nicht ein Anderes bestimmt ist, kommen die Artikel 689. bis 698. auch in den vorstehenden Füllen zur Anwendung. Pr. Entw. Art. 643, 549. I. L. Art. 601. - Prot. ®. 2592 ff., 4063 ff., 4140 ff. Anhalt. Abzug 46. Assekuranzprämie 46.

I |

Bodmereireise 18, 87, 29, 88. Einstellen der Reise 29.

Siebenter Titel.

Von der Bodmerei.

1089

Art. 699—701.

46. Der Grund eines angemessenen Abzuges an der Prämie in Abs. 1 liegt darin, daß der Bodmereigeber die Gefahr des Pfandes von dem Augenblicke des Vertragsabschlusses an zu tragen hat, wofür er eine Assekuranzprämie beanspruchen kann. S. Schröder a. a. O. S. 258 Note 67. Artikel 700. Die Anwendung der Borschriften dieses Titels wird dadurch nicht aus­ geschlossen, daß der Schiffer zugleich Miteigenthümer oder Alleineigenthümer des Schiffs oder der Ladung oder beider ist, oder daß er auf Grund besonderer Anweisung der Betheiligten die Bodmerei eingegangen ist. Fehl« tat Pr. Entw. I. «. «rt. 602. - Prot. @. 26«, 2598 ff., 2605, 2610, 4066. Inhalt.

Autorisation 48. Bodmereinehmer 47.

Miteigenthümer s. Art. 456ff., auch Art. 522. I Vollmacht 48.

1

47. Bodmereinehmer kann bei der eigentlichen Bodmerei nur der Schiffer als solcher, d. h. der zeitige Führer des Schiffes sein; ob er bloßer Setzschiffer oder Rheder oder Mitrheder ist, ob die Ladung ihm oder Anderen gehört, ob er auf eigenen Entschluß oder auf Anweisung der Betheiligten handelt, ist hierbei gleichgültig. Zu Art. 700 vgl. Mittelstein a. a. O. S. 142. 48. Die Ertheilung einer besonderen Autorisation zur Eingehung der Bodmerei von Seiten des Rheders kann an der Anwendung des Titels von der Bodmerei in so lange nichts ändern, als dieselbe nur das Verhältniß zwischen dem Schiffer und Rheder rc. angeht und der erstere Dritten gegenüber nur auf Grund seiner gesetzlichen Vollmacht kontrahiert. (Prot. S. 2610.) Anders, wenn der Schiffer mit Bezug auf eine ihm ertheilte besondere Vollmackt kontrahiert (vglArt. 452 Ziff. 1).

Artikel 701. Die Bestimmungen über die uneigentliche Bodmerei, d. h. diejenige, welche nicht von dem Schiffer als solchem in den im Artikel 681. bezeichneten Fällen eingegangen ist, bleiben den Landesgesetzen vorbehalten. Fehlt Im Pr. Entw. 1. L. Art. 603. - Prot. S. 2540, 2600 ff., 2611, 2614, 4066.

Anhalt. Landesrecht 49.

|

Vorbehalt 49.

49. Dieser Vorbehalt ist hauptsächlich mit Rücksicht auf diejenigen Länder gemacht worden, in denen es als Bedürfniß erscheint, daß auch der Rheder im Nothfalle Darlehen mit der Wirkung der eigentlichen Bodmerei aufnehmen könne. (Prot. S. 2604.) Es besteht aber kein einziges derartiges Landesgesetz. S. hierüber Lewis, Seerecht, 2. Aust. Bd. II S. 37—39; Schröder a. a. O. S. 248, 249.

FuchSberger und GarciS, ADHGB.

69

1090

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 702.

Achter Titel.

Von der Haverei?) Erster Abschnitt.

Große (gemeinschaftliche) Haverei und besondere Haverei. Artikel 702. Alle Schäden, welche dem Schiff oder der Ladung oder beiden zum Zweck der Errettung beider aus einer gemeinsamen Gefahr von dem Schiffer oder auf dessen Geheiß vorsätzlich zugefügt werden, sowie auch die durch solche Maaßregeln ferner verursachten Schäden, ingleichen die Kosten, welche zu demselben Zweck aufgewendet werden, sind große Haverei. Die große Haverei wird von Schiff, Fracht und Ladung gemeinschaftlich getragen. Pr. Eutw. Art. 551. I. L. Art. 604. - Prot. S. 2635, 2683 ff., 2689 ff., 4074 ff. 3n actio in rem scripta 1, 5, 18. Aengstlichkeit des Schiffers 8. Arten der Haverei 2. Außerordentliche Sachlage 2, io. Beginn der Seegemeinschaft 7. Besondere Haverei 2, 14, 34, 85. Betheiligte 16, 18. Brand an Bord 9. communio incidens 5. culpa 16, 86ff. Dauer der Seegemeinschaft 7. Deckladung 37. Dispache 33, 73 ff. DiSpofitiver Charakter 4, 5, 13, 70, 75. Einheitsbestrebungen 3, 4. Ermessen deS Schiffers 12, 21. Folgen deS HavereiakteS 6. Gefährdungen (dreierlei) 2. — wirkliche 8, 29. „Geheiß" 2, 12, 21. Gemeinschaft 2, 5. Geschichte 3. Glasgow Rules 3.

a 1 t. Große Haverei 2, 5. Haverei 1, 2, 5ff. Indirekter Schaden 6, 11, 21, 86ff., 93, 95, 106, 107 uristische Konstruktion 5. leine Haverei 2. Kosten der Schiffahrt s. Art. 622. Maßregel 2, li, 12, 21. Nothhafen 6, 15, 29. — Verluste im — 6. Opfer 2.

Partikuläre H. ). besondere H. Reform vorschlage 3. Rho di a, lex, de jactu 3, 21 ff. Schäden 17 ff. Seegemeinschaft 2, 5, 7, 10. Totalopfer, Totalverlust 2, 17. Verfügung von hoher Hand 8. Verhältniß zw.' Arr. 702 u. 711: 6, 20. Vorsatz 2. Wasserschaden 9. York and Antwerp Rules 3, 4. Zusammenstoß 85 ff.

KemerkunAkn ju Art. 702—741. Ire Kaverei. 1. Unter Haverei*2) (engl, average, fvan§. avarie) wird eine gewisse Art von Schädi­ gung verstanden, welche dem Seeschiffe oder seiner Ladung oder diesen Beiden unmittelbar zustößt *) Literatur: R. Schröder in Endemann's Hdbch. Bd. IV. 1. §§ 48—54 (S. 259 bis 290) und die daselbst S. 259 Anm. 1 angegebene Literatur, aus welcher hier besonders Behrend in v. Holtzendorfffs Rechtslexikon unter „Haverei", Ehrenberg, Beschränkte Haftung, Lewis, Seerecht Bd. II S. 40—142, hervorgehoben sein sollen. Hierzu seien noch erwähnt: Gold­ schmidt in seiner Zeitschr. Bd. XXXV S. 37 ff., 321 ff. (Lex Rhodia und Agermanament. Der Schiffsrath. Studie zur Geschichte und Dogmatik des Europäischen Seerechts) und die von Goldschmidt in seinem „System" (2 Aust. 1889) § 151 S. 59 zusammengestellte Lit.; ferner Makower, Komm. (10. Aust.) S. 699—724; Cosack, HR. §55; Lyon-Caen & Renault, Precis T. II (1885) p. 227—292, und nun insbesondere das umfangreiche Werk: Philipp Heck, Das Recht der Großen Haverei, Berlin, H. W. Müller, 1889 (839 Seiten); Ludwig Mai, Die Haverie-Grosse u. s. w., Mannheim, Bensheimer, 1889 (60 Seiten). Vgl. auch Busches Arch. Bd. 48 S. 244 ff. und Neues Arch. Bd. II S. 80 ff. 2) Die Etymologie dieses Wortes ist bestritten; die Mehrzahl der neueren deutschen Schrift­ steller (insbes. Schröder, Lewis, Cosack, Ga reis. Cohn) nimmt dessen Abstammung aus dem Arabischen awär (beschädigte Waare), vom arab. auvara (beschädigen) an, wogegen PH. Heck auf die früher starkvertretene Ableitung vom lat. habere (Habe, Besitzthum) zurückkommt; siehe Ph. Heck a. a. O. S. 630ff.

Achter Titel. Von der.Haverei. Art. 702.

1091

oder für den Rheder und bezw. die Ladungsinteressenten dadurch entsteht, daß ihnen aus bestimm­ ten Ereignissen der Seefahrt Kosten erwachsen. 2. Eine Unterscheidung verschiedener Arten von Haverei liegt in dem Gesagten angedeutet: es giebt Schäden, welche nur das Schiff, und solche, welche nur die Ladung treffen und daher auch nur vom Rheder bezw. den Ladungsinteressenten zu tragen sind; solche Havereien nennt man einfache, besondere, partikuläre, Partikularhaverei, avaries simples, avaries particulieres, particular average; vgl. Art. 703, 706, 707, 709; Schröder a. a. O. S. 263 ff.; auch Gar eis, HR. S. 792, 793; es giebt ferner Schäden und Kosten, welche Schiff und Ladung zu­ gleich treffen: von diesen sind nach den neueren Seerechten (im Gegensatz zu älteren Seerechten, welche in solchen Fällen eine improportionale Lastenvertheilung zwischen Rheder ;md Ladungs­ interessenten festsetzen, im Verhältniß von 1 zu 2 nach der Zahl der Schiffslasten)1) die Fälle der sogenannten kleinen oder ordinären Haverei, menues avaries, petty average, ausgeschieden, d. s. eine Anzahl von Unkosten erzeugende Widerwärtigkeiten der Seesahrtunternehmung, „auf welche sich jeder Schiffer mehr oder weniger gefaßt machen muß und die er beim Abschluß der Frachtverträge demnach auch in Betracht ziehen kann" (Schröder). Diese sogenannte kleine Haverei fällt nach den heutigen Seerechten (insbes. dem französischen, deutschen, spanischen u. s. w.) nicht unter das Retributionsprinzip der (großen) Haverei, von etwaiger besonderer Vereinbarung abgesehen, sondern unter den Gesichtspunkt des nothwendigen Aufwands des Verfrachters; siehe Art. 622. Die übrigen, der besonderen Haverei gegenüberstehenden Fälle gemeinsamer Schädigung von Schiff und Ladung werden unter dem Namen der großen oder gemeinschaftlichen Haverei zusammengefaßt (avaries grosses,2) avaries communes, general average). Während es im Einzelnen als Sache der Gesetzgebung bezeichnet, werden muß, die Fälle der großen Haverei positiv scharf von denen der besonderen Haverei, sowie von den nicht als Haverei zu rechnenden Kostenursachen zu scheiden, was im deutschen Rechte in den Art. 702, 708 (große Haverei), 702 mit 703, 709 (besondere Haverei) und 622 (die gewöhnlichen und un­ gewöhnlichen Unkosten der Schiffahrt selbst, früher „kleine Haverei") geschehen ist, kommen für die große Haverei theoretisch drei Hauptmomente besonders in Betracht: die Seegemeinschaft (eine communio oder Universitas rerum, nämlich von all' den.Sachen, welche das gemeinsame Schicksal der Fahrt und der Gefährdung zu erleiden haben), der sich der Voraussicht und Vorausberechnung entziehende Charakter der Kostenursache als eines außerordentlichen und in diesem Sinne ungewöhnlichen Ereignisses,3) und ein bestimmter mitwirkender menschlicher Wille,4) welcher sich zwischen dieses Ereigniß (den eigentlichen Unfall, die Seegefahr, peril of Navigation, wozu auch Verfügungen von hoher Hand, sowie auch Delikte, selbst der Schiffsbesatzung zu rechnen sein sönnen)G) und die unmittelbare Schädigung von Schiff oder Ladung oder von beiden in der Weise stellt, daß Letztere (die Schädigung) durch ihn — direkt oder indirekt — verursacht wird, während erstere ihn veranlaßte, die letztere zu verursachen; durch diesen Zusammenhang gewinnt die vorhandene Schädigung den Charakter eines Opfers, und zwar eines Opfers zum Zwecke der Errettung von Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr; die Gemeinschaftlichkeit, welche vorausgesetzt ist, liegt nicht in der Schädigung — diese wird vielleicht nur dem Schiffe zu­ gefügt, z. B. das Mastenkappen, oder nur einem Theil der Ladung, z. B. der Seewurf des mindestwerthigen Ladungstheils, — sondern in der Ausdehnung der Gefahr auf alles Gefährdbare, *) Schröder a. a. O. S. 261, 262. 2) „Les avaries qui se repartissent de cette maniere sont appelees grosses, parce quelles sont supportees par le gros, c’est ä dire par la totalite des choses exposees aux risques maritimes; elles sont qualifiees de communes, parce qu’eiles sont supportees en commun.“ Lyon-Caen & Renault a. a. O. p. 236. 3) „Außerordentliche Sachlage" s. Heck a. a. O. S. 151 ff. 4) „ . . . von dem Schiffer oder auf dessen Geheiß vorsätzlich zugefügt, sowie die durch solche Maaßregeln ferner verursachten Schäden", s. Art. 702. Es wird ein bestimmter „Vorsatz" hierbei vorausgesetzt, vgl. Bind in g, Die Normen und. ihre Uebertretung, 2. Aufl. Bd. I (1890) S. 309. °) Schröder a. a. O. S. 264 Anm. 4, 5; HGB. Art. 704 Abs. 1.

1092

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 702.

Schiff und Ladung, der Gefahr, zu deren Beseitigung das Opfer angeordnet wird; und wie die Gefahr, so muß auch die Errettung aus der-Gefahr eine gemeinschaftliche sein, d. h. es muß die Errettung sowohl des Schiffes als auch der (übrigen) Ladung wenigstens beabsichtigt sein: ein Totalverlust des Schiffes oder der Ladung, beabsichtigt und herbeigeführt um das Andere, Ladung oder Schiff zu retten, ist kein Fall der großen Haverei.*) Die Vertheilung der Kosten, welche durch das Opfer entstehen, wenn Demjenigen, dem durch das Opfer direkt Schaden zugefügt wird, dieser Schaden von den durch das Opfer vor direktem Sachschaden bewahrt Gebliebenen ersetzt werden soll, bewirkt eine Schädigung des Ge­ retteten, welche man ebenfalls große Haverei nennt; es müssen hierbei demnach dreierlei Schädi­ gungen oder Gefährdungen unterschieden werden: erstens die gemeinsame Seegefahr, peril of navigation, z. B. ein ausgebrochener Sturm, dann die vom Schiffer u. s. w. angeordnete Schädigung — das Opfer —, z. B. das Mastenkappen, und drittens die Repartition des Schadens behufs Ersatz des Opfers, — z. B. die Kosten der gekappten Masten, zu deren Tragung der Rheder , und die Ladungsbetheiligten proportional beizutragen haben. 3. So verschieden- auch die positivrechtlichen Gestaltungen des Instituts der Repartition der Kosten von' Opfern, welche die Abwendung einer Seegefahr bezwecken, sein mögen, — in den Grundzügen ist dasselbe überall das nämliche und in dieser seiner Einfachheit uralt: es ist zurückzuführen auf althellenisches (vgl. L. Gold sch midi in seiner Zeitschr. Bd. XXXV (1888) S. 37 ff., 321, xotvuma, u. s. w. S. 76 ff.; Pardessus, collection I. 41; Schröder a. a. O. S. 261), römisches und byzantinisches Recht (lex Rhodia de j ac tu/*2) Big. lib. XIV tit. 2; Windscheid, Pand. § 403; Glück, Komm. XIV. 199ff.; Unter­ holz ne r, - Schuldverhältnisse (1840) Bd. II S. 353 ff.; Heck a. a. O. § 57 S. 592 ff.). Die nationalen Verschiedenheiten zu beseitigen und das Institut der großen Haverei international ein­ heitlich zu regeln, wurde und wird von mehreren Seiten energisch versucht. Vgl. Goldschmidt's Zeitschr. Bd. IV S. 494 ff., IX S. 214 ff., XXIII S. 293; Schröder a. a. OS. 261 Anm. 11; Heck a. a. O. S. 649, 685 ff., 741 ff. Hervorzuheben ist hier namentlich der Versuch, eine internationale Gleichheit auf dem Wege der Vereinbarung der Interessenten herbei­ zuführen : vom Jahre 1860 an, wo zu Glasgow zuerst zwölf Beschlüsse über Streitfragen des Havereirechts, insbesondere Behandlung der Nothhasenkosten, gefaßt wurden (die sog. Glasgow Rules),3) beschäftigen sich Kongresse von Interessenten mit der Unifizierung des Seerechts und namentlich des Havereirechts; so kamen im Jahre 1864 auf Grund der Glasgow Rules auf einem Kongreffe zu Dork die York Rules zu Stande, welche im Jahre 1877 von der Association for the Reform and Codification of the Law of Nations auf ihrem Kongreß zu Antwerpen in einigen Punkten abgeändert und ergänzt wurden4)5 und seitdem unter dem Namen „York and Antwerp Rules“ vielfach in Gebrauch kamen, indem sie in den Chartepartien und Konnossementen großer Seetransport-Gesellschaften Aufnahme fanden (s. unten Bem. 4), was von der deutschen technischen Reichskommission für Seeschiffahrt gebilligt worden ist. Im Jahre 1885 wurden in Antwerpen neue Schritte zur Rechtseinheit aus dem Gebiete der großen Haverei unternommen (s. hierüber Lewis, Der Antwerpener Kongreß 1885, Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXII S. 95), welche ihren vorläufigen Abschluß auf dem Kongreß zu Brüssel im Jahre 1888 fanden.6) — Die zahlreichen Reformvorschläge, auf welche hier nicht *) Heck a. a. O. S. 145ff. Die Fälle, wo nur das Schiff oder nur die Ladung gefährdet ist, wo die eine Sache ganz oder theilweise geopfert wird, um die andere zu retten, gehören nicht hierher; es sind diese Fälle nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu beurtheilen. S. Prot. S. 2635 ff., 2691, 4075. 2) Die Uebereinstimmung der Prinzipien der lex Rhodia de jactu mit dem Grundwescn des heutigen Havereigrosserechts ist der Gegenstand besonderer Darstellung Goldschmidt's a. a. £>., Zeitschr. Bd. XXXV und Heck's a. a. O. § 57 S. 592—627. 3) Goldschmidt's Zeitschr. Bd. IV S. 494; Heck a. a. O. S. 75. 4) Annahme der York and Antwerp Rules s. Report V p. 68—72, 75—102. 5) F. Sieveking: Die Verhandlungen und Beschlüsse des zu Brüssel im Jahre 1888 stattgehabten Congres international de droit commercial, betr. die scerechtliche Sektion, s. Gold-

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im Einzelnen eingegangen werden kann, s. bei Heck a. a. O. — Heck's eigenen Vorschlägen zu Art. 702, dessen Abs. 1 hiernach lauten soll: „Die außerordentlichen Opfer, welche im gemeinsamen Interesse von Schiff und Ladung gebracht werden, sind große Haverei" (Heck S. 713 mit Anm.) möchten wir nicht durchweg beistimmen; uns scheint namentlich die Einbeziehung der Totalopser und des Bergungsaufwands, welche beide nach Heck's Vorschlag unter große Haverei fallen sollen, bedenklich. Vgl. über den deutschen Begriff der großen Haverei Report IV der Association for the Reform etc. (Bremen) 1876 S. 27 ff. Beifall dürfte der Vorschlag verdienen, die die Dispacheaufmachung betreffenden Verhandlungsnormen zu unifizieren und zwar im Sinne des § 29 des preußischen Ausführungsgesetzes zur deutschen Civilprozeßordnung, vom 29. März 1879 (Gesetzsammlung S. 281). 4. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Voraussetzungen und Ausgleichung der großen Haverei sind überall dispositiver Natur/) sie können durch Vertrag ausgeschlossen werden und gelten nur, wenn und soweit die Vereinbarungen unter den Betheiligten nichts Anderes festsetzen. In die Chartepartien und Konnossemente sind heutzutage vielfach die „ York and Antwerp Rules“, wenn auch mit einzelnen Abänderungen, aufgenommen/) die „York and Antwerp Rules“ lauten in deutscher anerkannter Uebersetzung:*3) 2 , Regel I. Wurf von Deckladung. Geworfene Deckladung wird nicht in grosser Haverei ersetzt. Als Deck gilt jeder Aufbau, welcher nicht in den Schiffskörper eingebaut ist. Regel II. Schaden, der durch Seewurf verursacht wird. Wird der durch Seewurf entstehende Verlust als grosse Haverei vergütet, so gilt das Gleiche von der nicht vermeidbaren Beschädigung der Ladung durch Wasser, welches in die zum Zwecke des Seewurfs geöffneten Luken oder sonstigen Oeffnungen einströmt. Ebenso ist Schaden zu behandeln, welcher durch Bruch oder Druck oder jede andere Störung der Stauung in Folge des Seewurfs entsteht. Regel III. Löschen eines an Bord entstehenden Feuers. Wenn ein an Bord ausgebrochenes Feuer gelöscht wird, so ist der für das Schiff oder die Ladung oder für beide durch Wasser oder sonstwie entstehende Schaden grosse Haverei. Nicht ersetzt wird der Schaden, welchen das Wasser brennenden Waarenballen zufügt. Regel IV. Kappen von Bruchstücken. Der Verlust oder Schaden, welcher durch das Kappen von Bruchstücken oder Ueberresten von Takelwerk oder anderen Gegen­ ständen entsteht, die vorher durch Seegefahr bereits losgerissen waren, wird nicht als grosse Haverei vergütet. Regel V. Vorsätzliche Strandung. Wenn ein Schiff absichtlich an den Strand gesetzt wird, weil es sinkt oder an den Strand oder gegen Felsen treibt, so wird kein Schaden, welcher durch diese vorsätzliche Strandung an Schiff, Ladung oder Fracht, an allen oder einigen dieser Werthe entsteht, als grosse Haverei vergütet. Regel VI. Prangen. Der Schaden, welcher durch Prangen an Schiff oder Ladung entsteht, wird nicht als grosse Haverei vergütet. Regel VII. Nothhafenkosten. Wenn ein Schiff in einen Nothhafen unter solchen Umständen einläuft, dass die Kosten des Einlaufens grosse Haverei sind, und diesen Hafen mit der ursprünglichen Ladung oder einem Theile derselben verlässt, so sollen die entsprechenden Kosten des Auslaufens auch als grosse Haverei gelten, und wenn die Löschungskosten in einem solchen Hafen als grosse Haverei zu behandeln sind, so soll das Gleiche von den Unkosten gelten, die durch Lagerung, durch Wiedereinladung und durch Stauung dieser Ladung entstehen. Regel VIII. Heuer und Kosten des Unterhalts der Schiffsbesatzung während des Aufenthalts in einem Nothhafen. Wenn ein Schiff unter den in der schmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 147—163. 1. Kollision der verschiedenen Seerechte S. 149 bis 151; 2. Ansegelung und Hilfeleistung in Seenoth S. 151—152; 3. die Seeschiffe S. 152 bis 155; 4. die Verantwortlichkeit der Rheder S. 155—156; 5. Frachtvertrag S. 156—158; 6. die große Haverei S. 158—161. *) Schröder a. a. O. S. 281 Anm. 5; s. auch unten Bem. 13 u. Bem. 70. 2) Vgl. Heck st. st. O. S. 686, 697ff.; E. Friedberg, Formelbuch S. 310, 313. 3) Lewis in Goldschmidt's Zettschr. Bd. XXIV S. 491 ff.; Heck a. a. O. S. 77 und die dort angegeb. Lit. (namentl. G. Cohn, Frank, Ullrich, Voigt).

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vorhergehenden Regel bestimmten Voraussetzungen einen Nothhafen aufsucht, so sollen die Heuer und die Kosten des Unterhalts der Schiffsbesatzung für die Zeit vom Einlaufen bis zu dem Augenblicke, in welchem das Schiff bereit ist, die Reise fortzusetzen, als grosse Haverei vergütet werden. Regel IX. Schaden, welcher der Ladung durch Löschen zugefügt wird. Schaden, welcher der Ladung durch Löschen in einem Nothhafen zugefügt wird, soll nicht als grosse Haverei vergütet werden, wenn die Löschung an demselben Ort und in derselben Weise stattgefunden hat, wie es in dem betreffenden Hafen bei nicht in Noth befindlichen Schiffen üblich ist. Regel X. Beitragspflichtige Werthe. Der Beitrag zu einer grossen Haverei bestimmt sich nach dem am Ende des Unternehmens vorhandenen Werthe, zu welchem der Betrag hinzutritt, welcher als grosse Haverei für die geopferten Werthe vergütet wird. Von der Fracht und den Uebersahrtsgeldern, deren Gefahr der Rheder läuft, kommen die Hafen- und Heuerkosten in Abzug, welche bei Totalverlust von Schiff und Ladung zur Zeit des Haverei-Akts erspart worden wären. Ebenso kommen von dem Werthe der Gegenstände alle Unkosten in Abzug, welche erst nach der Entstehung des Anspruchs auf Vertheilung der grossen Haverei erwachsen sind. Regel XL Frachtverlust. Wenn die Aufopferung von Ladung als grosse Haverei vergütet wird, so gilt das Gleiche von demjenigen Frachtverlust, welcher durch das Opfer verursacht ist. Regel XII. Vergütung für Opfer an Ladung. Für geopferte Güter wird derjenige Werth ersetzt, welchen der Eigenthümer bei Unterlassung dieses Opfers erhalten hätte. Was das Verhältniß zwischen den Y. a. A. Rules einerseits und dem ADHGB. anderer­ seits anlangt, so ist — bei der dispositiven Natur der gesetzlichen Normen — davon auszugehen, daß der Vertrag, also die als lex contractus gewollten Y. a. A. Rules, in Anwendung zu bringen; ausgeschlossen sind hierdurch auch diejenigen Bestimmungen des HGB., welche die Durchführung des Ausgleichs im Einzelnen regeln, aber — wenn auch nicht ausdrücklich — den Grundgedanken der Y. a. A. Rules widersprechen. Ein Blick auf den Inhalt dieser Rules zeigt jedoch, daß sie bezüglich der allgemeinen Voraussetzungen der Havariegrosse das nationale Gesetzesrecht nicht aus­ schließen, sondern sich demselben anschließen wollen. Heck a. a. O. S. 92, 93. 5. Die juristische Konstruktion des Rechts der großen Haverei, genauer: des Vergütungs­ anspruchs Desjenigen, welchem das Opfer auferlegt wurde, und der Beitragspflicht Derjenigen, deren Gut durch das Opfer gerettet wurde, ist in verschiedener Weise versucht worden. Es ist die Ansicht verfochten worden, die Statuierung jenes Vergütungsanspruchcs und jener Vergütungs­ pflicht sei eben eine Singularität des positiven Rechts, welche keiner weiteren Konstruktion, keiner Znrückführung auf allgemeinere Gesichtspunkte bedürfte, noch auch zugänglich wäre (Cauvet, Tratte des assurances maritimes, f. Lyon-Caen & Renault, Precis II. p. 231, 232). Von anderer Seite wird jenes Rcchtsinstitut als eine besondere (singuläre) Ausgestaltung des Miethvcrtrags, als eine besondere Anwendung seines Rechts behandelt (vgl. Windscheid, Pand. § 403). In diametralem Gegensatze zur Annahme einer Singularität steht die von französischen Schrift­ stellern (De Courcy, Questions de droit maritime, I. p. 238 ff.; Ly on-Caen & Renault a. a. O. S. 232, 233; vgl. hierüber Heck a. a. O. S. 533, 534) auf die Bereicherung so breit fundierte Ersatztheorie, daß das Recht der großen Haverei als selbstverständlich angenommen wird, wenn auch kein Gesetz davon spräche. Wieder Andere haben die negotiorum gestio zur Kon­ struktion des Havarierechts hervorgezogen (vgl. Schröder a. a. O. S. 285 Anm. 27 und Heck a. a. O. S. 536, 549) oder die Opferung als nützliche Verwendung behandelt und darauf einen Ersatzanspruch gebaut (vgl. ebenfalls Schröder a. a. O.). Das Richtige dürfte sein, von einer Jnteressenassociation auszugehen und in der Verwaltung der gemeinsamen Interessen, in der Verwendung in, durch und für die Interessengemeinschaft den Rechtsgrund für jenen Ver­ gütungsanspruch u. s. w. zu erblicken: die wiederholt schon erwähnte Gemeinschaft von Schiff und Ladung, von Rheder und Ladungsinteressen, s. oben Bem. 219 zu Art. 504 S. 954, Bem. 193 zu Art. 637 S. 1039, auch Bem. 2 u. 3 zu Art. 702 S. 1091, 1092 (Seegemeinschaft, xotvoma), muß als ein besonderer Fall von communio incidens aufgefaßt werden, — in alten Seerechten, wie im Consolato del mare u. a., war die communio nicht incidens, sondern vertragsmäßig von

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Rhedern und Befrachtern gewollt, also Sozietätsverhältniß, so das germinamento —, und aus dieser communio fließt die Ersatzverbindlichkcit der durch das Opfer Geretteten als eine Gesammtschuld mit der sachlichen Beschränkung der Haftung auf die gerettete Sache und mit dem Charakter der Klage als actio in rem scripta. Ueber diese, jetzt herrschende Auffassung und deren Elemente s. Schröder a. a. O. S. 285, 286; Heck a. a. O. S. 551, 554 u. a.; vgl. auch Jhering, Jahrb. f. Dogmatik Bd. X S. 334ff.; Dcrnburg, Preuß. Privatrecht II. S. 687, 845; Eck, Die sog. doppelseitigen Klagen S. 137 ff.; Ehrenberg, Beschränkte Haftung S. 71 ff., 86 ff. (Seerechtliche Gemeinschaft); G oldschmidt a. a. O. S. 52 ff.; Rud. Wagner a. a. O. S. 231 ff.; Bruns in v. Holtzendorff's Rechtsencyclop. System. Theil: Das heutige römische Recht § 73, 2; Lewis, Deutsches Seerecht Bd. II S. 50, 51, 82, 83; Cosack, HR. S. 393 Ziff. 8. 6. Das Verhältniß der Art. 702 und 708 untereinander ist bestritten; der Streit ist da­ durch nahe gelegt, daß Art. 702 nicht bloß die Voraussetzungen eines Havereiaktes aufzählt, son­ dern zugleich bestimmt, welche Verluste als Folgen desselben große Haverei sind, und daß auch Art. 708 nicht bloß einzelne Thatbestände aufzählt, in denen große Haverei liegt, sondern auch Vorschriften über ihren jeweiligen Umfang aufstellt (Heck a. a. O. S. 203). Nach der Ansicht des ROHG. — Bd. VIII S. 214, auch Bd. XIII S. 405 —, sowie auch des RG. (Entsch. vom 28. März 1888, Hanseatische Ger.-Ztg. 9 Nr. 84 S. 199; Heck a. a. O. Bd. VI S. 204, 665) soll zwar durch die Aufzählung des Art. 708 die Zahl der möglichen Havereifälle nicht er­ schöpft, wohl aber der Umfang der als große Haverei geltenden Folgen für jeden einzelnen im Art. 708 behandelten Fall abschließend begrenzt sein. Es haben sich dieser, die Tragweite des Art. 702 einschränkenden Ansicht die Gerichte und ine Literatur *) angeschlossen, letztere mit Aus­ nahme Heck's: Heck ist nämlich der Auffassung, daß hinsichtlich der Folgen, wie nach jeder anderen Richtung die allgemeinen Grundsätze des Art. 702 in Anwendung kommen müssen, soweit nicht für die einzelne Handlung oder den einzelnen Schaden in Art. 708 eine gewollte Ab­ änderung nachweisbar ist.2; Wir halten Heck's Ansicht für die richtige; Art. 708 steht, soweit nicht das Gegentheil deutlich ersichtlich ist, durchaus unter der Herrschaft des Art. 702; bie ratio dieses Artikels muß für durchschlagend erachtet werden, soweit der Gesetzgeber nicht selbst davon abgewichen ist, was nicht der Fall ist, wo sich Kosten und Schäden (auch zu den einzelnen in Art. 708 erwähnten Fällen) decken lassen, deren der Gesetzgeber keine Erwähnung thut; es liegt fein Grund zu der Annahme vor, daß das Gesetz eine restriktive oder exklusive Interpretation für die Folgen der in Art. 708 ausgezählten Fälle erheische, während es für die der daselbst nicht erwähnten Fälle allein dagegen eine andere, nämlich dem Art. 702 gemäße, Auslegung unzweifel­ haft fordert; das ROHG. selbst hat (in der Entsch. Bd. VIII S. 214 a. E.) eine Ausnahme von seinem Prinzip als möglich hingestellt für den Fall eines nothwendigen Quantitätsverlustes beim Löschen im Nothhafen; in der That ist auch ein solcher Verlust alsdann für große Haverei erklärt worden (Entsch. des Hamburger Handelsgerichts vom 20. September 1875 und des Hanseatischen OLG. vom 3. Dezember 1863, Heck a. a. O. S. 668—669) und ebenso der durch ungeschickte Umladung im Nothhafen entstandene Bruch einer Ladung (Entsch. des Hamburger Obergerichts

*) Jnsbes. Schröder a. a. O. S. 268; Lewis, Deutsches Seerecht II. S. 58ff.; Mako wer, Komm. S. 704 Anm. 14 a. Weitere Literatur und Rechtsprechung s. Heck a. a. O. § 19 Anm. 5 ff. 2) Hiernach hält Heck den Schaden, welchen Waarendurch die Ausladung oder Lagerung m einem Nothhafen erleiden,für große Haverei, — während das ROHG. und das RG. diesen Schaden für besondere Haverei hallen, weil Ziff. 4 des Art. 708 diesen Schaden nicht nennt; ebenso werden analog Unkosten, welche durch die Anwesenheit von Reisenden entstehen (Heck S. 301), und Aufenthaltskosten nach einer vorsätzlichen Strandung oder während des Abbringens von Heck (a. a. O. S. 266, 279) als große Haverei behandelt, während die entgegenstehende herrschende Meinung sie davon ausschließen muß. — Die Beschädigung des Schiffs durch Auf­ suchen eines Nothhafens wird übrigens in drei Hamburger Erkenntnissen als große Haverei be­ handelt; s. Goldschmid's Zeitschr. Bd. XVI S. 549, ebenda Bd. XVIII S. 589 und Hans. Ger.-Ztg. 1872 S. 187; Heck a. a. O. S. 204 Anm. 8, S. 671, 674, 675.

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.Art. 702.

vom 26. Februar 1875, Heck a. a. O. S. 671). Zur weiteren Begründung sei auf die Aus­ führungen Heckes a. a. O. S. 205—211 hingewiesen. 7. Die Gemeinschaft (Seezemeinschaft), welche, wie Bem. 2 und Bem. 5 auseinandergesetzt wurde, eine Voraussetzung jeder großen Haverei ist, beginnt, sobald die Ladung in das Schiff eingenommen ist, für die einzelnen Ladungstheile mit dem Augenblick, wo sie an Bord gebracht werden, und endigt mit dem Beginn der Löschung; es macht also keinen Unterschied, ob zur Zeit des Schadens die Ausreise bereits angetreten oder die Abladung bereits vollendet war; die Gefahr kann demnach ebensowohl auf der Reise, wie im Abladungs- oder im Löschungshafen eintreten. S. hierüber ROHG. XXV. 137 ff.; Fuchsberger, Entsch. des ROHG. u. RG. im Seehandels­ recht Bd. V S. 261—264 und die dort angeführte in- und ausländische Literatur. 8. Das gefährdende Ereigniß muß in Wirklichkeit eingetreten sein oder unmittelbar bevor­ stehen, oder doch nach Lage der Dinge vernünftiger Weise als eingetreten anzunehmen oder un­ mittelbar zu befürchten sein. ROHG. VIII. 298; Fuchsberger a. a. O. S. 266 f.; Ehren berg in der Krit. Vierteljahrsschrift f. Rechtsw. XXI. 183 ff. Richt hierher gehören also die gegen eine entfernt zu besorgende Gefahr getroffenen Vor­ kehrungsmaßregeln, bezüglich welcher bloße Zweckmäßigkeilsrücksichten und nautische Erwägungen maßgebend waren. ROHG. XXI. 157; Fuchsberger a. a. O. S. 257 f. Hat der Schifferaus übertriebener Acngstlichkeit, um einer eingebildeten Gefahr zu entgehen, ein Opfer gebracht, so hat der betreffende Interessent nur einen Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen den Schifferoder Rheder. Prot. S. 2686. Jedoch ist Havariegrosse anzunehmen, wenn ein reisefertiges Schiff durch Verfügungen von hoher Hand (Embargo, Quarantäne rc.) oder durch Kriegsgefahr zum Verbleiben im Ablade­ hafen oder in einem Zwischen- oder Nothhafen gezwungen wird. ROHG. VII. 169 ff. Siehe Schröder in Endemann's Hdbch. für HR. rc. Bd. IV. 1 S. 264 Rote 10. 9. Der Schaden am Schiffe oder an der Ladung durch Wasser, welches zur Löschung eines im Schiffe ausgebrochenen Brandes in dasselbe geschafft wird, ist Havariegrosse und zwar der hierbei entstandene Wasserschaden sowohl an den vom Feuer verschont gebliebenen — auch einzelnen der nicht in Brand gerathenen Kolli —, als auch an den schon in Brand gerathenen Gegenständen. ROHG. XXV. 97—102; s. auch Entsch. des OLG. Hamburg vom 2/Rovember 1886, Hans. Ger.-Ztg. 1887 S. 18 ff., mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 289. Vgl. ferner Fuchsberger a. a. O. S. 258ff. (ROHG. XVII. 190.) S. auch Lewis, Deutsches Seerecht Bd. II S. 49 Anm. 1; dagegen Schröder in Endemann's Hdbch. Bd. IV. 1. S. 265 Anm. 13 und Heck a. a. O. S. 315, welche diese Schädigungen nicht als große Haverei behandelt wissen wollen, ohne daß wir uns hier von bei* Triftigkeit ihrer Argumentation überzeugen könnten. Vgl. hierzu jedoch Regel III der York and Antw. R. oben S. 1093. 10. Das Opfer, welches also von Schiff, Ladung oder beiden gebracht vorauszusetzen ist, muß ein außerordentliches und ungewöhnliches sein, s. oben Bem. 2 S. 1091 (außerordentliche Sachlage); gewöhnliche Abnutzungen von Schiff und Geräthschaften kommen hier nicht in Betracht. Prot. S. 2669. 11. Richt allein die absichtlich hervorgerufenen Schäden, sondern auch die nicht beabsich­ tigten, aber mit der betreffenden Maßregel im Zusammenhange stehenden Beschädigungen sind in großer Haverei zu vergüten. Die zur Havereivergütung berechtigenden Schäden und Kosten können sonach direkt oder indirekt mit der Rettungsmaßregel zusammenhängen; es kann jedoch eine Berück­ sichtigung indirekter Schäden nur dann eintreten, wenn sie durch vorsätzliche Beschädigung von Schiff oder Gut ferner verursacht sind. Ist dagegen die Rettungsmaßregel selbst keine schädigende, so gehören nur die aus ihr entspringenden Kosten, nicht aber die in ihrer Folge ent­ stehenden Beschädigungen zur großen Haverei. (S. Schröder a. a. O. S. 265 Anm. 12.) Wegen der Schäden im Nothhafen s. oben Bem. 6 S. 1095 (Kontroverse). 12. Die Beurtheilung der Gefahr wie die Beschlußfassung über die zu ergreifenden Maß­ regeln ist dem Schiffer, also dem jeweiligen Führer des Schiffes oder dessen Stellvertreter (Prot.

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Art. 702—704.

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S. 4078) überlassen. Prot. S. 2684 s. Bei Pflichtwidrigkeiten des Schiffers, bei unbefugtem Handeln eines Dritten, ferner wenn ein durch einen Zufall herbeigeführtes Opfer thatsächlich die Rettung von Schiff und Ladung bewirkt, erwächst dem Beschädigten nur ein Ersatzanspruch gegen den Schuldigen, es wird aber hierdurch keine gemeinschaftliche Haverei begründet. Prot. S. 2686. 13. Eine vertragsmäßige Vereinbarung sämmtlicher Gemeinschaftsbetheiligten über die Anwendung gewisser Grundsätze der Havariegrosse-Regulierung ist wirksam. S. oben Brm. 8 und 4, die Dork und Antwerpener Regeln .als lex contractus. Ueber die Verbindlichkeit der Klausel, alle Havariegrosse-Fragen sollten nach dem Custom of the London Underwriters at Lloyd’s behandelt werden, für den Fall, daß dieselbe in sämmtliche Konnossemente (unmittelbar oder mittelbar) ausgenommen ftin sollte, also über die Klausel: „all questions of general average to be settled according to the custom of the London Underwriters at Lloyd’s s. ROHG. XXV. 2ff. und Fuchsberger a. a. O. S. 264ff.

Artikel 703. Alle nicht zur großen Haverei gehörigen, durch einen Unfall verursachten Schäden und Kosten, soweit letztere nicht unter den Artikel 622. fallen, sind besondere Haverei. Die besondere Haverei wird von den Eigenthümern des Schiffs und der Ladung, von jedem für sich allein, getragen. Pr. Entw. Art. 586. I. L. Art. 630. - Prot. G. 2778, 4133 ff. Anhalt. Besondere Haverei 2, 14, 34, 85ff. Betheiligte 16. culpa 16, 86ff.

Haverei, Arten 2. — Wesen 1 ff.

Haverei, Konstruktion 5. Kosten der Schiffahrt f. Art. 622. Nothhafen 15, 29, auch 6. Schäden l, 2, 17.

14. Maßregeln, welche zur Errettung aus einer gemeinsamen Gefahr von Schiff und Ladung unternommen werden, sind ihrem rechtlichen Charakter nach wesentlich verschieden von Maßregeln, welche nur dazu bestimmt sind, einzelne Theile des Schiffs oder der Ladung gegen Untergang oder Entwerthung zu sichern; jene gehören zur Havariegrosse, diese führen zur PartikulärTragung. ROHG. XXV. 101. 15. Partikulär-Schäden behalten auch im Nothhafen ihren Charakter bei. Die Nichtverschiffbarkeit einer im Nothhafen partikulär beschädigt sich ausweisenden, nicht konservierbaren Waare kann niemals einen Grund abgeben, um den in Folge der Beschädigung eintretenden Ver­ lust in Havariegrosse zu bringen, gleichviel ob die Waare verkäuflich oder nicht verkäuflich sein mag. ROHG. XXI. 155 f. Vgl. oben Bem. 6.

Artikel 704. Die Anwendung der Bestimmungen über große Haverei wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Gefahr in Folge des Verschuldens eines Dritten oder auch eines Betheiligten herbeigeführt ist. Der Betheiligte, welchem ein solches Verschulden zur Last fällt, kann jedoch nicht allein wegen der ihm etwa entstandenen Schäden keine Vergütung fordern, sondern er ist auch, den Beitragspflichtigen für den Verlust verantwortlich, welchen sie dadurch erleiden, daß der Schaden als große Haverei zur Vertheilung kommt.

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Vom Seehandel.

Art. 704—707.

Ist die Gefahr durch eine Person der Schiffsbesatzung verschuldet, so trägt die Folgen dieses Verschuldens auch der Rheder nach Maaßgabe der Artikel 451., 452. Fehlt Im Pr. Entw. I. 8. Art. 605. - Prot. S. 2637 ff., 4079, 4212.

Abordage 85ff. Betheiligte 16. culpa 16,' 86 ff. Rhederhaftung 16, s. auch Art. 451, 452, 456.

Inhalt. Schäden 2, 17. Schiffer s. Art. 478 ff. Schiffsbesatzung s. Art. 445. Zusammen st off 85 ff.

16. „Aus Abs. 1 des Art. 704 ergiebt sich nur, daß allgemein bei der culpa eines Be­ theiligten, also auch bei einem vom Rheder mit der fortune de mer zu vertretenden Verschulden, nicht ohne Weiteres wegen dieses Verschuldens der Grundsatz des zweiten Absatzes des Art. 702 HGB.'s unwirksam wird, wogegen, wenn mit diesem Verschulden die Thatsache zusammentrifft, daß nur dem Rheder Schäden entstanden sind, da ihm kein Vergütungsanspruch an einen Andern zusteht, für die Anwendung jenes Grundsatzes kein Raum ist. Es ist dann vielmehr keine Havarie­ grosse vorhanden." Entsch. des OLG. Hamburg vom 16. März 1886 (Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 101, mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 290).

Artikel 705. Die Havereivertheilung tritt nur ein, wenn sowohl das Schiff als auch die Ladung, und zwar jeder dieser Gegenstände entweder ganz oder theilweise wirklich gerettet worden ist. Pr. Eritw. Art. 552 Abs. 1. I. L. Art. 606 Abs. 1. - Prot. S. 2635 ff., 2692, 4080.

Haverei 1 ff. Schäden 17.

Anhalt. I Totalopfer 2, 17, 18. I — -vertust 17, 18.

17. Aus die Rettung des ganzen Schiffes und der ganzen Ladung kommt es nicht an, Schiff und Ladung müssen wenigstens theilweise die Gefahr überstehen; wenn also das Schiff unter­ geht oder zu einem reparaturunfähigen Wrack wird, so hat die geborgene Ladung keine große Haverei zu tragen. Prot. S. 4080. Unter Schäden im Sinne des Art. 102 ist daher nicht Untergang, sondern nur Beschädigung zu verstehen.

Artikel 706. Die Verpflichtung, von einem geretteten Gegenstände beizutragen, wird dadurch, daß derselbe später von besonderer Haverei betroffen wird, nur dann vollständig aufgehoben, wenn der Gegenstand ganz verloren geht. Pr. Entw. Art. 552 Abs. 2. I. 8. Art. 606 Abs. 2. - Prot. 3. 2638 ff., 4080.

Inhalt. Actio in rem scripta 1, 5, 18. Besondere Haverei 2, 14, 34, 85ff.

I >

Sachhaftung 17, 18. Untergang der Sache 18.

18. Die Havereibeträge haften nur an der Sache; die Forderung derselben ist eine actio in rem scripta, s. oben Bem. 5; die Ansprüche gehen unter, wenn die Sache, an der sie hafteten, m einem späteren Unfälle völlig zu Grunde gegangen ist. Prot. S. 2639.

Artikel 707. Der Anspruch auf Vergütung einer zur großen Haverei gehörenden Be­ schädigung wird durch eine besondere Haverei, welche den beschädigten Gegen-

stand später trifft, sei es, daß er von Neuem beschädigt wird oder ganz verloren geht, nur insoweit aufgehoben, als bewiesen wird, daß der spätere Unfall nicht allein mit dem früheren in keinem Zusammenhange steht, sondern daß er auch den früheren Schaden nach sich gezogen haben würde, wenn dieser nicht bereits entstanden gewesen wäre. Sind jedoch vor Eintritt des späteren Unfalls zür Wiederherstellung des beschädigten Gegenstandes bereits Aufwendungen gemacht, so bleibt rücksichtlich dieser der Anspruch auf Vergütung bestehen. Fehlt in den Crrtw. — Prot. S. 4081 ff. Anhalt.

Beschädigung, spätere 19.

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Besondere Haverei 2, 14, 34, 85ff.

19. Dem bloß zufälligen, zu keiner Havereivergütung berechtigenden Opfer (s. bei Art. 702) wird der in Art. 707 behandelte Fall gleichgestellt. Wenn nämlich der durch die Rettungsmaßregel beschädigte Gegenstand später, und zwar erweislich ohne jeden ursächlichen Zu­ sammenhang, durch einen Unfall zu Grunde geht oder so betroffen wird, daß die früher zugefügte Beschädigung auch jetzt hätte eintreten müssen, so bleibt dem durch den Unfall Betroffenen ein Anspruch auf Havereivergütung nur insofern, als ihm durch die erste, absichtliche Beschädigung bereits Reparaturkosten oder sonstige Baaraufwendungen erwachsen waren, im Uebrigen wird die ganze Sache als besondere Haverei behandelt. So kann z. B. eine Vergütung nicht verlangt werden, wenn eine bei dem Havariegrosse-Unsalle leicht benetzte Kiste mit Seidenwaaren späterhin kasuell über Bord fällt und gründlich vom Seewasser getränkt wird (Prot. S. 4082), oder wenn unmittelbar nach dem Kappen der Masten der Blitz das Schiff entzündet. (Prot. S. 4084.) Vgl Heck a. a. O. S. 346.

Artikel 708. Große Haverei liegt namentlich in folgenden Fällen vor, vorausgesetzt, daß in denselben zugleich die Erfordernisse der Art. 702. 704. und 705. in­ soweit vorhanden sind, als in diesem Artikel nichts Besonderes bestimmt ist: 1) Wenn Waaren, Schiffstheile oder Schiffsgeräthschaften über Bord­ geworfen, Masten gekappt, Taue oder Segel weggeschnitten, Anker, Ankertaue oder Ankerketten geschlippt oder gekappt worden sind. Sowohl diese Schäden selbst als die durch solche Maaßregeln an Schiff oder Ladung ferner verursachten Schäden gehören zur großen Haverei. 2) Wenn zur Erleichterung des Schiffs die Ladung ganz oder theilweise in Leichterfahrzeuge übergeladen worden ist. Es gehört zur großen Haverei sowohl der Leichterlohn als der Schaden, welcher bei dem Ueberladen in das Leichterfahrzeug oder bei dem Rückladen in das Schiff der Ladung oder dem Schiff zu­ gefügt worden ist, sowie der Schaden, welcher die Ladung auf dem Leichterfahrzeug betroffen hat. Muß die Erleichterung im regelmäßigen Verlauf der Reise er­ folgen, so liegt große Haverei nicht vor.

3) Wenn das Schiff absichtlich auf den Strand gesetzt worden ist, jedoch nur wenn die Abwendung des Unterganges oder der Nehmung damit bezweckt war. Sowohl die durch die Strandung einschließlich der Abbringung entstandenen Schäden, als auch die Kosten der Abbringung gehören zur großen Haverei. Wird das Behufs Abwendung des Unterganges auf den Strand gesetzte Schiff nicht abgebracht oder nach der Abbringung reparatur­ unfähig (Artikel 444.) befunden, so findet eine Havereivertheilung nicht statt. Ist das Schiff gestrandet, ohne daß die Strandung zur Rettung von Schiff und Ladung vorsätzlich herbeigeführt war, so gehören zwar nicht die durch die Strandung veranlaßten Schäden, wohl aber die auf die Abbringung verwendeten Kosten und die zu diesem Zweck dem Schiff oder der Ladung absichtlich zugefügten Schäden zur großen Haverei. 4) Wenn das Schiff zur Vermeidung einer dem Schiff und der Ladung im Falle der Fortsetzung -der Reise drohenden gemeinsamen Gefahr in einen Nothhafen eingelaufen ist, wohin insbesondere gehört, wenn das Einlaufen zur nothwendigen Ausbesserung eines Schadens erfolgt, welchen das Schiff während der Reise erlitten hat. Es gehören in diesem Falle zur großen Haverei die Kosten des Einlaufens und des Auslaufens, die das Schiff selbst treffenden Aufenthaltskosten, die der Schiffsbesatzung während des Aufenthalts gebührende Heuer und Kost, sowie die Auslagen für die Unter­ bringung der Schiffsbesatzung am Lande, wenn und so lange die­ selbe an Bord nicht hat verbleiben können, ferner, falls die Ladung wegen des Grundes, welcher das Einlaufen in den Nothhafen her­ beigeführt hat, gelöscht werden muß, die Kosten des Von- und Anbordbringens und die Kosten der Aufbewahrung der Ladung am Lande bis zu dem Zeitpunkte, in welchem dieselbe wieder an Bord hat gebracht werden können. Die sämmtlichen Aufenthaltskosten kommen nur für die Zeit der Fortdauer des Grundes in Rechnung, welcher das Einlaufen in den Nothhafen herbeigeführt hat. Liegt der Grund in einer nothwendigen Ausbesserung des Schiffs, so kommen außerdem die Aufenthaltskosten nur bis zu dem Zeitpunkte in Rechnung, in welchem die Ausbesserung hätte vollendet sein können. Die Kosten der Ausbesserung des Schiffs gehören nur insoweit zur großen Haverei, als der auszubessernde Schaden selbst große Haverei ist. 5) Wenn das Schiff gegen Feinde oder Seeräuber vertheidigt worden ist.

Die bei der Vertheidigung dem Schiff oder der Ladung zuge­ fügten Beschädigungen, die dabei verbrauchte Munition und, im Fall eine Person der Schiffsbesatzung bei der Vertheidigung verwundet oder gelobtet worden ist, die Heilungs- und Begräbnißkosten, sowie die zu zahlenden Belohnungen (Artikel 523., 524., 549., 551.)1) bilden die große Haverei. 6) Wenn im Fall der Anhalrung des Schiffs durch Feinde oder See­ räuber Schiff und Ladung losgekauft worden sind. Was zum Loskauf gegeben ist, bildet nebst den durch den Unter­ halt und die Auslösung der Geißeln entstandenen Kosten die große Haverei. 7) Wenn die Beschaffung der zur Deckung der großen Haverei während der Reise erforderlichen Gelder Verluste und Kosten verursacht hat, oder wenn durch die Auseinandersetzung unter den Betheiligten Kosten entstanden sind. Diese Verluste und Kosten -gehören gleichfalls zur großen Haverei. Dahin werden insbesondere gezählt der Verlust an den während der Reise verkauften Gütern, die Bodmereiprämie, wenn die erforder­ lichen Gelder durch Bodmerei aufgenommen worden sind, und wenn dies nicht der Fall ist, die Prämie für Versicherung der aufgewen­ deten Gelder, die Kosten für die Ermittelung der Schäden und für die Aufmachung der Rechnung über die große Haverei (Dispache). Pr. Entw. Art. 653, 556, 556, 558, 561, 562, 663. I. L. Art. 607, 608. - Prot. @.2640 ff., 2661 ff., 2679 ff., 2692 ff., 2695, 4085, 4212 ff. Inhalt.

Absichtliche Strandung 23. Aufbringung 32. Aufenthalt int Nothhafen 6, 29, 30. Aufgeben der Reise 25. Beginn der Seegemeinschaft 7. Beköstigung 24. Besondere Haverei 2, 14, 34, 85 ff. Dauer des Aufenthalts im Nothhafen 30.

— der Seegemeinschaft 6, 7. Dispache 33, 73ff. Ermessen des Schiffers 12, 21. Feindliche Wegnahme 26, 31, 32. Folgen des HavereiakteS 6, 20. — der Strandung 24. Gefahr, Annahme einer — 29. Gefährdung 2, 29. Gemeinschaft 2, 5, 27. Haverei, Arten 2.

— Weseu 1 ff. — Konstruktion 5. Indirekter Schaden 6, li, 21, 86 ff., 93-95, 106, 107. Kosten der Schiffahrt s. Art. 622. — im Nothhafen 6, 29. Lebensrettung, Absicht der — 23.

Leichterung in Nothfällen 22. Lösegeld 32, 35. Nautische Erwägungen 12, 21, 29. Nothfälle 2, io, 22. — -Hafen 6, 15, 29. Opfer 2, 17. — des Schiffs für Ladungsrettung 28. Ordnung im Seewurf 21. Partikulare H. s. besondere H., bei Aufgeben der Reise 25. Prangen 36. Ranyonnierung 32. Reklame kosten 35 Reparaturkosten 35. Rhodia, i. d. jactu 3, 4, 21 ff. Schäden im Nothhafen 6, 29: Seegemeinschaft 2, 5, 7, 27. — -räuber 26, 31. — -wurf 21 ff. Strandung, absichtliche 23, 26. Subjektive Annahme der Gefahr 12, 21, 29. Totalverlust 2, 17. Berhältniß zw. Art. 702 u. 708: 6, 20.

20. Die in Art. 708 aufgeführten Fälle sind zunächst nur exemplifikatorischer Natur; es sollten hier nur die wichtigsten und häufigsten Fälle der großen Haverei aufgeführt und die betreffs derselben bestehenden Kontroversen entschieden werden (preuß. Entw. S. 305). Trotz der nicht [) Statt dieser Artikel nun: Seemannsordnung §§ 49 u. 51, s. oben S. 973.

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Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 708.

beabsichtigten erschöpfenden Aufzählung der Fälle sollte aber für jeden einzelnen behandelten Fall klares Recht gegeben werden (ROHG. VIII. 218 ff.; vgl. XIII. 406 f.); wie dieses zu verstehen ist und in welchem (bestrittenen) Verhältniß Art. 708 zu den grundlegenden Prinzipien des Art. 702 steht, ist oben Bem. 6 S. 1095 erörtert. 21. Ziff. 1. Hier ist der Normalfall der lex Rhodia behandelt. Heck a. a. O. S. 217 ff., 232. Im Falle des eigentlichen Seewurfes ist der Schiffer in Betreff der Reihenfolge der zu opfernden Gegenstände, soweit die Umstände dies zulassen, an eine gewisse Ordnung gebunden. S. hierüber Mako wer a. a. O. Anm. 11 zu Art. 708 S. 671. Vgl. Preuß. Allg. LR. Thl. II Tit. 8 §§ 1800 ff., 1818. (Vgl. oben Bem. 12.) Zu den in Abs. 1 erwähnten direkten Schäden kommen die indirekten des Abs. 2. Siehe hierüber Bem. 6 und Bem. 11 zu Art. 702. Prot. S. 2642. S. zu Abs. 2 den Rechtsfall ROHG. XXI. 155. 22. Ziff. 2. . Ein Fall großer Haverei ist hier (in Ziff. 2 des Art. 708) jedoch nur dann vorhanden, wenn zur Erleichterung des Schiffes „in Nothfällen" die Ladung ganz oder theilweise in Leichterfahrzeuge übergeladen worden ist, nicht aber in dem Falle, wo die Erleichterung des Schiffes nicht im ordnungsmäßigen Betriebe der Schiffahrt (vgl. Bem. 226 zu Art. 647, Bem. 223 zu Art. 505, Bem. 8 zu Art. 432, auch Bem. 210 zu Art. 644), sondern aus Noth hat vorgenommen werden müssen, z. B. wenn das Schiff leck geworden ist und bei ruhiger See zu sinken drohte, wenn es auf einer Sandbank festsaß. Prot. S. 2644, 4213. 23. Ziff. 3. Das Gesetz verlangt hier eine freiwillige, absichtliche Strandung, und zwar zur Rettung von Schiff und Ladung aus einer gemeinschaftlichen Gefahr. Eine freiwillige Strandung liegt nicht vor, wenn der Schiffer bei eitlem nicht mehr zu vermeidenden Stranden den mindest gefährlichen Theil des Strandes aufsucht, denn in einem solchen Falle tritt die Absicht, Schiff und Ladung zu retten, gegen die Absicht, das Leben zu retten, zurück. Motive S. 306; Prot. S. 2645—2652; vgl. preuß. LR. Thl. II Tit. 8 §§ 1820, 1821. Dagegen ist eine große Haverei gegeben, wenn der Schiffer einer nothwendig gewordenen Strandung, welche das Schiff zertrümmern würde, durch absichtlich herbeigeführte Strandung an anderer Stelle zum Heil von Schiff und Ladung zuvorkommt. Wenn die Absicht, den Untergang von Schiff und Ladung abzuwenden, feststeht, so kommt es nicht darauf an, ob damit zugleich die Absicht, das Leben der Mannschaft zu retten, zusammenfiel. Vgl. Entsch. des preuß. Ob.-Trib. Bd. 61 Nr. 27 S. 218, auch in Seuffert's Arch. Bd. 24 S. 221 ff. 24. Im Falle absichtlicher Strandung sollen nach Ansicht des ROHG. Beköstigung und Heuer der Besatzung während des Aufenthaltes am Strandungsplatze nicht zur großen Haverei gehören. (Die in Nr. 4 Hierwegen gegebene Ausnahmebestimmung kann auf den Fall in Nr. 3 nicht übertragen werden. [. S. 274, 275. 43. Die Vornahme der Taxe durch besonders autorisierte Sachverständige ist nicht vorgeschrieben. S. Prot. S. 4096. 44. Beim Unterlassen der ausführbaren Aufnahme einer Taxe für die während der Reise erfolgte Reparatur geht der Rheder seines Ersatzanspruches verlustig. Makower, Komm., Anm. 36 zu Art. 711; Prot. S. 2704; Lewis, Seerecht II. S. 74. Artikel 712. Der nach Maaßgabe des vorstehenden Artikels ermittelte volle Betrag der Reparaturkosten bestimmt die zu leistende Vergütung, wenn das Schiff zur Zeit der Beschädigung noch nicht ein volles Jahr zu Wasser war. Dasselbe gilt von der Vergütung für einzelne Theile des Schiffs, nament­ lich für die Metallhaut, sowie für einzelne Theile des Zubehörs, wenn solche Theile noch nicht ein volles Jahr in Gebrauch waren. In den übrigen Fällen wird von dem vollen Betrage wegen des Unter­ schiedes zwischen alt und neu ein Drittel, bei den Ankerketten ein Sechstel, bei den Ankern jedoch nichts abgezogen. Von dem vollen Betrage kommen ferner in Abzug der volle Erlös oder Werth der etwa noch vorhandenen alten Stücke, welche durch neue ersetzt sind oder zu ersetzen sind.

Findet ein solcher Abzug und zugleich der Abzug wegen des Unterschiedes zwischen alt und neu statt, so ist zuerst dieser letztere und sodann erst von dem verbleibenden Betrage der andere Abzug zu machen. Pr. Elttw. Art. 567. I. «. Art. 611. - Prot. ®. 2706 ff., 4098 ff.

3 tt » » 11. Assekuranzfälle 45. Drittelsabzug 45.

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Ermittlung der Reparaturkosten 40—44. Reparaturkosten 34, 40ff.

45. Ueber den Grund des Abzuges eines Drittels wegen des Unterschiedes zwischen Alt und Neu s. ROHG. XXIII. 355. Art. 712 ist auch in Assekuranzfällen anzuwenden, s. Art. 876.

Artikel 713. Die Vergütung für aufgeopferte Güter wird durch den Marktpreis be­ stimmt, welchen Güter derselben Art und Beschaffenheit am Bestimmungsort bei Beginn der Löschung des Schiffs haben. In Ermangelung eines Marktpreises, oder insofern über denselben oder über dessen Anwendung, insbesondere mit Rücksicht auf die Qualität der Güter, Zweifel bestehen, wird der Preis durch Sachverständige ermittelt. Von dem Preise kommt in Abzug, was an Fracht, Zöllen und Unkosten in Folge des Verlustes der Güter erspart wird. Zu den aufgeopferten Gütern gehören auch diejenigen, welche zur Deckung der großen Haverei verkauft worden sind (Artikel 708. Ziffer 7.). Pr. Eniw. Art. 668, 569 Abs. 1. I. K. Art. 612. - Pro«. @. 2707 ff., 2717 ff., 4102 ff., 4213 ff., 4286 ff.

Abzüge, weitere s. Art. 715. Berrragsermittlung s. Art. 721. Beschädigte Güter 47. Bestimmungsort s. Art. 716.

stfakturawerth 46. Marktpreis 46, s. auch Art. 311, 343 u. a. Verkauf von Gütern 55.

46. Bei geopferten Gütern ist nicht der Einkaufspreis (Fakturawerth), sondern der Markt­ oder Taxpreis maßgebend, welchen sie bei Beendigung der Reise an dem Löschungsorte gehabt haben würden, jedoch unter der Beobachtung der Vorschrift unter Abs. 3. S. hierüber Prot. S. 2708, 4106. Hinsichtlich der Beitragsermittelung s. Art. 721.

Artikel 714. Die Vergütung für Güter, welche eine zur großen Haverei gehörige Be­ schädigung erlitten haben, wird bestimmt durch den Unterschied zwischen dem durch Sachverständige zu ermittelnden Verkaufswerth, welchen die Güter im be­ schädigten Zustande am Bestimmungsorte bei Beginn der Löschung des Schiffs haben, und dem im vorstehenden Artikel bezeichneten Preise nach Abzug der Zölle und Unkosten, soweit sie in Folge der Beschädigung erspart sind. Pr. E«tw. Art. 596 Abs. 2. I. L. Art. 613. — Prot. @. 2720, 4108, 4219. Inhalt.

Abzüge s. Art. 715. Beschädigte Güter 47.

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Bestimmungsort s. Art. 716.

1108

Fünftes Buch. Vom Seehandel.

Art. 714—717.

47. Der Ersatz der beschädigten Güter berechnet sich in derselben Weise wie bei ge­ opferten Gütern, nämlich nach der Differenz zwischen dem Werthe im unbeschädigten Zustande und im beschädigten Zustande am Löschungsorte zur Löschungszeit. Von einer Bestimmung über Abzug einer Fracht ist hier Umgang genommen; über den Grund s. Prot. S. 4219.

Artikel 715. Die vor, bei oder nach dem Havereifall entstandenen, zur großen Haverei nicht gehörenden Werthsverringerungen und Verluste sind bei Berechnung der Vergütung (Artikel 713. 714.) in Abzug zu bringen. Pr. entto. Art. 570. I. L. Art. 614. - Prot. 3. 2721, 2748, 4108.

Artikel 716. Endet die Reise für Schiff und Ladung nicht im Bestimmungshafen, sondern an einem anderen Orte, so tritt dieser letztere, endet sie durch Verlust des Schiffs, so tritt der Ort, wohin die Ladung in Sicherheit gebracht ist, für die Ermittelung der Vergütung an die Stelle des Bestimmungsortes. Pr. Entw. Art. 571. I. L. Art. 615. - Prot. 3. 2721 ff., 4108.

Artikel 717. Die Vergütung für entgangene Fracht wird bestimmt durch den Fracht­ betrag, welcher für die aufgeopferten Güter zu entrichten gewesen sein würde, wenn dieselben mit dem Schiff an dem Orte ihrer Bestimmung, oder wenn dieser von dem Schiff nicht erreicht wird, an dem Orte angelangt wären, wo die Reise endet. Pr. Entw. Art. 572. I. L. Art. 616. - Prot. S. 2713 ff., 2723, 4108 ff., 4126.

Inhalt. Auslagen 48. Frachtzah lung, verlorene 50 Arankozusenduug 49. LadungSempfün ger 49. Nettofracht 48.

© t ü dt q ü t c r t> c f r n d) t c r 51. U ii t e i v c v f r n d) t e r 51 Verfrachtung cn rouge 51. Bollfracht 48.

48. Der Verfrachter bekommt die volle Fracht ersetzt, ohne Unterschied, was davon Fracht­ gewinn (Nettofracht) und was bloße Entschädigung für seine Auslagen ist. 49. Bei Frankozusendung der Güter, also bei Uebernahme der Frachtzahlung seitens des Befrachters dem Adressaten gegenüber, geht diese Abmachung die Havereibetheiligten nichts an, cs ist Sache des Ladungsempfängers, sich wegen des ihm bei der Havereivergütung gemachten Fracht­ abzuges mit dem Ablader zu berechnen, eventuell mit der Kontraktsklage den Ersatz der Fracht von ihm zu fordern. Schröder in Endemann's Hdbch. Bd. IV. 1. S. 273 lit. a. 50. Für den Fall, daß die Frachtzahlung auch bei Verlust der Güter oder die Nicht­ zurückerstattung der bereits vorausgezahlten Fracht im Frachtverträge bedungen ist, so trifft Frachtentgang für die geopferten Güter nicht den Verfrachter, sondern den Ladungsempfänger, und steht sonach die „Vergütung für entgangene Fracht" diesem, nicht aber dem Verfrachter zu, wogegen es hinsichtlich der Vergütung für die geopferte Ladung sein Bewenden bei dem Abzüge der Fracht behält, da diese sonst zweimal .in Rechnung käme. S. Schröder a. a. O. S. 273 lit. b. 51. Bei Verfrachtung des Schiffes seitens des Rheders en rouge, d. h. Ueberlassung des Schiffes zur Anlegung aus Stückgüter durch Chartervertrag an einen Unterverfrachter und bei Anlegung desselben auf Stück seitens des Charterers, ist nicht der zwischen dem Rheder und dem

Achter Titel.

Von' der Haverei.

Art. 717—719.

1109

Charterer über das ganze Schiff abgeschlossene Frachtvertrag, sondern der zweite zwischen dem Charterer und dem Stückgüterbefrachter abgeschlossene Vertrag für die Vergütung der entgangenen Fracht maßgebend; es kann nämlich nur diejenige Fracht als verloren angesehen werden, für welche die Güter bei glücklicher Ankunft gehaftet haben würden, also diejenige, welche dem Afterverfrachter gebührt (Prot. S. 2715, 4110). Wird dem Unterverfrachter die Stückgutfracht für die geopferten Güter in großer Haverei ersetzt, so kann er dem Rheder die diesem zukommende Charterfracht nicht verweigern, auch wenn diese mehr als jene beträgt; die von ihm verspekulierte Differenz zwischen beiden zu ersetzen, ist nicht Aufgabe der Havereinehmung. S. hierüber Lewis, Seerecht Bd. II S. 59 u. Schröder a. a. O. S. 273, 274 lit. c.

Artikel 718. Der gesummte Schaden, welcher die große Haverei bildet, wird über das Schiff, die Ladung und die Fracht nach Verhältniß des Werths und des Be­ trages derselben vertheilt. Pr. Entw. Art. 573. I. L. Art. 617. - Prot. S. 2724, 4111.

Anhalt. Beitragsforderung, rechtl. Konstruktion der — 5. — Nechtsgeschichte der — 3. — Verjährung der — f. Art. 909. Beitragspflichtige Objekte 52 (Art. 718—724), 53 ff., 59, 60. Frachtbeitrag 52.

Kontributionspflicht 5, 56. Ladungsbeitrag 52. Nichtbeitragspflichtige Güter 54ff. Schiffsbeitrag 52, 53. Ueber sah rtsgelder 63.

52. lieber den Schiffsbeitrag s. Art. 719, über den Ladungsbeitrag s. Art. 720, 721, über den Frachtbeitrag s. Art. 723. Zur Fracht sind nach Art. 678 (und Art. 723 Abs. 3) auch die Ueberfahrtsgelder zu rechnen. Die juristische Konstruktion der Beitragspflicht s. oben Bem. 5 S. 1094. — Hinsichtlich der Verjährung der Beitragsforderung s. Art. 909.

Artikel 719. Das Schiff nebst Zubehör trägt bei: 1) mit dem Werthe, welchen es in dem Zustande am Ende der Reise bei Beginn der Löschung hat; 2) mit dem als große Haverei in Rechnung kommenden Schaden an Schiff und Zubehör. Von dem unter Ziffer 1. bezeichneten Werth ist der noch vorhandene Werth derjenigen Reparaturen und Anschaffungen abzuziehen, welche erst nach dem Havereifall erfolgt sind. Pr. Entw. Art. 574. 1. S. Art. 618. — Prot. @. 2724 ff., 2741 ff., 2752, 2762 ff.

Beispiele 53. Dispache 33, 73ff. Schiff s. Art. 432 Sem. 7 ff.

Schiffsbeitrag 52, 53. Werth der Reparaturen 53.. Zubehör s. Art. 443.

53. Nur der Werth der Reparaturen und der Anschaffungen (von Jnventarstücken) kommt in Abzug, nicht die Kosten, da diese in dem betreffenden Nothhafen ungewöhnlich hoch gewesen sein können. Prot. S. 2767—2773, 4112. Ueber die Berechnung s. die praktischen Beispiele, welche Lewis, Seerecht Bd. II S. 108 bis 113 und Heck a. a. O. S. 783—786 (Letzterer bei Friedberg, Formelbuch S. 335—338) bringen.

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Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 720. 721.

Artikel 720. Die Ladung trägt bei: 1) mit den am Ende der Reise bei Beginn der Löschung noch vor­ handenen Gütern, oder wenn die Reise durch den Verlust des Schiffs endet (Artikel 716.), mit den in Sicherheit gebrachten Gütern, soweit in beiden Fällen diese Güter sich zur Zeit des Havereifalls am Bord des Schiffs oder eines Leichterfahrzeuges (Artikel 708. Ziffer 2.) befunden haben; 2) mit den aufgeopferten Gütern (Artikel 713.). Pr. E»tw. Ar«. 575. I. L. Art. 619. — Prot. S. 2729 ff., 2752, 4113, 4222. Abgelichtete Güter 54. Beitragspflichtige Güter 54ff., 59, 60. Dispache 33, 73, auch 56. Frühere Opfer 55.

Inhalt. Geborgene Güter 57, 58. Nichtbeitragspflichtige Güter 54. Leichterladung 54. Verkaufte Güter 55.

54. Unbeteiligt sind die zur Zeit des Havereifalles noch nicht verladenen oder bereits gelöschten Güter, ferner die vor dem Havereifalle in andere Schiffe oder Leichterfahrzeuge um­ geladen gewesenen Güter. Letztere sind jedoch, wie aus der Hinweisung auf Art. 708 Ziff. 2 hervorgeht, dann beitragspflichtig, wenn die Verladung der Güter aus das Leichterfahrzeug wegen eines Nothfalles erfolgte. In letzterem Falle wird jeder Schaden, welcher die abgelichteten Güter aus dem Leichterfahrzeuge trifft, sei es besondere Haverei, sei es Beitrag zu einer großen Haverei des Leichterfahrzeuges, bei der großen Haverei des Hauptschiffes in Rechnung gestellt, auch wenn kein ursächlicher Zusammenhang nachgewiesen ist. (Schröder a. a. O. S. 276.) S. hierüber Prot. S. 2732. Die Beitragspflicht besteht selbst dann noch, wenn Schiff und Ladung aus der Gefahr, welche zur Erleichterung des Schiffes Anlaß gab, bereits gerettet sind, und nun in Folge einer neuen Gefahr eine neue große Haverei am Bord des Hauptschiffes sich ereignet; es wirkt die ursprüngliche Gefahr so lange fort und ist nicht eher als beseitigt anzusehen, als bis die ge­ leichterten Güter an Bord des Hauptschiffes zurückgebracht worden sind. Es besteht nämlich zwischen der auf dem Hauptschiffe verbliebenen und der auf dem Leichterfahrzeug befindlichen Ladung, welche in der Regel nicht zu dem Zwecke dauernder Trennung, sondern mit der Absicht baldmöglichster Wiedereinladung in das Hauptschiff erfolgte, eine Interessengemeinschaft, welche zu der gesetzlichen Fiktion führt, als dauere die körperliche Gemeinschaft in dem Schiffsräume noch fort. Diese Fiktion hört auf, sobald die abgelichteten Güter das Land erreichen oder behufs ihrer Weiter­ beförderung in ein anderes Schiff verladen werden, wohin auch der Fall gehört, wenn das Leichterfahrzeug von einem anderen Schiffe in Schlepptau genommen wird, weil damit die Absicht der Wiedereinladung aufgegeben ist. (Schröder a. a. O. S. 276.) 55. Die int Nothhafen verkauften Güter, auch wenn deren Erlös zur Deckung der Kosten für Reparatur einer partikulären Haverei verwendet worden ist, sind mit ihrem ganzen Werthe beitragspflichtig, weil nach Art. 734 dieser auch nach den Grundsätzen der großen Haverei vergütet werden muß, wenn aus Schiff und Fracht die nöthige Befriedigung nicht erlangt werdett kann. Prot. S. 2733. Auch die in einem früheren Havereifalle derselben Reise geopferten Güter müssen mit der für sie geleisteten oder zu leistenden Vergütung beitragen, weil dieselbe von den durch das neue Opfer geretteten Gegenständen geleistet wird, also ebenfalls nur durch dieses Opfer gerettet worden ist. S. Makower, Komm. S. 714 Anm. 48b zu Art. 720.

Artikel 721. Bei Ermittelung des Beitrags kommt in Ansatz: 1) für die Güter, welche unversehrt sind, der Marktpreis oder der durch Sachverständige zu ermittelnde Preis (Artikel 713.), welchen

dieselben am Ende der Reise bei Beginn und am Orte der Löschung des Schiffs, oder wenn die Reise durch Verlust des Schiffs endet (Artikel 716.), zur Zeit und am Orte der Bergung haben, nach Abzug der Fracht, Zölle und sonstigen Unkosten; 2) für die Güter, welche während der Reise verdorben sind oder eine zur großen Haverei nicht gehörige Beschädigung erlitten haben, der durch Sachverständige zu ermittelnde Verkaufswerth (Artikel 714.), welchen die Güter im beschädigten Zustande zu der unter Ziffer 1. erwähnten Zeit und an dem dort bezeichneten Orte haben, nach Ab­ zug der Fracht, Zölle und sonstigen Unkosten; 3) für die Güter, welche aufgeopfert worden sind, der Betrag, welcher nach Artikel 713. für dieselben als große Haverei in Rechnung kommt; 4) für die Güter, welche eine zur großen Haverei gehörige Beschädigung erlitten haben, der nach der Bestimmung unter Ziffer 2. zu er­ mittelnde Werth, welchen die Güter im beschädigten Zustande haben, und der Werthsunterschied, welcher nach Artikel 714. für die Be­ schädigung als große Haverei in Rechnung kommt. Pr. Entw. Art. 576. I. L. Art. 619. - Prot. S. 2732 ff., 4113 ff., 4222.

»«halt. Abgelichtete Güter 54. Angabe, Bedeutung ders. 56. Beispiele 53. Beitragspflichtige Güter 52ff., 59, 60. Dispache 33, 56, 73ff. Frachtbeitrag 52, 59.

Geborgene, gerettete Güter 57, 58, 60. Geopferte Güter 55, 58. Kontributionspflicht 56. Ladungsbeitrag 52. Marktpreis 46. Schiffsbeitr^ag 52, 53.

56. Wenn der Dispacheur, mit der Anfertigung der Repartitionsrechnung 3) beauftragt, die Betheiligten auffordert, den Werth ihrer Güter dem Art. 721 gemäß anzugeben und solche dieser Aufforderung entsprechen, so kann in der von ihnen hierauf gemachten Angabe nur die Mittheilung über einen faktischen Umstand, nicht aber ein neues Rechtsgeschäft, speziell nicht die Uebernahme einer Schuld, und zwar einer Schuld gewisser Größe, erblickt werden. Die Kontributionspflicht und deren Maß sollen durch jene Angabe nicht erst vertragsmäßig festgestellt werden, sondern sie stehen schon vorher fest. Wenn die KontributionsPflicht an sich feststeht, so ist das Maß derselben das Ergebniß der faktisch vorhandenen Faktoren, auf deren Grundlage die Berech­ nung nach Anleitung der Art. 713, 714, 721 anzufertigen ist. ROHG. XXIII. 180 f.

Artikel *722, Sind Güter geworfen, so haben dieselben zu der gleichzeitigen oder einer späteren großen Haverei im Falle ihrer Bergung nur dann beizutragen, wenn der Eigenthümer eine Vergütung verlangt. Fehlt tm Pr. Entw. I. L. Art. 620. - Prot. S. 2778, 2794 ff., 4116.

Inhalt. Angabe 56. Beitragspflicht Dispache 33, 56, 73ff.

l) Vgl. die oben Bern. 53 angeführten Beispiele (Lewis, Heck, Friedberg).

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Art. 722. 723.

57. Geborgene wieder an Bord gebrachte Güter theilen selbstverständlich alle Schicksale der ferneren Ladung; anders verhält es sich aber bezüglich der zwar bei dem Havereifalle auf dem Schiffe gewesenen, dann aber geworfenen oder unabsichtlich über Bord gekommenen Güter; diese nehmen, wenn sie geborgen werden, weder an diesem, noch an ferneren Havereifällen Theil. Dem Eigenthümer, welcher eme Havereivergütung zu beanspruchen hat, steht die Wahl zu, entweder unter völliger Befreiung von jeder Havereipflicht ilnd unter Verzicht aus jede Vergütung sein Eigenthum und zwar alles zurückzunehmen, denn es geht nicht an, daß er einen Theil der Güter nimmt und sich das Uebrige ersetzen läßt (s. Prot. S. 2794 f.), oder Ersatz für die in Folge der großen Haverei entstandene Verschlechterung zu fordern, oder unter Abtretung seines Eigenthums an die Beitragspflichtigen den vollen Vergütungsanspruch aufrecht zu erhalten. S. Schröder a. a. O. S. 276 f. 58. Wenn Güter, die m großer Haverei aufgeopfert worden sind, nach Aufmachung der Dispache und stattgehabter Vergütung derselben wieder gerettet worden sind, so sind, da das Eigen­ thum an den geopferten Waaren durch den Wurf u. dgl. an sich nicht verloren geht, die wieder geretteten Waaren zwar dem Eigenthümer auf Verlangen zu überlassen, dieser aber ist schuldig, entweder den geretteten Werth der Güter oder die für dieselben erhaltene Vergütung zurück­ zuerstatten; einer ausdrücklichen Bestimmung bedurfte es deshalb hierüber nicht, weil die allgemeinen Rechtsgrundsätze für die angemessene Entscheidung der Sache genügen. Prot. S. 2778.

Artikel 723. Die Frachtgelder tragen bei mit zwei Drittel: 1) des Bruttobetrages, welcher verdient ist; 2) des Betrages, welcher nach Artikel 717. als große Haverei in Rech­ nung kommt. Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, die auf zwei Drittel bestimmte Quote bis auf die Hälfte zu ermäßigen. Ueberfahrtsgelder tragen bei mit dem Betrage, welcher im Falle des Ver­ lustes des Schiffs eingebüßt wäre (Artikel 671.), nach Abzug der Unkosten, welche alsdann erspart sein würden. P«. Entw. A»t. 577. I. 8. Art. 621. - Prot. S. 2737 ff., 7245 ff., 2773 ff., 4116ff., 4220. Inhalt.

Beitragspflichtige Fracht 59, 60. „^Doppelbesteuerung" 62. Fortsetzung der Reise 60. Frachtbeitrag 59, 60. — -vertrag en rouge 62.

Gerettete Fracht 60. Landesgesetze 61. Motiv des Gesetzgebers 59. Rückgriffsrecht 62. Ueberfahrtsgelder, beitragspfl. 63.

59. Die Beitragspflichtigkeit der Fracht rechtfertigt sich dadurch, daß sie mit dem Unter­ gänge der Ladung verloren gewesen wäre und demnach dem Havereiopfer ihre Erhaltung verdankt; die Havererpflichtigkeit der vollen Bruttofracht wäre aber deshalb ungerecht, weil der Verfrachter in dem unglücklichsten Falle wenigstens die Kosten des weiteren Transportes gespart und von den geborgenen Gütern Distanzfracht erhalten haben würde. Schröder a. a. O. S. 277 Ziff. 3. Die Fracht ist beitragspflichtig, selbst wenn das Interesse des Verfrachters durch das zu vergütende Opfer nicht gefördert worden ist, z. B wenn derselbe die Fracht von den übernommenen Gütern unter allen Umständen bezahlt erhält, gleichviel, ob die Güter an den Bestimmungsort gelangen oder vorher verloren gehen; auch in diesem Falle wird die Fracht durch das Opfer erhalten. Mako wer, Komm., Anm. 51 zu Art. 723; Prot. S. 2737, 4118. 60. Die Beitragspflichtigkeit erstreckt sich selbstverständlich nur auf zwei Drittel der wirk­ lich geretteten *) Fracht. Wenn sonach von dem Schiffer im Falle der Unfähigkeit des Schiffes L) Vgl. Regel X der Y. a. A. R oben Bem. 4 zu Art. 702.

Achter Titel.

Von der Haverei.

Art. 723—725.

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zur Fortsetzung der Reise die Weiterbeförderung b?r Ladung durch ein von ihm gechartertes zweites Schiff veranlaßt worden ist, so ist bei der großen Haverei des ersten Schiffes nur der nach Abzug der für das gecharterte Schiff zu zahlenden Fracht verbleibende Frachtüberschuß mit zwei Dritteln seines Betrages heranzuziehen. Samml. der Entsch. des Ob.-App.-Ger. zu Lübeck Bd. V S. 102 ff. 61. Von dem für die Landesgesetze gemachten Vorbehalt, den beitragspflichtigen Theil auf die Hälfte der Fracht herabzusetzen, ist kein Gebrauch gemacht worden. S. Schröder a. a. O. S. 278 Note 17. 62. Da unter normalen Verhältnissen die Fracht auf Gefahr des Verfrachters geht, so ist auch dieser havereibeitragspflichtig; und wenn auch bei der Verfrachtung en rouge zwar das Risiko sowohl auf Seiten des Charterers wie des Oberverfrachters ist und das Havereiopfer beiden zu Gute kommt, so kann gleichwohl die Fracht nicht einer Doppelbesteuerung unterstellt werden. Der Charterer erhält seine Konnossemenlfracht und leistet mit dem havereipflichtigen Theile derselben seinen Beitrag zur großen Haverei; wie viel und wie wenig an Fracht er nach der Chartepartie an den Oberverfrachter zu entrichten hat, ist für das Verhältniß der Havereibetheilig.ten gleichgültig. Auch im Falle der Uebernahme der Gefahr der Fracht seitens der Befrachter oder der Ladungsempfänger obliegt die Havereibeitragspflichtigkeit dem Verfrachter und hat der­ selbe ein Rückgriffsrecht gegen den ihm zur Frachtzahlung Verpflichteten. . . 63. Die Beitragspflichtigkeit der Ueberfahrtsgelder bemißt sich nach Verhältniß der seit dem Havereifall Passierten Strecke, wobei jedoch der Nettowerth maßgebend ist; es haben also hier­ bei die dem Verfrachter durch die Weiterbeförderung entstandenen Unkosten in Abzug zu kommen, wobei es sich hauptsächlich um den Unterhalt der Reisenden und um Lohn und Unterhalt für die zu ihrer Bedienung angestellten Personen handelt. Nur bei einem ausschließlichen Passagierschiffe kommen auch Heuer und Unterhalt für die übrigen Personen der Schiffsbesatzung in Abzug. Uebrigens ist bei solchen Schiffen eine große Haverei nur dann denkbar, wenn die Reisenden noch andere Güter als bloß Reise-Effekten mit sich führen. Prot. S. 2773 ff. Vgl. Regel X der Y. a. A. R oben Bem. 4 zu Art. 702.

Artikel 724. Haftet auf einem beitragspflichtigen Gegenstand eine in einem späteren Nothfalle sich gründende Forderung, so trägt der Gegenstand nur mit seinem Werthe nach Abzug dieser Forderung bei. Fehlt I» de,, @u,to. - Prot. @. 422» ff. Inhalt. Folge des Art. 724: 64.

>

Motiv, gesetzgeberisches 64.

64. Grund brr Bestimmung des Art. 724 ist das Prinzip, daß alle Gegenstände nur mit dem Werthe beitragspflichtig sind, welchen sie am Ende der Reise bei Beginn der Löschung haben. Ob die Verringerung des Werthes durch physische Beschädigung oder durch Belastung ■ mit ding­ lichen Schulden eingetreten ist, macht keinen Unterschied. Prot. S. 4221.

Artikel 725. Zur großen Haverei tragen nicht bei: 1) die Kriegs- und Mundvorräthe des Schiffs; 2) die Heuer und Effekten der Schiffsbesatzung; 3) die Reise-Effekten der Reisenden. Sind Vorräthe oder Effekten dieser Art aufgeopfert oder haben sie eine zur großen Haverei gehörige Beschädigung erlitten, so wird für. dieselben nach

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Art. 725. 726.

Maaßgabe der Artikel 713. bis 717. Vergütung gewährt; für Effekten, welche in Kostbarkeiten, Geldern und Werthpapieren bestehen, wird jedoch nur dann Vergütung gewährt, wenn dieselben dem Schiffer gehörig bezeichnet sind (Artikel 608.). Vorräthe und Effekten, für welche eine Vergütung gewährt wird, tragen mit dem Werth oder dem Werthsunterschied bei, welcher als große Haverei in Rechnung kommt. Die im Artikel 710. erwähnten Gegenstände sind beitragspflichtig, soweit sie gerettet sind. Die Bodmereigelder sind nicht beitragspflichtig. Pr. Entw. Nr«. 678. I. L. Art. 623. - Pro«. S. 2743 ff., 4126, 4226.

Inhalt. Motiv des Gesetzgebers 65. Mundvorräthe s. Art. 480. Reiseesfekten s. Art. 673, 674. Reisende s. Art 665ff, Bem. 273 hierzu nebst Anm.

Besatzung s. Art. 445. Bodmereigelder s. Art. 680ff. Effekten der Besatzung vgl. Seem. O. § 49. Heuer s. Art. 518ff., Seem. O. § 35ff. KriegSvorrärhe vgl. Art. 523.

65. Bon der Beitragspflichtigkeit sind diejenigen Gegenstände enthoben, welche nicht des Handels wegen, sondern zum persönlichen Gebrauche der auf dem Schiffe befindlichen Leute ein­ geschifft worden sind. Makower, Komm., Anm. 55 zu Art. 725. S. Motive S. 316 und vgl. §§ 1871 ff. Thl. II Tit. 8 des preuß. LR. Vgl. 1. 2. § 2. D. 14. 2.

Artikel 726. Wenn nach dem Havereifall und bis zum Beginn der Löschung am Ende der Reise ein beitragspflichtiger Gegenstand ganz verloren geht (Artikel 706.), oder zum Theil verloren geht oder im Werthe verringert wird, wohin ins­ besondere der Fall des Artikels 724. gehört, so tritt eine verhältnißmäßige Er­ höhung der von den übrigen Gegenständen zu entrichtenden Beiträge ein. Ist erst nach Beginn der Löschung der Verlust oder die Werthsver­ ringerung erfolgt, so geht der Beitrag, welcher auf den Gegenstand fällt, soweit dieser zur Berichtigung desselben unzureichend geworden ist, den Vergütungs­ berechtigten verloren. Fehlt im Pr. Entw. I. L. Art. 623. — Prot. S. 2724 ff., 2732 ff., 2749 ff., 4126.

Inhalt. Gemeinschaft 66, 2, 5, 7. Motiv des Gesetzgebers 66.

I j

Solidarhafr 66.

66. Während der Dauer der Gemeinschaft im Schiff, welche mit dem Beginne der Löschung ihr Ende erreicht, besteht eine solidarische Haftung sämmtlicher Beitragspflichtigen in der Art, daß der durch Untergang oder Werthsverminderung beitragspflichtiger Gegenstände in der Zeit von dem Havereifall bis zum Beginn der Löschung am Reisebeendigungsorte entstehende Ausfall, nach dem konsequenten Grundsätze, daß die große Haverei nach dem Werthe der beitragspflichtigen Gegenstände am Reiseziel vertheilt wird, durch Erhöhung der übrigen Beiträge gedeckt werden muß. Bis zum Beginne der Löschung ist sonach Verlust und Werthsminderung beitragspflichtiger Gegenstände ein die Gemeinschaft derselben betreffender Nachtheil. S. hierüber Prot. S. 2749 bis 2751. Nach Beendigung der Gemeinschaft hört die Gesammtverbindlichkeit auf und Jeder haftet nur für seinen Antheil, bezüglich der Ausfälle an einzelnen Beiträgen trägt das Risiko der Bergütungsbercchtigte. Vgl. Schröder a. a. O. S. 280; Lewis, Seerecht II. S. 95, 96.

Achter Titel.

Von der Haverei.

Art. 727. 728.

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Artikel 727. Die Vergütungsberechtigten haben wegen der von dem Schiff und der Fracht zu entrichtenden Beiträge die Rechte von Schiffsgläubigern (Titel 10.). Auch in Ansehung der beitragspflichtigen Güter steht ihnen an den einzelnen Gütern wegen des von diesen zu entrichtenden Beitrages ein Pfandrecht zu. Das Pfandrecht kann jedoch nach der Auslieferung der Güter nicht zum Nach­ theil des dritten Erwerbers, welcher den Besitz in gutem Glauben erlangt hat, geltend gemacht werden. F«htt in den E»1W. - Prot. 8. 4129, 4221. Anhalt. Beitragspflichtige Güter 54 ff. Frachtbeitrag 59ff. Konkurs 67.

Schiffsbeitrag 52ff. SchiffSgläubiger f. Art. 757 ff. Pfandrecht f. Art. 733.

67. Schiffsgläubiger s. Art. 757 Ziff. 6; hierzu Mittelstein, Schiffspfandrecht S. 162 Anm. 62. Ueber die Wirkungen dieses Pfandrechtes im Konkurse s. § 41 Ziff. 8 der R.-Konk.-Ordn.

Artikel 728. Eine persönliche Verpflichtung zur Entrichtung des Beitrages wird durch den Havereifall an sich nicht begründet. Der Empfänger beitragspflichtiger Güter wird jedoch, wenn ihm bei der Annahme der Güter bekannt ist, daß davon ein Beitrag zu entrichten sei, für den letzteren bis zum Werthe, welchen die Güter zur Zeit ihrer Auslieferung hatten, insoweit persönlich verpflichtet, als der Beitrag, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gütern hätte geleistet werden können. Pr. entto. Art. 502.

1. L. Art. 624. - Prot. 8. 2735 fl., 2749, 2752 fl., 4127 fl. Anhalt.

actio in rem scripta 18. Empfängerhaftung 69. Haftung, persönliche 69.

Haftung unpersönliche 68. Konstruktion, juristische 5, 68.

68. Die Haftung der sämmtlichen Havereischuldner (z. B. des Rheders und Fracht­ forderungsberechtigten, RG, XIX. 89 f.) ist eine unpersönliche; es beschränkt sich die Exekution auf das Haftgut, Untergang oder Werthsminderung desselben geht auf Kosten des Gläubigers. Die rechtliche Konstruktion der Havereibeitragsverpflichtung s. Bem. 5 u. Schröder a. a. O. S. 285 (Interessengemeinschaft von Schiff, Fracht und Ladung). Vgl. auch Ehrenberg, Be­ schränkte Haftung rc. S. 71 ff., 86 ff., 113. Es wird jedoch diese unpersönliche Haftung zu einer beschränkt persönlichen im Falle des Abs. 2. 69. Bedeutungsvoll ist der Zusatz: „an sich"; es wandelt sich aber die unpersönliche Ver­ pflichtung in eine beschränkt persönliche um 1. im Falle des Art. 733 (zu Lasten von Schiffer und event. Rheder, Art. 479), 2. im Falle des obigen Abs. 2 des Art. 728, wonach der Empfänger unter den dort an­ gegebenen Voraussetzungen zwar persönlich, aber doch nicht über den Werth der Güter zur Zeit der Ablieferung hinaus haftet. Vgl. Ehrenberg a. a. O. S. 168, 169 Anm. 55.

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Art. 729. 730.

Artikel 729. Die Feststellung und Vertheilung der Schäden erfolgt an dem Bestimmungs­ ort mbr wenn dieser nicht erreicht wird, in dem Hafen, wo die Reise endet. Pr. Enttr». Art. 579 Abs. 1. I. L. Art. 625. - Prot. S. 2755 s?., 4129. Destinationsort 71. Dispache 33, 56, 58, 73 ff. Dispositiver Charakter 70, 5.

Inhalt. i Nächster Ort 72. Ortsrecht 70. | Reparaturen 71.

70. Die gesetzlichen Bestimmungen über die große Haverei sind, wie oben Bem. 4 u. 13 angeführt wurde, durchweg nur dispositiver Natur und so ist es den Bctheillgten zunächst auch anheimgegeben, sich über den Ort, dre Art der Herstellung und die dabei zu befolgenden Grund­ sätze zu verständigen (vgl. ROHG. XXIII. 178, XXV. 1 ff.; s. auch Prot. S. 2758). Ist dies nicht geschehen, so geschieht die Feststellung und Vertheilung der m Havariegrosse zu ersetzenden Schäden dort, wo die Gemeinschaft zwischen Schiff und Ladung beendet wird/) also, wenn das Schiff mit der Ladung seinen Bestimmungsort erreicht, in diesem und nach den an diesem Orte geltenden Rechtsgrundsätzen, womit der Bestimmungshafen oder anderweitige Endigungshafen zum Regulierungsort der Seeschäden erklärt ist und wobei das Recht des Ortes der Dispache nicht bloß formell, sondern auch materiell entscheidend ist. (S. hierüber ROHG. XXV. 2 ff., VII. 168, 169, VIII. 289—297 und die hier angeführte vielfache m- und ausländische Literatur.) 71. Wird das Schiff in einem Nothhafen als reparaturunwürdig (Art. 444) verkauft, die Ladung jedoch, soweit sie nicht hat verkauft werden müssen, an den Bestimmungsort — wo sich die Destinatäre befinden — gebracht, so handelt der Schiffer nicht inkorrekt, wenn er die Regu­ lierung der Havariegrosse am letzteren Ort stattfinden läßt. ROHG. XVII. 184 ff. 72. Im Falle der Unmöglichkeit der Aufmachung der Dispache m erneut kleineren Hafen erfolgt dieselbe dem bisherigen allgemeinen Gebrauche entsprechend an entern nahegelegenen Orte. Prot. S. 2757.

Artikel 730. Der Schiffer ist verpflichtet, die Aufmachung der Dispache ohne Verzug zu veranlassen. Handelt er dieser Verpflichtung zuwider, so macht er sich jedem Betheiligten verantwortlich. Wird die Aufmachung der Dispache nicht rechtzeitig veranlaßt, so kann jeder Betheiligte die Aufmachung in Antrag bringen und betreiben. Pr. Entw. Art. 579 Abs. 3.

I. L. Art. 626. - Prot. S. 2737, 2760, 2763, 4129. Inhalt.

Aufmachung der Dispache 74, 75ff. Dispache 33, 56, 58, 73 ff. Forderung der Aufmachung, Rechtsnarur der — 74. Klage auf Aufmachung 73.

OrtSrecht 75, 76. Privataufmachung 75. Verjährung 73.

78. Die nach Beendigung der Reise ohne Verzug aufzumachende Dispache/) d. h. die Berechnung der Havereivergütung und der einzelnen Beiträge, gehört ebenso wie die Ablegung einer rechtzeitigen Verklarung zu den Dienstpflichten des Schiffers und hat bet Verabsäumung dieser Verpflichtung, unbeschadet der Verantwortlichkeit des Schiffers und des Rheders für den *) Es kann dies als Konsequenz des juristischen Wesens der Haverei aufgefaßr werden, s. Bem. 5. 2) Schröder in Endemann's Hdbch. Bd. IV S. 281 ff.; Heck a. a. O. S. 437. For­ mular (Beispiel) s. oben Bem. 53 S. 1109. Dispache bedeutet Feststellung und Vertheilung des Schadens; die Etymologie dieses Wortes s. Gareis, HR. § 124 Anm. 24. Ueber Aufmachung der Dispache s. Art. 731 und die Bem. hierzu.

Achter Titel.

Von der Haverei.

Art. 730. 731.

1117

dadurch entstehenden Schaden, jeder Havereibetheiligte die Befugniß zur Beantragung und Betuetbimg der Aufmachung der Dispache. Die Klage auf Aufmachung der Dispache braucht nicht gegen den Schiffer, sondern kann auch gegen den Rheder gerichtet werden, der nach Art. 452 für Erfüllung der dahingehenden Ver­ pflichtung des Schiffers haftet. Doch ist die Aufmachung einer Dispache keineswegs Voraussetzung des Beginns der einjährigen Verjährungsfrist für die „Schiffsschuld, zum Ersatz der großen Haverei beizutragen". OLG. Hamburg vom 2. November 1886 (Hans. Ger.-Ztg. 1887 S. 18 s.), mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zettschr. Bd. XXXVI S. 290. 74. Die Forderung auf „Erfüllung der Verpflichtung des Schiffers, die Aufmachung einer Dispache zu veranlassen, muß als eme Schiffsforderung angesehen werden und verjährt als solche nach Art. 906 m einem Jahre, vom Fälligwerden der Forderung an". OLG. Hamburg a. a. O., mitgetheilt von H. O. Lehmann m Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 290.

Artikel 731. Im Gebiete dieses Gesetzbuchs wird die Dispache durch die ei»' für alle­ mal bestellten oder in deren Ermangelung durch die vom Gericht besonders er­ nannten Personen (Dispacheure) aufgemacht. Jeder Betheiligte ist verpflichtet, die zur Aufmachung der Dispache er­ forderlichen Urkunden, soweit er sie zu seiner Verfügung hat, namentlich Charte­ partien, Konnossemente und Fakturen, dem Dispacheur mitzutheilen. Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, über das Verfahren bei Auf­ machung der Dispache und die Ausführung derselben nähere Bestimmungen zu erlassen. Pr. Entw. Art. 579 Abs. 2. I. L. Art. 627. - Prot. S. 2758 ff., 4129. Inhalt.

Anfechtung der Dispache 77, 78, 79. Aufmachung der Dispache 73 ff. Civilprozeßordnuug 79 (CPO. §§ 644, 761—768). Dispache 33, 56, 58, 73 ff. Dispacheure 77, 78. Einwendungen 77, 78, 79. Exekution 79 Sinnt. Formvorfchrifren 75.

686,

Gutachtliche Aeußerungen 77, 78. Irrthum 78. Konsularbezirke, -Verträge 75. O r t s r e ch t 75, 76. Preußische Ausführungsgesetze 79.

Privataufmachung 75. Schutzgebiete 75. Vertheilungsplan 79.

75. Der Abs. 1 enthält hypothetisch-bindendes Recht; wenn die Betheiligten nicht über­ haupt auf Dispache verzichten oder eme private Aufmachung emmüthig beschließen, so gilt Art. 731 — zunächst allerdings auch nur für die im Deutschen Reiche (einschließlich nun auch seiner Schutz­ gebiete) aufzumachenden Dispachen; für die in Amtsbezirken deutscher Konsuln zu bewirkenden Dispachen sind tue deutschen Formvorschriften nur nach Maßgabe der Konsularverträge bindend. S. Lewis, Deutsches Seerecht Bd. II S. 101. 76. Für die bei der Aufnahme zu befolgenden Grundsätze ist im Zweifel das Recht des Dispacheortes maßgebend. Prot. S. 2756 ff. 77. Da, wo eine landesgesetzliche Regelung nicht erfolgt ist, hat die Dispache nur die Be­ deutung einer giitachtlichen Feststellung, die im Wege der Klage angefochten und zur richterlichen Entscheidung gebracht werden kann. RG. III. 17. 78. Bei einer seitens eines Betheiligten gemachten irrthümlichen Werthangabe kann der­ selbe einen Berichtigungsantrag stellen, wozu es keines Nachweises der Entschuldbarkeit des bei der ersten Angabe obwaltenden Irrthums bedarf; jene Angaben bilden nicht ein selbständiges neues Rechtsgeschäft. NOHG. XXIII. 177 f., 180. 79. Aiif Grund des Abs. 3 des Art. 731 bestimmt das Preußische Einführungsgesetz vom 21 Juni 18'il (Ges.-Sammlung S. 449) in Art. 57:

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Vom Seehandel.

Art. 731.

Ueber das Verfahren bei Aufmachung der Dispache und über die Ausführung der­ selben werden folgende Vorschriften1) ertheilt: §. 1.

Der Dispacheur hat die Dispache sofort nach ihrer Aufmachung dem Handelsgericht zu überreichen. Dem Handelsgericht2)3 liegt ob, die Dispache zu prüfen und dieselbe, wenn sich Fehler oder Mängel finden, durch den Dispacheur berichtigen zu lassen. §.

2.

Nachdem die Dispache geprüft und erforderlichen Falls berichtigt ist, werden die­ jenigen Betheiligten, welche bei dem Gerichte sich gemeldet haben, oder demselben anderweit, insbesondere aus den Schiffs- oder Ladungs-Papieren bekannt geworden sind, sofern sie am Orte des Gerichts sich aufhalten, oder dort anwesende Vertreter bestellt haben, und für die übrigen Betheiligten ein ihnen zu bestellender Offizialanwalt zu einem Termin vor einem Kommissar des Gerichts vorgeladen, um sich über die Dispache zu erklären. Die Vorladung geschieht unter der Verwarnung, dass gegen den Nichterscheinenden angenommen wird, er habe gegen die Dispache nichts zu erinnern. §. 3. Werden in dem Termine gegen die Dispache keine Einwendungen erhoben, so hat das Gericht dieselbe zu bestätigen.ä) §- 4. Wenn ein Betheiligter Einwendungen geltend macht, so hat er dieselben im Ter­ mine näher zu begründen oder sich eine besondere Klageschrift vorzubehalten. Im letzteren Falle muss die Klageschrift binnen vierzehn Tagen bei dem Gerichte eingereicht werden; wenn dies nicht geschieht, so wird angenommen, dass das im Termin aufgenommene Protokoll als Klageschrift gelten solle. Auf die Klageschrift, oder wenn eine solche nicht vorbehalten oder innerhalb der vierzehntägigen Frist nicht eingereicht ist, auf die als Klageschrift dienende Abschrift des Terminsprotokolls wird von dem Gerichte das ordentliche Prozessverfahren eingeleitet. §. 5. Sind die vorgebrachten Einwendungen durch rechtskräftige Entscheidung oder in anderer Art endgültig erledigt, so erfolgt die Bestätigung der Dispache durch das Gericht, nachdem dieselbe erforderlichenfalls nach Maassgabe der Erledigung der Einwendungen berichtigt ist. §•

6.

Wenn Einwendungen erhoben werden, welche nur einen Theil der Dispache be­ rühren, so hat das Gericht die letztere, insoweit sie durch die Einwendungen nicht berührt ist, sofort zu bestätigen. §. 7. Aus der von dem Gericht bestätigten Dispache findet die Exekution4) statt. *) Hierzu bestimmt § 29 des Preuß. Ausf.-Ges. zur CPO. vom 24. März 1879 (G.-S. S. 281): „Auf die nach dem Einführungsgesetze zum Handelsgesetzbuche vom 24. Juni 1861 Artikel 57 erforderliche Verhandlung über die Dispache finden die Vorschriften der deutschen Civilprozeßordnung §§ 761 bis 768 über das Vertheilungsverfahren entsprechende Anwendung. An Stelle der Ausführung des Vertheilungsplanes erfolgt die Bestätigung der Dispache. Die Bestätigung ist, wenn sie in dem Termin erfolgt, zu verkünden, anderenfalls den Betheiligten oder dem bestellten Vertreter derselben von Amtswegen zuzustellen. Gegen die Bestätigung findet sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der deutschen Civilprozeßordnung statt. Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung oder Zustellung. Die aus der bestätigten Dispache zulässige Zwangsvollstreckung erfolgt nach den Vorschriften der deutschen Civilprozeßordnung. Auf die Geltendmachung von Einwendungen findet die Vor­ schrift der deutschen Civilprozeßordnung § 686 Abs. 2 keine Anwendung. Mit diesen Maßgaben findet der Artikel 57 des Einsührungsgesetzes vom 24. Juni 1861 im ganzen Umfange der Monarchie Anwendung." 2) Nach dem Preußischen Ausführungsgesetz zum G.V.G. vom 24. April 1878 § 25: Amtsrichter. 3) Anfechtung der Dispache s. auch Art. 841. 4) Nach Abs. 5 des § 29 des Preuß. Auss.-G. zur CPO. richtet sich die Exekution nach §§ 644 ff. der CPO. (mit Ausnahme des Abs. 2 des § 686).

Achter Titel.

Von der Haverei.

Art. 732. 733.

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Artikel 732. Für die von dem Schiff zu leistenden Beiträge ist den Ladungsbetheiligten Sicherheit zu bestellen, bevor das Schiff den Hafen verlassen darf, in welchem nach Artikel 729. die Feststellung und Vertheilung der Schäden erfolgen muß. Pr. E«tw. Art. 580 Abs. 1. 1. 8. Ar». 628. - Prot. ©. 2760, 4129.

Inhal«. Ausnahme von Art. 446: 80.

|

Segelfertiges Schiff 80.

80. Hier erleidet die Regel, daß ein segelfertiges Schiff nicht mit Arrest belegt .werden kann (Art. 446), eine Ausnahme.

Artikel 733. Der Schiffer darf Güter, auf welchen Havereibeiträge haften, vor Be­ richtigung oder Sicherstellung der letzteren (Artikel 616.) nicht ausliefern, widrigenfalls er, unbeschadet der Haftung der Güter, für die Beiträge persön­ lich verantwortlich wird. Hat der Rheder die Handlungsweise des Schiffers angeordnet, so kommen die Vorschriften des zweiten und dritten Absatzes des Artikels 479. zur An­ wendung. Das an den beitragspflichtigen Gütern den Vergütungsberechtigten zu­ stehende Pfandrecht wird für diese durch den Verfrachter ausgeübt. Pr. E-»«w. Ar«. 576, 584. I. 8. Art 629. — Prot. @. 2734 ff., 2763, 4129, 4228. Beitragspflichtige Güter 54 ff. Besondere Havcrcr 83. Entschädigungsklagen 82. Kläger 82. Klagevoraussetzung 82.

Pfandrecht s. Art. 727. Rhederhaftung 81, 84. Schäden, Arten ders. — 83. Schiffer 82.

81. Neben dem Schiffer haftet der Rheder mit Schiff und Fracht; dagegen persönlich, wenn er die Handlung des Schiffers angeordnet hat. 82. „Entschädigungsansprüche, welche sich auf Art. 733 stützen, setzen nothwendig eine nur im Wege einer Dispache zu gewinnende thatsächliche Begründung voraus und können, nicht auf eine erst zukünftig zu fixierende Schuld gerichtet werden." So OLG. Hamburg' vom 2. November 1886 (Hans. Ger.-Ztg. 1887 S. 18ff.), mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldlchmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 290, 291. Der Schiffer ist zur Klage, wo er einer solchen bedarf, und zur Betreibung der Exekution in das Pfand legitimiert, was sich aus der Bestimmung crgiebt, daß das Pfandrecht von dem Verfrachter für die Vergütungsberechtigten ausgeübt wird. Zur Abschließung von Vergleichen und dergl. ist der Schiffer nicht ermächtigt. (Vgl. Ehrenberg, Beschränkte Haftung S. 60 Anm. 40, 113.) 83. Art. 733 spricht von der Freilassung im Bestimmungshafen oder nach beendeter Reise (Art. 729); Art. 733 versteht also gleich dem Art. 616 unter den „auf den Gütern haftenden Havereibeiträgen" die bereits entstandenen, wenn auch noch nicht dispachierten Schäden und Kosten großer Haverei, nicht aber partikuläre Schäden des Schiffs, welche, wenn die Reise fortgesetzt würde, unter Umständen später zu großer Haverei führen könnten. Dies ist um so einleuchtender, als der Befrachter, wenn das Schiff während der Reise ausgebessert werden muß, nach der Vor­ schrift des Art. 640 HGB. die Herausgabe der Ladung gegen Berichtigung der vollen Fracht und „Bezahlung oder Sicherstellung der im Art. 616 bezeichneten Forderungen" verlangen, also in

1120

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 733-736.

diesem Fall „die Fortsetzung der Reise" hindern darf, — ein Recht, welches wenig Werth hätte, wenn der Befrachter dennoch gehalten wäre, betreffs der bis dahin entstandenen partikulären Haverei des Schiffs und ibrer Beseitigung in einem nun erst aufzusuchenden Nothhafen die Reise als noch nicht beendet, sondern als fortgesetzt behandeln zu lassen. ROHG. XIII. 410.

Artikel 73 4. Hat der Schiffer zur Fortsetzung der Reise, jedoch zum Zweck einer nicht zur großen Haverei gehörenden Aufwendung, die Ladung verbodmet oder über einen Theil derselben durch Verkauf oder durch Verwendung verfügt, so ist der Verlust, welchen ein Ladungsbetheiligter dadurch erleidet, daß er wegen seiner Ersatzansprüche aus Schiff und Fracht gar nicht oder nicht vollständig be­ friedigt werden kann (Artikel 509. 510. 613), von sämmtlichen Ladungsbetheiligten nach den Grundsätzen der großen Haverei zu tragen. Bei der Ermittelung des Verlustes ist in dem Verhältniß zu den Ladungsbetheiligten in allen Fällen, namentlich auch im Falle des zweiten Absatzes des Artikels 613., die im Artikel 713. bezeichnete Vergütung maaßgebend. Mit dem Werthe, durch welchen diese Vergütung bestimmt wird, tragen die verkauften Güter auch zu einer etwa eintretenden großen Haverei bei (Artikel 720.). Fehlt im Pr. Entw. I. L. Art. 6(8 Abs. 1. - Prot. ®. 2681, 2695 ff., 4093 ff.

Inhalt. Bodmerei s. Art. 680ff. Haverei, große 1 ff.

I |

Ladungsbetheiligte 84. Rhederhaftung 84.

84. Der Rheder haftet zwar primär für die Ersatzansprüche des Betroffenen, eine sekundäre Haftungsverbindlichkeit haben dem Betroffenen gegenüber jedoch auch die übrigen Ladungsbetheiligten nach den Grundsätzen der großen Haverei; es haben also dieselben unter Zuziehung sowohl der unverkauft gebliebenen als der verkauften Ladungstheile zur Beitragsleistung gemein­ schaftlich Ersatz zu leisten. Prot. S. 2696.

Artikel 735. Ueber die außerdem nach den Grundsätzen der großen Haverei zu ver­ theilenden Schäden und Kosten bestimmt der Artikel 637. Die in den Fällen des Artikels 637. und des Artikels 734. zu entrichtenden Beiträge und eintretenden Vergütungen stehen in allen rechtlichen Beziehungen den Beiträgen und Vergütungen in Fällen der großen Haverei gleich. Fehlt im Pr. Entw. I. L. Art. 608 Abs. 2. - Prot. @. 4094. Inhalt,

Haverei, große lff. Interessengemeinschaft 193 zu Art. 637.

I |

Nothhafen s. Art. 637 (vgl. hierzu Art. 842).

Zweiter Abschnitt.

Schaden durch Zusammenstoß von Schiffen.') Artikel 736. Wenn zwei Schiffe zusammenstoßen und entweder auf einer oder auf auf beiden Seiten durch den Stoß Schiff oder Ladung allein, oder Schiff und 1) Literatur: R. Schröder in Endemann's Hdbch. Bd. IV. 1. § 54 S. 287—290; Ehrenberg, Beschränkte Haftung u. s. w. S. 219ff.; Lewis, Deutsches Seerecht II. S. 114

Achter Titel.

Von der Haverei.

1121

Art. 736.

Ladung beschädigt werden oder ganz verloren gehen, so ist, falls eine Person der Besatzung des einen Schiffs durch ihr Verschulden den Zusammenstoß herbei­ geführt hat, der Rheder dieses Schiffs nach Maaßgabe der Artikel 451.1 und 452. verpflichtet, den durch den Zusammenstoß dem anderen Schiff und dessen Ladung zugefügten Schaden zu ersetzen. Die Eigenthümer der Ladung beider Schiffe sind zum Ersätze des Schadens beizutragen nicht verpflichtet. Die persönliche Verpflichtung der zur Schiffsbesatznng gehörigen Per­ sonen, für die Folgen ihres Verschuldens aufzukommen, wird durch diesen Artikel nicht berührt. Pr.

Art. 689. 1. £. Art. 632. - Prot. 0. 2782 ff., 2796 ff., 4138.

3»b Aquilia, lex 85. Ausländisches Recht 85, 88. Begründung der Entschädigungsfordcrung 86. Besatzung 92, 105, s. auch Art. 445. Beweisfrage 86 ff. — -last 86, 87, 88. Bugsieren 102.

Bürgerliches Recht 85. culpa 85, 86, 87, 89, 92, 95—99, 107. — sine effectu 96. Drittes Schiff 96, 107. Eile dcö Schiffers 97. Einreden 86, 87, 96, 100. Einrede der Theilung 96. — der Norausklage 96. EiS, Bereisung der Anker 99. Entschädigungsklage 86. Entschuldbarkeit 87. Ermessen, richterliches 101. error in judgement 87. Ersatzumfang 93. Exkulpation 86, 87, 96. Flaggenrccht 88.

Flußschiffe 91. fortune de mer 85, auch Art. 451, 452, Bcm. 64ff. hierzu. fremde Rechte 85, 88, 96. Grade der culpa 96, auch 85. Hamburger Recht 91. Haverei, besondere 2, 34, 85.

a l t. Höhere Gewalt 103, 105. Identität des Schiffes 89. Jnkulpationsbeweis 86, 104, 105. Kausalzusammenhang 86, 87, 97. Ladung 90, 95, 96. LaduugSinteressent 97, 100, 105. Loorse 92, 97, 98, 103, .104. Mehrere Schiffe 96, 106, 107. Mehrseitige culpa 96, 107. Mittelbarer Schaden 94, 95, 107. Mitschuld 96. Oeffcntliches Recht 86. Prozeßrecht 88. Rheder 85, 88, 97, 100. Sachverständige 101. Schaden 85, 93, 94, 95, 105, 107 Schiff, schuldiges 89. — unschuldiges 106. Schleppschiffe 102. Schuld s. culpa. Secunfälle 86. Statutenkollision 88. Uebcrholen 86. Unterlassung 92 Vermuthung 86. Verschuldens, culpa, vis major s. höhere Gewalt. Zufall 85. Zwangslootse 98, 103.

Schädigung durch Zusammenstoß. 85. Behufs Beantwortung der Frage, wer den Schaden zu tragen bezw. zu ersetzen habe, lvelcher durch Zusammenstoß von Schiffen (abordage, collision at sea) entstand, ist zu unter­ scheiden, von wem oder wodurch der Zusammenstoß veranlaßt ist; es sind folgende Fälle möglich: 1. der Zusammenstoß erfolgte durch Verschulden a) einer Person der Besatzung des einen der kollidierenden Schiffe, — hiervon handelt Art. 736, auch Art. 741, b) von Personen der Besatznngen beider Schiffe — hiervon Art. 737, c) eines Zwangslootsen — hiervon Art. 740, d) einer fremden (d. i. nicht unter a—c erwähnten) Person; 2. der Zusammenstoß erfolgte durch Zufall — hiervon Art. 737 —, oder 3. der Grund des Zusammenstoßes konnte nicht ermittelt werden (vgl. Code de comm. Art. 407 Satz 3;. Die Bedeutung der Art. 736 ff. liegt nun darin: in Betreff der durch den Zusammenstoß von Schiffen diesen oder ihrer Ladung erwachsenden Schäden der bei Zufall (Fall 2), bei beiderseitiger bis 142; Makower, Komm. (10. Aust.) S. 722—724; Cosack, HR. S. 394; & Renault, Precis etc. II. p. 275—292; Fuchsberger, Entsch. Bd. V Duhn in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XIV S. 217 ff.; Lamprecht ebenda Bd. Fuchsberger und Gareis, ADHGB.

Lyon-Caen S. 280—302; XXI S. 12ff. 71

1122

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 736.

Schuld (Fall lb) und bei Nichtermittelung der Ursache des Zusammenstoßes (Fall 3) von verschie­ denen Seegesetzgebungen*) befolgten Analogie der großen Haverei entgegenzutreten, in diesen Fällen zu den allgemeinen Grundsätzen, bezw. den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts über Schadensersatzpflicht zurückzukehren und lm Falle des Verschuldens nur auf einer Seite — ohne zwischen den verschiedenen Graden der culpa, wie nach preußischem Rechte, zu unterscheiden (siehe Bem. 96) — die Ersatzpflicht zunächst der schuldigen Person der Schiffsbesatzung und sodann die Pflicht zur Vertretung derselben durch den Rheder (als einen Fall einer den Rheder treffenden besonderen Haverei)*2)3 *mit Haftung der fortune de mer anzuerkennen. (Vgl. Motive zu Art. 589—591 des Entwurfes und Protokolle S. 2782—2788, 2796 und 2797, sowie 3729 bis 3731; RG. IX. 160, XXI. 145; Fuchsberger a. a. O. S. 293.) Hierin hat das deutsche Handelsgesetzbuch die Grundsätze über „Schaden durch Zusammenstoß von Schiffen" im V. Buch 8. Titel 2. Abschnitt unter Außerkraftsetzung aller bezüglichen älteren einheimischen Seerechts­ bestimmungen, und ohne daß auf das Recht des Auslandes rekurriert werden dürfte, erschöpfend festgestellt, so daß nur jene Grundsätze in Mitberücksichtigung der allgemeinen Prinzipien des Civilrechtes über Schadenersatz zur Anwendung kommen. ROHG. XXIII. 396. (Vgl. ROHG. III. 34, 35.) Von den durch die lex Aquilia bestimmten Schadensersatzansprüchen des damnum corpore bezw. corpori datum enthalten die Bestimmungen des Art. 736 eine Ausnahme, welche als solche zu analoger Ausdehnung nicht berechtigt und strikte zu interpretieren ist, so daß, wenn das Schiff während der Beschädigung weder von Leuten des Eigenthümers noch Desjenigen, an den dasselbe vermiethet war, sondern von Dieben m Gebrauch genommen war, der Eigenthümer des den Schaden herbeigeführt habenden Fahrzeugs nicht zu haften hat. LG. Hamburg vom 21. Juli 1885 (Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 66, mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 291). 86. Außerdem sind aber auch öffentlich-rechtliche Vorschriften, welche sich auf den Zusammen­ stoß von Schiffen beziehen, für das Privatrecht von Bedeutung; das deutsche Strafgesetzbuch (Fassung vom 26. Februar 1876) stellt folgende Blanketnorm auf: §. 145.

Wer die vom Kaiser zur Verhütung des Zusammenstossens der Schiffe auf See, über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstosse von Schiffen auf See, oder in Betreff der Noth- und Lootsensignale für Schiffe auf See und auf den Küsten­ gewässern 8) erlassenen Verordnungen übertritt, wird mit Geldstrafe bis zu Eintausend fünfhundert Mark bestraft. Die maßgebenden Kaiserlichen Verordnungen sind: 1. Verordnung zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See, vom 7. Januar 1880, nebst V. vom 16. Februar 1881 (RGBl. 1880 Nr. 1 S. 1 resp. RGBl. 1881 Nr. 4 S. 28). 2. Verordnung über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoße von Schiffen auf See, vom 15. August 1876. (RGBl. 1876 Nr. 18 S. 189.) Hierzu und zu voriger V.: V. zur Ergänzung der Verordnungen über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoße von Schiffen aus See vom 15. August 1876 und zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See vom 7. Januar 1880, vom 29. Juli 1889 (RGBl. 1889 Nr. 17 S. 171).

*) Ueber die fremden Gesetzgebungen s. Schröder a. a. O. S. 287, 288; Lyon-Caen & Renault a. a. O.; auch Association for the Reform and Codification of the Law of Nations, Report VII p. 93, 102, 109 n. c. Das System des deutschen Rechts dürfte den Vorzug vor den übrigen verdienen. 2) Cosack a. a. O. S. 394. 3) Ueber den Begriff Küstengewässer s. Lit. bei Gar eis, Institutionen des Völkerrechts § 21 S. 73 ff. und oben Bem. 7 zu Art. 432, S. 883 Anm. 1 u. 3.

Achter Titel.

Von der Haverei.

1123

Art. 736.

3. Noth- -und Lootsen-Signalordnung für Schiffe auf See und auf den Küstengewässern, vom 15. August 1870.

(RGBl. 1876 Nr. 18 S. 187—188.)

In Fällen des Zusammenstoßens

wird auch das RG. betr. die Untersuchung von Seeunfällcn, vom 27. Juli 1877, bedeutend; s. Lewis, Deutsches Seerecht Bd. II S. 143—163. Die privatrechtliche Bedeutung dieser öffentlich-rechtlichen Normen knüpft sich daran, daß bei Beurtheilung der Verfehlungen gegen die Kaiser!. Verordnung vom 7. Januar 1880 und danach erfolgter Kollision ein Exkulpationsbeweis, nicht ein Jnkulpationsbeweis erfordert wird. RG. XXI. 109. Sind zmn Schutze gewisser Interessen Denjenigen, welche in die Lage kommen können, dieselben zu schädigen, gewisse Vorschriften für ein bestimmtes Verhalten gesetzlich ertheilt worden (Kaiser!. Verordnung zur Verhütung des Zusammenstoßcns der Schiffe auf See, vom 7. Januar 1880, RGBl. 1880 S. 1), so bedarf die Entschädigungsklage der gleichwohl Verletzten keiner weiteren Begründung, als der Berufung auf die erfolgte Beschädigung und das äußerliche Zuwiderhandeln des Beklagten gegen die diesbezüglichen Gesetzesbestimmungen; ein Nachweis des Zusammenhanges zwischen der Ordnungswidrigkeit und dem entstandenen Schaden ist nicht er­ forderlich.

ROHG. III. 40, IV. 123 ff., IX. 171, XXIII. 186 f., XVIII. 291; RG. XXL 109;

vgl. X. 14; Erk. des Lübecker Ob.-App.-Ger. in der Hamburger Sammt. Bd. III S. 122, 174, 427; Kierulff, Samml. Bd. III S. 765; ferner aus der französischen und englischen Praxis Caumont, Diction pp. Pag. 82 Nr. 208, Maclachlan Treatise on the law of merch. ship. Ed. 2 S. 297; s. auch Entsch. des Lübecker Ob.-App.-Ger. in Kierulff, Samml. Bd. III S. 764. So z. B. bedarf der Rheder eines Segelschiffes, welches von einem ihm entgegen­ kommenden Dampfschiffe durch Zusammenstoß beschädigt worden ist, zur Begründung seiner Ent­ schädigungsklage nicht des Beweises eines Verschuldens auf Seiten des letzteren (ROHG. XVIII. 290); ferner bedürfen die Interessenten eines befestigt liegenden und in dieser Lage von einem anderen Schiffe angerannten und beschädigten Schiffes zu gleichem Zwecke keiner weiteren Aus­ führungen, als der Behauptung der Anrennung und des in Folge derselben eingetretenen Schadens (ROHG. III. 40), und wenn eine Mehrzahl in der Nähe fahrender Schiffe das Ueberholen eines voranfahrenden Schiffes schwierig und bedenklich macht, so muß das schneller fahrende Schiff mit dem Ueberholen bis dahin warten, wo jede Schwierigkeit und Gefahr aufgehört hat. (ROHG. XXIII. 186; RG. XXL 114.) S. noch weitere diesbezügliche Entsch. ROHG. IV. 123 f., IX. 171, XL 331.

S. hierüber namentlich Fuchsberger, Samml. der Entsch. Bd. V, Seehandels­

recht betr., S. 298 ff. — Ob von jener rechtlichen Vermttthung (s. oben) Gebrauch gemacht wer­ den kann, hängt davon ab, ob derartige faktische Umstände als gewiß, mithin eines Beweises nicht bedürfend, vorliegen, daß darin jenes äußerliche Zuwiderhandeln des Beschuldigten zu erblicken ist. Wo dies der Fall, darf der Beschädigte nicht mehr mit einem Beweise belastet werden. Die Präsumption, die Abweichung des Schiffers von den Vorschriften der KaiserlichenVer­ ordnung zur Verhütung des

Zusammenstoßens der Schiffe auf See, vom 7. Januar 1880, habe

den Zusammenstoß herbeigeführt, ist nicht gerechtfertigt, wenn die Abweichung sich für den Fall als eine schuldvolle darstellte, daß das andere Schiff sich thatsächlich so bewegte, wie cs der Schiffer nach dem von dem anderen Schiffe schuldvoll hervorgerufenen Anschein beurtheilte. der

Exkulpation obliegt hier letzterem Schiffe. 87.

Dem Beklagten

Der Beweis

RG. XXI. 116—123 f., 134 f.

steht es selbstverständlich frei, die gegen ihn aus den äußeren Um­

ständen sich ergebende Präsumption durch die Einrede zu bekämpfen, daß kasuelle Umstände die Be­ folgung der gesetzlichen Vorschrift verhinderten, oder daß eigene Schuld der klagend auftretenden Partei den Zusammenstoß verschuldete; solche Momente gehören der exceptivischen Vertheidigung an, nicht gehört deren Abwesenheit zur Begründung der Klage.

So z. B. trifft die Beweislast

für die Verschuldung der Schiffskollision, wenn das Schiff des Klägers, beim Zusammenstoße sich wieder

auf der innezuhaltenden

Kurslinie befand, den Beklagten.

(RG. XXI. 110; s.

auch

ROHG. IV. 120, 121, XVIII. 290 ff., XXIII. 353, XXIV. 84 und die bereits oben angef. Entsch.) behandeln.

Fehlgriffe im Drange der äußersten Gefahr sind unter Umständen als entschuldbar 31t S. hierüber ROHG. V. 149, über „error in judgement“ s. Art. 478 Bcm. 145,

146 S. 932.

1124

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 736. 737.

Bei einer auf einem Schiffe vorgekommenen schadenbriugenden Ordnungswidrigkeit ist der Exkulpationsbeweis nicht auf den Nachweis einer kasuellen Veranlassung der Ordnungswidrigkeit eingeschränkt, es ist vielmehr auch der Beweis subjektiver Schuldlosigkeit zulässig. 123 f., IX. 171, 172. 88.

ROHG. IV.

(Vgl. ROHG. XL 331 f., XXIII. 353).

Der deutsche Richter hat die Haftung des Rheders eines deutschen Schiffes für den

durch einen Zusammenstoß einem anderen Schiffe und dessen Ladung zugefügten Schaden zunächst nur nach dem Rechte seines Landes,

also nach dem deutschen Handelsgesetzbuche, zu beurtheilen.

Dies unterliegt vor Allem keinem Zweifel, wenn das Recht der Flagge mit dem Rechte des Prozeßortes zusammenfällt.

(ROHG. XXIV. 83 f.)

Ist die Kollision auf offener See erfolgt,

wo nicht das Gesetz irgend eines bestimmten Landes gilt und die Schiffe als Gebietstheile des­ jenigen Landes angesehen werden, dessen Flagge sie führen, so gilt der Grundsatz, daß der ein­ heimische Richter die Haftung des Rheders eines einheimischen Schiffes nach dem Rechte seines Landes zu beurtheilen hat.

Das am Prozeßorte geltende Recht ist hier sogar dann anzuwenden,

wenn beide Schiffe, bezw. dasjenige, dessen Rheder wegen Schadensersatzes in Anspruch genommen werden, einer fremden Flagge angehören.

(Entsch. des Ob.-Trib. in Seuffert's Archiv Bd. 14

Nr. 197 und Entsch. des Ob.-App.-Ger. Lübeck in Bremer Rechtssachen Bd. II Abth. 2 S. 8ff.) Aber auch wenn die beschädigende Handlung in einem ausländischen Hafen, mithin unter der Herrschaft des dort geltenden Rechtes, stattgefunden hat, hindert den deutschen Richter nichts, die Schadensersatzpflicht des dieserhalb in Anspruch genommenen Rheders eines deutschen Schiffes nach einheimischem Recht zu beurtheilen. Die Bestimmungen des deutschen Rechts über die Voraussetzungen und den Umfang der Haftung des Rheders für Kollisionsschäden haben für die deutschen Gerichte einen zwingenden, absoluten Charakter in der Weise, daß dieselben eine Haftung des Rheders nur insoweit anzuerkennen haben, als das Recht des eigenen Landes eine solche statuiert und es ist auch

aus demselben

Grunde die Frage, ob der deutsche Rheder für das Verschulden eines Zwangslootsen haste, nach deutschem Recht zu beurtheilen und dem Art. 740 gemäß zu verneinen. RG. XIV. 9—13. Vgl. Mars den, The law of Collisions at Sea (II. ed.) S. 214, 215, 218, 219, 229. S. noch Wagner, Hdbch. des Seerechts Bd. I S. 128 ff.

Vgl. hiermit namentlich RG. XXI. 137

bis 142. Die Haftung des Rheders für den durch den Zusammenstoß seines Schiffes mit einem anderen Schiffe entstandenen Schaden ist auch dann nach dem deutschen Handelsgesetzbuche zu be­ urtheilen, wenn der Zusammenstoß zwar auf deutschem Territorium stattgefunden hat, beide Schiffe aber fremde sind und sogar derselben fremden Flagge angehören. RG. XXI. 137—142. Vgl. Entsch. des vorm. Ob.-App.-Ger. Lübeck in Bremer Rechtssachen Bd. II Abth. 2 S. 8ff.; Kierulff, Samml. von Entsch. des Ob.-App.-Ger. Lübeck Bd. III S. 834 ff., Bd. IV S. 762 ff.; Entsch. des vorm. Ob.-Trib. zu Berlin in Seuffert's Archiv Bd. 14 Nr. 197 und Entsch. des ROHG. Bd. III S. 31 ff. Bei Schiffskollisionen gilt in Betreff der Grundsätze über die Beweislast das Recht des Heimathshafens, denn diese wird in dem über die Schuldfrage geführten Prozesse nach dem Recht des Prozeßortes unter Nichtberücksichtigung von etwa in dem Auslande, wo die Kollision statt­ fand, gesetzlich bestehenden Präsumptionen bestimmt. Seehandelsrecht Bd. V S. 289.

ROHG. XXIV. 85, 86; Fuchsberger,

Die Frage über die Haftung des Rheders wegen Verschuldens des Schiffers

oder

einer

anderen Person der Schiffsbesatzung entscheidet das Recht des Heimathshafens, auch wenn es sich um ein Verschulden handelt, welches auf einem unter der Herrschaft eines fremden Staates stehen­ den Gewässer begangen ist. ROHG. XXIV. 85, 86.

Artikel 737. Fällt keiner Person der Besatzung des einen oder des anderen Schiffs ein Verschulden zur Last, oder ist der Zusammenstoß durch beiderseitiges Verschulden

Achter Titel. Bon der Haverei.

Art. 737.

1125

herbeigeführt, so findet ein Anspruch auf Ersatz des dem einen oder anderen oder beiden Schiffen zugefügten Schadens nicht statt. Pr. ent». Art. 590. I. 8. Art. 633. -

Prot. 3. 2785 ff., 2797, 2857, 2915 ff., 4138.

Anhalt. Besatzung 92, 105, s. auch Art. 445 culpa sine effectu 96. Grade der Schuld 96. Ladung 96. Mehrseitige culpa 96. Mehrere Schiffe 96.

Mitverschulden 96. Schadenskompensation 96. Verschulden 85-87, 92, 95-99, 107. vis major 103, 105. Zufall 85, 103, 105.

89. Um den Rheder verantwortlich zu machen, genügt der Nachweis eines schuldvollen Verhaltens seines Schiffes, auch wenn die Person, der dasselbe zuzuschreiben, nicht zu ermitteln ist. Urtheil des Lübecker Ob.-App.-Ger. in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XVIII S. 595 ff. Bei Ansegelung durch ein Schiff, dessen Namen und Nationalität nicht erkannt wurde, ist bezüglich des als schuldig in Anspruch genommenen Schiffes der Beweis der Identität zu führen. Ueber diesbezügliche Indizien s. ROHG. VIII. 358. 90. Unter „Ladung" können nicht schon die für das betreffende Schiff bestimmten Fracht­ güter verstanden werden, sondern es sind als Ladung eines Schiffes im Sinne des Art. 736 nur diejenigen Güter zu betrachten, welche durch die Uebernahme in das Schiff bereits in einen thatsächlichen Zusammenhang mit demselben gebracht sind, so daß dadurch eine seerechtliche Gemein­ schaft zwischen Schiff und Frachtgütern hergestellt ist und diese gewissermaßen ein Ganzes bilden. RG. IX. 160, 161; Fuchsberger a. a. O. S. 293 f. Art. 737 bezieht sich nur auf die Beschädigungen der Schiffe, nicht aber auch der Ladungen; die Frage, welche Ansprüche die Ladungsinteressenten haben, ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu entscheiden. Prot. S. 2788. 91. Die auf den Zusammenstoß von Schiffen bezüglichen seerechtlichen Bestimmungen des Handelsgesetzbuches leiden keine Anwendung auf derartige zwischen Flußschiffen vorkommende Er­ eignisse. ROHG. VI. 396, 397.') 92. Wenn auf einem Schiffe doloser oder kulposer Weise eine Maßregel unterlassen worden ist, welche geeignet gewesen wäre, eine drohende Kollisionsgefahr zu verhüten oder deren Wirkung zu mindern, so ist Verantwortlichkeit des Schiffsführers resp. der betreffenden Rhederei anzu­ nehmen. Kommen z. B. Schiffe in derartige Nähe zu einander, daß eine Kollision zu befürchten ist, so besteht eine gemeinsame Gefahr, deren Abwendung eine Ausgabe für die Besatzung eines jeden der betheiligten Schiffe wird. Wird dieser Aufgabe dadurch zuwider gehandelt, daß seitens einer Schiffsbesatzung (zu der auch der freiwillig angenommene Lootse gerechnet wird; vgl. Kie') „Wenn das Hamburgische Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch die Vorschriften der Art. 736—741 über den Schaden durch Zusammenstoß von Seeschiffen auf Flußschiffe überträgt, so ist bei Anwendung dieser Bestimmungen der Verschiedenheit der in Bezug auf Seeschiffe und Flußschiffe obwaltenden Verhältnisse Rechnung zu tragen, welche eine wörtliche und unmittelbare Anwendung der Vorschriften des Handelsgesetzbuchs auf Flußschiffe ausschließt. — Der Grund­ gedanke des Art. 736 ist aber der, daß im Falle eines durch Schuld der Besatzung herbeigeführten Schadens eine dingliche Haftung des Schaden thuenden Schiffes und der mit demselben verdienten Fracht bezüglich des Ersatzes des dem anderen Schiffe und seiner Ladung zugefügten Schadens etabliert wird. Der Beschädigte hat demnach seinen Ersatz lediglich aus den genannten Objekten zu suchen, und bei Verfolgung desselben kommt die Person des Beklagten nur als Repräsentant der Objekte, auf welchen die Verpflichtung ruht, in Betracht. Die Uebertragung dieses gesetz­ geberischen Gedankens auf die Haftung für den durch den Zusammenstoß von Flußschiffen ver­ ursachten Schaden führt dahin, daß auch hier das Schiff und die mit demselben verdiente Fracht als dinglich belastet anzusehen sind, woraus sich ergiebt, daß der Ersatzanspruch gegen diejenigen Personen zu richten ist, in deren Vermögen die genannten Objekte sich befinden, also gegen den Eigenthümer des Flußschiffs — auch wenn dieser es gewerbmäßig einem Andern vermiethet hat —, insoweit aus diesem Ersatz gesucht wird, und gegen den Verfrachter, insoweit die Fracht zum Er­ satz herangezogen werden soll." OLG. Hamburg vom 11. Dezember 1885 (Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 26, mitgetheilt von H. O, Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 292).

1126

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 737—739.

rulff, Samml. Bd VI S. 304ff. u. RG. VII. 27) ein durch die Umstände gebotenes schadenabwendendes und als solches erkennbares Verfahren unterbleibt, so ist hierin ein kulposes Ver­ halten der betreffenden Schiffsbesatzung und folgeweise ein Grund der Verantwortlichkeit des Rheders zu erblicken. ÄOHG. XIII. 115 fi, XX. 382, XXIII. 354. S. Füchsberger a. a. O. S. 289—291 und die dort angeführte Literatur.

Artikel 738. Die beiden vorstehenden Artikel kommen zur Anwendung ohne Unterschied, ob beide Schiffe, oder das eine oder das andere sich in der Fahrt oder im Treiben befinden, oder vor Anker oder am Lande befestigt liegen. Pr. Glitte. Art. 591. I. L. Ar«. 634. - Prot. S. 2788 ff., 4133.

93. Die Entschädigungspflicht umfaßt den vollen Schaden, ohne einen Abzug wegen „Neu für Alt", auch wo dieser früher in bestimmten Quoten landesgesetzlich oder usancemäßig gewesen ist, es sei denn im einzelnen Falle pofitiv eine Werthserhöhung des Schiffes in Folge der Reparatur nachzuweisen, denn der Schadensersatz soll nicht zur Verbesserung der Vermögenslage des Be­ schädigten, sondern zur Wiederherstellung des früheren Zustandes führen. Vgl. Urtheil des Lübecker Ob.-App.-Ger. in Goldschmidt's Zeitschr. für HR. Bd. XVIII S. 597; NOHG. XXIII. 355, 356; Benecke-Nolte, System rc. Bd. II S. 673, 674; M. Pöhls, Seerecht Bd. III S. 739, Bd. IV S. 670; Schröder in Endemann's Hdbch. für HR. rc. Bd. IV. 1. S. 289. 94. Es ist dem Rheder des beschädigten Schiffes im Falle verschuldeter Schiffskottision auch der mittelbar ihm verursachte Schaden zu ersetzen. (Prot. S. 2703 ff.; RG. IX. 162.) Hierüber, sowie über die Begründung der Interesse-Forderung wegen Nichtbrauchbarkeit des be­ schädigten Schiffes während bev- Reparatur s. NOHG. XX. 49 ff. Eine Präsumption, daß ein Schiff während der Dauer der durch Kollision nothwendig gewordenen Reparatur einen Ertrag geliefert haben würde, gleichkommend dem xro-rata-Belauf der Zinsen des Anschaffungs-Kapitals und der Jahres-Versicherungs-Prämie, besteht nicht. ROHG. XX. 49 ff. 95. Der Rheder, dessen Schiff durch das Verschulden der Besatzung desselben mit einem anderen Schiffe zusammengestoßen ist und dieses beschädigt hat, bevor es beladen war, haftet dem Befrachter dieses anderen Schiffes nicht für den ihm durch die Verzögerung der Reise in Folge der erforderlichen Reparatur des Schiffes erwachsenen Schaden. Nach Art. 736 trifft ein vor der Entstehung der Gemeinschaft zwischen Schiff und Ladung dem einen oder anderen Theile zu­ gestoßener Unfall nur das Schiff oder das Frachtgut als solches. Wenngleich auch dann, wenn nur das Schiff, nicht auch die Frachtgüter, durch die Kollision geschädigt worden sind, doch auch die in Folge der Kollision für die letzteren, bezw. deren Eigenthümer entstandenen Unkosten und Schäden von dem schuldigen Schiffe getragen werden müssen, so darf es dennoch, um einen deßfallsigen Anspruch aus Art. 736 zu begründen, nicht an der Voraussetzung fehlen, daß die Fracht­ güter wirklich bereits Ladung des Schiffes geworden sind. Daß der Anspruch aus Art. 736 a. a. O. schon durch das dem Befrachter zustehende Recht auf Benutzung des Schiffes begründet werde, findet in dem Wortlaute und in bei* ratio des Gesetzes keinen Anhalt. RG. IX. 158 ff.; Fuchsberg er a. a. O. S. 293 ff.

Artikel 739. Ist ein durch den Zusammenstoß beschädigtes Schiff gesunken, bevor es einen Hasen erreichen konnte, so wird vermuthet, daß der Untergang des Schiffs eine Folge des Zusammenstoßes war. Pr. Glitte. Art. 592 Abs. 2. I. 8. Art. 635. - Prot. S. 2788, 4138.

Achter Titel.

Von der Haverei.

1127

Art. 739.

Inhalt. Rechtö Vermuthung 85, 86.

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Schadensersatz klage 86, 93.

96. Wenn beide oder mehrere kollidierende Schiffe in culpa waren, so kann sich der in Schaden gerathene Ladungsinteressent ganz beliebig an den Rheder des einen oder anderen Schiffs oder an mehrere derselben halten (ROHG. XXIII. 394), ohne daß er von dem in Anspruch ge­ nommenen Rheder die Einrede der Vorausklage oder der Theilung zu gewärtigen hätte; diesem Rheder steht nicht einmal ein späterer Rückgriff auf die Rheder mitbetheiligt gewesener Schiffe zu (ROHG. XXIII. 395). Die im Art. 737 angeordnete Schadenskompensation findet nur statt in Betreff der An­ sprüche der betheiligten Rhedereien

gegen einander, nicht in Betreff derjenigen zwischen den

Rhedereien und den Ladungs-Interessenten. ROHG. XIII. 113, XXIII. 395. Der Schadensersatzanspruch setzt voraus ein Verschulden des Zusammenstoßes seitens einer Person der Besatzung des einen Schiffs unter Ausschluß der Konkurrenz eines Verschuldens der Besatzung des anderen Schiffs (s. ROHG. XI. 330); nur dem Schiffe, dessen Besatzung frei von Schuld an der mit einem anderen Schiffe stattgehabten Kollision ist, steht das Recht zur Schadens­ klage zu.

ROHG. III. 32, 33.

Es findet auch ein Ersatzanspruch überall da nicht statt, wo der

Zusammenstoß nicht ausschließlich von der Besatzung des betreffenden Schiffes verschuldet ist, mag auf Seiten des anderen Schiffes auch nicht gerade ein Mtverschulden der Besatzung, sondern nur ein solches von Personen, für welche der Rheder nicht haftet, vorliegen. RG. VII. 26. In einem Erkenntniß des RG. vom 4. Februar 1882 ist der Art. 737 jedoch auch aus den Fall angewendet, wo auf dem einen Schiffe nicht eine Person der Schiffsbesatzung, sondern ein Zwangslootse die Schuld trägt. Vgl. Seuffert's Arch. Bd. 38 S. 83. Bei beiderseitiger kausaler Verschuldung des Zusammenstoßes nach Art. 737 ist ein Ersatz­ anspruch des einen Rheders gegen den anderen auch dann nicht statthaft, wenn das Verschulden auf der anderen Seite ein überwiegendes ist. S. RG. XXI. 145 ff. und die bort angef. Lit. und Rechtspr., auch ROHG. III. 33. Mitverschuldung des Zusammenstoßes zweier Schiffe durch die Besatzung eines dritten, aber ebenfalls der Rhederei des beschädigten Schiffes gehörigen Schiffes. Analoge Anwendung des Art. 737 hierauf. S. hierüber RG. I. 44, 45. Wenn sich nicht ermitteln läßt, ob Ver­ schulden oder Zufall der Grund des Zusammenstoßes gewesen ist, so kommt gleichfalls der Art. 737 zur Anwendung; es kann von Beschädigten kein Ersatz verlangt werden. Trib. Bd. 63 S. 320.

S. Entsch. des Ober-

Auf die größere oder geringere Schwere der Verschuldung kommt es in Kollisionsfällen nicht an. ROHG. V. 63. (Anders nach preuß. LR. II. 8. § 1913, nach französischem, belgi­ schem Recht einer- und englischem Recht andererseits, s. Schröder a. a. O. S. 288.) Culpa sine effectu ist auch in Kollisionsfällen unerheblich.

ROHG. V. 63, 148.

97.

Der Rheder, welcher zugleich Eigenthümer der durch die Kollision beschädigten Ladung seines Schiffes (oder eines Theiles dieser Ladung) ist, hat im Falle des Verschuldens auf beiden Schiffen insoweit einen Schadensanspruch an den Rheder des anderen Schiffes, als sein Schaden den ihm verbliebenen Werth seines Schiffes und dessen Fracht übersteigt.

ROHG. XXIII. 395.

Eile, welche ein Schiffer zu haben glaubt, bildet keinen Entschuldigungsgrund für unvorsich­ tiges Verhalten.

ROHG. IV. 123.

Es ist ein Verschulden nicht schlechthin darin zu erblicken, daß der Schiffer in einem sog. Lootsen-Fahrwasser keinen Lootsen annimmt, denn abgesehen von denjenigen Gewässern, für welche eine gesetzliche Zwangspflicht der Zuziehung eines Lootsen besteht, kann es keineswegs für eine absolute Verpflichtung des Schiffers erachtet werden, in einem sog. Lootsenfahrwasser, d. h. da, wo man sich gewöhnlich eines Lootsen bedient, oder wo doch die Vorsicht dies zu gebieten scheint, einen Lootsen an Bord zu nehmen. Zur Schadensersatzbegründung ist hier stets der Nachweis erforderlich, daß der Zusammenstoß vermieden worden sein würde, wenn das eine oder das andere Schiff, bezw. wenn beide Schiffe einen Lootsen an Bord gehabt hätten, daß mithin ein Kausal-

1128

Fünftes Buch.

Vom Seehandel

Art. 739. 740.

Zusammenhang zwischen einem Verschulden und dem Zusammenstoße bestehe. NOHG. XI 331 bis 333; s. Prot. S. 1781-1786 u. 2031-2033; vgl. ROHG. IV. 125, IX. 171. 98. Dle Berufung auf btc Schuld eines freiwillig angenommenen Lootsen, auch wenn dieser amtlich als Lootse angestellt ist oder auf einer früheren Strecke der Fahrt dem Schiffe als Zwangslootse gedient hat, bleibt ausgeschlossen, weil der Schiffer gesetzlich nur zum Gehorsam gegen die Anordnungen des Zwangslootsen verpflichtet ist. Urtheil des Ob.-App.-Ger. in Lübeck in Goldschmidt's Zeitschr. für HR. Bd. XVIII S. 600 f. Aus demselben Grunde kann der Führer eines Schleppschiffes sich nicht auf die von dem bugsierten Schiffe ausgegangenen Anordnungen selbst wenn sie von einem auf diesem befindlichen Zwangslootsen herrühren, berufen. Vgl. Zeit­ schrift für HR. Bd. XXVIII S. 345 f. S. auch RG. XX. 86 und die dort aufgeführte in- und uusländische Literatur.

Artikel 740. Wenn sich das Schiff unter der Führung eines Zwangslootsen befunden hat und die zur Schiffsbesatzung gehörigen Personen die ihnen obliegenden Pflichten erfüllt haben, so ist der Rheder des Schiffs von der Verantwortung für den Schaden frei, welcher durch den von dem Lootsen verschuldeten Zu­ sammenstoß entstanden ist. Pr. Entw. Art. 593.

I. 8. Art. 636. - Prot. @. 2791 ff., 2797 ff., 2919 ff., 4138.

Ablehnen des Lootsen 97. Ausländisches Recht 88, 96. Besatzung 92, 105, s. auch Art. 445. Ladungsinteressenten 105. Lootse 92, 97, 98, 103, 104.

Inhalt. Schadensersatzklage 105. Schuld deS Cooticn 98, iu3. vis major 103, 105. Zwangslootse 98, 103, 104.

99. Ein Verschulden liegt dann, wenn ein Schiffer sein steuerlos gewordenes Schiff in einem befahrenen Revier von der Strömung treiben ließ, ohne seine Anker zum Fallenlassen bereit zu halten. Die Einrede, die Anker seien durch Vereisung der Kette unbrauchbar geworden, kann eine Berücksichtigung nicht immer finden. ROHG. V. 59 f., 61. 100. Der Rheder, welcher in einem Falle stattgehabter Kollision wegen Verschuldens einer Person der Schisisbesatzung semes Schiffes von einem L adungsbetheil ig^en des mit diesem in Kollision gewesenen anderen Schiffes auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, kann die Einrede, daß auch auf dem vorgedachten anderen Schiffe kulpos verfahren worden sei, Mit be­ freiender Wirkung nicht vorschützen; der Art. 737 spricht nur von dem Schaden, welcher dem Schiffe oder den Schiffen zugefügt ist. ROHG. XIII. 114. 101. Ueber die Beurtheilung des Verschuldens bei einer zwischen zwei in derselben Rich­ tung kreuzenden Schiffen beim Wenden derselben erfolgten Kollision s. ROHG. XI. 3:54—336 n. Fuchsberger a. a. O. S. 283, 284. Es hängt von dem Ermessen des Richters ab, ob er zur Beurtheilung des faktischen Materials emes Beistandes nautischer Sachverständiger bedarf. ROHG. XI. 338. Bei zugezogenen nautischen Sachverständigen obliegt dem Richter die Prüfung, ob das faktische Substrat, auf dessen Grundlage die Sachverständigen ihren Ausspruch stützen, dem akten­ mäßigen Sachverhalt entspricht, sowie, ob dieselben bei ihren Schlüssen gegen logische Regeln oder zweifellose Erfahrungssätze verstießen. S. hierüber ROHG. V. 150, 151. (ROHG. IX. 414 ) 102. Der Rheder des geschleppten Schiffes haftet bei einem Zusammenstoße desselben nut einem anderen Schiffe auch für beu hierdurch entstandenen Schaden, wenn dieser durch das Ver­ schulden der Besatzung des angenommenen Schleppdampfers herbeigeführt ist. Es werden beide

Achter Titel.

Von der Haverei.

Art. 740.

1129

Schiffe gewissermaßen als ein Schiff angesehen, bei welchem sich die bewegende Kraft an Bord des Schleppers und die Leitung an Bord des geschleppten Schiffes befindet. RG. XX. 86 f.; Hans. Handelsztg., Jahrg. 1887 Nr. 16; Mau de & Pollock, Law of Merchant Shipping (IV. ed.) Vol. I p. 614; Marsden, The Law of Collisions at Sea p. 189 —197; Pritschards, Admirality Digest (III. Edit.) Vol. I No. 405, 417; Ehrenberg, Beschr. Haftung S. 227, 228. „Die an und für sich getrennten Besatzungen des schleppenden und des geschleppten Schiffes bilden zusammen die Besatzung des Schleppzuges, und es hat deshalb sowohl der Schlepper, wie das geschleppte Schiff für das Verschulden einer Person der Besatzung des einen wie des andern an einer Kollision des Schleppzuges mit einem andern Schiffe aufzukommen." OLG. Hamburg vom 7. Januar 1887 und 18. Februar 1887 (Hans. Ger.-Ztg. 1887 S. 35ff., mitgetheilt in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 291). Ueber die Verantwortung für die Maßnahmen des Bugsierschiffes s. auch das Erkenntniß des LG. Hamburg vom 30. September 1884 (Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 21, mitgetheilt von H. O. Lehmann a. a. O.). 103. Die Frage, ob Jemand als Zwangslootse im Sinne des Art. 740 zu fungieren hat, ist nach dem in dem betr. Hafen rc. geltenden Rechte zu beurtheilen, da es hierfür maßgebend ist, ob nach den für das dortige territoriale Gewässer bestehenden obrigkeitlichen Anordnungen eine Verpflichtung zur Annahme des Lootscn bestand (vgl. RG. VII. 25), bezw. ob (s. Prot. S. 2800) nach den in dem fraglichen Hafen geltenden Verordnungen der als Lootse Fungierende eine Person war, welcher der Schiffer, als unter obrigkeitlichem Zwange stehend, die Uebernahme der Führung des Schiffes überlassen mußte, so daß ein unter seiner Führung einem anderen Schiffe zugefügter Kollisionsschaden im Verhältnisse beider Schiffer zu einander als durch vis major entstanden zu betrachten ist. RG. XIX. 13, 14. S. Prot. S. 2792, 2797—2800. Ebenso Entsch. des OLG. Hamburg vom 9. April 1886 (Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 89ff., mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 292 ff.).1) 104. Ist auch das vom Zwangslootsen geführte Schiff geschädigt und verlangt dessen Rheder Schadensersatz von dem Rheder des kollidierenden Schiffes, so kann ein Verschulden des Zwangslootsen allerdings in Betracht gezogen werden müssen. RG. VII. 27. 105. Zur Begründung einer Schadensersatzklage gegen den Rheder eines unter der Führung eines Zwangslootsen stehenden Schiffes gehört die Darlegung eines Verschuldens der Be­ satzung des letzteren. . ROHG. XXV. 186. Die Beweislast ructsichtlich des Verschuldens der Be­ satzung liegt dem Kläger ob. ROHG. XXV. 229—231. Der auf Schadensersatz belangte Rheder des anlaufenden Schiffs muß die Schuldlosigkeit der Besatzung desselben erweisen. Von diesem Beweise wird er durch den Umstand, daß sein Schiff zur Zeit der Kollision unter Führung eines Zwangslootsen stand, nach Art. 740 frei und der Beschädigte, welcher nicht den Lootsen als den Schuldigen gelten lassen will, hat ein Verschulden der Besatzung des belangten Schiffes zu er­ weisen. ROHG. XXV. 186, 230f.; Fuchsberger a. a. O. S. 286 f.; vgl. ROHG. III. 40, IX. 171, XXIII. 186. Der Rheder wird im Falle des Art. 740 vom Ersätze des Schadens nicht bloß dem Eigen­ thümer des anderen Schiffes und dessen Ladungsinteressenten, sondern auch seinen eigenen Ladungsbetheiligten gegenüber frei, weil vis major als vorhanden anzunehmen und folglich die Haftung aus dem receptum aufgehoben ist. Prot. S. 2797—2800.

*) Was die Stellung des Schiffers neben dem Lootsen anlangt, so ist dafür die-oben an­ geführte Entsch. des OLG. Hamburg vom 9. April 1886 bezeichnend, in welcher gesagt ist: Der Schiffer „brauchte die schwere Verantwortlichkeit eines Eingreifens in das Manöverieren des Lootsen nur dann auf sich zu nehmen, wenn dessen Anordnungen von ihm als offenbar verkehrt erkannt werden mußten imb er mit Sicherheit annehmen durfte, daß er Erfolg haben und nicht etwa durch sein Eingreifen die Lage noch verschlimmern werde".

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Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 741. 742.

Artikel 741. Die Vorschriften dieses Abschnitts kommen auch dann zur Anwendung, wenn mehr als zwei Schiffe zusammenstoßen. Ist in einem solchen Falle der Zusammenstoß durch eine Person der Be­ satzung des einen Schiffs verschuldet, so haftet der Rheder des letzteren auch für den Schaden, welcher daraus entsteht, daß durch den Zusammenstoß dieses Schiffs mit einem anderen der Zusammenstoß dieses anderen Schiffs mit einem dritten verursacht ist. Fehlt in de« E»tw. - Pro«. S. 4138 ff.

Inhalt. Besatzung 92, 105, s. auch Art. 445. Drittes Schiff 107. Mehrere Schiffe 96. Mehrseitige culpa 96.

I

Rhederhaftung 85, 88, 97, 100. Unschuldiges Schiff 106. Versehen des Angesegelten 107.

|

106. Die Rheder der unschuldig in die Kollision mit hineingezogenen Schiffe haben ihre Entschädigungsansprüche gegen die sämmtlichen Schuldigen und deren Rheder. Urtheil des Lübecker Ob.-App.-Ger. in Golds chmid t's Ztschr. für HR. Bd. XVIII S. 599 f. Gehört das unschuldig an der Kollision betheiligte dritte Schiff derselben Rhederei wie eines der schuldigen, so findet Art. 737 Anwendung, für die Beschädigung des Schiffes wird also kein Ersatz geleistet. Vgl. RG. I. 45. 107. Ein Schiff, welches schuldvoll die Kollision mit einem anderen Schiffe veranlaßt, und zwar so, daß das letztere mit einem dritten Schiffe kollidiert, ist verpflichtet, den diesem dritten Schiffe verursachten Schaden zu ersetzen, wenngleich ans dem zweiten Schiffe bei dessen Verhalten nach der Kollision ein Versehen vorgefallen sein sollte. Vgl. den hiernach entschiedenen Fall in ROHG. IV. 127.

Neunter Titel.

Von der Bergung und Hnlfsleistnng in Seenoth?) Artikel 742. Wird in einer Seenoth ein Schiff oder dessen Ladung ganz oder theilweise, nachdem sie der Verfügung der Schiffsbesatzung entzogen oder von der­ selben verlassen waren, von dritten Personen an sich genommen und in Sicher­ heit gebracht, so haben diese Personen Anspruch auf Bergelohn. Literatur: R. Schröder in Endemann's Hdbch. Bd. IV. 1. § 55 (S. 291—298) und die dort Anm. 1 angegebene Literatur, woraus hervorzuheben ist: Brunner in v. Holtzendorff's Rechtslexikon Bd. III S. 814ff.; Ehrenberg, Beschränkte Haftung S. 68ff.; Lewis, Deutsches Seerecht Bd. II (2. Ausl.) S. 164 ff. Ferner So fei cf, HR. § 56; Gar eis, HR. § 125; Fuchsberger, Entsch. Bd. V S. 302ff. Vgl. auch die von Goldschmidt, System (1889) S. 60 angegeb. Lit. — Ueber die Strandungsordnung s. Zorn. Staatsrecht des Deutschen Reiches § 40 Bd. II S. 587—602. — Zu Art. 742 s. auch Köhler, Die Menschenhilfe im Privat­ rechte, Jahrb. f. Dogmatik Bd. XXV S. 1 ff.; v. Tuhr, Der Nothstand im Civilrecht, Heidel­ berg 1888.

Neunter Titel. Von der Bergung und Hülfsleistung in Seenoth.

Art. 742.

1131

Wird außer betn vorstehenden Fall ein Schiff oder dessen Ladung durch Hülse dritter Personen aus einer Seenoth gerettet, so haben dieselben nur An­ spruch auf Hülfslohn. Der Schiffsbesatzung des verunglückten oder gefährdeten Schiffs steht ein Anspruch auf Berge- oder Hülfslohn nicht zu. Pr. Entw. Art. SW, 601 Ziff. 4. I. 8. Ar«. 637. - Prot.

2300 ff., 2330 ff., 4142 ff., 4148 ff.

Inhalt.

Literatur 1. Lootse 8. Naturalbesitz 6. negotiorum gestio 2, 32.

Anzeigc 8, 16, 32. Augenblickliche Gefahr? 5 Belohnung der Besatzung 7. Berge lohn 2 ff.. I2ff. Bergung 1 ff. Bergungsfälle 2. Besatzung 6, 7. Besitz des Schiffes 1, 6. Bugsiervertra g 8. custodia 22. Erfolg 32. euperpiov 1, 22. Flüsse, Flußmündungen 5. Gefahr 5, 18. Gesch ich tliches 1. Getödtete Schiffsleute 7. G r u n d r u h r r e ch r l. Hafen sch ute 4. Heuer 7. Hülfsleistung 1 ff. — -lohn 2 ff. jus postliminii 35. Kaper 35. Kriegsbeute 35. — -noth 5, 3o. — -schiff 35. K ü st e n g c ä i i c r 5. Landesgc setzgeb un g 35.

Passagiere 7.

Rechtsnatur der Belohnungspflicht 1, 32. Reprise 35. Revision 3. Schiffe 4. Schiffsbesatzung 6, 7. — -leitung (). — -leute 6, 7. ! Sceauswurf 2. I — -noth 5, 35. ! — -raub 5, 7, 35. 1

— -schiffe 4.

— -triftige Güter 2. j Strafrecht 2.



Strand recht i.

I — -triftige Güter 2. I Strand ungs fälle 2. — -ordnung 2, 14. Unterschied zw. Bergung und Hülfeleistung 1, 2. i „Verfügung" der Schiffsbcsatzung 6. ' Verwundete 7. ! Wegfall von Berge- und Hülfslohn 8, 26, 32. ! Zusammenstoß von schiffen 8.

I

Kemerkungenzu Art. 742—756. 1. „Bergung" (sauvetage, salvage in abandonment at sea) und „Hülfsleistung in Seenoth" (assistance maritime) sind zwei im Wesentlichen gleichmäßig zu behandelnde Fälle, in denen Schiff und Ladung (oder eines oder Theile hiervon) der Gefahr des Untergangs durch die Thätigkeit fremder Personen entrissen werden. Daß diesen Personen für ihre rettenden Thaten eine Belohnung, für ihre Müheaufwendung eine Vergeltung zukommen soll, ist naheliegend und würde sich, für gewisse Fälle wenigstens, auch aus Sätzen des heutigen gemeinen Rechts ab­ leiten lassen. Allein die Rechtscntwickelung von letzterem ab ist durchbrochen oder getrennt worden durch die im frühen Mittelalter herrschend gewordene barbarische Auffassung, daß Wrake und seeund strandtriftige Güter herrenlos und der Okkupation jedes Dritten zugängig seien, eine Auf­ fassung, welcher zwar Herrschaften und insbesondere Staaten entgegentraten, jedoch nicht ohne Nachwirkungen jener Anschauung in dem lange bestehenden Grundruhrrecht, im mittelalterlichen „Strandrecht" überhaupt, fortbestehen zu lassen. Je mehr aber der Seehandel sich entwickelte, desto mehr mußte die Fortdauer des Eigenthumsrechts an den durch Seenoth der Disposition der Schiffsbejatzung entrückten Seevermögensstücken rechtlich betont, zugleich aber auch dafür gesorgt werden, daß, wer dazu beiträgt, daß die Eigenthumsdisposition darüber wieder gewonnen oder trotz See­ noth nicht verloren werde, dieses nicht unentgeltlich zu thun brauche; in letzterer Hinsicht bewährte sich aber das römische Recht vermöge der Unentgeltlichkeit der negotiorum gestio und der ab­ lehnenden Haltung gegenüber Ansprüchen auf Finderlohn nicht; das Recht, welches den Anspruch auf eopezpcc dicht neben das furtum stellt und von dem einen Finderlohn Beanspruchenden sagt: non probe petit,1) mag hierin zwar richtig das Gefühl eines mühelos zu Lande findenden an■) 1. 48 § 9 D. de fnrtis.

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Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 742.

ständigen Mannes treffen; ganz anders aber liegt die Sache für Den, der mit Sturm und Wogen ringend, der See Schiff oder Ladung entreißt, Beides wieder in die Möglichkeit versetzend, von dem legitimen Herrn beherrscht zu werden. *) So führten denn die Seerechte, namentlich das der Hanseaten, schon früher mit jener Festigung des Eigenthums am see- und strandtriftigen Gute den gesetzlichen Anspruch auf eine adäquate Belohnung für den Retter aus der Seenoth ein und eine Anzahl von Seerechten setzt hierbei eine — allerdings nur für die Berechnung dieser Belohnung bedeutungsvolle — Unterscheidung fest, nämlich die von Bergung einerseits und Hülfeleistung andererseits. 2. Die eben erwähnte Unterscheidung macht auch der deutsche Gesetzgeber und zwar so­ wohl im Handelsgesetzbuch, als auch in der Strandungsordnung, einem Reichsgesetz vom 17. Mai 1874 (Reichs-Gesetzbl. 1874 S. 73),*2) das den Begriff der „Bergung", für welchen das HGB. (Art. 742 Abs. 1) die „Seenoth" voraussetzte, auf Fälle ausdehnt (§ 20 der Strandungsordn.), in denen sich der Bergende keinerlei Seenoth (s. Bem. 4) unterzieht oder aussetzt;3) aber das ist nach deutschem Rechte allen Fällen der Bergung eigenthümlich, daß der in Sicherheit gebrachte Gegenstand (Schiff [f. Bem. 3], Ladung, Theile derselben) zur Zeit der Rettung nicht mehr in der Verfügung (s. Dem. 5) des Schiffers oder der Schiffsbesatzung stand, sondern von dieser preis­ gegeben oder durch die Gewalt der Seenoth weggerissen war. Bergung liegt demnach vor: a) wenn in einer Seenoth ein Schiff oder dessen Ladung ganz oder theilweise, nachdem sie der Verfügung der Schiffsbesatzung entzogen oder von derselben verlassen war, von dritten Per­ sonen an sich genommen und in Sicherheit gebracht wird, — so nach Art. 742 Abs. 2 des HGB.; b) wenn außer dem Falle der Seenoth eines Schiffes besitzlos gewordene Gegenstände von der See auf den Strand geworfen (sog. Seeauswurf) oder gegen denselben getrieben und vom Strande aus in Sicherheit gebracht werden (sog. strandtriftige Güter), — so nach § 20 der Strandungsordn.; c) wenn versunkene Schiffstrümmer oder sonstige Gegenstände vom Meeresgrunde herauf­ gebracht, oder wenn ein verlassenes Schiff oder sonstige besitzlos gewordene Gegenstände in offener See treibend (sog. seetriftige Güter) von einem Fahrzeuge in Sicherheit gebracht werden, — so nach § 21 der Strandungsordn. In allen diesen Fällen haben die in Sicherheit bringenden, nicht zur Schiffsbesatzung ge­ hörenden („dritten") Personen als sog. Berger Anspruch auf Bergelohn. Andererseits liegt nicht „Bergung", sondern eine nur zu „Hülfslohn" (s. Art. 749) be­ rechtigende „Hülfsleistung" vor, wenn über das Schiff und die Ladung, während sie ganz oder theilweise aus der Seenoth durch dritte Personen befreit wurden, der Schiffsmannschaft die Dis­ position verblieb. (Abs. 2 des Art. 742.) 3. Ueber Geschichtliches und fremde Rechte bezüglich der Bergung und Hülfsleistung siehe Schröder a. a. O. S. 291, 292. Französisches Recht s. Ordonnance de la marine von 1681. 1. IV Tit. 9 (keine Bestimmung im C. de comm.). Englisches Recht hinsichtlich der Bergung s. ROHG. Bd. XXII S. 92 (Fuchsberger, See-HR. S. 304, 305) und Voigt in Goldfchmidt's Zeitschr. Bd. XXVIII S. 347 ff. In Bezug aus Strandungsfälle sind übrigens auch strafrechtliche Normen von Bedeutung, so insbes. die §§ 322, 323, 325, 326, auch § 360 Ziff. 10 des RStrafGB.; s. v. Liszt, Strafrecht (3. Aufl.) S. 483, 484; Zorn a. a. O. S. 590, 601, 602. — Ueber die Systematik des HGB. s. Bem. 4 zu Art. 432. Bei einer Revision des HGB. dürfte die Beseitigung des Unterschieds zwischen Bergung x) Diesen Erwägungen stellt sich andererseits aber auch die Betrachtung des Umstandes an die Seite, daß die seemännische Hülfeleistung und Bergung heutzutage auch aus Gewinnabsicht wie eine Art Gewerbe betrieben wird, weshalb denn auch gewisse Kautelen (s. Art. 752 u. A., Bem. 8, 27, 32) vom positiven Recht festzusetzen sind. Vgl. Ehrenberg, Beschränkte Haf­ tung S. 71. 2) Instruktion zur Strandungsordnung vom 24. November 1875 siehe Centralblatt für das Deutsche Reich 1875 S. 571; Zorn a. a. O. S. 591 u. a. 3) Ehrenberg a. a. O. S. 70 Anm. 53.

Neunter Titel.

Von der Bergung und Hülfsleistung in Seenoth.

Art. 742.

1133

und Hülfsleistung, zwischen Bergelohn und Hülfslohn anzustreben sein,, da die bei Berechnung bei­ der in Betracht kommenden Momente stark genug sind, auch die Thatsache zur Geltung kommen zu lassen, daß das Schiff nicht mehr in der Verfügung der Schiffsbesatzung stand u. s. w. Vgl. Reichstags-Kommissionsverhandlungen über die Strandungsordnung; Mako wer, Komm. S. 726. In Betreff der Abänderung reichsgesetzlicher Ergänzung der Art. 756 Abs. 3 s. oben Bem. 5c zu Art. 432 S. 879. 4. Nach dem Sprachgebrauch des HGB. ist unter „Schiff" auch in vorliegendem Titel wie überall im fünften Buch nur ein Seeschiff verstanden (s. oben Bem. 7—9 zu Art. 432 S. 882—885), ein zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmtes Schiff; hierzu ist eine für den Ham­ burger Hafenverkehr bestimmte Schute nicht zu rechnen. RG. V. 91 und Lewis, Deutsches Seerecht II. 2. Aufl. S. 165, 166. 5. Der Begriff „Seenoth", ohne welche ein Anspruch auf Hülfslohn nicht erhoben werden kann, setzt sich.aus zwei Elementen zusammen: es muß eine „Noth", ein als „vis majoru sich geltend machender Vorgang von zwingender, überwältigender, Verderben drohender oder bringender Art vorliegen, und es muß diese Lage (Zwangslage) eingetreten sein oder sich geltend machen „auf See", d. h. in einem Gewäffer, in welchem das Schiff und seine Besatzung unter der Einwirkung jener Isoliertheit steht, welche, wie oben S. 883 auseinandergesetzt wurde, für die Nothwendigkeit und Anwendbarkeit der besonderen seerechtlichen Normen charakteristisch ist; ein solches Gewäffer kann aber nicht bloß die hohe See, sondern auch ein Küstengewässer, ein Haff oder der untere Laus eines Flusses sein (s. oben S. 884 Bem. 7 a. E.) und somit ist der Begriff „Seenoth" auszudehnen aus Gefahren, welche ein Seeschiff auf dem von Seeschiffen befahrenen unteren Theile eines Flusses betreffen. Urtheil des Ob.-App.-Ger. zu Lübeck vom 5. Juli 1866 in Kierulff's Sammt. Bd. II S. 513 und Lewis, Seerecht Bd. II (2. Aufl.) S. 165; vgl. jedoch RG. V. 91. Es ist jedoch zum Begriff „Seenoth" das „Drohen einer augenblicklichen Gefahr" nicht unter allen Umständen erforderlich; es kann vielmehr Seenoth auch dann vorliegen, wenn ein festsitzendes Schiff „nicht im Stande ist, ohne fremde Hilfe abzukommen, und ein Witterungswechsel demselben unter diesen Umständen verderbenbringend hätte werden können". So nach Entsch. des LG. Hamburg vom 14. Dezember 1885, bestätigt durch OLG. Hamburg vom 1. März 1886 (Hans. Ger.-Ztg. 1887 S. 1 ff., mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. XXXVI S. 297). Vgl. v. Tuhr, Der Nothstand a. a. O. Auch Seeraub und Kriegs noth kann unter Seenoth fallen, s. unten Bem. 35, wenigstens ist das Recht der Bergung und Hülfeleistung subsidiär auf Fälle von Kriegsnoth anwendbar. Prot. S. 2836. 6# Die Verfügung über Schiff u. s. w. haben bedeutet mehr als den bloßen Gewahr­ sam haben, — von der Besatzung, welche sich in das oberste Takelwerk des Wraks geflüchtet hat, kann man allenfalls noch sagen, daß sie den Gewahrsam des Schiffes habe, nicht aber, daß sie die Ver­ fügung über das Schiff noch habe; Rettung ist hier Bergung, nicht Hülfsleistung; s. R. Schröder a.a.O. S. 292 Anm. 3. Es darf jedoch auch nicht zu viel unter dem „die Verfügung haben" verstanden werden, namentlich nicht die nautische Leitung, nicht die Möglichkeit wirklichen Manöverierens mit dem Schiffe: nicht der Bergung, sondern der „Hülfsleistung" ist rechtlich der Schiffer zugänglich und bedürftig, der mit gebrochener Maschine ohne Steuer und^Segel, also technisch völlig machtlos, auf seinem Schiffe nur von Dritten Rettung hoffend ausharrt: er hat juristisch den Besitz, den Gewahrsam und auch die Verfügung. Andererseits aber ist Gewahrsam auf Seiten der Bergenden vorausgesetzt: von geborgenen Gegenständen, seien diese die Gesammtheit von Schiff und Ladung oder einzelne Theile derselben, kann nur dann die Rede sein, wenn sie nicht nur nach dem Wortlaut des Art. 742 Abs. 1 vor der Bergung „der Verfügung der Schiffsbesatzung entzogen oder von derselben verlaffen gewesen, sondern außerdem von dritten Personen, den Bergern, an sich genommen und in Sicherheit gebracht worden sind; es müssen die angeblich geborgenen Gegenstände in den Naturalbesitz der Bergelohnprätendenten übergegangen gewesen sein". Prot. S. 2803, 2804 u. 2810 Ziff. 4; ROHG. IV. 440, 441; Bremer Samml. Bd. I S. 226 ff.; Hamburger Sammt. Bd. II S. 1002 ff.

1134

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 742. 743.

Ist zwischen den Rettenden und der Besatzung vereinbart worden, daß letztere sich beim Rettungswerke jeder Mitwirkung enthalten und dieses ganz der Rettungsmannschaft überlassen soll, so ist deßhalb allein noch nicht „Hülfeleistung" ausgeschlossen und „Bergung" anzunehmen; es kommt vielmehr daraus an, ob die geretteten Gegenstände in den Gewahrsam der Bergenden gelangt sind, ohne daß die Schiffsbesatzimg zu einer leitenden Theilnahme an den Arbeiten im Stande gewesen ist. Vgl. ROHG. IV. 439 ff.; Ehrenberg, Beschränkte Haftung S. 69. Dadurch, daß der Kapitän eines anderen Schiffes, z. B. eines Schleppdampfers, sich die alleinige Direktion über die zum Zwecke der Rettung, z. B. des Flottmachens eines auf eine Sandbank gerathenen Schiffes, erforderlichen Maßregeln ausbedingt, wird das letztere Schiff nicht der Verfügung seiner Besatzung entzogen. ROHG. IV. 421 f. 7. Der Schiffsbesatzimg mehr als die Heuer für die Zeit der Bergung zuzugestehen — erstere steht zu kraft Seemannsordn. § 32, und zwar unter persönlicher Haftung des Rheders, ebenda § 68 (statt HGB. Art. 542, 453) — wurde als höchst gefährlich erachtet wegen der Ver­ suchung, die dann vorhanden wäre, das Schiff absichtlich an den Strand zu setzen, um bergen zu können u. dgl. Prot. S. 2833. Jedoch muß hier (deshalb, weil auch gegenüber dem Seeraub die Möglichkeit von Bergung und Hülfeleistung angenommen wird — s. oben Bem. 5 und unten Bem. 35) die Bestimmung des Abs. 2 des § 49 der Seemannsordnung, auch die des Abs. 2 des § 51 derselben, s. oben S. 973 u. Art. 523 Abs. 4, als eine zu Gunsten verwundeter und getödteter Schiffsleute bezw. des Schiffsführers festgestellte Ausnahme von der Regel des Abs. 3 des Art. 742 bezeichnet werden. Passagiere und Lootsen (s Bem. 8) können sich unter Umständen einen Anspruch auf Bergelohn erwerben; s. Schröder a. a. O. S. 293 Anm. 7. Ueber den Vertheilungsmodus in diesen letzteren Fällen s. unten Bem. 25. 8. Der Anspruch auf Hülss- oder Bergelohn fällt weg, wenn die ganze Leistung bereits durch anderweitigen Vertrag, z. B. Lootscnvertrag, Bugsiervertrag, ausbedungen war. Schröder in Endemann's Hdbch. Bd. IV. 1. S. 293. Dgl. auch Lewis, Seerecht Bd. II S. 166, 167. v. Kaltenborn Bd. II S. 38. Ist mehr geleistet, als der Lootse oder der Schlepper vertrags­ mäßig verpflichtet war, so ist dieses als Nothhülfe zu behandeln. Vgl. die englische Entsch. in Zeitschr. für HR. Bd. XXVIII S. 347, 353 s. und Entsch. des ROHG. XXII. 95; Pritchard S. 749, 762 ff., 780 ff. Wegfall des Belohnungsanspruchs s. auch Strandungsordn. § 41 und HGB. Art. 752; s. Schröder a. a. O. S. 293 und unten Bem. 26, 27. Dadurch, daß die Hülfeleistung auf einer gesetzlichen Pflicht, z. B. auf Grund der Ver­ ordnung vom 15. August 1876 über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoße auf See, beruht, geht der Anspruch aus den Hülfslohn an sich nicht verloren. RG. III. 140 s.

Artikel 743. Wenn noch während der Gefahr ein Vertrag über die Höhe des Berge­ oder Hülfslohns geschlossen ist, so kann derselbe wegen erheblichen Uebermaaßes der zugesicherten Vergütung angefochten und die Herabsetzung der letzteren auf das den Umständen entsprechende Maaß verlangt werden. Pr. Entw. Art. 596. I. S. Art. 633. - Prot. 3. 2805 ff., 4144.

Inhal«. Anfechtbarkeit 9. Anfechtbare Berträge 9, 10. An fechtung 12. Bedrohter Promittent 10, 11. Herabsetzung 9, 12. Rebenverträ ge 9. Promittent 10, 11.

Reduktion 12. Richterliche Reduktion im Gegensatz zur richter­ lichen Feststellung 12, vgl. mit 13. Seenoth 5, 35. Subjektive Momente 12. Würdigungsgründe 12. Zwangslage l), 12.

9. Art. 743 will verhüten, daß die Zwangslage (s. Bem. 5), der unfreie Zustand des in Seenoth befindlichen Schiffers von Demjenigen, der allein in der Lage ist, Hülfe leisten zu können,

Neunter Titel. Von der Bergung und Hülfsleistung in Seenoth.- Art. 743.

1135

zum Zwecke unbilliger und unwürdiger Erpressung ausgebeutet werde. Denn wo der Verlust des Lebens oder erheblichen Eigenthums droht, ist ein Zustand vorhanden, der dem Zwange gleich­ steht. (ROHG. XIV. 301 ff., IX. 366, 367.) RG. XIII. 135. Nach Art. 743 ist der während der Gefahr über die Höhe des Berge- oder Hülfslohnes ge­ schlossene Vertrag keineswegs nichtig, sondern er besteht vielmehr an sich vollkommen zu Recht, und es steht nur demjenigen Kontrahenten, zu Gunsten dessen die Bergung oder Hülfeleistung erfolgt ist, die Befugniß zu, den Vertrag wegen erheblichen Uebermaßes der zugesicherten Ver­ gütung anzufechten und deren Herabsetzung auf das den Umständen entsprechende Maß zu ver­ langen. RG. XIII. 135. Um den mit Art. 743 beabsichtigten Zweck zu erreichen, ist die Anwendung desselben nicht auf solche Fälle zu beschränken, in welchen ein bestimmter Geldbetrag in der Seenoth durch Ver­ einbarung sofort festgestellt wurde. Es haben vielmehr hiermit alle Verträge getroffen werden sollen, welche auch nur mittelbar auf die Feststellung der Vergütungshöhe hinführen, somit auch unter Umständen eine während der Gefahr getroffene Vereinbarung über die Person der Schätzer (ROHG. IX. 365), kurz Alles, was in dieser Absicht zur Umgehung des Gesetzes angebahnt wurde, z. B. erzwungene und handgreiflich falsche Bekenntnisse des nothleidenden Schiffers über die momentane Sachlage, Verzicht auf die Anrufung des Richters, Unterordnung unter solche Schiedsrichter oder gute Männer, in deren Auswahl der Schiffer auf die bedenklichste Weise be­ schränkt wird ii. dgl. S. hierüber ROHG. IV. 435—438 und die dort angeführte ausländische (englische, französische und holländische) Literatur; ferner Fuchsberger, Sammt, der Entsch. des ROHG. u. RG. auf dem Gebiete des Seerechts Bd. V S. 305 ff.; vgl. auch ROHG. IX. 366 ff., XIV. 301 ff.; v. Kaltenborn II. 35. 10. Der Vertrag muß vom Berger oder Retter mit Demjenigen geschlossen sein, dem die rechtliche Verfügung über Schiff oder Gut zusteht, weshalb in der Regel nur der Schiffer oder der Eigenthümer von Schiff resp. Ladung • berechtigt ist, einen Vertrag, wie ihn der Art. 743 voraussetzt, zu schließen. Ein Vertrag also, welchen ein Dritter (z.B. ein Verwandter des Schiffers oder ein Versicherungsinteressent am Lande) über Hülfeleistung eines in Gefahr befind­ lichen Schiffes oder über die Höhe des Hülfslohnes mit dem Helfer abgeschloffen hat, ist kein Ver­ trag über Hülfs- oder Bergclohn im Sinne der Art. 742 u. 743, unterliegt also nicht der An­ fechtung aus Art. 743. ROHG. XIV. 303. 11. Voraussetzung ist als Regel, daß sich der Promittent — Schiffer, Schiffseigenthümer, Ladungseigenthümer — in dem gefährdeten Schiffe, also in einer Zwangslage befunden habe, die zugleich seine persönliche Erhaltung bedrohte. Mag nun eine ähnliche Nothlage unter Umständen auch dann angenommen werden dürfen, wenn der Schiffer u. s. w. bei der Vertragsschließung außerhalb des Schiffes ist, z. B. wenn es ihm gelungen war, für seine Person das gefährdete Schiff zu verlassen, so ist doch außerhalb einer derartigen Bedrängniß, welche freie Entschließung gegenüber der Pflicht zur Erhaltung von Mannschaft, Schiff und Ladung beeinträchtigt, kein Raum für die ausnahmsweise Anfechtbarkeit geschlossener Verträge. ROHG. XIV. 304. 12. Im Falle des Art. 743 ist dem angerufenen Richter nicht etwa gestattet, die Höhe des Berge- oder Hülfslohnes ohne alle Rücksicht auf die getroffene Vereinbarung lediglich nach seinem billigen Ermessen so festzusetzen, wie es der Art. 744 in Ermangelung einer Vereinbarung vorschreibt und wobei dann selbstverständlich auch der spätere objektive Verlauf der Bergung oder Rettung unter Berücksichtigung der in Art. 746 hervorgehobenen Momente in Betracht kommt. Der Richter hat vielmehr bei Prüfung der Frage, ob ein erhebliches Uebermaß der zugesicherten Vergütung vorliegt, lediglich die Sachlage zur Zeit des Abschlusses des Vertrages seiner Be­ urtheilung zu Grunde zu legen und danach zu bemessen, ob in der Höhe des ausbedungenen Lohnes eine unbillige, das Verhältniß zwischen Leistung und Gegenleistung erheblich außer Acht lassende Verletzung des sich in Seenoth befindenden Kontrahenten zu erblicken ist. Der Umstand, daß sich eine im Augenblicke ihrer Uebernahme dem Hülfeleistenden sowohl in Hinsicht auf die Ge­ fahr, als auch die von dem Gelingen abhängige Belohnung sehr gewagt erscheinende Rettung trotzdem sehr leicht und glücklich abwickeln kann, steht dem keineswegs entgegen, denn ebensowohl

1136

Fünftes Buch. Bom Seehandel. Art. 743—745.

liegt auch die umgekehrte Möglichkeit vor. Es würde folglich dem Sinne des Art. 743 nicht ent­ sprechen, wenn der Richter bei der Beurtheilung der Frage, ob ein erhebliches Uebermaß des be­ dungenen Berge- oder Hülfslohnes vorliege, den späteren objektiven Verlauf der Bergung oder Rettung zu Grunde legen wollte. Wenn es sich also darum handelt, den auf eine bestimmte Summe von den Parteien vereinbarten Hülfslohn in Folge der Anfechtung dieser Vereinbarung auf ein den Umständen entsprechendes Maß zurückzuführen, so können hierbei nur die Umstände zur Zeit der Vereinbarung maßgebend sein, nicht aber das Maß, in welchem die zu befürchten­ den Gefahren oder Nachtheile später wirklich eingetreten sind oder noch eintreten werden. In einem solchen Falle ist es nicht zulässig, einen Theil des Hülfslohnes nur unter der Bedingung zuzusprechen, daß und in welchem Maße eine gewisse Gefahr sich realisieren werde und so die Un­ gewißheit über die Höhe des Hülfslohnes theilweise fortbestehen zu lassen. Wettn das Gericht die Anfechtung einer solchen Vereinbarung wegen übermäßiger Verletzung des in Seenoth befindlich gewesenen Kontrahenten als begründet erkennt, so ist es seine Aufgabe, den Streit dadurch zu er­ ledigen, daß es der von dem Kontrahenten in einer bestimmten Summe festgesetzten Vergütung auch seinerseits einen von vornherein völlig bestimmten Betrag substituiert. S. hierüber RG. XIII. 135-141.

Artikel 744. In Ermangelung einer Vereinbarung wird die Höhe des Berge- oder Hülfslohns von dem Richter unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles nach billigem Ermessen in Geld festgesetzt. Pr. Entw. Art. 593. I. 8. Art. 639. - Prot. 3. 2814 ff., 2813, 4144.

Bergelohn 2ff. Festsetzung, richterliche 13. Gläubiger recht 13. Hülfslohn 2ff.

Inhalt. I RechtSnatur deS Anspruchs 1, 32. | Sicherung der Gläubiger 13, 28, 30, 31. I Strandungsordnung 2, 14. | Verfahren nach der Strandungsordnung 14.

13. Daß Berge- und Hülfslohn hierbei reichlich bemessen werden sollen, hebt eine Ent­ scheidung des OLG. Hamburg vom 5. Oktober 1886 besonders hervor; s. Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 282, mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 298. Die Rechte des Gläubigers hinsichtlich der Geltendmachung seiner Forderung, insbesondere hinsichtlich des Pfandrechtes, • sind demnach dieselben bei vertragsmäßiger Festsetzung und bei richterlicher Feststellung. ROHG. XXII. 94 ff. 14. In Fällen der Strandung findet unter der Voraussetzung des Art. 744 nach Strandungsordnung vom 17. Mai 1874 §§ 86—40 ein Verfahren vor der zuständigen Ver­ waltungsbehörde behufs Feststellung des Berge- oder Hülfslohnes statt. Zu berücksichtigen find hierbei auch die Art. 745—749. Vor der in §§ 36—41 der Strandungsordnung geordneten provisorischen Entscheidung ist der Rechtsweg unzulässig (RG. V. 90) und dies nicht bloß auf erhobene Einrede, sondern auch ohne eine solche von Amtswcgen zu berücksichtigen. (RG. VII. 64.) S. hierüber bei § 36 ff. der Strandungsordnung, durch welche das HGB. modifiziert ist. Lewis, Seerecht II S. 172.

Artikel 745. Der Berge- oder Hülfslohn umfaßt zugleich die Vergütung für die Auf­ wendungen, welche zum Zweck des Bergens und Rettens geschehen fiiib. Nicht darin enthalten sind die Kosten und Gebühren der Behörden, die von den geborgenen, oder geretteten Gegenständen zu entrichtenden Zölle und

Neunter Titel.

Von der Bergung und Hülfsleistung in Seenoth.

Art. 745. 746.

1137

sonstigen Abgaben und die Kosten zum Zweck der Aufbewahrung, Erhaltung, Abschätzung und Veräußerung derselben. Fehlt im Pr. Enlw.

I. L. Art. 610. - Pro«. @. 2836 ff., 4144. Inhalt.

Anzeigelohn 16. Aufwendungen 15. Belohnung Beschädigter 7. Beschädigung 15.

Kontraktbruchstrafe 15. Rettungsm ittel 15. Zinsen 15.

15. In dem Hülfs- oder Bergelohn, bei dessen richterlicher Festsetzung an den in den Art. 744—749 gegebenen Grundsätzen (vgl. auch die fich in den Bem. 13—22 hierzu findenden Anhaltspunkte) festzuhalten ist, sind mitenthalten die Aufwendungen für die Bergung von Sachen, nicht aber die bei den Rettungsmaßregeln für Menschenleben entstandenen Beschädigungen von Fahrzeugen, Geräthschaften, Grundstücken u. dgl.; hierfür ist besonders Ersatz zu leisten. S. § 9 der Strandungsordnung. Keine besondere Vergütung kann verlangt werden für die Aufwendung von Material, Böten, Wagen u. dgl.; s. Prot. S. 2837. Unter den Begriff der Aufwendung fällt es, wenn der Rettende zu diesem Zwecke einem Dritten gegenüber kontraktbrüchig wird und ihm dadurch eine Verpflichtung überkommt. 16. Dagegen ist die erste Anzeige der Seenoth und die' Uebermittelung derselben an den Strandvogt angemessen zu vergüten. S. § 4 u. 5 der Strandungsordnung. Dem Berge- und Hülfslohnberechtigten können auf Antrag 6 % Zinsen vom Tage der Zu­ stellung der motivierten Strandamtsentscheidung nach Ermessen des Gerichts zugebilligt werden. OLG. Hamburg vom 16. Oktober 1887 (Hans. Ger.-Ztg. 1887 S. 312, mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 297).

Artikel 746. Bei der Bestimmung des Betrages des Berge- oder Hülfslohns kommen insbesondere in Anschlag: der bewiesene Eifer, die verwendete Zeit, die ge­ leisteten Dienste, die geschehenen Aufwendungen, die Zahl der thätig gewesenen Personen, die Gefahr, welcher dieselben ihre Person und ihre Fahrzeuge unter­ zogen haben, sowie die Gefahr, welche den geborgenen oder geretteten Gegen­ ständen gedroht hat, und der nach Abzug der Kosten (Artikel 745. Absatz 2.) verbliebene Werth derselben. Fehlt im Pr. Entw. 1. L. Art. 641. - Prot. S. 2815 ff., 2841, 4144. Bergelohn 2ff. Eifer 17. Gefahr 5, 18. Grenzen der Zumeffung 19—22.

Hülsslohn 2ff. Personenzahl 17. „Thätig gewesene" 17. Bergütungsmaß 18.

17. Zu berücksichtigen ist die Zahl der „thätig Gewesenen" und nicht die der „erforderlich Gewesenen", denn in letzterem Falle würden die Berger ungebührlich verletzt. Es können diese nicht im Voraus wissen, .wie viele Personen zur glücklichen und rechtzeitigen Voll­ endung des Bergungsgeschäftes erforderlich sind, und können dieselben somit nicht darunter leiden, wenn sich nachträglich herausstellt, daß einige der Hülfeleistenden entbehrlich gewesen sind. Daß aber den Ladungseigenthümern nicht der Zulauf einer ganz offenbar unnöthigen Menge von Personen zum Nachtheile gereicht, dagegen bietet schon der Umstand hinreichenden Schutz, daß der Richter auch auf den bewiesenen Eifer und die zur Bergung verwendete Zeit Rücksicht zu nehmen hat und außerdem die Beobachtung anderer einflußreicher Umstände nicht aus­ geschlossen ist. Prot. S. 2816, 2817. Vgl. Lewis, Seerecht Bd. II S. 173, 174. 18. Ueber das Vergütungsmaß vgl. Nechtssälle ROHG. IX. 414, XXIV. 375. Fuchsberger und GareiS, ADHGB. 72

Fünftes Buch.

1138

Vom Seehandcl.

Art. 746—749.

Bei der Bestimmung des Maßes der Nothhülfevergütung kommt es wesentlich auf die Ge­ fahr an, welcher der Hülfelcistende sich selbst, seine Leute und die zu benutzenden Hülfsmittel aus­ setzte (vgl. ROHG. IV. 422 und die dort angeführten Entscheidungen norddeutscher Gerichtshöfe über Nothhülfesachen). Successiv und nicht gemeinschaftlich von verschiedenen Personen oder Schiffen gewährte Hülfeleistungen in Seenoth sind je für sich geltend zu machen und zu schätzen. ROHG. XXIV. 375. Ueber Erwägungen, nach welchen die Höhe der zuzubilligenden Vergütung zu bestimmen ist, s. auch noch Kierulff, Samml. Bd. III S. 716; ROHG. IX. 414 ff.; Handelsger. Ztg. Bd. VI S. 265, Bd. VII S. 137, Bd. X S. 103, 104.

Artikel 747. Der Berge- oder Hülfslohn darf ohne den übereinstimmenden Antrag der Parteien nicht auf eine Quote des Werthes der geborgenen oder geretteten Gegenstände festgesetzt werden. Fehlt im Pr. E«1M. I. L. Art. 642. - Prot. S. 2819 ff., 4145.

Inhalt. Bergelohn 2ff. Grenzen der Zumeffung 19—22.

I Hülfslohn 2ff. | Werth 21.

19. Grenze des Bergelohns s. Art. 748, des Hülfslohns Art. 749. Bem. 13—22.

Im Uebrigen siehe

Artikel 748. Der Betrag des Bergelohns soll den dritten Theil des Werthes der ge­ borgenen Gegenstände (Artikel 746.) nicht übersteigen. Nur ausnahmsweise, wenn die Bergung mit ungewöhnlichen Anstrengungen und Gefahren verbunden war und jener Werth zugleich ein geringer ist, kann der Betrag bis zur Hälfte des Werthes erhöht werden. F-hlt im Pr. E«tw. I. L. Art 643. - Prot. ®. 2814 ff., 2841 ff., 4145. Inhalt. Aufwendungen 15. Bergelohn 2 ff., 18 ff.

I Grenzen der Zumeffung 19ff. | S33 e r t ^ 21.

20. Während durch die Bestimmung des Abs. 1 einer Uebertreibung des Bergelohns vor­ gebeugt ist (s. Prot. S. 2817), ist in Abs. 2 dafür Sorge getroffen, daß in den dort erwähnten Fällen die Strandbewohner nicht die Lust zur Betheiligung an der Rettung von Schiff und Ladung aus Seegefahr verlieren. (Prot. S. 2841. Vgl. die Erwägungen in Bem. 1.) Hinsichtlich der Quote s. übrigens Art. 747. Ueber den Hülfslohn s. Art. 749.

Artikel 749. Der Hülfslohn ist stets unter dem Betrage festzusetzen, welchen der Berge­ lohn unter sonst gleichen Umständen erreicht haben würde. Auf den Werth der geretteten Gegenstände ist bei Bestimmung des Hülfslohns nur eine unter­ geordnete Rücksicht zu nehmen. Fthtt fm Pr. Glitt». I. L. Art. 644. — Prot. S. 2820 ff., 4145. Bergelohn 2ff. — Betrag dess. s. Art. 746—748. custodia 22. Fracht 22.

Fundlohn 1, 22.

Grenzen der Zumeffung 19ff. Werth 21.

Neunter Titel.

Don der Bergung und Hülfsleistung in Seenoth.

Art. 749—751.

1139

21. Ueber Vergütung für Hülfe in Seenoth hat eventuell das richterliche Ermessen ex aequo et bono zu bestimmen, wie dies sowohl in der ausländischen Praxis, als auch in der ein­ heimischen Rechtsprechung regelmäßig geschieht. ROHG. IV. 442; Ullrich, Seerechts-Erk. Bd. I S. 92, Bd. II S. 36, 261, 321, 324, 330; Hamb. Ger.-Ztg. Bd. IV'S. 28, 96, Bd. V S. 244; Hamb. Handelsger.-Ztg. Bd. II S. 71; Lübecker Ob.-App.-Ger.-Erk. in Hamb. Samml. Bd. II S. 989; Kierulsf, Ob.-App.-Ger.-Erk. Bd. II S. 510, Bd. III S. 705. „Wenn Art. 749 HGB. sagt, daß bei Bestimmung des Hülfslohnes auf den Werth der geretteten Gegenstände nur eine untergeordnete Rücksicht zu nehmen ist, so wird doch andererseits im Art. 746 ausdrücklich gesagt, daß bei Bestimmung des Hülfslohnes auch der nach Abzug der Kosten verbliebene Werth mit in Anschlag zu bringen ist. Der Werth muß also mit berücksichtigt werden, nur soll diese Rücksicht gegen die anderen nach Art. 746 maßgebenden Momente zurückstehen." OLG. Hamburg vom 5. Oktober 1886 (Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 282, mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldsckunidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 297). 22. Der Bergelohn repräsentiert zugleich den Fundlobn und die Entschädigung für die custodia des Geborgenen, der Hülfslohn nicht (Prot. S. 2821). Bei der Berechnung der geretteten Werthe ist auch die dem Rheder erhaltene Fracht zu berücksichtigen. Dgl. v. Kaltenborn a. a. O. II. 36.

Artikel 750. Haben mehrere Personen an der Bergung oder Hülfsleistung sich be­ theiligt, so wird der Berge- oder Hülfslohn unter dieselben nach Maaßgabe der persönlichen und sachlichen Leistungen der Einzelnen und im Zweifel nach der Kopfzahl vertheilt. Zur gleichmäßigen Theilnahme sind auch diejenigen berechtigt, welche in derselben Gefahr der Rettung von Menschen sich unterzogen haben. $

Nechtsvermuthung 17, 81, 82. Totalverlust im Falle des Art. 807 s. Art. 861.

81. Bodmereikapital und Bodmereiprämie kann auch durch einen Dritten für Rechnung des Bodmereigläubigers gültig versichert werden. Prot. S. 3086. Bei der Versicherung von Bodmereigeldern für Rechnung eines Andern, als des Bodmerei­ gläubigers, ist das Interesse desselben speziell zu bezeichnen. Prot. S. 4276. 82. Der Abs. 2 enthält eine Rechtsvermuthung zu Gunsten des Versicherers. Wenn also z. B. nur das Schiff verbodmet war und untergeht, während die nicht verbodmete Fracht und Ladung gerettet wurde, so haftet der Versicherer traft jener Rechtsvermnthung nur so, als wenn Fracht und Ladung mitverbodmet gewesen wären. Wenn aber das allein verbodmete Schiff von keinem Unfälle betroffen wurde, die nicht verbodmete Fracht und Ladung dagegen verloren ging, so findet diese Vermuthung keine Anwendung, die Bodmereigelder erscheinen vielmehr nur auf's Schiff versichert. Prot. S. 3088, 4277.

Artikel 808. Hat.der Versicherer seine Verpflichtungen erfüllt, so tritt er, insoweit er einen Schaden vergütet hat, dessen Erstattung der Versicherte von einem Dritten zu fordern befugt ist, jedoch unbeschadet der Bestimmungen im zweiten Absätze des Artikels 778. und im zweiten Absätze des Artikels 781., in die Rechte des Versicherten gegen den Dritten. Der Versicherte ist verpflichtet, dem Versicherer, wenn er es verlangt, auf dessen Kosten eine beglaubigte Anerkennungsurkunde über den Eintritt in die Rechte gegen den Dritten zu ertheilen. Der Versicherte ist verantwortlich für jede Handlung, durch welche er jene Rechte beeinträchtigt. Pr. Entw. Art. 342. I. L. Art. 699. — Prot. S. 3103 ff., 4277 ff. — Allg. Versieh. Bed. § 27. Ersatzansprüche 84, 85. Feuerversicherung 83. Gesetzlicher Rechtsübergang 83. Kollisionsrecht 84.

Inhalt. Liber.ierung des Dritten.84, 85. Schuldiger Schädiger 84. Verzicht auf Ersatz 84, 85.

83. Der gesetzliche Uebergang der Rechte kraft Vergütung des Schadens seitens des Ver­ sicherers gilt nur bei der Seeversicherung und findet keine Anwendung auf die Versicherung im .Binnenverkehre, z. B. die Feuerversicherung. RG. XXII. 148. 84. Ueber Kollision der Rechte der Schiffsgläubiger und des Versicherers in Betreff der Ansprüche an den Dritten, welcher den Schaden angerichtet hat, s. Prot. S. 4279, 4280, auch Mako wer, Komm., Anm. 48 b zu Art. 808.

1190

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 808—810.

85. Die Bestimmung des Abs. 3 findet auch dann Anwendung, wenn der Versicherte die Entstehung von Schadensersatzansprüchen gegen Dritte durch ungewöhnliche Vertragsklauseln zum Nachtheile des Versicherers verhindert hat. Wenngleich diese Bestimmung ihrem Wortlaute nach nur den Fall behandelt, daß ein gegen einen Dritten bereits entstandenes Recht von dem Ver­ sicherten beeinträchtigt wird, so ist dieselbe doch auch auf den Fall anzuwenden, daß der Ver­ sicherte die Entstehung eines derartigen Rechtes und folglich dessen Uebergang auf den Versicherer verhindert, also die fraglichen Ansprüche vor deren Uebergang beeinträchtigt, z. B. durch einen Verzicht gegenüber dem ersatzpflichtigen Dritten. RG. IX. 119, 120; Prot. S. 3104.

Artikel 809. Ist eine Forderung versichert, zu deren Deckung eine den Gefahren der See ausgesetzte Sache dient, so ist der Versicherte im Falle eines Schadens verpflichtet, dem Versicherer, nachdem dieser seine Verpflichtungen erfüllt hat, seine Rechte gegen den Schuldner insoweit abzutreten, als der Versicherer Ersatz geleistet hat. Der Versicherte ist nicht verpflichtet, die ihm gegen den Schuldner zu­ stehenden Rechte geltend zu machen, bevor er den Versicherer in Anspruch nimmt. Fehlt fltt Pr. Entw. 1. L. Art. 700. -

tyVfit.

S. 3121 ff./ 4277 ff. -

Allg. Versieh. Bed. § 28.

Anhalt. (Session, Klage auf — 86.

86. Unter welchen Voraussetzungen der zahlende Versicherer Cession der Forderung ver­ langen kann, hierüber s. einen Fall ROHG. XV. 115 f., auch Fuchsberger a. a. O. S. 323. Zweiter Abschnitt.

Anzeigen bei dem Abschlüsse des Vertrages. Artikel 810. Der Versicherungsnehmer ist sowohl im Falle der Versicherung für eigene Rechnung als im Falle der Versicherung für fremde Rechnung verpflichtet, bei dem Abschlüsse des Vertrages dem Versicherer alle ihm bekannten Umstände an­ zuzeigen, welche wegen ihrer Erheblichkeit für die Beurtheilung der von dem Versicherer zu tragenden Gefahr geeignet sind, auf den Entschluß des letzteren, sich auf den Vertrag überhaupt oder unter denselben Bestimmungen einzulassen, Einfluß zu üben. Wenn der Vertrag für den Versicherungsnehmer durch einen Vertreter desselben abgeschlossen wird, so sind auch die dem Vertreter bekannten Umstände anzuzeigen. Pr. Entw. Art. 81t, 617, 623.

I. L. Art. 701. - Prot. T. 3143 ff., 4294 ff., 4419. -

Allg.

Versieh. Bed. § 29ff.

Anhalt. Absichtliche Verheimlichung 87, 88. Anzeigepflicht bei Excedentenvertrag 24, 27, 92. — bei Rückversicherung 24, 27, 92. — überhaupt 87. Ausländische Schiffsparten 89, 90, 91, 113. bonä fides 88. Erheblichkeit 89, 90, 91, 113.

Erkundigungspflicht 88. Excedentenvertrag, Anzeigepflicht bei — 24, 27, 92. Fahrlässige Verheimlichung 87, 88.

laggenreckt 89, 90, 91, 113. rühere Unglücksfälle 89, 90, 91, 113. bjektiv Erhebliches 89, 90, 91, 113. Präjudiz 87. Prämienzahlung 102. Rückversicherung, Anzeigepflicht bei — 24, 27, 92. Unglücksfälle, frühere 89, 90, 91, 113. Verh ältnih zw. Art. 810 u. 813: 98. Versehen 87. Zeitungsnachrichten 87

Elfter Titel. Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt. Art. 810.

1191

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87 Ueber die Nothwendigkeit, das Prinzip der Anzeigepflicht aufzustellen, und über die verschiedenen Theorien und deren Konsequenzen s. Lewis, Versicherungsrecht S. 75—79. Gegenstand der obligatorischen Anzeige sind die thatsächlichen Umstände, welche auf die Größe der vom Versicherer zu übernehmenden Gefahr Einfluß haben. Auch die Umstände, welche der Versicherungsnehmer durch bloße Zeitungsnachrichten, die vielleicht früher auch der Versicherer gelesen hat, in Erfahrung gebracht hat, ist er diesem anzuzeigen verpflichtet. S. Siegemann, Die Rechtsprechung des deutschen Oberhandelsgerichts in Leipzig Bd. II S. 59. Selbstverständlich pflegen die Vertragsbestimmungen den Umfang der Anzeigepflicht im Einzelnen genauer festzusetzen; so z. B. die Allg. Versicherungsbedingungen von 1867 in ihren §§ 29—58. Hierüber s. ausführlichst Voigt, Seevcrsicherungsrecht, 1887, S. 171—299. — Das Präjudiz der Unterlassung s. Art. 812—815 mit den Bem. hierzu. Ob die Anzeige eines dem Versicherungsnehmer bekannten Umstandes wissentlich oder nur aus Versehen unterblieben ist, ist gleichgültig. Prot. S. 3145, 3150; Lewis, Versicherungsrecht S. 89, 90. 88. Nur was der Versicherungsnehmer zur Zeit der Eingehung des Versicherungsvertrages wirklich weiß, ist er anzuzeigen verpflichtet und nicht mehr; er macht sich also einer Verletzung der bona fides mit den Folgen des Art. 812 durch eine Unterlassung von Erkundigungen, auf Grund deren er eine erhebliche Thatsache hätte in Erfahrung bringen können, nicht schuldig. RG. VII. 4; Fuchsbcrger a. a. O. S. 340f.

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89 Die Anzeigepflicht erstreckt sich auch auf Unglücksfälle, welche sich vor der Versicherung und vor dem Beginn der zu übernehmenden Gefahr ereignet haben, und bedarf es einer Anzeige nur dann nicht, wenn das Schiff dadurch nicht gelitten hat, oder wenn die Folgen durch Reparatur vollständig beseitigt worden sind. ROHG. XVI. 60; Fuchsberger a. a. O. S. 342. Eine Verletzung der Anzeigepflicht liegt auch in der Nichtanzeige, daß das zu versichernde Schiff rc. einem schweren Sturme ausgesetzt gewesen ist und eine Nachricht noch nicht darüber eingekommen war, ob die Gefahr ohne Nachtheil überstanden worden ist. Ob.-App.-Ger. Lübeck in der Hamburger Sammt. Bd. III S. 377 ff.; ferner ROHG. XVI. und die dort angeführte ausländische Literatur.

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90 Erheblich ist auch die Verschweigung des Umstandes, daß die Schiffsparten des unter deutscher Flagge segelnden, versicherten Schiffes Ausländern gehörten, weil in Folge dieses Um­ standes das Schiff materiell zur Führung dieser Flagge nicht berechtigt war. RG. VII. 16.

.

91 Die Anzeigepflicht bezieht sich lediglich auf solche Umstände, welche nach vernünftigem Ermessen auf die Schätzung der Gefahr von Einfluß sein können. Hiernach können aber nur objektiv erhebliche Umstände in Betracht kommen, und haben also Beweggründe, die auf bloß subjektive Ansichten und Besorgnisse des einzelnen Versicherers von Einfluß sind, objektiv keine Bedeutung. Vgl. Prot. S. 3146; Brühn, Entsch. des Ob.-App.-Ger. Lübeck in Lübecker Rechts­ sachen Bd. I S. 285; RG. XIII. 109—111 und die dort angeführte englische Literatur.

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92 Auf die obligatorische Generalrückverstcherung sollen nach Ansicht des RG. (Bd. IV S. 17) die Bestimmungen über die Anzeigepflicht des V. Buches 11. Titel 2. Abschn. keine An­ wendung finden, da es sich nicht um einen zwischen den Parteien erst abzuschließenden Rück­ versicherungsvertrag handelt, sondern unmittelbar mit dem Abschlüsse des Versicherungsvertrages zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer auch die Rückversicherung perfekt werde und es mithin einer weiteren Erklärung der Parteien darüber, ob sie den Rückversicherungsvertrag überhaupt oder unter, welchen Bedingungen eingehen wollen, nicht bedürfe. Gegen die Motivierung dieser Entscheidungen wendet sich mir durchschlagendem Hinweis auf die Willensbestimmung des Assekurradeurs Ehrenberg, Rückversicherung S. 90 Anm. 117: Ueber Anzeigepflicht des Rückversicherungsnehmers s. übrigens mich ROHG. X. 380, XXIV. 392, auch unten Bem. 95.

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Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 811. 812.

Artikel 811. Im Falle der Versicherung für fremde Rechnung müssen dem Versicherer bei dem Abschlüsse des Vertrages auch diejenigen Umstände angezeigt werden, welche dem Versicherten selbst oder einem Zwischenbeauftragten bekannt sind. Die Kenntniß des Versicherten oder eines Zwischenbeauftragten kommt jedoch nicht in Betracht, wenn der Umstand denselben so spät bekannt wird, daß sie den Versicherungsnehmer ohne Anwendung außergewöhnlicher Maaßregeln vor Abschluß des Vertrages nicht mehr davon benachrichtigen können. Die Kenntniß des Versicherten kommt auch dann nicht in Betracht, wenn die Versicherung ohne Auftrag und ohne Wissen desselben genommen ist. Feh« im Pr. E»«w. I. S. Art 702. - Pro,. @. 3153 ff, 4307 ff.

- Ailg.

r« sich.

Beil.

F 30 ff

Inhalt. Anzeigepflicht von Mittelspersonen 93. Mittels Personen, Anzeigepflicht von - 93.

1 !

Prämienzahlung 102. Rechtsnachtheil s. Art. 812, auch Art. 815.

93. Bei mehreren beteiligten Zwischenbeauftragten ist sowohl der Versicherer als jede Mittelsperson nur ihrem Nachmann die entsprechenden Miltheilungen zu machen schuldig; der Versicherer kann also nicht verlangen, daß ihm von einer anderen Person direkte Mittheilungen gemacht werden, als von derjenigen, mit welcher er selbst kontrahiert hat. Prot. S. 3155. Artikel 812. Wenn die in den beiden vorstehenden Artikeln bezeichnete Verpflichtung nicht erfüllt wird, so ist der Vertrag für den Versicherer unverbindlich. Diese Vorschrift findet jedoch keine Anwendung, wenn der nicht angezeigte Umstand dem Versicherer bekannt war, oder als ihm bekannt vorausgesetzt werden durfte. Pr. Entw. Art. 617, 1. L. Art. 701 Abs. 2. — Pro«. @. 3153. Einschränkung s. Art. 813. Exc ebentenvertrag 24, 25, 26, 27, 92, 95. Kausalzusammenhang 94, 96, 97. Kenntniß des Versicherers 96, 97 Präjudiz 94. Prämienzahlung 102.

Allg. Versieh. Beil. § 31ff.

Rückversicherung 24, 25, 26, 27, 92, 95. Schaden 94. Schifsahrtsnach richt 97. Verletzung eer Anzeigepflicht 94. Zeitungsnachrichten 97.

94. Jede Verletzung der dem Versicherungsnehmer obliegenden Anzeigepflicht macht den Vertrag für den Versicherer absolut, d. h ohne Rücksicht darauf, ob die Unterlassung oder Un­ richtigkeit der betreffenden Anzeige im konkreten Falle auf den Entschluß des Versicherers ein­ gewirkt hat, unverbindlich (RG. IV. 17, 18; Lewis, Versicherungsrecht S. 77); es ist also un­ erheblich, ob der Schaden seinen Grund gerade in dem verschwiegenen Umstande hatte oder von demselben unabhängig war (Prot. S. 3145), und ob die verschwiegenen Umstände, welche eine Besorgniß rechtfertigten, thatsächlich den schädlichen Erfolg nicht herbeigeführt haben. (NOHG. XVI. 61.) 95. Wenn bei einem sog. Excedentenvertrage *) gewisse Anzeigen stimuliert worden sind, welche der erste Versicherer dem Rückversicherer zu machen hat, so sind diese vertragsmäßigen Be­ stimmungen nach allgemeinen Rechtsgrundsatzen zu beurtheilen, wonach bloße (nicht absichtliche) Unrichtigkeiten in den Anzeigen, ja sogar die gänzliche Unterlassung einer Anzeige nur die Ver*) S. V. Ehrenberg, Rückversicherung S. 32ff.; Voigt- Seebohm, Seeversicherung S. 293 ff.

Elfter Titel. Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt. Art. 812. 813.

1193

pflichtung zum Ersatz des dem anderen Kontrahenten daraus erwachsenen Schadens für den anzeige­ pflichtigen Theil zur Folge hat, woraus aber nicht zu folgern ist, daß für die zu Stande ge­ kommenen einzelnen Rückversicherungsverträge lediglich der Inhalt dieser Anzeigen maßgebend und daher ein davon abweichender Inhalt der wirklich geschlossenen Versicherungen für den Rück­ versicherer unverbindlich sei. RG. IV. 18, 19; s. auch Fuchsberger a. a. O. S. 343 f.; vgl. ferner ROHG. XXIV. 392; Ehrenberg, Rückversicherung S. 29, 30, 90. 96. Art. 812 erklärt das Unterlassen einer den Umständen nach zu machenden Anzeige schon dann in Betreff des Versicherungsnehmers für unpräjudizierlich, „wenn der nicht angezeigte Umstand dem Versicherer bekannt war" (Lewis, Versichernngsrecht S. 74), ohne die Hinzusügung zu machen: „und dieser in dem Zeitpunkte der Vertragsunterhandlnng an den Umstand dachte, resp. sich dessen bewußt war". ROHG. XII. 172. 97. Die bloße Thatsache, daß eine Nachricht in den Schiffahrtsberichten der Zeitungen mitgetheilt worden ist, genügt nicht, um Kenntniß des Versicherers von derselben anzunehmen (ROHG. XVI. 80), und hat das ROHG. auch schon in einer, im Jahre 1871 entschiedenen Sache (s. Bd. II S. 34, 35 der Entsch.) ausgesprochen, wenn die Behauptung des Versicherten, daß dem Versicherer eine ihm nicht angezeigte erhebliche Nachricht zur Zeit des Vcrsicherungsabschlusses bekannt gewesen, nur auf die Thatsache des Lesens der Zeitungsschiffahrtsberichte gestützt worden sei, so müsse dieselbe als unsubstantiiert ohne Berücksichtigung bleiben. 98. Was das Verhältniß der Bestimmung des Art. 813 Abs. 1 zu dem des Art. 810 Abs. 1 anlangt, so sagt eine Entsch. des OLG. Hamburg vom 7. Januar 1887 (Hans. Ger.-Ztg. 1887 S. 134 ff. [136J, mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 299, 300) zutreffend: Art. 813 (konform § 32 der Allg. See-Vers.-Bed.) „ist nicht anders zu lesen, als wenn der Wortlaut dahin ginge: wenn Jemand unrichtiger Weise etwas anzeigt, was für die Beurtheilung der vom Versicherer zu tragenden Gefahr im Sinne des Art. 810 (§ 29 t>er Allg. See-Vers.-Bed.) erheblich ist, oder: was wegen seiner Erheblichkeit für die Beurtheilung der von dem Versicherer zu tragenden Gefahr geeignet ist, auf den Entschluß des letzteren, sich auf den Vertrag überhaupt oder unter denselben Bestimmungen einzulassen, Einfluß zu üben. Es ist aber nicht beabsichtigt, nur auf solche Umstände, welche, wenn dem Versicherungsnehmer beim Abschluß der Versicherung bekannt, nach Art. 810 von ihm angezeigt werden müssen, die in der Unverbindlichkeit der Versicherung bestehende Wirkung einer gemachten unrichtigen Anzeige zu be­ schränken."

Artikel 813. Wird von dem Versicherungsnehmer bei dem Abschlüsse des Vertrages in Bezug auf einen erheblichen Umstand (Artikel 810.) eine unrichtige Anzeige gemacht, so ist der Vertrag für den Versicherer unverbindlich, es sei denn, daß diesem die Unrichtigkeit der Anzeige bekannt war. Diese Bestimmung kommt zur Anwendung ohne Unterschied, ob die Anzeige wissentlich oder aus Irrthum, ob sie mit oder ohne Verschulden unrichtig gemacht ist. Fehlt im Pr. Entw. I. 8. Art. 703. - Prot. S. 3188 ff., 4314. -

ATig. Versieh. Bed. § 32ff.

Inhalt. Eigene Kenntniß des Versicherers 99. Entschuldbarkeit 100. Mangelhafte Anzeige 99. — Deklarierung 99.

Objektive Unrichtigkeit 100. Prämienzahlung 102. Verhältniß zw. Art. 810 u. 813: 98.

99. Eigene Kunde des Versicherers in Betreff eines ihm ungenügend oder unrichtig an­ gegebenen Umstandes macht das Mangelhafte .der Angabe unschädlich.x) S. hierüber ROHG. 1) Diese zu billigende Entscheidung kann als Konsequenz derjenigen Theorie der Anzeige­ pflicht angesehen werden, wonach diese Pflicht nur als ein fül* das Zustandekommen des Ver-

1194

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 813—815.

VIII. 233 f. Ebensowenig wird, wenn der Seeversicherungsvertrag über eine Schiffsladung ohne nähere Angabe der verladenen Waarengattung abgeschlossen, die Verpflichtung des Versicherers da­ durch nicht ausgeschlossen oder gemindert, daß über den Inhalt der Ladung später unrichtige An­ gaben seitens des Versicherungsnehmers gemacht und in die Polize aufgenommen werden — „ab­ gesehen von der durch die Allg. See-Vers.-Bed. vorgeschriebenen Anzeigepflicht für bestimmte Arten von Ladungen". OLG. Hamburg vom 6. November 1885 (Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 28, mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 300). 100. Die Gültigkeit des Versicherungsvertrages hängt von der objektiven Richtigkeit der Anzeige ab, so daß bei Unrichtigkeit derselben der Vertrag unverbindlich ist im Sinne des Art. 813, gleichviel, ob eine Entschuldbarkeit vorliegt oder nicht. RG. X. 159, 160.

Artikel 814. Wird bei einer Versicherung mehrerer Gegenstände oder einer Gesammt­ heit von Gegenständen den Vorschriften der Artikel 810. bis 813. in Ansehung eines Umstandes zuwidergehandelt, welcher nur einen Theil der versicherten Gegenstände betrifft, so bleibt der Vertrag für den Versicherer in Ansehung des übrigen Theils verbindlich. Der Vertrag ist jedoch auch in Ansehung dieses Theils für den Versicherer unverbindlich, wenn erhellt, daß der letztere den­ selben allein unter denselben Bestimmungen nicht versichert haben würde. Fehlt im Pr. Entw. I. L. Art. 704. — Prot. S. 3150 ff., 4314. -

Allg. Versieh. Bed. § 33ff.

Anhalt Motiv der Gesetzgebung 101.

|

Prämienzahlung 102.

101. Das Prinzip der Einheit des Gegenstandes mehrerer zur Versicherung gebrachter verschiedenartiger Interessen oder einer Gesammtheit von Gegenständen erleidet zur Vermeidung von Härten nur bezüglich der Anzeigepflicht eine kleine Modifikation, indem die Nichtanzeige emes Umstandes, welcher nur einen Theil der Gegenstände betrifft, nicht als eine Verletzung der Anzeigepflicht bezüglich des Ganzen, sondern nur bezüglich gerade dieser Theile wirkt, so daß in Ansehung des übrigen Theils der Vertrag für den Versicherer verbindlich bleibt. Allein das Prinzip der Einheit macht sich sofort dann geltend, wenn erhellt, daß der Versicherer diesen übrigen Theil allein unter denselben Bestimmungen nicht versichert haben würde. Prot. S. 3150 ff. Auch alle diese Sätze erscheinen als Konsequenzen der gesetzlich adoptierten Theorie der materiellen Anzeigcpsticht; s. Lewis, Versicherungsrecht S. 74ff. und vorige Anm. zu Bem. 99.

Artikel 815. Dem Versicherer gehört in den Fällen der Artikel 810. bis 814., selbst wenn er die gänzliche oder theilweise Unverbindlichkeit des Vertrages geltend macht, gleichwohl die volle Prämie. Fehlt Im Pr. Entw. I. L. Art. 705. - Prot. S. 3627 ff., 4314. -

Allg. Versieh. Bed. § 34ff.

Anhalt. Glaube, böser 102. — guter 102.

I |

Prämienzahlung 101.

sicherungsvertrages nothwendiges Element und zwar als nur deshalb und soweit nothwendig, weil und als der Versicherer eben die Gefahr kennen soll, die er übernehmen will, — eine Theorie, welche Lewis, Versicherungsrecht S. 76ff. mit Folgerichtigkeit darlegt. Vgl. Malß, Betrach­ tungen a. a. O. (1862) S. 28 ff.; M. Pöhls, Seeassekuranzrecht (1834) II. S. 577.

Elfter Titel. Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt. Art. 815—817.

1195

102. Der Versicherer erhält die volle Prämie (Lewis, Versicherungsrecht S. 76, 77, 175) ohne Rücksicht darauf, ob der Versicherte bei der Verletzung der Anzeigepflicht in gutem oder bösem Glauben gewesen ist. (Prot. S. 3627 ff.) S. aber hierzu Art. 901 mit Art. 899 u. 900.

Dritter Abschnitt.

Verpflichtungen des Berstcherten ans dem Berstcherungsvertrage. Artikel 816. Die Prämie ist, sofern nicht ein Anderes vereinbart ist, sofort nach dem Abschlüsse des Vertrages und, wenn eine Polize verlangt wird, gegen Aus­ lieferung der Polize zu zahlen. Zur Zahlung der Prämie ist der Versicherungsnehmer verpflichtet. Wenn bei der Versicherung für fremde Rechnung der Versicherungsnehmer zahlungsunfähig geworden ist und die Prämie von dem Versicherten noch nicht erhalten hat, so kann der Versicherer auch den Versicherten auf Zahlung der Prämie in Anspruch nehmen. ißt. Entw. Atl. 623. 1. L. Art. 706. - Pro«. @. 3162 ff., 4315 ff., 4120. - AUg. Versieh. Bed. § 5».

s ti e« M. Bringschuld 103, 104. Prämie 103, 104. Prämienschuldner 34, 103.

Versicherungsnehmer 34, 103. Versicherter 34, 103.

103. Der Versicherungsnehmer allein, der für eigene oder fremde Rechnung oder für Rechnung „wen es angeht" versichert (wobei es ganz gleichgültig, ob bei der Versicherung für fremde Rechnung die Person des Versicherten bezeichnet worden ist oder nicht), der aber nur nicht als Mandatar in fremdem Namen kontrahiert haben darf (in diesem Falle würden Art. 298, Art. 52 zur Anwendung kommen), ist Prämienschuldner, nicht der Versicherte (Lewis, Ver­ sicherungsrecht S. 177 ff.). Nur aus Gründen der Billigkeit ist im Falle des Abs. 3 dem Ver­ sicherer ein Prämienanspruch gegen den Versicherten gegeben. S. hierüber Prot. S. 3167, 3171 ff., 3578; Lewis, Versicherungsrecht S. 178, insbes. Anm. 13 ebenda, mit Hinweis aus Allg. Vers.-Bed. § 59 und ein Erk. des Hamburger HGer. vom 12. Oktober 1874, Hamburger Handelsger.-Ztg. 1874 S. 389. 104. Die Prämienschuld ist zunächst als eine Bringschuld zu bezeichnen (Art. 324). Re atz a. a. O. S. 429. Ueber den Geschäftsgebrauch des Einkassierenlassens, welcher gemäß Art. 325 und 279 des HGB. zu beachten ist und die Prämienschuld überall da, wo er besteht und die Polize über die Art der Zahlung nichts bestimmt, zur Holschuld macht, s. Lewis, Versicherungsrecht S. 186; König in Endemann's Hdbch. Bd. III S. 769; K. Malß in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. VI S. 376 ff., Bd. XIII S. 95 ff.; ROHG. Bd. IX S. 375, 386. And. Ans. RG. Bd. XXII S. 51.

Artikel 817. Wird statt der versicherten Reise, bevor die Gefahr für den Versicherer zu laufen begonnen hat, eine andere Reise angetreten, so ist der Versicherer bei der Versicherung von Schiff und Fracht von jeder Haftung frei, bei anderen Versicherungen trägt der Versicherer die Gefahr für die andere Reise nur dann, wenn die Veränderung der Reise weder von dem Versicherten, noch im Auftrage oder mit Genehmigung desselben bewirkt ist.

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Art. 817.

Wird die versicherte Reise verändert, nachdem die Gefahr für den Ver­ sicherer zu laufen begonnen hat, so haftet der Versicherer nicht für die nach der Veränderung der Reise eintretenden Unfälle. Er haftet jedoch für diese Un­ fälle, wenn die Veränderung weder von dem Versicherten, noch im Auftrage ober mit Genehmigung desselben bewirkt, oder wenn sie durch einen Nothfall verursacht ist, es sei denn, daß der letztere in einer Gefahr sich gründet, welche der Versicherer nicht zu tragen hat. Die Reise ist verändert, sobald der Entschluß, dieselbe nach einem anderen Bestimmungshafen zu richten, zur Ausführung gebracht wird, sollten auch die Wege nach beiden Bestimmungshäfen sich noch nicht geschieden haben. Diese Vorschrift gilt sowohl für die Fälle des ersten, als für die Fälle des zweiten Absatzes dieses Artikels. Pr. E»tw. Art. 624.

I. L. Art. 707. — Prot. ®. 3182 ff., 3244 ff., 4317 ff. —

Abweichung, freiwillige 109. Beginn der Gefahr 105. Deviation 106, 109. Entschuldigte Deviation 107. Gefahr, Beginn ders. 105. Gefahrveränderung 108. Gesetzgeberische Motive 108. „Nothfall", Schuld am - 107 Reihenfolge der Zwischenhäfen 109.

AUg. Versieh. Bei. § 60.

Inhalt. Neise, substituierte 105. Schuld am „Nothfall" 107. Verzögerung 109. Weiterreise 106.

105. Was den Beginn des Laufes der Gefahr anlangt, so sind hierfür die Bestimmungen der Art. 827—834 maßgebend. In den Fällen der substituierten Reise haftet der Versicherer für alle nach der Veränderung der Reise eintretenden Unfälle gerade so, wie er bei Ausführung der vertragsmäßigen Reise zu hasten gehabt hätte. Prot. S. 3182 ff., 3244 ff., 4317 ff.; Lewis, Seerecht Bd. II S. 347ff. 106. Eine Weiterreise vom Bestimmungsorte aus mit neuer Ladung von da nach einem in der Polize nicht vorgesehenen weiteren Hafen wird vom RG. (Bd. XIII S. 89) nicht als er­ weiterte versicherte Reise aufgefaßt, sondern als unzulässige Deviation. Ueber Deviation s. auch Art. 818, vgl. Art. 693, 694 und die Bern. 38 hierzu oben S. 1085. Der Begriff Deviation gestaltet sich Übrigens verschieden, je nachdem die „Reise" begrenzt oder bestimmt ist: Bei Ziel­ reisen ist eine Deviation dann anzunehmen, wenn ein anderer, als der im Versicherungsverträge vereinbarte Bestimmungshafen gewählt, oder von dem der versicherten Reise entsprechenden Wege wesentlich abgewichen wird, und zwar sowohl in dem Falle, ^ wenn es sich um das direkte Er­ reichen nur eines bestimmten Hafens handelt, als auch, wenn die Reise fuceessive nach mehreren Orten zu richten ist. — Ein weiterer Raum der Bewegung besteht bei Zeitversicherungen und bei Versicherungen von Zweckreisen. Bei den Zeitversicherungcn pflegen bestimmte geographische Grenzen für die zu gewährleistenden Fahrten der Schiffe festgesetzt zu werden, und wo dies geschehen ist, da ist, wenn es sich um Deviation oder Nicht-Deviation handelt, einfach auf jene Grenzen zu sehen. Ist in gleicher Weise ein fester Bezirk für zu versichernde Zweckreisen vorgeschrieben, so darf auch bei diesen über dessen Grenzen nicht hinausgegangen werden. Sind dagegen bei ihnen nur im Allgemeinen Meeresregionen, welche das zu versichernde Schiff für den zu verfolgenden Zweck befahren darf, angegeben — wie z. B. „nach dem Eismeer, NowajaSemlja re." —, so ist die Versicherung dahin aufzufassen, daß das Schiff die bezeichneten Meere in allen den Theilen berühren dürfe, deren Befahren ordentlicher Weise als unmittelbar oder mittelbar für den bezeichneten Zweck dienlich anzusehen ist. ROHG. IV. 85—87. 107. Anwendung der Bestimmung des zweiten Satzes von Abs. 2 des Art. 817, daß eine Deviation dem Versicherten dann nicht präjudiziert, wenn er nicht selbst sie vornimmt und

Elster Titel. Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt. Art. 817. 818.

1197

sie ihm auch nicht mittelbar zur Last zu bringen ist (Lewis, Versicherungsrecht S. 197ff.), aus einen Fall, in welchem der deviierende Schiffer Mitrheder war. ROHG. IV. 85. Man darf unter „Nothfall" hier nicht jeden schädigenden Zufall verstehen, dessen Abwendung nicht in der Macht des Versicherten gestanden, insbesondere auch nicht jede von anderen Personen verschuldete Nichterfüllung, sondern ein Ereigniß zur See, welches durch die zu Gebote stehenden Kräfte nicht abgewendet werden konnte und nothwendig zur Nichterfüllung einer Zusage (Ver­ änderung der Reise, Deviation k.) führen mußte. Prot. S. 3180; Lewis, Versicherungsrccht S. 202. Ein vom Versicherten verschuldeter Nothsall bietet selbstverständlich keinen Entschuldigungs­ grund für Nichterfüllung von Zusage. Prot. S. 4320—4323.

Artikel 818. Wenn von dem Versicherten oder im Auftrage oder mit Genehmigung desselben der Antritt oder die Vollendung der Reise ungebührlich verzögert, von dem der versicherten Reise entsprechenden Wege abgewichen oder ein Hafen angelaufen wird, dessen Angehung als in der versicherten Reise begriffen nicht erachtet werden tarnt, oder wenn der Versicherte in anderer Weise eine Ver­ größerung oder Veränderung der Gefahr veranlaßt, namentlich eine in dieser Beziehung ertheilte besondere Zusage nicht erfüllt, so haftet der Versicherer nicht für die später sich ereignenden Unfälle. Diese Wirkung tritt jedoch nicht ein: 1) wenn erhellt, daß die Vergrößerung oder Veränderung der Gefahr keinen Einfluß auf den späteren Unfall hat üben können; 2) wenn die Vergrößerung oder Veränderung der Gefahr, nachdem die Gefahr für den Versicherer bereits zu laufen begonnen hat, durch einen Nothfall verursacht ist, es sei denn, daß der letztere in einer Gefahr sich gründet, welche der Versicherer nicht zu tragen hat; 3) wenn der Schiffer zu der Abweichung von dem Wege durch das Gebot der Menschlichkeit genöthigt ist. Pr. Entw. Art. 624.

Versieh, ßed. § 61.

1. L. «rt. 708. - Pro«. 3. 3173 ff., 3186 ff., 3215 ff., 4323. - Allg. Inhalt.

Abweichung, freiwillige 109. Beweis der Unmöglichkeit des Schadens HO. Deviation 109. Gefahr Veränderung 108. Gesetzgeberisches Motiv 108. Menschenleben 112.

Nothfall Hl. Reihenfolge der Zwischenhäfen 109. NettungSpflicht H2. Tragweite des Art. 818 s. Art. 833. Verzögerung 109. Zwischenhäfen, Reihenfolge der — 109.

108. Die beiden Art. 817, 818 beruhen auf dem gemeinsamen Grundgedanken, daß eine Vergrößerung oder Veränderung der Gefahr für den Versicherer von dem Versicherten nicht herbei­ geführt werden darf und daß letzterer, falls es dennoch geschieht, so angesehen werden soll, als ob er die Gefahr selbst übernommen habe. RG. HI. 145. Die einfache Thatsache der Vermehrung der Gefährlichkeit, somit der objektive Thatbestand der erhöhten oder veränderten Gefahr, zieht nicht schon unter allen Umständen eine Aenderung des Vertragsgegenstandes und unter Aufhebung der Versicherung den Verlust der Versicherungs­ ansprüche nach sich, es kann vielmehr eine ohne jedes Zuthun und Wissen des Versicherten ein­ tretende Erhöhung der Gefahr lediglich auf Rechnung des Versicherers gehen. ROHG. V. 120, 299. 109. Die ungebührliche Verzögerung kommt auch bei der Frage, ob Deviation vorliege, in Betracht. RG. XIII. 91. Die Abweichung vom Kurse muß, wenn sie Die in Abs. 1 statuierte Wirkung erzeugen

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Art. 818—820.

soll, eine freiwillige sein; es liegt also keine Deviation vor, wenn das Schiff vom richtigen Wege durch den Wind abgetrieben wird oder wenn der Schiffer behufs Gewinnung des richtigen Weges momentan vom Kurse abweicht. Auch darin liegt keine Abweichung vom Wege, wenn der Schiffer statt des üblichen Weges den im speziellen Falle sicheren Weg wählt. Prot. S. 3188. Bei vertragsmäßig festgesetzter Reihenfolge ider anzulaufenden Zwischenhäfen liegt eine Deviation in dem Anlaufen eines Hafens außer der Reihe. Wann eine solche Reihenfolge als festgestellt anzunehmen ist und ob alle bestimmten Häfen angelaufen werden müssen, so daß also in dem Ueberspringen eines Hafens eine Deviation läge, dies kommt auf den Inhalt des betreffen­ den Vertrages an. Prot. S. 3190. 110. Die Ziff. 1 erfordert den Nachweis, daß die Vergrößerung oder Veränderung der Gefahr keinen Einfluß auf den späteren Unfall hat üben können, es genügt nicht der Beweis, daß sie in Wirklichkeit keinen Einfluß geübt hat. RG. III. 143. 111. Nothfall (Ziff. 2) s. oben Bem. 107, auch Makower, Komm. S. 784; Prot. S. 3180, 4320 ff. 112. Die Ziff. 8 enthält eine Anerkennung der Rettungspflicht. S. ROHG. XXII. 314, 315; Prot. S. 3189. Vgl. Köhler, Jahrb. für Dogmatik Bd. 25 S. 50, 131, 140; Lewis, Versicherungsrecht S. 203.

Artikel 819. Wird bei dem Abschlüsse des Vertrages der Schiffer bezeichnet, so ist in dieser Beziehung allein noch nicht die Zusage enthalten, daß der benannte Schiffer auch die Führung des Schiffs behalten werde. Pr. ©litt». Art. 625. I. 8. Art 709. - Prot. «. 3191 ff., 4323. — Allg. Versieb, -r-ck. § et.

Anhalt. Anzeige, unrichtige 113 Name des Schiffers 113. Person deö Schiffers 113.

Schiffer, Name des — 113. Unrichtige Anzeige 113.

113. Die Frage, ob eine Verletzung der Anzeigepflicht vorliege, wenn der Schiffer be­ zeichnet, die Anzeige aber unrichtig ist, indem der bezeichnete Schiffer auch bei Eingehung des Vertrages das Schiff nicht geführt habe, ist durch Art. 819 nicht berührt; es bleibt die Ent­ scheidung vielmehr dem Richter überlassen, welcher die Umstände jedes einzelnen Falles zu berück­ sichtigen hat. Prot. S. 3192.

Artikel 820. Bei der Versicherung von Gütern haftet der Versicherer für keinen Unfall, wenn und insoweit die Beförderung derselben nicht mit dem zum Transport bestimmten Schiff geschieht. Er haftet jedoch nach Maaßgabe des Vertrages, wenn die Güter, nachdem die Gefahr für ihn bereits zu laufen begonnen hat, ohne Auftrag und ohne Genehmigung des Versicherten in anderer Art als mit dem zum Transport bestimmten Schiff weiter befördert werden, oder wenn dies in Folge eines Unfalls geschieht, es sei denn, daß der letztere in einer Gefahr sich gründet, welche der Versicherer nicht zu tragen hat. Pr. Entw. Ar«. 625. I. L. Art. 710. — Prot. @. 3181, 4323, 4421. - Allg. Versieb. Bed. § 63.

Güter, Identität der — 114.

Anhalt. | Schiff, Identität des 114.

114. Ein wichtiges Moment für die Bezeichnung der Individualität der Güter ist das Schiff, auf welchem sie über See gebracht werden sollen. Es ist dies so wichtig und wesentlich,

Elfter Titel. Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt. Art. 821. 822.

1199

daß dieselben Güter, wenn sie mit einem anderen Schiff versendet werden, als die versicherten Güter rechtlich nicht mehr angesehen werden können. Die Bestimmung des Schiffes bildet also ein Essentiale des Vertrages. S. Prot. S. 3181 f. Hinsichtlich der Tragweite dieses Art. s. Art. 833.

Artikel 821. Bei der Versicherung von Gütern ohne Bezeichnung des Schiffs oder der Schiffe (in unbestimmten oder unbenannten Schiffen) muß der Versicherte, sobald er Nachricht erhält, in welches Schiff versicherte Güter abgeladen sind, diese Nachricht dem Versicherer mittheilen. Im Falle der Nichterfüllung dieser Verpflichtung haftet der Versicherer für keinen Unfall, welcher den abgeladenen Gütern zustößt. Pr. Entw. Art. 626. I. 8. Art. 712. — Pro«. @. 3193 ff., 4323. - Mg. Versieh. Bed. § 64. Anhalt. Bestimmte Waaren 115, 116. Falsche Angabe des Schiffes 116. Güter in unbenannten Schiffen 115, 116.

i I

Perfektion der Versicherung 115, 116. Unrichtige Anzeige 116. Verspätete Angabe des Schiffes 116.

115. Dieser Artikel bezieht sich nur auf solche Fälle, in welchen der Versicherungsvertrag unzweifelhaft perfekt und die Entscheidung, auf welche Güter sich die Versicherung beziehen solle, von dem Willen des Versicherten gar nicht mehr abhängig ist, in denen also in irgend einer Weise, sei es durch Angabe von Marken und Nummer, sei es durch Angabe der Unternehmung, aus deren Anlaß die Abladung statthaben, oder der Zeit, innerhalb welcher dieselbe erfolgen solle, bestimmt ist, und nöthigenfalls richterlich entschieden werden kann, auf welche Güter sich die Ver­ sicherung beziehen solle. Art. 821 hat demnach Anwendung zu leiden, wenn die Versicherung über individuell hinreichend bestimmte Waaren genommen worden, die Schiffe aber, in denen sie ver­ laden werden sollen, vorerst noch unbekannt geblieben sind, ferner dann, wenn die Güter nur durch Angabe der Unternehmung, der Zeit ihrer Abladung bestimmt worden, individuell aber unbestimmt und auch die Schiffe noch unbekannt sind, in denen die Abladung der einzelnen Kolli rc. rc. er­ folgen soll. Prot. S. 3197, 3198. 116. Wenn nach der Versicherung von Gütern in unbestimmten oder unbenannten Schiffen der Versicherte dem Versicherer eine objektiv unrichtige Anzeige betreffs des Schiffes, in welches die Güter abgeladen sind, macht, so „kann dadurch die Versicherung jedenfalls nur unter der Voraussetzung affiziert werden, wenn die Anzeige zu beschaffen war, um auf das Verhalten des Versicherers von Einfluß zu sein". OLG. Hamburg vom 27. März 1886 (Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 177 ff., mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 300). 117. Eine verspätete Anzeige-Erstattung kommt einer gänzlichen Unterlassung derselben gleich; geringfügige Verzögerungen der Anzeige kommen jedoch nicht in Betracht. Bei einer Anzeigeverzögerung ist der Versicherer nicht bloß vom Ersatz der vor Erstattung der Anzeige er­ wachsenen Schäden, sondern auch von dem der nachher entstandenen Beschädigungen und Verluste frei. Prot. S. 3198, 3199.

Artikel 822. Jeder Unfall muß, sobald der Versicherungsnehmer oder der Versicherte, wenn dieser von der Versicherung Kenntniß hat, Nachricht von dem Unfall erhält, dem Versicherer angezeigt werden, widrigenfalls der Versicherer befugt ist, von der Entschädigungssumme den Betrag abzuziehen, um welchen dieselbe bei rechte zeitiger Anzeige sich gemindert hätte. Pr. E«tw. Art. 627 Abs. 1, 629 Abs. 1.

Versieh. Bed. § 65.

1. 8. Art. 712. — Prot. @. 3199 ff., 4323 ff. - Mg.

1200

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 822—824.

Inhalt. Mittelsperson 118. Oeffentliche Kenntniß 119

i |

Unfallanzeige 118. Zeitungsnachrichten 119.

118. Die Anzeigepflicht obliegt dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten, aber keiner anderen Mittelsperson. Prot. S. 3200. 119. Die Bestimmung des Abs. 1 bezieht sich nur auf den Fall, wenn die hier bezeich­ neten Personen selbst Nachricht erhalten haben, sie kann aber nicht auf solche Ereignisse bezogen werden, welche dieselben durch die öffentlichen Blätter oder durch Börsenanschläge rc., also auf eine solche Weise erfahren haben, daß sie ebensowohl dem Versicherer als dem Versicherten rc. selbst bekannt geworden sein können. Prot. S. 3200. Vgl. hierzu ferner Art. 897.

Artikel 823. Der Versicherte ist verpflichtet, wenn ein Unfall sich zuträgt, sowohl für die Rettung der versicherten Sachen, als für die Abwendung größerer Nach­ theile thunlichst zu sorgen. Er hat jedoch, wenn thunlich, über die erforderlichen Maaßregeln vorher mit dem Versicherer Rücksprache zu nehmen. 4421 ff.

Pr. Entw. Art. 627 Abs. 2, 658 Abs. 1 ». 2. I. L. Art. 713. - Prot. S. 3200, 3246, 4324 ff., —

AUg. Vtrsich. Bed. § 66ff. Inhalt.

Maaßregeln deS Versicherers 121. —

verabredete 121.

>

Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns 120.

,

Verwendbarer Schaden 120.

120. Der Versicherte hat so zu handeln, wie ein sorgsamer Kaufmann und beziehungs­ weise wie er im eigenen Interesse gehandelt haben würde, wenn er nicht versichert gewesen wäre. Prot. S. 4426. Er erhält nur für solche Verluste und Schäden Vergütung, welche durch die von seiner Seite angewendete Sorgfalt nicht zu vermeiden waren. ROHG. XXV. 368 ff. Vgl. auch Art. 826 u. 874. 121. Soweit thunlich, ist auch dem Versicherer die Möglichkeit der Einwirkung zur Ver­ minderung des Schadens zu gestatten; die Versicherten sollen, wenn die Versicherer erreichbar sind, nicht einseitig handeln — also auch nicht etwa ohne Weiteres alle beschädigten Waaren, gleichviel wie es mit der Art und dem Umfange der Beschädigung sich verhalten möge, zum Verkauf bringen —, sondern „Dasjenige, was zur Bergung, Erhaltung, Verkauf der geretteten beschädig­ ten Güter am geeignetsten und zweckmäßigsten ist, mit den Versicherern verabreden und verpflichtet sein, dieser Verabredung zu folgen". Also auch die „beschädigten" Güter sollen thunlichst „erhalten" werden, damit sie, wenn möglich, den Bestimmungsort erreichen. NOHG. XXV. 368 ff. Vgl. Köhler, Die Menschenhilfe im Privatrecht, Jahrb. für Dogmatik Bd. 25 (1887) S. 50, 131, 140; Lewis, Versicherungsrecht S. 214, 215.

Vierter Abschnitt.

Umfang der Gefahr. Artikel 824. Der Versicherer tragt alle Gefahren, welchen Schiff oder Ladung während der Dauer der Versicherung ausgesetzt sind, soweit nicht durch die nachfolgenden Bestimmungen oder durch Vertrag ein Anderes bestimmt ist.

Elfter Titel.

Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt.

Art. 824.

1201

Er trägt insbesondere: 1) die Gefahr der Elementarereignisse und der sonstigen Seeunfälle, selbst wenn diese durch das Verschulden eines Dritten veranlaßt sind, als: Eindringen des Seewassers, Strandung, Schiffbruch, Sinken, Feuer, Explosion, Blitz, Erdbeben, Beschädigung durch Eis u. s. w. 2) die Gefahr des Krieges und der Verfügungen von hoher Hand; 3) die Gefahr des auf Antrag eines Dritten verhängten, von dem Ver­ sicherten nicht verschuldeten Arrestes; 4) die Gefahr des Diebstahls, sowie die Gefahr des Seeraubes, der Plünderung und sonstiger Gewaltthätigkeiten; 5) die Gefahr der Verbodmung der versicherten Güter zur Fortsetzung der Reise oder der Verfügung über dieselben durch Verkauf oder durch Verwendung zu gleichem Zweck (Artikel 507. bis 510., 734.); 6) die Gefahr der Unredlichkeit oder des Verschuldens einer Person der Schiffsbesatzung, sofern daraus für den versicherten Gegenstand ein Schaden entsteht; 7) die Gefahr des Zusammenstoßes von Schiffen und zwar ohne Unter­ schied, ob der Versicherte in Folge des Zusammenstoßes unmittelbar oder ob er mittelbar dadurch einen Schaden erleidet, daß er den einem Dritten zugefügten Schaden zu ersetzen hat. Pr. entto. Art. 630. I. S. Art. 714. - Prot.

3216 ff., 3673, 4328 ff. - Attg. Versieh. Bei. § 69.

Inhalt Abhandenkommen 129. Arrest 128. Beginn der Gefahr 123. Bergung deS gesunkenen Schiffes 125. Bodmerei 130. Diebstahl 129. Eigenes Verschulden deS Versicherten 132. Einfrieren 124. Elementarereignisse 124. Explosion 126. Gefahren, Regel 122ff. „insbesondere" 123. Krieg 127. Lootsenzwang 132. Nautische Direktion 131, 132.

Schiffer 131. Schiffsbesatzung 131. — -gemeinschaft 128. Seeraub 129. — -Unfälle 124. Selbstentzündung 126. Sinken 125. Totalverlust beim Sinken 125. Umfang der Gefahr 122 ff. Unverschuldeter Arrest 128. Verfügung von hoher Hand 127.

122. Ueber die Nothwendigkeit der Individualisierung der Gefahr im Versicherungsverträge s. Reatz, Hdbch. Bd. IV. 1. S. 382 ff.; Ehrenberg, Rückversicherung S. 70; Voigjt, See­ versicherung S. 376ff.; Lewis, Versicherungsrecht S. 72, 203. Ueber Seegefahr im weiteren Sinne f. Lewis, Versicherungsrecht S. 66, 67, auch Lewis, Seerecht Bd. II S. 367 ff. Aus­ genommene Gefahren: Wurf, Explosion, Ueberbordspülen, f. Lewis, Versicherungsrecht S. 70, 221, 222; Reatz a. a. O. S. 384. Nach Art. 824 (§ 69 der Allg. Seeversicherungsbedingungen von 1867) gilt der Grund­ satz, daß der der Seeversicherung wie bei allen Transportversicherungen der Versicherer, abgesehen von der eigenthümlichen Natur oder der fehlerhaften Beschaffenheit des transportierten Gegenstandes selbst und abgesehen von einem eigenen Verschulden des Versicherten, alle Gefahren zu tragen hat, welchen Schiff oder Ladung während der Dauer der Versicherung ausgesetzt sind, soweit nicht durch Gesetz oder Vertrag bestimmte Gefahren ausgenommen sind. RG. X. 24; ROHG. XIII. 140; Lewis, Seerecht Bd. II S. 277. Von einer weiteren Beschränkung der Haftpflicht des VerFuchSberger und Gare iS, ADHGB. 76

1202

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 824.

sicherers wurde abgesehen, um durch die allgemeine Fassung des Gesetzes möglichst klar zum Aus­ druck zu bringen, daß auch die außer Acht gelassenen Zufälle dem Versicherer zur Last fallen. S. Prot. S. 3210—3212, 3225—3228, 4228—4230. Jedoch haftet der Versicherer, wenn auch für die Folgen von Seeunfällen, so doch nicht für diejenigen der Seereise. ROHG. XIII. 141. 123. „Es ist nach jetzigem Prozeßrechte zulässig, zu vereinbaren, daß eine Ersatzverbindlich­ keit des Versicherers nur dann eintritt, wenn der Schaden und fein Umfang in näher festgesetzter Weise konstatiert wird." OLG. Hamburg vom 24. Mai 1887 (Hans. Ger.-Ztg. 1887 S. 150 f., mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 301). Beginn der Gefahr s. Art. 827—834. Auch im Falle des Art. 826. 124. Ziff. 1. Elementarereignisse, Seeunfälle. Das Einfrieren gehört wie die widrigen Winde in die Kategorie der regelmäßigen Naturereignisse und ist nicht als ein Seeunfall, sondern als ein gewöhnlicher Zufall der Seefahrt anzusehen. Hieraus folgt die Nichthaftbarkeit der See­ versicherer für die hieraus entstehenden Schäden. Prot. S. 3219. 125. Ist ein Schiff derart gesunken, daß sein Deck 25 bis 20 Fuß unter dem Meeres­ spiegel liegt, so liegt ein Totalverlust vor. Dieser wird weder dadurch ausgeschlossen, daß ein Theil der Waaren geborgen werden kann (vgl. oben Bem. 184, 185 zu Art. 632-, noch dadurch, daß eine Bergnngsgesellschaft sich bereit erklärt, den Versuch zur Hebung des Schiffes wenn mög­ lich zu unternehmen. Der Totalschaden ist in solchem Fall am Tage des Schiffsunterganges ein­ getreten, nicht erst an dem Tage, an welchem die Bergungsarbeiten als aussichtlos aufgegeben werden. „Mit dem Totalverlust des Schiffes und der Andienung des Totalschadens erreicht der Versicherungsvertrag vorbehaltlich der Regulierung des Schadens sein Ende." Einer Kündigung der Polize bedarf es nicht mehr. OLG. Hamburg vom 16. Dezember 1885 (Hans. Ger.-Ztg. 1885 S. 19 f., mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 301). 126. Für Selbstentzündung des versicherten Gegenstandes, als für einen inneren Fehler, ist der Versicherer nicht verantwortlich. Die Selbstentzündung und das Fortglimmen des zuerst in Brand gerathenen Gegenstandes ist ein für die Versicherer unerhebliches Faktum. Erst wenn das Feuer sich über Gegenstände anderer Versicherer verbreitet, tritt das die Versicherer dieser letzteren, mittelbar deren etwaige Rückversicherer, verpflichtende Faktum ein. ROHG. V. 200. 127. Ziff 2. Der Versicherer trägt auch die Gefahr einer durch den Krieg veranlaßten Zollerhöhung. RG. X. 22 ff. Ueber die Begriffe „Krieg" und „Verfügungen von hoher Hand" s. oben Art. 517 Bem. 236, Art. 631 ff. Bem. 179, 181 ff., 196 und die dort angegeb. Literatur. Ueber die Bedeutung der Klausel: „bloß gegen Kriegsgefahr" in See-Affekuranzfällen s. Fr. Meier im Centralorgan N. F. Bd. IX S. 124ff. 128. Ziff. 3. Der Assekuradeur haftet auch für denjenigen Schaden, welchen der Ver­ sicherte durch einen Arrest leidet, der nicht gegen die versicherte Sache, sondern gegen eine andere in derselben Schiffsgemeinschaft befindliche Sache verhängt worden ist. Der Versicherer muß aber auch für die Folgen eines gegen die versicherte Sache selbst erkannten Arrestes einstehen, insofern dieser Arrest von Seiten des Versicherten unverschuldet ist. Prot. S. 3218. 129. Ziff. 4. Das bloße Abhandenkommen einer Sache und die Vermuthung, daß sie gestohlen sei, reicht nicht aus, um Schadensersatz vom Assekuradeur verlangen zu können. Prot. S. 4330. Seeraub s. Gar eis in v. Holtzendorff's Hdbch. des Völkerrechts Bd. II § 109 ff. 130. Ziff. 5. Verbodmung s. RG. XIX. 89 und Voigt, Seeversicherung S. 405, 406. 131. Ziff. 6. Ueber Haftung des Versicherers für einen dem Schiffe in Folge Verschuldens einer Person der Schiffsbesatzung zugefügten Schadens spricht sich eine Entsch. des OLG. Ham­ burg vom 16. März 1886 aus (Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 101 ff., mitgetheilt von H. O. Leh­ mann, in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 300); Fr. Meier: Ist bei einer allgemeinen Versicherung des Schiffes gegen Seegefahr der in Folge einer Widersetzlichkeit und des Verlassens der Mannschaft von dem Kapitän verfügte Verkauf des Schiffes und dadurch veranlaßte Schaden von dem Versicherer zu decken? Centralorgan N. F. Bd. VI S. 19 ff.

Elfter Titel. Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt. Art. 824. 825.

1203

Die Haftung der Versicherer für die Schiffer bezieht sich, außer auf dolose Handlungen der­ selben, nur auf Versehen, welche die Schiffer als nautische Dirigenten begehen. Insofern es Administrationshandlungen sind, welche ein Schiffer in Beziehung auf die Behandlung der An­ gelegenheiten des Schiffes und der Schiffsunternehmung vorzunehmen hat, gilt derselbe als Be­ vollmächtigter des Rheders, und seine Handlungen sind den Versicherern gegenüber so anzusehen, als wären sie Handlungen des Rheders selbst. ROHG. XVIII. 285; s. auch ROHG. XVII. 341 und Hamb. Sammt, der Erk. des Lüb. Ob.-App.-Ger. Bd. II S. 1029; Kierulff a. a. O. Bd. III S. 356. 132. Ziff. 7. Hierüber s. bei Art. 736 ff. Bei einer Zuwiderhandlung gegen den Lootsenzwang seitens des Schiffers (Art. 740) kann sich der Versicherer, da lediglich ein Verschulden des Schiffers, der in dieser Beziehung als nautischer Dirigent handelt, vorliegt, nicht darauf berufen, daß der Versicherer nach § 69 Ziff. 6 der Bedingungen (Art. 824 Ziff. 6) auch die Gefahr der Unredlichkeit oder des Verschuldens der zur Schiffsbesatzung gehörigen Personen zu tragen hat; denn die dort hinzugefügte Einschränkung, „sofern daraus für den versicherten Gegenstand ein Schaden entsteht", erleidet nach Ziff. 7 Art. 824 eine Ausnahme, wenn es sich um einen durch eine Schiffskollision entstandenen Schaden handelt. RG. XIX. 2, 3. Vgl. Voigt, Das deutsche Seeversicherungsrecht S. 406, 438 und Lewis,' Seerecht (2. Aufl.) S. 370, 371. Dagegen wird die Haftung des Versicherers für die nach solcher Vergrößerung der Gefahr sich ereignenden Unfälle nach § 61 der Bedingungen (vgl. Art. 818 HGB.) aufgehoben, wenn der Versicherte selbst oder. der Schiffer im Auftrage oder mit Genehmigung desselben die Vergrößerung der Gefahr veranlaßt hat. RG. XIX. 3. — Nach einer Entsch. des OLG. Hamburg vom 29. März 1886 liegt keine Vergrößerung der seitens des Versicherers übernommenen Gefahr darin, daß der Rheder dem Schiffer Auftrag giebt, in einem Hafen, in welchem Lootsen ausschließlich nach Ermessen des Hafenmeisters den Schiffen gegeben werden, die gegebenen aber als Zwangslootsen zu betrachten sind, um einen Lootsen nicht zu bitten. (Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 135 ff., mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 302).

Artikel 825. Dem Versicherer fallen die nachstehend bezeichneten Schäden nicht zur Last: 1) bei der Versicherung von Schiff oder Fracht: der Schaden, welcher daraus entsteht, daß das Schiff in einem nicht seetüchtigen Zustande oder nicht gehörig ausgerüstet oder bemannt oder ohne die erforderlichen Papiere (Artikel 480.) in See gesandt ist; der Schaden, welcher außer dem Falle des Zusammenstoßes von Schiffen daraus entsteht, daß der Rheder für den durch eine Person der Schiffsbesatzung einem Dritten zugefügten Schaden haften muß (Artikel 451. und 452.); 2) bei einer auf das Schiff sich beziehenden Versicherung: der Schaden an Schiff und Zubehör, welcher nur eine Folge. ber Abnutzung des Schiffs int gewöhnlichen Gebrauch ist; der Schaden an Schiff und Zubehör, welcher nur durch Alter, Fäulniß oder Wurmfraß verursacht wird; 3) bei einer auf Güter oder Fracht sich beziehenden Versicherung der Schaden, welcher durch die natürliche Beschaffenheit der Güter, namentlich durch inneren Verderb, Schwinden, gewöhnliche Leckage ?r>*

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Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 825.

u. dgl., oder durch mangelhafte Verpackung der Güter entsteht oder an diesen durch Ratten oder Mäuse verursacht wird; wenn jedoch die Reise durch einen Unfall, für welchen der Versicherer haftet, ungewöhnlich verzögert wird, so hat der Versicherer den unter dieser Ziffer bezeichneten Schaden in dem Maaße zu ersetzen, in welchem die Verzögerung dessen Ursache ist: 4) der Schaden, welcher in einem Verschulden des Versicherten sich gründet, und bei der Versicherung von Gütern oder imaginairem Gewinn auch der Schaden, welcher durch ein dem Ablader, Empfänger oder Kargadeur in dieser ihrer Eigenschaft zur Last fallendes Ver­ schulden entsteht. Pr. Entw. Art. 631. I. 8. Art. 716. - Prot. «. 3230 ff., 4335 ff., 4414, 4467. - ÄUg. Versieh. Beä. § 70. Alters sch üben 133. Auswandererversicherung 15, 73, 134. BefreiungSktauseln 137. Beweis der Seetüchtigkeit 135. Güterversicherung 13, 69, 70, 71, 133. Kaskoversicherung 13, 69, 70, 71, 133. Passagegeld 15, 73, 134.

Anhalt. Schifföverkauf 136. Seetüchtigkeit, Beweis der — 135. — -untüchtigkeit 133. Ueberfahrtsgeld 15, 73, 134. Verschulden" 137. Wangsvollstreckung in daS Schiff 136.

183. Ziff. 1 des Art. 825 ist auf den Fall der Güterversicherung nicht anwendbar; denn die Sorge für Schiffs-Qualität, Schiffsführung u. s. w., welche Ziff. 1 des Art. 825 dem Versicherungsnehmer aufbürdet, obliegt nicht Demjenigen, welcher eine Versicherung für Güter nimmt; dieser darf sie dem Rheder oder Schiffer überlassen und erwarten, daß letztere ihre Schuldigkeit thun. Wurden vom Verfrachter das Kasko und außerdem die für seine Rechnung verschickten Güter oder Havereigelder versichert, so erhält er bei einem in Folge Seeuntüchtigkeil des Schiffs herbeigeführten Schaden bezüglich der Kaskoversicherung keine Entschädigung, wohl aber rücksichtlich der übrigen Versicherungen; es darf jedoch die Seeuntüchtigkeit des Schiffes nicht von ihm verschuldet sein. RG. VII. 5—8; Fuchsberger a. a. O. S. 353; Prot. S. 4336, 4337. — Den Ersatz von Schaden an der Fracht kann der Versicherer keinesfalls um deswillen ablehnen, weil Altersschäden des Schiffes zu demselben mitgewirkt haben. — Wenngleich nun in Art. 877 vorausgesetzt wird, daß die Reparaturunfähigkeit oder Reparaturunwürdigkeit durch Unfälle, für welche der Versicherer haftet, herbeigeführt ist, so führt doch auch dies nicht weiter, als die Ersatzverbindlichkeil des Versicherers so weit für ausgeschlossen zu erklären, als sich das nach dem Art. 825 begründen läßt. Auch der Art. 822 enthält keine Bestimmung, aus welcher abzuleiten wäre, daß, wenn die Wirkung von Seeunfällen durch Konkurrenz von Alters- und ähnlichen Schäden vergrößert wird, dann für den Frachtverlust überall kein Ersatz geleistet wird. OLG. Hamburg vom 6. November 1885 (Hans. Ger.-Ztg. 1886 S. 30, mitgetheilt von H. O. Leh­ mann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 301—302). 134. Bei einer gewöhnlichen Versicherung auf Ueberfahrts- oder Passagegelder (als einer Art Frachtgelder) macht eine ungenügende Ausrüstung des für den Transport der Passagiere ver­ wendeten Schiffs die Versicherung wirkungslos. Anders ist es jedoch bei Auswanderer-Passage­ geldern, da hier die Versicherung im Interesse der Auswanderer genommen ist (f. Art. 783). S. hierüber ROHG. VII. 398 ff., 400 und die dort angeführte Literatur; ferner ROHG. XVII. 342—.346; auch Fuchsberger a. a. O. S. 355—359; vgl. auch ROHG. XVII. 290. 135. Wenn wähxend der Reise das Schiff sich als untüchtig zeigt, ohne daß äußere Zu­ fälle nachweisbar sind, welche diese Untüchtigkeit möglicherweise herbeigeführt haben könnten, so trifft den Versicherten der Beweis der Seetüchtigkeit des Schiffes. ROHG. VII. 397, XXIII. 23; Seuffert's Archiv Bd. XIX Nr. 266; Ki er ul ff's Sammt. Bd. I S. 1152. 136. Wenn der Rheder dadurch Schaden leibet, daß sein Schiff als Exekutionsobjekt zur

Elfter Titel. Von der Versicherung, gegen, die Gefahren der Seeschiffahrt. Art. 825—827.

1205

Bezahlung von Ansprüchen Dritter aus Versehen des Schiffers rc. verkauft wrrd, so ist ein solcher Schaden nicht als durch eigentliche Gefahren der See entstanden anzusehen. Prot. S. 3221 bis 3223. S. hierüber Reatz in Endemann's Hdbch. Bd. IV. 1. S. 383. 137. Zlff. 4 des Art. 825. Es ist hierunter jedes Verschulden, auch ein leichtes, zu ver­ stehen. So unter ausführlicher Motivierung und reichlicher Literatnrangabe RG. XIV. 119 bis 122. S. auch RG. IX. 120—121. Hier ist ausgeführt, daß die Bestimmung des Art. 825 Ziff. 4 auch auf dasjenige Verschulden Anwendung findet, welches dem Empfänger bezüglich der Aufnahme ungewöhnlicher Befreiungsklauseln beim Abschlüsse des Leichtertransportvertrages zur Last fällt. Vgl. zu Ziff. 4 überhaupt Lewis, Versicherungsrechr S. 210. Der Schadensersatzanspruch aus einem Kasko-Bersicherungsvertrage besteht auch dann, wenn die Beschädigung des versicherten Schiffes durch die Besatzung des im Eigenthum des Versicherers stehenden Schleppers des Schiffes erfolgt ist. LG. Hamburg vom 14. Mai 1887 (Hans. (55er.Ztg. 1887 S. 297 ff., mitgetheilt von H. O. Lehmann in Goldschmidt's Zeitschr. Bd. XXXVI S. 302).

Artikel 826. Die Verpflichtung des Versicherers zum Ersatz des Schadens tritt auch dann ein, wenn dem Versicherten ein Anspruch auf dessen Vergütung gegen den Schiffer oder eine andere Person zusteht. Der Versicherte kann sich wegen Er­ satzes des Schadens zunächst an den Versicherer halten. Er hat jedoch dem Versicherer die zur wirksamen Verfolgung eines solchen Anspruchs etwa er­ forderliche Hülfe zu gewähren, auch für die Sicherstellung des Anspruchs durch Einbehaltung der Fracht, Auswirkung der Beschlagnahme des Schiffs oder in sonst geeigneter Weise auf Kosten des Versicherers die nach den Umständen an­ gemessene Sorge zu tragen (Artikel 823.). Fehlt im Pr. Gntw. I. 8. Art. 714. — Prot. S. 3673 ff., 4333 ff. — Allg. Versieh. Bed. § 71. Inhalt.

Einreden.des Versicherers 138.

| Versicherungsnehmer, Hilfspflicht 138.

138. Auch Derjenige, welcher für fremde Rechnung Versicherung genommen hat, ist seinen Beistand zu gewähren verpflichtet und hat bei Erfüllung dieser Pflicht dasjenige Maß von Sorg­ falt anzuwenden, welches sich aus der Natur des Versicherungsvertrages ergiebt. RG. IX. 121 ff. Der Assekuradeur hat keine Einrede aus dem Verhalten des Versicherten, insbesondere aus der durch den versicherten Ladungsempfänger (welcher den Bodmereibrief eingelöst und behufs Beitreibung der Bodmereiforderung das Schiff hat verkaufen lassen) geschehenen Bezahlung einer dieser vorgehenden Forderung eines anderen Schiffsgläubigers, dessen Forderung in Folge dessen bei der Vertheilung der Kaufgelder des Schiffes nicht geltend gemacht ist. RG. XIX. 89. Ueber das Prinzip des Art. 826 s. Lewis, Versicherungsrecht S. 215ff., 246ff.; RG. Bd. XXIII S. 88.

Artikel 827. Bei der Versicherung des Schiffs für eine Reise beginnt die Gefahr für den Versicherer mit dem Zeitpunkt, in welchem mit der Einnahme der Ladung oder des Ballastes angefangen wird, oder, wenn weder Ladung noch Ballast einzunehmen ist, mit dem Zeitpunkt der Abfahrt des Schiffs. Sie endet mit dem Zeitpunkt, in welchem die Löschung der Ladung oder des Ballastes im Be­ stimmungshafen beendigt ist.

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Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 827. 828.

Wird die Löschung von dem Versicherten ungebührlich verzögert, so endet die Gefahr mit dem Zeitpunkt, in welchem die Löschung beendigt sein würde, falls ein solcher Verzug nicht stattgefunden hätte. Wird vor Beendigung der Löschung für eine neue Reise Ladung oder Ballast eingenommen, so endet die Gefahr mit dem Zeitpunkt, in welchem mit der Einnahme der Ladung oder des Ballastes begonnen wird. Pr. E»tw. Ar«. 635. I. L. Art. 719. - Prot. «. 3241, 3254 ff., 4338 ff., 4467. - Mg. Ter,ich. Bei. F 72.

Inhalt. Auftrag zur Versicherung 139, 142. Reise, folgende 139, 142. — -Verzögerung 140. „unterwegs" 141, 148.

Verschulden des Schiffers 140. Vorliegen des Windes 140. Weiterreise 139, 142. —

-Versicherung 139, 142.

139. In der Polizeklausel, daß das Schiff im Anschluß an das — sich auf eine bestimmte Reise beziehende — Risiko dieser Polize auch für die folgende Reise gegen eine nach Billigkeit zu regulierende Prämie versichert bleiben soll, ist ein perfekter Versicherungsvertrag und nicht nur die Bereiterklärung des Versicherers zur Uebernahme der weiteren Versicherung enthalten. Jene Klausel bildet nicht eine bloße Modalität des Versicherungsvertrages, sondern einen selbständigen Nebenvertrag, zu dessen Abschluß es eines besonderen Auftrages des Versicherten an den von ihm mit der Versicherung Beauftragten bedarf. RG. IV. 46 ff.; s. auch NOHG. IV. 219. 140. Verzögert der Schiffer schuldvoll die Reise, so hat der Assekuradeur die Folgen dieses Verschuldens zu tragen, denn er haftet auch in anderer Beziehung für den durch Versehen des Schiffers herbeigeführten Schaden, z. B. wenn der Schiffer aus Nachlässigkeit guten Wind verliegt und hierdurch ein Nachtheil entsteht. Prot. S. 3243, 4339. 141. Von dem Zeitpunkte an, in welchem mit der Einnahme der Ladung oder des Ballastes angefangen wird, gilt das Schiff als schon „unterwegs"; s. Art. 835. RG. XII. 31. 142. Eine Vergrößerung der Gefahr durch „Weiterreise" braucht der Versicherer nicht anzuerkennen. RG. XIII. 86 ff.

Artikel 828. Sind Güter, imaginairer Gewinn oder die von verschifften Gütern zu ver­ dienende Provision versichert, so beginnt die Gefahr mit dem Zeitpunkt, in welchem die Güter zum Zweck der Einladung in das Schiff oder in die Leichter­ fahrzeuge vom Laude scheiden; sie endet mit dem Zeitpunkt, in welchem die Güter im Bestimmungshafen wieder an das Land gelangen. Wird die Löschung von dem Versicherten oder bei der Versicherung von Gütern oder imaginairem Gewinn von dem Versicherten oder von einer der im Artikel 825. unter Ziffer 4. bezeichneten Personen ungebührlich verzögert, so endet die Gefahr mit dem Zeitpunkt, in welchem die Löschung beendigt sein würde, falls ein solcher Verzug nicht stattgefunden hätte. Bei der Einladung und Ausladung trägt der Versicherer die Gefahr der ortsgebräuchlichen Benutzung von Leichterfahrzeugen. Pr. Glitt». Art. 636.

I. L. Art. 720. - Pr-t. @. 3254, 4339, 4467. - Allg. Versieh. Bei. § 73.

Inhalt. „Ans Land gelangen" 143. Beginn der Seegefahr 143. Einladung 143.

Qu at-Anstalt 143. Seegefahr, Beginn der — 143. „Vom Lande scheiden" 143.

Elfter Titel. Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt. Art. 828. 829.

1207

143. Mit dem Zeitpunkte, in welchem die Güter zum Zwecke der Einladung in das Schiff rc. vom Lande scheiden, beginnen die „Gefahren der Seeschiffahrt", „perils of navigation“; s. RG. IX. 106. S. auch Prot. S. 3254. Es kann aber zweifelhaft sein, in welchem Augen­ blicke das „Scheiden vom Lande" und das „Wieder an das Land Gelangen" stattfindet, ob z. B. in dem Augenblick, in welchem das Faß an die Windenkette des Krahnen befestigt oder durch diese gehoben, oder an dieser niedergelassen wird u. s. w. — Reatz (in Endemann's Hdbch. Bd. IV. 1. S. 401, 402) ist der Ansicht, daß schon die Hebung des Gutes vom Boden, also die Entfernung vom Erdboden m senkrechter Richtung, der Beginn der Emladung (und also auch der Seegefahr­ ist, auch wenn das Gut noch über dem Lande schwebt, während Lewis (Versichernngsrecht S. 96, 97 und Seerecht Bd. II S. 387, 388) die Einladung erst mit dem „über Wasser kommen" beginnen läßt; ebenso läßt Reatz andererselts die Ausladung schon mit der Hebung beginnen, und mit dem Verbringen an das Land, Niederlegen auf dem Lande endigen, während Lewis das Gut für an's Land gelangt hält, wenn es sich über dem Erdboden befindet, nicht erst dann, wenn es auf dem Erdboden niedergelegt ist. Borgt (Bersicherungsrecht S. 480 ff.) will die von der HGB.-Berathungskommission zwar erörterte, aber nicht entschiedene Frage nach den Umständen des besonderen Falles jeweilig entschieden wissen, spricht aber, indem er ausdrücklich hervorhebt, daß nicht ausschließlich darauf zu rechnen sei, ob sich das Schadensereigniß in der Luftsäule des Wassers oder des Landes zugetragen habe, eine Auffassung des Gesetzes aus, welche der von Reatz mindestens nahe kommt. Diese halten auch wir für die richtige. Wenn übrigens der Vertrag nichts Anderes festsetzt, so ist unter dem „vom Lande scheiden" keineswegs die Ablieferung an eine Quai-Anlage, eine Werft, Dockanstalt, Abladungsexpedition oder ein Hulkschiff, wohl aber schon die Hebung behufs Einladung in ein Leichterfahrzeug zu ver­ stehen; die Allg. Versicherungsbedingungen enthalten aber (seit dem 24. Mai 1881) eine in ersterer Richtung in der That abweichende Vertragsbestimmung, indem sie die Ablieferung an eine QuaiAnstalt u. dgl. dem „vom Lande Scheiden" und „in das Land Gelangen" ausdrücklich gleich­ stellen. (Zus. zu § 73; Voigt a. a. O. S. 479.)

Artikel 829. Bei der Versicherung der Fracht beginnt und endet die Gefahr in An­ sehung der Unfälle, welchen das Schiff und dadurch die Fracht ausgesetzt ist, mit demselben Zeitpunkt, in dem die Gefahr bei der Versicherung des Schiffs für dieselbe Reise beginnen und enden würde, in Ansehung der Unfälle, welchen die Güter ausgesetzt sind und dadurch die Fracht ausgesetzt ist, mit demselben Zeit­ punkt, in welchem die Gefahr bei der Versicherung der Güter für dieselbe Reise beginnen und enden würde. Bei der Versicherung von Ueberfahrtsgeldern beginnt und endet die Gefahr mit demselben Zeitpunkt, in welchem die Gefahr bei der Versicherung des Schiffs beginnen und enden würde. Der Versicherer von Fracht- und Ueberfahrtsgeldern haftet für einen Un­ fall, von welchem das Schiff betroffen wird, nur insoweit, als Fracht- oder Ueberfahrtsverträge bereits abgeschlossen sind, und wenn der Rheder Güter für seine Rechnung verschifft, nur insoweit, als dieselben zum Zweck der Einladung in das Schiff oder in die Leichterfahrzeuge bereits vom Lande geschieden sind. Fehlt im Pr. E„«w. I. L. Art. 721. - Pro«. S. 3260 ff., 4339 ff., 4467. — Allg. Versieh. Bei. Inhalt.

Ballast, Zureise in — 144.

I

Zureise in Ballast 144.

§ 74.

1208

Fünftes Buch.

Vom Seehandel.

Art. 829—833.

144. Die Gefahr einer Zureise in Ballast trifft dm Frachtversicherer nur in dem Falle, wenn der diesbezügliche Versicherungsvertrag sich auf die ganze (kombinierte) Reise, also auch auf die Zureise bezieht. RG. VII. 30. lieber große Haverei bei Schissen in Ballast s. I. F. Voigt, Neues Archiv für HR. Bd. II S. 80 ff.

Artikel 830. Bei der Versicherung von Bodmerei- und Havereigeldern beginnt die Gefahr mit dem Zeitpunkt, in welchem die Gelder vorgeschossen sind, oder, wenn der Versicherte selbst die Havereigelder verausgabt hat, mit dem Zeitpunkt, in welchem dieselben verwendet sind; sie endet mit dem Zeitpunkt, in welchem sie bei einer Versicherung .der Gegenstände-, welche verbodmet oder worauf die Havereigelder verwendet sind, enden würde. Fehlt im Pr. Entw. 1. 8. Art. 722. - Prot. @. 3266 ff., 3350 ff., 4341, 4467. - Allg. Versieh. Bei. §75.

Artikel 831. Die begonnene Gefahr läuft für den Versicherer während der bedungenen Zeit oder der versicherten Reise ununterbrochen fort. Der Versicherer trägt insbesondere die Gefahr auch während des Aufenthalts in einem Noth- oder Zwischenhafen und im Falle der Versicherung für die Hin- und Rückreise während ves Aufenthalts des Schiffs in dem Bestimmungshafen der Hinreise. Müssen die Güter einstweilen gelöscht werden oder wird das Schiff zur Reparatur an das Land gebracht, so trägt der Versicherer die Gefahr auch während die Güter oder das Schiff sich am Lande befinden. Fehlt IW Pr. Entw. I. st. Art. 723. - Prot. «. 3271 ff., 4345. - Allg. Versieh. Bei. § 76.

Artikel 832. Wenn nach dem Beginn der Gefahr die versicherte Reise freiwillig oder gezwungen aufgegeben wird, so tritt in Ansehung der Beendigung der Gefahr der Hafen, in welchem die Reise beendigt wird, an die Stelle des Bestimmungs­ hafens. Werden die Güter, nachdem die Reise des Schiffs aufgegeben ist, in anderer Art als mit dem zunr Transport bestimmten Schiff nach dem Be­ stimmungshafen weiter befördert, so läuft in Betreff derselben die begonnene Gefahr fort, auch wenn die Weiterbeförderung ganz oder zum Theil zu Lande geschieht. Der Versicherer trägt in solchen Fällen zugleich die Kosten der früheren Löschung, die Kosten der einstweiligen Lagerung und die Mehrkosten der Weiterbeförderung, auch wenn diese zu Lande erfolgt. Pr. Enlw. Art. 637, 638. I. 8. Art. 724. - Prot. «. 3276 ff., 4345, 4467. - Allg. Versieh. Bei. § 77.

Artikel 833. Die Artikel 831. und 832. gelten nur unbeschadet der in den Artikeln 818. und 820. enthaltenen Vorschriften. Fehlt «W Pr. Entw. I. s. Art. 725. - Pro«. @. 4347. - Allg. Versieh. Bei. § 78.

Elfter Titel. Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt. Art. 834. 835.

1209

Artikel 834. Ist die Dauer der Versicherung nach Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren bestimmt, so wird die Zeit nach dem Kalender und der Tag von Mitter­ nacht zu Mitternacht berechnet. Der Versicherer trägt die Gefahr während des Anfangstages und Schlußtages. Bei der Berechnung der Zeit ist der Ort, wo das Schiff sich befindet, maaßgebend. Pr. entto. Art. 633. I. L. Art. 71". - Prot. 8. 3238 ff., 1337. - Allg. Versieh. Bei. § 78. Inhalt. Tag 145.

146. Im HGB. gilt prinzipiell, daß bei Fristen der Tag im Zweifel als kleinster Zeit­ theil zu nehmen ist. Hierüber s. ROHG. XII. 130.

Artikel 835. Wenn im Falle der Versicherung des Schiffs auf Zeit dasselbe bei dem Ablauf der im Vertrage festgesetzten Bersicherungszeit unterwegs ist, so gilt die Versicherung in Ermangelung einer entgegenstehenden Vereinbarung als ver­ längert bis zur Ankunft des Schiffs int nächsten Bestimmungshafen und, falls in diesem gelöscht wird, bis zur Beendigung der Löschung (Artikel 827.) Der Versicherte ist jedoch befugt, die Verlängerung durch eine dem Versicherer, so lange das Schiff noch nicht unterweges ist, kundzugebende Erklärung auszu­ schließen. Im Falle der Verlängerung hat der Versicherte für die Dauer derselben und, wenn die Verschollenheit des Schiffs eintritt, bis zum Ablauf der Ver­ schollenheitsfrist die vereinbarte Zeitprämie fort zu entrichten. Ist die Verlängerung ausgeschlossen, so kann der Versicherer, wenn die Verschollenheitsfrist über die Versicherungszeit hinausläuft, auf Grund der Ver­ schollenheit nicht in Anspruch genommen werden. Pr. entto. Art. 634. I. fi. Art. 718. — Prot. @. 3239, 3247 ff., 3415 ff., 4338. — Allg. Versieh. Bei. § SO Anhalt. Prämienwerth 147. Rheder, Wissen des — 146. „unterwegs" 141, 148.

„Versicherungsreise" 148. Zeitversicherung 106.

146. Die Verlängerung der Zeitversicherung tritt nicht bloß dann ein, wenn der Ver­ sicherte bei Ablauf der Versicherungszeit über das Schiff keine Nachricht hat bezw. haben kann, es findet die Bestimmung des Art. 835 vielmehr auch dann Anwendung, wenn der Rheder zur kritischen Zeit den Aufenthalt des Schiffes kennt. RG. XII. 30. 147. Die in Art. 835 zunächst zur Sicherung des Rheders gegebene Bestimmung hat doch auch ein wesentliches Interesse für den Versicherer, da dieser mit dem Eintritte der Verlängerung die Prämie erwirbt. (Abs. 1 Satz 2.) 148. Durch die Anführung des Art. 827 ist der gesetzliche Sinn des Wortes „unterwegs" präzisiert. Durch Art. 827 ist der Begriff der Versicherungsreise dahin festgestellt, daß solche mit der Einnahme der Ladung oder des Ballastes beginnt und mit der Löschung endet. RG. XII. 30, 31; Voigt im Neuen Archiv für HR. Bd. IV S. 198 Note d; Lewis, Versicherungsrecht S. 102.

Artikel 836. Bei einer Versicherung nach einem oder dem anderen unter mehreren Häfen ist dem Versicherten gestattet, einen dieser Häfen zu wählen; bei einer Versicherung nach einem und einem anderen oder nach einem und mehreren anderen Häfen ist der Versicherte zum Besuch eines jeden der bezeichneten Höfen befugt. Pr. E»tw. Ar«. 639. 1. L. Art. 726. - Prot. @. 3281 ff., 3352 ff., 4347. — Ättg. Versieh. Bei.

§ St.

Inhalt.

Weiterreise 149.

149. Eine Weiterreise vom Bestimmungshafen aus mit neuer Ladung fällt im Zweifel nicht unter diesen Artikel. RG. XIII. 86 ff.

Artikel 837. Wenn die Versicherung nach mehreren Häfen geschlossen oder dem Ver­ sicherten das Recht vorbehalten ist, mehrere Häfen anzulaufen, so ist dem Ver­ sicherten nur gestattet, die Häfen nach der vereinbarten oder in Ermangelung einer Vereinbarung nach der den Schiffahrtsverhältnissen entsprechenden Reihen­ folge zu besuchen; er ist jedoch zum Besuch aller einzelnen Häfen nicht ver­ pflichtet. Die in der Polize enthaltene Reihenfolge wird, insoweit nicht ein Anderes erhellt, als die vereinbarte angesehen. Fehlt im Pr. Entw. I. 8. Art. 727. - Prot. T. 3286 ff., 4347.

All,,. Versieh. Bei. §§82, 83

Artikel 838. Dem Versicherer fallen zur Last: 1) die Beiträge zur großen Haverei mit Einschluß derjenigen, welche der Versicherte selbst wegen eines von ihm erlittenen Schadens zu tragen hat; die in Gemäßheit der Artikel 637. und 734. nach den Grundsätzen der großen Haverei zu beurtheilenden Beiträge werden den Beiträgen zur großen Haverei gleich geachtet; 2) die Aufopferungen, welche zur großen Haverei gehören würden, wenn das Schiff Güter und zwar andere als Güter des Rhrders an Bord gehabt hätte: 3) die sonstigen zur Rettung, sowie zur Abwendung größerer Nach­ theile nothwendig oder zweckmäßig aufgewendeten Kosten (Artilel 823.), selbst wenn die ergriffenen Maaßregeln erfolglos geblieben sind; 4) die zur Ermittelung und Feststellung des dem Versicherer zur Last fallenden Schadens erforderlichen Kosten, insbesondere die Kasten der Besichtigung, der Abschätzung, des Verkaufs und der Anfertigung der Dispache. P«. Entw. Art. 632. 1. 8- Art. 728. - Prot. @. 3236ff., 3299 ff., 3667, 4349 ff. - Mg. Versieh. Bei•

§§ 84, 85.

Elfter Titelt. Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt. Art. 838. 839.

1211

Anhalt. Nothhafem 151. Schiffe int Ballast 151.

Theilweise Belastung 150.

I |

15(0. Ueber theilweise Belastung des Versicherers mit den Beträgen Ziff. 1—4 siehe Art. 847, 851. Wegfall im Vertrage mit der Klausel: „für behaltene Ankunft", s. Art. 854. Anwendungsgebiet der Art. 838 ff. s. Art. 881 l. Abs. Es: ist aber daran zu erinnern, daß die Bestimmungen der Art. 838 ff: durch Vertrag aus­ geschlossen oder modifiziert werden können; s. z. B. § 84 der Allg. Vers.-Bed. und York and Antwerp Bules; Lewis, Versicherungsrecht S. 24,5. 153. Der Assekuradeur muß auch bei in Ballast gehenden Schiffen die Schäden, welche bei belademen Schiffen große Haverei sein würden, als solche oder als Rettungsaufwand im weiteren Sinne gegen sich gelten lassen, z. B. die Kosten des Aufenthaltes im Nothhafen. Makower, Komm., Anm. 30 zu Art. 838 S. 767. — Ueber Rettungsaufwand vgl. Reatz a. a. O. S. 435 ff.; Lewis, Versicherungsrecht S. 214, 215; auch Köhler, Jahrb. f. Dogmatik Bd. 25 S. 50.

Artikel 839. In Ansehung der Beiträge zur großen Haverei und der nach den Grund­ sätzen der großen Haverei zu beurtheilenden Beiträge bestimmen sich die Ver­ pflichtungen des Versicherers nach der am gehörigen Ort im Jnlande oder im Auslande, im Einklänge mit dem am Ort der Aufmachung geltenden Rechte aufgemachten Dispache. Insbesondere ist der Versicherte, welcher einen zur großen Haverei gehörenden Schaden erlitten hat, nicht berechtigt, von dem Ver­ sicherer mehr als den Betrag zu fordern, zu welchem der Schaden in der Dispache berechnet ist; andererseits haftet der Versicherer für diesen ganzen Betrag, ohne daß namentlich der Versicherungswerth maaßgebend ist.. Auch kann der Versicherte, wenn der Schaden nach dem am Ort der Auf­ machung geltenden Recht als große Haverei nicht anzusehen ist, den Ersatz des Schadens von dem Versicherer nicht aus dem Grunde fordern, weil der Schaden nach einem anderen Rechte, insbesondere nach dem Rechte des Versicherungsorts, große Haverei sei. V». En»w. Art. 670. I. L. Art. 729. — Pro«. ®. 3525 ff., 3511 ff., 4351, 4355 ff. - Mg. Versieh. Bed. §86. Anhalt. Anfechtung der Dispache 153. Auswärtige Dispache 153.

I |

Auswärtige Havereiaufstellung 153. Dispache, Beträge der — 152.

152. Der Versicherer übernimmt nicht die Verpflichtung zum Ersatz derjenigen Beiträge, welche der Versicherte zur großen Haverei zu leisten durch das Gesetz verbunden ist, sondern er hat diejenigen Beiträge zu ersetzen, welche in der ordnungsmäßig aufgemachten Dispache festgestellt sind. RG. III. 26. Maßgebend für die Verbindlichkeit des Versicherers ist lediglich die am Dispachierungsorte aufgemachte Dispache. Prot. S. 3529. S. hierüber noch ROHG. VIII. 289ff.; ferner Fr. Meier: Einige Bemerkungen über die Dispache in See-Affekuranzfällen, siehe Centralorgan N. F. Bd. IX S. 136 ff. Vgl. auch oben die zu Bem. 62 eit. Abhdl. im Neuen Arch. für HR. Bd. IV S. 114 ff. 153. Anspruch auf Vergütung eines Havereigrosse-Schadens auf Grund einer aus­ ländischen Havereigroffe-Feststellung. Einrede der Unrichtigkeit der Feststellung und daß der Ver­ sicherte oder dessen Korrespondent die unrichtige Feststellung schuldvoll nicht verhindert habe. Zurückweisung einer Assekuranzklage'auf Grund dieser Einrede. S. ROHG. XVII.. 185 ff. .

Denn hat der Versicherte erweislich bei Wahrnehmung seiner Rechte ein Versehen begangen, so ist der Versicherer zur Anfechtung der Dispache befugt. Prot. S. 3527.

Artikel 840. Der Versicherer haftet jedoch nicht für die im vorstehenden Artikel er­ wähnten Beiträge, insoweit dieselben in einem Unfall sich gründen, für welchen der Versicherer nach dem Versicherungsverträge nicht haftet. Feh« im Pr. Entw. - 1. L. Art. 729. - Prot. S. 3528 ff. -

Allg. Versieh. Bei. § 87.

Artikel 841. Ist die Dispache von einer durch Gesetz oder Gebrauch dazu berufenen Person aufgemacht, so kann der Versicherer dieselbe wegen Nichtübereinstimmung mit dem am Ort der Aufmachung geltenden Recht und der dadurch bewirkten Benachtheiligung des Versicherten nicht anfechten, es sei denn, daß der Ver­ sicherte durch mangelhafte Wahrnehmung seiner Rechte die Benachtheiligung verschuldet hat. Dem Versicherten liegt jedoch ob, die Ansprüche gegen die zu seinem Nach­ theil Begünstigten dem Versicherer abzutreten. Dagegen ist der Versicherer befugt, in allen Fällen die Dispache dem .Versicherten gegenüber insoweit anzufechten, als ein von dem Versicherten selbst erlittener Schaden, für welchen ihm nach dem am Ort der Aufmachung der Dispache geltenden Rechte eine Vergütung nicht gebührt hätte, gleichwohl als große Haverei behandelt worden ist.Fehlt Iw Pr. Entlv. 1. 8. Art. 730. - Prot. «. 3530 ff., 4341 ff., 4472 ff. —

Allg. Versieh. Bei. §§ 88, 8».

3 » I) o I *. Anfechtung der Dispache 154. OrtSrecht 154.

I |

Recht des DiSpacheortS 154.

154. Im Verhältniß zwischen Versicherer und Versicherten ist anerkannt, daß das an dem gehörigen Dispacheorte geltende Recht — von besonderen Stipulationen abgesehen — darüber entscheidet, welche Schäden als große Haverei zu betrachten sind und in welcher Weise deren Regulierung zu erfolgen hat, 'der-Art, daß die Anwendung eines anderen Rechts zum Vor­ theil des Versicherten vom Versicherer schlechthin, die Anwendung eines anderen Rechts zum Nachtheil des Versicherten vom Versicherer gegenüber den sonstigen Haverei-Interessenten und unter Umständen auch gegenüber dem Versicherten angefochten werden kann. S. hierüber ROHG. VIII. 289 ff. und die dortselbst angeführte reiche Literatur des In- und Auslandes. Vgl. nun auch noch Lewis, Versicherungsrecht S. 244—246; Allg. Vers.-Bed. § 88; Voigt, SeeVersicherungsrecht S. 551 ff. und im Neuen Archiv für HR. Bd. I S. 311 ff. Hinsichtlich einer Analogie zur Rückversicherung s. Lewis, Versicherungsrecht S.' 266 Anm. 18.

Artikel 842. Wegen eines von dem Versicherten erlittenen, zur großen Haverei gehörenden oder nach den Grundsätzen der letzteren zu beurtheilenden Schadens haftet der Versicherer, wenn die Einleitung des die Feststellung und Vertheilung des Schadens bezweckenden ordnungsmäßigen Verfahrens stattgefunden hat, in An­ sehung der Beiträge, welche dem Versicherten zu entrichten sind, nur insoweit,

als der Versicherte die ihm gebührende Vergütung auch im Rechtswege, sofern er diesen füglich betreten konnte, nicht erhalten hat. Fehlt Im Pr. Entw. I. L. Art. 731. - Prot. S. 3532 ff., 4345 ff., 4472 ff. -

Allg. Versieh. Bed. § 90.

Anhalt. Unterlassene Prozetzführung 155, 156, 157.

155. Die Betretung des Rechtsweges ist dann nicht erforderlich, wenn im Voraus schon gewiß ist, daß diese nicht zum Ziele führe, z. B. wenn bei uncivilisierten Völkern m entfernten Weltgegenden der Prozeß zu führen wäre. Prot. S. 4473. Andere Fälle s. Lewis, Seerecht II. S. 413 und bei Art. 843 Bem. 157.

Artikel 843. Ist die Einleitung des Verfahrens ohne Verschulden des Versicherten unterblieben, so kann derselbe den Versicherer wegen des ganzen Schadens nach Maaßgabe des Versicherungsvertrages unmittelbar in Anspruch nehmen. Kehlt im Pr. E»tw. I. L. Art. 731. - Prot. 6. 3532 ff., 1172 ff. -

Allg. Versieh. Bed. § 91.

Inhalt. „Nach Maahgabe 156, 157.

des Versicherungsvertrags" 155, ; 1

Unterlassene Dispacheaufmachung 155, 156, 157.

156. Nach Maßgabe des Versicherungsvertrages, d. h. der Schaden muß in dem betreffen­ den Falle so ersetzt werden, wie wenn gar kein Fall der großen Haverei vorläge. Prot. S. 4473. 157. Wenn die Aufmachung der Dispache zu rechter Zeit und am rechten Orte nicht veranlaßt wird> sondern vom Schiffer aus Pflichtwldrigkeit oder deshalb versäumt wird, weil der­ selbe gar nicht in der Lage ist, die Dispachierung betreiben zu können, z. B. wenn die beitrags­ pflichtigen Gegenstände an verschiedenen Orten geborgen worden, oder Schiffer und Mannschaft verunglückt sind u. s. w., dann soll der Versicherte den Versicherer sogleich in Anspruch nehmen können und Letzterer das Recht nicht haben, zu verlangen, daß der Versicherte erst das Zustande­ kommen einer Dispache abwarte. Prot. S. 3535.

Artikel 844. Der Versicherer haftet für beit Schaden nur bis auf Höhe der Ver­ sicherungssumme. Er hat jedoch die in Artikel 838. unter Ziffer 3. und 4. erwähnten Kosten vollständig zu erstatten, wenngleich die hiernach im Ganzen zu zahlende Ver­ gütung die Versicherungssumme übersteigt. Sind in Folge eines Unfalls solche Kosten bereits aufgewendet, z. B. Loskauss- oder Reklamekosten verausgabt, oder sind zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der durch den Unfall beschädigten Sache bereits Verwendungen geschehen, z. B. zu einem solchen Zwecke Havereigelder verausgabt, oder sind von dem Versicherten Beiträge zur großen Haverei bereits entrichtet, oder ist eine persönliche Verpflichtung des Versicherten zur Entrichtung solcher Beiträge bereits entstanden, und ereignet sich später ein neuer Unfall, so hastet der Ver­ sicherer für den durch den späteren Unfall entstehenden Schaden bis auf Höhe der ganzen Versicherungssumme ohne Rücksicht auf die ihm zur Last fallenden früheren Aufwendungen und Beiträge. Pr. E»tw. Ar«. 611. I. S. Art. 732. - Pros. ®. 3289 ff., 1859 ff. -

AUg. Versieh. Bed. § 92.

Anhalt. Kostenersatz 158, 159. Versicherungssumme 158.

I |

VersicherungSwerth 158.

158. Ueber das Verhältniß zwischen Versicherungssumme und Versicherungswerth s. oben Art. 790 ff., 796 ff. In Betreff der Kostenersatzpflicht, welche neben der Schadensersatzpflicht besteht, siehe Lewis, Versicherungsrecht S. 103, 214, 215; Reatz im Hdbch. a. a. O. S. 435. Vgl. auch Köhler, Menschenhülfe, Jahrb. für Dogmatik Bd. 25 S. 50.

Artikel 845. Der Versicherer ist nach Eintritt eines Unfalls berechtigt, durch Zahlung der vollen Versicherungssumme von allen weiteren Verbindlichkeiten aus dem Versicherungsverträge sich zu befreien, insbesondere von der Verpflichtung, die Kosten zu erstatten, welche zur Rettung, Erhaltung und Wiederherstellung der versicherten Sachen erforderlich sind. War zur Zeit des Eintritts des Unfalls ein Theil der versicherten Sachen der vom Versicherer zu tragenden Gefahr bereits entzogen, so hat der Ver­ sicherer, welcher von dem Rechte dieses Artikels Gebrauch macht, den auf jenen Theil fallenden Theil der Versicherungssumme nicht zu entrichten. Der Versicherer erlangt durch ^Zahlung der Versicherungssumme keinen Anspruch auf die versicherten Sachen. Ungeachtet der Zahlung der Versicherungssumme bleibt der Versicherer zum Ersätze derjenigen Kosten verpflichtet, welche auf die Rettung, Erhaltung oder Wiederherstellung der versicherten Sachen verwendet sind, bevor seine Er­ klärung, von dem Rechte Gebrauch zu machen, dem Versicherten zugegangen ist. Pr. Entw. Art. 658. 1. 8. Art. 757. — Prot. @. 3464 ff., 4399 ff. - AUg. Versieh. Bed. § 93. Inhal«. Erklärung 159.

]

Retlungökosten 158, 159.

159. „Erklärung" f. Art. 846. In Betreff der trotz der Erklärung zu ersetzenden, weil vorher entstandenen, Rettungs­ und ähnlichen Kosten f. Lewis, Versicherungsrecht S. 103; Reatz a. a. O. S. 438ff., auch Köhler, Jahrb. für Dogmatik Bd. 25 S. 50.

Artikel 846. Der Versicherer muß seinen Entschluß, daß er von dem im Artikel 845. bezeichneten Rechte Gebrauch machen wolle, bei Verlust dieses Rechts dem Ver­ sicherten spätestens am dritten Tage nach Ablauf desjenigen Tages erklären, an welchem ihm der Versicherte nicht allein den Unfall unter Bezeichnung der Be­ schaffenheit und unmittelbaren Folgen desselben angezeigt, sondern auch' alle sonstigen auf den Unfall sich beziehenden Umstände mitgetheilt hat, soweit die letzteren dem Versicherten bekannt sind. Pr. Entw. Art. 669. I. L. Art. 758. - Prot. S. 3471, 4408 ff. - AUg. Versieh. Bed. Inhalt. Erklärung 159. . Havereipapiere 160.

I |

Verklarung 160.

§ 9i.

Elfter Titel. Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt

Art. 846—849.

1215

160. Die Gesetzgebung hat, nach längerem Schwanken der Berathungskommission, daraus verzichtet, die Vorlage der Verklarung und der übrigen Havereipapiere obligatorisch zur Voraus­ setzung der Erklärung des Versicherers zu machen, da die Herstellung dieser Papiere in der Regel mehr Zeit beansprucht, die schleunige Abgabe der Erklärung aber erwünscht sein muß. Prot. S. 3471, 4408—4411.

Artikel 847. Im Falle nicht zum vollen Werthe versichert ist, haftet der Versicherer für die im Artikel 838. unter Ziffer 1. bis 4. erwähnten Beiträge, Aufopferungen und Kosten nur nach Verhältniß der Versicherungssumme zum Versicherungswerth. Fehlt in den Gntw. — Prot. S. 4359, 4473. — Allg. Versieh. Bed. Selbstversicherung 61, 161. Theilversicherung 161.

§ 95.

Anhalt. I Versicherungssumme 61, 161. | — -werth 61. 161.

161. Bei der Theilversicherung (vgl. Art. 796 und 885) haftet der Versicherer für jeden Schaden, insbesondere auch für Werthsverminderungen, welche der versicherte Gegenstand durch Belastung mit Havereibeträgen erleidet, nur nach Verhältniß der Versicherungssumme zllm Ver­ sicherungswerth. (Vgl. oben Bem. 61.)

Artikel 848. Die Verpflichtung des Versicherers, einen Schaden zu ersetzen, wird da­ durch nicht wieder aufgehoben oder geändert, daß später in Folge einer Gefahr, welche der Versicherer nicht zu tragen hat, ein neuer Schaden und selbst ein Totalverlust eintritt. Fehlt in d«n E»tw. — P«ot. 8. 4360 ff. — Mlg. Versieh. Bei. § 96.

Artikel 849. Besondere Havereien, wenn sie ohne die Kosten der Ermittelung und Fest­ stellung des Schadens (Artikel 838. Ziffer 4.) drei Prozent des Versicherungs­ werths nicht übersteigen, hat der Versicherer nicht zu ersetzen, wenn sie aber mehr als drei Prozent betragen, ohne Abzug der drei Prozent zu vergüten. Ist das Schiff auf Zeit oder auf mehrere Reisen versichert, so sind die drei Prozent für jede einzelne Reise zu berechnen. Der Begriff der Reise be­ stimmt sich nach der Vorschrift des Artikels 760. Pr. @litte. 'Art. 642 Abs. l «. 3.

Versieh. Bed. § 97.

I. S. Art. 733. - Prot. 8. 3294 ff., 3667, 4361. - AUg. Anhalt.

Berechnung der Franchise 164. Besondere Haverei 162.

i Franchise, gesetzliche 163. | — vertragsmäßige 166.

162. Besondere Havereien s. Art. 709 und Bem. 2 u. 34 ff. hierzu; neben Art. 849 Abs. 1 ist übrigens Art. 850 zu erwägen. 163. Der Bestimmung des Art. 849, d. i. der Statuierung einer sog. Franchise, liegen Zweckmäßigkeitsrücksichten, welche auch bei Berathung des Art. 804 des Code de comm. maß­ gebend waren (s. Lewis, Seerecht II. S. 418 Anm. 2), zu Grunde, indem die Parteien mit den Weitläufigkeiten und Kosten einer oft schwierigen und ergebnißlosen Untersuchung der Schadens­ ursache (ob Unfall oder gewöhnlicher Zufall) in geringfügigen Sachen verschont werden sollen. Prot. S. 3294. Lewis, Versicherungsrecht S. 221, 222.

1216

Fünftes Buch.

Vom Sechandel.

Art. 849—852.

164. Die drei Prozent gesetzlicher Franchise, von der Art. 849 spricht, ebenso aber auch eine nach Art. 851 eventuell zu berücksichtigende vertragsmäßige Franchise, werden von den auf jeder emzelnen Reise eintretenden Havereien, und md)t von allen zusammen berechnet, mag das Schiff auf Zeit oder auf mehrere Reisen versichert fern, und wird unter Reise hier diejenige an­ gesehen, zu welcher das Schiff von Neuem ausgerüstet, oder welche entweder auf Grund eines neuen Frachtvertrages oder nach vollständiger Löschung der Ladung angetreten wird (Art. 760). Prot. S. 3296. Ueber die Berechnung der Franchise s. auch Allg. Vers.-Bedingungen § 97; Bremer Be­ dingungen § 10; Lewis, Seerecht II. S. 418ff.

Artikel 850. Die im Artikel 838. unter Ziff. 1. bis 3. erwähnten Beiträge, Auf­ opferungen und Kosten muß der Versicherer ersetzen, auch wenn sie drei Prozent des Versicherungswerths nicht erreichen. Dieselben kommen jedoch -bei der Er­ mittelung der im Artikel 849. bezeichneten drei Prozent nicht in Berechnung. Pr. Entw. Art. 642 Abs. 4.

Versieh. Bed. § 98.

I. L. Art. 734. - Prot. S. 3296 ff., 3299 ff., 3668, 4361. - Allg,

165. Vgl. Allg. Vers.-Bed. § 98. anderen Prozentsatz s. Art. 851.

Bezüglich der drei Prozente vgl. Art. 849; einen

Artikel 851. Ist vereinbart, daß der Versicherer von bestimmten Prozenten frei sein soll, so kommen die in den Artikeln 849. und 850. enthaltenen Vorschriften mit der Maaßgabe zur Anwendung, daß an Stelle der dort erwähnten drei Prozent die im Vertrage angegebene Anzahl von Prozenten tritt. Pr. Entw. Art. 646. I. 8. Ar«. 735. - Pro«. S. 3320, 4361. - Allg. Versieh. Bei. $ 99.

Inhalt. Berechnung der Franchise 164.

I

Franchise, vertragsmäßige 166.

166. Vertragsmäßige Franchise, Berechnung und Bedeutung s. Bem. 164 und Allg. Vers.-Bed. § 105; Bremer Bed. § 12ff.; Lewis, Seerecht S. 420, 421; Derselbe, Ver­ sicherungsrecht S. 222.

Artikel 852. Ist vereinbart, daß der Versicherer die Kriegsgefahr nicht übernehme, auch die Versicherung rücksichtlich der übrigen Gefahren nur bis zum Eintritt einer Kriegsbelästigung dauern solle — welche Vereinbarung namentlich angenommen wird, wenn der Vertrag mit der Klausel „frei von Kriegsmolest" abgeschlossen ist — so endet die Gefahr für den Versicherer mit dem Zeitpunkt, in welchem die Kriegsgefahr auf di? Reise Einfluß zu üben beginnt, insbesondere also, wenn der Antritt oder die Fortsetzung der Reise durch Kriegsschiffe, Kaper oder Blokade behindert oder zur Vermeidung der Kriegsgefahr aufgeschoben wird, wenn das Schiff aus einem solchen Grunde von seinem Wege abweicht, oder wenn der Schiffer durch Kriegsbelästigung die freie Führung des Schiffs verliert. Pr. Eniw. Art. 644. I. 8. Art. 736. - Prot. ®. 3304 ff., 4361. - AUg. Versieh. Bei. § 100.

Elfter Titel. Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt. Art. 852. 853.

1217

alt. Anhaltung der Güter 172. Blokade, „blocug pacifique“ 170. Kaper 169. Krieg 168, m.

Kriegsgefahr 167, 171. — -malest 167. Unterschied zw. Art. 852 u. 853: 167, 171. Zollerhöhung 173.

167. Die Ablehnung des Risikos der Kriegsgefahr seitens des Versicherers ist in zweierlei Art möglich: entweder so, daß der Versicherer nur die eigentlichen Kriegsgefahren aus dem Be­ reich seiner VersicherungsPflicht ausschließt, und dies pflegt durch die Klausel zu geschehen: „nur für Seegefahr", wovon Art. 853 handelt (s. Bem. 171 ff.), oder so, daß die Versicherung sich nicht erstreckt auf alle diejenigen Gefahren, welche die Folgen eines ausgebrochenen Krieges, soweit ein solcher die Seereise als solche trifft, sein können; hiervon handelt Art. 852 und führt als für diese Willensmeinung namentlich erheblich die Klausel: „frei von Kriegsverlust" an (Lewis, Versicherungsrecht S. 70, 71; Reatz tut Hdbch. Bd. IV. 1. S. 384, 385); tut letzteren Falle ist präsumptiv gemeint, daß die Versicherung gegen Kriegsgefahr gar nicht, gegen die übrigen Ge­ fahren nur bis zum Eintritt einer Kriegsbelästigung bestehen solle; aber nicht jeder gegen die ver­ sicherte Sache gerichteter, ihr schädlich gewordener kriegerischer Akt des Feindes ist eine Kriegs­ belästigung; eine solche ist es z. B. nicht, wenn ein verfolgendes Kriegsschiff oder eine feindliche Strandbatterie mit ihren Schüssen das versicherte Schiff beschädigt, dieses aber sich dadurch nicht abhalten läßt, seinen Kurs in bisheriger Weise fortzusetzen. Kriegsmolest wird ein Kriegsereigniß nur durch seine Einwirkung auf die Reise. Prot. S. 3306. 168. Ueber Krieg und Kriegsgefahr s. Lueder in v. Holtzendorff's Hdbch. des Völker­ rechts Bd. IV S. 175 ff.; über die Wirkungen des Kriegsausbruchs auf den Handelsverkehr und den zwischen den Angehörigen der feindlichen Staaten bestehenden Verkehr überhaupt Derselbe ebenda S. 358ff.; über den Handelsverkehr der Neutralen Geffken ebenda Bd. IV S. 709ff.; A. Ri vier, Lehrbuch des Völkerrechts S. 360 ff., 429 ff.; Gareis, Institutionen des Völker­ rechts (1888) S. 189, 208 ff., 217 ff. 169. Kaper s. Perels, Das internationale öffentliche Seerecht, 1882, S. 182—192; Geffken a. a. O. S. 557ff.; A. Rivier a. a. O. S. 379ff.; Gareis a. a. O. S. 200. 170. Unter Blokade darf wohl auch der sog. blocus pacifique, die Friedensblokade, ver­ standen werden; s. v. Bulmerincq in v. Holtzendorff's Hdbch. des Völkerrechts Bd. IV S. 116 ff.; A. Rivier a. a. O. S. 358, 359; Gareis a. a. O. S. 189. Blokade (int Kriege) siehe Geffken a. a.O. S. 745ff.; A. Rivier a. a. O. S.391 ff., 437ff.; Gareis a. a.O.