Corporate Restructuring in Deutschland: Eine Analyse der Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit US-amerikanischer Konzepte wertsteigernder Unternehmensrestrukturierungen auf Deutschland [1 ed.] 9783896449078, 9783896731913

Ziel der Arbeit ist es, durch theoretisch fundierte Überlegungen, das Gegenüberstellen verschiedener Instrumente des Cor

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Corporate Restructuring in Deutschland: Eine Analyse der Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit US-amerikanischer Konzepte wertsteigernder Unternehmensrestrukturierungen auf Deutschland [1 ed.]
 9783896449078, 9783896731913

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Entrepreneurial and Financial Studies

Hrsg.: Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner Prof. Dr. Christoph Kaserer

Ann-Kristin Achleitner Simon Wahl

Corporate Restructuring in Deutschland

Verlag Wissenschaft & Praxis

Corporate Restructuring in Deutschland

Gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung

Entrepreneurial and Financial Studies

Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner Prof. Dr. Christoph Kaserer

Band 2

Entrepreneurial and Financial Studies

Ann-Kristin Achleitner Simon Wahl

Corporate Restructuring in Deutschland Eine Analyse der Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit US-amerikanischer Konzepte wertsteigernder Unternehmensrestrukturierungen auf Deutschland

Verlag Wissenschaft & Praxis

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 3-89673-191-2 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2003 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

I

Vorwort Lange Zeit war das Geschehen an den internationalen Kapitalmärkten geprägt von aufmerksamkeitserregenden Mergers & Acquisitions-Transaktionen. In der Großzahl der Fälle waren die Ziele von expansiven Verschmelzungen und Übernahmen von Unternehmen die Realisierung operativer und finanzieller Synergieeffekte. Durch eine Diversifikation in neue Geschäftsfelder sollte das Unternehmensrisiko gesenkt und neue Märkte erschlossen werden. Es herrschte der Konsens vor, dass Unternehmen durch eine expansive Diversifikationsstrategie zusätzlichen Shareholder Value schaffen können. Das Ergebnis einer solchen Strategie waren unüberschaubar große Unternehmen mit einer konglomeraten Struktur. Auch wenn die Anzahl von Mergers & Acquisitions in der Vergangenheit immer zyklischen Schwankungen unterlag, sollte es bis in die achtziger Jahre dauern, bis sich in den USA die Erkenntnis durchsetzte, dass die Größe eines Unternehmens an sich keinen Wert darstellt. Zudem zeigte sich, dass die konglomeraten Unternehmen selten in der Lage waren, sich verändernden Umweltbedingungen anzupassen. Angesichts eines dynamischen, globalisierenden ökonomischen Umfelds bedeutete das gleichzeitige Engagement von Unternehmen in verschiedenen, unverbundenen Geschäftsfeldern nun einen strategischen Nachteil. Zeitlich verzögert zeigte sich dieses Umdenken in den neunziger Jahren auch in Europa. Insbesondere die stark diversifizierten deutschen Industriekonglomerate mussten erkennen, dass ihre damalige Unternehmensstruktur den gegenwärtigen Anforderungen nicht genügte. Anstatt zu einer Unternehmenswertsteigerung beizutragen, führten konglomerate Strukturen häufig zu einer Erhöhung des unternehmerischen Risikos und zu einer Vernichtung von Shareholder Value. Unternehmen in den USA reagierten im Interesse ihrer Anteilseigner umgehend auf das veränderte Unternehmensumfeld und besannen sich auf ihre Kernkompetenzen zurück. Strategisch unbedeutende Unternehmensrandbereiche wurden veräußert oder liquidiert, Tochterunternehmen verselbstständigt und im Rahmen von Neuemissionen an der Börse eingeführt. Durch eine aktive, fokussierende Portfoliooptimierungsstrategie wurden neue Unternehmensstrukturen geschaffen, die von den internationalen Kapitalmärkten honoriert wurden und sich in einer überdurchschnittlich positiven Entwicklung der Aktienkurse dieser Unternehmen widerspiegelten. Angesichts eines globalisierten Wettbewerbsumfelds können sich Unternehmen außerhalb der USA dieser Entwicklung gegenwärtig nicht verschließen und müssen ebenfalls ihre Unternehmensstrukturen modifizieren. Dabei stellt sich die Frage, ob die in den USA zur Anwendung kommenden Instrumente des Corporate Restructuring auch in Deutschland einsetzbar sind bzw. ob sich die Ergebnisse von Corporate-Restructuring-Maßnahmen der USA in Deutschland replizieren lassen. Hier setzt die vorliegende Arbeit an und widmet sich der Frage, ob das sozio-kulturelle und das marktliche und insbesondere das politisch-rechtliche

II Umfeld in Deutschland den Einsatz der gleichen Restrukturierungsinstrumente wie in den USA zulässt, oder ob Anpassungen der Instrumente an nationale Anforderungen notwendig sind, um zusätzliches Wertpotenzial in deutschen Unternehmen zu erschließen. Aufgrund zahlreicher stark diversifizierter Konglomerate mit Kreuzbeteiligungen sowie einer durch die Unternehmenssteuerreform 2001 international unvergleichbaren Situation sollen Unternehmen die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des Corporate Restructuring in Deutschland aufgezeigt werden. Für die großzügige Unterstützung der Untersuchung richtet sich unser größter Dank, nicht zuletzt für die Ermöglichung eines Forschungsaufenthalts in den USA, zunächst an die Fritz Thyssen Stiftung. Ebenfalls großer Dank gebührt unseren Partnern aus Wissenschaft und Praxis in den USA wie in Deutschland, die uns für ein persönliches Gespräch zur Verfügung standen. Hervorzuheben sind Herr Prof. Kenneth Froewiss und Herr Prof. David Yermack (beide New York University), Frau Prof. Karin S. Thorburn (Dartmouth College) und Herr Prof. Thomas Piper (Harvard University). Größter Dank gilt jedoch Herrn Prof. Stuart Gilson (Harvard University), dessen persönliche Unterstützung nicht nur im Rahmen der vorliegenden Untersuchung, sondern auch bei der gleichzeitigen Konzeption einer deutschlandweit einzigartigen Lehrveranstaltung „Corporate Restructuring“ an der Technischen Universität München, äußerst hilfreich und wertvoll war. Für wertvolle inhaltliche Beiträge, kritische Anregungen und gewissenhaftes Korrekturlesen danken wir Frau Dipl.-Kffr. Eva Nathusius, wissenschaftliche Mitarbeiterin am DtA-Stiftungslehrstuhl für Entrepreneurial Finance an der Technischen Universität München, sowie Herrn PD Dr. Alexander Bassen, Privatdozent am selbigen Lehrstuhl, und Herrn Dr. Ronald Engel, damals wissenschaftlicher Mitarbeiter am Stiftungslehrstuhl für Bank- und Finanzmanagement an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL. Dank gilt auch Herrn Dr. Michel Charifzadeh, damals wissenschaftlicher Mitarbeiter am Stiftungslehrstuhl für Bank- und Finanzmanagement an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL, für die Erstellung des primären Untersuchungskonzepts.

Ann-Kristin Achleitner Simon Wahl

München im März 2003

III

Inhaltsverzeichnis

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ................................................................................................VII TABELLENVERZEICHNIS ....................................................................................................VIII ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ..................................................................................................IX

1

EINLEITUNG ......................................................................................................... 1

2

HINTERGRUND DES CORPORATE RESTRUCTURING .......................................... 7 2.1 2.2

3

US-AMERIKANISCHE INSTRUMENTE DES CORPORATE RESTRUCTURING ..... 14 3.1 3.2 3.3

4

Ökonomische Einordnung von Corporate-Restructuring-Überlegungen .. 7 Systematisierung von Corporate-Restructuring-Maßnahmen ................... 8

Systematisierung der Restrukturierungsinstrumente ............................... 14 Unternehmensverkäufe und Unternehmensteilverkäufe (Sell-offs) ........ 17 Unternehmensumwandlungen ................................................................. 22 3.3.1 Equity Carve-outs........................................................................ 22 3.3.2 Joint Ventures.............................................................................. 25 3.3.3 Spin-offs....................................................................................... 28 3.3.4 Split-offs....................................................................................... 30 3.3.5 Split-ups....................................................................................... 32 3.3.6 Tracking Stock............................................................................. 35 3.3.7 Weitere Instrumente des Corporate Restructuring ..................... 43 3.3.8 Kombination von Instrumenten des Corporate Restructuring .... 45

MOTIVE DES CORPORATE RESTRUCTURING ................................................... 47 4.1 4.2

4.3

Systematisierung von Restrukturierungsmotiven .................................... 47 Unfreiwillige Restrukturierungen ............................................................ 49 4.2.1 Staatliche Gewalt ........................................................................ 49 4.2.2 Sonderfall: Kartellrechtliche Auflagen ....................................... 51 4.2.3 Kurzfristige Abwehr feindlicher Übernahmen ............................ 57 Freiwillige wertsteigernde Restrukturierungen ....................................... 58

IV 4.3.1

Systematisierung wertsteigernder freiwilliger Restrukturierung........................................................................... 58 4.3.2 Basismotiv wertsteigernder Restrukturierungsmaßnahmen: Auflösung von Konglomeraten .................................................... 64 4.3.3 Fall I: Proaktive, intrinsisch motivierte Restrukturierungen...... 70 4.3.3.1 Abwendung notwendiger Investitionen ........................ 70 4.3.3.2 Schaffung einer Akquisitionswährung .......................... 71 4.3.3.3 Einführung variabler Vergütungssysteme..................... 73 4.3.3.4 Komplexitätsreduktion .................................................. 77 4.3.3.5 Höhepunkt des Produktlebenszyklus ............................ 77 4.3.4 Fall II: Proaktive, extrinsisch motivierte Restrukturierungen.... 78 4.3.4.1 Erzielung einer effizienten Kapitalmarktbewertung ..... 78 4.3.4.2 Erschließung zusätzlicher Finanzierungsquellen .......... 84 4.3.4.3 Kaufangebot und Realisation von Buchgewinnen ........ 87 4.3.4.4 Langfristige Abwehr feindlicher Übernahmen ............. 89 4.3.5 Fall III: Reaktive, intrinsisch motivierte Restrukturierungen..... 91 4.3.5.1 Auflösung von Dyssynergien ........................................ 91 4.3.5.2 Strategische Neuausrichtung ......................................... 94 4.3.5.3 Steigerung der Rentabilität............................................ 96 4.3.5.4 Steigerung des Gewinns .............................................. 100 4.3.5.5 Beschaffung liquider Mittel ........................................ 102 4.3.5.6 Portfoliobereinigung nach M&A-Transaktionen ........ 105 4.3.5.7 Rückgängigmachung von Entscheidungen ................. 106 4.3.5.8 Planung der Unternehmensnachfolge.......................... 108 4.3.5.9 Ende des Produktlebenszykluses................................. 110 4.3.5.10 Abbau von Überkapazitäten ........................................ 110 4.3.6 Fall VI: Reaktive, extrinsisch motivierte Restrukturierungen... 111 4.3.6.1 Abwendung von Problemen ........................................ 111 4.3.6.2 Steuerersparnisse ......................................................... 113 4.4 Zwischenfazit Restrukturierungsmotive................................................... 114 5

UMFELDBEDINGUNGEN DES CORPORATE RESTRUCTURING ........................ 120 5.1 5.2 5.3

Strategische Unternehmensführung und Corporate Restructuring........ 120 Sozio-kulturelle Umweltfaktoren .......................................................... 123 (Kapital-)Marktliche Umweltfaktoren................................................... 128 5.3.1 Marktteilnehmer ........................................................................ 128 5.3.2 Marktbeschaffenheit .................................................................. 135

V

5.4

5.3.2.1 Corporate Governance................................................. 135 5.3.2.2 Markt für Unternehmenskontrolle............................... 139 5.3.2.3 Blockholding und Pensionsfonds ................................ 142 5.3.2.4 Kapitalmarktkommunikation ...................................... 147 Politisch-rechtliche Umweltfaktoren ..................................................... 150 5.4.1 Gesellschafts- und vertragsrechtliches Umfeld......................... 150 5.4.1.1 Durchführung eines Sell-off oder Minority Sale ........ 150 5.4.1.2 Durchführung einer Unternehmensumwandlung unter Verwendung des Umwandlungsgesetzes ........... 152 5.4.1.2.1 Equity Carve-out (Ausgliederung) .............. 157 5.4.1.2.2 Joint Venture................................................ 160 5.4.1.2.3 Spin-off (Abspaltung).................................. 161 5.4.1.2.4 Split-off........................................................ 163 5.4.1.2.5 Split-up (Aufspaltung) ................................. 165 5.4.1.3 Durchführung einer Unternehmensumwandlung außerhalb des Umwandlungsgesetzes ......................... 167 5.4.1.3.1 Equity Carve-out.......................................... 167 5.4.1.3.2 Joint Venture................................................ 168 5.4.1.3.3 Spin-off ........................................................ 168 5.4.1.3.4 Split-off........................................................ 170 5.4.1.3.5 Split-up......................................................... 171 5.4.1.4 Möglichkeit einer Tracking-Stock-Emission in Deutschland ................................................................. 171 5.4.2 Steuerrechtliches Umfeld .......................................................... 176 5.4.2.1 Sell-off und Minority Sale........................................... 179 5.4.2.2 Equity Carve-out und Subsidiary IPO......................... 185 5.4.2.3 Joint Venture ............................................................... 188 5.4.2.4 Spin-off, Split-off und Split-up ................................... 189 5.4.2.5 Tracking Stock ............................................................ 195 5.4.2.6 Steuerliche Konsequenzen für den Konzernverbund.. 196 5.4.2.7 Bewertung der steuerrechtlichen Unterschiede zwischen den USA und Deutschland .......................... 197 5.4.3 Bilanzrechtliches Umfeld .......................................................... 199 5.4.4 Kartellrecht ............................................................................... 204 5.4.5 Mitbestimmungsrecht ................................................................ 205 5.4.5.1 Sell-off......................................................................... 209 5.4.5.2 Equity Carve-out ......................................................... 210

VI

5.4.6 6

5.4.5.3 Joint Venture ............................................................... 212 5.4.5.4 Spin-off, Split-off und Split-up ................................... 212 5.4.5.5 Tracking Stock ............................................................ 212 Aktien- und Börsenrecht............................................................ 213

ZUSAMMENFASSENDE BETRACHTUNG UND AUSBLICK ................................. 220

VERZEICHNIS DER GESPRÄCHSPARTNER ..............................................................229 LITERATURVERZEICHNIS .......................................................................................230

VII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2-1:

Bereiche des Corporate Restructuring......................................... 10

Abbildung 3-1:

Systematisierung der Instrumente des Corporate Restructuring. 16

Abbildung 3-2:

Verkauf eines bestehenden Tochterunternehmens...................... 19

Abbildung 3-3:

Equity Carve-out einer bestehenden Tochtergesellschaft ........... 25

Abbildung 3-4:

Schaffung eines Equity Joint Venture durch zwei Unternehmen................................................................................ 27

Abbildung 3-5:

Spin-off eines bestehenden Tochterunternehmens...................... 30

Abbildung 3-6:

Split-off eines bestehenden Tochterunternehmens ..................... 32

Abbildung 3-7:

Split-up eines Konzerns mit zwei bestehenden Tochtergesellschaften.................................................................. 35

Abbildung 3-8:

Tracking-Stock-Emission (Tracking Stock Carve-out) eines Unternehmens mit zwei Geschäftsbereichen .............................. 37

Abbildung 4-1:

Systematisierung von Maßnahmen des Corporate Restructuring............................................................................... 48

Abbildung 4-2:

Systematisierung wertsteigernder freiwilliger Restrukturierungsmaßnahmen..................................................... 63

Abbildung 5-1:

Betrachtete Bereiche der Umfeldanalyse .................................. 122

Abbildung 5-2:

Strategischer Investor vs. Finanzinvestor.................................. 132

Abbildung 5-3:

Einflussgrößen auf den Entscheidungswert von Investoren ..... 133

Abbildung 5-4:

Phasen der Spaltung und wesentliche Phaseninhalte im deutschen Recht......................................................................... 156

Abbildung 5-5:

Ausgewählte grundsätzliche steuerliche Überlegungen bei Restrukturierungen .................................................................... 177

Abbildung 5-6:

Möglichkeiten der Steuerfreiheit von Restrukturierungsmaßnahmen................................................... 198

VIII

Tabellenverzeichnis

Tabelle 3-1: Wesentliche Probleme und Lösungsansätze der Rechnungslegung bei Tracking Stocks .............................................................................. 41 Tabelle 4-1: Häufigkeit verschiedener Restrukturierungsmotive in der Vergangenheit..................................................................................... 116 Tabelle 4-2: Geeignetheit verschiedener Restrukturierungsinstrumente bei verschiedenen Restrukturierungsmotiven........................................... 118 Tabelle 5-1: Besteuerung von Veräußerungserlösen nach dem Körperschaftssteuergesetz .................................................................. 183

IX

Abkürzungsverzeichnis

Abk.

Abkürzung

Abs.

Absatz

AG

Aktiengesellschaft

AktG

Aktiengesetz

Aufl.

Auflage

BetrVerfG

Betriebsverfassungsgesetz

BGH

Bundesgerichtshof

Bsp.

Beispiel

bspw.

beispielsweise

ca.

circa

CalPERS

California Public Employees’ Retirement System

DAI

Deutsches Aktieninstitut

DAX

Deutscher Aktienindex

Diss.

Dissertation

EBO

Employee Buy-out

et al.

et alii

etc.

et cetera

EU

Europäische Union

f.

folgende (Seite)

FASB

Financial Accounting Standards Board

ff.

fortfolgende (Seiten)

FKVO

Fussionskontroll-Verordnung (Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen)

Fn.

Fußnote

FTC

Federal Trade Commission

GCCG

German Code of Corporate Governance

GmbH

Gesellschaft mir beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

GwStG

Gewerbesteuergesetz

HGB

Handelsgesetzbuch

hrsg.

herausgegeben

i.e.S.

im engeren Sinne

X i.w.S.

im weiteren Sinne

IAS

International Accounting Standards

IASB

International Accounting Standards Board

ILBO

Interner Leveraged Buy-out

IRC

Internal Revenue Code

IPO

Initial Public Offering

Jg.

Jahrgang

Kap.

Kapitel

KoR

Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung

KStG

Körperschaftssteuergesetz

LBO

Leveraged Buy-Out

M&A

Mergers & Acquisitions

MBI

Management Buy-in

MBO

Management Buy-out

NBER

National Bureau of Economic Research

Par.

Paragraph

PwC

Price Waterhouse Coopers

resp.

respektive

Rz.

Randziffer

S.

Seite (bei Gesetzesangaben: Satz)

SEC

Securities and Exchange Commission

Sec.

Section

SMAX

Small Cap Exchange

TIMES

Telekommunikation, Informationstechnologie, Multimedia, Entertainment, Sicherheitsdienstleistungen

TUFS

Tracked Unit Financial Statement

u.a.

und andere, unter anderem, unter anderen

u.a.O.

und andere Orte

UmwG

Umwandlungsgesetz

UmwStG

Umwandlungssteuergesetz

Univ. Diss.

Universitäts-Dissertation

US-GAAP

US-Generally Accepted Accounting Principles

Vgl./vgl.

Vergleiche/vergleiche

Vol.

Volume

vs.

versus

WiB

Wirtschaftliche Beratung

WISU

Das Wirtschaftsstudium

XI WpHG

Wertpapierhandelsgesetz

WpÜG

Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen

ZfB

Zeitschrift für Betriebswirtschaft

ZfbF

Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis

1 Einleitung

1

1

Einleitung

Lange Zeit wurde ein hoher Diversifikationsgrad1 von Unternehmen als ein geeignetes Mittel gesehen, Skalenerträge und Verbundvorteile zu realisieren und dadurch den Unternehmenswert langfristig zu steigern.2 Insbesondere Anfang und Mitte der sechziger Jahre führten zahlreiche Mergers & Acquisitions (M&A)-Transaktionen in den USA zu einer weiteren Erhöhung der ohnehin schon hohen Diversifikation USamerikanischer Unternehmen in verbundene Geschäftsbereiche, hervorgerufen durch horizontale und vertikale Akquisitionen vorangegangener Merger-Wellen.3 Neben horizontalen und vertikalen Integrationsbestrebungen führten insbesondere die lateralen Akquisitionen von Unternehmen zur Entstehung industrieller Konglomerate, die große Teile ihres Umsatzes in verschiedenen Geschäftsfeldern generierten. Größe an sich wurde als Wert gesehen, den es zu erstreben galt. Bereits Ende der sechziger Jahre wurde jedoch deutlich, dass die diversifizierten Unternehmen die an die lateralen Expansionen hoch gesteckten Erwartungen nicht erfüllen konnten. Es sollte jedoch noch zwanzig Jahre dauern, bis die Vision dieser wertsteigernden „Superconglomerates“ endgültig in Frage gestellt wurde und sich die Erkenntnis durchsetzte, dass die Strategie und Struktur dieser Unternehmen völlig unpassend für die damaligen Bedingungen auf den Produkt- und Kapitalmärkten war.4

1

Diversifikation bedeutet im weitesten Sinne den Eintritt eines Unternehmen in einen Markt, der außerhalb der angestammten industriellen Kategorie liegt, vgl. Weiher (1996), S. 201. Im Zusammenhang mit Corporate-Restructuring-Maßnahmen beschreibt Diversifikation den „Prozess der Expansion eines Unternehmens durch die Aufnahme bzw. das Hinzugewinnen von Eigentumsanteilen, deren Renditen nicht vollständig mit den Renditen der im Unternehmen bereits vorhandenen Teile korreliert sind“, vgl. Charifzadeh (2002), S. 20.

2

Vgl. Martin/Sayrak (2003), S. 40 ff.

3

Vgl. Achleitner (2002), S. 147; Picot (1998), S. 8 ff.; Kleinert/Klodt (2002). Zum Begriff der Mergers & Acquisitions, vgl. Picot (2002), S. 19. Tatsächlich stellen Denis/Denis/Yost (2002) in einer Analyse von über 44.000 US-amerikanischen Unternehmen selbst zwischen 1984 und 1997 erneut eine Zunahme der Diversifikation fest.

4

Vgl. Donaldson (1994), S. 4 f., welcher die Corporate-Restructuring-Aktivität Ende der achtziger Jahre in den USA als unmittelbare Antwort auf die „Decade of Confrontation“ zu Beginn der achtziger Jahre sieht, die durch Inkompetenz, Ineffizienz, Gleichgültigkeit, Verschwendung und Egozentrik des Managements geprägt gewesen sei. Für einen umfassenden Rückblick über die Ergebnisse der Diversifikationsforschung im Zusammenhang mit der Frage, ob Diversifikationsstrategien tatsächlich Wert schaffen oder vernichten, vgl. Martin/Sayrak (2003).

2

1 Einleitung

Die Ursachen eines Großteils der Corporate-Restructuring-Transaktionen der achtziger und neunziger Jahre in den USA sind daher in den siebziger Jahren zu suchen (Diversifikationsbestrebungen), die Auslöser hingegen in den Achtzigern (veränderte Umweltbedingungen).5 In zahlreichen Fällen waren die Akquisitionen zu teuer erkauft worden, als dass durch die Diversifikation in unverbundene Geschäftsbereiche Verbundvorteile realisiert werden konnten. Die Ernüchterung über diese Conglomerate Merger Period führte dazu, dass in den folgenden Jahren mehr als die Hälfte aller Akquisitionen rückgängig gemacht wurden, Geschäftsfelder, die nicht zu den Kerngeschäftsfeldern eines Unternehmens gehörten, wieder veräußert wurden und der Diversifikationsgrad in vielen Unternehmen deutlich zurück geführt wurde.6 Die Entwicklung in Europa und Deutschland verlief ähnlich der in den USA, wenn auch mit deutlicher zeitlicher Verzögerung. Angesichts der an Bedeutung zunehmenden internationalen Kapitalmärkte und der Forderung institutioneller Investoren und Shareholdern nach einer konsequenten Ausrichtung der Unternehmensstrategie an der Steigerung des Shareholder Value wurde die bereits durch die Rücknahme der Diversifikation begonnene Fokussierungsstrategie der späten siebziger und frühen achtziger Jahre weitergeführt, und Ende der achtziger und Beginn der neunziger Jahre die auf die Stärkung der Kernkompetenzen ausgerichtete Unternehmensstrategie umgesetzt.7 Neben dem Verkauf von Unternehmensrandbereichen kamen und kommen hierbei zahlreiche weitere Instrumente zur Anwendung, die zu einer Veränderung der Eigentumsverhältnisse in Unternehmen führten und führen. Diese desinvestiven8 Re-

5

Vgl. Donaldson (1994), S. 9.

6

Vgl. Gaughan (2002), S. 39; Johnson/Scholes (2002), S. 296; Scheiter/Rockenhäuser (2000).

7

Vgl. hierzu u.a. Donaldson (1994), S. 12, welcher die Corporate Agenda der sechziger und siebziger Jahre durch die Interessen von Humankapitalinvestoren dominiert sieht, während in den achtziger Jahren die Interessen der Finanzinvestoren in den Vordergrund rückten. Die Tatsache, dass Denis/Denis/Yost (2002) selbst zwischen 1984-1997 für US-Unternehmen noch eine Zunahme des Diversifikationsgrads belegen und gleichzeitig, wie auch andere Autoren, einen generellen Wertabschlag am Kapitalmarkt für diversifizierte Unternehmen gegenüber fokussierten Unternehmen feststellen, deutet darauf hin, dass sich die Erkenntnis der Steigerung des Shareholder Value durch Fokussierung bei den Unternehmen noch nicht uneingeschränkt durchgesetzt hat.

8

Desinvestition beschreibt im weitesten Sinne die Umkehrung einer Investition. In einer engeren Definition bedeuten Desinvestitionen das Herauslösen eines klar abgrenzbaren, aktiven Unternehmensteils, der sich im Mehrheitsbesitz befindet, aus dem Gesamtgefüge einer Gesellschaft, verbunden mit einer Reduktion des wirtschaftlichen Eigentumsanteils durch Verkauf oder ge-

1 Einleitung

3

strukturierungsinstrumente wie sie hier im Vordergrund stehen, werden unter dem Begriff des Corporate Portfolio Restructuring (kurz: Corporate Restructuring, deutsch: Unternehmensrestrukturierung) zusammengefasst.9 Wird ein Unternehmen im neoinstitutionalistischen Kontext als ein Nexus vertraglicher Beziehungen zwischen zahlreichen verschiedenen Anspruchsgruppen (Stakeholder) gesehen, so steht Restrukturierung für eine Veränderung dieser Vertragsbeziehung: „Restructuring is about recontracting.“10 Während in den siebziger Jahren der Begriff der Unternehmensrestrukturierungen in erster Linie mit krisenbedingten Desinvestitionen, Sanierungen und Rationalisierungen in Verbindung gebracht wurde, hat sich die Einstellung eines Großteils der Stakeholder in den neunziger Jahren dahingehend gewandelt, dass ein aktives Portfoliomanagement nun als ein probates Mittel der strategischen Unternehmensführung gesehen wird. Im Zentrum dieser Strategie steht das Ziel, einen vorhandenen hohen Diversifikationsgrad zurückzuführen bzw. beim Aufbau oder der Akquisition neuer Geschäftsbereiche eine zunehmende Diversifikation zu vermeiden.11 Die Meinung, dass Desinvestitionen als ein Zeugnis eines schlechten Management zu sehen sind, kann nicht aufrecht erhalten werden. Alleine von 1992 bis 1999 stieg das Volumen an Börsengängen von Tochtergesellschaften in Europa um den Faktor zwanzig,12 was neben Konzentrationsbestrebungen der Muttergesellschaften vor allem auch auf das äußerst positive Börsenumfeld zurückzuführen war.

genleistungsfreie Abgabe von Eigentumstiteln an ein oder mehrere Unternehmen oder Investoren. Vgl. zur begrifflichen Definition von Desinvestitionen auch Rechsteiner (1995), S. 17; Löffler (2001), S. 5 f. 9

Vgl. Achleitner (2002), S. 357; Charifzadeh (202), S. 23 ff.; Gaughan (2002), S. 11 f.; Wahl (2003). Neben einer Veränderung des Beteiligungsportfolios eines Unternehmens wird Corporate Restructuring auch oft in Verbindung gebracht mit der Veränderung der Kapitalstruktur in Unternehmen (Financial Restructuring oder Indirect Ownership Restructuring) oder der Reorganisation (Organizational Restructuring). Vgl. hierzu näherungsweise Bowman/Singh (1993), S. 16; Bowman et al. (1999), S. 34 f. Die Begriffe Corporate Restructuring, Unternehmensrestrukturierung und Restrukturierung werden in der vorliegenden Arbeit synonym verwendet. Wesentlich ist die Tatsache, dass in diesem Zusammenhang Restrukturierung bzw. Unternehmensrestrukturierung primär nicht als Synonym für Sanierung oder Rationalisierung stehen.

10

Vgl. Gilson (1998), S. 2. Zu dem neoinstitutionalistischen Unternehmensbild, vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 310 f.

11

Vgl. Weiher (1996), S. 201; Donaldson (1994), S. 10.

12

Vgl. J.P. Morgan (1998), J.P. Morgan (2000). Kaserer/Ahlers (2000) nennen für Deutschland zwischen 1984-1989 vier Börsengänge von Tochtergesellschaften von Konzerngesellschaften, während es im Zeitraum 1990-1997 19 Fälle waren.

4

1 Einleitung

Ein positiver Einfluss des Corporate Restructuring auf den Shareholder Value ist heute nahezu unbestritten. Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten haben sich dem Thema der Unternehmenswertsteigerung durch Desinvestitionen, das heißt dem Verkauf und der Börseneinführung von Tochterunternehmen oder Auf- und Abspaltung von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen, angenommen.13 In empirischen Untersuchungen konnte ebenfalls bestätigt werden, dass die Ankündigungen von Corporate-Restructuring-Maßnahmen positive Reaktionen am Kapitalmarkt mit sich brachten.14 Die zentrale Frage ist daher nicht mehr, ob Corporate-Restructuring-Maßnahmen tatsächlich den Unternehmenswert steigern können und ob Unternehmen überhaupt ihre Struktur verändern sollten (Ob-Entscheidung), sondern welches Restrukturierungsinstrument unter gegebenen Restrukturierungsmotiven und Nebenbedingungen am geeignetsten ist und durch welches Restrukturierungsinstrument eine maximale Steigerung des Shareholder Value erreicht werden kann (Wie-Entscheidung):15 „[The] question of whether restructuring works shifts to a question of which restructuring works best.“16 Insbesondere den steuerlichen Konsequenzen einer CorporateRestructuring-Maßnahme kommt bei der Entscheidung für ein bestimmtes Restrukturierungsinstrument ein großes Gewicht zu. Die quantitativen und qualitativen empirischen Untersuchungen der Vergangenheit beschränkten sich allerdings weitestgehend auf eine Betrachtung von CorporateRestructuring-Maßnahmen US-amerikanischer Unternehmen und gingen bei der

13

Vgl. stellvertretend für Deutschland Rechsteiner (1995); Löffler (2001); Schultze (1998); Kaiser/Stouraitis (1995); Odenthal (1999).

14

Vgl. hierzu beispielhaft die Zusammenstellung empirischer Forschungsergebnisse zu Kapitalmarkt-Überrenditen bei Corporate-Restructuring-Maßnahmen bei Charifzadeh (2002), S. 144 ff. Dieser so genannte Announcement Effect betrug demnach gemittelt gut zweieinhalb Prozent bei den angekündigten Maßnahmen. Kaserer/Ahlers (2000) und Löffler (2001) konnten diese Überrenditen ebenfalls für den deutschen Kapitalmarkt belegen. Die erste Untersuchung dieser Art durch Pellens (1993) ermittelte bei einer relativ kleinen Stichprobe von Börsengängen von Tochtergesellschaften noch negative Überrenditen, wobei das Untersuchungsdesign hierbei hinsichtlich des betrachteten Zeitfensters um den Ankündigungszeitpunkt von den in den USA gebräuchlichen Vorgehensweisen jedoch abwich.

15

Zur grundsätzlichen Planung (Ob?, Wann?, Wie?) von Mergers & Acquisitions, einschließlich Corporate-Restructuring-Transaktionen, vgl. Picot (2002), S. 21 ff.

16

Bowman et al. (1999), S. 34. Zu einem Entscheidungsmodell geeigneter Instrumente des Corporate Restrukturierung und deren Auswirkungen auf den Unternehmenswert, vgl. Charifzadeh (2002).

1 Einleitung

5

Analyse von der grundsätzlichen Übertragbarkeit der dort angewendeten Restrukturierungsinstrumente auf andere Länder aus. Diese Vorgehensweise bedeutet jedoch eine Vernachlässigung der ökonomischen Umwelt eines Unternehmen, deren Berücksichtigung die Theorie der strategischen Unternehmensführung als einen wesentlichen Einflussfaktor für den Erfolg eines Unternehmens sieht. Denn neben den sozio-kulturellen und marktlichen Umweltfaktoren kann gerade das politisch-rechtliche Umfeld eines Unternehmens einen wesentlichen Einfluss auf die Möglichkeiten der Anwendung bestimmter Restrukturierungsinstrumente und der Durchführung bzw. Erfolg von Restrukturierungsmaßnahmen. Für den Grad der Übertragbarkeit US-amerikanischer Restrukturierungsinstrumente auf Deutschland sind insbesondere die durch die Gesetzgebung fixierten Handlungsalternativen und -spielräume von Bedeutung. Der Erfolg einer Unternehmensrestrukturierung, gemessen an der Steigerung des Shareholder Value, ist wiederum im Wesentlichen beeinflusst durch eine sorgfältige Analyse der Unternehmenssituation und der Identifikation existierender und potenzieller Werttreiber bzw. Wertvernichter, sowie der Entscheidung für ein geeignetes Instrument, eventuell vorhandene Wertvernichter zu eliminieren bzw. zusätzliche Wertpotenziale zu erschließen: „Breakups create value because they eliminate value destruction.”17

Die vorliegende Arbeit setzt bei der Frage an, inwieweit sich zusätzliche Wertpotenziale in Unternehmen durch US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring bei den gegebenen Rahmenbedingungen in Deutschland erschließen lassen: Nach einer grundsätzlichen Abgrenzung und Definition des Corporate Restructuring und der Darstellung verschiedener Teilbereiche der Unternehmensrestrukturierung werden die verschiedenen Instrumente des Corporate Restructuring, wie sie in den USA zur Anwendung kamen und kommen, in ihrer Struktur und ihrem Ergebnis dargestellt. Eine tiefergehende Erörterung der einzelnen Motive für CorporateRestructuring-Maßnahmen erfolgt, um ein grundlegendes Verständnis für die Entscheidungssituation bei Restrukturierungsmaßnahmen zu schaffen. Im Anschluss daran wird geprüft, ob - neben den sozio-kulturellen und marktlichen Umweltfaktoren - insbesondere das vertrags- und gesellschaftsrechtliche Umfeld in Deutschland eine Anwendung der US-amerikanischen Instrumente hierzulande zulässt.

17

Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 63.

6

1 Einleitung

Eine Detailbetrachtung der steuerlichen Konsequenzen der verschiedenen Restrukturierungsinstrumente als Entscheidungsgrundlage der Auswahl eines geeigneten Restrukturierungsinstruments schließt die Umfeldanalyse ab. Damit grenzt sich die vorliegende Arbeit von vorherigen Untersuchungen dahingehend ab, dass erstmals die US-amerikanischen Restrukturierungsinstrumente in einen Gesamtzusammenhang mit den grundlegenden Restrukturierungsmotiven sowie den (deutschen) Rahmenbedingungen des Corporate Restructuring gesetzt werden. Die Ergebnisse der Untersuchung finden sich in aggregierter Weise in der Schlussbetrachtung.

2 Hintergrund des Corporate Restructuring

2

Hintergrund des Corporate Restructuring

2.1

Ökonomische Einordnung von Corporate-RestructuringÜberlegungen

7

Corporate-Restructuring-Maßnahmen haben in einer Großzahl der Fälle eine strategische Bedeutung für betreffende Unternehmen. Ziel und Aufgabe der strategischen Unternehmensführung muss es daher sein, die Notwendigkeit einer Unternehmensrestrukturierung zu erkennen, potenzielle Restrukturierungsobjekte (Geschäftsbereiche, Beteiligungen, Tochterunternehmen etc.) zu identifizieren, eine Abwägung verschiedener Restrukturierungskonzepte und -instrumente zu leisten, sowie die Wertsteigerungspotenziale des Corporate Restructuring zu realisieren.18 Dabei wird heute von einer Koevolution von Unternehmen und Umwelt ausgegangen, das heißt, es existiert ein Austauschverhältnis zwischen einem Unternehmen und seiner Umwelt:19 Das Unternehmen muss einerseits die Fähigkeit besitzen, sich an verändernde Umweltbedingungen zu adaptieren und zukünftige Entwicklungen antizipieren zu können. Andererseits versetzt diese antizipative Aufmerksamkeit das Unternehmen in die Lage, durch sein strategisches Handeln Einfluss auf die Entwicklungen des Umfelds nehmen zu können.20 Voraussetzung, um eine Desinvestitionsentscheidung sinnvoll treffen zu können, sind ein Wissen um die gegenwärtige Unternehmenssituation und eine Erwartung hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen und Ereignisse. Die hierfür am häufigsten zur Anwendung kommenden Konzepte und Methoden der strategischen Unternehmensführung zur Erfassung unternehmensexterner und -interner Situationskomponenten und Analyse des makroökonomisches Unternehmensumfelds, der unternehmensspezifischen Wettbewerbssituation und der Unternehmenssituation sind das Lebenszykluskonzept, die Szenarioanalyse, die Cross-Impact-Analyse, die Konkurrenz-

18

Zur Strategie der Portfoliooptimierung in Unternehmen allgemein, vgl. Johnson/Scholes (2002), S. 283 ff.

19

Vgl. Weiher (1996), S. 146; Müller-Stewens/Lechner (2001), S. 113 ff.; Saloner/Shepard/Podolny (2001), S. 119 ff.

20

Zur Strategiegenerierung und -implementierung angesichts einer sich verändernden Unternehmensumwelt, vgl. Saloner/Shepard/Podolny (2001), S. 271 ff., S. 381 ff.

8

2 Hintergrund des Corporate Restructuring

analyse, die Portfoliomethoden (Boston Consulting Group, Arthur D. Little, McKinsey & Co.) und die Potenzialanalyse.21

2.2

Systematisierung von Corporate-Restructuring-Maßnahmen

Es ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung hilfreich, zwischen der Restrukturierungsmaßnahme (Restrukturierungstransaktion allgemein), dem dahinter stehenden Restrukturierungskonzept (Zielsetzung und Organisation einer CorporateRestructuring-Maßnahme) und dem angewandten Restrukturierungsinstrument zu unterscheiden. Die relativ breite Verwendung der Begriffe Corporate Restructuring, Restrukturierung und Unternehmensrestrukturierung verlangt nach einer Systematisierung möglicher Restrukturierungsmaßnahmen. Es kann beispielsweise danach unterschieden werden, • ob die Organisationsstruktur, die Kapitalstruktur oder die Zusammensetzung des Portfolios eines Unternehmens verändert wird, • ob es sich um eine freiwillige oder um eine unfreiwillige Restrukturierungsmaßnahme handelt, • ob die Restrukturierungsmaßnahme durch unternehmensinterne oder unternehmensexterne Stimuli initiiert wird, oder • vor welchem Zeithorizont die Restrukturierungsmaßnahme durchgeführt wird. Voraussetzung für eine Typisierung von Restrukturierungsmaßnahmen ist die Identifikation von Merkmalen oder Kriterien, durch welche die Struktur eines Unternehmens gekennzeichnet ist. DONALDSON definiert eine Struktur allgemein als „a specific, stable relationship among key elements of a particular function or process.“22 Demnach sind Unternehmen durch verschiedene ökonomische Strukturen gekennzeichnet. Restrukturierung bedeutet demnach immer eine zielgerichtete, be-

21

Vgl. stellvertretend die Zusammenstellung von Analyse- und Prognoseverfahren und deren Relevanz für Desinvestitionsentscheidungen in Unternehmen, Weiher (1996), S. 152 ff. Auf eine detaillierte Betrachtung der einzelnen Verfahren wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit verzichtet.

22

Donaldson (1994), S. 7.

2 Hintergrund des Corporate Restructuring

9

wusste Modifikation der Vermögens-, Kapital-, Governance-, Kosten- oder Organisationsstruktur bzw. mehrerer dieser Strukturen, in einem Unternehmen.23 Eine in der wissenschaftlichen Literatur häufig verwendete Systematisierung für Maßnahmen des Corporate Restructuring ist die Differenzierung nach dem Restrukturierungsgegenstand, das heißt, welche Struktur verändert wird. BOWMAN/SINGH unterscheiden hierbei in „Organizational Restructuring“ (Veränderung der Governance- und Organisationsstruktur), „Financial Restructuring“ (Veränderung der Kapitalstruktur) und „Portfolio Restructuring“ (Veränderung der Vermögensstruktur).24 Abbildung 2-1 macht diese Unterscheidung von Maßnahmen des Corporate Restructuring i.w.S. deutlich. Während bei Maßnahmen des Organizational Restructuring primär eine Veränderung der Management- bzw. der internen Governance-Struktur in einem Unternehmen im Vordergrund steht, ist das Ziel von Restrukturierungsmaßnahmen des Financial Restructuring und des Portfolio Restructuring eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse und der tatsächlichen Verteilung von Eigentums- und Kontrollrechten im Unternehmen, weshalb bei Corporate-Restructuring-Maßnahmen dieser Art auch von Ownership Restructuring gesprochen werden kann.25 Im Folgenden liegt der Schwerpunkt auf Maßnahmen des Direct Ownership Restructuring, wobei insbesondere desinvestive Maßnahmen des Portfolio Restructuring, das heißt die Verselbstständigung und Veräußerung von Geschäftsbereichen und Tochtergesellschaften, diskutiert werden. Corporate-Portfolio-Restructuring wird daher als Kernelement des Corporate Restructuring gesehen.26

23

Zu den einzelnen ökonomischen Strukturen in Unternehmen, vgl. Cappelle-Konijnenberg (1995), S. 10 ff.

24

Vgl. Bowman/Singh (1993), S. 16; Bowman et al. (1999), S. 34 f.

25

Löffler (2001), S. 4, sieht neben der Geschäftsfeldstruktur (Portfolio Structure), der Finanzierungsstruktur (Financial Structure) und der Organisationsstruktur (Organizational Structure) die Kontrollstruktur eines Unternehmens als einen eigenständigen Bereich des Corporate Restructuring. Aufgrund der engen Interdependenz zwischen Geschäftsfeld- bzw. Finanzierungsstruktur und der Kontrollstruktur eines Unternehmens wird hier jedoch auf eine separierende Betrachtung verzichtet.

26

Donaldson (1994), S. 7, ist hier anderer Meinung und sieht das Financial Restructuring als konstitutives Element des Corporate Restructuring. Diese andere Sichtweise ist dadurch zu erklären, dass Donaldson die Kapitalallokation in Unternehmen als „strategically passive“ sieht, d.h. die Strategie eines Unternehmens ist nicht durch die Kapitalstruktur definiert, sondern spie-

10

2 Hintergrund des Corporate Restructuring Corporate Restructuring i.w.S.

Management Restructuring Organizational Restructuring •





Reorganisation der • unternehmensinternen Prozessorganisation. • Veränderungen in der unternehmensinternen Organisation. • Bsp.: Schaffung von Management Teams, (De-) Zentralisierungen, Rationalisierungen, Outsourcing.

Ownership Restructuring Financial Restructuring (Indirect Ownership Restructuring)

Portfolio Restructuring (Direct Ownership Restructuring)

Umstrukturierung der • Veränderungen im Beteiligungsportfolio eines Kapitalstruktur eines Konzerns. Unternehmens. Veränderungen des • Selektion der Verhältnisses Eigen- zu Geschäftsbereiche, in denen Fremdkapital. ein Unternehmen selbstständig tätig ist. Bsp.: Kapitalerhöhungen, Aktienrückkäufe, Leveraged • Bsp.: Akquisitionen, Desinvestitionen, Buy-outs, Debt for Equity Liquidationen. Swaps. = Corporate Restructuring i.e.S.

Abbildung 2-1: Bereiche des Corporate Restructuring27

Ohne Frage sind Überschneidungen zwischen den einzelnen von BOWMAN/SINGH vorgeschlagenen Kategorien möglich und in vielen Fällen auch die Regel. So wird beispielweise der Verkauf einer nicht wesentlichen Unternehmenseinheit sehr wahrscheinlich zu einer gleichzeitigen Neuordnung der Unternehmensorganisation führen und auch einen Einfluss auf die Kapitalstruktur des Unternehmens haben.28 Ebenfalls wird nicht selten eine Akquisition (Portfolio Restructuring), die durch die Aufnahme von Fremdkapital finanziert wird (Financial Restructuring), eine Reorganisation unternehmensinterner Geschäftsprozesse mit sich bringen (Organizational Restructuring). In der Praxis wird die Restrukturierung von Unternehmen daher auch oft als ein Prozess gesehen, bei dem die eigentliche Restrukturierungsmaßnahme zahlreiche weitere Maßnahmen nach sich zieht, um die Unternehmensstruktur an die veränderte Situation anzupassen.29

gelt sich in ihr wieder: „a new strategic direction shows itself first as financial restructuring even though the latter is merely a means to an end.“ Vgl. hierzu Donaldson (1994), S. 8. 27

In Anlehnung an Bowman/Singh (1993), S. 16; Bowman et al. (1999), S. 34 f.

28

Vgl. Gibbs (1992), S. 7.

29

Vgl. Cappelle-Konijnenberg (1995), S. 7.

2 Hintergrund des Corporate Restructuring

11

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden Corporate-Portfolio-Restructuring-Maßnahmen weiterhin unterschieden hinsichtlich: 1. des Grades der Freiwilligkeit der Restrukturierungsmaßnahme: Unternehmensrestrukturierungen können freiwillig erfolgen oder unfreiwillig. Während im ersten Fall die Maßnahme das Ergebnis eines Entscheidungsprozesses auf Unternehmensebene ist und in der Regel mit dem Ziel der Wertsteigerung durchgeführt wird, resultiert eine unfreiwillige Restrukturierung aus Auflagen, die dem Unternehmen von außen auferlegt werden. So sind u.a. Kartellrechtsauflagen durch Wettbewerbskommissionen oder Abwehrmaßnahmen gegen feindliche Übernahmen typische Auslöser unfreiwilliger Restrukturierungsmaßnahmen. 2. des Impulses, der zu einer Portfoliorestrukturierung führt: Eng verbunden mit der Frage nach dem Grad der Freiwilligkeit, mit dem eine Corporate-Restructuring-Maßnahme durchgeführt wird, ist eine Unterteilung in Restrukturierungsmaßnahmen, die durch unternehmensinterne Faktoren angestoßen werden, auf der einen Seite, und Maßnahmen, die aufgrund der Existenz eine Unternehmensumgestaltung einfordernder unternehmensexterner Situationsmerkmale eingeleitet werden, auf der anderen Seite. 3. der Qualität und des Zeithorizontes einer Restrukturierungsmaßnahme: Ebenfalls möglich ist eine Unterscheidung der einzelnen Maßnahmen hinsichtlich der Qualität bzw. des Zeithorizonts der verfolgten Restrukturierung: Operative Restrukturierungsmaßnahmen dienen der Sanierung insolvenzgefährdeter oder defizitärer Tochterunternehmen oder Geschäftsbereiche und sind dementsprechend kurzfristig ausgelegt. Strukturelle Restrukturierungsmaßnahmen beschäftigen sich mit der mittelfristigen Reorganisation des Konzernverbundes, dem Aufbau neuer organisatorischer Strukturen oder der Bereinigung des Unternehmensportfolios. Strategische Maßnahmen zur Restrukturierung eines Unternehmens sind langfristig orientiert. Die Gründung (internationaler) Allianzen oder die Konzentration auf Kernkompetenzen bzw. deren forcierter Ausbau zählen zu den Letzteren. Zusammenfassen lassen sich alle genannten Transaktionen unter dem Begriff der Unternehmensrestrukturierung, der dem aus dem US-amerikanischen Sprachraum

12

2 Hintergrund des Corporate Restructuring

entstammenden Corporate Restructuring am nächsten kommt. Die den Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung bildenden Maßnahmen der Portfoliorestrukturierung (Corporate Restructuring i.e.S.) bedeuten in nahezu allen Fällen eine Veränderung der Eigentumsstruktur (Ownership Restructuring) in den Unternehmen. Daneben werden im allgemeinen Sprachgebrauch auch aus dem Angelsächsischen übertragene Begriffe wie Corporate Contraction oder Corporate Downsizing verwendet, die jedoch nicht unbedingt deckungsgleich mit Corporate Restructuring zu verwenden sind, da Corporate Contracting in erster Linie eine Analyse und Neufassung vertraglicher Beziehungen von Unternehmen beschreibt,30 und Corporate Downsizing in der Regel mit Rationalisierung und Verschlankung von Unternehmen in Verbindung gebracht wird. Corporate Contracting wie auch Corporate Downsizing sind zwar Teil des Corporate Restructuring, jedoch wesentlich enger gefasst. Der im angloamerikanischen Sprachraum ebenfalls gebräuchliche Begriff des Break-up ist ebenfalls nicht immer exakt zutreffend, gibt jedoch die Intention einer CorporateRestructuring-Maßnahme klar wieder, nämlich das Aufbrechen vorhandener Strukturen und deren Neuordnung. Die in den USA am häufigsten zur Anwendung kommenden Instrumente des Corporate-Portfolio-Restructuring, welchen im Fokus der vorliegenden Untersuchung stehen, sind • Sell-off: (Teil-)Verkauf von Tochterunternehmen und Geschäftseinheiten, • Equity Carve-out: Börseneinführung von Tochtergesellschaften, • Joint Venture: Gemeinschaftsunternehmen mit begrenzter Laufzeit und bestimmtem Zweck,

30

Insofern man Unternehmen allerdings abstrakt und ausschließlich als ein Geflecht vertraglicher Beziehungen begreift, wie es zuvor beschrieben wurde, sind Corporate Restructuring und Corporate Contraction synonym zu verwenden. Da in der vorliegenden Arbeit jedoch auf eine elaborierte Erörterung von Unternehmen und ihrer Umwelt im Zusammenhang mit Restrukturierungsmaßnahmen unter Property-Rights-Aspekten verzichtet wird, wird im Folgenden Corporate Restructuring gegenüber Corporate Contracting vorgezogen.

2 Hintergrund des Corporate Restructuring

13

• Spin-off: Gegenleistungsfreie Abgabe von Eigentumsanteilen an Tochtergesellschaften an die Altaktionäre der Obergesellschaft31, • Split-off: Gegenleistungsfreie Abgabe von Eigentumsanteilen an Tochtergesellschaften an die Altaktionäre der Obergesellschaft, wobei sich diese für Aktien des Tochterunternehmens oder der Obergesellschaft entscheiden müssen, • Split-up: Aufspaltung der Obergesellschaft und gegenleistungsfreie Abgabe von Eigentumsanteilen an den Schwestergesellschaften an die Altaktionäre der Obergesellschaft, und • Tracking Stock: Ausgabe von Geschäftsbereichsaktien mit Gewinnbezugsrechten, aber ohne Eigentumsrechten. Abzugrenzen ist die Restrukturierung von Unternehmen in diesem Sinne von speziellen unternehmensspezifischen Entscheidungssituationen im Laufe der Unternehmensentwicklung.32 Neben Gründungen, Börsengängen, Akquisitionen und Fusionen sind im Zusammenhang mit der Unternehmensrestrukturierung vor allem das Sanierungsmanagement (Bestandssicherung), das Restrukturierungsmanagement (Substanzsicherung) und das Turnaroundmanagement (Zukunftssicherung) als Schlüsselsituationen der Unternehmensentwicklung zu sehen.33 Im Unterschied zu diesen geht die Theorie und Praxis des Corporate Restructuring nicht von der Prämisse aus, dass lediglich Unternehmen in Krisensituationen die Möglichkeiten der Unternehmensrestrukturierung nutzen.34 Vielmehr ergeben sich die Möglichkeiten einer Unternehmensrestrukturierung für alle jene Unternehmen, die das ShareholderValue-Prinzip als wesentlichen Bestandteil der Unternehmensführung begreifen und aufgrund sich verändernder Umweltbedingungen die Notwendigkeit zur Adaption erkennen.

31

Die Bezeichnungen Muttergesellschaft und Obergesellschaft werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit synonym verwendet.

32

Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Schlüsselereignissen, die einen erheblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit von Unternehmen.

33

Zu den genannten Schlüsselereignissen, vgl. Rechsteiner (1995), S. 24 ff.

34

Vgl. u.a. Löffler (2001), S. 4.

14

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

3

US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

3.1

Systematisierung der Restrukturierungsinstrumente

Nach der grundsätzlichen Kategorisierung von Corporate-Restructuring-Maßnahmen im vorangegangenen Kapitel sind im Folgenden die verschiedenen Instrumente des Corporate Restructuring, wie sie in den USA, aber auch in einigen anderen Ländern, zur Anwendung kamen, zu definieren und zu systematisieren. Damit wird eine Arbeitsgrundlage geschaffen für die darauf folgende Diskussion in der Praxis vorzufindender Restrukturierungsmotive, der Geeignetheit einzelner Restrukturierungsinstrumente bei einem gegebenen Bündel an Motiven sowie die generelle Durchführbarkeit dieser Restrukturierungsinstrumente in Deutschland. Die Generierung einer konsistenten Arbeitsgrundlage ist notwendig, da die in Praxis wie Theorie zur Beschreibung verschiedener Restrukturierungsverfahren verwendeten Termini selten genau voneinander abgegrenzt werden. Dies trifft insbesondere für die Verwendung des Begriffs Spin-off zu, dem in Ermangelung einer zwingend notwendigen Abgrenzung sinngemäß oft sowohl Ausgliederungen wie Ausgründungen, Aufspaltungen wie Abspaltungen, Unternehmensverkäufe wie Börsengänge von Tochterunternehmen zugeordnet werden. Restrukturierungsinstrumente, die als Gegenstand das Beteiligungsportfolio eines Unternehmens haben und unter Konzentrationsgesichtspunkten in den USA durchgeführt werden, sind in erster Linie Sell-offs, Spin-offs, Split-offs, Split-ups, Equity Carve-outs, Joint Ventures und Tracking Stocks.35 Mit Ausnahme der Restrukturierungsalternative Tracking Stock verlangen alle Maßnahmen nach einer in vorangegangenen Schritten vollzogenen juristischen Abtrennung der Obergesellschaft und einer rechtlichen Verselbstständigung der Untergesellschaft.36

35

Darüber hinaus existieren zahlreiche andere, nicht unwesentliche Restrukturierungskonzepte, die jedoch nicht unbedingt unter Konzentrationsüberlegungen durchgeführt werden. Restrukturierungsinstrumente, die in der vorliegenden Untersuchung nicht explizit als selbstständiges Restrukturierungsinstrument berücksichtigt werden, sind bspw. Management Buy-outs (MBOs, Übernahme eines Unternehmens oder Unternehmensteils durch das bisherige Management des Unternehmens) oder Going Privates (Börsen-Rückzug von Unternehmen durch Delistings). Zu MBOs als besondere Form der Durchführung eines Sell-off, vgl. Kap. 3.2.

36

Da Tracking Stocks zwar auf einen bestimmten Unternehmensteil bezogen sind, jedoch kein Eigentum an diesem begründen, und auch die Obergesellschaft die Kontrolle über diese Einheit nicht aufgibt, wird Tracking Stock in der wissenschaftlichen Literaturbasis in einigen Fällen

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

15

Die einzelnen Instrumente unterscheiden sich dabei durch den durch die Restrukturierung erreichten Grad der rechtlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit vom Konzern bzw. dem Mutterunternehmen, das heißt durch die bei diesen verbleibenden Mitspracherechten bei der Geschäftsführung des ausgekehrten Unternehmensteils. Die Spanne reicht hier von der völligen Unabhängigkeit des ausgekehrten Unternehmensteils (beispielsweise durch den vollständigen Verkauf eines Unternehmensteils oder einer Tochtergesellschaft durch die Obergesellschaft), bis hin zur Beibehaltung des rechtlich-wirtschaftlichen Status quo bei Tracking Stocks, was die Mitsprache- und Eigentumsrechte der Obergesellschaft betrifft. Wesentliches gemeinsames Merkmal von Sell-offs, Equity Carve-outs, Spin-offs, Split-offs, Split-ups, Joint Ventures und Tracking Stocks ist der Anspruch, dass von einem Weiterbestehen des betreffenden Unternehmensteils (Tochterunternehmen, Geschäftsbereich etc.) nach Vollzug der Restrukturierungsmaßnahme ausgegangen wird (Going-Concern-Anspruch) Für ein besseres Verständnis der einzelnen Restrukturierungsinstrumente, deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie deren Einbindung in ein Restrukturierungskonzept in einem Unternehmen ist es notwendig, die wesentlichen konstitutiven Merkmale herauszuarbeiten und gegenüberzustellen. Die im Folgenden im Detail dargestellten Restrukturierungsinstrumente Sell-off, Equity Carve-out, Joint Venture, Spin-off, Split-off, Split-up und Tracking Stock lassen sich dabei insbesondere hinsichtlich dreier Merkmale unterscheiden: 1. dem Grad der Abgabe von Rechten (Eigentums- und Kontrollrechte37) durch die Obergesellschaft, 2. dem Empfänger dieser Rechte sowie 3. der Geeignetheit der einzelnen Instrumente zur Erreichung gesetzter Ziele bei gegebenen Motiven38.

nicht als Desinvestitionsform begriffen, sondern als verwandter Vorgang betrachtet. Vgl. hierzu z.B. Gusinde (2000), S. 25. 37

Charifzadeh (2002), S. 105, geht von der Prämisse aus, dass bei einer Corporate-RestructuringMaßnahme die Abgabe von Kontrollrechten i.d.R. mit einer Abgabe von Eigentumsrechten einher geht. Diesem Ansatz wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit gefolgt, weshalb der Übergang der Eigentumsrechte nicht gesondert und explizit betrachtet werden soll. Dieser Sachverhalt gilt definitionsgemäß bei allen genannten Restrukturierungsinstrumenten, exklusive der Schaffung einer Tracking-Stock-Struktur.

16

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

Bei der Frage nach dem Grad der Abgabe von Rechten an einer Tochtergesellschaft oder Geschäftseinheit durch die Obergesellschaft an Dritte ist von besonderem Interesse, ob die Obergesellschaft ihre Kontrollrechtsmehrheit wahrt oder diese aufgibt. Die Frage nach der Beibehaltung der Kontrollrechtsmehrheit ist besonders dahingehend von Interesse, ob nach Durchführung der Restrukturierungsmaßnahme die Obergesellschaft weiterhin die Geschäftspolitik des Tochterunternehmens beeinflussen oder bestimmen kann, und ob die Tochtergesellschaft in Zukunft weiterhin im Konzernabschluss zu konsolidieren ist oder nicht.

Übergang der Rechte... gegen (finanzielle) Gegenleistung(en)...

Wahrung Aufgabe

Abgabe von Kontrollrechten

an neue(n) Eigentümer (nicht-organisierter Markt) •

Minority Sale39

an neue Eigentümer/ Alteigentümer (organisierter Markt) • •

• •

Sell-off Joint Venture



ohne (finanzielle) Gegenleistung(en)... an Alteigentümer

Equity Carveout Tracking Stock Carve-out



Tracking Stock Spin-off

Subsidiary IPO40

• • •

Spin-off Split-off Split-up

Abbildung 3-1: Systematisierung der Instrumente des Corporate Restructuring41

38

Dieser Punkt wird ausführlich in Kapitel 4 erörtert.

39

Das Restrukturierungsinstrument Minority Sale wird in Kapitel 3.2 als Spezialfall des Sell-off behandelt.

40

Das Restrukturierungsinstrument Subsidiary IPO wird in Kapitel 3.3 als Spezialfall des Equity Carve-out behandelt.

41

In Anlehnung an Charifzadeh (2001), S. 102.

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

17

Beim Empfänger dieser Rechte gilt es hingegen zu unterscheiden, ob der Übergang der Rechte an einen oder mehrere neue Eigentümer gegen (finanzielle) Gegenleistung über einen nicht-organisierten Markt, an einen oder mehrere neue oder alte Eigentümer über einen organisierten Markt (i.d.R. den Kapitalmarkt) erfolgt, oder, unabhängig von der Frage nach der Marktnutzung, die Rechte an die bisherigen Eigentümer der Obergesellschaft (Alteigentümer) übergehen, ohne dass diese dafür eine finanzielle Gegenleistung zu erbringen haben.42 Abbildung 3-1 zeigt, wie die genannten Restrukturierungsinstrumente hinsichtlich des Umfangs der Abgabe von Kontrollrechten und der Empfänger der Rechte einzuordnen sind. In den folgenden Abschnitten werden die verschiedenen Restrukturierungsinstrumente Sell-off, Joint Venture, Equity Carve-out, Spin-off, Split-off, Split-up und Tracking Stock dargestellt und ihre Merkmale und Auswirkungen anhand der genannten Differenzierungsmerkmale genauer analysiert. Die Diskussion der Geeignetheit der verschiedenen Restrukturierungsinstrumente zur Erreichung gesetzter Ziele bzw. bei gegebenen Motiven erfolgt in Kapitel 4.

3.2

Unternehmensverkäufe und Unternehmensteilverkäufe (Sell-offs) „Sell-offs, auch Divestures genannt, stehen für Unternehmensverkäufe an eine oder mehrere juristische oder natürliche Personen. Sie stellen das Gegenteil einer Unternehmensakquisition dar.“43

Ein Sell-off stellt den Verkauf eines rechtlich selbstständigen Unternehmensteils, unabhängig davon, ob es sich um ein bestehendes oder ein zu dem Zwecke des Verkaufs neu gegründetes Tochterunternehmen oder lediglich um eine Unternehmens-

42

Bestimmte Konzepte, wie z.B. die kostenpflichtige Abgabe der Anteile an der Tochtergesellschaft an die Alteigentümer der Muttergesellschaft über einen nicht-organisierten Markt, werden durch die hier vorgenommene Differenzierung nicht erfasst. Sie spielen jedoch in der Realität im Zusammenhang mit Restrukturierungsmaßnahmen nur eine untergeordnete Rolle und unterscheiden sich in ihren Konsequenzen und ihrer Ausführung i.d.R. nicht von den hier im Detail vorgestellten Instrumenten des Corporate Restructuring.

43

Achleitner (2002), S. 360. Zu den Grundlagen von Sell-offs/Divestures, vgl. außerdem Weston/Siu/Johnson (2001), S. 347 ff; Gaughan (2002), S. 397 ff. Löffler (2001), S. 7, weist darauf hin, dass die Verwendung des Begriffs Divestures selbst in der US-amerikanischen Literatur uneinheitlich ist und neben Sell-offs auch andere Transaktionen umfassen kann, die in diesem Kapitel als eigenständige Instrumente betrachtet werden.

18

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

beteiligung handelt, dar.44 Definitionsgemäß handelt sich um den Verkauf eines Mehrheitsanteils an einem Tochterunternehmen, das heißt, die bisherige Obergesellschaft verliert ihre Kontrollrechtsmehrheit an diesem Unternehmen. Im Zusammenhang mit Corporate-Restructuring-Maßnahmen wird bei einem Sell-off in der Regel von einem vollständigen Verkauf der Eigentums- und Kontrollrechte an einem Tochterunternehmen ausgegangen. Der Inhalt des Kaufvertrags (insbesondere des Vertragsgegenstands, des Übergangzeitpunkts, der zu übertragenden Forderungen, Rechtsverhältnisse, und Arbeitsverhältnisse, oder die Haftungs-, Gewährleistungs- und Garantiebedingungen etc.) wird individuell zwischen dem veräußernden Unternehmen und dem oder den Kaufinteressenten vertraulich ausgehandelt. Gleiches gilt für den Kaufpreis, der neben Barzahlung auch durch Anteile am Käuferunternehmen oder anderen Eigentumstiteln beglichen werden kann. Im Rahmen der Planung, Strukturierung und Durchführung der Verkaufs- bzw. Kauftransaktion werden in der Regel Intermediäre wie Rechtsanwälte, Investmentbanken und Finanzierungsbanken mit eingebunden.45 Abbildung 3-2 stellt grafisch die Unternehmenssituation vor und nach Durchführung eines Sell-off dar. Neben einem traditionellen Verkauf eines Tochterunternehmens, einer Geschäftseinheit oder einer Beteiligung an einem anderen Unternehmen können Spezialformen des Unternehmens(ver)kaufs identifiziert werden, die sich durch die spezifische Person des Erwerbers oder durch die Art und Weise der Kaufpreisfinanzierung auszeichnen. Unter dem Oberbegriff Buy-outs werden Management Buy-outs (MBOs) und Leveraged Buy-outs (LBOs) zusammengefasst.46 Ein MBO bezeichnet den Erwerb eines Unternehmens, einer Tochtergesellschaft eines Unternehmens oder eines Geschäftsbereichs durch das Management der betreffenden Gesellschaft (bzw. dessen Tochterunternehmen oder Geschäftsbereich) und führt damit zu einer Zusam-

44

In der einschlägigen Literatur wird neben dem Verkauf einer existierenden, rechtlich selbstständigen Einheit auch der Verkauf rechtlich unselbstständiger Geschäftsbereiche oder einzelner Produktlinien thematisiert. Vgl. hierzu bspw. Taylor (1988), S. 7. Aufgrund der Tatsache, dass in diversifizierten Konzernen und Konglomeraten die einzelnen Geschäftsbereich bereits weitgehend selbstständig firmieren, wird im Folgenenden davon ausgegangen, dass das Restrukturierungsobjekt bereits rechtlich selbstständig ist.

45

Vgl. Schultze (1998), S. 30.

46

Für einen Überblick über die verschiedenen Formen von Buy-outs, vgl. Achleitner/Fingerle (2003).

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

19

menführung von Eigentum und Kontrolle.47 Es handelt sich damit um derivativselbstständige Unternehmensgründungen, da zum einen die vorhandenen Strukturen übernommen werden, und zum anderen der Manager selbst die Verantwortung und das Eigentum übernimmt.48

Durchführung der Transaktion

Ausgangssituation Anteilseigner A

Anteilseigner A

Mutterunternehmen A

Mutterunternehmen A

Weitere Geschäftsaktivitäten

Weitere Geschäftsaktivitäten

Tochterunternehmen

Anteilseigner B

Cash, Aktien B

Tochterunternehmen

Aktien bzw. Vermögensgegenstände des Tochterunternehmens

Mutterunternehmen B

Weitere Geschäftsfelder

Nach dem Sell-Off Bisherige Anteilseigner A

Bisherige Anteilseigner B

Mutterunternehmen A

Mutterunternehmen B

Weitere Geschäftsaktivitäten

Weitere Geschäftsaktivitäten

Tochterunternehmen

Abbildung 3-2: Verkauf eines bestehenden Tochterunternehmens49

47

Vgl. Achleitner (2002), S. 199; Gaughan (2002), S. 295 f.; Brealey/Myers (2000), S. 977 f.; Weston/Siu/Johnson (2001), S. 464; Wright et al. (2001), S. 239 ff. Zu Management Buy-outs als Restrukturierungsinstrument, vgl. Weiher (1996), S. 122 ff.

48

Vgl. Szyperski/Nathusius (1977), S. 27. Für eine Abgrenzung der verschiedenen Gründungsarten, vgl. auch Engel (2003).

49

Vgl. Charifzadeh (2002), S. 91.

20

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

Bei einem Management-Buy-in (MBI), einem mit Buy-outs eng verbundenen Übernahmekonzept, erwirbt hingegen ein externes Management Team eine Gesellschaft, eine Tochtergesellschaft eines Unternehmens oder einen Geschäftsbereich und übernimmt im Anschluss an die Akquisition selbst die Unternehmensleitung des unabhängigen Unternehmens.50 In der Realität sind MBIs, verglichen mit der Zahl an MBOs, jedoch relativ selten. Gleiches gilt für so genannte Employee Buy-outs (EBOs), der Übernahme von Unternehmen(-steilen) durch die eigene Belegschaft des Unternehmens bzw. eines (großen) Teils davon und nicht nur durch das Management des Unternehmens wie beim MBO. Werden MBOs, MBIs oder Akquisitionen durch andere Unternehmen, Individualinvestoren oder Investorengruppen mit einem hohen Fremdkapitalanteil finanziert, so spricht man von LBOs.51 LBOs erlauben den Erwerb eines Unternehmens oder Unternehmensteils mit einem geringen Eigenkapitalanteil. Der Wert des Eigenkapitals steigt nach der Transaktion aufgrund des Leverage-Effekts52 und der Tilgung der Fremdkapitallast durch die Cashflows des erworbenen Unternehmens, sodass am Ende der oder die Erwerber alleinige Eigentümer des Unternehmens werden.53 Zusätzlich beinhalten zahlreiche Buy-out-Transaktionen, insbesondere LBOs, den Verkauf bzw. die Verselbstständigung von Teilen des Ursprungsunternehmens, wobei wiederum die bereits genannten Instrumente des Corporate Restructuring zur Anwendung kommen können.54 LBOs gewannen in den Achtzigern in den USA an Popularität und fanden ihren Höhepunkt 1988 mit dem Erwerb des US-amerikanischen Nahrungsmittelunternehmens RJR Nabisco zu einem Preis von $26,4 Mrd. durch das auf Buy-outs spezialisierte US-amerikanische Unternehmen Kohlberg Kravis & Roberts (KKR). Durch das aggressive Agieren zahlreicher institutioneller Buy-out-Unternehmen, die dem Erwerb in der Regel einen Austausch des gesamten Managements und eine Zerschlagung des Unternehmens folgen ließen, und durch eine zunehmende Finanzierung von LBOs

50

Vgl. Achleitner (2002), S. 200; Löffler (2001), S. 8.

51

Vgl. Gaughan (2002), S. 291 ff.; Achleitner (2002), S. 199; Brealey/Myers (2000), S. 977 ff.; Gusinde (2000), S. 25.

52

Zum Leverage-Effekt vgl. stellvertretend Perridon/Steiner (2002), S. 487 ff.; Achleitner (2002), S. 555 ff.; Brealey/Myers (2000), S. 474 ff.

53

Vgl. Shea (1999), S. 413.

54

Zur Verknüpfung von Buy-out und Unternehmensteilung, vgl. die Ausführungen zu sogenannten Mirror Transactions bei Odenthal (1999), S. 69 ff.

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

21

durch die Ausgabe hochverzinslicher, hoch risikoreicher Unternehmensanleihen (High-Yield-Anleihen, Junk Bonds) Ende der achtziger Jahre gerieten LBOs in die Kritik, sodass die Zahl und das Volumen von LBOs in den neunziger Jahren in den USA stark nachließen.55 Eine interessante Form des LBO stellen Intere Leveraged Buy-outs (ILBOs) dar: Bei dieser Art von Buy-out wird zwar ein Unternehmensteil wie bei einem MBO durch dessen aktives Management erworben und zu großen Teilen mit Fremdkapital finanziert, allerdings behält die Obergesellschaft bei dieser Transaktion weiterhin eine Eigenkapitalbeteiligung am ausgekehrten Unternehmensteil.56 Dadurch verbleibt „ein großer Anteil der durch den Buy-out angestrebten Wertsteigerungen bei der verkaufenden Obergesellschaft“.57 IBLOs stellen damit in den Fällen, in denen die Obergesellschaft lediglich einen Teil einer Tochtergesellschaft veräußern will, eine Alternative zu den Corporate-Restructuring-Instrumenten im engeren Sinne58 dar. In Deutschland gewann die Entwicklung der Buy-outs erst gegen Ende der neunziger Jahre an Dynamik als zahlreiche institutionelle Investoren, insbesondere nationale und internationale Private-Equity-Unternehmen, zahlreiche deutsche Unternehmen des Mittelstandes erwarben.59 Unter den bisher größten Transaktionen dieser Art waren beispielsweise der Erwerb der Eisenbahnerwohnungen (Wert: 3,89 Mrd. Euro) durch ein Konsortium von Nomura International Finance und WCM Beteiligungsund Grundbesitz AG im Jahr 2000 und die Übernahme des Industriegasspezialisten Messer Griesheim (Wert: 1,5 Mrd. Euro, heute: Messer) durch Allianz Capital Partners und Goldman Sachs in 2001 von Aventis.60 Veräußert ein Unternehmen nicht alle Anteile an einer Tochtergesellschaft, sondern lediglich einen Minderheitsanteil, so spricht man zur Abgrenzung dieses spezifischen Sachverhalts auch von einem Minority Sale.61 Dieser Vorgang unterscheidet sich in 55

Vgl. Weston/Siu/Johnson (2001), S. 192; Shea (1999), S. 414 f.

56

Zu einer ausführlichen Darstellung und Diskussion von ILBOs, vgl. Scherer (1999).

57

Scherer (1999), S. 128.

58

Vgl. Kap. 3.

59

So stiegen zwischen 1996 und 2000 die Bruttoinvestitionen in Portfoliounternehmen um über 700% und die jährlichen Zuflüsse zu den Fonds sogar um über 1.800%, wobei 2001 eine Stagnation der Investitionen und Zuflüsse eintrat. Vgl. hierzu Deloitte & Touche (2002), S. 1.

60

Vgl. Ehren (2001), S. 29.

61

Vgl. Charifzadeh (2002), S. 91.

22

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

der Durchführung nicht grundlegend von einem Sell-off, allerdings sind die mit einem Minority Sale verbundenen Motive und Zielsetzungen oft grundlegend verschieden von denen eines Sell-off. Der Erwerber eines Minderheitsanteils eines Unternehmens wird der Transaktion in der Regel eine strategische Bedeutung zumessen.62 Ähnliches gilt für die Position des veräußernden Unternehmens, insbesondere wenn gegenseitige Minderheitsbeteiligungen (Kreuz-Beteiligungen, Cross Shareholding) oder flexible Kooperationsbeziehungen zwischen Erwerber und Veräußerer eingegangen werden. Bei der Durchführung eines Minority Sale gilt es außerdem zu beachten, ob durch den Verkauf eines Minderheitsanteils die Obergesellschaft ihren Mehrheitsanteil an einem Unternehmen aufgibt und die Kontrollrechtsmehrheit verliert.63 Selbst durch den Verkauf lediglich eines Minderheitsanteils würde sich in diesem Fall das Beteiligungsportfolio des restrukturierenden Unternehmens wesentlich verändern, sodass das Tochterunternehmen beispielsweise nicht mehr in den eigenen Jahresabschluss mit einzubeziehen wäre.64

3.3

Unternehmensumwandlungen

3.3.1

Equity Carve-outs „Equity Carve-outs stellen eine besondere Form von Börsengängen von Tochtergesellschaften dar. Hierbei werden Anteile an einem Tochterunternehmen im Zuge einer Neuemission an der Börse verkauft.“65

Bei einem Equity Carve-out wird ein bestimmter Bereich eines Unternehmens (Geschäftsbereich, Division, Abteilung, Business Unit etc.) aus dem Unternehmen ausgegliedert, rechtlich verselbstständigt und ein Minderheitsanteil an dieser Tochtergesellschaft im Zuge einer Neuemission66 über einen organisierten Markt ver62

Zur Einordnung und Bedeutung strategischer Allianzen dieser Art, vgl. Gaughan (2002), S. 21 f.

63

Dies ist bspw. dann der Fall, wenn die Obergesellschaft 51% an einem anderen Unternehmen besitzt und einen Anteil von mindestens einem Prozent veräußert.

64

Aufgrund der Ähnlichkeiten bei der Durchführung mit Sell-offs und der speziellen Zielsetzung von Minority Sales wird diese Desinvestitionsform im Folgenden von einer gesonderten detaillierten Betrachtung ausgeschlossen.

65

Vgl. Achleitner (2002), S. 360. Zu den Grundlagen von Equity Carve-outs, vgl. außerdem Weston/Siu/Johnson (2001) S. 364 ff; Gaughan (2002), S. 417 ff.

66

Für den Begriff der Aktienneuemission werden im Regelfall die aus dem Englischen abgeleiteten Bezeichnungen Initial Public Offering (IPO) und Going Public synonym (auch im deutschen Sprachgebrauch) verwendet.

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

23

kauft.67 Es werden damit neue Investoren angesprochen und die Eigentümerbasis verbreitert.68 Die zu verkaufenden Anteile können entweder im Rahmen einer Kapitalerhöhung beim ausgegliederten Geschäftsbereich neu geschaffen werden (Primary Carve-out oder Primary Offering: Veräußerungserlöse gehen an das Tochterunternehmen) oder aus dem Altbesitz des Mutterunternehmens (Secondary Carve-out oder Secondary Offering: Veräußerungserlöse gehen an das Mutterunternehmen) stammen. Man spricht daher auch von Primary Shares und Secondary Shares eines Carve-out. Eine Kombination der beiden Durchführungsformen ist ebenfalls denkbar, sodass bei der Börseneinführung der Aktien sowohl Altanteile aus dem Besitz der Muttergesellschaft verkauft werden, als auch Anteile, die aus einer Kapitalerhöhung bei der Tochtergesellschaft stammen. Der Equity Carve-out weist starke Ähnlichkeiten zu einem Sell-off auf, allerdings werden die Anteile nicht bei einem Unternehmen, einem Einzelinvestor oder einer Investorengruppe, sondern am Kapitalmarkt platziert. Im Gegensatz zu einem Selloff werden bei einem Equity Carve-out jedoch nicht sämtliche Anteile bzw. ein Mehrheitsanteil an einem Unternehmen veräußert, sondern nur ein Minderheitsanteil (wie bei einem Minority Sale) über die Börse verkauft. Das Ergebnis eines Equity Carve-out ist ein rechtlich unabhängiges, neues Unternehmen,69 welches aufgrund der Tatsache, dass die Obergesellschaft noch als Großaktionär fungiert, eine relativ enge Bindung in personeller, administrativer, geschäftlicher und funktionaler Hinsicht an diese erfährt.70 Behält das Mutterunternehmen bei der Emission einen Mehrheitsanteil am Tochterunternehmen, kann die Muttergesellschaft aufgrund der Stimmrechtsmehrheit weiterhin die Gesellschaft kontrollieren und Einfluss auf die Geschäftspolitik der Tochter nehmen, welche auch weiterhin in den Konzernabschluss mit einbezogen wird.71 In Deutschland wurde Ende der neunziger Jahre vermehrt Gebrauch von dem Restrukturierungsinstrument Equity Carve-out gemacht, nicht zuletzt um von der posi-

67

Vgl. Powers (1998), S. 9; Löffler (2001), S. 9.

68

Vgl. Seifert et al. (2000), S. 121.

69

Vgl. Seifert et al. (2000), S. 121.

70

Vgl. Powers (1998), S. 9; Anslinger et. al. (1997), S. 165.

71

Vgl. Schultze (1998), S. 27 f. Hierbei gilt es zu beachten, dass für einen Konsolidierungszwang mindestens 50% der existierenden Gesellschaftsanteile des Tochterunternehmen (und damit nicht nur der an der Börse emittierten und gehandelten) bei der Obergesellschaft verbleiben müssen.

24

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

tiven Kapitalmarktstimmung zu profitieren, welche relativ hohe Emissionspreise erlaubte. Besonders publikumswirksame und hochvolumige Equity Carve-outs waren beispielsweise die Börsengänge von T-Online im Jahr 2000 (Muttergesellschaft: Deutsche Telekom AG) sowie EPCOS in 1999 und Infineon in 2000 (beide Tochtergesellschaften der Siemens AG). Abbildung 3-3 stellt grafisch die Unternehmenssituation vor und nach Durchführung eines Equity Carve-out dar. Als Restrukturierungsinstrument eng verwandt mit dem Equity Carve-out ist der so genannte Subsidiary IPO.72 Hierbei handelt es sich um die Börseneinführung eines Mehrheitsanteils (im Gegensatz zu dem Equity Carve-out, bei dem ein Minderheitsanteil über die Börse verkauft wird) an einer Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft. Wie bei einem Equity Carve-out bestehen bei einem Subsidiary IPO ebenso die Gestaltungsmöglichkeiten Primary Carve-out und Secondary Carve-out. Je höher dabei die relative Zahl der an der Börse eingeführten Unternehmensteile ist, desto geringer sind die Einflussmöglichkeiten und Mitspracherechte der Muttergesellschaft auf die Geschäftspolitik des Tochterunternehmens nach Vollzug der Transaktion.73

72

Im Zusammenhang mit einem Subsidiary IPO spricht man auch von einem so genannten Partial Public Offering. Der Subsidiary IPO wird in der Literatur zum Teil auch als eigenständiges Restrukturierungsinstrument behandelt, vgl. hierzu bspw. Charifzadeh (2002), S. 92. Aufgrund der engen Verwandtheit mit einem Equity Carve-out wird jedoch in der vorliegenden Arbeit auf eine gesonderte Erörterung verzichtet.

73

Hierbei gilt es auch zu beachten, dass die Muttergesellschaft durch einen Primary Carve-out die Mehrheit am Tochterunternehmen verlieren kann. Dies ist der Fall, wenn bei der Kapitalerhöhung durch die Tochtergesellschaft mehr Aktien ausgegeben werden, als die Muttergesellschaft bereits besitzt.

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

Ausgangssituation

25

Durchführung der Transaktion

Bisherige Anteilseigner

Neue Anteilseigner

Bisherige Anteilseigner

Secondary Shares (Option 2)

Cash

Mutterunternehmen

Mutterunternehmen Cash

Weitere Geschäftsaktivitäten

Weitere Geschäftsaktivitäten

Tochterunternehmen

Primary Shares (Option 1)

Tochterunternehmen

Nach dem Equity Carve-Out Bisherige Anteilseigner

Neue Anteilseigner

Mutterunternehmen

< 50%

> 50% Weitere Geschäftsaktivitäten

Tochterunternehmen

Abbildung 3-3: Equity Carve-out einer bestehenden Tochtergesellschaft74

3.3.2

Joint Ventures „A combination of subsets of assets by two (or more) business entities for a specific business purpose and a limited duration. Each of the venture partners continues to exist as a separate firm and the joint venture represents a new business enterprise.”75

74

Vgl. Charifzadeh (2002), S. 95.

75

Weston/Siu/Johnson (2001), S. 668.

26

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

Joint Ventures76, also die vertraglich geregelte Übereinkunft mindestens zweier Unternehmen, ein gemeinsames Unternehmen77 bzw. eine zweckspezifische Kooperation zu beginnen, stellen einen Sonderfall bei der Diskussion von Instrumenten des Corporate Restructuring dar. Wesentlich sind insbesondere eine begrenzte Laufzeit78 und ein „Particular Business Goal“79, welches der Kooperation zugrunde liegt. Im Regelfall ist von einer gemeinsamen Leitung des Joint Venture durch die Joint-Venture-Partner auszugehen, die normalerweise auch zu gleichen Teilen prozentual am Gemeinschaftsunternehmen beteiligt sind.80 Auch bei ungleichmäßiger Beteiligung kann dennoch eine gemeinsame Leitung vereinbart sein. Abbildung 3-4 stellt grafisch die Vorgehensweise und das Ergebnis der Schaffung von Joint Ventures dar. Ein Joint Venture ist lediglich in den Fällen als selbstständiges Restrukturierungsinstrument im Sinne eines fokussierenden Portfolio Restructuring zu sehen, in denen die Verringerung der Eigentumsanteile bzw. die vollständige Desinvestition selbst das Ziel der Transaktion darstellt. Dies wird jedoch nur in einer begrenzten Zahl von Joint Ventures der Fall sein, da in der Regel der strategische Kooperationsgedanke im Vordergrund stehen wird. Daher sind Joint Ventures nicht zu den spezifischen Instrumenten des Portfolio Restructuring im engeren Sinne zu zählen.

76

Zu den Grundlagen von Joint Ventures, vgl. Picot (2002), S. 197 ff.; Welge/Al-Laham (2001), S. 465 ff. Angesichts der Verschiedenheit der Erscheinungsformen von Joint Ventures werden hier nur die wesentlichen Eigenschaften dieser Kooperationsform zwischen Unternehmen aufgezeigt.

77

Als Instrument des Corporate Restructuring sind in erster Linie die so genannten Equity Joint Ventures zu sehen, bei denen es zu einer organisatorisch-rechtlichen Verselbstständigung der Zusammenarbeit in Form eines rechtlich selbstständigen Unternehmens kommt. Contractual Joint Ventures, die lediglich ein schuldrechtliches Übereinkommen mindestens zweier Unternehmen darstellen, spielen als Restrukturierungsinstrument eine nur untergeordnete Rolle. Vgl. hierzu Picot (2002), S. 202 ff.

78

Die geplante begrenzte Laufzeit von Joint Ventures widerspricht der zuvor gemachten Goingconcern-Annahme bei Corporate-Restructuring-Instrumenten. Daher sind Joint Ventures nur beschränkt als Instrumente des Corporate-Portfolio-Restructuring zu sehen.

79

Gaughan (2002), S. 19.

80

Vgl.Wöhe (2002), S. 314.

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

Ausgangssituation

Durchführung der Transaktion

Anteilseigner A

Anteilseigner B

Anteilseigner A

Mutterunternehmen A

Mutterunternehmen B

Mutterunternehmen A

Weitere Geschäftsaktivitäten

Tochterunternehmen

Tochterunternehmen

27

Weitere Geschäftsaktivitäten

Weitere Geschäftsaktivitäten

Anteilseigner B Mutterunternehmen B

Vermögensgegenstände

Tochterunternehmen

Tochterunternehmen

Joint Venture C

Anteile am Joint Venture

Weitere Geschäftsaktivitäten

Anteile am Joint Venture

Während der Existenz des Joint Venture Anteilseigner A

Anteilseigner B

Mutterunternehmen A

Mutterunternehmen B

Weitere Geschäftsaktivitäten

Weitere Geschäftsaktivitäten

Joint Venture C (ehem.) Tochterunternehmen

(ehem.) Tochterunternehmen

Abbildung 3-4: Schaffung eines Equity Joint Venture durch zwei Unternehmen81

Ein breites Verständnis von Corporate Restructuring zugrunde legend und vor einem mittel- bis langfristigen Zeithorizont können Joint Ventures ähnlich wie Tracking Stocks als „Transitional Mechanism“82 begriffen werden, das heißt als eine Art erste Stufe einer Restrukturierungsmaßnahme, an deren Ende eine konkrete, konzentrierende Restrukturierungsmaßnahme steht und ein Partner des Joint Ventures andere Anteile am Kooperationssubjekt übernimmt.83 Ebenfalls können Joint Ventures dazu

81

Eigene Darstellung.

82

Weston/Siu/Johnson (2001), S. 420.

83

Weston/Siu/Johnson (2001), S. 420, sehen hierbei insbesondere Vorteile auf Seiten des letztendlichen Erwerbers, der während des Joint Ventures Erfahrungen mit dem Kooperationsobjekt sammeln, sein technisches Verständnis erweitern und als Konsequenz sowohl den Wert

28

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

beitragen, den Wert eines abgespaltenen Unternehmens zu steigern, wenn bereits während des Restrukturierungsprozesses unter Führung der Obergesellschaft strategische Allianzen zwischen dem selbstständigen Tochterunternehmen und anderen Unternehmen eingegangen werden.84 Die Aufwertung des Restrukturierungsobjekts, das sich neu am Markt positionieren und an diesem bestehen muss, kann beispielsweise darin bestehen, dass Risiken geteilt werden, ein Austausch von Know-how stattfindet oder Wettbewerber neutralisiert werden. 3.3.3

Spin-offs „Der Begriff des Spin-off bezeichnet ein Restrukturierungsinstrument, bei welchem die Aktien des abzuspaltenden Unternehmensteils an die Aktionäre des Mutterunternehmens pro rata, das heißt auf Basis ihrer Anteile am Konzernunternehmen, ausgegeben werden.“85

Ein Spin-off86 stellt die gegenleistungsfreie Übertragung von Anteilen am abzuspaltenden Unternehmensteil an die Anteilseigner des Mutterunternehmens dar. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine bestehende oder eine zu dem Zwecke der Abspaltung neu gegründete Tochtergesellschaft handelt. Es handelt sich zudem um eine verhältniswahrende (pro rata) Auskehrung von Anteilen an der Tochtergesellschaft, das heißt, die Beteiligungsverhältnisse von Mutterunternehmen und abgespaltenem Tochterunternehmen sind identisch. Mit der Abgabe der Anteile verringert sich der Wert der Obergesellschaft (und damit auch der Wert der Anteile an dieser Obergesellschaft) rechnerisch um den Wert der Tochtergesellschaft (bzw. den Wert der Anteile). Dabei fließen keiner der an der Transaktion beteiligten Parteien (Muttergesellschaft, Tochtergesellschaft, Altaktionär) unmittelbar Barmittel

des Joint Ventures besser bestimmen kann wie auch einen höheren Wertgewinn aufgrund des besseren Sachverständnisse nach der Akquisition erzielen kann. 84

Zu Aufwertungsmaßnahmen u.a. durch Joint Ventures bei Desinvestitionsobjekten, vgl. Achleitner (2002), S. 394.

85

Achleitner (2002), S. 362. Es handelt sich hierbei um eine idealisierte Definition von Spin-offs. In der Literatur wie in der Praxis weichen die Begriffsinhalte und Begriffsverwendungen oft stark voneinander ab. Vgl. hierzu die bei Odenthal (1999), S. 67, genannten verschiedenen Ausprägungsformen eines Spin-offs. Zu den Grundlagen von Spin-offs, vgl. außerdem Weston/Siu/Johnson (2001), S. 361; Gaughan (2002), S. 406 ff.

86

In den USA spricht man auch allgemeiner von so genannten D Reorganizations, da sich die steuerrechtlich relevante Definition dieses Instruments des Corporate Restructuring in Sec. 368 (a) (1) (D) des Internal Revenue Code findet.

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

29

zu.87 In der Großzahl der Fälle werden bei Spin-off-Transaktionen 100% der sich im Besitz der Obergesellschaft befindlichen Eigentumsanteile an der Tochtergesellschaft an die Anteilseigner der Muttergesellschaft abgegeben. Allerdings existieren weder in den USA noch in Deutschland Regelungen, die eine Mindestquote für die Abgabe von Anteilen im Rahmen eines Spin-off vorschreiben.88 Zeitgleich mit der Übertragung der Anteile an die Aktionäre bzw. in unmittelbarem Anschluss daran findet zudem meist auch ein Börsenlisting89 der Anteile statt, um einen liquiden Sekundärmarkt zu schaffen. Abbildung 3-5 stellt grafisch die Unternehmenssituation vor und nach Durchführung eines Spin-off dar.

87

Vgl. Powers (1998), S. 10. Vgl. des Weiteren Gusinde (2000), S. 22. Die Belastung durch Transaktionskosten ist nicht einheitlich geregelt; i.d.R. werden diese jedoch vom abspaltenden Unternehmen getragen.

88

Cusatis/Miles/Woolridge (1993) weisen darauf hin, dass die in den USA vorzufindenden Quoten von 80%-100% nahezu ausschließlich darauf zurückzuführen sind, dass nur bei diesen Quoten ein Spin-off steuerneutral durchgeführt werden kann.

89

Ein Börsenlisting (Börsennotierung) bedeutet nicht, dass Aktien über die Börse im Rahmen eines Going Public verkauft werden. Es handelt sich lediglich um die Notierungsaufnahme für bereits zuvor an die Anteilseigner ausgegebene Aktien.

30

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

Ausgangssituation

Durchführung der Transaktion

Bisherige Anteilseigner

Anteilseigner (Mutter)

Pro-rata-Zuteilung der Aktien des Tochterunternehmens

Mutterunternehmen

Weitere Geschäftsaktivitäten

Mutterunternehmen

Weitere Geschäftsaktivitäten

Tochterunternehmen

Tochterunternehmen

Nach dem Spin-Off Bisherige Anteilseigner (halten jetzt 2 Aktien)

Mutterunternehmen

Weitere Geschäftsaktivitäten

(ehemaliges) Tochterunternehmen

Abbildung 3-5: Spin-off eines bestehenden Tochterunternehmens90

3.3.4

Split-offs „Ein Split-off weist starke Parallelen zu einem Spin-off auf, denn es kommt auch hier nicht zu Zahlungsströmen. Allerdings werden hier die Anteile nicht pro rata an die Aktionäre des Konzerns abgegeben. Vielmehr erhalten die bisherigen Anteilseigner das Angebot, ihre Anteile an der Konzerngesellschaft im Zuge eines Aktientauschs gegen die (neuen) Aktien der abzuspaltenden Tochtergesellschaft einzutauschen.“91

90

Vgl. Charifzadeh (2002), S. 97.

91

Achleitner (2002), S. 364.

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

31

Ein Split-off ist ein Angebot an die Aktionäre, ihre Anteile an der Konzerngesellschaft im Zuge eines Aktientausches gegen (neue) Anteile der bestehenden bzw. neu zu gründenden abgespaltenen Tochtergesellschaft zu tauschen. Dabei muss der Aktientausch nicht zwangsläufig verhältniswahrend erfolgen. Es müssen „alte Anteile“ an der Obergesellschaft aufgegeben werden um „neue Anteile“ am Split-off-Unternehmen zu erhalten. Häufig werden den bisherigen Aktionären Prämien angeboten, um ihnen einen Anreiz zu geben, ihre Anteile an der Muttergesellschaft in Anteile des ausgekehrten Unternehmensteils zu tauschen. Ähnlich einem Spin-off verliert bei diesem Vorgang die Obergesellschaft im Regelfall ihre Kontrollrechtsmehrheit an der Tochtergesellschaft und kann daher keinen Einfluss auf deren Geschäftspolitik mehr ausüben. Da die neuen Anteile nicht verkauft werden, ist von den tauschenden Altaktionären keine finanzielle Gegenleistung zu erbringen. Zur Vorgehensweise bei einer Split-off-Transaktion, vgl. Abbildung 3-2. Durch den Split-off entstehen wie beim Spin-off zwei rechtlich und wirtschaftlich unabhängige Unternehmen, deren Anteile im Anschluss an die Restrukturierungsmaßnahme in der Regel am Kapitalmarkt notiert werden, um einen liquiden Sekundärmarkt zum Handel der Wertpapiere zu schaffen. In den USA werden Split-off-Transaktionen aufgrund ihrer Seltenheit und Verwandtheit mit Spin-offs oft nicht als eigenständiges Restrukturierungsinstrument gesehen und in vielen Fällen direkt den Spin-offs zugeordnet. Echte Split-off-Transaktionen sind in der Realität nur selten vorzufinden. Für die USA lassen sich beispielhaft die Auskehrung von Conoco (Öl) vom Chemie- und Pharmakonzern DuPont 1999 sowie die Auskehrung Martin Marietta Materials (Luft- und Raumfahrt) von Lockhed Martin (Rüstung) 1996 anführen. Ein deutsches Beispiel für die Abspaltung eines Unternehmensteils stellt der Split-off der Depfa Bank AG 2002 dar:92 Nach der Zustimmung der Anteilseigner zur Spaltung wurde die Depfa Bank Plc. in Dublin gegründet, deren Fokus in Zukunft das Immobilienfinanzierungsgeschäft sein sollte. Allen Depfa Bank-Aktionären wurde das Angebot gemacht, ihre Altanteile in neue Aktien der Depfa Bank Plc. zu tauschen. Dieses Angebot wurde von mehr als 98% aller Aktionäre angenommen. Die verbliebene Depfa Bank AG firmiert heute als Aareal Bank und betreibt in erster Linie das Staatsfinanzierungsgeschäft. 92

Die Spaltung der Depfa Bank AG wurde in der Praxis als Aufspaltung (Split-up) kommuniziert. Tatsächlich jedoch ist diese Spaltungstransaktion näher an einem Split-off als an einem Split-up.

32

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

Ausgangssituation

Durchführung der Transaktion

(nach Equity Carve-Out) Bisherige Anteilseigner

Anteilseigner (Mutter)

Neue Anteilseigner

Aktien des Tochterunternehmens

Mutterunternehmen

Mutterunternehmen

X%

100 - X % Weitere Geschäftsaktivitäten

Anteilseigner (Tochter)

Aktien des Mutterunternehmens

X%

100 - X % Tochterunternehmen

Tochterunternehmen

Weitere Geschäftsaktivitäten

Nach dem Split-Off Anteilseigner (Tochter)

Anteilseigner (Mutter) ehemalige Anteilseigner (Mutter)

Mutterunternehmen A

Weitere Geschäftsaktivitäten

X% 100 - X %

(ehemaliges) Tochterunternehmen

Abbildung 3-6: Split-off eines bestehenden Tochterunternehmens93

3.3.5

Split-ups „Ein Split-up stellt eine Aufspaltung des gesamten Unternehmens dar, bei der das gesamte Vermögen auf mindestens zwei bestehende oder neu zu gründende Unternehmen übertragen wird.“94

Ein Split-up gestaltet sich ähnlich einem Spin-off,95 jedoch stellt der Split-up eine Aufspaltung des gesamten Unternehmens in Teilunternehmen dar, bei der das ge-

93

Vgl. Charifzadeh (2002), S. 99.

94

Achleitner (2002), S. 365. Zu den Grundlagen von Split-ups, vgl. auch Weston/Siu/Johnson (2001), S. 374 ff.

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

33

samte Vermögen eines Unternehmens auf mindestens zwei bestehende oder neu zu gründende Unternehmen (Schwestergesellschaften) übertragen wird96 und die Anteilseigner des aufgespalteten Unternehmens pro-rata oder nicht-pro-rata Anteile an den neuen Teilunternehmen erhalten.97 Die Empfänger der neuen Aktien haben hierfür in der Regel keine finanziellen Gegenleistungen zu erbringen. Nach durchgeführtem Split-up ist das Mutterunternehmen nicht mehr existent. Die nach Durchführung der Restrukturierungsmaßnahme verbleibende, vermögenslose Rumpfgesellschaft wird in der Regel nach Vollzug der Restrukturierung liquidiert.98 Wie bei Spin-offs und Split-offs werden bei Split-ups nach der Auskehrung der neuen Eigentumsanteile an die bisherigen Eigentümer der nicht mehr existierenden Obergesellschaft die neuen Aktien in der Regel an der Börse eingeführt, um einen liquiden Sekundärmarkthandel zu ermöglichen. Ein Demerger, also die Rückabwicklung einer vorangegangenen Fusion, stellt einen Spezialfall des Split-up dar und wird auf die gleiche Art und Weise durchgeführt wie ein typischer Split-up.99 Ein bekanntes Beispiel für einen echten Demerger ist in der Realität nicht zu finden, allerdings wird diese Möglichkeit der Rückgängigmachung einer Fusion regelmäßig theoretisch diskutiert, wenn sich Fusionen von Unternehmen als problematisch und wenig erfolgreich erwiesen.100

95

In den USA werden Split-ups sehr oft unter Zuhilfenahme mehrerer Equity Carve-outs in Kombination mit Spin-offs durchgeführt. Vgl. hierzu Weston/Siu/Johnson (2001), S. 374, die hierzu die durch Spin-off verwirklichten Split-ups von Agilent von Hewlett-Packard und Lucent Technologies (damals Communication Systems) von AT&T anführen. Shiva Ramu (1999), S. 118, nennt als Beispiel außerdem die Aufspaltung von US West in US West Media und US West Communications 1998, der jedoch die Schaffung einer Tracking-Stock-Struktur (vgl. hierzu Kapitel 3.3.6) voraus ging.

96

Vgl. Söffing (2001), S. 35; Odenthal (1999), S. 49.

97

Ob die Auskehrung von Anteilen an den Folgeunternehmen im Rahmen eines Split-up verhältniswahrend oder nicht-verhältniswahrend erfolgt, ist in der Literatur nicht einheitlich. Achleitner (2002), S. 365, geht von beiden Möglichkeiten aus, Odenthal (1999), S. 66, lediglich von einer Wahrung der Eigentumsverhältnisse.

98

Vgl. Odenthal (1999), S. 49.

99

Vgl. Odenthal (1999), S. 65, der darauf hinweist, dass der Begriff Demerger oft auch zur Beschreibung von allgemeinen Abspaltungsvorgängen oder von Spaltungen von Mischkonzernen ohne vorangegangene Fusion verwendet wird.

100

Beispielsweise wurde ein Demerger (u.a. von Aktionärsschützern) im Fall der DaimlerChrysler AG diskutiert, nachdem sich im Anschluss an die Fusion Milliardenverluste bei der US-amerikanischen Tochter Chrysler anhäuften, und - zumindest theoretisch betrachtet und zu diesem

34

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

Abbildung 3-7 stellt grafisch die Unternehmenssituation vor und nach Durchführung eines Split-up dar. Neben der Aufspaltung eines Einheitsunternehmens kann ein Split-up auch zur Teilung von Konzernunternehmen („Aufspaltung der konzern-herrschenden Mutterunternehmung“) oder zur Aufspaltung von einzelnen Konzerngesellschaften („Aufspaltung einer Konzerntochter oder -enkelgesellschaft“) eingesetzt werden.101 In diesen Fällen erfolgt die Vermögensübertragung bereits im Vorfeld der Aufspaltung innerhalb des Konzerns und die eigentliche Aufspaltung betrifft nur die Auskehrung der neu geschaffenen Eigentumsanteile an die Eigentümer der Obergesellschaft. Ein Split-up stellt den gravierendsten Eingriff in die Struktur eines Unternehmens dar und gestaltet sich daher wesentlich komplizierter als ein Sell-off oder ein Spinoff. Es handelt es sich um die vollständige Aufspaltung eines Unternehmens mit gewachsenen Strukturen und einem oft erheblichen, zu verteilenden Betriebsvermögen. Die Aufspaltung, vor allem die Entflechtung von Unternehmensvermögen, Geschäftsprozessen und personellen Organisationsstrukturen, kann sich daher zu einer nicht unkomplizierten und kostenträchtigen Transaktion entwickeln.102 Spin-offs und Split-offs sind unter diesen Gesichtspunkten Split-ups vorzuziehen und sollten deshalb als Spaltungsalternativen im Vorfeld jeder geplanten Restrukturierungsmaßnahme ebenfalls geprüft werden.

Zeitpunkt - der alte Daimler Benz-Konzern ex-Chrysler besser gestellt wäre als mit Chrysler. Vgl. hierzu Lipicki (2000). 101

Vgl. Odenthal (1999), S. 51.

102

Zur Desintegration von unternehmensspezifischen Strukturen und Prozessen bei Unternehmensspaltungen, vgl. Odenthal (1999), S. 318 ff.

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

Ausgangssituation

Durchführung der Transaktion

Bisherige Anteilseigner

Pro-rataZuteilung der Aktien des Tochterunternehmens 1

Mutterunternehmen

Tochterunternehmen 1

35

Anteilseigner (Mutter)

Pro-rataZuteilung der Aktien des Tochterunternehmens 2

Mutterunternehmen

Tochterunternehmen 2

Tochterunternehmen 1

Tochterunternehmen 2

Auflösung des Gesellschaftsmantels

Nach dem Split-Up Bisherige Anteilseigner (halten jetzt 2 Aktien)

(ehemaliges) Tochterunternehmen 1

(ehemaliges) Tochterunternehmen 2

Abbildung 3-7: Split-up eines Konzerns mit zwei bestehenden Tochtergesellschaften103

3.3.6

Tracking Stock „Tracking Stocks sind verschiedene Aktiengattungen, deren Rechte (insbesondere Gewinnbeteiligung und Anspruch auf Liquidationserlös) auf gewisse Geschäftssparten der Emittentin beschränkt sind. [...] Trotz der Spaltung der AG bleibt die Gesellschaft eine juristische Person. Es findet keine rechtliche Aufteilung in Untergesellschaften statt.“104

103

Vgl. Charifzadeh (2002), S. 100.

104

Brauer (1993), S. 324.

36

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

Die Schaffung von Tracking Stock105 (Geschäftsbereichsaktien, divisionalisierte Aktien) weicht von den bisher erörterten Instrumenten des Corporate Restructuring dahingehend ab, dass bei der Schaffung einer Tracking-Stock-Struktur der Unternehmensverband als juristische Einheit bestehen bleibt und lediglich eine neue, zusätzliche Gattung von Aktien geschaffen wird.106 Tracking Stock bildet die Performance einer oder mehrerer genau abgegrenzter, rechtlich jedoch nicht selbstständiger Geschäftseinheiten (so genannter Tracked Units) ab,107 ohne diese aus dem ökonomisch-rechtlichen Gesamtverband herauszulösen, und geben dem Tracking-StockAktionär dabei ein auf den Teilbereich fixiertes Recht auf Gewinnausschüttung und Liquidationserlös.108 Wesentlich für Tracking Stock ist im Vergleich mit den bereits erörterten Instrumenten des Corporate Restructuring, dass die Obergesellschaft bei der Ausgabe von Tracking Stock keinerlei Eigentumsrechte am zugrunde gelegten Geschäftsbereich oder dem Gesamtunternehmen abgibt. Die Rechteabgabe durch die Obergesellschaft ist auf einen anteiligen Gewinnbezug und einen anteiligen Liquidationserlös beschränkt. Einem Unternehmen ist es theoretisch möglich, so viel verschiedene Tracking-Stock-Arten auszugeben, wie es Geschäftsbereiche definieren und abgrenzen kann. Neben der Höhe der Ausschüttungen (Dividenden) an den Tracking-Stock-Aktionär ist die Kursentwicklung der Tracking Stocks eines Unternehmens abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung der jeweilig zugrunde gelegten Tracked Unit. Die Höhe der Dividendenzahlung wird in der Regel in der Art und Weise ermittelt, als handele es sich beim Geschäftsbereich, auf den sich der Tracking Stock bezieht, um ein selbstständiges, unabhängiges Unternehmen („Als-ob-Betrachtung“). Vergleichbar mit traditionellen Stammaktien ist die Obergrenze der ausschüttbaren Mittel durch das Volumen der zur Ausschüttung zur Verfügung stehenden gesamten Mittel des Unternehmens vorgegeben.

105

In der Praxis und in der vorliegenden Arbeit werden die Bezeichnungen Tracking Stock (Gesamtheit der Aktien, Aktiengattung) und Tracking Stocks (Einzelaktien dieser Aktiengattung) synonym verwendet.

106

Vgl. Achleitner (2002), S. 366. Die folgenden Ausführungen zu Tracking Stock orientieren sich primär an Tonner (2002), Bauer (2000), Brauer (1993), Natusch (2000); Natusch (2001a), Natusch (2001b) und Sieger/Hasselbach (1999); Sieger/Hasselbach (2001).

107

Daher auch die Bezeichnung Tracking Stock, von „to track“ (engl.): verfolgen.

108

Vgl. Achleitner (2002), S. 366; Tonner (2002), S. 6. Zur Rechtsstellung des Aktionärs generell (Gewinnbeteiligung, Anspruch auf anteiligen Liquidationserlös, Stimmrecht, Kapitalerhöhung etc.), vgl. ausführlich Tonner (2002), S. 59 ff.

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

37

Abbildung 3-8 stellt beispielhaft die Durchführung einer Tracking-Stock-Emission sowie die Situation nach deren Durchführung dar.

Ausgangssituation

Durchführung der Transaktion

(Herkömmliche Stammaktie) Bisherige Anteilseigner

Bisherige Anteilseigner Bewertung und Ausschüttung abhängig vom Gesamtunternehmen

Neue Anteilseigner (Tracking Stocks) Stimmrechte Cash

Mutterunternehmen

Weitere Geschäftsaktivitäten

Tracking Stocks

Mutterunternehmen

Separierte Geschäftseinheit

Weitere Geschäftsaktivitäten

Separierte Geschäftseinheit

Nach der Tracking-Stock-Restrukturierung Bisherige Anteilseigner

Tracking StockAktionäre Stimmrechte

Bewertung und Ausschüttung abhängig vom restlichen Konzern

Mutterunternehmen

Weitere Geschäftsaktivitäten

Bewertung und Ausschüttung abhängig von Tracked Unit

Tracked Unit

Abbildung 3-8: Tracking-Stock-Emission (Tracking Stock Carve-out) eines Unternehmens mit zwei Geschäftsbereichen109

Die Terminologie im Zusammenhang mit Geschäftsbereichsaktien ist nicht immer einheitlich. Aus dem angelsächsischen Sprachraum wurden Begriffe wie Letter Stocks, Alphabet Stocks oder Targeted Stocks übernommen und zu dem Teil synonym, sowohl untereinander als auch in Bezug auf Tracking Stocks, verwen-

109

Vgl. Charifzadeh (2002), S. 104.

38

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

det.110 Zwar liefern zahlreiche Autoren Definitionen der verschiedenen Typen von Geschäftsbereichsaktien, durchsetzen konnte sich jedoch keine der Definitionen.111 In der Regel diente die Systematisierung speziell der Autoren-individuellen Diskussion dieses Aktientyps, was eine allgemein gültige Typisierung anhand dieser nicht selten divergierenden Definitionen erschwert. Die zahlreichen Definitionen und Bezeichnungen lassen sich auch auf die verschiedenen Typen emittierter Tracking Stocks selbst zurückführen. Abgrenzen lassen sich die verschiedenen Arten von Tracking Stocks durch die jeweiligen, verbrieften Rechte, die der Tracking-Stock-Aktionär innehat. Insbesondere die Ausgestaltung des Gewinnbezugsrechts ist im Regelfall individuell für jede Tracking-StockEmission geregelt. Da eine genaue Differenzierung im Rahmen der vorliegenden Untersuchung allerdings nicht als notwendig erachtet wird, soll im Folgenden von der grundlegenden, wesentlichen Definition von Tracking Stocks durch BRAUER112 ausgegangen werden. Hat sich ein Unternehmen für die Schaffung einer Tracking-Stock-Struktur im Unternehmen entschieden, existieren zwei grundsätzliche Möglichkeiten der Abgabe der Tracking Stocks an die Investoren:113 • Verkauf über den Kapitalmarkt (Tracking Stock Carve-out) Bei einem Verkauf der Tracking Stocks über die Börse werden die neu geschaffenen Anteilsscheine analog zu einem IPO über den organisierten Kapitalmarkt verkauft. Dem Mutterunternehmen, welches den Ausgabekurs mehr oder minder frei in Abhängigkeit des Geschäftsfelds, der Ertragskraft der Tracked Unit sowie der Stückelung der Anteilsscheine, wählen kann, fließen

110

Die Begriffe Letter Stock und Alphabet Stock sind auf die von GM gewählten Bezeichnungen für Geschäftsbereichsaktien (E-Stocks bzw. H-Stocks) zurück zu führen.

111

Vgl. z.B. die Zusammenstellung der verschiedenen Bezeichnungen und Definitionen bei Bauer (2000) und Tonner (2002), S. 6 ff.

112

Vgl. hierzu die zu Beginn dieses Kapitels angeführte Definition von Tracking Stock.

113

Vgl. Annema/Fallon/Goedhart (2001), S. 6. Vgl. hierzu auch ausführlich Tonner (2002), S. 247 ff. Theoretisch muss der Schaffung einer Tracking-Stock-Struktur in einem Unternehmen keine Abgabe an Investoren erfolgen, d.h. die Tracking Stocks könnten bei der Obergesellschaft verbleiben. Allerdings wird gerade in der Börsenemission und der Kapitalmarktnotierung der Sinn von Tracking Stock gesehen.

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

39

hierbei (vergleichbar einem Secondary Equity Carve-out) die Verkaufserlöse direkt zu. • Ausgabe an bisherige Aktionäre der Obergesellschaft (Tracking Stock Spinoff) Hierbei werden die Tracking Stocks an die bisherigen Altaktionäre der Obergesellschaft ohne (finanzielle) Gegenleistungen ausgegeben. Wie bei einem Spin-off kommen die neuen Anteilsscheine den Aktionären in der Regel in Form von Dividenden zu.114 Tracking-Stock-Strukturen ziehen komplexe Corporate-Governance-Strukturen in den jeweiligen Unternehmen nach sich.115 Auf Konzernebene haben Aktionäre USamerikanischer Tracking Stocks im Regelfall ein Stimmrecht bei Entscheidungen, die das gesamte Unternehmen betreffen. Bei Entscheidungen, die schwerwiegende Konsequenzen für die Tracked Unit haben, kann zusätzlich die Zustimmung der Aktionäre dieses Geschäftsbereiches erforderlich sein, das heißt, die Stimmrechtsmehrheit der Aktionärsgesamtheit des Unternehmens (Inhaber von Stammaktien plus Inhaber von Tracking Stocks) wäre in diesen Fällen nicht in jedem Fall ausreichend, um eine Entscheidung durchzusetzen. In den USA ergibt sich der Stimmrechtsanteil der Tracking-Stock-Aktionäre an den gesamten Stimmrechten des Unternehmens aus bereits bei der Tracking-Stock-Emission festgelegten fixen Quoten (insbesondere bei Tracking Stocks der ersten Generation116) oder in Abhängigkeit der relativen Marktkapitalisierung der Tracked Unit im Verhältnis zur aggregierten Marktkapitali-

114

Eine kostenlose Abgabe von Tracking Stock ist jedoch in der Praxis eher unwahrscheinlich, da ein wesentliches Element dieser Aktiengattung gerade die Erzielung von Verkaufserlösen sein wird.

115

Vgl. hierzu und im Folgenden zur Stimmrechtsausgestaltung bei Tracking Stocks in den USA und Europa, Natusch (2001a), S. 499.

116

Als Tracking Stocks der ersten Generation werden Geschäftsbereichsaktien verstanden, die als Grundlage noch eine tatsächlich selbstständige Tochtergesellschaft als Tracked Unit hatten (d.h. es wurden Tracking Stocks für Tochterunternehmen ausgegeben, wobei die Stammaktien der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft verblieben). Tracking Stocks der zweiten Generation, wie sie heute emittiert werden, beziehen sich auf rechtlich unabhängige Geschäftsbereiche. Vgl. hierzu Tonner (2002), S. 9.

40

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

sierung aller Tracking-Stock-Gattungen bzw. des gesamten Unternehmenswerts (Fluctuation Voting Rights).117 Durch die Notwendigkeit, die wirtschaftliche Geschäftsentwicklung der einzelnen Unternehmensbereiche separat beurteilen zu müssen, geht die Ausgabe von Tracking Stock mit einem gesteigerten Informationsbedarf sowohl seitens der Tracking-StockAktionäre als auch des eigenen, internen Rechnungswesens selbst einher.118 Neben einem Konzernabschluss, einem Jahresbericht und Vierteljahrsberichten werden in den USA daher zusätzlich von Wirtschaftsprüfern testierte Abschlüsse und Berichte speziell für die durch die Tracking Stocks umrissenen Geschäftsbereiche erstellt (so genannte Tracked Units Financial Statements (TUFS)).119 Die TUFS sind nach Maßgaben der Börsenaufsichtsbehörde SEC immer zusammen mit dem Konzernabschluss zu verteilen. Bei der Rechnungslegung für Unternehmen mit Tracking-Stock-Struktur treten nicht wenige Probleme und Fragen auf, die jedoch unter Anwendung geeigneter Hilfskonstruktionen gelöst werden können.120 Tabelle 3-1 fasst beispielhaft die wesentlichsten Besonderheiten bei der Rechnungslegung in Unternehmen mit Tracking-StockStruktur zusammen.

117

Durch eine variable Gestaltung des Stimmrechtsanteils kann zudem verhindert werden, dass die Stimmrechte, die sich sowohl bei regulären Aktien wie auch bei Tracking Stocks auf das Gesamtunternehmen beziehen, zu unterschiedlichen Preisen gehandelt werden.

118

Vgl. u.a. Billet/Vijh (2001).

119

Zur speziellen Rechnungslegung bei Tracking Stocks, vgl. Bauer (2000), S. 120 ff.; Tonner (2002), S. 239 f.

120

Zu den allgemeinen Anforderungen und der Praxis der Tracked-Unit-Rechnungslegung in den USA, vgl. Prinz/Schürner (2001), S. 2 ff.

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

Problem

41

Lösung

Bestimmung der Anfangskapitalstruktur der Tracked Units

Æ

Analogieansatz (Peer-Group-Unternehmen)

Verteilung direkt zurechenbarer Jahresabschlussgrößen

Æ

Actual Usage Method

Verteilung nicht direkt zurechenbarer Größen Allgemeiner Verwaltungsaufwand Fremdkapitalzinsen Steuern

Æ

Verwenden von Verteilungsschlüsseln (Umsatz, Arbeitnehmerzahl, Bilanzsumme, Betriebsergebnis, Stand-alone-Basis)

Bewertungsgrundsätze für Transaktionen zwischen Tracked Units

Æ

Arms’ length basis, Reallokation von Eigenkapital

Tabelle 3-1: Wesentliche Probleme und Lösungsansätze der Rechnungslegung bei Tracking Stocks121

Typischerweise werden Tracking Stocks mit Rückabwicklungsrechten und Umwandlungsvorbehalten und -rechten versehen. Insbesondere behält sich der Emittent in der Regel das Recht vor, Tracking Stocks in klassische Aktien der Tochtergesellschaft zu tauschen, falls die Tracked Unit zu einem späteren Zeitpunkt in eine rechtlich selbstständige Tochtergesellschaft ausgegliedert werden sollte.122 Die Ausgabe von Tracking Stock durch ein Unternehmen bedeutet daher in der Realität oft einen ersten Zwischenschritt auf dem Weg zur vollständigen Verselbstständigung eines Geschäftsbereichs und der Börseneinführung eines Tochterunternehmens.123 Unter Umständen kann eine Tracking-Stock-Emission auch dazu dienen, die Vorteilhaftigkeit und den potenziellen Erfolg eines tatsächlichen Equity Carve-outs im Vorfeld

121

Vgl. Natusch (2001b), S. 5.

122

Vgl. Baums (1995), S. 6; Tonner (2002), S. 285 ff. Zur Ausgestaltung dieser Rückabwicklungsrechte, vgl. Sieger/Hasselbach (2001), S. 397.

123

Vgl. Billet/Vijh (2001), S. 24, die belegen konnten, dass eine Großzahl der US-amerikanischen Tracking Stocks vom emittierenden Unternehmen im Zeitablauf in reguläre Aktien umgewandelt wurden und dass diese Umwandlung vom Kapitalmarkt honoriert wird, da dadurch „confusion and conflicts of interest“ zwischen Eignern von Tracking Stocks und Eignern regulärer Anteilsscheine eliminiert werden.

42

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

auszuloten.124 Die Tatsache, dass in den USA in der Vergangenheit zahlreiche Tracking-Stock-Emissionen rückabgewickelt wurden, spricht nach NATUSCH nicht gegen die prinzipielle Struktur von Tracking Stocks, sondern bedeute vielmehr, dass Tracking Stock insbesondere bei Unternehmensparten, deren strategisch-ökonomisch sinnvolle Verwertbarkeit in der Zukunft noch offen ist, zeitlich begrenzt erfolgreich eingesetzt werden können.125 Im Falle einer Insolvenz des Gesamtunternehmens haben Tracking-Stock-Aktionäre ein Anrecht auf einen Anteil am gesamten Erlös der Liquidation, nicht nur am Erlös der Liquidation der „getrackten“ Einheit. Da es sich bei der Tracked Unit nicht um ein rechtlich selbstständiges Unternehmen handelt, kann das Anrecht auf einen Anteil am Liquidationserlös nicht auf die Tracked Unit beschränkt sein. Aus dem gleichen Grund bedeutet eines Insolvenz des Gesamtunternehmens prinzipiell eine Insolvenz der Tracked Unit. Zudem ist eine alleinige Insolvenz der Tracked Unit nicht möglich, da sämtliche Verpflichtungen bei der Obergesellschaft liegen. Sollte die Obergesellschaft die auf die Geschäftstätigkeit der Tracked Unit zurück zu führenden Verpflichtungen nicht erfüllen können, liegt eine Insolvenz des Gesamtunternehmens vor. Da keine rechtliche Übertragung von Aktiva und Passiva vom Mutterunternehmen auf die Tracked Unit erfolgt, haften Tracking-Stock-Aktionäre gesamtschuldnerisch gegenüber Gläubigern des Konzerns mit ihrem investierten Kapitalanteil. Der Erlösanteil des Tracking-Stock-Aktionärs an den Liquidationserlösen des Gesamtunternehmens bestimmt sich entweder anhand zuvor festgelegter Quoten oder des relativen Marktwerts der Tracked Unit im Verhältnis zur Summe der Marktwerte aller Tracking-Stock-Gattungen. Abgesehen von wenigen Tracking-Stock-ähnlichen Finanzinstrumenten des 19. und 20. Jahrhunderts in Europa wurden Tracking Stocks der Gegenwart vornehmlich in den USA emittiert, weshalb die USA auch als Ursprungsland dieser Gattung von

124

Allerdings vermag die Schaffung einer Tracking-Stock-Struktur in Unternehmen widerum effiziente, wertsteigernde Restrukturierungsmaßnahmen, wie z.B. einen Sell-off oder einen Equity Carve-out aufschieben oder sogar verhindern. Vgl. hierzu Nippel/Mertens (2002), S. 27.

125

Vgl. Natusch (2001a), S. 497. In den USA wurden bis Mitte 2001 knapp ein Drittel aller Tracking-Stock-Emissionen rückabgewickelt; vgl. hierzu auch Sieger/Hasselbach (2001), S. 397.

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

43

Aktien gelten.126 Dort wurden Tracking Stocks erstmals 1984 von der General Motors Corp. (GM) ausgegeben. Nach der Übernahme der EDS Corp. erhielten die bisherigen EDS-Aktionäre zwar GM-Aktien,127 allerdings orientierte sich deren Dividendenbezugsrecht an der zukünftigen Ertragskraft der Sparte EDS.128 Mitte 2001 waren ca. 30 Tracking Stocks an den US-amerikanischen Börsen notiert und wiesen zu diesem Zeitpunkt eine Marktgesamtkapitalisierung von mehr als $126 Mrd. auf.129 Mit dem Boom der TIMES-Märkte130 1998-2000 in den USA suchten zahlreiche Unternehmen der Old Economy nach Möglichkeiten, ihre Internetaktivitäten an die Börse zu bringen, um von den hohen Multiplikatoren für Unternehmen der New Economy an der Börse zu profitieren und fanden diese in der Emission von Tracking Stock.131 3.3.7

Weitere Instrumente des Corporate Restructuring

Neben Sell-offs, Equity Carve-outs, Spin-offs, Split-offs, Split-ups, Joint Ventures und Tracking Stocks kommen in der Praxis regelmäßig weitere Instrumente zur Anwendung, die unter Anwendung oder auch Umgehung des Kapitalmarkts eine wesentliche Veränderung der ökonomischen Struktur eines Unternehmens mit sich bringen. Hierzu zählen unter anderen die Entflechtung (staatlich angeordneter Dekonzentrationsprozess), die Realteilung, die Teilbetriebsausgliederung, die übertragende Sanierung, die Fusion, die Kooperation oder das Outsourcing.132 Diese For-

126

Tonner (2001), S. 3, erklärt die US-Kapitalmarktinnovation Tracking Stock insbesondere vor dem Hintergrund eines „flexiblen und weitgehend deregulierten US-amerikanischen Gesellschaftsrechts, das Unternehmen bei gleichzeitig hohen Anforderungen and die Kapitalmarkttransparenz größtmögliche Gestaltungsfreiheit lässt.“ Neben den USA wurden Tracking Stock lediglich in Kanada, Neuseeland und Frankreich emittiert.

127

Es handelte sich damals um so genannte GM E-Stocks. Nach der Übernahme von Hughes Aircraft Corp. 1985 wurden ähnlich strukturierte GM H-Stocks geschaffen.

128

Genau genommen handelte es sich bei den GM E- und H-Stocks um so genannte Subsidiary Shares, da es sich bei EDS Corp. und Hughes Aircraft Corp. um rechtlich selbstständige Tochterunternehmen (allerdings ohne eigenständige börsennotierte Aktien) handelte. Divisional Shares als Tracking Stocks hingegen bilden eine tatsächlich unselbstständige Geschäftseinheit ab. Vgl. hierzu Sieger/Hasselbach (1999), S. 1277 und die Ausführungen in Fn. 116.

129

Vgl. Sieger/Hasselbach (2001), S. 391.

130

TIMES (Abk.): Telekommunikation, Informationstechnologie, Multimedia, Entertainment, Sicherheitsdienstleistungen.

131

Vgl. Natusch (2001a), S. 497; Nippel/Mertens (2002), S. 27.

132

Vgl. zu diesen und anderen Erscheinungsformen von Restrukturierungsinstrumenten die Ausführungen bei Odenthal (1999), S. 60 ff.

44

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

men der Unternehmensrestrukturierungen werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht tiefergehend erörtert, da es sich teilweise nicht (zwingend) um eine Neuordnung der Beziehungen mit Eigenkapitalgebern handelt (Kooperation, Outsourcing), weil es sich um expansive Maßnahmen handelt (Fusion) oder weil es sich um Instrumente handelt, die es in dieser Art und Weise nur in Deutschland gibt und damit die Übertragbarkeit nicht mehr in Frage steht (Realteilung etc.). Liquidation (Beendigung der Erwerbstätigkeit eines Unternehmens und Veräußerung der Vermögensgegenstände) und die planvolle Stilllegung (temporäre bzw. permanente Aussetzung der Produktionstätigkeit) bedeuten die Einstellung der Geschäftstätigkeit einer Unternehmenseinheit, eines bestimmten Tochterunternehmens oder eines ganzen Unternehmens.133 Liquidationen und Stilllegungen durch ein an sich solventes Unternehmen sind in der Regel dann in Betracht zu ziehen, wenn kein Käufer für den betreffenden Unternehmensteil oder das Tochterunternehmen gefunden werden kann, und die Kosten für die Einstellung des Geschäftsbetriebs und der Veräußerung der einzelnen Wertgegenstände zu dem Marktwert in Summe geringer sind, als für die Weiterführung des Geschäftsbetriebs notwendig wären.134 Sie können dahingehend zu einer Steigerung des Unternehmenswerts auf Unternehmensgesamtebene beitragen, indem unrentable und verlustträchtige Geschäftsbereiche und Tochterunternehmen eliminiert werden, die andernfalls das Betriebsergebnis auf der Unternehmensgesamtebene belasten würden. Liquidationen und Stilllegungen sind daher zwar als legitime Restrukturierungsinstrumente anzusehen, erfüllen jedoch nicht den Going-Concern-Anspruch an wertsteigernde Restrukturierungsinstrumente, der von einem Weiterbestehen des betreffenden Unternehmensanteils ausgeht. Abzugrenzen von den betrachteten Restrukturierungsinstrumenten ist die Desinvestition (Exit) einer Beteiligung durch institutionelle Finanzinvestoren (v.a. Venture Capital-, Private Equity- und anderen Kapitalbeteiligungsgesellschaften) und andere Investoren, die bei einem begrenzten Zeithorizont gewerbsmäßig Kapitalanteile an anderen Unternehmen übernehmen und planmäßig zur Erzielung eines Kapitalgewinns zu einem späteren Zeitpunkt wieder veräußern.135 Gleichzeitig stellen diese

133

Vgl. Rechsteiner (1995), S. 22 f., welcher die Liquidation und die Stilllegung als alternative Desinvestitionsformen sieht. Odenthal (1999), S. 72, und Weiher (1996), S. 125, sehen die Liquidation und die Stilllegung als Alternativen zur Unternehmensteilung.

134

Vgl. Taylor (1988), S. 7.

135

Zur Desinvestition von Beteiligungen gewerblicher Investoren, vgl. Achleitner (2001b), S. 527 ff.; Brück (1998).

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring

45

Beteiligungsgesellschaften eine relativ große Käufergruppe für Restrukturierungsobjekte dar. Das heißt durch den Markteintritt von Private-Equity- und Venture-Capital-Gesellschaften erhöhte sich die Zahl der potenziellen Erwerber für abgespaltene und ausgekehrte Unternehmensteile und Unternehmen.136 3.3.8

Kombination von Instrumenten des Corporate Restructuring

Nicht immer lassen sich die mit einer Restrukturierungsmaßnahme verbundenen Erwartungen und Ziele durch eine einzelne Restrukturierungstransaktion abschließend erfüllen. Eine Kombination verschiedener Restrukturierungsmaßnahmen kann daher durchaus erwünscht und vorteilhaft für das betreffende Unternehmen sein. Die Kombination von Restrukturierungsinstrumenten wird in der Regel einem Stufenmodel gleichen, bei dem sich nach Erreichen der ersten Stufe (erste Restrukturierungsmaßnahme) eine oder mehrere weitere Restrukturierungsmaßnahmen anschließen.137 Die zeitnahe Aneinanderreihung kann sich zur Erreichung des Oberziels ShareholderValue-Steigerung und der sich aus den im Folgenden diskutierten Restrukturierungsmotiven abgeleiteten untergeordneten Ziele dienlich erweisen, mag allerdings im Vorfeld mittelfristig geplant sein, um die Erfolgswahrscheinlichkeit der kombinierten Restrukturierungsmaßnahmen zu erhöhen. Folgende sinnvolle Kombinationen von Restrukturierungskonzepten sind beispielsweise denkbar: • Ein Primary Equity Carve-out gefolgt von einem Spin-off der Altanteile der Obergesellschaft am ausgekehrten Unternehmensteil138 (beispielsweise geschehen bei Eli Lilly-Guidant, 3Com-Palm, AT&T-Lucent). • Ein Primary oder Secondary Equity Carve-out, gefolgt von einem Sell-off der verbliebenen Gesellschaftsanteile an einen Individualinvestor oder ein anderes Unternehmen.

136

Vgl. hierzu auch Kap. 5.3.2.2. Copeland/Koller/Murrin (2000), S. 4, gehen davon aus, dass gerade diese Gruppe an Eigenkapitalinvestoren zu einer Belebung des Marktes für Unternehmenskontrolle beigetragen haben und damit die Shareholder-Value-Idee in den Vordergrund rückten.

137

Die parallele Durchführung von Corporate-Restructuring-Maßnahmen wird sich in der Praxis im Regelfall auf mehr als ein Unternehmen bzw. Unternehmensteil beziehen, da die gleichzeitige Durchführung von Corporate-Restructuring-Maßnahmen äußerst aufwendig oder sogar unmöglich ist.

138

Vgl. Löffler (2001), S. 10.

46

3 US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring • Die Schaffung von Tracking Stocks, gefolgt von einer Börsenemission derselben oder einem Spin-off der Anteile (beispielsweise geschehen bei GM-Delphi).

Neben der Kombination von Restrukturierungsmaßnahmen auf Ebene der Obergesellschaft sind auch Restrukturierungsmaßnahmen denkbar, die auf Ebene des ausgekehrten Unternehmensteils ansetzen. Die Abstoßung von nicht-strategischen Beteiligungen und die weitere Fokussierung auf die Kerngeschäftsfelder beim ausgekehrten Unternehmen können dazu beitragen, dessen Attraktivität im Vorfeld eines Börsengangs zu steigern.139

139

Zur Steigerung der Attraktivität eines Desinvestitionsobjekts durch Aufwertungsmaßnahmen, vgl. Achleitner (2002), S. 394.

4 Motive des Corporate Restructuring

4

Motive des Corporate Restructuring

4.1

Systematisierung von Restrukturierungsmotiven

47

Für die Deutung der positiven Marktreaktionen auf die Ankündigung und Durchführung von Restrukturierungsmaßnahmen ist es nicht unwesentlich, die den Restrukturierungsentscheidungen zugrunde liegenden Motive der Entscheidungsträger zu kennen und zu verstehen.140 Die Analyse dieser Motive erlaubt es, retrospektiv Hypothesen darüber aufzustellen, warum es im Einzelnen Restrukturierungsfall zu einer Steigerung des Shareholder Value kam (oder auch nicht) und ermöglicht gleichzeitig eine Diskussion der fundamentalen Frage, warum Unternehmen überhaupt Restrukturierungsmaßnahmen vornehmen (Ob-Entscheidung). Eng verbunden mit der Frage nach den Motiven für eine Corporate-Restructuring-Maßnahme ist die Wahl des optimalen Restrukturierungsinstruments (Wie-Entscheidung), da die tatsächlich erzielten, absoluten Erlöse direkt von der Entscheidung für ein spezielles Instrument des Corporate Restructuring abhängen.141 Aus diesen Gründen sind im Folgenden die wesentlichsten Motive des Corporate Restructuring kategorisiert und erörtert. In den seltensten Fällen wird eine Corporate-Portfolio-Restructuring-Maßnahme durch ein singuläres Motiv gekennzeichnet sein. In der Regel ist von einem Motivbündel auszugehen, welches das Management dazu veranlasst, Restrukturierungsmaßnahmen durchzuführen. Grundsätzlich ist hierbei zu unterscheiden, ob es sich um eine unfreiwillige oder eine freiwillige Restrukturierungsmaßnahme handelt (vgl. hierzu Abbildung 4-1).142

140

Vgl. Frank/Harden (2001), S. 504.

141

Vgl. Frank/Harden (2001), S. 504. Dem widersprechen Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 60, und betrachten verschiedene Restrukturierungsmotive lediglich als notwendig, um die Ursachen von Restrukturierungsmaßnahmen zu begründen, jedoch nicht als hinreichend, um die beobachteten Unternehmenswertsteigerungen zu erklären und zu begründen.

142

Der Grad der Freiwilligkeit einer Corporate-Restructuring-Maßnahme variiert allerdings auch innerhalb der als freiwillig zu bezeichnenden Maßnahmen.

48

4 Motive des Corporate Restructuring

Maßnahmen des Corporate Restructuring

Unfreiwillige Maßnahmen

Freiwillige Maßnahmen

Abbildung 4-1: Systematisierung von Maßnahmen des Corporate Restructuring

Unfreiwillige Restrukturierungsmaßnahmen sind nicht durch das Management des betroffenen Unternehmens motiviert, sondern durch externe Faktoren, die außerhalb des Entscheidungsbereichs des Managements liegen. Die Unternehmensleitung besitzt in diesem Fall wenig oder keinen Handlungsspielraum bezüglich der Ob-Entscheidung und hat nur selten Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Restrukturierungsinstrumenten (Wie-Entscheidung).143 In den meisten Fällen werden unfreiwillige Restrukturierungen durch übergeordnete Instanzen (Staatliche Gewalt) erzwungen. Freiwillige Restrukturierungsmaßnahmen werden in der Regel mit dem Ziel der Unternehmenswertsteigerung durchgeführt. Der Unternehmensleitung stehen (theoretisch) sämtliche Wahlmöglichkeiten zur Gestaltung und Durchführung einer Restrukturierungsmaßnahme zur Verfügung, das heißt, das Unternehmensmanagement kann seinen vorhandenen Handlungsspielraum sowohl bezüglich der Ob-Entscheidung wie auch der Wie-Entscheidung unter Berücksichtigung des strategischen Ziels der Shareholder-Value-Steigerung ausspielen.

143

Vgl. Rechsteiner (1995), S. 36. Zu Ob- und Wie-Entscheidungen bei M&A-Transaktionen, vgl. grundsätzlich Picot (2002), S. 21 ff.

4 Motive des Corporate Restructuring

4.2

49

Unfreiwillige Restrukturierungen

4.2.1

Staatliche Gewalt

Corporate-Restructuring-Maßnahmen, die auf gesetzliche Auflagen oder Gesetzesänderungen zurückzuführen und damit das Ergebnis eines politischen Willensbildungsprozesses sind, treten eher selten auf. Eingriffe des Gesetzgebers in die marktwirtschaftliche Grundordnung sind zwar unter Umständen möglich, jedoch wird selten hiervon Gebrauch gemacht, nicht zuletzt um die Glaubwürdigkeit des Gesetzgebers nicht zu untergraben. Auflagen, Gesetze oder Gesetzesänderungen werden daher nur in jenen Fällen ausgesprochen, in denen sich systemgefährdende Marktkonstellationen ergeben oder bestimmte oder alle Marktteilnehmer, vor allem besonders Schutzwürdige, gefährdet werden. Gesetzliche Regelungen werden in der Realität besonders dann erlassen, wenn ein Unternehmen in mehreren Geschäftsbereichen tätig ist und sich zwischen diesen Geschäftsbereichen Interessenskonflikte oder Risiken ergeben könnten, die eine Gefahr für Dritte darstellen. Das bis 1999 geltende Trennbankensystem in den USA144 verbot zum Beispiel die institutionelle Vereinigung von Wertpapiergeschäft (Investmentbanking) und Einlagen- und Kreditgeschäft (Commercial Banking) unter einem Dach. Es sollte unter anderem durch den Glass-Steagall Act (auch: Banking Act of 1933) und den McFadden Act von 1927 verhindert werden, dass Commercial Banks neben dem Einlagen- und Kreditgeschäft auch das als wesentlich risikoreicher erachtete Wertpapier- und Versicherungsgeschäft betreiben. Die Gefahr, wie sie zu diesem Zeitpunkt gesehen wurde, bestand darin, dass Banken die Einlagen ihrer Kunden dazu verwenden würden, um damit auf eigene Rechnung im Wertpapierhandel tätig zu werden, was wiederum die Gefahr eines Totalverlust des Investments der Bank und damit der Einlage des Kunden nach sich ziehen könnte. Nachdem das Trennbankensystem trotz zahlreicher Gesetzesnovellierungen letztendlich nicht aufrecht erhalten werden konnte, wurde es 1999 durch den GrammLeach-Bliley-Act (Financial Modernization Act) aufgelöst, womit auch den Konzentrationswellen im Finanzdienstleistungsbereich und der Deregulierung der internationalen Finanzmärkte Rechnung getragen wurde. Bereits zuvor war das Trennbankensystem durch die Verselbstständigung der beiden Geschäftsbereiche innerhalb

144

Zur Geschichte des US-amerikanischen Trennbankensystems, vgl. Achleitner (2002), S. 6 ff.

50

4 Motive des Corporate Restructuring

eines Unternehmensverbands und andere Restrukturierungsmaßnahmen umgangen worden. Allerdings ist es US-amerikanischen Banken auch heute nicht möglich, Anteile an anderen Unternehmen zu halten, die nicht aus der Finanzbranche stammen. Aus diesem Grund ist auch die Rolle der Banken im Prozess der Unternehmensrestrukturierungen in den USA wesentlich geringer als in Deutschland, wo die großen Banken und Versicherer zu dem Teil erhebliche Industriebeteiligungen seit Jahrzehnten besitzen. Nicht zuletzt kann aus dieser Vernetzung deutscher Finanzdienstleister und Industrieunternehmen sowie die Kreuzbeteiligungen der Banken und Versicherer selbst, ein erheblicher Restrukturierungsbedarf abgeleitet werden. Der Umfang der Wirtschaftsbeteiligungen vergleichbarer Banken im europäischen Ausland ist zwar vergleichbar hoch mit jenem in Deutschland, jedoch sind diese Beteiligungen im Rahmen einer wertorientierten aktiven Akquisitions- und Desinvestitionsstrategie als eher kurz- bis mittelfristig anzusehen. Werden für Unternehmen gesetzliche Auflagen ausgesprochen, welche direkt oder indirekt die Notwendigkeit einer Unternehmensrestrukturierung einfordern, so ist zu erwarten, dass die Auflagen bzw. die Restrukturierungsmaßnahmen selten mit einer Steigerung des Unternehmenswerts einhergehen, da der Zwang zu einer Restrukturierung eine Änderung der Unternehmensstrategie mit sich ziehen wird und in einer Großzahl der Fälle nicht ausreichend Zeit vorhanden sein wird, eine effektiv wertsteigernde Corporate-Restructuring-Maßnahme zu planen. Es kann jedoch nicht prinzipiell die Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass auch unfreiwillige Restrukturierungsmaßnahmen zu Wertsteigerungen beim restrukturierenden Unternehmen führen.145 Zu den unfreiwilligen Restrukturierungen durch staatliche Gewalt zählen auch die Verstaatlichung und die Enteignung (Expropriation).146 Beide Maßnahmen sind allerdings besonders in den westlichen Industrienationen, wo die Zahl der Privatisierungen jene der Verstaatlichungen bei weitem übersteigt und Enteignungen auf größte Widerstände in der Gesellschaft stoßen, von eher untergeordneter Bedeutung.

145

Ein frühes Beispiel für eine unfreiwillige Restrukturierungsmaßnahme, die eine Wertsteigerung beim betreffenden Unternehmen bewirkte, stellt die Aufspaltung der Standard Oil Comp. der Familie Rockefeller dar. Die Aufspaltung 1911 führte zur Schaffung von 24 Einzelfirmen, die noch heute das Tankstellennetz der USA dominieren.

146

Vgl. Rechsteiner (1995), S. 36.

4 Motive des Corporate Restructuring

51

Auch steht bei diesen Maßnahmen nicht die Steigerung des Shareholder Value als Unternehmensziel oder Motiv für die Restrukturierungsmaßnahme im Vordergrund, weshalb hier nicht weiter darauf eingegangen werden soll. Die häufigsten Auflagen, die eine unfreiwillige Unternehmensrestrukturierung verlangen, sind nicht durch Gesetze oder Gesetzesänderungen induziert, sondern kartellrechtlicher Natur. Angesichts einer zunehmenden Zahl internationaler M&ATransaktionen sind die nationalen und internationalen Kartellrechtsbehörden zunehmend gefragt, geplante Unternehmenszusammenschlüsse und -akquisitionen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation auf den relevanten Märkten zu überprüfen. 4.2.2

Sonderfall: Kartellrechtliche Auflagen

Kartellrechtliche Auflagen als Ursache von Corporate-Restructuring-Maßnahmen sind wesentlich häufiger als gesetzliche Auflagen und sind eng mit Unternehmensverschmelzungen und –übernahmen verbunden. Grundsätzlich soll durch Auflagen der Kartellrechtsinstanzen die Schaffung einer monopolähnlichen Stellung eines Unternehmens verhindert werden. Durch Verschmelzungen und Übernahmen kann eine unerwünschte Konzentration an Marktmacht entstehen, die unter Umständen nicht im Sinne der beteiligten Unternehmen liegt. Kartellbehörden können daher ihre eventuell notwendige Zustimmung zu einem Zusammenschluss oder einer Akquisition von Unternehmen von der Zusage der Unternehmen abhängig machen, bestimmte Unternehmensbereiche oder Tochtergesellschaften nach Vollzug der Transaktion zu veräußern. In den USA gehen Kartellrechtsregelungen (Antitrustgesetze147) in erster Linie auf den Sherman Antitrust Act von 1890 und den Clayton Act von 1914 zurück. Zahlreiche weitere Erlässe sollten immer neue Schlupflöcher verhindern. Der Sherman Act verbietet einerseits Unternehmensverschmelzungen, welche ein Monopol schaffen würden oder die Marktkräfte behindern würden (Section 1) und regelt andererseits die Behandlung eines gewachsenen, natürlichen Monopols (Section 2). Der Clayton Act baut auf den Sherman Act auf, ist allerdings wesentlich detaillierter. Insbesondere wird es Unternehmen untersagt, Anteile an anderen Unternehmen zu erwerben, falls der Wettbewerb hierdurch beeinträchtigt würde (Section 7). Die oberste Kartell-

147

Zur Geschichte der Antitrustgesetzgebung in den USA, vgl. Weston/Siu/Johnson (2001), S. 40 ff.; Gaughan (2002), S. 82 ff.

52

4 Motive des Corporate Restructuring

rechtsbehörde der USA, die Federal Trade Comission (FTC) und das US-amerikanische Justizministerium besitzen mit den Antitrusterlässen der Vergangenheit wirksame Mittel wettbewerbsbeeinträchtigende Monopolstellungen von Unternehmen gerichtlich verhindern oder aufzubrechen zu lassen. Die Aufspaltung der nationalen Telefongesellschaft AT&T in einen nationalen und mehrere regionale Telefondienstleister in den achtziger Jahren in den USA ist ein Beispiel für die erzwungene Restrukturierung nach Section 2 des Sherman Act. Ein aktuelleres Beispiel der Antitrustdiskussion in den USA ist der Fall des Softwareunternehmens Microsoft Corporation, dem vom US-Justizministerium und zahlreichen Bundesstaaten die missbräuchliche Ausnutzung der gewachsenen Monopolstellung vorgeworfen wird. Ein abschließendes höchstrichterliches Urteil ist in weiter Ferne. Die in erster Instanz verhängte Aufspaltung des Konzerns im Zuge eines Split-up wurde von der übergeordneten Instanz widerrufen. Die Antitrustentscheidungen in den USA sind von einem erheblichen Entscheidungsspielraum der zuständigen Behörden (FTC) und der an Unternehmensübernahmen und -verschmelzungen beteiligten Institutionen (SEC, Justizministerium) gekennzeichnet. Dies zeigt sich daran, dass die Entscheidungen von den Umweltbedingungen im Einzelfall und der jeweiligen unternehmensspezifischen Situation abhängig gemacht wurden. So unterscheidet sich die strenge Rechtssprechung der sechziger Jahre wesentlich von den liberaleren Entscheidungen der achtziger und neunziger Jahre. Über den Zeitablauf hinweg betrachtet ging die Zahl der Antitrustentscheidungen mit der Zahl der Transaktionen auf dem M&A-Markt einher:148 Mit einer steigenden Zahl an Unternehmenszusammenschlüssen und –übernahmen stieg auch die Zahl der Fälle, in denen die Kartellrechtsinstanzen tätig wurden und Entscheidungen zu fällen hatten.

148

Restrukturierungen, die durch kartellrechtliche Auflagen verlangt werden, sind heute vor allem auf die gesteigerte Zahl an M&A-Transaktionen zurückzuführen und sind in ihren Inhalten und Auswirkungen selten vergleichbar mit den drastischen Maßnahmen der sechziger Jahre in den USA. Unternehmen haben heute in den USA wie in Europa die Möglichkeit bzw. sogar die Pflicht, geplante Transaktionen ab gewissen Schwellenwerten den zuständigen Kartellrechtsbehörden anzumelden, welche diese dann im Detail prüfen. Bereits im Vorfeld der eigentlichen Transaktion lassen sich auf diese Art und Weise (Desinvestitions-)Maßnahmen erörtern, von deren Durchführung die Behörden ihre Zustimmung abhängig machen.

4 Motive des Corporate Restructuring

53

Die Fusionskontrolle in Deutschland149 erfolgt auf zwei Ebenen: auf nationaler Ebene auf Basis des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) durch das Bundeskartellamt und auf europäischer Ebene auf Grundlage der Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (Fusionskontroll-Verordnung (FKVO)) der Europäischen Kommission. Das GWB spricht von so genannten kontrollpflichtigen Zusammenschlüssen150, die dem Bundeskartellamt anzumelden sind, wenn die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Mio. Euro im letzten Geschäftsjahr erzielt haben und gleichzeitig mindestens ein beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als 25 Mil. Euro im Jahr zuvor erzielt hat.151 Sind diese beiden Tatbestände gleichzeitig gegeben, so kann das Bundeskartellamt einen Zusammenschluss untersagen,152 wenn dieser zu einer marktbeherrschenden Stellung153 des neuen Unternehmens führen würde oder diese verstärken würde.154 2001 gab es 36 Fusionskontrollentscheidungen des Bundeskartellamts (2000: 45, 1999: 40), wobei in einer Großzahl der Fälle Freigaben für die geplanten Zusammenschlüsse erteilt wurden und nur in seltenen Einzelfällen Auflagen zur Freigabe verlangt wurden oder der Zusammenschluss gar untersagt wurde. Die nationalen Regelungen zur Fusionskontrolle rücken mit einer voranschreitenden europäischen Integration zunehmend in den Hintergrund. An ihre Stelle treten die Bestimmungen des europäischen Wettbewerbsrechts. Die europäische Fusionskontrollverordnung FKVO nimmt sich Zusammenschlüssen155 von Unternehmen an, die gemeinschaftsweite Bedeutung haben. Eine gemeinschaftsweite Bedeutung ist dann

149

Zu einer detaillierten Darstellung und Erörterung der Bestimmungen der deutschen Fusionskontrolle, vgl. Bundeskartellamt (2000a); Montag (1998), S. 755 ff.

150

Zur gesetzlichen Definition von Zusammenschlüssen, vgl. Bundeskartellamt (2000b), S. 5.

151

Vgl. Bundeskartellamt (2000b), S. 3.

152

Vgl. § 36 Abs. 1 GWB.

153

Zu dem Begriff der Marktbeherrschung siehe § 19 Abs. 2 und Abs. 3 GWB.

154

Nach § 36 Abs. 1 GWB kann das Bundeskartellamt von der Untersagung absehen, wenn die Unternehmen nachweisen können, dass die Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen durch einen Zusammenschluss die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen. Bei einem gegebenen „überragenden Interesse der Allgemeinheit“ kann das Bundesministerium für Wirtschaft in einer Einzelfallentscheidung nach § 42 GWB auch bei existierender bzw. drohender Marktbeherrschung einen Zusammenschluss genehmigen (Ministererlass).

155

„Zusammenschlüsse“ umfassen hierbei sowohl Verschmelzungen als auch Akquisitionen von Unternehmen.

54

4 Motive des Corporate Restructuring

gegeben, wenn erstens ein weltweiter Umsatz aller beteiligten Unternehmen zusammen von mehr als 5 Mrd. Euro erzielt wird, und zweitens ein gemeinschaftsweiter Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen von jeweils mehr als 250 Mil. Euro erzielt wird.156 Sind diese Zusammenschlusstatbestände gegeben, kann die Europäische Kommission nach Art. 2 FKVO Zusammenschlüsse dann verbieten, wenn der Zusammenschluss zu einer beherrschenden Stellung des Unternehmens führen würde oder diese verstärken würde.157 Die FKVO spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Nichtvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt. Ist eine gemeinschaftsweite Bedeutung nicht gegeben, so verlangt die FKVO die Anwendung nationaler Wettbewerbsbestimmungen.158 Nicht selten verlangt die europäische Kartellrechtskommission Konzessionen von den Vertragsparteien, bevor sie ihre Zustimmung erteilt. So geschehen zum Beispiel bei der Übernahme der deutschen Mannesmann AG durch die britische Vodafone Air Touch Plc. 2000 ist, als die Zustimmung der Kommission zur Übernahme mit der Maßgabe der Veräußerung des erst im Jahr zuvor durch Mannesmann erworbenen britischen Mobilfunkunternehmens Orange erging. Ohne diese Desinvestition hätte Vodafone durch die Akquisition von Mannesmann auf dem Heimatmarkt Großbritannien eine monopolähnliche Marktposition eingenommen. Zu einem Aufbrechen eines gewachsenen Monopols durch Desinvestitionsmaßgaben ist es in Europa bisher noch nicht gekommen. Nicht zu verwechseln mit Kartellrechtsauflagen, aber eng damit verbunden, sind Liberalisierungs- und Deregulierungsentscheidungen ehemals staatliche Unternehmen vor allem im Telekommunikations-, Wasser-, Strom-, Gas- oder Schienenbereich betreffend. Hierbei handelt es sich um die Auflösung eines zuvor erwünschten Monopols durch Zulassung und Ermöglichung von Wettbewerb in den genannten leitungsgebundenen Geschäftsfeldern. Allerdings sind im Rahmen dieser Deregulierungsbestrebungen auch Kartellrechtsauflagen möglich. So wurde zum Beispiel in Deutschland bei der Privatisierung des ehemals staatlichen Telekommunikationsmonopols von der 1995 neu gegründeten Deutschen Telekom AG eine wesentliche Ver-

156

Vgl. Art. 1 Abs. 2 FKVO. Zu den Ausnahmen dieser Regelungen siehe Art. 1 Abs. 2 b und Abs. 3 FKVO.

157

Zu den Umsatzschwellen und den Zusammenschlusstatbeständen der FKVO, vgl. Bundeskartellamt (2000a).

158

Vgl. Art. 21 FKVO.

4 Motive des Corporate Restructuring

55

ringerung ihrer Beteiligung am Fernsehkabelnetz verlangt. Die Europäische Kommission sah es kartellrechtlich als problematisch an, dass die Deutsche Telekom AG eine monopolähnliche Stellung bei der physischen Fernsehkabelinfrastruktur hatte und gleichzeitig nahezu uneingeschränkt über die Einspeisung von Fernsehprogrammen in die lokalen Kabelnetze entscheiden konnte. Einen interessanten Fall im Zusammenhang mit Kartellrechtsauflagen stellt die Verschmelzung der VEBA AG und der VIAG AG 2000 zur E.ON AG dar. Die Kartellbehörden haben ihre Zustimmung zur Fusion der beiden deutschen Energiekonzerne abhängig von der Maßgabe gemacht, nach Vollzug der Transaktion die Beteiligungen an VEAG, dem Braunkohleförderer LAUBAG und dem Berliner Stromversorger BEWAG innerhalb einer gesetzten Frist zu veräußern. Allerdings war E.ON ungewollt nicht in der Lage, diese Frist der Kartellbehörden einzuhalten, da u.a. der Verkauf an der BEWAG durch einen ausländischen Großaktionär (Mirant Corp.) blockiert wurde. Rechtlich gesehen stellte sich daher die Frage, ob der Zusammenschluss von VEBA und VIAG überhaupt Gültigkeit hat, da eine wesentliche Forderung der Kartellbehörden nicht erfüllt worden war. Angesichts der Tatsache, dass sich E.ON bis zu dem Ablauf der Frist unzweifelhaft darum bemüht hatte, die Beteiligung zu veräußern, und dies auch nach Frist noch glaubhaft zu erreicht versuchte, haben sich die Kartellbehörden zu dem Sachverhalt der zweifelhaften rechtlichen Gültigkeit der Fusion eher zurückhaltend geäußert. Angesichts der Tatsache, dass Kartellrechtsbehörden bestimmte Unternehmenskonstellationen, die vom Management eines Unternehmens befürwortet werden, verhindern bzw. sogar aufbrechen, ist theoretisch zu erwarten, dass sich der aggregierte Unternehmenswert der Teilunternehmen nach einer Auf- oder Abspaltung verringern wird, da die Transaktion den Interessen des Managements widerspräche.159 Die Untersuchung von ELLERT ist eine der wenigen, die sich mit den Auswirkungen von Antitrustklagen bzw. den durch Antitrustentscheidungen erzwungenen Restrukturierungen auf den Shareholder Value von Unternehmen in den USA beschäftigt hat.160 Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Renditen der Aktien von Unternehmen, bei denen ein Kartellrechtsverfahren eingeleitet wurde, in den acht Jahren vor einer Kartellrechtsentscheidung tatsächlich höher waren als jene von Unternehmen, die

159

Vgl. Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 57.

160

Vgl. Ellert (1976).

56

4 Motive des Corporate Restructuring

kartellrechtlich unbelastet blieben.161 Die Ankündigung, ein Kartellrechtsverfahren gegen ein Unternehmen einzuleiten, führte im Durchschnitt zu Aktienkursverlusten von lediglich zwei Prozent. Im Zeitraum nach der Ankündigung hingegen unterschieden sich die Renditen von Unternehmen, denen tatsächlich Desinvestitionen zur Auflage gemacht wurden, nicht signifikant von jenen, bei denen das Kartellrechtsverfahren ergebnislos blieb. Die Ergebnisse ELLERTs zusammenfassend bedeutet dies, dass Monopolrenten162 tatsächlich existieren, diese zu einer überdurchschnittlichen Aktienkursentwicklung beitragen, und selbst Kartellrechtauflagen nicht vermögen, diese „monopolistische Konzentration an Unternehmenswert“ aufzulösen.163 Neben einem Sell-off oder einem Split-up aufgrund kartellrechtlicher Auflagen können jedoch auch andere Restrukturierungsinstrumente zur Anwendung kommen, welche einerseits den kartellrechtlichen, juristischen Anforderungen an das Unternehmen genügen, andererseits aber gleichzeitig keine kostenträchtige absolute, vollständige Trennung von Unternehmensteilen oder Tochterunternehmen zu dem Nachteil der Anteilseigner nach sich ziehen. So wurde zum Beispiel im Kartellrechtsverfahren um Microsoft diskutiert, inwieweit sich der Missbrauch der monopolähnlichen Stellung des Unternehmens auf dem Markt für Personal Computer in der Zukunft durch einen Spin-off oder einen Split-off ausschließen lassen könnte, anstatt einer vollständigen Aufspaltung des Konzerns, von der wertmindernde Konsequenzen erwartet werden.164 Die Aufspaltung von Microsoft nach den ersten Maßgaben des Gerichts in zwei unabhängige Unternehmen gemäß den Unternehmenssparten Betriebssysteme und Softwareanwendungen würde Untersuchungen zur Folge entweder zu erheblichen Kosten für die Anteilseigner oder zu einem erheblichen Werttransfer zwischen einzelnen Anteilseignergruppen führen. Als Alternativen mit weniger schwerwiegenden finanziellen Konsequenzen werden hier ein Spin-off mit anschließendem Sell-off, eine Nicht-Pro-rata-Verteilung der neuen Aktien oder eine Pro-rata-Verteilung der Aktien mit anschließender Neutralisation der Stimmrechte, diskutiert.

161

Vgl. Ellert (1976), S. 729. Vgl. Auch Fn. 145.

162

Volkswirtschaftlich gesehen ergeben sich Monopolrenten durch die Möglichkeit des Monopolisten, einen geringeren Output zu produzieren und diesen Output zu einem höheren Preis abzusetzen, als es ihm auf einem Wettbewerbsmarkt möglich wäre.

163

Ellert (1976), S. 729.

164

Ziel einer Kartellrechtsentscheidung dar es prinzipiell nicht sein, Unternehmenswerte zu mindern. Ziel muss die Verhinderung wettbewerbsgefährdender Strukturen sein. Zu den finanzwirtschaftlichen Problemen einer Aufspaltung von Microsoft, vgl. z.B. Bebchuk/Walker (2000).

4 Motive des Corporate Restructuring 4.2.3

57

Kurzfristige Abwehr feindlicher Übernahmen

Sind Unternehmen unmittelbar durch eine feindliche Übernahme bedroht, kann das Management des Unternehmens mit Billigung der Anteilseigner die Übernahme durch Abspaltung oder Veräußerung eines Unternehmensteils zu verhindern versuchen. Voraussetzung für das Gelingen einer Transaktion dieser Art ist, dass der Corporate Raider165, das heißt jenes Unternehmens166, welches die feindliche Übernahme initiiert, genau jenen Unternehmensteil besitzen möchte, der nun abgespalten oder veräußert werden soll. Im angloamerikanischen Sprachraum spricht man in diesem Zusammenhang auch vom „Crown Jewel“ eines Unternehmens.167 Spaltet ein von einer feindlichen Übernahme bedrohtes Unternehmen einen bestimmten, wertvollen Unternehmensteil (das Juwel) ab und verkauft diesen an einen Dritten, wird das verbleibende Rumpfunternehmen als Übernahmeziel für den Corporate Raider uninteressant. Auf- und Abspaltungen von Unternehmen sind daher als ein gut geeignetes Mittel zur Abwehr unmittelbarer feindlicher Übernahmen zu sehen.168 Werden Unternehmensrestrukturierungen als kurzfristige Abwehrmaßnahmen gegen feindliche Übernahmeangebote eingesetzt, handelt es sich zwar um eine theoretisch freiwillige Maßnahmen, jedoch muss aufgrund des zwingenden Charakters angesichts der unmittelbaren Bedrohung durch einen Corporate Raider jede durchgeführte Restrukturierungsmaßnahme als unfreiwillig eingeordnet werden.169 Dies gilt insbesondere hinsichtlich der zu erwartenden Konsequenzen für den Unternehmenswert des bedrohten Unternehmens, der bei einer Abspaltung des Kronjuwels erheblich unter Druck geraten dürfte. Selten dürfte sich unter diesen Umständen ein angemessener Verkaufspreis erzielen lassen. Inwieweit das Management eines Unternehmens Abspaltungen und Verkäufe von Geschäftsbereichen zur Abwehr feindlicher Übernahmen unter Inkaufnahme negativer Auswirkungen auf den Aktienkurs einsetzen soll und darf, ist nicht immer offensichtlich. Immerhin bedeutet in diesem Fall die ungeplante, kurzfristige Auf- oder Abspaltung eines Unternehmens(teils) als Abwehrmaßnahme zur Wahrung der Unabhängigkeit eine konzertierte Aktion zur Verringerung des Unternehmenswerts 165

Von „Raider“ (engl.): Angreifer.

166

Es kann sich in der Praxis auch um eine einzelne Person handeln.

167

Vgl. Weston/Siu/Johnson (2001), S. 350.

168

Vgl. Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 54; Kaiser/Stouraitis (1995), S. 165.

169

Vgl. Achleitner (2002), S. 371.

58

4 Motive des Corporate Restructuring

(durch Verkauf des „Kronjuwels“), um das Unternehmen als Übernahmeobjekt weniger attraktiv erscheinen zu lassen.170 Hat sich das Unternehmen zu einer Steigerung des Shareholder Value verpflichtet, so ist im Fall eines feindlichen Übernahmeangebots genau zu prüfen, welche Alternative den Nutzen der Anteilseigner stärker steigert: eine hohe Übernahmeprämie bei Beibehaltung des Status quo (mit der wahrscheinlichen Konsequenz einer Übernahme) oder die Wahrung der unternehmerischen Unabhängigkeit durch Desinvestition des betreffenden Unternehmensteils. Um zu verhindern, dass sich das Management eines Unternehmens, für das ein Übernahmeangebot abgegeben wurde, nicht im Sinne der Anteilseigner unternehmenswertmaximierend verhält bzw. ihre Position in einer Übernahmeschlacht missbrauchen, besteht in den USA die grundsätzliche Möglichkeit, das Management im Rahmen einer Gruppenklage (Class Action) auf Schadenersatz zu verklagen, falls die Abwehrmaßnahme gegen die Interessen der Anteilseigner verstößt. In Deutschland sind Gruppenklagen nach US-amerikanischem Muster hingegen nicht möglich, außerdem fehlt in diesem Fall eine gesicherte Rechtsgrundlage, auf welcher die Unternehmenseigentümer ex-post ihre Rechte geltend machen könnten. Die vehemente Diskussion um die Neutralität des Managements, für dessen Unternehmen ein Übernahmeangebot abgegeben wurde, bzw. dessen Möglichkeiten, ein konkretes Übernahmeangebot abzuwehren oder unmöglich zu machen, zeigt, dass neben dem grundsätzlichen Ziel der Steigerung des Shareholder Value auch die Unabhängigkeit des Unternehmens in Deutschland in manchen Fällen hoch bewertet wird und damit der Verteidigung gegen Übernahmen lohnen kann.

4.3

Freiwillige wertsteigernde Restrukturierungen

4.3.1

Systematisierung wertsteigernder freiwilliger Restrukturierung

Freiwillige Unternehmensrestrukturierungen sind in den westlichen Industrienationen zahlenmäßig weit häufiger vorzufinden als unfreiwillige Restrukturierungsmaßnahmen. Während unfreiwillige Restrukturierungen ihren Ursprung in gesetzlichen und kartellrechtlichen Auflagen haben oder als Ad-hoc-Maßnahme zur Abwehr eines konkreten (feindlichen) Übernahmeangebots dienen, sind freiwillige Restrukturie-

170

Kaiser/Stouraitis (1995), S. 165, sehen gerade in der Möglichkeit, die Struktur eines Unternehmens so zu verändern, dass eine Übernahme oder Verschmelzung möglich wird, eine Chance, zusätzliches Wertpotenzial zu erschließen. Das heißt, in diesem Fall würde nicht das Crown Jewel verkauft werden, sondern die übrigen Geschäftsbereiche.

4 Motive des Corporate Restructuring

59

rungen in der Regel das Ergebnis eines länger andauernden, sorgfältigen Entscheidungsprozesses beim Management des betreffenden Unternehmens. Das grundsätzliche Problem bei multidimensionalen Entscheidungen, wie beispielsweise Corporate-Restructuring-Entscheidungen, besteht darin, die verschiedenen tatsächlichen Ziele zu identifizieren. Die schrittweise Ordnung und Konkretisierung der Ziele sowie deren Einordnung in eine Zielhierarchie von Final-, Modal- und Subzielen erleichtert es dem Entscheider nicht nur, die jeweiligen angestrebten Konsequenzen einer Entscheidung zu operationalisieren, sondern vereinfacht auch eine Abwägung der verschiedenen Entscheidungsalternativen. Das Finalziel freiwilliger Verkäufe, von Auf- und Abspaltungen oder von Ausgliederungen von Geschäftsbereichen und Tochtergesellschaften ist in nahezu allen Fällen die Steigerung des Shareholder Value. Modalziele, also Ziele, die hierarchisch dem Finalziel unterzuordnen sind und zu dessen Erreichung beitragen sollen, sind im Zielsystem des Corporate Restructuring primär die Schließung von Wahrnehmungs-171 und Wertlücken172. Diesen Modalzielen hierarchisch untergeordnet ist eine Vielzahl von Teilzielen (Subzielen), deren Erreichung wiederum einen Beitrag zu dem Erreichen des Finalziels Unternehmenswertsteigerung beiträgt. Das Kernmotiv von Corporate-Restructuring-Maßnahmen ist in der Regel die Rückführung der Diversifikation bzw. die Auflösung konglomerater Unternehmensstrukturen, so SADTLER/CAMPBELL/KOCH: „Almost every company undertaking breakup offers the justification of focus.“173 Neben diesem Basismotiv existieren weitere Einzelmotive für Unternehmensrestrukturierungen. Die Motive für die Durchführung einer bestimmten Maßnahme zur Erreichung des gesetzten Modalziels bzw. des Modalzielbündels sind äußerst vielfältig und von der Situation des einzelnen Unternehmens, von seinem ökonomisch-rechtlichen Umfeld und von der Einstellung des Unternehmensmanagements abhängig. Selten ist bei der Betrachtung der Motivation für eine Restrukturierungsmaßnahme ein Restrukturierungsmotiv mono171

Wahrnehmungslücken äußern sich in diesem Fall in einer Differenz von fundamentalem Unternehmenswert und Marktwert und haben ihre Ursachen in dem Informationsnachteil unternehmensexterner Investoren gegenüber dem Management. Vgl. hierzu Achleitner/Charifzadeh (2001), S. 762; Copeland/Koller/Murrin (2000), S. 20 ff.

172

Wertlücken äußern sich in diesem Fall in einer Differenz zwischen dem aktuellen fundamentalen Unternehmenswert und dem potenziellen, optimierten fundamentalem Unternehmenswert nach Durchführung von Corporate-Restructuring-Maßnahmen. Vgl. hierzu Achleitner/Charifzadeh (2001), S. 763; Copeland/Koller/Murrin (2000), S. 20 ff.

173

Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 40. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 4.3.2.

60

4 Motive des Corporate Restructuring

kausal ausschlaggebend für die Art und Weise, wie eine Maßnahme durchgeführt werden soll bzw. ob die Eigentumsverhältnisse in einem Unternehmen überhaupt verändert werden sollten.174 Eine Systematisierung der verschiedenen existierenden Motive für Corporate-Restructuring-Maßnahmen kann auf vielfältige Art und Weise erfolgen. Zielführend ist jedoch die generelle Unterscheidung der Motive anhand der Kriterien Handlungsbedarf und Stimulusinitiierung. Unter dem Kriterium des Handlungsbedarfs können proaktive oder reaktive Momente identifiziert werden, die zu Corporate-Restructuring-Maßnahmen führen können:175 • Kennzeichnend für proaktive Momente des Corporate Restructuring ist das Fehlen eines akuten Handlungsbedarfes, der von der Unternehmensleitung eine Änderung des Status quo hinsichtlich der Unternehmensstruktur geradezu „erzwingen“ würde. Das heißt, eine Maßnahme wird in diesen Fällen „vorbeugend“, in einer Großzahl der Fälle zur Vermeidung von Problemen und der Verminderung der Gefahr einer Unternehmenskrise oder zur Wahrung zukünftiger Chancen, durchgeführt. Auch längerfristige Strategievorgaben können in diesem Zusammenhang Corporate-Restructuring-Maßnahmen motivieren.176 • Ist die zukünftige Existenz des Unternehmens gefährdet, eine krisenähnliche Situation also bereits eingetreten, eine defensive Entscheidung unausweichlich und ohne wesentliche zeitliche Verzögerung zu treffen, spricht man von reaktiven Momenten.177 Eine reaktive Unternehmensstrukturierung kann ihre Ursachen insbesondere in einer Anpassung an geänderte Marktbedingungen oder in einer Korrekter einer bisher nicht wertmaximierenden Unternehmens-

174

Zur Tatsache, dass Unternehmensrestrukturierungen und Desinvestitionen aus einer Vielzahl von Gründen gleichzeitig erfolgen können, vgl. Gusinde (2000), S. 32; Taylor (1988), S. 22.

175

Die Unterscheidung in proaktive und reaktive Restrukturierungsmotive geht auf die Systematisierung von Desinvestitionsmotiven bei Rechsteiner (1995), S. 37, zurück. Diese Art der Systematisierung muss sich jedoch den grundsätzlichen Vorwurf gefallen lassen, dass es diskussionswürdig ist, ob das Management eines Unternehmens bei fehlendem, nicht existierendem Stimulus („Druck von Außen“) überhaupt den gegebenen Status quo verändern würde.

176

Vgl. Weiher (1996), S. 13.

177

Weiher (1996), S. 12, spricht in diesem Zusammenhang auch von „operativ krisenbedingten Desinvestitionsmotiven“.

4 Motive des Corporate Restructuring

61

politik finden.178 Reaktive Corporate-Restructuring-Maßnahmen können in vielen Fällen auch direkt auf vorangegangene Entwicklungen und (Einzel-) Entscheidungen zurückgeführt werden, die sich für das Unternehmen als wenig vorteilhaft herausstellten.179 Proaktiven wie reaktiven Momenten gemein ist die Tatsache, dass der Unternehmensleitung theoretisch (noch) alle Handlungs- und Restrukturierungsalternativen offen stehen, es sich also um eine freiwillige Corporate-Restructuring-Maßnahme handeln würde, sollte das Ergebnis der Entscheidungsfindung die Durchführung eine Unternehmensrestrukturierung fordern. Freiwillige Restrukturierungen, unabhängig davon ob proaktiv oder reaktiv, lassen sich weiterhin einteilen in extrinsisch motivierte Maßnahmen und intrinsisch motivierte Maßnahmen.180 • Extrinsisch motivierte Restrukturierungen sind auf unternehmensexterne Faktoren zurückzuführen, welche die Unternehmensführung dazu veranlassen, den Verkauf, die Auf- oder Abspaltung oder die Ausgliederung eines Geschäftsbereichs für unternehmenswertsteigernd zu erachten. Der extrinsische Impuls kann hierbei beispielsweise seinen Ursprung in den Erfordernissen der (Kapital-)Märkte haben, die Konsequenz einer veränderten Wettbewerbssituation sein oder als Antwort auf staatliche Regulierung erfolgen.181 Im Gegensatz zu den im vorangegangenen Kapitel dargestellten unfreiwilligen Restrukturierungen liegt bei den extrinsisch motivierten Maßnahmen kein „Zwang“ zur Durchführung einer Restrukturierung vor. Vielmehr wird auf-

178

Vgl. Löffler (2001), S. 56.

179

Vgl. Taylor (1988), S. 22.

180

Diese Unterscheidung beruht auf einer in der einschlägigen Literatur gebräuchlichen Vorgehensweise und wird unter anderen von Odenthal (1999) im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Analyse möglicher Motive für eine Unternehmensteilung verwendet. Weiher (1996), S. 12, greift ebenfalls auf diese Differenzierung zurück. Taylor (1988), S. 21, spricht hierbei von so genannten „divesture-triggering events“, die unternehmensinternen oder unternehmensexternen Ursprungs sein können.

181

Vgl. Löffler (2001), S. 56; Odenthal (1999), S. 75.

62

4 Motive des Corporate Restructuring grund externer Faktoren eine Unternehmensrestrukturierung für vorteilhaft erachtet und daher gewissenhaft erörtert und geplant.182 • Intrinsisch motivierte Restrukturierungen haben ihren Ursprung in einer wenig vorteilhaften Konstellation unternehmensinterner Faktoren oder rühren von einer veränderten Unternehmensstruktur her. Einflussfaktoren können beispielsweise eine Änderung der Unternehmenspolitik, der Strategie des Unternehmens, des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses oder der Organisationsoder Mitarbeiterstruktur sein.183 In diesem Fall sieht die Unternehmensleitung das Wachstum und die Wertentwicklung des Unternehmens durch Faktoren gehemmt, die innerhalb ihres Machtbereichs liegen. Restrukturierungsmaßnahmen dienen in diesem Zusammenhang der Auflösung dieser Hemmnisse. Die Annahme einer intrinsisch motivierten, freiwilligen Fehlerkorrektur setzt allerdings das Vorhandensein eines „im Sinne der Aktionäre effizient handelnden Management“ voraus.184 Wesentliches Differenzierungsmerkmal zwischen den im vorangegangenen Kapitel dargestellten unfreiwilligen Restrukturierungsmaßnahmen und den in diesem Kapitel diskutierten wertsteigernden, reaktiv extrinsisch motivierten Maßnahmen ist, dass bei Letzteren die Initiative von Seite der Unternehmensleitung ausgeht, während bei unfreiwilligen Restrukturierungen Entscheidungen durch außen stehende Instanzen und Faktoren erzwungen werden.

Aus Abbildung 4-2 ist die Systematisierung der einzelnen Motive für unternehmenswertsteigernde Corporate-Restructuring-Maßnahmen ersichtlich.185

182

Es zeigt sich hier, dass die beiden Kriterienausprägungen reaktives Moment und extrinsisch motiviert unter Umständen nur bedingt von einander abgegrenzt werden können.

183

Vgl. Odenthal (1999), S. 75

184

Vgl. Löffler (2001), S. 56.

185

Die Auflistung erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt auch keine exklusive Bewertung resp. kein Ranking der einzelnen Motive des Corporate Restructuring dar. Weitere, Einzelfall-spezifische Motive für Corporate-Restructuring-Maßnahmen sind u.a. bei Odenthal (1999), S. 74; Taylor (1988), S. 21 ff.; Weiher (1996), S. 14 f.; Rechsteiner (1995), S. 37 ff. zu finden. Neben der hier verwendeten Systematisierung existieren weitere: Taylor (1988) unterscheidet bspw. neben unternehmensintern und -extern induzierten Restrukturierungsmaßnahmen weiter in Motive, die einen finanzwirtschaftlichen oder organisatorischen Hintergrund haben, die auf Konzerneben oder auf Ebene eines Tochterunternehmens oder einer Geschäftseinheit ansetzen.

4 Motive des Corporate Restructuring

63

• Abwendung notwendiger Investitionen • Schaffung einer Akquisitionswährung • Einführung variabler Vergütungssysteme • Komplexitätsreduktion • Höhepunkt des Produktlebenszykluses

II

Intrinsisch motiviert (unternehmensinterner Stimulus)

III

• Auflösung von Dyssynergien • Strategische Neuausrichtung • Steigerung der Rentabilität • Steigerung des Gewinns • Beschaffung liquider Mittel • Portfoliobereinigung nach M&ATransaktionen • Rückgängigmachung von Entscheidungen • Planung der Unternehmensnachfolge • Ende des Produktlebenszykluses • Abbau von Überkapazitäten

Proaktiv (kein akuter Handlungsbedarf) I

Reaktiv (akuter Handlungsbedarf)

Extrinsisch motiviert (unternehmensexterner Stimulus)

IV

• Abwendung von Problemen • Steuerersparnisse

• Erzielung einer effizienten Kapitalmarktbewertung • Erschließung zusätzlicher Finanzierungsquellen • Kaufangebot und Realisation von Buchgewinnen • Langfristige Abwehr feindlicher Übernahmen

Abbildung 4-2: Systematisierung wertsteigernder freiwilliger Restrukturierungsmaßnahmen186

Die grundsätzlichen hintergründigen Fragestellungen, zu deren Lösung die Systematisierung der Motive freiwilliger wertsteigernder Corporate-RestructuringMaßnahmen beitragen soll, sind die Folgenden: 186

Die Abbildung stellt eine Auswahl der in der Literatur und Praxis am häufigsten angeführten Auslösefaktoren für Unternehmensrestrukturierung dar. Vgl. hierzu z.B. Charifzadeh (2002), S. 181 ff.; Achleitner (2002), S. 372 ff.; Gaughan (2002), S. 401 ff.; Gusinde (2000), S. 32; Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 42; Schultze (1998), S. 107 ff.; Löffler (2001), S. 56 ff.; Odenthal (1999), S. 74 ff.; Rechsteiner (1995), S. 36 ff.; Hasselmann (1997), S. 26 ff.

64

4 Motive des Corporate Restructuring

• Sind die Motive, mit denen Restrukturierungsmaßnahmen in den USA begründet wurden und werden, identisch mit den Motiven, die in Deutschland für die Durchführung eine Corporate-Restructuring-Maßnahme vorgebracht werden bzw. vorgebracht werden können? • Gibt es in Deutschland andere oder zusätzliche Motive für Corporate-Restructuring-Maßnahmen bzw. welche Motive sind in Deutschland im Vergleich mit den USA von untergeordneter bzw. übergeordneter Bedeutung? • Gibt es Unterschiede zwischen den USA und Deutschland bezüglich der Corporate-Restructuring-Maßnahmen-auslösenden Faktoren, das heißt, werden beispielsweise in den USA in der Mehrheit intrinsisch motivierte Maßnahmen durchgeführt während in Deutschland vorwiegend extrinsische Motive vorherrschen, bzw. handelt es sich in den USA mehrheitlich um proaktive Restrukturierungsmaßnahmen während in Deutschland Corporate-Restructuring-Maßnahmen insbesondere als Reaktion auf eine krisenähnliche Situation durchgeführt? Die einzelnen Motive für freiwillige unternehmenswertsteigernde CorporateRestructuring-Maßnahmen werden im Folgenden ausführlich erörtert. 4.3.2 Basismotiv wertsteigernder Restrukturierungsmaßnahmen: Auflösung von Konglomeraten Im Zuge einer zwar schwankenden, aber stetig wachsenden Anzahl von M&ATransaktionen und der Annahme der strategischen Managementlehre, dass Unternehmensgröße selbst einen Wert an sich darstellt, kam es in den USA sechziger und siebziger Jahren und zeitlich nachgelagert auch in Europa bis Anfang der neunziger Jahre zur Schaffung stark diversifizierter Industriekonglomerate.187 Die Managementlehre der sechziger Jahre in den USA empfahl die Schaffung von Konglomeraten, um das Unternehmensrisiko zu senken und von Synergieeffekten zwischen den einzelnen Geschäftsfeldern zu profitieren. Darüber hinaus herrschte die Meinung vor, dass Managementexpertise ohne größere Probleme auf andere, branchenfremde Geschäftsbereiche übertragen werden kann und somit zusätzliche, profitable Geschäftsfelder erschlossen werden konnten. Tatsächlich konnten auch einzelne

187

Vgl. hierzu auch die einleitenden Ausführungen in Kap. 1. Zu einer retrospektiven Betrachtung der Verflechtung von Banken und Industrieunternehmen in Deutschland (die so genannte Deutschland AG), vgl. Beyer (2002).

4 Motive des Corporate Restructuring

65

empirische Untersuchungen belegen, dass konglomerate Unternehmensverschmelzungen und -übernahmen eine höhere Rendite für die Anteilseigner mit sich brachten als Verschmelzungen und Übernahmen, die auf keiner Konglomeratsstrategie beruhten.188 Anfang der achtziger Jahre war die Diversifikation der US-amerikanischen Industrie wesentlich stärker als die der deutschen.189 Zwischen 1982 und 1988 waren die Entwicklungen in den USA und Deutschland jedoch gegensätzlich: Während der Diversifikationsgrad zahlreicher US-amerikanischer Unternehmen in diesem Zeitraum bereits eine rückläufige Tendenz zeigte,190 nahm die Diversifikation in Deutschland noch zu, mit der Konsequenz, dass 1988 beide Länder einen ähnlich hohen Diversifikationsgrad aufwiesen.191 Nachdem sich die Erwartungen an die Diversifikationsstrategie, wie zum Beispiel eine erheblichen Risikoreduktion oder eine Generierung von Synergieeffekten, oft nicht im gewünschten Ausmaß einstellten, galt es jedoch, diese Strategie zu überdenken. Mitte bis Ende der achtziger Jahre in den USA und Anfang der neunziger Jahre in Europa hat sich die Managementlehre dahingehend gewandelt, dass eine konglomerate Unternehmensstruktur angesichts der globalen Umwälzungen im wirtschaftlichen Umfeld als nicht mehr erstrebenswert gilt.192 Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass das gesamtwirtschaftliche Wachstum in Ländern, deren Unternehmen sich dem weltweiten Restrukturierungsprozess der Fokussierung und Dezentralisation entgegen stellen, grundsätzlich unter den Wachstumsraten jener Länder liegen, die diesem Prozess offen gegenüberstehen, die „Change Forces“193 als Herausforderung annehmen und ihre Unternehmensstruktur dementsprechend ausrichten.194

188

Vgl. Elgers/Clark (1980); Wansley/Lane/Yang (1983).

189

Vgl. Bühner/Rasheed/Rosenstein (1997), S. 331.

190

Dem widersprechend belegen Denis/Denis/Yost (2002) empirisch, dass der Diversifikationsgrad in der US-amerikanischen Industrie zwischen 1984-1997 tatsächlich noch zunahm.

191

Vgl. Bühner/Rasheed/Rosenstein (1997), S. 331.

192

Vgl. Achleitner (2002), S. 372.

193

Vgl. Weston/Siu/Johnson (2001), S. 4.

194

Vgl. Audretsch et al. (2000), die in diesem Zusammenhang von einer „Growth Penalty“ für nicht restrukturierende Unternehmen sprechen. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommen Audretsch/Thurik (1997), die in einer empirischen Studie 15 verschiedene Trade-offs zwischen einer „Managed Economy“ (stabile, stetige, homogene industrielle Struktur) und einer „Entrepreneurial Economy“ (turbulente, diverse, heterogene industrielle Struktur) identifizieren

66

4 Motive des Corporate Restructuring

Unternehmen, die eine Shareholder-Value-orientierte Strategie verfolgen, besinnen sich heute auf ihre Kernkompetenzen und veräußern sämtliche Geschäftsbereiche, die nicht in diese Fokussierungsstrategie passen, bzw. kaufen Unternehmen hinzu, die zum Kerngeschäft passen und die Kernkompetenzen stärken:195 „Structure follows Strategy.“ Auch SADTLER/CAMPBELL/KOCH sehen das Motiv der Fokussierung nach einer empirischen Analyse an vorderster Stelle für die Durchführung von Corporate-Restructuring-Maßnahmen.196 Zahlreiche empirische Untersuchungen der letzten Jahre konnten belegen, dass Unternehmen mit einer konglomeraten Unternehmensstruktur selten zu einer effizienten segmentspezifischen Ressourcenallokation fähig waren und in einer Großzahl der Fälle Unternehmenswert vernichteten.197 Darüber hinaus konnten sie belegen, dass die Kapitalmärkte bei der Ankündigung einer Restrukturierungsmaßnahme besonders dann positiv reagierten, wenn die Restrukturierung zu einer Desinvestition von Unternehmensrandbereichen führte.198 Die Entflechtung konglomerater Unternehmensstrukturen, die Konzentration auf Kerngeschäftsfelder und der Abbau

konnten. Sie belegten, dass lediglich die relativ kleineren, wissensbasierten Unternehmen von Entrepreneurial Economies mit überdurchschnittlichem Wachstum belohnt wurden und überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze geschaffen haben, während gleichzeitig die Großunternehmen der Managed Economies Einbußen bei den Wachstumsraten hinnehmen mussten. 195

Vgl. Zugehör (2001a), S. 35.

196

Vgl. Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 40.

197

Vgl. Maksimovic/Phillips (2002), S. 1, welche die Untersuchungen von Lang/Stulz (1994), Berger/Offek (1995) und Comment/Jarrell (1995) zu dem Konglomeratsabschlag als Beispiele anführen. Vgl. außerdem Lamont/Polk (2001), S. 1718; Hasselmann (1997), S. 184 ff. Allerdings lassen sich ebenso Studien nennen, die dieses Ergebnis nicht bestätigen können: Ravenscraft/Scherer (1988) zum Beispiel konnten anhand ihrer Berechnungen weder belegen noch beweisen, dass konglomerate Unternehmen gegenüber fokussierten Unternehmen Überrenditen erwirtschafteten. Martin/Sayrak (2003) weisen auf die Probleme bei der Vergleichbarkeit fokussierter und konglomerater Unternehmen hin und verlangen eine kritische Hinterfragung der Forschungsergebnisse. Whited (2001) führt die bisher empirisch belegten Ineffizienzen bei der Kapitalallokation in Unternehmen auf Messfehler bei den verwendeten Variablen zurück. Maksimovic/Phillips (2002) stellen die These auf, dass die im Vergleich mit fokussierten Unternehmen vergleichsweise geringeren Bewertungen bei diversifizierten Unternehmen auf die Tatsache zurückzuführen sind, dass sich gerade jene „Unternehmenstypen“ hin zu Konglomeraten entwickeln würden, die per se geringere Cashflows erwirtschaften und daher ohnehin eine geringere Bewertung aufwiesen.

198

Beispielhaft seien hier die Untersuchungen von Schipper/Smith (1986), Vijh (2002) und Löffler (2001) angeführt. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob es sich bei diesem Phänomen lediglich um einen Trend oder ob um eine nachhaltige Verhaltensänderung der Investoren handelt.

4 Motive des Corporate Restructuring

67

von Unternehmensrandgeschäften zählen deshalb zu den Kernmotiven von Unternehmensrestrukturierungen.199 Betrachtet man die Kursentwicklungen von Unternehmen in den achtziger Jahren, so kommen gleich zwei Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass eine Diversifikationsstrategie zwischen 13% und 15% an Unternehmenswert vernichtet und dass eine Unternehmensfokussierung bzw. -spezialisierung umgekehrt eine Maximierung des Shareholder Value bedeutet.200 MARTIN/SAYRAK weisen darauf hin, dass die wissenschaftliche Forschung bzw. deren Ergebnisse diesbezüglich jedoch nicht einheitlich sind. Insgesamt ließen sich drei Stoßrichtungen unterscheiden:201 Die erste Gruppe spiegelt den „Consenus“ unter Finanzwissenschaftlern wider und geht von einer grundsätzlichen Verringerung des Shareholder Value durch Diversifikation aus. Zweitere Gruppe vermag hingegen zu belegen, dass eine Diversifikationsstrategie den Unternehmenswert nicht verringert. Die letzte Gruppe hingegen ist der Meinung, dass Diversifikation in Unternehmen den Unternehmenswert steigern kann. Abschließende, absolute Schlussfolgerungen seien daher jeweils kritisch zu hinterfragen. Konzerne, die in den letzten Jahrzehnten eine erfolgreiche konglomerate Diversifikationsstrategie betrieben haben, sind rar. General Electric in den USA zählt zu den wenigen Unternehmen, die als Konglomerat in der Vergangenheit erfolgreich waren und auch heute noch erfolgreich sind. Die Daimler-Benz AG (heute DaimlerChrysler AG) stellt ein gutes Beispiel für ein Unternehmen dar, das zuerst eine Diversifikationsstrategie verfolgte und nach aus dieser Strategie resultierenden unbefriedigenden Ereignissen zurück zu einer Kernkompetenzen-orientierten Unternehmensstrategie

199

So konnten z.B. Nanda/Narayanan (1998) in fast der Hälfte der untersuchten US-amerikanischen Equity Carve-outs und Spin-offs Fokussierungsüberlegungen als Ausschlag gebendes Restrukturierungsmotiv ermitteln. Auch bei Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 40 ff., ist der Fokussierungsgedanke als zentrales Element der Unternehmensrestrukturierung zu finden, allerdings stellen sie die Plausibilität und Glaubwürdigkeit der Fokussierungshypothese in der Praxis in Frage, da Fokussierung zwar als „Modewort“ „politically correct“ sei, als Begriff aber wenig Konkretes beinhalte. Konzentration auf das oder die Kerngeschäfte als wesentliches Motiv des Corporate Restructuring finden sich auch bei Löffler (2001), S. 124; Weiher (1996), S. 104; Kaiser/Stouraitis (1995), S. 164.

200

Vgl. Berger/Ofek (1995); Comment/Jarrell (1995). Denis/Denis/Yost (2002) bestätigen in einer Analyse von über 44.000 US-amerikanischen Unternehmen zwischen 1984-1997 den Wertabschlag für diversifizierte Unternehmen gegenüber fokussierten Unternehmen.

201

Vgl. Martin/Sayrak (2003), S. 43 ff.

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4 Motive des Corporate Restructuring

fand.202 Nachdem sich die vom Vorstandsvorsitzenden Edzard Reuter erwarteten Synergieeffekte aus einem „integrierten Technologiekonzern“ nicht erfüllten, besann sich Daimler-Benz auf seine Kernkompetenzen im Bereich Fahrzeugbau zurück und veräußerte nicht zu diesem konkreten Geschäftsfeld gehörende Beteiligungen und Tochterunternehmen. Die Zahl der Geschäftsfelder, in denen die Daimler-Benz AG engagiert war, wurde im Rahmen einer konsequenten Restrukturierungs- und Konzentrationsstrategie durch den Vorstandsvorsitzenden Jürgen E. Schrempp (seit Mai 1995) von mehr als dreißig auf wenige Geschäftsfelder reduziert, in denen DaimlerBenz tatsächliche Kernkompetenzen besaß. Wurden Teile des niederländischen Flugzeugherstellers Fokker bereits 1996 mit Milliardenverlusten veräußert bzw. liquidiert, wurde der in den achtziger Jahren erworbene AEG-Konzern 1995/1996 zerschlagen und nahezu alle Geschäftsfelder in den darauf folgenden Jahren ebenfalls mit Milliardenverlusten abgestoßen. Aktuell stellt die E.ON AG ein sehr gutes Beispiel für die Entflechtung von diversifizierten Unternehmen dar. Neben kurzfristigen Desinvestitionen aufgrund kartellrechtlicher Auflagen als Folge der Fusion der VIAG AG und der VEBA AG zur E.ON AG hat das Unternehmensmanagement ein umfassendes Restrukturierungsprogramm aufgelegt, welches auf den Ausbau der Kernkompetenzen auf allen Ebenen des Konzerns zielt. Auf Konzernebene steht die langfristige Fokussierung auf das internationale Energiegeschäft (Strom, Wasser, Gas) an. Als Meilensteine zum Erreichen der strategischen Position als weltweit führender Energiedienstleister gelten die Akquisition der britisch-amerikanischen Energieversorgungsgruppe Powergen Plc. und das strategische Tauschgeschäft mit dem britischen Mineralölkonzern BP Plc., bei dem die E.ON AG ihre größte Tochtergesellschaft VEBA Oel (Umsatz zuletzt 29 Mrd. Euro, Gewinn 733 Mil. Euro) gegen BPs Beteiligung an der deutschen Gelsenberg AG tauschte.203 Während BP durch die Transaktion (insbesondere durch den Erwerb der rund 2300 Aral-Tankstellen in Deutschland) ihr Kerngeschäft Mineralöl wesentlich stärken konnte, erhielt E.ON durch die Akquisition von Gelsenberg deren Anteil an Deutschlands größtem Gasimporteur, der Ruhrgas AG.204

202

Zur Restrukturierung des Daimler-Benz Konzerns im Zeitraum von 1995 bis 1997, vgl. Töpfer (1998).

203

o.V. (2001a), S. 16.

204

Der Übernahme der Kontrollrechtsmehrheit bei der Ruhrgas AG durch die E.ON AG wurde die Zustimmung der deutschen Kartellrechtsbehörden (Monopolkommission) zuerst verweigert und erst durch eine Ministererlaubnis des Bundeswirtschaftsministerium möglich gemacht.

4 Motive des Corporate Restructuring

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Auch auf divisionaler Ebene wurde eine konsequente Stärkung der Kerngeschäftsfelder in den einzelnen Sparten verfolgt. So wird zum Beispiel in der Sparte Chemie, welche langfristig nicht zu den Kerngeschäftsfeldern des Konzerns zählen wird, mit der im DAX notierten Tochtergesellschaft Degussa AG eine wachstumsorientierte Konzentrationsstrategie auf Spezialchemie verfolgt, da in diesem Bereich in der Zukunft hohe Margen erwartet werden. Nicht betriebsnotwendige Vermögenswerte werden entweder desinvestiert oder in selbstständige Gesellschaften ausgegliedert. Wie zahlreiche andere Unternehmen hat E.ON seine Grundstücke und Immobilien bereits in einer Aktiengesellschaft gebündelt (der Viterra AG), was neben dem Ziel der Entflechtung und Bereinigung des Beteiligungsvermögens vor allem auch steuerliche Gründe hat. Ungeachtet der Tatsache, dass eine konglomerate Unternehmensstruktur gegenwärtig nicht mehr als erstrebenswert erachtet wird, ist es dennoch bedeutend zu erwähnen, dass besonders in Deutschland, zu einer Zeit, in der von Shareholder Value noch nicht gesprochen wurde, das verminderte Unternehmensrisiko von diversifizierten Konzernen über Jahre hinweg begrüßt wurde. Unzweifelhaft hatten (haben) Konglomerate ihre Existenzberechtigung zu ihrer Zeit, da sie den Anforderungen der nationalen, tendenziell eher risikoaversen Investoren durch eine breite Risikodiversifikation Rechnung trugen. Auch weisen BERGER ET AL. anhand einer Analyse der USamerikanischen Versicherungsbranche nach, dass diversifizierte Versicherungsunternehmen, das heißt Unternehmen, die verschiedene Arten von Versicherungen und Finanzdienstleistungen anbieten, neben fokussierten Versicherern auch heute am Markt bestehen können.205 Es ist daher durchaus möglich, dass diese Koexistenz von Unternehmen, die eine Diversifikationsstrategie verfolgen, und Unternehmen am Markt, die eine konzentrierende Unternehmensstrategie verfolgen, auch in anderen industriellen Branchen möglich ist. Die Forderung der Vergangenheit, Industriekonglomerate zu bilden, sollte daher nicht grundsätzlich als „Irrweg“ der Managementlehre abgetan wer-

Anschließend wurde die Transaktion allerdings gerichtlich vorläufig angehalten und eine eingehendere Prüfung angemahnt. 205

Vgl. Berger et al. (1999), S. 33. Anzumerken ist, dass die von BERGER ET AL. beschriebene „Konglomeratshypothese“ bei den betrachteten Versicherungsunternehmen zu relativieren ist, da auch diese Unternehmen lediglich einen ganz bestimmten Teil der Wertschöpfungskette abdecken und die angebotenen Dienstleistungen nicht grundsätzlich verschieden sind. Es handelt sich daher eher um eine Diversifikation in verbundene Geschäftsbereiche.

70

4 Motive des Corporate Restructuring

den.206 ZUGEHÖR kommt in diesem Zusammenhang in einer empirischen Untersuchung der 100 größten deutschen Unternehmen zu dem Ergebnis, „dass diversifizierte Unternehmen, die nicht an der Börse notiert sind, diversifiziert bleiben können“,207 da der Druck zur Restrukturierung in erster Linie von institutionellen Investoren, die an der Börse agieren, ausgehe. Auch KLEIN konnte empirisch belegen, dass in den sechziger Jahren auch diversifizierte kapitalmarktnotierte Unternehmen mit konglomeraten Strukturen effizient bewerten wurden.208 Zahlreiche intrinsische Restrukturierungsmotive sind eng mit in der Vergangenheit verfolgten Konglomeratsstrategien von Unternehmen verbunden. Das Restrukturierungsmotiv „Auflösung von Konglomeraten“ ist daher eher als Oberbegriff zu sehen, welcher zahlreiche Einzelaspekte und –motive beinhaltet, die im Folgenden ausführlich behandelt werden. 4.3.3

Fall I: Proaktive, intrinsisch motivierte Restrukturierungen

4.3.3.1 Abwendung notwendiger Investitionen

Um im Wettbewerb bestehen zu können, ist es notwendig, jedem Geschäftsbereich und jedem Tochterunternehmen eines Unternehmens die notwendige Infrastruktur, das notwendige Personal und ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. In der Realität kann jedoch die Situation eintreten, dass das Management der Obergesellschaft die zukünftige Marktentwicklung oder die zukünftige Entwicklung der eigenen Geschäftseinheit auf diesem Markt als wenig vorteilhaft einschätzt. Die Unternehmensführung wird in diesen Fällen zu vermeiden versuchen, zusätzliche Geldmittel bereitzustellen, um notwendige Investitionen durchzuführen, wenn die Investitionen negative Kapitalwerte aufweisen. Ähnliches gilt in dem Fall, in dem die betreffenden Unternehmensteile zwar profitabel sind, aber aufgrund ihrer geringen Größe geringes Interesse bei der Unternehmensleitung hervorrufen oder wenn diese nicht zu den Kernkompetenzfeldern des Unternehmens gehören. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von so genannten Orphans209 die nicht mehr die Aufmerksamkeit der Unternehmensführung finden. Eine erste Handlungsalternative des 206

Vgl. hierzu auch Martin/Sayrak (2003), welche die Möglichkeit einer zyklischen Veränderung des Diversifikationsgrads in den Raum stellen.

207

Zugehör (2001a), S. 38 f.

208

Vgl. Klein (2001), S. 759.

209

Von „Orphan“ (engl.): Waisenkind.

4 Motive des Corporate Restructuring

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Managements besteht in diesen Fällen darin, die betreffende Geschäftseinheit aufzulösen bzw. das Tochterunternehmen zu liquidieren. Beide Möglichkeiten werden jedoch mit zusätzlichen Kosten der Abwicklung verbunden sein. Auch die Neuordnung der Arbeitsverhältnisse ist hierbei nicht unkompliziert. Die zweite Handlungsalternative besteht darin, die betreffende Unternehmenseinheit an einen Investor zu verkaufen (Sell-off), der eine bessere Verwendung für die Einheit hat oder vielleicht die Zukunftsaussichten als wesentlich besser einschätzt. In anderen Fällen kann sich die Situation ergeben, dass ein Geschäftsbereich eine Investition notwendig macht, um am Markt bestehen zu können, die Obergesellschaft die finanziellen Mittel aber nicht zur Verfügung stellen kann. Für das Unternehmensmanagement der Obergesellschaft stellt sich dann die Frage, ob der Geschäftsbereich im Unternehmensverband verbleiben soll, was die Gefahr eines Abgleitens in die Unrentabilität des Geschäftsbereichs oder sogar einer Insolvenz des Tochterunternehmens mit sich bringt. Fehlen lediglich die liquiden Mittel um eine notwendige Investition zu tätigen, während das Marktumfeld des betreffenden Geschäftsbereichs sowie dessen zukünftige wirtschaftliche Entwicklung vielversprechend wären, so ist die Möglichkeit eines Secondary Equity Carve-outs oder einer Tracking-Stock-Emission zu überprüfen.210 Durch Wahl eines geeigneten Restrukturierungsinstruments würden dem Unternehmen bzw. der Muttergesellschaft Kapital zugeführt, aus dem die notwendigen Investitionen getätigt werden könnten.211 4.3.3.2 Schaffung einer Akquisitionswährung

Wachstum gilt als eine wesentliche Quelle des Shareholder Value und kann entweder durch den Ausbau bestehender bzw. Aufbau neuer (Kern-)Geschäftsbereiche erfolgen (internes Wachstum) oder durch Akquisition von Wettbewerbern und anderen Unternehmen, die ein ähnliches Geschäftsfeld besitzen (externes Wachstum).212 Internes Wachstum wird in der Realität nur begrenzt möglich sein, da die Gewin210

Auch ein ILBO ist in diesem Fall denkbar. Vgl. hierzu Kap. 3.2.

211

Die Notwendigkeit, Kapital am Kapitalmarkt aufzunehmen um das Unternehmenswachstum zu finanzieren konnte empirisch als das bedeutendste Motiv, einen Equity Carve-out durchzuführen, ermittelt werden. Vgl. hierzu Löffler (2001), S. 124.

212

Der Aufbau grundlegend neuer Geschäftsbereiche bzw. deren Akquisition wird in der Realität für das Unternehmen mit erheblichen Risiken verbunden sein. Bei innovativen Technologien hingegen kann diese Strategie langfristig obgleich eines höheren Risikos erfolgreich sein und Unternehmen durch die frühzeitige Gewinnung von Marktanteilen in Märkten mit starkem Wachstums eine starke Wettbewerbsposition verschaffen. Vgl. hierzu den Einstieg der Versorgungsunternehmen in die Telekommunikationsbranche.

72

4 Motive des Corporate Restructuring

nung zusätzlicher Marktanteile vor allem in konsolidierten Branchen mit geringem Wachstum lediglich durch eine Produkt- oder Preisdifferenzierungsstrategie zu erreichen sein wird. Zudem ist internes Wachstum in diesem Fall nur mit geringem Tempo möglich. Externes Wachstum bietet hingegen Unternehmen die Möglichkeit, ihre Kernkompetenzen in relativ kurzer Zeit quantitativ (durch Gewinnung zusätzlicher Marktanteile) und qualitativ (durch Akquisition von Know-how in Form von Technologie und Personal) auszubauen. Insbesondere auf Märkten, die für ein Unternehmen sehr attraktiv sind und gleichzeitig ein hohes Wachstum aufweisen, kann externes Wachstum die einzige Möglichkeit darstellen, schnell die zu dem Überleben des Unternehmens notwendige kritische Masse zu erreichen. Diese Überlegungen spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle bei der Gewinnung von Marktanteilen auf ausländischen Märkten. Durch eine geeignete Restrukturierungsmaßnahme kann ein Unternehmen ein flexibles Instrument zur Finanzierung des externen Wachstums generieren. Durch Equity Carve-outs und die Ausgabe von Tracking Stock213 erhält die Obergesellschaft mit den Aktien eine so genannte Akquisitionswährung, mit der sie eine zukünftige Unternehmensakquisition (durch die Obergesellschaft) finanzieren kann.214 Voraussetzung dafür ist, dass sowohl bei Equity Carve-outs als auch bei der Ausgabe von Tracking Stocks zuvor lediglich ein geringer Anteil der neu geschaffenen Aktien an der Börse eingeführt wurde und die übrigen Anteile als Akquisitionswährung bei der Obergesellschaft verblieben. Mit diesen Secondary Shares kann die Obergesellschaft bei einer Akquisition die Altaktionäre der Zielgesellschaft (Target Company) für die Aufgabe ihrer Anteile am Zielobjekt entschädigen. Der Börsengang von TOnline, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom AG, im Rahmen eines Secondary (Equity) Carve-outs bietet ein gutes Praxisbeispiel für die Schaffung einer Akquisitionswährung. Beim Börsengang der Tochtergesellschaft im April 2000 platzierte die Deutsche Telekom AG lediglich 10% der Aktien des gezeichneten Kapitals ihrer Tochtergesellschaft am Kapitalmarkt und behielt die verbleibenden 90% der Aktien, welche ausdrücklich in der Zukunft als Akquisitionswährung eingesetzt werden sollten, zurück.215

213

Zum Einsatz von Tracking Stocks als Akquisitionswährung, vgl. Tonner (2002), S. 23.

214

Vgl. Achleitner (2002), S. 374.

215

Da die Regularien der Deutschen Börse AG für am Neuen Markt notierte Unternehmen einen Mindeststreubesitz von 20% verlangten, entschied sich die Deutsche Telekom AG, lediglich die

4 Motive des Corporate Restructuring

73

Weniger häufig werden von Unternehmen Restrukturierungsmaßnahmen gezielt dazu eingesetzt, um Barmittel zu erlösen, die zu einem späteren Zeitpunkt der Finanzierung von Unternehmensakquisitionen dienen sollen. In diesen Fällen kommen Sell-offs, Equity Carve-outs oder Tracking Stock zur Anwendung, wobei bei den kapitalmarktorientierten Instrumenten der Anteil der Aktien, die am Kapitalmarkt platziert werden, relativ höher sein muss als in den Fällen, in denen die Aktien selbst als Akquisitionswährung eingesetzt werden sollen. Gelangt ein Unternehmen durch einen Sell-off, durch einen Equity Carve-out oder durch die Ausgabe von Tracking Stock in den Besitz beträchtlicher Barmittel, so spricht man auch von einer „Kriegskasse“, die einem Unternehmen zur Finanzierung von Übernahmen zur Verfügung steht. Für Deutschland bietet die E.ON AG ein gutes Beispiel, wie durch den Verkauf von Unternehmensbeteiligungen eine Kriegskasse geschaffen werden kann. Nach der Fusion der VEBA AG und der VIAG AG zur E.ON AG 2000 war E.ON aufgrund kartellrechtlicher Auflagen gezwungen, zahlreiche Beteiligungen abzugeben. Darüber hinaus wurden weitere Geschäftsbereiche, die nicht zu den E.ON-Kerngeschäftsfeldern Energie und Spezialchemie gehörten, veräußert. Der Börsengang des Logistikdienstleisters Stinnes AG ist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu nennen. Die zugeflossenen Barmittel wurden im Rahmen der expansiven, aber fokussierenden Internationalisierungsstrategie von E.ON unter anderem zum (anteiligen) Erwerb der britischen Powergen Plc. und der schwedischen Sydkraft AB (beide Unternehmen sind ebenfalls in der Energieerzeugung tätig) eingesetzt. E.ON zählt zu jenen Unternehmen, die ihr Unternehmensportfolio explizit zum Zwecke der Schaffung einer strategischen Akquisitionswährung (Aktien oder Barmittel) optimieren und um alle Geschäftsfelder, die nicht zu den Kernkompetenzen zählen, bereinigen. 4.3.3.3 Einführung variabler Vergütungssysteme

Das immer stärkere Auseinanderfallen von Eigentümerfunktion und Unternehmensleitung216 sowie die oft sehr heterogenen Eigentumsverhältnisse bei Kapitalgesellschaften überhaupt haben zu einem Machtzuwachs der Unternehmensleitung geführt.

Hälfte aller Aktien zu dem Börsenhandel zuzulassen, womit ungeachtet des Carve-outs von nur 10% des Aktienkapitals ein rechnerischer Streubesitz von 20% erreicht werden konnte. 216

Hierzu beigetragen haben nicht zuletzt die Professionalisierung der internationalen Kapitalmärkte und deren zunehmenden Bedeutung auch für Individualinvestoren. Vgl. hierzu die Ausführungen zu einer Herausbildung einer Kapitalmarktkultur auch in Deutschland in Kap. 5.2 und Kap. 5.3.1

74

4 Motive des Corporate Restructuring

Die Konsequenz ist, dass die Interessen der fragmentierten Anteilseigner nicht immer mit dem gebotenen Nachdruck gegenüber der Unternehmensleitung durchgesetzt werden können.217 Die Principal-Agent-Theorie218 versucht in diesem Zusammenhang Lösungsansätze aufzuzeigen, kostenträchtige Probleme bei der Delegation von Entscheidungsbefugnissen von einem Auftraggeber (Principal219) zu einem Auftragnehmer (Agent) zu verhindern bzw. abzumildern.220 Vertragsähnliche PrincipalAgent-Beziehungen bestehen beispielsweise zwischen den Anteilseignern und dem Management eines Unternehmens, aber auch zwischen dem Management eines Unternehmens und untergeordneten Führungskräften und Mitarbeitern. Neben effizienten Kontrollsystemen in Unternehmen sieht die Principal-Agent-Theorie insbesondere in anreizkompatiblen Entlohnungsverträgen für das Unternehmensmanagement eine Möglichkeit, Interessenskonflikte zwischen den verschiedenen Vertragsparteien zu mindern bzw. sogar aufzulösen. Neben einer Mitarbeiterkapitalbeteiligung, bei der sich die Mitarbeiter eines Unternehmens am Kapital eines Unternehmens beteiligen können,221 wird vor allem die Einführung einer teilweise erfolgsabhängigen, variablen Vergütung (Leistungs-, Ertrags-, Gewinnbeteiligung etc.) als vorteilhaft erachtet, die Interessen der Agents stärker an denen des Prinzipals auszurichten.222 Da aufgrund bestehender Informationsasymmetrien eine Entlohnung nach Leistung wegen Beurteilungsproblemen regelmäßig schwierig sein wird, sollte sich die erfolgsabhängige Entlohnung an zuvor definierten Kriterien und Kennzahlen (zum Beispiel Kostenersparnisse, Umsatzsteigerungen oder Rentabilitäten) orientieren. Eine spezielle Methode ist die Orientierung der variablen Vergütungsbestandteile am ökonomischen Erfolg des Unternehmens, gemessen am Total Shareholder Return. Der Total Shareholder Return beinhaltet als Kennzahl sowohl Unter-

217

Vgl. Kramarsch (2000), S. 15 f.

218

Für eine grundlegende Einführung in die Principal-Agent-Theorie, vgl. Hartmann-Wendels (1989).

219

Im deutschen Sprachraum ist auch die Bezeichnung Prinzipal gebräuchlich.

220

Vgl. Kramarsch (2000), S. 16.

221

Vgl. hierzu bspw. Wright et al. (2001), S. 258, die gerade in der Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmen eine Quelle des Unternehmenswachstums sehen.

222

Zur Beteiligung von Mitarbeitern am Unternehmenserfolg, insbesondere durch Stock Options, vgl. bspw. Achleitner/Wollmert (2002). Holmstrom/Kaplan (2001), S. 29, weisen darauf hin, dass der Umfang der Abgabe von Aktienoptionen, die an den Börsenkurs von Unternehmen gekoppelt sind, mit den Börsenphasen korrelieren, d.h. nicht nur verlieren Aktienoptionen in Baisse-Phasen an Wert, es werden in diesen Phasen auch weniger Optionen ausgegeben.

4 Motive des Corporate Restructuring

75

nehmenswertsteigerungen (Aktienkurssteigerungen) und Ausschüttungen an die Aktionäre (Dividenden), als auch alle sonstigen Leistungen an die Anteilseigner (zum Beispiel Bezugsrechte, Gratisaktien).223 In diversifizierten und konglomeraten Unternehmen stellt sich im Zusammenhang mit erfolgsabhängigen Entlohnungssystemen jedoch das grundsätzliche Problem der Erfolgsattribution. Das heißt, der Erfolg des Gesamtunternehmens kann nicht direkt auf Handlungen und Entscheidungen des Managements, der Führungskräfte oder der Mitarbeiter zurückgeführt werden, sondern stellt lediglich eine Art Durchschnittsbildung dar. Es sind daher keine Rückschlüsse auf die Effizienz und Effektivität von Entscheidungen des Managements, der Führungskräfte und der weiteren Mitarbeiter, oder den wirtschaftlichen Erfolg eines bestimmten Geschäftsbereichs oder eines Tochterunternehmens im Speziellen möglich.224 Hat ein bestimmter Geschäftsbereich eines Unternehmens zum Beispiel aufgrund eines besonders hohen Einsatzes der Mitarbeiter und taktisch kluger Managemententscheidungen überdurchschnittlich stark zu dem unternehmerischen Gesamterfolg beigetragen, die Erfolgsvariable jedoch lediglich der Total Shareholder Return ist, wird sich das überdurchschnittlich positive Abschneiden jenes Geschäftsbereichs nur unterdurchschnittlich, anteilsmäßig in den variablen Vergütungsbestandteilen der Mitarbeiter widerspiegeln. Die Anreizfunktion des erfolgsabhängigen Entlohnungssystems wird damit erheblich vermindert. Wird jedoch die betreffende Geschäftseinheit durch eine geeignete CorporateRestructuring-Maßnahme in eine eigenständige Einheit überführt, so lässt sich für diese spezifische Einheit ein anreizkompatibles Entlohnungssystem, dessen Erfolgsvariable der ökonomische Erfolg, gemessen am Total Shareholder Return dieser Einheit, implementieren.225 Eine Börsennotierung der Einheit erleichtert in diesem Fall die Ermittlung des Total Shareholder Return deutlich.226 Der Anreiz für die Mitarbeiter dieses Geschäftsbereichs, effizient und effektiv zu handeln und ökonomisch sinnvolle Entscheidungen zu treffen, ist damit bedeutend höher als in einem diversifizierten Konglomerat, in dem das Handeln und die Entscheidungen eines Einzelnen wenig Konsequenzen für den Unternehmensgesamterfolg haben dürften. Ebenfalls

223

Vgl. Kramarsch (2000), S. 16.

224

Vgl. McKenna (2000), S. 64.

225

Vgl. Annema/Fallon/Goedhart (2001), S. 8 f.; Kaiser/Stouraitis (1995), S. 164 f.

226

Vgl. Seifert et. al. (2000), S 123.

76

4 Motive des Corporate Restructuring

erleichtert die Schaffung einer Tracking-Stock-Struktur in Unternehmen die Einführung einer leistungsorientierten Vergütung. ZUTA konnte empirisch belegen, dass erfolgsabhängige Vergütungssysteme am besten in fokussierten Unternehmen funktionieren, aber auch in Unternehmen mit Tracking-Stock-Struktur Vorteile mit sich bringen.227 Hinsichtlich der Verbreitung erfolgsabhängiger Entlohnungssysteme fällt Deutschland im Vergleich mit Unternehmen aus den USA, Frankreich, Italien und Großbritannien deutlich zurück. Allerdings tragen die zunehmende Internationalisierung deutscher Unternehmen sowie deren Bekenntnis zur Steigerung des Shareholder Value als primäres Unternehmensziel zur Verbreitung erfolgsabhängiger Entlohnungssysteme bei.228 Einer Studie des DEUTSCHEN AKTIENINSTITUTS (DAI) zufolge hatten bereits Ende 2000 37% der befragten Unternehmen in Deutschland ein Mitarbeiterbeteiligungssystem229 (oder auch mehrere, vor allem Aktienkaufpläne und Aktienoptionspläne) implementiert und weitere 14% planten eine Einführung binnen der nächsten zwölf Monate.230 Betrachtet man lediglich die 100 größten Unternehmen in Deutschland, haben 70% der Unternehmen performanceorientierte Gehaltskomponenten, 51% gewinnabhängige Gehaltskomponenten und 57% Mitarbeiterbeteiligungsprogramme.231 Bemerkenswert ist, dass die Mitarbeiterbeteiligungsprogramme in Deutschland nicht nur einem sehr engen Kreis der obersten Hierarchieebenen zugänglich sind, sondern dass 51% aller befragten Unternehmen die Beteiligungssysteme allen Mitarbeitern des Unternehmens zugänglich machen, so die Studie des DAI. Die Ziele, Mitarbeiter an ein Unternehmen zu binden und ihnen Anreize zu bieten, sich im Interesse der Anteilseigner unternehmenswertmaximierend zu verhalten, können also durch geeignete Mitarbeiterbeteiligungsprogramme unterstützt werden: Spin-offs, Split-ups, Split-offs oder Equity Carve-outs wirken einerseits direkt zum Erreichen der gesetzten Unternehmensziele (Fokussierung, Unternehmenswertsteigerung etc.) hin und erleichtern andererseits die Einführung variabler Entlohnungssys-

227

Vgl. Zuta (2002), S. 38.

228

Vgl. Kurdelbusch (2001), S. 14 ff.

229

Zu den Möglichkeiten der Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenserfolg, vgl. Jürgens/Rupp (2002), S. 48 ff.

230

Vgl. Deutsches Aktieninstitut (2001).

231

Vgl. Kurdelbusch (2001), S. 9 f.

4 Motive des Corporate Restructuring

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teme bzw. machen diese erst möglich. Ebenfalls gut geeignet ist in diesem Zusammenhang die Einführung von Tracking Stocks, da hierdurch ein bestimmter Unternehmensteil bzw. dessen Performance von der wirtschaftlichen Entwicklung des Gesamtunternehmens genau abgegrenzt werden kann, ohne den betreffenden Unternehmensteil aus dem Unternehmen herauslösen zu müssen.232 4.3.3.4 Komplexitätsreduktion

Komplexitätsreduktion als Motiv für Corporate-Restructuring-Maßnahmen ist eng verbunden mit dem Basismotiv für Unternehmensrestrukturierungen der Gegenwart, der Auflösung konglomerater Unternehmensstrukturen, der Rückführung der Diversifikation und damit der Konzentration auf die Kernkompetenzen in Unternehmen.233 VIJH konnte empirisch belegen, dass Restrukturierungsmaßnahmen, welche die Komplexität eines Unternehmens oder seiner Aktienstruktur reduzieren, von den Kapitalmärkten äußerst positiv aufgenommen werden.234 Hintergrund ist, dass Unternehmen auf der einen Seite „führbar“ für die Unternehmensleitung bleiben müssen, und auf der anderen Seite „verstehbar“ für außen stehende Investoren sein sollten, so VIJH. KAISER/STOURAITIS fügen ergänzend hinzu, dass Diversifikation und konglomerate Expansion in der Regel mit einer Bürokratisierung der Geschäftsprozesse einhergehen und dass neben den bereits genannten Problemen einer erfolgsabhängigen Entlohnung oder einer kurzfristigen, flexiblen Entscheidungsfindung diese Institutionalisierung der Prozesse Ineffizienzen verursacht, die wiederum Unternehmenswert vernichten.235 4.3.3.5 Höhepunkt des Produktlebenszyklus

Bedient ein Unternehmen mit einem Produkt einen Markt, auf dem eine Stagnation des Produktabsatzes in naher Zukunft zu erwarten ist, oder ist die Konsolidierung der industriellen Branche bereits weit fortgeschritten, ist es Aufgabe der Unternehmensleitung, einen möglichen Marktaustritt als Handlungsalternative in Betracht zu zie-

232

Zur Schaffung einer Tracking-Stock-Struktur in Unternehmen als Grundlage einer leistungsbezogenen Vergütung sowie einer leistungsorientierten Entlohnung in Tracking Stocks selbst, vgl. Tonner (2002), S. 25 ff.

233

Vgl. daher die Ausführungen und Literaturangaben in Kap. 4.3.2.

234

Vgl. hierzu Vijh (2002), der abnormale Renditen bei der Ankündigung von Equity Carve-outs u.a. auf die durch die Transaktion induzierten Komplexitätsreduktionen in Unternehmen zurückführen konnte.

235

Vgl. Kaiser/Stouraitis (1995), S. 165.

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4 Motive des Corporate Restructuring

hen. Das Abstoßen eines mittelfristig stagnierenden Unternehmensbereichs kann insbesondere dann ein Motiv für eine Corporate-Restructuring-Maßnahme sein, wenn ein Unternehmen in strategisch relativ unbedeutenden Geschäftsfeldern agiert.236 Ein frühzeitiger Marktaustritt durch einen Verkauf der betreffenden Geschäftseinheit wird in diesem Fall nur einen geringen Einfluss auf das Betriebsergebnis haben, bewahrt das Unternehmen jedoch vor einer ungerechtfertigt hohen Kostenbelastung bei einem sich verringernden Absatz in der Zukunft. Außerdem können in diesem Fall für das Desinvestitionsobjekt noch höhere Verkaufserlöse erzielt werden. Gefahren, die ein früher Marktaustritt mit sich bringt, sind allerdings die Gefahr des Verlusts von Know-how sowie die Gefahr einer Fehleinschätzung hinsichtlich der zukünftigen Marktentwicklung. 4.3.4

Fall II: Proaktive, extrinsisch motivierte Restrukturierungen

4.3.4.1 Erzielung einer effizienten Kapitalmarktbewertung

Die Informationshypothese und die Kapitalmarkthypothese als theoretische Erklärungsansätze für Corporate-Restructuring-Maßnahmen und den damit verbundenen Steigerungen des Shareholder Value stellen auf die zunehmende Bedeutung der nationalen und internationalen Kapitalmärkte für die Unternehmen, die institutionellen Investoren und die Individualanleger ab.237 Zuerst in den USA und zeitlich nachgelagert auch in Europa richten Unternehmen ihre Geschäftspolitik zunehmend am Prinzip des Shareholder Value aus, das heißt, Anleger und Investoren werden als Eigentümer des Unternehmens betrachtet, die vom Management des Unternehmens eine Wertsteigerung ihres Investments erwarten. Wird im Rahmen des ShareholderValue-Ansatzes eine Maximierung des Unternehmenswerts verlangt, so setzt dies voraus, dass sich der Wert eines Unternehmens und dessen Steigerung oder Verminderung quantitativ erfassen und darstellen lassen. Darüber hinaus ist die Bestimmung des konkreten Unternehmenswerts dahingehend von Relevanz, dass nur dann eine Über- oder Unterbewertung eines Unternehmens am Kapitalmarkt ermittelt werden kann. Entspricht der Börsenwert nicht dem berechneten Wert eines Unternehmens,

236

Vgl. Weiher (1996), S. 105.

237

Zur zunehmenden Bedeutung der Kapitalmärkte und der institutionellen Investoren, vgl. Kap. 5.3.2.

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so spricht man von einem ineffizienten Kapitalmarkt bzw. einer ineffizienten Bewertung.238 Unternehmenskonglomerate stellen Analysten vor das grundlegende Problem, dass sie aufgrund des begrenzt verfügbaren Datenmaterials lediglich den konsolidierten Gesamtkonzern als Entität näherungsweise bewerten können.239 Die oft nur beschränkt gegebene Beobachtbarkeit divisionaler Cashflows führt dazu, dass Analysten zur Bewertung des Gesamtunternehmens den aggregierten Cashflow des Gesamtunternehmens verwenden müssen, was der Annahme einer durchschnittlichen Ertragskraft jedes einzelnen Geschäftsbereichs entspricht. Die Konsequenz dieser ineffizienten Unternehmensbewertung ist eine Unterbewertung ertragsstarker, rentabler Geschäftsbereiche, und eine Überbewertung ertragsschwacher, unrentabler Geschäftsbereiche. In Kombination mit einer aufgrund des mangelhaften Datenmaterials ohnehin vorsichtigen Bewertung führt dies zu einer Unterbewertung des gesamten Unternehmens, so NANDA/NARAYANAN.240 Diese vorsichtigen Durchschnittsannahmen aufgrund fehlender Detailinformationen bzw. asymmetrisch verteilter Information führen demnach zu einem Bewertungsabschlag am Kapitalmarkt. Dieser auch als Holdingabschlag oder Conglomerate Discount bezeichnete Wertabschlag beschreibt die Differenz zwischen dem Unternehmenswert des Konglomerats und der Summe der einzelnen Werte der verschiedenen Geschäftsbereiche, Tochterunternehmen und Beteiligungen des Konglomerats im Falle einer Einzelbewertung.241 Da bei einem stark diversifizierten Unternehmen die tatsächlichen Einzelwerte der Geschäftsbereiche jedoch selten berechnet werden können, kann dieser Bewertungsabschlag nur in seltenen Fällen genau quantifiziert werden. In der Praxis geht man deshalb davon aus, dass bei einer Spaltung und Einzelbewertung der Un-

238

Zu dem Motiv der Erzielung einer effizienten Kapitalmarktbewertung durch CorporateRestructuring-Maßnahmen, vgl. u.a. Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 46 ff.; Achleitner (2002), S. 374; Charifzadeh (2002), S. 191.

239

Vgl. Achleitner (2002), S. 377; Hasselmann (1997), S. 185.

240

Vgl. Nanda/Narayanan (1998), S. 3.

241

Hasselmann (1997), S. 185, weist darauf hin, dass Holdingabschläge nur auf unvollkommenen Märkten beobachtet werden können, und dass daher gerade die Marktunvollkommenheiten ein Potenzial für Wertsteigerungen bei konglomeraten Unternehmen schaffen. Zum prinzipiellen Wertabschlag bei diversifizierten Unternehmen, vgl. auch Denis/Denis/Yost (2002). Vgl. aber auch Martin/Sayrak (2003), die ein kritisches Hinterfragen der bisherigen Forschung zu Konglomeratsabschlägen verlangen.

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ternehmensteile der aggregierte Unternehmenswert um 20-40% höher liegen würde als der Unternehmensnäherungs- bzw. Börsenwert.242 Der Holdingabschlag beim Unternehmenswert gilt als prominentes Beispiel für eine auf einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Unternehmensmanagement und Investoren beruhenden Wahrnehmungslücke.243 Durch die Verselbstständigung von Geschäftsbereichen und Tochterunternehmen eines Konglomerats werden einerseits zusätzliche Informationen frei gesetzt und andererseits Außenstehenden und Investoren gleichzeitig die Beschaffung von Detailinformationen zu den Teilunternehmen erleichtert. Werden Geschäftsbereiche verselbstständigt und Tochtergesellschaften an der Börse eingeführt, so werden nicht nur durch die Veröffentlichung von Emissionsprospekten detaillierte Informationen freigesetzt, die es den Analysten erlauben, das Unternehmen effizient und realitätsnah zu bewerten, sondern auch die im Anschluss an die Börsennotierung geltenden Publizitätsvorschriften im Rahmen der Quartals- und Jahresberichterstattung. GILSON ET AL. belegen, dass sich durch Corporate-Restructuring-Maßnahmen die Zahl der Analysten, die ein Unternehmen regelmäßig bewerten, erhöhen lässt und das es, nicht zuletzt aufgrund einer besseren Informationsversorgung, zu genaueren Schätzungen bezüglich der zukünftigen Gewinne eines Unternehmens kommt.244 ZUTA kommt zu ähnlichen Ergebnissen bei der Analyse der Schaffung von TrackingStock-Stock-Strukturen in Unternehmen.245 So kann die durch die Restrukturierungsmaßnahme verbesserte Informationstransparenz zu einer Verringerung bzw. Eliminierung einer Wahrnehmungslücke zwischen aktuellem Marktwert eines Unternehmens und seinem fundamentalen Wert beitragen.246 Beispiele für Unternehmen, die mit Holdingabschlägen belegt werden, sind in Deutschland zahlreich. Stellvertretend sei hier der Bayer-Konzern genannt der an der

242

Bei den deutschen Unternehmen Bayer AG (Chemie und Pharma) und RWE (Energie/Wasser) wird bspw. von Konglomeratsabschlägen von ca. 30% auf den potenziellen Unternehmenswert ausgegangen. Vgl. o.V. (2001b); o.V. (2001c).

243

Vgl. Achleitner/Charifzadeh (2001), S. 762.

244

Vgl. Gilson et al. (1998), S. 18.

245

Vgl. Zuta (2002), S. 38.

246

Zu den generellen Kriterien einer effizienten Kapitalmarktkommunikation, v.a. mit Finanzanalysten, vgl. Achleitner/Bassen/Pietzsch (2001).

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Konglomeratsstruktur247 bisher festhält und vier Geschäftsfelder Gesundheit (Bayer HealthCare), Landwirtschaft (Bayer CropScience), Polymere (Bayer Polymers) und Chemie (Bayer Chemicals) unter einem Dach führt. Für Analysten ist es nicht nur schwierig, den Wert von Bayer zu bestimmen, sondern sie zweifeln auch daran, dass Bayer wenigstens in einem der Geschäftsbereiche eine kritische Masse aufbauen oder halten kann, um gegen internationale, fokussierte Pharma-, Agrar- oder Chemieriesen in Zukunft bestehen zu können.248 Die von der Bayer AG beschlossene Reorganisation der Konzernstruktur hin zu einer Führungsholding mit selbstständigen Tochtergesellschaften darf als ein erster Schritt hin zu einer Entflechtung des Konglomerats gesehen werden.249 Vom US-amerikanischen Investmenthaus Tweedy, Brown, einem Bayer-Großaktionär, wurde bei der Bayer-Hauptversammlung im April 2001 der Antrag eingebracht, Bayer in drei selbstständige Schwesterunternehmen (Pharma, Agrar und Chemie) aufzuspalten. Tweedy, Brown war der Meinung, dass das Unternehmensmanagement zwar „einen guten Job“ macht, die Unternehmensstruktur aber „keinen Sinn“ mache und Bayer daher an der Börse mit einem Abschlag von bis zu 30% gegenüber der Summe der Börsenwerte dreier selbstständiger Gesellschaften notieren würde.250 Dass der Antrag von Tweedy, Brown in der Hauptversammlung mit großer Mehrheit abgelehnt wurde, zeigt allerdings auch, dass das Unternehmensmanagement, Investoren und Anleger bei der Spaltung von Traditionskonzernen zögerlich agieren. Holdingabschläge resultieren jedoch nicht nur aus einer ineffizienten Unternehmensbewertung, sondern auch aus der Tatsache, dass Investoren wenig Interesse an Konglomeraten als Investitionsobjekte finden. Investoren und Anleger richten ihre Investitions- und Anlageentscheidungen in erster Linie an den Kriterien Risiko(-neigung) und Rendite(-erwartung) aus und werden versuchen, ihr persönliches Risiko durch Streuung ihrer Investitionen zu diversifizieren. Eine Risikodiversifikation auf Unternehmensseite ist daher weder erwünscht noch erforderlich. Da bei einem diversifizierten Unternehmen das Risiko und die Rendite nur schwer zu bestimmen sind, bevorzugen Investoren und Anleger Unternehmen, die sich auf eine Branche kon-

247

Da es sich um verwandte Geschäftsfelder handelt könnte man auch von einer stark diversifizierten Unternehmensstruktur bei der Bayer AG sprechen.

248

Vgl. zu dieser Diskussion Ruess (2001), S. 68 ff.

249

Vgl. o.V. (2001d), S. 9.

250

Vgl. o.V. (2001e).

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zentrieren, so genannte Pure-Play-Unternehmen (Pure Plays).251 Durch Verselbstständigungen von Geschäftsbereichen und Börseneinführungen von Tochterunternehmen kommt es zu einer Vervollständigung des Kapitalmarkts durch Pure Plays. Jedes zusätzliche Unternehmen ist durch ein unternehmensspezifisches Risiko-Rendite-Profil gekennzeichnet und Investoren und Anleger können dieses zusätzliche Unternehmen in ihre Investitionsentscheidung mit einbeziehen. Neben der generellen Informationsintransparenz bei konglomeraten Unternehmen und dem verminderten Interesse von Investoren an stark diversifizierten Unternehmen spielt auch die Analysetätigkeit von Investmenthäusern eine Rolle bei der Abwägung von Corporate-Restructuring-Maßnahmen. In Banken und Investmentgesellschaften betreut jeder Analyst in der Regel ein abgegrenztes geografisches Gebiet, Unternehmen bestimmter Größe oder auch spezielle Branchen. Entstehen durch Unternehmensspaltungen und -ausgliederungen zusätzliche selbstständige Unternehmen, werden sich auch andere Analysten diesen neuen Unternehmen zuwenden.252 Während die Bayer AG beispielsweise durch einen Analysten von Chemie-Unternehmen beobachtet und bewertet würde, beschäftigten sich nach einer Spaltung von Bayer in drei selbstständige Unternehmen jeweils ein Pharmaanalyst, ein Agraranalyst und ein Chemieanalyst mit den Unternehmen. Es wird angenommen, dass mit einer zunehmenden Zahl von fokussierten Analysten, die sich speziell mit einem Unternehmen beschäftigen (man spricht auch von der Analyst Coverage), die Qualität der Analyse und Bewertung steigen wird und die neuen Unternehmen auf zunehmendes Interesse bei der Öffentlichkeit stoßen werden.253 Diese fundiertere Bewertung und das gestiegene Interesse tragen ebenfalls zu dem Ziel einer effizienten Kapitalmarktbewertung bei.254 Der vom Kapitalmarkt ausgehende Restrukturierungsdruck zum Erzielen einer effizienten Unternehmensbewertung wird in der Realität neben Fokussierungsüberlegungen als einer der wesentlichsten Gründe für die Entflechtung von Unternehmens-

251

Vgl. Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 47.

252

Zuta (2002) konnte diese Zunahme an Analysten bei der Schaffung einer Tracking-Stock-Struktur in Unternehmen empirisch belegen.

253

Vgl. Gilson et al. (1998), S. 18 ; Seifert et al. (2000); S. 123.

254

Zur Tätigkeit und Organisation von Finanzanalysten, vgl. Achleitner (2002), S. 757 ff., Achleitner/Bassen/Pietzsch (2001), S. 47 ff.

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konglomeraten gesehen.255 Diversifizierte Unternehmen besitzen nicht selten erhebliches Potenzial, durch Verbesserung der Informationstransparenz und Schaffung von Pure Plays im Rahmen von Corporate-Restructuring-Maßnahmen ein zusätzliches Wertschaffungspotenzial zu erschließen.256 Ist die Summe der Teile mehr wert als das Ganze, so kann durch einen Spin-off, einen Split-off, einen Split-up oder einen Equity Carve-out zusätzlicher Shareholder Value geschaffen werden (Value Unlock). Auch ein Sell-off kann in dieser Weise wirken, wenn durch die Veräußerung eines Geschäftsbereiches oder einer Tochtergesellschaft eine Fokussierung bei der Obergesellschaft bewirkt wird, welche eine effizientere Bewertung erlaubt. Gleichfalls können Tracking Stocks eingesetzt werden, um den Wert eines Geschäftsbereichs über den Kapitalmarkt effizient zu ermitteln, da die Ausgabe divisionalisierter Aktien mit der Freisetzung detaillierter Informationen zu dem abgegrenzten Geschäftsbereich und der Verpflichtung zur ausführlichen Segmentberichterstattung verbunden ist.257 Diese Segmentberichterstattung258 liefert detaillierte Informationen über den getrackten Geschäftsbereich und erlaubt daher Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Unternehmen, die in der gleichen Branche tätig sind. Somit kann die Ausgabe von Tracking Stocks auch bei der Obergesellschaft zu einer fundierteren, effizienteren Bewertung führen. SADTLER/CAMPBELL/KOCH akzeptieren das Erzielen einer effizienten Kapitalmarktbewertung durch Schaffung von Pure Plays und der Auflösung von Konglomeratsabschlägen als legitimes Motiv für eine Unternehmensrestrukturierung. Sie weisen aber darauf hin, dass dahinter tatsächlich ein anderes, aber damit sehr eng verbundenes, Motiv stehen könnte: Ist die Entlohnung der Entscheidungsträger im Unternehmen

255

Vgl. z.B. McKenna (2000), S. 63. Dem entsprechend wurden in einer Untersuchung von Nanda/Narayanan (1998) die Erzielung einer effizienten Kapitalmarktbewertung in zwei von fünf Fällen als Motiv für einen Equity carve-out oder einen Spin-off ermittelt.

256

Annema/Fallon/Goedhart (2001), S. 6, weisen jedoch darauf hin, dass Restrukturierungsmaßnahmen nicht als simples Mittel gesehen werden dürfen, den Aktienkurs eines Unternehmens nach oben zu treiben, aber gleichzeitig den Status quo der Unternehmensstruktur beibehalten zu können. Echte Shareholder-Value-Steigerungen könnten nur dann eintreten, wenn die Restrukturierungsmaßnahme mittelfristig in eine vollständige Desinvestition des betreffenden Geschäftsbereiches münden würde.

257

Zur Definition und dem Inhalt der Segementberichterstattung, vgl. Kind (2000); Wollmert/Hellig (2001). Billet/Vijh (2001), S. 24, hingegen konnten empirisch keine Verbesserung der Informationstransparenz bei Unternehmen durch Ausgabe von Tracking Stocks belegen.

258

Vgl. hierzu die in Kap. 3.3.6 gemachten Ausführungen zu Tracked Unit Financial Statements (TUFS).

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4 Motive des Corporate Restructuring

durch Boni und Stock Options an die Entwicklung des Aktienkurses gekoppelt, so besitzen diese einen persönlichen Anreiz dafür, eine höhere Bewertung des Unternehmens zu verfolgen, um ihre persönliche Rente zu maximieren.259 CORNELL/LIU haben in Einzelfallstudien im Zeitraum von September 1999 bis März 2000 sieben Unternehmen identifiziert, bei denen der Börsenwert jeweils einer einzigen Tochtergesellschaft höher war als der Börsenwert der Obergesellschaft (darunter auch 3Com mit der Tochtergesellschaft Palm).260 Keiner der traditionellen Erklärungen (Agency-Theorie, Liquiditätsengpässe, Steuern, Noise Trading) und keine Kombination derselben, welche in früheren Untersuchungen eine Bewertungsdivergenz zwischen einem geschlossenen Aktienfonds und der Summe der Werte der einzelnen Fondspositionen erklärbar machen konnten, schien zudem geeignet, diese extremen Holdingabschläge konsistent zu begründen. CORNELL/LIU gehen daher davon aus, dass die vorgefundenen Bewertungsabschläge das Ergebnis eines irrationalen Preisfindungsmechanismus aufgrund grundsätzlicher Marktineffizienzen, verbunden mit einer abwärts gerichteten Nachfragekurve nach Aktien von Tochtergesellschaften, sind.261 Praktisch bedeutet dies, dass die begrenzte Zahl von börsenverfügbaren Aktien der Tochtergesellschaften und eine hohe Nachfrage nach genau jenen Aktien irrational hohe Aktienkurse hervorgerufen haben. 4.3.4.2 Erschließung zusätzlicher Finanzierungsquellen

Die Finanzierungsmöglichkeiten eines Unternehmens sind prinzipiell abhängig von der Rechtsform des Unternehmens sowie dessen Lebenszyklusphase.262 Emissionsfähige Unternehmen, wie beispielsweise Aktiengesellschaften und sehr große Gesellschaften mit beschränkter Haftung, können durch die Ausgabe von Aktien (AG) bzw. Anleihen (AG und GmbH) Eigen- bzw. Fremdkapital an Kapitalmärkten im Inund Ausland aufnehmen. Nicht emissionsfähige Unternehmen sind diesbezüglich im Nachteil und können in der Regel lediglich durch die Aufnahme neuer Gesellschafter oder die Erhöhung des Grundkapitals das Gesellschaftsvermögen erhöhen. Die Le259

Vgl. Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 46.

260

Vgl. Cornell/Liu (2000).

261

Vgl. Cornell/Liu (2000), S. 26. Lamont/Thaler (2001) kommen zu einem ähnlichen Ergebnis und belegen außerdem, dass selbst Arbitrage durch Short-Seller nicht unbedingt zu rationaler Preisfestsetzung führen muss.

262

Zu den grundsätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten in Abhängigkeit der Rechtsform von Unternehmen, vgl. u.a. Thommen/Achleitner (2001), S. 465 ff.; Perridon/Steiner (2002), S. 353 ff.

4 Motive des Corporate Restructuring

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benszyklusphase des Unternehmens ist dahingehend von Bedeutung für die Art und Weise der Finanzierung, dass eine Wachstumsphase andere Anforderung an die Finanzierung stellt als eine Konsolidierungsphase. Die Branche, in der ein Unternehmen tätig ist, hat ebenfalls wesentlichen Einfluss auf die Kapitalstruktur von Unternehmen.263 Konglomerate stehen besonders dann vor einem Finanzierungsproblem, wenn sie in verschiedene Geschäftsfelder diversifiziert sind und jedes Geschäftsfeld durch eine eigene Wachstumsdynamik und ein eigenes Risiko-Rendite-Profil gekennzeichnet ist. Die Festlegung einer konkreten Finanzierungsstrategie für das Gesamtunternehmen wird unter diesen Umständen nur schwer möglich sein und grundsätzlich davon abhängen, ob das Konglomerat durch Diversifikation und Akquisition eine Wachstumsstrategie oder Konsolidierungsstrategie verfolgt.264 Erstere wäre mit einem bedeutend höheren Risiko verbunden und spräche daher finanzwirtschaftlich für eine Eigenkapitalfinanzierung, während Letztere eine Risikoreduktion bedeutet und eine Fremdkapitalfinanzierung erlauben würde. Eine Strategie der Finanzierung des gesamten Unternehmens kann in diesem Fall immer nur eine Durchschnittsbildung darstellen, da sich die Kapitalgeber immer an der Bonität des Gesamtunternehmens orientieren werden.265 Unter allen Umständen sind bei Festlegung einer Finanzierungsstrategie für ein Gesamtunternehmen einzelne Geschäftsfelder im Vorteil und andere im Nachteil, denn einzelne Geschäftsfelder werden Kapitalkosten haben, die in der Realität, das heißt bei Selbstständigkeit des Geschäftsbereichs, höher als die Gesamtkapitalkosten des Unternehmens sein würden. Andere hingegen haben niedrigere Kapitalkosten als in der Durchschnittsbildung angenommen. Diese Zusammenlegung der Kapitalkosten bedeutet Effizienzverluste für das Konglomerat, da die Geschäftsfelder nicht entsprechend ihrem Risiko-RenditeProfil finanziert sind. Nimmt man die ineffiziente Kapitalmarktbewertung von Konglomeraten und stark diversifizierten Unternehmen als Folge der asymmetrischen Informationsverteilung als gegeben hin, stehen Unternehmen, die eine Außenfinanzierung in Anspruch neh-

263

Vgl. McKenna (2000), S. 64. So gibt es beispielsweise Branchen mit einem traditionell hohen Verschuldungsgrad und Branchen, wo dieser relativ niedrig ist.

264

Vgl. Johnson/Scholes (1997), S. 267.

265

Gerade bei der Fremdfinanzierung haftet das gesamte (diversifizierte) Unternehmen für die Verbindlichkeiten konsolidierter Tochterunternehmen.

86

4 Motive des Corporate Restructuring

men wollen, vor einem grundlegenden Problem: Entweder sie geben Anteile zu einem Preis aus, der unter dem tatsächlichen Unternehmenswert liegt, was eine teure Eigenkapitalfinanzierung implizieren würde. Oder sie veräußern die überbewerteten, aber wenig ertragsstarken Geschäftsbereiche und führen dem Unternehmen damit direkt Kapital zu und senken im Idealfall indirekt die Kapitalkosten folgender Außenfinanzierungen aufgrund der erreichten effizienteren Bewertungen. ZUGEHÖR sieht die allgemeine Kreditwürdigkeit konglomerater Unternehmen ohnehin als eingeschränkt an, da sich internationale Rating-Agenturen bei der Bonitätsfeststellung unter anderem am Aktienkurs orientierten, mit der Konsequenz, dass mit einer Conglomerate Discount belegte Unternehmen aufgrund des geringeren Börsenwerts mit höheren Finanzierungskosten zu rechnen haben.266 Restrukturierungsmaßnahmen können unter diesen Gesichtspunkten dazu beitragen, die Kapitalkosten aufzusplitten, das Risiko-Rendite-Profil und die Kapitalkosten eines jeden Geschäftsbereichs erkennbar zu machen und damit eine dem Geschäftsfeld angemessene Finanzierung und Kapitalstruktur zu ermöglichen.267 Insbesondere, wenn bei der Muttergesellschaft aufgrund negativer Ertrags- und Dividendensituation eine Kapitalaufnahme über den Kapitalmarkt wenig Erfolg versprechend erscheint, bedeutet die Möglichkeit, einen wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmensteil zu verselbstständigen und an der Börse einzuführen, einen zusätzlichen Weg der Kapitalaufnahme im Konzern.268 Unabhängig davon, ob die Konglomeratsstruktur tatsächlich aufgebrochen wird und eine Fokussierung auf Kerngeschäftsfelder eintritt, können alleine durch die Verselbstständigung der einzelnen Geschäftsbereiche Effizienzsteigerungen durch Transparenzsteigerungen eintreten. Werden diese Geschäftsfelder nicht nur verselbstständigt, sondern sogar in eigenständige Tochtergesellschaften ausgegliedert, die vielleicht sogar im Rahmen eines Equity Carve-outs oder Spin-offs (Börsennotierung der Spin-off-Anteile) an der Börse eingeführt werden, so erhalten diese neuen Unternehmen gemäß ihrem eigenen Risiko-Rendite-Profil eine eigenständige Bewertung durch den Kapitalmarkt und sind für die Festlegung ihrer Finanzierungsstrategie selbst verantwortlich.

266

Vgl. Zugehör (2001a), S. 38.

267

Vgl. McKenna (2000), S. 64; Hasselmann (1997), S. 182 f.; Löffler (2001), S. 125.

268

Vgl. Hasselmann (1997), S. 127.

4 Motive des Corporate Restructuring

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Neben einer Senkung der Kapitalkosten kann die Loslösung eines Unternehmens von einer Obergesellschaft oder aus einem Konzernverbund dem ausgekehrten Unternehmensteil auch die Gelegenheit eröffnen, zusätzliche Finanzierungsquellen zu erschließen, die aufgrund der Zugehörigkeit zur Obergesellschaft zuvor verschlossen waren.269 Man spricht hierbei auch von der Möglichkeit des Independent Funding, das heißt, die Gesellschaft kann ihre Kapitalgeber unabhängig von der Obergesellschaft oder deren Konzernpolitik auswählen. Nicht nur vermag die Restrukturierungsmaßnahme selbst als Finanzierungsquelle dienen und der Obergesellschaft und/oder dem ausgekehrten Unternehmensbereich liquide Mittel zuführen, sondern sie schafft vielmehr auch die Voraussetzungen für die Erschließung zusätzlicher Kapitalquellen. Kapitalerhöhungen können nach Durchführung eines Equity Carve-outs oder einer Börseneinführung von Spin-off-, Split-off-, Split-up-Anteilen relativ unkompliziert durch das neue Unternehmen durchgeführt werden, ohne durch die Strategie der Obergesellschaft oder deren Risiko-Rendite-Profil beeinflusst zu werden. Auch die Liquiditätsreserve des Unternehmens und damit dessen Opportunitätskosten lassen sich im Idealfall durch eine Börseneinführung verringern, da das Unternehmen zukünftig einen steten Zugang zum Kapitalmarkt hat, um zusätzliches Kapital aufzunehmen.270 4.3.4.3 Kaufangebot und Realisation von Buchgewinnen

Die Realisierung von Gewinnen erfolgreicher Investitionen durch Veräußerung von Geschäftsbereichen, Tochtergesellschaften und anderen Beteiligungen271 bietet sich vor allem dann an, wenn die Marktsituation günstig ist. Werden beispielsweise an der Börse Unternehmen eines bestimmten Sektors stark nachgefragt und gut aufgenommen, lassen sich durch eine Neuemission von Aktien hohe Erlöse erzielen.272 Unternehmen, die einen Geschäftsbereich oder eine Tochtergesellschaft dieser Bran-

269

Vgl. Annema/Fallon/Goedhart (2001), S. 8.

270

Vgl. Hasselmann (1997), S. 187.

271

Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Harvesting (von „Harvest“ (engl.): Ernte, ernten).

272

Die Berücksichtigung von Kapitalmarktphasen und -trends bei der Ausgabe von Aktien und der Aufnahme von Fremdkapital bezeichnet man auch als Market Timing. Als eine der wenigen empirisch belegten Theorien zur Erklärung der Kapitalstruktur in Unternehmen zeigt die Market Timing Theory, dass Unternehmen i.d.R. dann Aktien ausgeben, wenn sich der Kapitalmarkt in einer Boomphase befindet und das Management eines Unternehmens die eigene Aktie als relativ hoch bewertet ansieht. Zur Markt Timing Theory, vgl. u.a. Baker/Wurgler (2002).

88

4 Motive des Corporate Restructuring

che haben, können in dieser Situation durch einen Equity Carve-out hohe Emissionserlöse erzielen, die entweder der Obergesellschaft zufließen oder bei einer Kapitalerhöhung dem ausgekehrten Unternehmen zugute kommen. Es spielt für die kurzfristige Gewinnrealisation keine Rolle, ob die Börseneinführung Teil einer längerfristigen Unternehmensstrategie der Obergesellschaft ist, oder ob es sich bei der Transaktion lediglich um eine kurzfristige Maßnahme zur Maximierung der Veräußerungserlöse handelt. Wurde der Equity Carve-out bereits von langer Hand geplant, so kann die Marktlage als Timingvariable gesehen werden, durch die der Zeitpunkt der Emission bestimmt wird. 1999 konnten Neuemissionen am Neuen Markt, vor allem aus den Bereichen Internet und Telekommunikation, sehr gut am Markt platziert werden. Sogar Emissionen mit hohen Ausgabeaufschlägen auf den fairen Aktienkurs wurden aufgrund der extrem positiven Marktstimmung vom Markt gut aufgenommen. Es ist anzunehmen, dass nicht wenige Unternehmen erst durch den großen Erfolg von Neuemissionen auf die Möglichkeit eines Equity Carve-out oder einer Tracking-Stock-Emission aufmerksam wurden und diesen dann anstrebten.273 Eine positive Marktlage, besonders eine positive Börsenstimmung, ist daher der Durchführung von Unternehmensrestrukturierungen zuträglich. Doch nicht nur die aktuelle Börsenstimmung kann Impulse zur Restrukturierung von Unternehmen geben, sondern auch konkrete Kaufangebote durch andere Unternehmen, Wettbewerber oder (Finanz-)Investoren. Ist bekannt, dass sich ein Unternehmen mittelfristig von einem Geschäftsbereich, einer Tochtergesellschaft oder einer Beteiligung trennen möchte, so ist es als nicht unwahrscheinlich anzusehen, dass ein Wettbewerber unter Konzentrations- und Fokussierungsüberlegungen sein Interesse an diesem Objekt dem Veräußerer mitteilt oder diesem sogar ein konkretes Kaufangebot unterbreitet.274 In Fällen wie diesen profitieren beide Parteien von einer derartigen Transaktion: Der Veräußerer kann aufgrund eines konkreten Kaufangebots die Veräußerungsgewinne maximieren und die Transaktionskosten gering halten, da er nicht erst nach potenziellen Erwerbern Ausschau halten muss. Gleichzeitig kann der Erwerber durch den Kauf seine Kernkompetenzen ausbauen und seinen Marktanteil in diesem Geschäftsfeld steigern, ohne durch langfristige Vertragsver-

273

Vgl. Nippel/Mertens (2002), S. 27.

274

Beispielsweise schlossen sich in Deutschland die Siemens AG und die Bosch GmbH bereits zu einem Interessentenkonsortium zusammen, bevor die Mannesmann AG überhaupt konkret einen Käufer für seine Sparte Automotives (Fahrzeugtechnik) suchte.

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handlungen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und potenzieller Mitbewerber um den Geschäftsbereich zu erregen. In seltenen Fällen werden Kaufangebote für einen Unternehmensteil auch direkt an die Unternehmen herangetragen, ohne dass diese Verkaufsabsichten geäußert hätten oder diese vermuten ließe. Steht das Management eines Unternehmens einem Übernahmeangebot freundlich gegenüber, das heißt, weiß es das Kaufangebot im Interesse der Anteilseigner sorgfältigst zu prüfen, nimmt es das Angebot zur Übernahme an, so spricht man von einer freundlichen Übernahme (Friendly Takeover). Ist jedoch bekannt, dass das Management eines Unternehmens einem Übernahmeangebot grundsätzlich eine Absage erteilen würde bzw. wurde eine freundliche Übernahme bei einem konkreten Übernahmeangebot bereits ausgeschlossen, könnten sich die potenziellen Erwerber direkt an die Eigentümer eines Unternehmens, das heißt in der Regel an die Aktionäre einer Aktiengesellschaft, wenden. In diesem Fall spricht man von dem Versuch einer feindlichen Übernahme (Hostile Takeover, Unfriendly Takeover), da die Unternehmensleitung dem Übernahmeangebot ablehnend gegenübersteht.275 Erwerbsinteressenten werden in der Regel zuerst die Chancen einer freundlichen Übernahme eines Unternehmens bzw. eines Unternehmensteils ausloten und erst nach Ablehnung oder Verwerfung dieser Möglichkeit eine feindliche Übernahme in Betracht ziehen. In allen Fällen beschleunigt ein vorliegendes Kaufangebot für einen Unternehmensteil den Desinvestitionsprozess, der bei Annahme des Kaufangebots in der Großzahl der Fälle in einem Sell-off des betreffenden Unternehmensteils sein Ergebnis finden wird, erheblich.276 4.3.4.4 Langfristige Abwehr feindlicher Übernahmen

Die optimale Strukturierung von Unternehmen und Konzernen kann einen wesentlichen Beitrag zur Abwehr von Übernahmeangeboten (Anti-Takeover) leisten.277 Wie

275

Vgl. Rechsteiner (1995), S. 48, der feindliche Übernahmen bei der Analyse alternativer Desinvestitionsformen von der Betrachtung ausschließt, da diese immer nur ein gesamtes Unternehmen betreffen können und nicht Teilbereiche davon, und daher auch nicht zu den unfreiwilligen Desinvestitionen gezählt werden kann.

276

Vgl. Rechsteiner (1995), S. 48.

277

Vgl. Weston/Siu/Johnson (2001), S. 350; McKenna (2000), S. 64. Zu einem Beispiel aus der Praxis vgl. die geplante Schaffung einer Stiftung durch Renault und Nissan, durch die eine feindliche Übernahme einer der beiden Unternehmen durch Dritte erschwert werden soll. Vgl. hierzu o.V. (2001f) Auch die Volkswagen AG unter ihrem Vorstandsvorsitzenden Piech erwog 2001 angesichts eines niedrigen Unternehmenswerts und der damit gegebenen Möglichkeit

90

4 Motive des Corporate Restructuring

bereits dargestellt können kurzfristig durchgeführte Anti-Takeover-Restrukturierungsmaßnahmen, wie zum Beispiel dem Verkauf eines wesentlichen Unternehmensteils (Crown Jewel), zur Abwehr unmittelbarer, gegenwärtiger feindlicher Übernahmeangebote dienen.278 Andererseits vermögen mit einem langfristigen Zeithorizont geplante und umgesetzte Strukturentscheidungen die Wahrscheinlichkeit eines freundlichen wie feindlichen Übernahmeangebots zu mindern. Eine Möglichkeit kann beispielsweise darin bestehen, eine Übernahme zu erschweren, indem der Erwerb eines wesentlichen Teils der mit Stimmrechten ausgestatteten Unternehmensanteile erschwert wird. Auch eine komplizierte gesellschaftsrechtliche Unternehmensstruktur kann dazu beitragen, die Attraktivität eines Unternehmens als Zielobjekt für eine Übernahme zu mindern. Der Zeithorizont, vor dem eine Corporate-Restructuring-Maßnahme zur Abwehr von Übernahmen durchgeführt wird, ist in diesem Zusammenhang ausschlaggebend dafür, ob es sich tendenziell eher um eine unfreiwillige (kurzfristiger Zeithorizont) oder um eine freiwillige Maßnahme (langfristiger Zeithorizont) handelt. Vorbeugende kurzfristige und langfristige Unternehmensrestrukturierungen als Verteidigungsmechanismen gegen Übernahmen waren besonders während der fünften Übernahmewelle der achtziger Jahre beliebt, führten sie doch zu einem Werttransfer vom Raider, das heißt jenem Unternehmen279, das ein (feindliches) Übernahmeangebot macht, zum Aktionär des Zielobjekts.280 Hintergrund für den Vermögenstransfer ist die Tatsache, dass während der fünften Übernahmewelle Übernahmeangebote in etwa gleich hoch dem Wert des Zielunternehmens nach der Restrukturierung (das heißt inklusive einer Übernahmeprämie) gepreist waren, und dass damit eine vorbeugende Restrukturierungsmaßnahme, wie zum Beispiel ein Spin-off, unmittelbar und direkt zu einer Steigerung des Shareholder Value führte. Inwieweit Unternehmensverkäufe und -ausgliederungen oder Auf- und Abspaltungen, die mit dem Ziel der Abwehr feindlicher Übernahmen durchgeführt werden, zu einer Steigerung des Shareholder Value führen, ist fraglich. Vor einem langfristigen

einer feindlichen Übernahme die Schaffung einer Unternehmensstruktur, die eine Übernahme erschweren bzw. unmöglich machen würde. 278

Vgl. hierzu Kap. 4.2.3.

279

Es kann sich in der Praxis auch um eine einzelne Person handeln.

280

Vgl. McKenna (2000), S. 64.

4 Motive des Corporate Restructuring

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Zeithorizont gilt es im Einzelfall zu prüfen, ob eine Corporate-Restructuring-Maßnahme die Gefahr einer feindlichen Übernahme tatsächlich mindert und ob dies auch tatsächlich im Sinne der Anteilseigner ist, denn in der Realität führen Unternehmensübernahmen bzw. Übernahmeangebote in einem Großteil der Fälle zu Wertsteigerungen beim Übernahmeobjekt. Ein Unternehmen als Übernahmeziel uninteressant zu machen, kann daher dem Prinzip des Shareholder Value widersprechen. Für Unternehmen bergen diese vorbeugenden Restrukturierungen auch die Gefahr, dass die Strategie der Abwehr von Übernahmen durch komplexe Unternehmensstrukturen und gesellschaftsrechtliche Konstruktionen nicht aufgeht und sich letztendlich sogar gegen das Unternehmen wendet. Wird vom Markt eine vorbeugende Restrukturierungsmaßnahme nicht honoriert oder sogar abgelehnt, kann durch deren Vollzug Shareholder Value vernichtet werden und das Unternehmen könnte aufgrund einer möglichen Unterbewertung zu dem Zielobjekt feindlicher Übernahmen werden.281 4.3.5

Fall III: Reaktive, intrinsisch motivierte Restrukturierungen

4.3.5.1 Auflösung von Dyssynergien

Beeinflusst ein Geschäftsbereich oder eine Tochtergesellschaft eines Unternehmens einen anderen Geschäftsbereich oder eine andere Tochtergesellschaft in negativer Hinsicht, so spricht man von so genannten Dyssynergien (negative Synergien) oder von einem Misfit bei den betreffenden Geschäftsbereichen oder Tochtergesellschaften.282 Während Unternehmensfusionen und -akquisitionen normalerweise mit dem Anspruch der Schaffung positiver Synergien zwischen einzelnen Geschäftsbereichen oder Konzerngesellschaften durchgeführt werden,283 können nach Vollzug der Transaktion unter Umständen auch negative Synergien auftreten, die letztendlich eine Steigerung des Unternehmenswerts verhindern oder sogar Shareholder Value vernichten.

281

Vgl. Breuninger (2001), welcher die Frage aufwirft, ob durch die Ausgabe von Tracking Stocks ohne Eigentumsrechte ein Unternehmen resistenter gegenüber feindlichen Übernahmen werden kann und daher positive Auswirkungen auf den Shareholder Value erwartet werden können.

282

Vgl. Achleitner (2002), S. 372. Löffler (2001), S. 57, spricht in diesem Zusammenhang auch von einem „Lack of Fit“ zwischen Mutter- und Tochterunternehmen als einem Motiv für Desinvestitionsmaßnahmen.

283

Vgl. Gaughan (2002), S. 111 ff.

92

4 Motive des Corporate Restructuring

Negative Synergien infolge von M&A-Transaktionen können sich dadurch ergeben, dass erwartete Synergien nicht realisiert werden können, oder dass sich im Laufe der Unternehmensintegration Probleme ergeben, die zu einer unerwarteten Kostensteigerung in anderen Bereichen führen.284 Die Gefahr negativer Synergien durch Ineffizienzen korreliert dabei negativ mit der Branchenaffinität der Kerngesellschaft und dem zu integrierenden Unternehmen.285 Eine typische Dyssynergie bei bestehenden Konglomeraten ist ein höherer Gemeinkostenaufwand, welcher sich aufgrund ineffizienter Verwaltungsstrukturen ergibt. Auch interne Konflikte zwischen Abteilungen oder einzelnen Personen innerhalb eines Unternehmens können einen negativen Einfluss auf den Unternehmenserfolg ausüben, Ineffizienzen verursachen und letztendlich Unternehmenswert vernichten.286 Im Gegensatz zum bereits vor Durchführung einer Diversifikation bekannten Verwaltungskostenproblem stellen Dyssynergien, die der Unternehmensführung erst nach Vollzug der Transaktion bewusst werden, ein deutlich schwerwiegenderes Problem dar. Sollte sich zum Beispiel herausstellen, dass sich zwei oder mehrere Marken von Schwester- oder Tochtergesellschaften in einem Unternehmensverbund negativ beeinflussen, so spricht man von einem negativen Branding. Negatives Branding ist selten offensichtlich. In der Diskussion werden nicht selten Automobilhersteller oder Luftfahrtunternehmen genannt. Die Daimer-Benz AG hatte beispielsweise nach ihrer Fusion mit der US-amerikanischen Chrysler Corp. die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Ruf ihrer „Premiummarke“ Mercedes-Benz durch die Fusion mit einem ausländischen Massenhersteller in der Öffentlichkeit nicht geschädigt wird. Ähnliches galt für die Beteiligungen der DaimlerChrysler AG am japanischen Hersteller Mitsubishi oder dem koreanischen Autobauer Hyundai Motor Company. Die Befürchtung der Mercedes-Benz-Kunden, in den Autos in Zukunft qualitativ minderwertige Materialien oder sogar die gleichen Teile wie in den Wagen der niedrigeren Preissegmente vorzufinden, erschien nicht unbegründet. Eng verbunden mit dem negativen Branding sind negative Synergien durch Produktpositionierungsprobleme. Als positives Beispiel ist hier Volkswagen zu nennen. Volkswagen steht vor dem Problem, seine zahlreichen namhaften Automarken (VW,

284

Neben unterschiedlichen Produktprogrammen können bspw. inkompatible IT-Systeme zu erheblichen Kostensteigerungen und Ineffizienzen führen.

285

Vgl. Löffler (2001), S. 57.

286

Vgl. McKenna (2000), S. 64.

4 Motive des Corporate Restructuring

93

Audi, Seat, Skoda, Bugatti etc.) so am Markt zu positionieren, dass einerseits alle Fahrzeugklassen vom Kleinwagen bis zu dem Luxuswagen und sämtliche Fahrzeugsegmente vom Familienauto bis zu dem Sportwagen abgedeckt werden, andererseits aber keine Fahrzeugklasse und kein Fahrzeugsegment mehrmals belegt ist, was zweifelsohne zulasten einer Marke gehen würde. Da Volkswagen jedoch alle Marken in selbstständigen Unternehmen führt und die strategische Ausrichtung der Einzelmarken und die Positionierung der Fahrzeugmodelle überwacht, ist es im Volkswagenkonzern noch nicht zu wesentlichen Problemen in dieser Hinsicht gekommen. Sehr viel schwerwiegender als negatives Branding in einem Konzernverbund von Unternehmen mit eigenen, unabhängigen Markennamen ist jedoch negatives Branding innerhalb eines Unternehmens, da in diesen Fällen die Assoziation eines Produkts mit dem Unternehmen bzw. einem anderen Produkt des Unternehmens sehr viel wahrscheinlicher ist. Entstehen Dyssynergien durch negatives Branding in einem Unternehmen, sollte die Unternehmensführung in einem ersten Schritt die einzelnen Produkte in selbstständige Gesellschaften ausgliedern und in der Öffentlichkeit die Verbindung dieser einzelnen Unternehmen soweit möglich nicht publik machen. In der Lebensmittelbranche vermarkten beispielsweise die Hersteller ein und dasselbe Produkt unter verschiedenen Namen in verschiedenen Preissegmenten, um damit den Gesamtabsatz des Produkts zu steigern und die Durchschnittskosten zu reduzieren. Wird das eigentliche Unternehmen mit seinem richtigen Namen in Zusammenhang mit den Billigprodukten gebracht, könnte dies neben einem negativen Image auch einen Umsatzrückgang bewirken und damit letztlich Unternehmenswert vernichten. Ein weiteres Problem, welches sich aus der vertikalen Integration verbundener Geschäftsfelder ergeben kann und zu negativen Synergien zwischen den verschiedenen Geschäftsbereichen führen kann, sehen SADTLER/CAMPBELL/KOCH. Vertikale Integration als „klassisches Expansionsmanöver“ könne dazu führen, dass sich Kunden einer Division des Konglomerats auf ihrem angestammten Markt plötzlich im direkten Wettbewerb mit einer anderen Division des integrierten Unternehmens wiederfinden, und als Konsequenz die bisherige Geschäftsbeziehung daher in Frage stellen.287 Ein prominentes Beispiel für diese Situation stellt AT&T dar. Zum Zeitpunkt der Aufspaltung des mächtigen Telekommunikationskonglomerats 1995 standen die bis287

Vgl. Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 54, dem auch das folgende Beispiel von AT&T entnommen ist.

94

4 Motive des Corporate Restructuring

herigen und potenziellen internationalen Kunden des Unternehmens sowie die neu geschaffenen regionalen Telefongesellschaften (Baby Bells) vor der Frage, ob sie weiterhin ihre Hardware von AT&T beziehen sollten, da AT&T als Ergebnis seiner Expansionsstrategie zunehmend auch als Wettbewerber für Telekommunikationsdienstleitungen auf den liberalisierten Telekommunikationsmärkten auftrat. Als einen der wesentlichen Gründe für die Aufspaltung von AT&T führte das Unternehmensmanagement daher den Trade-off zwischen den Vorteilen der vertikalen Integration und dem Ressourcenbedarf, der dazu nötig war die vermehrt auftretenden Konflikte und Spannungen zwischen den verschiedenen Geschäftsfeldern Dienstleistung und Ausrüstung, zu bewältigen. Dieser Trade-off, welcher letztendlich durch die Aufspaltung durchbrochen werden sollte, war zu diesem Zeitpunkt zu einem echten Wachstumshemmnis für AT&T geworden. Bei negativen Synergien zwischen einzelnen Geschäftsbereichen eines Unternehmens besteht die Möglichkeit, Dyssynergien durch Verselbstständigung der Geschäftsbereiche zu reduzieren. Garantieren können Restrukturierungen die Auflösung von Dyssynergien jedoch nicht. ANNEMA/FALLON/GOEDHART warnen davor, dass existierende Synergien beispielsweise durch einen Equity Carve-out vernichtet werden könnten, da die beiden unternehmerischen Einheiten nach Vollzug der Restrukturierungsmaßnahme als unabhängige Unternehmen zu sehen sind. Die Konsequenz sei, dass sich sämtliche Geschäftsbeziehungen nach Marktkonditionen ausrichten müssen, nicht zuletzt aufgrund rechtlicher Regelungen.288 Das Ausmaß, in dem Dyssynergien durch eine Restrukturierungsmaßnahme aufgelöst werden könnten, ist deshalb im Vorfeld einer Transaktion dem Umfang der existierenden Synergieeffekte zwischen den beiden Unternehmenseinheiten gegenüberzustellen. 4.3.5.2 Strategische Neuausrichtung

Ändern sich im Zeitablauf die Umweltbedingungen, die Einstellung der Unternehmensleitung oder die Mitglieder der Unternehmensleitung selbst, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass diese Änderungen mit einer Anpassung der strategischen Ausrichtung des Unternehmens einhergehen („Structure follows Strategy“289).290 Unter anderem kann dies auch Restrukturierungsmaßnahmen mit einbeziehen, falls ein Ge-

288

Vgl. Annema/Fallon/Goedhart (2001), S. 9 f.

289

Vgl. Karsch (2002), S. 818.

290

Vgl. Weston/Siu/Johnson (2001), S. 349; Rechsteiner (1995), S. 42.

4 Motive des Corporate Restructuring

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schäftsbereich oder ein Tochterunternehmen zur neuen Unternehmensstrategie nicht „passt“.291 Es handelt sich hierbei um einen mangelnden „organisatorischen Fit“ zwischen Geschäftsbereichen und Tochterunternehmen in einem Unternehmensverband oder Konzern. Eine strategische Neuausrichtung als Motiv für Corporate-Restructuring-Maßnahmen steht in einem engen Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Motiv der Auflösung von Unternehmenskonglomeraten und stark diversifizierten Unternehmen. Werden Unternehmensrandbereiche im Rahmen der Änderung der Unternehmensstrategie veräußert, so spricht man auch von einer Fokussierungsstrategie. Bei Unternehmensrandbereichen kann es sich zum einen um Geschäftsbereiche handeln, welche außerhalb der Kernkompetenzen des Unternehmens liegen und daher für das auf die Kernkompetenzen aufbauende Unternehmenswachstum nicht (mehr) benötigt werden. Unternehmensrandbereiche können zum anderen jedoch auch Geschäftsbereiche sein, die alleinig aufgrund ihrer geringen Größe für die Unternehmensleitung uninteressant sind, da sie nur einen geringen Beitrag zu dem Umsatz und Gewinn des Unternehmens beitragen und auch kein wesentliches Wachstum in der Zukunft abzusehen ist. In extremen Fällen werden neben Geschäftsrandbereichen jedoch auch Geschäftskernbereiche von Unternehmen veräußert.292 Sieht das Management eines Unternehmens keine Marktwachstumschancen in der Zukunft für die Kernprodukte des Unternehmens oder sieht es sogar eine Schrumpfung des Marktes, so kann es für das Unternehmen vorteilhaft sein, sein angestammtes Geschäftsfeld zu veräußern und sich auf ein neues Geschäftsfeld, möglicherweise einen bereits bestehenden Randbereich des Unternehmens, zu konzentrieren.293 Verspricht ein Unternehmensrandbereich ein erhebliches Wachstum in der Zukunft, kann es vorteilhaft sein, die finanziellen Mittel aus dem Verkauf des Kerngeschäftsfelds in das Randgeschäftsfeld zu investieren und dieses zum zukünftigen Kerngeschäftsfeld des Unternehmens zu machen.294

291

Vgl. Gaughan (2002), S. 401.

292

Vgl. Achleitner (2002), S. 373.

293

Vgl. Gaughan (2002), S. 403.

294

So haben bspw. in den USA die beiden Unternehmen Greyhound Buses und Berkshire Hathaway ihre Kerngeschäftsfelder veräußert und neue Geschäftsbereiche and Kernfelder aufgebaut.

96

4 Motive des Corporate Restructuring

Ein deutsches Beispiel für die Aufgabe des Stammgeschäfts bietet die Preussag AG. Über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg veräußerte das Unternehmensmanagement zwischen 1990 und 2000 zahlreiche Tochtergesellschaften und Geschäftsbereiche, die zum eigentlichen Stammgeschäft des Konzerns, dem Handel mit Stahl und Metallprodukten, gehörten. Die finanziellen Mittel, die Preussag zuflossen, wurden im Anschluss in den Aufbau eines Reise- und Touristikkonzerns gesteckt. Hierbei handelt es sich um ein Geschäftsfeld, von dem sich der Vorstand der Preussag in Zukunft einen höheren Profit versprach als vom traditionellen Stahlhandel. Neben unternehmensinternem Wachstum wurde besonders eine expansive Akquisitionsstrategie betrieben. Heute ist Preussag das größte Reise- und Touristikunternehmen Europas. Der letzte Schritt der Unternehmensneuausrichtung war die Aufgabe des alten Unternehmensnamens Preussag und die Übernahme des Markennamens TUI (Reise & Touristik) als neuen Konzernnamen 2002. 4.3.5.3 Steigerung der Rentabilität

Unter betriebswirtschaftlichen Überlegungen wird der Erfolg einer Investition anhand gegenwärtiger und zukünftiger Rückflüsse aus dieser Investition bestimmt. Als finanzwirtschaftliches Entscheidungskriterium hat sich hierzu die Rentabilitätsmessung etabliert. Rechnerisch ergibt sich die Rentabilität einer finanzwirtschaftlichen Maßnahme „aus ihrem Ergebnis (Gewinn, Jahresüberschuss, Cash Flow u.a.) im Verhältnis zum eingesetzten Kapital.“295 Als eingesetztes Kapital wird auf der Ebene des Unternehmens in der Regel das Eigenkapital eines Unternehmens herangezogen. Nicht selten werden in diesem Zusammenhang vom Unternehmensmanagement Mindestrenditen gesetzt, die es zu erstreben gilt. Erreicht ein Geschäftsbereich, eine Division oder ein Tochterunternehmen diesen Schwellenwert (Hurdle Rate) nicht, so ist die Zukunft dieses Geschäftsbereichs zur Disposition zu stellen.296 Geschäftsfelder, welche die Hurdle Rate nicht erreichen, werden als Underperformer bezeichnet. Empirische Studien haben gezeigt, dass Konglomerate gegenüber größenmäßig vergleichbaren, aber nicht-konglomeraten Unternehmen eine wesentlich niedrigere Produktivität aufweisen, wobei wiederum die Randgeschäftsbereiche eines Konglomerats deutlich niedrigere Produktivitätskennzahlen aufwiesen als die Kerngeschäftsbereiche des Unternehmens.297 Neben dem negativen Einfluss auf die Rentabilitäts-

295

Vgl. Perridon/Steiner (2002), S. 12.

296

Vgl. Gaughan (2002), S. 401.

297

Vgl. z.B. Maksimovic/Phillips (2002), S. 33.

4 Motive des Corporate Restructuring

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kennzahlen auf Geschäftsbereichsebene induzieren die niedrigeren Produktivitätskennzahlen in den Unternehmensrandbereichen eine verminderte Rentabilität auf der Ebene des Gesamtunternehmens. Als Mindestrendite für einen Geschäftsbereich können beispielsweise die Kapitalkosten dieses Geschäftsbereich gelten. Ist eine unternehmerische Einheit, sei es ein Geschäftsbereich oder eine Tochtergesellschaft, finanziell nicht rentabel, so wird sich die Unternehmensleitung bei Weiterverfolgung der aktuellen der Unternehmensgesamtstrategie zunächst darum bemühen, diese Einheit dementsprechend umzugestalten, dass die Rentabilitätsschwelle erreicht werden kann. Wenige Unternehmen werden es sich leisten können, Geschäftsbereiche und Tochterunternehmen, die nicht rentabel wirtschaften, langfristig mitzuführen und durch Quersubventionierung zu finanzieren. Investoren und Anleger werden dies nur begrenzt dulden. Nur in seltenen Fällen kann jedoch ein Geschäftsbereich oder eine Tochtergesellschaft als strategisches Geschäftsfeld oder strategische Beteiligung trotz fehlender Rentabilität aufrecht erhalten werden.298 Sind jedoch langfristig keine Profite bei der Einheit zu erwarten, so wird auch der Druck von außen auf das Unternehmensmanagement zunehmen. Führen Bemühungen zur Steigerung der Effizienz und Produktivität bei der Unternehmenseinheit zudem nicht zu den gewünschten Rentabilitätssteigerungen, so muss diese Einheit zur Disposition gestellt werden, um der Obergesellschaft langfristig keinen Schaden zuzufügen. Im Rahmen regelmäßiger Kontrollrechnungen können Underperformer identifiziert und für jede getätigte Sach- und Finanzinvestition die Alternativen Verkauf und Halten für investitionsrechnerisch gegenübergestellt werden.299 Maßnahmen zur Restrukturierung von Unternehmensportfolios können in diesem Zusammenhang unterstützend zum Erreichen von Rentabilitätsschwellen wirken.300

298

Zu einer fundierten empirischen Untersuchung zur Quersubventionierung und ineffizienter Kapitalallokation in konglomeraten Unternehmen, vgl. Lamont/Polk (2001). Maksimovic/Phillips (2002) hingegen konnten keinen Beleg dafür finden, dass Industriekonglomerate das Wachstum von ineffizienten Unternehmensrandbereichen signifikant quer subventionierten.

299

Für eine beispielhafte Vergleichsrechnung unter Berücksichtigung der Steuerreform 2001, vgl. Hillebrandt (2001), S. 715.

300

Vgl. Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 56; Löffler (2001), S. 168; Weiher (1996), S. 106. Allerdings bedienen sich Unternehmen in der Realität eher selten eines Equity carve-out oder eines Spin-off um ertragsschwache, unrentable Geschäftsbereiche vom Konzernverbund loszulösen. In einer US-amerikanischen Studie von Nanda/Narayanan (1998), S. 1, werden Fokussierungsund Bewertungsüberlegungen mehr als doppelt so häufig als Begründung von Restrukturie-

98

4 Motive des Corporate Restructuring

Verlustbringende Geschäftsbereiche können in selbstständige Unternehmen ausgegliedert werden und bereits ausgegliederten Einheiten kann ein größerer Handlungsspielraum eingeräumt werden. Beide Maßnahmen bringen Vorteile für die beteiligten Unternehmen: Erstens wird die Obergesellschaft von der unmittelbaren Last befreit, die Unternehmenseinheit zur Rentabilität hin zu führen. Dies setzt Ressourcen frei, die bei der Obergesellschaft anderweitig Gewinn bringend eingesetzt werden können. Für die ausgekehrte Einheit bedeutet die strukturelle Loslösung von der Obergesellschaft zweitens einen größeren Handlungsspielraum bei den zu ergreifenden Maßnahmen und der (Um-)Gestaltung des Unternehmens. Dass ein Geschäftsbereich innerhalb eines Unternehmen oder ein Tochterunternehmen in einem Konzern nicht rentabel ist, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass dieser Geschäftsbereich bzw. dieses Tochterunternehmen außerhalb des Unternehmens- oder Konzernverbands ebenfalls unrentabel ist.301 Innerhalb eines Unternehmensverbands kann die Rentabilität eines Geschäftsbereichs zum Beispiel unter der Unflexibilität oder den tariflichen Verpflichtungen der Obergesellschaft Schaden nehmen, was bei einer Verselbstständigung der Einheit durch einen Spin-off oder einen Equity Carve-out nicht der Fall wäre. Ebenfalls ist denkbar, dass ein anderes Unternehmen den unrentablen Geschäftsbereich rentabel betreiben könnte oder ihn im Sinne einer Expansion zu dem Zwecke der Realisierung von Skalenerträgen erfolgreich in seinen Unternehmens- oder Konzernverband integrieren kann. In analytischer Hinsicht bedeutet die Loslösung eines Geschäftsbereichs oder einer Tochtergesellschaft von einer Obergesellschaft bei Rentabilitätsschwierigkeiten beim Geschäftsbereich eine Isolierung des Rentabilitätsproblems, jedoch nicht dessen Lösung. Allerdings sollte eine Problemisolierung bedeutend zu einer Komplexitätsreduktion bei Problemen beitragen und die Entscheidung für weitere Reorganisationsmaßnahmen (außerhalb der Portfoliorestrukturierung) erleichtern. Sieht sich die Unternehmensleitung nicht in der Lage, einen bedeutenden Geschäftsbereich in der Zukunft profitabel zu führen, so wird sie in erster Linie einen Verkauf dieses Geschäftsbereichs an Dritte in Betracht ziehen. Dritte können in diesem Zu-

rungsmaßnahmen genannt als Rentabilitätsüberlegungen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass gerade unter Rentabilitätsüberlegungen Sell-offs (welche nicht in die Untersuchung mit einbezogen waren) vorgenommen werden, um ertragsschwache Geschäftsfelder auszukehren. 301

Vgl. Achleitner (2002), S. 372; Kaiser/Stouraitis (1995), S. 164.

4 Motive des Corporate Restructuring

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sammenhang Wettbewerber, Finanzinvestoren oder andere Unternehmen sein, die im Rahmen einer Diversifizierungsstrategie ihr Beteiligungsportfolio zu ergänzen versuchen oder den Ausbau ihrer Kernkompetenzen und Kapazitäten in dem Geschäftsbereich der betreffenden Unternehmenseinheit verfolgen. Jene Dritte mögen über andere Kenntnisse verfügen, eine andere strategische Ausrichtung oder aber auch eine andere Einstellung bezüglich der Zukunftsaussichten für das Geschäftsfeld des in Frage gestellten Geschäftsbereichs haben. Dies vermag den (potenziellen) Erwerber zur Einstellung verleiten, den Geschäftsbereich nach einer eventuellen Umgestaltung in Zukunft profitabel führen zu können bzw. sinnvoll und wertsteigernd in das eigene Unternehmen integrieren zu können.302 Als Beispiel dient in diesem Zusammenhang IBM. 1998 verkaufte IBM den größten Teil seines Kopiergeschäfts an Eastman Kodak. Während IBM aufgrund der mangelnden Rentabilität des Geschäftsbereichs keine Zukunft für das Geschäftsfeld im IBM-Konzern sah, war Eastman Kodak der Meinung, aufgrund seiner Erfahrung im Reproduktionsgeschäft das Geschäft rentabel weiter führen zu können und seinen Marktanteil in diesem Bereich ausbauen zu können. Scheitern alle Bemühungen des Unternehmensmanagements, einen Geschäftsbereich oder eine Tochtergesellschaft in einem Unternehmen oder Konzern hin zur Rentabilität zu führen, steht deren Stilllegung/Liquidation zur Diskussion, wobei hiervon nur in Ausnahmefällen, wie beispielsweise dem mehrfach gescheiterten Verkauf an Dritte, Gebrauch gemacht werden wird. Eine spezielle Art der Durchführung von Sell-offs im Rahmen einer CorporateRestructuring-Maßnahmen stellt der Basket Sell-offs dar. Zu den Unternehmen, die Basket Sell-offs vorgenommen haben zählt beispielsweise die Siemens AG. Mitte 2002 veräußerte der Konzern in einer einzigen Transaktion sieben Beteiligungen im Wert von 1,7 Mrd. Euro und mit knapp 23 000 Mitarbeitern an eines der führenden internationalen Private-Equity-Häuser. Aufgrund der extremen Diversifikation sowie der Bündelung von profitablen wie auch verlustbringenden Beteiligungen in solchen Baskets kommen in diesem speziellen Fall in der Regel nur Finanzinvestoren in Betracht, welche die in diesem Basket enthaltenen Unternehmen im Anschluss an den Erwerb einzeln weiter verkaufen werden. Für den Verkäufer stellen Basket Sell-offs generell eine Möglichkeit dar, verlustträchtige Beteiligungen („Dogs“) durch Bündelung mit profitablen, werthaltigen Beteiligungen („Stars“) in einem Basket doch

302

Vgl. Weston/Siu/Johnson (2001), S. 348.

100

4 Motive des Corporate Restructuring

noch verkaufen zu können.303 Der Käufer wiederum spart durch die Bündelung in einer Transaktion Transaktionskosten.304 Neben der erörterten Umsatzrentabilität können Restrukturierungsmaßnahmen unter Umständen zur Verbesserung weiterer kalkulatorischer Rentabilitätskennzahlen beitragen. In der Praxis werden zum Beispiel regelmäßig Jahresüberschuss, Steuerbilanzgewinn und Cashflow ins Verhältnis zum eingesetzten Kapital, dem Eigenkapital oder dem Gesamtkapital, gesetzt. Besteht ein Unternehmen beispielsweise aus zwei ungefähr gleich großen Geschäftseinheiten, jedoch ungleich hohen Jahresüberschüssen, so kann durch eine Aufspaltung des Unternehmens in zwei selbstständige Gesellschaften mit je hälftigem Eigenkapital eine erhebliche Steigerung der Eigenkapitalrentabilität bei einer der beiden Gesellschaften bezüglich des Jahresüberschusses verbucht werden. Selbstverständlich reduziert sich die Kennzahl beim zweiten Unternehmen entsprechend. Aus bilanztaktischen Gründen kann der Ausweis einer besonders hohen Eigenkapitalrendite bei einem Unternehmen im Einzelfall (wie zum Beispiel im Vorfeld eines Börsengangs) erwünscht sein, auch wenn dies zu Lasten einer Schwestergesellschaft geschieht. 4.3.5.4 Steigerung des Gewinns

Ökonomisch betrachtet veranlassen betriebswirtschaftliche Gewinne bei Teilnehmern eines Marktes andere Unternehmen dazu, ebenfalls in den Markt einzutreten, um von den Gewinnmöglichkeiten zu profitieren. Lediglich Markteintrittsbarrieren diverser Art können Dritte davon abhalten auf einem bereits bestehenden Markt ebenfalls als Anbieter aufzutreten.305 Mit zunehmender Zahl der Anbieter auf einem Markt verringern sich die durchschnittlich erzielbaren Gewinnmargen beim angebotenen Produkt. Sinkende Gewinnmargen sind für einen Anbieter vor allem dann ein Problem, wenn er selbst nicht zu jenen Anbietern gehört, deren Kostenstruktur es erlaubt, das Produkt zu einem niedrigeren Marktpreis anzubieten. Für Unternehmen kann es daher prinzipiell von Vorteil sein, einen Geschäftsbereich mit niedrigen Ge-

303

Zu Stars und Dogs bei der strategischen Portfolioanalyse, vgl. Welge/Al-Laham (2001), S. 342 f.

304

Strukturiert werden Basket Sell-offs i.d.R. durch Schaffung einer Holding-Struktur mit den zu veräußernden Beteiligungen durch den Verkäufer und anschließendem Verkauf von Anteilen an dieser Holding an den Investor. Sehr oft behält der Verkäufer noch einen geringen Minderheitsanteil an der Holding um bei erfolgreichen Verkäufen der Teilunternehmen der Holding durch den Investor von den Erlösen (den so genannten Proceeds) zu profitieren.

305

Vgl. Welge/Al-Laham (2001), S. 445 ff.

4 Motive des Corporate Restructuring

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winnmargen abzustoßen und die erzielten Mittel in andere Geschäftsfelder zu investieren, die höhere Gewinnmargen versprechen. Der Unternehmensgewinn wäre dann betragsmäßig höher. Auch bedeutet eine geringe Gewinnmarge die ständige Gefahr, aufgrund einer veränderten Wettbewerbssituation oder einer unerwarteten Kostensteigerung, plötzlich mit einem Produkt in die Verlustzone zu geraten. Unternehmensrestrukturierungen, die mit dem Motiv der Gewinnsteigerung durchgeführt werden, bedienen sich in der Regel der Restrukturierungsalternative Sell-off. Dabei werden Geschäftsbereiche oder Tochterunternehmen mit niedrigen Gewinnmargen veräußert und die erlösten Mittel Gewinn bringend reinvestiert. Dies muss nicht zwingend eine Änderung der Unternehmensstrategie oder eine Steigerung der Unternehmensrentabilität bedeuten. Die alternativen Restrukturierungsmaßnahmen lassen sich nur bedingt zu einer planmäßigen, kurzfristigen Steigerung des Unternehmensgewinns einsetzen, auch wenn von deren Durchführung langfristig natürlich ebenfalls Impulse zur Steigerung des Unternehmenswerts durch steigende Gewinne erwartet werden. Ein gutes Beispiel für eine gelungene Restrukturierung mit dem Ziel der kurzfristigen Gewinnsteigerung stellt der Ölkonzern Royal Dutch/Shell dar.306 Ende 1998 kündigte die Unternehmensgruppe den Verkauf von zwei Fünfteln ihres Geschäftsbereichs Chemie an. Diese Desinvestition bedeutete den Verkauf von sieben Geschäftsfeldern mit einem Gesamtwert von $5 Mrd. Während die Unternehmensstrategie im Bereich Chemie nahezu unverändert blieb, sollte der Verkauf der sieben Geschäftsfelder die durchschnittliche Marge der verbleibenden 13 Produktlinien in diesem Geschäftsbereich steigern. Unternehmensrestrukturierungen mit dem Ziel der Steigerung des Unternehmensgewinns beruhen auf ähnlichen Überlegungen wie Restrukturierungsmaßnahmen, die unter Rentabilitätsüberlegungen durchgeführt werden. Während die Unternehmensrentabilität jedoch eine relative Größe ist, die zudem noch von der Bezugsgröße (Umsatz, Eigenkapital, Gesamtkapital etc.) abhängt, stellt der Gewinn eines Unternehmens eine absolute Größe dar.

306

Das Beispiel wurde von Weston/Siu/Johnson (2001) übernommen.

102

4 Motive des Corporate Restructuring

4.3.5.5 Beschaffung liquider Mittel

Liquidität zählt neben der Rentabilität, der Sicherheit (bzw. das Risiko) und der Unabhängigkeit zu den klassischen Kriterien finanzwirtschaftlicher Entscheidungen und bezeichnet „die Fähigkeit der Unternehmung, die zwingend fälligen Verbindlichkeiten jederzeit uneingeschränkt erfüllen zu können“.307 In der Praxis werden so genannte Liquiditätsgrade berechnet, die diese Fähigkeit zur Erfüllung von Verbindlichkeiten relativ darstellen sollen. Allerdings sind diese Liquiditätsgrade in der Regel vergangenheitsorientiert, da sie sich aus den Berichtszahlen einer Gesellschaft errechnen. Für Unternehmen ist es jedoch unerlässlich, die Zahlungsfähigkeit auch in der Zukunft aufrecht erhalten zu können. Aus diesem Grund sollte eine vorwärts gerichtete Liquiditätsplanung mit allen erwarteten zukünftigen Ein- und Auszahlungen durchgeführt werden. Ergibt die Liquiditätsplanung, dass die jederzeitige Zahlungsfähigkeit in der Zukunft nicht mehr garantiert werden kann, sind vom Unternehmen Maßnahmen zu ergreifen, die Liquiditätsengpässe (kurzfristig mangelnde Zahlungsfähigkeit) oder sogar eine Unternehmensilliquidität (Zahlungsunfähigkeit) verhindern. Im schlimmsten Fall müssen Vermögensgegenstände des Unternehmens (Geschäftsbereiche, Beteiligungen, Tochterunternehmen etc.) veräußert werden, um eine Insolvenz der Obergesellschaft abzuwenden. Die Unternehmensliquidität ist eine notwendige Bedingung für das Streben nach Rentabilität in Unternehmen. Eine Interdependenz zwischen der auf einen bestimmten Zeitpunkt abstellenden Liquiditätsfeststellung und der zeitraumbezogenen Rentabilitätsrechnung ist jedoch nur bedingt gegeben: Ein liquides Unternehmen kann für einen bestimmten Zeitraum auch unterhalb der Rentabilitätsschelle geführt werden. Andererseits wird ein rentables Unternehmen bei Illiquidität aus dem Wirtschaftsprozess ausscheiden.308 Bei der Beschaffung liquider Mittel als Motiv für eine Maßnahme des Corporate Restructuring ist zu differenzieren, ob der Bedarf an liquiden Mitteln bei der Obergesellschaft oder aber bei einem Geschäftsbereich bzw. einem Tochterunternehmen liegt. Nicht alle Restrukturierungsmaßnahmen führen der Obergesellschaft liquide Mittel zu. Diese wird in vielen Fällen sogar mit zusätzlichen Kosten, die im Rahmen des Umwandlungs- und Restrukturierungsprozesses entstehen (Distributionskosten,

307

Vgl. Perridon/Steiner (2002), S. 6. Zur Optimierung der Unternehmensfinanzierung, vgl. Thommen/Achleitner (2001), S. 353.

308

Vgl. Perridon/Steiner (2002), S. 12.

4 Motive des Corporate Restructuring

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Börsenzulassungsgebühren etc.), belastet. Eine ausgekehrte Tochtergesellschaft hingegen erhält nur durch einen Primary Equity Carve-out liquide Mittel. Unternehmen, deren Planung Liquiditätsengpässe erwarten lässt, können durch Selloffs, Equity Carve-outs oder die Ausgabe von Tracking Stocks zusätzliche liquide Mittel erschließen.309 Das Unternehmen zieht damit einen unmittelbaren hohen Cashflow gegenüber regelmäßigen, niedrigeren Cashflows (sofern die Geschäftsbereiche profitabel sind) vor.310 Allerdings sollten diese Maßnahmen lediglich der strukturellen, strategischen und nicht der operativen, situativen Liquiditätssicherung dienen. Müssen Geschäftsbereiche oder Beteiligungen (das so genannte „Tafelsilber“) veräußert werden, um die kurzfristige Liquidität eines Unternehmens zu sichern, so können zum einen oft keine vernünftigen Verkaufserlöse erzielt werden311 und zum anderen werden die tatsächlichen Probleme im Unternehmen, die zu den Liquiditätsengpässen führten, dadurch im Regelfall nicht beseitigt. In der Realität werden Unternehmen eher selten eine Restrukturierungsmaßnahme mit einer Notwendigkeit der Zuführung liquider Mittel an das Unternehmen öffentlich begründen.312 Muss ein Unternehmen Geschäftsbereiche oder Tochtergesellschaften an die Börse bringen oder sogar verkaufen, lediglich um die Unternehmensliquidität zu sichern, so würde dies ein schlechtes Licht auf das Unternehmen und sein Management werfen. Nicht selten ist es jedoch offensichtlich, dass eine Veräußerung oder ein Börsengang genau diesem Zweck dient. Beispielhaft seien hier die großen Telekommunikationskonzerne in Europa genannt. Mit dem Erwerb einer Mobilfunklizenz der dritten Generation (UMTS) stieg bei nicht wenigen Unternehmen im Jahr 2000 die Schuldenlast sprungartig in die Höhe.313 Dies galt besonders in den Fällen, in denen ein Unternehmen mehrere Lizenzen in verschiedenen Ländern erwarb.

309

Vgl. Weiher (1996), S. 105; Kaiser/Stouraitis (1995), S. 165.

310

Vgl. Gaughan (2002), S. 402.

311

Einen generellen, signifikanten Zusammenhang zwischen einem bestehenden Finanzmittelbedarf und wertmindernden Desinvestitionen konnte Löffler (2001), S. 173, für deutsche Unternehmen jedoch nicht belegen.

312

Vgl. Löffler (2001), S. 125, die annimmt, dass insbesondere während der Restrukturierungsphase der neunziger Jahre eine Dokumentation dieses Motivs nach außen vermieden wurde und dass das Motiv der Konzentration auf das Kerngeschäft als „Deckmantel“ für solche Transaktionen diente.

313

o.V. (2001g), S. 5.

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4 Motive des Corporate Restructuring

Nicht nur bedeutete der Lizenzerwerb eine Milliardeninvestition, sondern auch der Aufbau der notwendigen Technik verlangte nach zusätzlichen Investitionen in Milliardenhöhe. Die europäischen Telekommunikationskonzerne hatten mit dem Einstieg in die UMTS-Technologie in ihrem Heimatland oder auch im Ausland ihre Schuldenlast um Milliardenbeträge erhöht und standen damit vor erheblichen Finanzierungskosten. Vor allem die Kosten für die Fremdfinanzierung durch neu ausgegebene, hochprozentige Unternehmensanleihen belasten die Unternehmensliquidität vieler Unternehmen. Der französische Ex-Monopolist France Telecom machte im Herbst mit dem Börsengang seiner wenige Zeit zuvor von Mannesmann für 30 Mrd. Euro erworbenen britischen Mobilfunktochter Orange Telecommunications trotz schlechten Börsenklimas den ersten Schritt, um seine Schuldenlast zu mindern. Kurz zuvor hatte die Deutsche Telekom AG den Börsengang ihrer Mobilfunktochter T-Mobil wegen des schlechten Marktumfelds auf unbestimmte Zeit verschoben. 314 Besonders der im internationalen Vergleich relative kleine niederländische Telekommunikationskonzern KPN hat mit dem Erwerb einer UMTS-Lizenz in Deutschland (durch seine Tochter E-Plus) eine die Existenz des Unternehmens gefährdende Schuldenlast angehäuft. Europaweit erwarb KPN Mobilfunklizenzen für rund 10,2 Mrd. Euro. Bei einem Börsenwert von knapp 17 Mrd. Euro (Stand Mai 2001) bedeutet dies eine erhebliche finanzielle Belastung des Unternehmens. Zusätzlich notwendig sind Milliardensummen für den Aufbau der physischen Netzinfrastruktur. Bereits vor der Transaktion hat sich KPN mit dem japanischen Telekommunikationskonzern NTT DoCoMo einen finanzstarken Partner mit ins Boot geholt. Doch schon kurz nach dem Erwerb der Lizenz wurde der Börsengang von E-Plus geprüft und sogar die Möglichkeit einer Fusion von KPN mit einem anderen Telekommunikationsunternehmen erörtert. Zuletzt ließ KPN erkennen, dass man sogar die Möglichkeit, selbst übernommen zu werden, als einen Ausweg sehe. Das Unternehmensmanagement machte deutlich, dass man einem feindlichen Übernahmeangebot (zum Beispiel durch Telecom Mobile aus Italien) wenig Widerstand entgegen setzen würde oder könnte. Die Beispiele, insbesondere die Situation von France Telecom, machen deutlich, dass kurzfristig durchgeführte Corporate-Restructuring-Maßnahmen, die der Zufüh-

314

o.V. (2001h), S. 16.

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rung liquider Mittel an die Obergesellschaft dienen, selten erlösmaximierend durchgeführt werden können. Die Verhandlungsposition liquiditätsknapper Unternehmen ist in diesem Zusammenhang aufgrund der Schuldenlast und des Zeitdrucks als eher schwach anzusehen. Angesichts drohender Illiquidität oder Insolvenz gelten Sell-offs und Equity Carve-outs in der Realität dennoch als effektive, probate Mittel der Reduktion von bedrohlich hohen Unternehmensschulden.315 4.3.5.6 Portfoliobereinigung nach M&A-Transaktionen

Parallel mit der steigenden Zahl durchgeführter Unternehmensakquisitionen und -fusionen stieg in der Vergangenheit auch die Zahl der Sell-offs und der Equity Carveouts stark an. Dies hängt damit zusammen, dass im Zuge von Akquisitionen und Fusionen die übernehmenden Unternehmen auch Geschäftsbereiche und Tochtergesellschaften der übernommenen Unternehmen miterworben haben, ohne ein wirkliches Interesse an diesen Geschäftsbereichen zu haben.316 Das tatsächliche Interesse galt in vielen Fällen einem speziellen Geschäftsbereich innerhalb des übernommenen Unternehmens. Insbesondere bei der Übernahme von und der Fusion mit diversifizierten Unternehmen stellt sich dieses Problem. Es handelt sich hierbei nicht notwendigerweise um kartellrechtliche Desinvestitionsauflagen, welche die Veräußerung eines Geschäftsbereichs oder einer Tochtergesellschaft aus wettbewerbsrechtlichen Gründen verlangen würden. Auch muss es sich nicht um eine Änderung der Unternehmensstrategie handeln. Es ist lediglich so zu sehen, dass die übernehmenden Unternehmen gezwungen waren, den Basket an Unternehmen zu erwerben.317 Um ihr Ziel zu erreichen, mussten sie in Kauf nehmen, zusätzliche Geschäftsbereiche und Tochterunternehmen zu erwerben. Ist bereits bei den Verhandlungen zur Übernahme abzusehen, dass mit Durchführung der Übernahme auch Geschäftsbereiche erworben werden, die nicht das Interesse des übernehmenden Unternehmens finden, lässt sich bereits zu diesem Zeitpunkt klären, wie nach Vollzug der Transaktion die unerwünschten Geschäftsbereiche und Beteiligungen weiter verkauft werden können. Im Idealfall lassen sich schon zu diesem Zeitpunkt potenzielle Erwerber für diesen Geschäftsbereich ausmachen oder sogar eine Absichtserklärung zum Verkauf an einen konkreten Käufer erreichen.

315

Vgl. Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 52.

316

Vgl. Weston/Siu/Johnson, (2001), S. 349 f.; Kaiser/Stouraitis (1995), S. 165.

317

Vgl. hierzu auch die Ausführungen zu Basket Sell-offs in Fn. 304.

106

4 Motive des Corporate Restructuring

Ob das übernehmende Unternehmen die unerwünschten Geschäftsbereiche und Tochterunternehmen nach Abschluss der Übernahme Gewinn bringend weiter veräußern kann, bleibt vom Einzelfall abhängig. Sollte sich dabei kein Gewinn erzielen lassen, so sollten zumindest die durch die Übernahme der interessanten Geschäftsbereiche erzielten Vorteile die durch den Weiterverkauf verursachten Verluste ausgleichen. 4.3.5.7 Rückgängigmachung von Entscheidungen

Bisweilen werden Corporate-Restructuring-Maßnahmen, insbesondere Sell-offs, eingesetzt, um Fehlentscheidungen des Unternehmensmanagements rückgängig zu machen.318 Im Laufe der Zeit kann sich zum Beispiel herausstellen, dass die Entscheidung des Managements, einen bestimmten Geschäftsbereich des Unternehmens auszubauen oder neu aufzubauen, oder die Vorgehensweise bei der Implementierung der Unternehmensstrategie, eine Fehlentscheidung war. Mangelt es einem Unternehmen an den notwendigen Fähigkeiten und der Expertise, aus einem Geschäftsbereich einen strategischen Geschäftsbereich zu entwickeln, ist es nicht selten unausweichlich, diesen Geschäftsbereich zu verkaufen und die Fehlentscheidung einzugestehen. Ähnlich stellt es sich bei der Akquisition von Unternehmen und der Fusion mit anderen Unternehmen dar. Gemäß dem betriebswirtschaftlichen Prinzip der versunkenen Kosten (Sunk Costs) gilt es für ein Unternehmen, eine Investition jederzeit unabhängig von den bereits investierten (v.a. monetären) Ressourcen neu zu bewerten. Kommt man zu dem Schluss, dass eine Investition einen negativen Gegenwartswert aufweist, so sollten weitere Investitionen gestoppt und das Investitionsobjekt liquidiert oder zumindest schnellstmöglichst veräußert werden.319 Die (teilweise) Rückgängigmachung von Akquisitionen durch Corporate-Restructuring-Maßnahmen steht insbesondere dann zur Diskussion, wenn sich im Anschluss an die Übernahme die Rentabilität der übernehmenden Gesellschaft negativ entwickelt. KLEINERT/KLODT konnten in einer empirischen Untersuchung belegen, dass Unternehmen, die eine expansive Unternehmensstrategie durch horizontale oder vertikale

318

Vgl. Weston/Siu/Johnson, (2001), S. 350; Markides/Singh (1996), S. 218.

319

Allen/Lummer/McConnell/Reed (1995) können empirisch signifikante Überrenditen bei Desinvestitionsentscheidungen belegen, wenn diesen negativ bewertete Akquisitionsentscheidungen vorausgingen.

4 Motive des Corporate Restructuring

107

Verschmelzung verfolgen, nach Durchführung der Verschmelzungstransaktion nur selten überdurchschnittliche Renditen erwirtschaften konnten.320 Die Übernahme des britischen Automobilherstellers Rover durch BMW und der Wiederverkauf wenige Jahre später zu einem symbolischen Preis kann als Beispiel für den Versuch einer Rückgängigmachung einer falschen Transaktion dienen. Im Rahmen seiner Expansionsstrategie erwarb BMW 1994 Rover, um seinen Automarktanteil zu steigern und seine Palette an Automodellen am unteren Ende abzurunden: Während BMW den Markt der oberen Mittelklasse und Oberklasse bedient, sollte Rover den Markt der unteren Mittelklasse und den Markt der Kleinwagen abdecken. Doch die erwarteten Erfolge stellten sich nicht ein und Rover blieb trotz Milliardeninvestitionen und staatlichen Beihilfen unprofitabel und brachte BMW selbst in finanzielle und wirtschaftliche Bedrängnis. BMW hatte den Markt für Rover-Fahrzeuge falsch eingeschätzt und seine operativen Restrukturierungsmaßnahmen bei Rover nicht wie gewünscht durchsetzen können. Dabei haben sich in diesem Zeitraum weder die Umweltbedingungen noch die Unternehmensstrategie von BMW wesentlich geändert. Letztendlich blieb BMW nur der Ausweg des Verkaufs von Rover, um nicht in (finanzielle) Schwierigkeiten zu geraten. Im Jahr 2000 wurde Rover nach nur sechswöchigen Verhandlungen zu einem symbolischen Preis an die britische Investorengruppe Phoenix verkauft. Aufgrund der „konsequenten Ausrichtung auf Premiummarken“ konnte BMW bereits ein Jahr später wieder Rekordzahlen vorlegen.321 Einen anderen Fall, bei dem eine Fusion von Unternehmen nachträglich erheblich kritisiert wurde, stellt der Automobilhersteller DaimlerChrysler AG dar, der 1998 aus einer Fusion der US-amerikanischen Chrysler Corp. und der deutschen DaimlerBenz AG entstand. Die Fusion322 wurde mit dem Anspruch durchgeführt, eine „globale Marke“ zu schaffen, welche alle Fahrzeugsegmente bedienen sollte, vom Kleinwagen bis zum Großraumwagen, von der Familienlimousine bis zum Sportwagen. Gleichzeitig sollte Daimler-Benz durch die Fusion ein Zugang zum großen US-

320

Vgl. Kleinert/Klodt (2002), S. 27.

321

o.V. (2001i), S. 20.

322

Es stellt sich hierbei die Frage, ob die Transaktion tatsächlich eine Verschmelzung war, oder nicht faktisch doch eher eine Übernahme von Chrysler durch Daimler-Benz, da letzteres das ungleich größere und stärkere Unternehmen war und diese Position in den Verschmelzungsverhandlungen durchsetzen konnte.

108

4 Motive des Corporate Restructuring

amerikanischen Markt geschaffen werden. Mit einer sich abschwächenden Konjunktur und einem stagnierenden Kraftfahrzeugmarkt in den USA geriet der Chrysler-Arm von DaimlerChrysler 2000/2001 in eine schwere Krise und bescherte dem Konzern Milliardenverluste. Zur gleichen Zeit kamen Stimmen auf, die forderten, DaimlerChrysler sollte wieder aufgespalten und Chrysler verkauft werden, das heißt, es wurde eine Rückgängigmachung der Verschmelzung gefordert.323 Die Forderungen waren damit begründet, dass zu diesem Zeitpunkt Daimler-Benz ohne Chrysler „finanziell besser dastehen würde“ als mit Chrysler. Das Unternehmensmanagement von DaimlerChrysler ließ sich jedoch auf diese Diskussion nicht ein und begann ein umfassendes Restrukturierungsprogramm bei Chrysler, welches vor allem die Steigerung der Produktivität und der Rentabilität verfolgte. Die Internationalisierungs- und Wachstumsstrategie DaimlerChryslers wurde beibehalten. Wird eine Restrukturierungsmaßnahme mit dem Ziel durchgeführt, eine vorangegangene falsche Transaktion rückgängig zu machen, steht in der Regel nur der Verkauf des betreffenden Betriebsteils, sei es ein Geschäftsbereich oder ein Tochterunternehmen, zur Verfügung, um den Betriebsteil vollständig von der Obergesellschaft abzutrennen. In Einzelfällen kann es sinnvoll sein, einen Zusammenschluss zweier oder mehrerer Unternehmen durch einen Demerger, also eine erneute Aufspaltung des Gesamtunternehmens in die Einzelunternehmen vor dem Zusammenschluss, rückgängig zu machen.324 Zwar ist zum Zwecke der Spaltung auch ein Spin-off, ein Split-off oder ein Equity Carve-out denkbar, allerdings wird in der Realität aber das Interesse der Altanteilseigner der Obergesellschaft, Aktien am ausgekehrten Geschäftsbereich zu erhalten, eher gering sein. Tracking Stocks sind in diesem Zusammenhang als völlig ungeeignet anzusehen, das Problem einer falschen Entscheidung rückgängig zu machen, da durch die Ausgabe divisionalisierter Aktien der Unternehmensverband nicht aufgebrochen wird. 4.3.5.8 Planung der Unternehmensnachfolge

Bei der Strukturierung der Nachfolge in Unternehmen, das heißt der Regelung des Ausscheidens des Alt-Geschäftsführers325 sowie der Bestimmung dessen Nachfol-

323

Vgl. hierzu die Ausführungen zu Demergers in Kap. 3.3.5.

324

Zu dem Demerger als Spezialfall des Split-up, vgl. die Ausführungen in Kap. 3.3.5.

325

Nachfolgeprobleme ergeben sich insbesondere bei Eigentümer-geführten kleinen und mittelgroßen Gesellschaften mit beschränkter Haftung, weshalb hier das Ausscheiden eines Geschäftsführers, der gleichzeitig Eigentümer des Unternehmens ist, ausgegangen wird.

4 Motive des Corporate Restructuring

109

gers, können Corporate-Restructuring-Maßnahmen eine bedeutende Rolle einnehmen, insbesondere bei dem für den deutschen Mittelstand oft genannten Nachfolgeproblem. Rund 70.000 Unternehmen sind in Deutschland jährlich von dieser Frage betroffen.326 Untersuchungen belegen, dass sich in Deutschland nur ein Viertel der betroffenen Unternehmen mit der Planung der Unternehmensnachfolge befasst und dass gescheiterte oder nicht durchgeführte Nachfolgen jährlich 38.000 Arbeitsplätze vernichten. Sehr oft stellt sich die Situation ein, dass es die Altgesellschafter von Unternehmen bewusst vermeiden, eine starke zweite Führungsebene aufzubauen, die das Unternehmen auch nach dem Rückzug der Altgesellschafter und Geschäftsführers erfolgreich weiter führen könnte.327 Corporate-Restructuring-Maßnahmen können in diesem Zusammenhang dazu beitragen, die Struktur eines Unternehmens frühzeitig in der Art zu gestalten, dass eine Unternehmensnachfolge erfolgreich geplant und durchgeführt werden kann. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland vor allem Unternehmen des Mittelstands, oft familiengeführte Unternehmen, von der Notwendigkeit der Regelung der Unternehmensnachfolge betroffen sind, ist beispielsweise vorstellbar, dass sich der oder die Firmeninhaber in diesen Fällen durch einen Börsengang ihres Unternehmens ganz oder teilweise aus dem Unternehmen zurückziehen. Sehr oft wird allerdings der Sell-off zur Anwendung kommen, wenn die Nachfolge in Unternehmen nicht frühzeitig geregelt wurde bzw. geregelt werden konnte. Auch stellt gerade die Möglichkeit, einen Sell-off als Management Buy-out (MBO) durchzuführen, eine Chance, den Unternehmensfortbestand zu sichern, dar.328 Die aktive (Teil-)Übernahme eines Unternehmens durch das eigene Unternehmensmanagement, eventuell in Kooperation mit einem Finanzinvestor, kann in vielen Fällen eine optimale Lösung für das Nachfolgeproblem in deutschen Unternehmen sein.329

326

Vgl. Nexxt Initiative Unternehmensnachfolge (2002), S. 4.

327

Vgl. F.A.Z.-Institut für Management/Deutsche Beteiligungs AG (2002), S. 5.

328

Vgl. Huydts (1992).

329

Zu einer empirischen Untersuchung der Lösung des Nachfolgeproblems durch MBOs, vgl. F.A.Z.-Institut für Management/Deutsche Beteiligungs AG (2002). Die Autoren weisen allerdings darauf hin, dass hier noch großer Aufklärungsbedarf besteht: in vielen Fällen war der MBO nur die zweitbeste nach einer familieninternen Lösung, und selbst dem Unternehmensmanagement war in vielen Unternehmen die Möglichkeit eines MBOs zur Nachfolgelösung weitestgehend unbekannt.Vgl. hierzu auch Wright et al. (2001), die im Zusammenhang mit LBOs und MBOs eine höhere Bewertung der Entrepreneurship-Perspektive (neben der Agency-theoretischen Begründung für die Sinnhaftigkeit von Buyouts) einfordern.

110

4 Motive des Corporate Restructuring

Da es sich bei der Regelung der Unternehmensnachfolge um ein spezifisches Problem mittelständischer Unternehmen handelt, tritt dieses Motiv als Auslöser einer Corporate-Restructuring-Maßnahme besonders in Deutschland in den Vordergrund. In den USA spielt dieses Motiv nur eine untergeordnete Rolle, da nur wenige Unternehmen mittlerer Größe familiengeführt sind und grundsätzlich eine sehr viel stärkere Ausrichtung auf externe Eigenkapitalgeber (Individualinvestoren und Kapitalmarkt) vorliegt. 4.3.5.9 Ende des Produktlebenszykluses330

Ein Marktaustritt wird bei saturierten Märkten331 und konsolidierenden Branchen in der Regel durch einen Sell-off des betreffenden Unternehmensteils erfolgen. Als Käufer kommen hier speziell etablierte Wettbewerber in Betracht, die ihre Marktmacht und ihren Marktanteil auf einem begrenzten Markt mit geringem Wachstum oder sogar Schrumpfung ausbauen wollen. Eine stabilisierte Wettbewerbssituation und ein hoher Marktanteil erlauben hohe Gewinnspannen. Die positiven Cashflows aus diesem Produkt oder dieser Dienstleistung (Cash Cows332) können bei fehlenden Ersatz- und Rationalisierungsinvestitionen abgeschöpft werden und in andere Erfolgsobjekte investiert werden.333 Equity Carve-outs oder gar die Schaffung einer Tracking-Stock-Struktur sind im Falle stagnierender Absatzmärkte weniger geeignet, da eine zukünftige erfolgreiche Entwicklung des betreffenden Geschäftsbereichs nicht zu erwarten ist, die eine zumindest teilweise verbleibende Bindung des Unternehmensteils an die Obergesellschaft rechtfertigen würde.334 4.3.5.10 Abbau von Überkapazitäten

Positive Margen bei Produkten und Dienstleistungen führen volkswirtschaftlich gesehen zu dem Eintritt neuer Teilnehmer in den betreffenden Produkt- oder Dienst330

Vgl. hierzu die bereits gemachten Ausführungen in Kap. 4.3.3.5.

331

Von saturierten (auch: gesättigten) Märkten wird dann gesprochen, wenn die Nachfrage nach einem Produkt oder Dienstleistung auf einem Markt nicht mehr wächst oder sogar abnimmt.

332

Unter Cash Cows versteht man Produkte oder Dienstleistungen, die ein Unternehmen anbietet, wobei der Absatzmarkt nur geringe Wachstumsraten aufweist und das Unternehmen einen hohen Marktanteil besitzt. Die „insgesamt deutliche[n] Finanzmittelüberschüsse der hier positionierten Geschäftseinheit“ können „investiven Zwecken für Erfolgsobjekte in anderen Portfoliosektionen zugeführt werden“. Vgl. hierzu sowie dem Matrix-Ansatz der Boston Consulting Group, dem das Prinzip der Cash Cows entstammt, Welge/Al-Laham (2001), S. 342 f.

333

Vgl. Welge/Al-Laham (2001), S. 340 ff.

334

Vgl. Weiher (1996), S. 118.

4 Motive des Corporate Restructuring

111

leistungsmarkt bzw. in den betreffenden geografischen Markt, um einen Anteil dieser Margen für sich zu gewinnen und abzuschöpfen. Wird der Höhepunkt des Produktlebenszykluses jedoch überschritten, trifft eine unverändert hohe oder eventuell weiter steigende Kapazität zur Produktherstellung bzw. Dienstleistungserbringung auf eine schrumpfende Nachfrage. Diese Situation führt zu einem Verdrängungswettbewerb, der über den Preis erfolgt, das heißt, um ihren Marktanteil zu stabilisieren müssen Unternehmen den Preis des angebotenen Produkts oder Dienstleistung senken. Als Konsequenz werden die Gewinnmargen für diese Produkten und Dienstleistungen schrumpfen. Sinkenden Margen auf etablierten Märkten begegnen die Anbieter auf diesen Märkten in der Regel mit einer Konsolidierung der fragmentierten Anbieterstruktur: Einzelne Unternehmen ergreifen hierbei die Initiative und erwerben Unternehmen der gleichen Branche, die zum Verkauf stehen oder die von anderen Konzernen, die aus dem betreffenden Markt austreten möchten, zum Verkauf angeboten werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von so genannten Roll-ups, falls die akquirierten Unternehmen miteinander verschmolzen werden, bzw. von Branchenholdings, falls die erworbenen Unternehmen in Form einer Holding zusammengefasst werden, das heißt die einzelnen Unternehmen behalten ihre Selbstständigkeit. Corporate-Restructuring-Maßnahmen, insbesondere der Sell-off und der Minority Sale, können bei konsolidierenden Branchen und Märkten dazu eingesetzt werden, vorhandene Überkapazitäten durch Verkauf der betreffenden Einheiten zu reduzieren oder vollständig abzubauen, was dem Austritt eines Unternehmens aus einem Markt entspräche. Einzelne Unternehmen werden auch bei sinkenden Margen auf konsolidierten oder schrumpfenden Märkten in der Lage sein, Größenvorteile zu realisieren, oder die vorhandenen Wertgegenstände und Technologien anderweitig Gewinn bringend einzusetzen. 4.3.6

Fall VI: Reaktive, extrinsisch motivierte Restrukturierungen

4.3.6.1 Abwendung von Problemen

Ist ein Unternehmensteil oder eine Tochtergesellschaft eines Unternehmens mit rechtlichen Problemen oder gesetzlichen Auflagen konfrontiert oder sind diese zu erwarten, so kann es für die Obergesellschaft sinnvoll sein, den betroffenen Unternehmensteil auszugliedern bzw. die betroffene Tochtergesellschaft im Rahmen eines Spin-off, eines Split-up, eines Split-off oder eines Equity Carve-out zu verselbststän-

112

4 Motive des Corporate Restructuring

digen, um dadurch die Abhängigkeit zwischen Obergesellschaft und Geschäftsbereich aufzubrechen, Distanz zu schaffen und die Obergesellschaft von den (potenziellen) rechtlichen oder finanziellen Lasten zu befreien.335 Im Extremfall kann dies auch den Verkauf eines Unternehmensteils oder einer Tochtergesellschaft bedeuten. In diesem Zusammenhang kann eine Unternehmensrestrukturierung nicht nur einer kartellrechtlichen Entscheidung vorgreifen, sondern auch bei anders gelagerten rechtlichen Problemen verhindern, dass bei der Obergesellschaft zum Beispiel durch eine gerichtliche Auseinandersetzung Ressourcen gebunden werden, die anderweitig sinnvoll eingesetzt werden könnten. Kann das Problem durch die Restrukturierung nicht aus der Welt geschaffen werden, so wird dieses zumindest beim Geschäftsbereich isoliert. Neben einer Isolierung des Problems bedeutet die erweiterte Unabhängigkeit des Geschäftsbereichs, welche durch die Corporate-Restructuring-Maßnahme erreicht wurde, zudem, dass die Obergesellschaft nicht mehr unmittelbar und direkt in Verbindung mit den Problemen gebracht wird. Ein negativer Imagetransfer von einer Marke auf eine andere wird damit verhindert.336 Der Geschäftsbetrieb der Obergesellschaft wird im Idealfall nach der Abtrennung nicht mehr durch ein negatives Bild in der Öffentlichkeit belastet. Die Abwendung von Problemen durch Restrukturierungsmaßnahmen ist eng verbunden mit dem intrinsischen Motiv der Rentabilitätssteigerung als Grundlage der Restrukturierung. In der Regel sind gesetzliche Auflagen mit einer Reorganisation des Geschäftsbetriebs oder einer Adaption des Geschäftsmodells verbunden. Kartellrechtliche Auflagen vermögen die Kooperation eines marktbeherrschenden Unternehmens mit Wettbewerbern zu erzwingen. In den beiden erstgenannten Fällen sind zur Durchführung der Umstellungen nicht selten erhebliche Investitionen in Form von finanziellen Mitteln und Personal zu tätigen, um den Auflagen Genüge zu leisten. Die Rentabilität der Obergesellschaft und des Geschäftsbereichs kann unter diesen Investitionen leiden. Ähnliches gilt für kartellrechtliche Auflagen, welche im Normalfall zu einer Verringerung der Rentabilität bei der Obergesellschaft führen. Angesichts dieser Aussichten werden mit Auflagen belastete Unternehmen im Einzelfall genau prüfen, ob sich diese Investitionen rechnen und ob sie im Zweifelsfall

335

Vgl. McKenna (2000), S. 64.

336

Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kap. 4.3.5.1 zu Dyssynergien.

4 Motive des Corporate Restructuring

113

den Geschäftsbetrieb beim betreffenden Unternehmensteil oder der betreffenden Tochtergesellschaft einstellen sollten. Restrukturierungsmaßnahmen, die mit dem Ziel der Abwendung von Auflagen oder rechtlichen Problemen oder deren Isolierung bei einem Geschäftsbereich, durchgeführt werden, können prinzipiell zu einer Steigerung des Shareholder Value, zumindest bei den Anteilseignern der Obergesellschaft, führen, da diese von (potenziellen) Lasten befreit werden. Bei den ausgekehrten Unternehmensteilen hingegen ist eine Steigerung des Shareholder Value durch Restrukturierung nicht unbedingt gegeben. HITE/OWERS haben in einer empirischen Studie von 123 Spin-offs belegt, dass Restrukturierungsmaßnahmen, die mit dem Motiv der Abwendung juristischer Probleme oder Rechtsstreitigkeiten durchgeführt werden, zwar am Ankündigungstag der Restrukturierungsmaßnahme zu einer positiven Überrendite führten, diese jedoch nicht die Kursverluste ausgleichen konnten, die im Vorfeld der Bekanntgabe stattfanden.337 4.3.6.2 Steuerersparnisse

Die Verringerung der steuerlichen Belastung von Unternehmen stellt eines der Grundmotive für die Veränderung der Struktur eines Unternehmens dar. Insbesondere durch die Ausnutzung vorteilhafter steuerrechtlicher Regelungen im Ausland ist es Unternehmen möglich, durch mehrstufige, gesellschaftsrechtlich komplizierte Verflechtung von Tochter- und Schwestergesellschaften unter einer Konzernstruktur die inländische Steuerbelastung zu minimieren. Steuerliche Überlegungen können daher per se ein Motiv einer Unternehmensumwandlung sein.338 Im Gegensatz zur Idee des Corporate Restructuring liegt hierbei der Fokus jedoch auf einer Optimierung der Unternehmens-/Konzernstruktur zur Verringerung der nationalen und internationalen Steuerlast auf Basis des vorhandenen Beteiligungsportfolios. Ebenso ändert sich hierdurch die grundsätzliche Eigentümerstruktur eines Unternehmens nicht. Das heißt, die Akquisition oder die Veräußerung von Tochterunternehmen und Unternehmensteilen ist nicht Teil dieses Optimierungsproblems. EILERS stellt diese wichtige Unterscheidung zwischen Optimierung der Unternehmensstruktur zur Verringerung der steuerlichen Belastung und Corporate Restructuring als fokussierendem Instrument nochmals deutlich heraus: „Die Entscheidung zur

337

Vgl. Hite/Owers (1983), S. 431.

338

Vgl. Odenthal (1999), S. 91 und dort angeführte Publikationen.

114

4 Motive des Corporate Restructuring

Akquisition eines Unternehmens oder zur Veräußerung desselben ist meist keine steuerliche, sondern eine unternehmensstrategische Entscheidung und sie sollte auch nie aus rein steuerlichen Motiven getroffen werden.“339 Die abschließende Aussage EILERS macht jedoch deutlich, dass steuerliche Motive durchaus eine Rolle bei der Akquisition und Desinvestition von Unternehmen und Unternehmensteilen spielen können. Beispielhaft seien die Möglichkeiten zur steuerlichen Geltendmachung von Verlustvorträgen bei erworbenen Unternehmen genannt. Die Kernaussage ist, dass Unternehmen bei der Ob-Entscheidung des Corporate Restructuring, insbesondere bei fokussierenden Transaktionen des Portfolio Restructuring, steuerliche Motive nur rudimentär berücksichtigen werden. Eine gewichtige Rolle hingegen spielen steuerliche Überlegungen bei der Konzeption von Corporate-Restructuring-Maßnahmen, wie der Wahl des geeigneten Restrukturierungsinstruments sowie der gesellschaftsrechtlichen Gestaltung der Transaktion (Wie-Entscheidung).340 SADTLER/CAMPBELL/Koch stellen dies nochmals deutlich heraus: „Every company contemplating a breakup examines all its options. A spinoff is often the most tax effective way to do it. But no one breaks up a company to save tax.”341 Das restrukturierende Unternehmen wird in Regel versuchen, bei der Desinvestitionstransaktion die Versteuerung eines Veräußerungsgewinns zu vermeiden oder zumindest zu minimieren.342

4.4

Zwischenfazit Restrukturierungsmotive

Die wesentlichsten Ursachen, auf die unternehmerische Restrukturierungsmaßnahmen zurückgeführt werden können, liegen in dem sich ständig verändernden ökonomischen Umfeld von Unternehmen, welches zum aktuellen Zeitpunkt insbesondere durch Globalisierungs- und Deregulierungsströmungen geprägt ist, die angesichts an Bedeutung zunehmender internationaler Kapitalmärkte von den einzelnen Unternehmen eine permanente Adaption an die veränderte Situation einfordern. Wesentlich hierbei ist, dass Corporate-Restructuring-Maßnahmen in den seltensten Fällen vergangenheitsinduziert sind, sondern zunehmend vorwärts gerichtet sind und in Er-

339

Vgl. Eilers (2002), S. 69.

340

Vgl. Kaiser/Stouraitis (1995), S. 165.

341

Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 59.

342

Vgl. Eilers (2002), S. 69. Zu den steuerlichen Kernüberlegungen bei Corporate-RestructuringMaßnahmen, vgl. Kap. 5.4.2.

4 Motive des Corporate Restructuring

115

wartung eines sich intensivierenden internationalen Wettbewerbsumfelds durchgeführt werden.343 Es ist daher wichtig, Restrukturierungsmotive selbst nicht als „Ursachen“ einer Unternehmensrestrukturierung zu begreifen zu begreifen, sondern als Elemente eines Zielsystems zur Erschließung zusätzlichen Wertpotenzials in Unternehmens. Motive stellen in diesem Zielsystem kleine Bausteine dar, um Modalziele (Schließung von Wert- und Wahrnehmungslücken) zu erreichen, was wiederum zu einer Steigerung des Unternehmenswerts beitragen soll.344 Beispielsweise stellt die potenzielle Gefahr einer feindlichen Übernahme zwar ein legitimes Motiv zur Rechtfertigung einer strukturellen Reorganisation dar, allerdings ist in diesem Fall nicht die potenzielle Gefahr als tatsächliche Ursache der Unternehmensrestrukturierungsmaßnahme zu werten, sondern die Gründe, die zur Situation geführt haben, dass das betreffende Unternehmen die Rolle eines möglichen Übernahmekandidaten einnimmt. Motive können zwar erklären, warum es zu Restrukturierungsmaßnahmen kommt, nicht jedoch warum es ex-post zu Unternehmenswertsteigerungen tatsächlich kam.345 Eine Rangfolge unter den genannten Motiven für die Restrukturierung eines Unternehmens herzustellen, ist nicht ohne Probleme möglich. In den seltensten Fällen wird sich eine Corporate-Restructuring-Maßnahme durch ein einziges Motiv erklären lassen. In der Regel werden Unternehmen mehrere Motive nennen, um eine Restrukturierung zu rechtfertigen und zu begründen.346 Tabelle 4-1 stellt die bei USamerikanischen und britischen Corporate-Restructuring-Maßnahmen genannten Gründe geordnet nach der Häufigkeit deren Nennung dar.

343

Vgl. Markides/Singh (1996), S. 214.

344

Vgl. hierzu auch die einleitenden Ausführungen in Kap. 4.3.1.

345

Vgl. Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 37.

346

Vgl. Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 61.

116

4 Motive des Corporate Restructuring Nennungen Rang

Motiv

US UK Gesamt

1

Fokussierung („Focus“)

2

Effiziente Bewertung („Fair Value“)

3

Schuldenreduktion („Reduce Debt“)

4

Schlechte Unternehmenseinheit („Poor Performer“)

6

Anti-Takeover-Maßnahme („Fear of Takeover“)

8

12

10

22

7

3

10

7

1

8

5

0

5

0

4

4

Negative Synergien („Competitive Conflict“)

4

0

4

Kapitalaufnahme („Enhance Capital Raising“)

2

1

3

Problemisolierung („Quarantine Problem“)

2

1

3 2

9

Kartellrechtsprobleme („Regulatory“)

2

0

10

Steuerliche Gründe („Tax Efficiency“)

1

0

1

11

Financial Engineering

0

0

0

Gesamt: 42

20

62

Tabelle 4-1: Häufigkeit verschiedener Restrukturierungsmotive in der Vergangenheit347

Tabelle 4-2 stellt in zusammenfassender Form die verschiedenen Instrumente des Corporate Restructuring hinsichtlich ihrer Geeignetheit zur Zielerreichung angesichts des verfolgten Restrukturierungsmotiv dar.

347

In Anlehnung an eine Studie von Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 42, welche die bedeutendsten Restrukturierungen in den USA (1982-1996) und Großbritannien (1990-1995) beinhaltet. Vergleichbare Detaildaten sind für Deutschland nicht verfügbar. In einer Stichprobe von 90 Desinvestitionstransaktionen ermittelte Löffler (2001), S. 124, Fokussierung (43% der Fälle), Kapitalaufnahme bei der Tochtergesellschaft (31% der Fälle), finanzielle Schwierigkeiten bei der Tochtergesellschaft (21% der Fälle) und finanzielle Schwierigkeiten bei der Muttergesellschaft (4,4% der Fälle) als wesentliche Motivationen.

4 Motive des Corporate Restructuring

Unfreiwillige Maßnahmen

Selloff

Proaktive Maßnahmen

Equity Joint Carve- Ventout ures

Spinoff

Splitoff

Splitup

Gesetzliche Auflagen

z

z

z

z

Kartellrechtliche Auflagen

z

z

z

z

Abwehrmaßnahme

z

(z)

z

z

z

Auflösung von Konglomeraten

z

z

z

z

z

Abwendung notwendiger Investitionen

z

z

z

z

z

z

(z)

z

z

Schaffung einer Akquisitionswährung Freiwillige Maßnahmen

117

Einführung variabler Vergütungssysteme

z

z

z

z

z

z

z

z

z

Komplexitätsreduktion

z

z

Höhepunkte des Produktlebenszykluses

z

z

Erzielung einer effizienten Bewertung

(z)

z

z

z

z

Erschließung zusätzlicher Finanzierungsquellen

(z)

z

z

z

z

z

z

(z)

z

z

z

z

Kaufangebot und Realisation von Buchgewinnen Langfristige Abwehr feindlicher Übernahmen

z

Tracking Stock

z

z

z

z

(Fortsetzung auf folgender Seite)

118

4 Motive des Corporate Restructuring Selloff

Reaktive Maßnahmen

Spinoff

Splitoff

Splitup

z

z

z

z

z

z

Auflösung von Dyssynergien

z

z

Strategische Neuausrichtung

z

z

(z)

z

z

z

z

Steigerung des Gewinns

z

z

z

z

z

Beschaffung liquider Mittel

z

z

Portfoliobereinigung nach M&A-Transaktionen

z

(z)

z

z

z

Rückgängigmachung von Entscheidungen

z

(z)

z

z

z

Planung der Unternehmensnachfolge

z

z

Ende des Produktlebenszykluses

z

Abbau von Überkapazitäten

z

Abwendung von Problemen

z

z

z

z

z

Steuerersparnisse

z

z

z

z

z

Steigerung der Rentabilität

Freiwillige Maßnahmen

Equit y Joint Carve Vent-out ures

z

Track -ing Stock

z

z

z

Legende: z

Instrument einsetzbar.

(z) Einsetzbarkeit des Instruments vom Einzelfall abhängig. Tabelle 4-2: Geeignetheit verschiedener Restrukturierungsinstrumente bei verschiedenen Restrukturierungsmotiven

Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass Corporate-Restructuring-Entscheidungen das Ergebnis eines komplizierten Optimierungsprozesses sind. Angesichts der Tatsache, dass Restrukturierungsentscheidungen in der Regel auf Basis mehrer gegebener Motive getroffen werden gestaltet sich Entscheidungsfindung sehr oft äußerst schwierig. Hinzu kommt die hier unberücksichtigte Tatsache, dass sehr oft die Verfolgung eines Subziels das Erreichen eines anderen kategorisch ausschließt (antinome Zielbezie-

4 Motive des Corporate Restructuring

119

hung) oder diesem entgegenwirkt (konkurrierende Zielbeziehung).348 Liegen mehr als zwei Motive vor, so sind die einzelnen Motive hierarchisch zu ordnen um eine Entscheidung zu ermöglichen. In Einzelfällen können kombinierte Restrukturierungsmaßnahmen zu den gewünschten Ergebnissen führen.

348

Vgl. hierzu Charifzadeh (2002), S. 240 ff.

120

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

5

Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

5.1

Strategische Unternehmensführung und Corporate Restructuring

Die Theorie der strategischen Unternehmensführung sieht die Umwelt eines Unternehmens als einen wesentlichen Einflussfaktor auf dessen ökonomischen Erfolg. So geht beispielsweise das klassische Strukturparadigma der Industrial-OrganizationForschung prinzipiell davon aus, dass der Erfolg eines Unternehmens in erster Linie davon abhängig ist, wie sich das Unternehmen angesichts einer gegebenen Industriestruktur verhält (Structure-Conduct-Performance-Ansatz).349 Während der Einfluss der Unternehmensumwelt auf das Unternehmen und dessen Erfolg nahezu unbestritten ist, bewerten die verschiedenen Teilströmungen des strategischen Managements die Stärke dieses Einflusses unterschiedlich.350 Ziel der Analyse der Marktgrundbedingungen,351 das heißt der allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, ist es, Entwicklungstendenzen zu ermitteln und deren Einfluss auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens, das mikroökonomische Umfeld352 und die makroökonomischen Rahmenbedingungen zu bewerten.353 Die Umfeldanalyse (inklusive der Prognose zukünftiger Entwicklungen) ist hinsichtlich der Entscheidung, in welchen Geschäftsfeldern ein Unternehmen aktiv werden soll, von großem Nutzen und unabdingbar und damit von großer Relevanz bei CorporateRestructuring-Entscheidungen. Als wesentliche Situationskomponenten der Umfeldbedingungen eines Unternehmens im Rahmen eines Modells zur Desinvestition können die sozio-kulturelle Umwelt, die politisch-rechtliche Umwelt, die technologisch-ökonomische Umwelt und

349

Die Industriestruktur wird hierbei definiert als „weitgehend stabiles, ökonomisch und technisch orientiertes Wettbewerbsumfeld oder -segment“. Vgl. Welge/Al-Laham (2001), S. 37.

350

Für eine Diskussion der Teilströmungen des strategischen Managements und der Bewertung des Unternehmensumfelds, vgl. Welge/Al-Laham (2001), S. 35 ff.

351

Die Analyse der Marktgrundbedingungen als Bestandteil der Entwicklung und Implementierung einer Unternehmensstrategie ist ein wesentliches Element des Market Based View. Zur Bedeutung dieser ökonomischen Perspektive im Desinvestitionsprozess von Unternehmen, vgl. Weiher (1996), S. 36 ff.

352

Die Begriffe Umwelt und Umfeld bzw. Umweltanalyse und Umfeldanalyse werden synonym verwendet.

353

Vgl. Weiher (1996), S. 73.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

121

die ökologische Umwelt354 identifiziert werden.355 Während bei der Entwicklung von Desinvestitionsstrategien allgemein, und speziell bei der Identifikation von potenziellen Desinvestitionsobjekten in Unternehmen, alle vier Bereiche in die CorporateRestructuring-Entscheidung mit einzubeziehen sind, ist bei einer Analyse der Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit US-amerikanischer Restrukturierungsinstrumente auf andere Länder, in erster Linie Deutschland im vorliegenden Fall, besonders das sozio-kulturelle Umfeld,356 noch mehr aber das politisch-rechtliche Umfeld eines Unternehmens von Interesse. Während das technologisch-ökonomische Umfeld eines Unternehmens als wesentlichste Situationskomponente bei der Desinvestitionsentscheidung zu sehen ist, spielt es bei der Bewertung der Übertragbarkeit von Sell-offs, Equity Carve-outs, Spin-offs, Split-offs, Split-ups und Tracking Stocks auf Deutschland nur eine untergeordnete Rolle.357 Ergänzt wird die Umfeldanalyse durch eine Betrachtung der marktlichen Umwelt von Unternehmen in Deutschland, wobei der Kapitalmarkt und mit diesem verbundene Märkte im Zentrum der Betrachtung stehen. Hierbei wird insbesondere Wert auf eine Analyse der Natur der Marktteilnehmer sowie deren Struktur und Zusammenwirken gelegt. Abbildung 5-1 stellt die betrachteten Analysebereiche grafisch dar.

354

Wesentliche Aspekte des ökologischen Umfelds sind unter anderen die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Energie, die Entwicklung der Umweltbelastung, Umweltschutztrends oder die Rolle des Staates bei der Umweltgesetzgebung. Vgl. hierzu Weiher (1996) S. 74. Auf eine gesonderte Betrachtung des ökologischen Umfelds als eigenständigem Analysebereich wird im Rahmen der vorliegenden Untersuchung aufgrund der relativ geringeren Bedeutung verzichtet.

355

Vgl. Weiher (1996), S. 73.

356

Die Analyse der sozio-kulturellen Umweltfaktoren von Unternehmen konzentriert sich im vorliegenden Fall primär auf die Gegenüberstellung von Elementen einer Shareholder-ValueGesellschaft als ein Extrem, und einer Stakeholder-Gesellschaft als anderes Extrem. Die Fokussierung auf diesen speziellen sozio-kulturellen Aspekt begründet sich in dessen Relevanz für Restrukturierungsentscheidungen und der Gestaltung der Restrukturierungsmaßnahme in Deutschland.

357

Aspekte des technologisch-ökonomischen Unternehmensumfelds sind bspw. die Geschwindigkeit des technologischen Wandels, das Innovationspotenzial eines Unternehmens oder die ökonomische Entwicklung spezifischer relevanter Sektoren der Wirtschaft. Vgl. hierzu Weiher (1996), S. 74.

122

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Sozio-kulturelle Umweltfaktoren

(Kapital-)Marktliche Umweltfaktoren • Marktteilnehmer • Marktbeschaffenheit

Politisch-rechtliche Umweltfaktoren • Gesellschafts- und vertragsrechtliches Umfeld • Steuerrechtliches Umfeld • Bilanzrechtliches Umfeld • Kartellrechtliches Umfeld • Mitbestimmungsrechtliches Umfeld • Aktien- und börsenrechtliches Umfeld

Corporate-RestructuringEntscheidung

Abbildung 5-1: Betrachtete Bereiche der Umfeldanalyse

Die Analyse des ökonomischen Umfelds eines Unternehmens und dessen Einflusses auf Corporate-Restructuring-Entscheidungen im Unternehmen stellt immer nur eine Momentaufnahme der aktuellen Situation dar. DONALDSON geht davon aus, dass Unternehmen im Durchschnitt alle zehn Jahre ihre Struktur verändern und dass jede „Corporate Structure“ einer vergangenen Dekade ihre Existenzberichtigung zu dieser Zeit hatte, sich jedoch angesichts verändernder Umweltbedingungen im Zeitablauf „überlebt“.358 Dieses Argument bestätigend konnte KLEIN empirisch belegen, dass konglomerate Unternehmen in den sechziger Jahren noch vergleichbar mit fokussierten Unternehmen am Kapitalmarkt bewertet wurden und sich erst in den darauf

358

Donaldson (1994), S. 8. Vgl. hierzu auch Martin/Sayrak (2003), die auf die Notwendigkeit der Untersuchung eines Lebenszykluses der Diversifikation hinweisen.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

123

folgenden Jahren eine relative Unterbewertung (Conglomerate Discount) entwickelte.359

5.2

Sozio-kulturelle Umweltfaktoren

Werte und Einstellungen von Menschen erfahren Generationen und Schichten übergreifend einen langsamen, aber stetigen Wandel. Bei der Berücksichtigung dieser Werte und Normen im Rahmen von Restrukturierungsüberlegungen gilt es insbesondere, die Einstellung der Gesellschaft als solche sowie die Einstellung des Individuums gegenüber Unternehmen und deren Eigentümern zu berücksichtigen. Ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen die Einstellungen der Funktions- und Entscheidungsträger in Unternehmen. Im Zusammenspiel sämtlicher Anspruchsgruppen eines Unternehmens (Eigenkapitalgeber, Manager, Mitarbeiter etc.) konstituiert sich eine Situation, an der Restrukturierungsentscheidungen und die Gestaltung der Maßnahmen zu orientieren sind. Die Aussage Rappaports, dass das fundamentale Ziel eines Unternehmens die Steigerung des Shareholder Value sein müsse, spiegelt die vor allem in den USA überdurchschnittlich hohe Verhandlungsmacht der Eigenkapitalgeber eines Unternehmens wider, deren (finanzielle) Interessen hierbei allen anderen Stakeholdern übergeordnet werden.360 Dieser Ansatz setzt auf die langfristige Maximierung des Unternehmenswerts durch langfristige Gewinnmaximierung.361 In Kombination mit den veränderten Bedingungen an den internationalen Kapitalmärkten wurde der Shareholder-Value-Ansatz in der Presse zu einem Synonym für die relative Überbewertung der finanziellen Belange der Eigenkapitalgeber, eine Ausrichtung der Unternehmenspolitik an schnellen, kurzfristigen Aktienkurssteigerungen und eine Vernachlässigung sozialer Aspekte, vor allem der Interessen der Mitarbeiter des Unternehmens.362 Besonders im deutschen Sprachraum wurde das Prinzip des Eigentümers eines Unternehmens als Primat der Unternehmensleitung gesellschaftlich in der Vergan-

359

Vgl. Klein (2001), S. 759.

360

Vgl. Rappaport (1986), S. 1; Copeland/Koller/Murrin (2000), S. 1 ff.

361

Vgl. Baden (2001), S. 399.

362

Vgl. Baden (2001), S. 401. Diese Instrumentalisierung der Fehldeutungen des Shareholder Value waren zu Beginn der neunziger Jahre vor allem in der deutschen Medienlandschaft gebräuchlich.

124

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

genheit nur bedingt akzeptiert. Unternehmen müssten den Ansprüchen verschiedener Interessensgruppen (Stakeholder) gerecht werden, denn sie stehen in ständigem Kontakt mit ihrer „ökonomischen, rechtlichen, politischen und technologischen Umwelt“, so die Forderung.363 In der Praxis wie in der Wissenschaft wird hierbei von einer Interessendivergenz insbesondere bei den beiden Stakeholdern Management und Eigentümern ausgegangen. So wird beispielsweise der undiversifizierte Humankapitalinvestor (das heißt das Management eines Unternehmens sowie dessen Mitarbeiter) in der Regel vor allem an finanziellen Vergütungen, nicht-pekuniären Privilegien (beispielsweise einem sicheren Arbeitsplatz) und Selbstverwirklichung interessiert sein,364 und diese jeweils dem Gesamtrisiko des Unternehmens gegenüberstellen. Der diversifizierte Finanzinvestor hingegen wird in erster Linie an einer Steigerung des Shareholder Value Interesse haben (und damit wertschaffende CorporateRestructuring-Maßnahmen begrüßen). Gleichzeitig wird er eine Optimierung hinsichtlich des Risikos und der Rendite seines individuellen Investment-Portfolio unter Berücksichtigung des unternehmensspezifischen, systematischen Risikos des Unternehmens zu erreichen versuchen.365 Neben Human- und Finanzinvestoren existieren zahlreiche andere Stakeholder (unter anderem der Staat, die Arbeitnehmer, die Lieferanten, die Kunden etc.), die jeweils verschieden gelagerte Interessen am Unternehmen besitzen, die sich auch in den unterschiedlichen Erwartungen an Diversifikations- oder Konzentrationsbestrebungen auf Unternehmensebene manifestieren. In Europa, insbesondere in Deutschland, herrschte historisch gesehen diese Idee des (Balanced) Stakeholder View vor, welcher die Abwägung der Interessen verschiedenster Stakeholdergruppen und die Wertschaffung nicht für eine einzige Anspruchsgruppe (die Eigenkapitalgeber), sondern für alle Stakeholder (Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden, Fremdkapitalgeber, die Gesellschaft im Allgemeinen und auch die Anteilseigner des Unternehmens), verlangt.366 In vielen Ländern Europas spiegelt sich diese Sichtweise auch in den Gesetzen und der Rechtssprechung wider, wie beispielsweise in Deutschland, wo betriebliche Mitbestimmungs- und Schutzrechte für

363

Baden (2001), S. 398.

364

Im englischen Sprachgebrauch spricht man in diesem Zusammenhang von Rent Seeking.

365

Vgl. Cappelle-Konijnenberg (1995), S. 4.

366

Vgl. u.a. Bühner/Rasheed/Rosenstein (1997), S. 325, S. 334; Reinholz (1997), S. 11; Copeland/Koller/Murrin (2000), S. 1 ff.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

125

Arbeitnehmer auf allen Ebenen des Unternehmens (beispielsweise im Aufsichtsrat) und in vielen Bereichen gesetzlich oder durch Tarifverträge garantiert sind. Ähnliches gilt für unternehmensexterne Anspruchsgruppen.367 Mit der Liberalisierung der nationalen und internationalen Kapitalmärkte ging in Deutschland eine Annäherung der Stakeholdergesellschaft hin zur Shareholdergesellschaft und deren Ziele einher.368 Eine gewisse Besonderheit im internationalen Vergleich stellt die Tatsache dar, dass sich das Management in deutschen Unternehmen zunehmend dazu bekennt eine Shareholder-Value-steigernde Unternehmensstrategie zu verfolgen, wenngleich der Druck von Außen (Institutionelle Investoren, Gefahr einer feindlichen Übernahme etc.) noch als relativ gering zu bewerten ist.369 Zentrale Elemente der Stakeholderidee blieben zwar erhalten, jedoch zählen die mit Mitspracherechten ausgezeichneten organisierten Verbände und Interessensvertretungen zunehmend auch Aktionäre und andere Anteilseigner zu ihren Mitgliedern. Weite Teile der Bevölkerung haben durch private Investitionen in Investmentfonds oder Pensionskassen ebenfalls ein unmittelbares, berechtigtes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens.370 Eine gewisse Interessenskollision zwischen Stakeholdergruppen und Shareholdergruppen ist offensichtlich, wird jedoch erst zu einem Problem, wenn der Anteilseigner als Mitglied einer der ersteren Gruppierungen seine primären Interessen nicht vertreten sieht. In diesem Zusammenhang ist als primäres Interesse die Steigerung des Shareholder Value zu sehen, sei es durch Kurssteigerungen oder Ausschüttungen. Angesichts der vor allem aus dem (US-amerikanischen) Ausland kommenden Forderungen institutioneller Investoren nach einer zur Steigerung des Unterneh-

367

Dieses Argument wird allerdings auch von den Vertretern des Shareholder-Value-Ansatzes heran getragen, welche die Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen „ohnehin über die rechtlichen Rahmenbedingungen in der unternehmerischen Tätigkeit berücksichtigt“ sehen, weshalb das ausschließliche Ziel des Unternehmensmanagements die Maximierung des Unternehmenswerts unter den gegebenen Rahmenbedingungen sein sollte, so Reinholz (1997), S. 10.

368

Vgl. hierzu auch Copeland/Koller/Murrin (2000), S. 4.

369

Vgl. Jürgens/Rupp (2002), S. 43. Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kap. 5.3.

370

Zu einer generellen Gegenüberstellung der Shareholdergesellschaft USA und der Stakeholdergesellschaft Deutschland, vgl. Reinholz (1997); Bühner/Rasheed/Rosenstein (1997). Den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Börseneuphorie Ende der neunziger Jahre und der zunehmenden Anzahl an privaten Kleinaktionären zeigen die Zahlen des Deutschen Aktieninstituts, die allerdings in der Abschwungphase zwischen 2000 und 2002 auch eine deutliche Reduzierung der Zahl privater Investoren belegen. Vgl. hierzu Deutsches Aktieninstitut (2001); Deutsches Aktieninstitut (2002).

126

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

menswerts ausgelegten Geschäftspolitik und einer zunehmend kritischen (Klein-) Aktionärsschaft im Inland sahen sich auch deutsche Unternehmen dazu gezwungen, eine unternehmenswertsteigernde Strategie zu verfolgen und dieser die Interessen anderer Stakeholder unterzuordnen.371 Anerkennt man die Stellung des Investors bzw. des Aktionärs als Eigentümer eines Unternehmens, so muss man folglich auch akzeptieren, dass diese die Richtlinien zur Geschäftsführung darstellen und dass letztendlich das Management eines Unternehmens lediglich stellvertretend die Interessen der Anteilseigner zu vertreten hat.372 Neben einer generellen Notwendigkeit, die Interessen aller Anspruchsgruppen, insbesondere aber die der Eigenkapitalgeber, zu berücksichtigen, ist bei der Analyse der sozio-politischen Akzeptanz von Corporate-Restructuring-Maßnahmen auch die Einstellung der Gesellschaft zu Unternehmertum und Selbstständigkeit von Bedeutung: Der Zusammenhang von Unternehmertum und Corporate Restructuring wird in zweifacher Hinsicht deutlich. Zum Ersten bedeuten viele Restrukturierungsmaßnahmen primär die Verselbstständigung von Geschäftsbereichen. Dabei kommt es nicht nur zu einer Verschiebung von Wirtschaftsgütern in nun rechtlich unabhängige (Tochter-)Gesellschaften, sondern auch zu einer Delegation von Entscheidungsbefugnissen von der zuvor zentralisierten Unternehmensführung an die Geschäftsleitung des Tochterunternehmens. Die Übernahme von Verantwortlichkeiten zählt heute zu den zentralen Elementen der Mitarbeitermotivation und findet zunehmend die Bereitschaft der angestellten Arbeitnehmer. Nicht zuletzt trägt die zunehmende Beteiligung der Mitarbeiter eines Unternehmens am Unternehmenserfolg zu dieser Entwicklung bei.373 Empirische Untersuchungen, wie beispielsweise der GLOBAL ENTREPRENEURSHIP MONITOR (GEM) zeigen, dass sich sowohl die Rahmenbedingungen (Entrepreneurial Conditions) für Unternehmensgründungen als auch die Werte und sozialen Normen der Bevölkerung langsam positiv hinsichtlich der Gründungswilligkeit in der deut371

Vgl. in diesem Zusammenhang auch Copeland/Koller/Murrin (2000), S. 11 ff., die argumentieren, dass das starke Wirtschaftswachstum in den USA zwischen 1985 und 2000 unmittelbar auf die disziplinierende Wirkung der dort vorherrschenden Shareholder-Value-Orientierung zurückzuführen sei.

372

Mit dem oft mit Interessenskonflikten behafteten Verhältnis zwischen Management und Anteilseigner beschäftigt sich vor allem die so genannte Proincipal-Agent-Theory, die den Manager lediglich als Erfüllungsgehilfen (Agent) der Eigentümer (Principals) betrachtet. Vgl. einführend Hartmann-Wendels (1989).

373

Vgl. Jürgens/Rupp (2002), S. 48. Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kap. 4.3.3.3.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

127

schen Bevölkerung entwickeln.374 Zwar ist der GEM-Report auf originäre Unternehmensgründungen375 fokussiert, jedoch ist anzunehmen, dass sich die Ergebnisse auch auf andere Gründungsformen annähernd übertragen lassen.376 Die Schaffung kleiner, selbstständiger neuer Einheiten in Unternehmen bedeutet zum Zweiten gleichzeitig die Generierung zusätzlicher Investitionsmöglichkeiten gerade für Humankapitalinvestoren. Beispielsweise lässt sich ein Sell-off sehr oft als ein Management Buy-out durchführen.377 Der zunehmende Wille des divisionalisierten Managements in Deutschland, unternehmerische Verantwortung durch Investition von Human- und Finanzkapital zu übernehmen, trägt ebenfalls dazu bei, die Akzeptanz von Corporate-Restructuring-Maßnahmen in der Gesellschaft und unter den verschiedenen Anspruchsgruppen eines Unternehmens zu steigern. Gerade Buyouts werden heute häufig mit dem Ziel der Realisierung von „Entrepreneurial Opportunities“ durchgeführt und begründen sich nicht mehr nur durch Agency-theoretische Überlegungen.378 Als Ergebnis lässt sich feststellen, dass die Annahme, die Leitung eines Unternehmens müsse sich explizit und exklusiv für einen der beiden Ansätze (Shareholder Value oder Stakeholder Value) als einheitliches Zielsystem ihres Handelns entschließen, wenig praxisnah zu sein scheint. BADEN merkt an, dass die Kritik am Shareholder-Value-Ansatz (insbesondere die Ausrichtung auf Anteilseigner, dem kurzfristigen Gewinnstreben und dem Primat des Gewinnstrebens) eher der praktischen Umsetzung des Konzepts in der Realität zuzurechnen sei, nicht aber dem Konzept

374

Vgl. Sternberg/Bergmann/Tamásy (2001), S. 5. Hinsichtlich des Umfangs der Gründungsförderung befindet sich Deutschland im internationalen Vergleich sogar auf Platz eins. Allerdings sehen die Autoren diesbezüglich durchaus noch Handlungsbedarf und fordern eine Fortsetzung und konsequente Umsetzung der gründungsfördernden Rahmenbedingungen. Zur Entrepreneurship-Diskussion und der Frage, ob es sich lediglich um eine Modeerscheinung handelt oder tatsächlich eine Kraft mobilisiert wird, „die positive ökonomische, gesellschaftliche und psychologische Veränderungen generiert“, vgl. Pleitner (2001), S. 1159.

375

Vgl. hierzu Szyperski/Nathusius (1977), S. 27. Für eine Abgrenzung der verschiedenen Gründungsarten, vgl. auch Engel (2003).

376

Vgl. in diesem Zusammenhang die Untersuchung zu Management Buy-outs des F.A.Z.-Institut für Management/Deutsche Beteiligungs AG (2002).

377

Vgl. hierzu beispielhaft die zunehmend akzeptierte Möglichkeit, das Nachfolgeproblem in mittelständischen Unternehmen durch Management Buy-outs zu lösen, wie es in Kap. 4.3.5.8 dargelegt wurde.

378

Vgl. Wright et al. (2001), S. 257 f.

128

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

selbst.379 Dem mehr ideologisch und unternehmenskritisch begründeten StakeholderValue-Ansatz hingegen hält er hingegen vor, dass er aufgrund fehlender Konkretisierung und mangelnder Operationalisierbarkeit380 und angesichts einer wachsenden Bedeutung der internationalen Kapitalmärkte sowie einem sich intensivierenden globalen Wettbewerbsumfeld den Shareholder-Value-Ansatz als zentrales Leitmotiv der wertorientierten Unternehmensführung in naher Zukunft nicht ablösen werde. Wichtig ist allerdings, dass die „Diskussion um Aktionärsinteressen und soziale Marktwirtschaft“ generell in rationalen Bahnen verlaufen muss, um einen Beitrag zur zukünftigen Unternehmensführung zu leisten.381 Die konsequente Ausrichtung der Unternehmensstrategie am Ziel der Steigerung des Unternehmenswerts in angelsächsischen Ländern lässt vermuten, dass wertsteigernde Maßnahmen, wie beispielsweise Corporate-Restructuring-Maßnahmen, dort wesentlich schneller und konsequenter durchgeführt werden können als in Ländern, in denen die Ansprüche aller Stakeholder im Entscheidungsprozess berücksichtigt werden. Insbesondere Maßnahmen, die einen gravierenden Eingriff in die Struktur eines Unternehmens bewirken (können), wie beispielsweise Sell-offs und Split-ups, werden in bedingten Stakeholdergesellschaften wie Deutschland auf größere Widerstände seitens der verschiedenen Anspruchsgruppen stoßen.382 Eine schnellere und konsequentere Durchführung ist jedoch nicht unbedingt ein Garant für den Erfolg einer Corporate-Restructuring-Maßnahme.

5.3

(Kapital-)Marktliche Umweltfaktoren

5.3.1

Marktteilnehmer

Die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Instrument des Corporate Restructuring ist unter anderem davon abhängig, welche (finanzielle) Bewertung ein Unternehmen bzw. ein Unternehmensteil erfährt. Eine adäquate Unternehmensbe-

379

Vgl. Baden (2001). Vgl. hierzu auch Achleitner (1999).

380

Die mangelnde Operationalisierbarkeit rührt in erster Linie von der Tatsache her, dass nicht feststellbar ist, wann das Postulat der „optimalen Befriedigung der Gesamtinteressen aller Anspruchsgruppen“ tatsächlich erfüllt sei. Vgl. hierzu Baden (2001), S. 402.

381

Vgl. Achleitner (1999), S. 4.

382

Vgl. hierzu auch die Diskussion um die Bewertung der Unternehmensmitbestimmung in Kap. 5.4.5.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

129

wertung wiederum ist abhängig von den individuellen Zielsetzungen und Prämissen potenzieller Investoren. Es ist daher bei Corporate-Restructuring-Entscheidungen wichtig, die auf dem Markt für Mergers & Acquisitions aktiven Marktteilnehmer zu kennen und im Idealfall potenzielle Investoren bereits im Vorfeld einer CorporateRestructuring-Maßnahme zu identifizieren. Grundsätzlich ist hierbei zu unterscheiden, ob eine Restrukturierungsmaßnahme über den Kapitalmarkt durchgeführt wird oder ob es sich um eine bilaterale Transaktion zwischen dem restrukturierenden Unternehmen und einem Investor handelt. Bei einer kapitalmarktorientierten Corporate-Restructuring-Maßnahme sind in erster Linie die beiden Investorengruppen Private Investoren und institutionelle Investoren383 von Bedeutung, während bei einer Direkttransaktion prinzipiell zwischen Finanzinvestoren und strategischen Investoren zu unterscheiden ist. Die Zahl privater Investoren auf dem deutschen Kapitalmarkt ist in den letzten Jahren stark gestiegen: Verzeichnete das Deutsche Aktieninstitut 1988 noch knapp 3,2 Mio. Individualinvestoren in Deutschland, stieg die Anzahl an Aktionären bis 2000 um fast das Doppelte auf 6,2 Mio.384 Ebenfalls erhöhte sich der Anteil der privaten Haushalte am Aktienumlauf von 1,5% in 1991 auf 5,8% in 2000.385 Es ist anzunehmen, dass nicht zuletzt der Börsengang der Deutschen Telekom AG, der Boom am Neuen Markt und die Notwendigkeit zur privaten Altersvorsorge zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Angesichts eines gegenwärtig negativen Trends an den internationalen Kapitalmärkten bleibt jedoch abzuwarten, wie sich die Aktionärszahlen langfristig entwickeln. Kurzfristig konnte das DEUTSCHE AKTIENINSTITUT keinen signifikanten Rückgang der Aktionärszahlen verzeichnen: „Trotz einer schwierigen und volatilen Börsenlage und der Vertrauenskrise an den Kapitalmärkten befindet sich die Aktienakzeptanz in Deutschland auf einem bemerkenswert hohen Niveau.“386 Insgesamt sieht das Deutsche Aktieninstitut die Aktionärszahlen als relativ stabil an, vermag die zukünftige Entwicklung aber noch nicht abzuschätzen.387 Im

383

Vgl. Bassen (2002), S. 14. Die institutionellen Investoren sind hiernach wiederum in Banken, Versicherungen, Investmentgesellschaften, Beteiligungsgesellschaften und Pensionsfonds zu untergliedern.

384

Vgl. Deutsches Aktieninstitut (2001), Abb. 08.3-Zahl-D-a.

385

Vgl. Deutsches Aktieninstitut (2001), Abb. 08.1-3-d.

386

Vgl. Deutsches Aktieninstitut (2002).

387

Vgl. Deutsches Aktieninstitut (2003).

130

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

internationalen Vergleich jedoch fällt Deutschland beim Anteil der Aktionäre an der Gesamtbevölkerung deutlich zurück: Während in den USA mehr als jeder Vierte in Aktien investiert, macht dies in Deutschland nicht einmal jeder Zehnte.388 Für Unternehmen trägt diese zunehmende Bereitschaft unter der Bevölkerung, in Aktien zu investieren, zur Attraktivität einer kapitalmarktorientierten Restrukturierungsmaßnahme deutlich bei. Ungeachtet der relativen Zunahme der Anzahl an Privatinvestoren am deutschen Kapitalmarkt ist deren absolute Bedeutung im Vergleich mit institutionellen Investoren als sehr viel geringer einzuschätzen.389 Im Gegensatz zu den angelsächsischen Kapitalmärkten ist der deutsche Kapitalmarkt allerdings besonders durch das Handeln von Kreditinstituten und Versicherungsgesellschaften390 geprägt, die einerseits große Anteile an Industrieunternehmen besitzen, deren Zielsetzungen und Verhaltensweisen andererseits von jenen der Unternehmen und Investmentbanken abweichen können.391 Ein wesentlicher Erfolgsfaktor von Corporate-Restructuring-Maßnahmen mit Kapitalmarkt- bzw. Aktionärsbezug (Spin-offs, Equity Carve-outs, Tracking Stocks etc.) ist das Vertrauen bestehender und potenzieller Aktionäre in das restrukturierende Unternehmen.392 Befindet sich eine Gesellschaft bereits in einer finanziell geschwächten Lage oder ist ein Vertrauen der Aktionäre in das Management der Gesellschaft nicht mehr gegeben, so wird die Gesellschaft selten einen erfolgreichen Equity Carve-out oder Spin-off realisieren können. Noch schwerwiegender werden die Probleme sein, Tracking Stocks am Kapitalmarkt platzieren zu können, da bei diesen eine überdurchschnittliche Entwicklung des getrackten Geschäftsbereichs per se eine grundsätzliche Erwartung sein muss.

388

Vgl. Deutsches Aktieninstitut (2001), Abb. 08.6-1.

389

Zur Bedeutung institutioneller Investoren im In- und Ausland, vgl. Bassen (2002), S. 17 ff.; Jürgens/Rupp (2002), S. 35 f. Karsch (2002) hat ermittelt, dass institutionelle Investoren 47% des Stammkapitals deutscher DAX-30-Unternehmen halten, während 32% der Anteile in Festbesitz sind und nur 21% von privaten Investoren aus dem In- (insgesamt 67% des Stammkapitals) und Ausland (insgesamt 33% des Stammkapitals) gehalten werden.

390

Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kap. 5.3.2.3.

391

Vgl. Zugehör (2001a), S. 38 ff. Zu den Charakteristika, Zielsetzungen und insbesondere der Einflussnahme der auf einem Kapitalmarkt tätigen institutionellen Investoren, vgl. Bassen (2002).

392

Vgl. Weiher (1996), S. 136.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

131

Gerade im Zusammenhang mit Corporate-Restructuring-Maßnahmen ist neben der Börse die Bedeutung des privaten Kapitalmarkts sowie derer, die auf diesem Markt aktiv sind (Finanzinvestoren und strategische Investoren) nicht zu unterschätzen. Abbildung 5-2 stellt die unterschiedlichen Ziele, Motivationen und Konsequenzen von strategischen Investoren jenen von Finanzinvestoren gegenüber. Treten andere Unternehmen oder sogar Wettbewerber am Markt für Unternehmenskontrolle als potenzielle Käufer (strategische Investoren) auf, kann dies einen bedeutenden Einfluss auf die Bewertung eines Sell-off-Unternehmens haben, da sich der Wert eines Objekts „aus den Eigenschaften, insbesondere dem Nutzen, den jemand der Sache [...] beimisst“ ergibt.393

393

Born (1995), S. 21. Vgl. auch Kaiser/Stouraitis (1995), S. 164.

132

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Strategischer Investor

Finanzinvestor

• Integration

• Rendite

• Realisierung von Synergieeffekten

• Unternehmensreorganisation • Financial Engineering • Exit

Konsequenzen für das Management

• Situationsabhängig

• Erfolgsnotwendigkeit • Incentivierung

Konsequenzen für die Mitarbeiter

• Wahrscheinlichkeit der Rationalisierung

• Reduzierung exzessiver Kosten

• Langfristige Integration

• Mittelfristige Desinvestition

Schlüsselmotive

Herausforderungen

Zeithorizont

Abbildung 5-2: Strategischer Investor vs. Finanzinvestor394

Können potenzielle Käufer strategische Synergien mit dem Sell-off Unternehmen realisieren, werden sie einen höheren Preis zu zahlen bereit sein als ein Finanzinvestor, der den potenziellen, aber mit Unsicherheiten (Wiederverkaufswert, Reorganisationserfolg, Marktentwicklung etc.) verbundenen Wert des Sell-off-Unternehmens abzüglich eventuell vorhandener Transaktionskosten als Maximalpreis sehen wird.395 Abbildung 5-3 stellt diesen Zusammenhang zwischen Unternehmensbewertung und Zielorientierung des Investors dar.

394

In Anlehnung an Achleitner (2001a).

395

Vgl. Weiher (1996), S. 138; Kaiser/Stouraitis (1995), S. 164.

Stand-alone Wert (Fundamentaler Wert)

Marktwert (Vergleichswert)

Entscheidungswert (Subjektiver Wert, Wertober- und -untergrenzen)

133

Strategischer Investor

Finanzinvestor

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Synergetischer Wert Abbildung 5-3: Einflussgrößen auf den Entscheidungswert von Investoren396

Gerade der Markteintritt zahlreicher (internationaler) Venture-Capital- und PrivateEquity-Gesellschaften als Finanzinvestoren sorgte in Kombination mit einer stark ansteigenden Summe an Bruttoinvestitionen in Portfoliounternehmen und Zuflüssen zu Beteiligungsfonds wiederum für eine zusätzliche Nachfrage nach Investitionsmöglichkeiten und schaffte eine zusätzliche Marktliquidität.397 Selten werden Unternehmen in der Lage sein, Corporate-Restructuring-Maßnahmen ohne Inanspruchnahme professioneller Hilfe und Unterstützung durch Intermediäre, wie beispielsweise Investmentbanken, durchzuführen.398 Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Restrukturierungsmaßnahme einen wesentlichen Teil der Obergesellschaft betrifft oder es sich um eine länderübergreifende Transaktion handelt, welche Expertenwissen im Bereich des ausländischen Rechts verlangt.399 Auch wenn eine Restrukturierungsmaßnahme über den Kapitalmarkt erfolgen soll, ist das Einschalten einer Investmentbank sehr oft von Vorteil, nicht zuletzt um potenzielle

396

Eigene Darstellung.

397

Vgl. hierzu Deloitte & Touche (2002), S. 1 sowie die Ausführungen in Kap. 3.3.7.

398

Zur Rolle von Investmentbanken in einem System der Finanzintermediation, vgl. Achleitner (2002), S. 23 ff. Zur Rolle von Investmentbanken im Restrukturierungsprozess von Unternehmen, vgl. Achleitner (2002), S. 386 ff.

399

In der Praxis werden in diesem Fall neben Investmentbanken im Regelfall auch Anwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Unternehmensberatungen an der Planung und Durchführung einer Corporate-Restructuring-Maßnahme beteiligt sein.

134

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Investoren bereits im Vorfeld einer Corporate-Restructuring-Maßnahme zu ermitteln und anzusprechen.400 Es kann davon ausgegangen werden, dass gerade der Eintritt ausländischer Investmentbanken zu einer Professionalisierung des M&A-Marktes geführt hat und die Restrukturierung deutscher Unternehmen durch innovative Konzepte des Corporate Restructuring erleichtert hat.401 Nicht zuletzt hat die Professionalisierung der europäischen Kapitalmärkte dazu geführt, dass neben internationalen Investmenthäusern auch andere institutionelle Anleger aus dem Ausland ein zunehmendes Interesse an deutschen Unternehmen als Investitionsobjekten finden. Längst verhalten sich Investmentbanken nicht mehr als passiver Auftragnehmer der Unternehmen, sondern schaffen aktiv ein Angebot an und eine Nachfrage nach Unternehmen und sorgen zugleich als Vermittler und „Katalysatoren“ für Ausgleich von Angebot und Nachfrage, indem sie auch ohne explizites Mandat detaillierte Restrukturierungspläne für Konzerngesellschaften ausarbeiten und diesen die strategischen Vorteile einer Corporate-Restructuring-Maßnahme aufzeigen. Gleichzeitig wenden sie sich an Unternehmen mit strategischen Alternativen durch Verschmelzung mit anderen Unternehmen und Akquisition von anderen Gesellschaften und Unternehmensteilen.402 Mit Unterstützung durch Private-Equity-Fonds können im Rahmen einer Buy-andBuild-Strategie Unternehmen durch Investmentbanken sogar auf eigene Rechnung erworben und restrukturiert werden und die einzelnen Unternehmensteile anschließend mit anderen Unternehmen oder Unternehmensteilen in neuen Gesellschaften kombiniert werden.403

400

Da die Tätigkeiten seitens der Investmentbanken im Bereich Corporate Restructuring ähnlich oder sogar gleich jenen im Bereich Mergers & Acquisitions sind, verzichten die meisten Banken auf eine eigenständige Corporate-Restructuring-Abteilung und siedeln dieses Geschäftsfeld intern bei spezialisierten Teams im Bereich Mergers & Acquisitions an. Zur Rolle von Investmentbanken innerhalb von M&A-Mandaten, vgl. Achleitner (2002), S. 152 ff.

401

Vgl. Müller-Stewens/Schäfer (1997), S. 31.

402

Sadtler/Campbell/Koch (1997), S. 59, sehen in diesem Zusammenhang die grundsätzliche Gefahr, dass Corporate-Restructuring-Transaktionen, mit Unterstützung der Investmentbanken und in Kombination mit einer „Herdenmentalität“ unter Managern, lediglich zu einer Modeerscheinung (ähnlich der Leveraged Buy-outs der achtziger Jahre) werden könnten.

403

Zu diesem so genannten Principal Investment, vgl. Achleitner (2002), S. 717 ff.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring 5.3.2

135

Marktbeschaffenheit

Neben den Teilnehmern eines Marktes hat die Beschaffenheit des Marktes einen entscheidenden Einfluss auf die Konzeption und Durchführung von CorporateRestructuring-Maßnahmen. Unter der Beschaffenheit eines Marktes sind Strukturen und Elemente sowie Ausprägungsformen zu verstehen, die kennzeichnend für den betrachteten Markt sind. Für den im Zentrum der vorliegenden Untersuchung stehenden Kapitalmarkt sind dies in erster Linie die zugrunde liegende Corporate-Governance-Struktur von Unternehmen, der Institutionalisierung eines Marktes für Unternehmenskontrolle, der Umfang an Blockholdings und Pensionsfonds sowie die Art und Weise der Kommunikation mit der Financial Community. Diese Strukturen und Elemente werden im Folgenden detailliert betrachtet. 5.3.2.1 Corporate Governance

Für den angelsächsischen Begriff der Corporate Governance gibt es noch kein allgemein akzeptiertes deutsches Äquivalent.404 Weder der Sachverhalt der optimalen Gestaltung institutionaler Rahmenbedingungen noch der Begriff der Unternehmensverfassung405 konkret erfassen sämtliche Aspekte der Corporate-Governance-Diskussion. Im Allgemeinen versteht man unter der Corporate-Governance-Struktur eines Unternehmens (teilweise auch als Corporate-Control-Struktur bezeichnet) die Herrschaftsoder Verwaltungsstruktur eines Unternehmens, oder kurz die Unternehmenskontrollstruktur beim Zusammenspiel von Eigentümern, Managern und Arbeitnehmern. Allen, zum Teil sehr divergierenden Definitionen des Begriffs Corporate Governance gemein ist, dass sich eine effektive und effiziente Unternehmenskontrollstruktur dadurch auszeichnet, dass es dem Management eines Unternehmens unmöglich sein sollte, seine persönlichen Ziele den Zielen des Gesamtunternehmens und dessen Anteilseigner überzuordnen.406

404

Zu den US-amerikanischen Ursprüngen der Corporate-Governance-Definition sowie den verschiedenen Übersetzungen und Definitionen in deutschen Sprachgebrauch, vgl. Bassen (2002), S. 19 f.

405

Zum Begriff der Unternehmensverfassung, vgl. ausführlich Knobling (1996).

406

Vgl. u.a. Reinholz (1997), S. 9 ff. Zu einer ausführlichen Diskussion der Definition und des Inhalts des Corporate-Governance-Begriffs, insbesondere unter Berücksichtigung der Rolle der Banken in diesem Zusammenhang, vgl. Früh (1999), S. 11 ff.

136

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Prägend für die Corporate-Governance-Struktur in einem Unternehmen im Sinne der Corporate-Governance-Idee sind alle Sachverhalte, Verhaltensrichtlinien und Regeln inklusive deren Durchsetzungsinstrumente (interne und externe Kontroll- und Überwachungsmechanismen) für die Leitung und Kontrolle von Unternehmen sowie der Art, wie in einem Unternehmen Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden.407 Neben konkreten Verträgen408, Überwachungs- und Durchsetzungssystemen in Unternehmen ist die Corporate-Governance-Struktur eines Unternehmens insbesondere durch die institutionellen Rahmenbedingungen409 und nicht unwesentlich durch die informellen Sitten und Gebräuche, den Normen und Traditionen des Landes, in dem das Unternehmen seinen Ursprung hat, gekennzeichnet. Nach dem BERLINER INITIATIVKREIS GERMAN CODE OF CORPORATE GOVERNANCE bezeichnet der Ausdruck Corporate Governance grundsätzlich und umfassend den „rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens.“410 Die Diskussion um die verschiedenen Instanzen der Unternehmensführung endet damit nicht bei der grundsätzlichen Unterscheidung in einund zweistufige Systeme. Bei der Analyse der Übertragbarkeit der US-amerikanischen Restrukturierungsinstrumente ist es von großer Bedeutung, zu berücksichtigen, ob die Restrukturierungsentscheidungen wie in den USA in einem One-Tier Board (Board of Directors) oder wie in Deutschland durch ein Two-Tier Board (Vorstand und Aufsichtsrat) getroffen werden.411 Da Corporate-Restructuring-Maßnahmen in einer Großzahl der Fälle tief greifende Einschnitte in die Struktur von Unternehmen bedeuten, spielt die GovernanceStruktur eines Unternehmens im Rahmen des Entscheidungsfindungsprozesses eine große Rolle. Hierbei sind auf der einen Seite die Interessen der renditeorientierten Investoren, in erster Linie die der institutionellen Investoren, zu berücksichtigen, und auf der anderen Seite die Durchsetzung dieser Interessen durch das Management des Unternehmens, das heißt die Erschließung von Wertpotenzialen im Unternehmen

407

Vgl. Wentges (2001), S. 1109; Zugehör (2001a), S. 38.

408

Zu konkreten Verträgen in Unternehmen zählen bspw. Arbeitsverträge oder Kreditverträge.

409

Zu einer Bewertung der Bedeutung der gesetzlich fixierten Corporate Governance am Beispiel von Enron, vgl. Ribstein (2002).

410

Berliner Initiativkreis German Code of Corporate Governance (2001), S. 4.

411

Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kap. 5.4.5. Zu ausführlichen Darstellungen und Diskussionen des dualistischen Systems der Unternehmensführung, vgl. Hopt (1997).

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

137

durch geeignete Corporate-Restructuring-Maßnahmen. Hierbei kommt es zu den bekannten Agency-theoretischen Problemen des Auseinanderfallens von Eigentum und Führung.412 Prinzipiell lassen sich drei idealtypische Systeme der Unternehmenskontrolle unterscheiden, welche sich hinsichtlich der Zusammensetzung und Gewichtung der einzelnen Instrumente und Mechanismen unterscheiden und vor allem die unterschiedlichen Beteiligungsverhältnisse der Marktteilnehmer in den einzelnen Ländern widerspiegeln:413 1. Investor Centered Monitoring414, welches überwiegend marktmäßige Mechanismen zur Strukturierung der Unternehmenskontrolle einsetzt, da aufgrund einer atomistischen Aktionärsstruktur institutionalisierte Kontrollinstrumente nur beschränkt eingesetzt werden können. Die USA gelten als Beispiel für Länder, die dieses gesellschaftsorientierte Modell einsetzen. Die Durchsetzung und Durchführung unternehmenswertsteigernder CorporateRestructuring-Maßnahmen durch ein wertorientiertes, durch Marktdisziplin geprägtes Unternehmensmanagement ist in diesem Umfeld relativ unkompliziert. 2. Bank Centered Monitoring, welches die Banken als zentrale Kontrollinstanzen der Corporate-Governance-Struktur annimmt. Deutschland gilt als Idealbeispiel für dieses unternehmensorientierte Modell, da die deutschen Banken nicht nur die Funktion von Fremdkapitalgebern und direkten Investoren ausüben, sondern als Fondsanbieter große Summen verwalten und dementsprechende Stimmrechte bzw. Aufsichtsratsmandate besitzen. Dadurch ergibt sich - bei gegebener Unternehmenswertorientierung der Banken - das Potenzial

412

Zu einer Darstellung der Principal-Agent-Theorie und den Problemen einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Prinzipal und Agenten, vgl. Hartmann-Wendels (1989).

413

Die folgende Systematisierung orientiert sich an den Ausführungen bei Reinholz (1997), S. 43 ff. Eine vergleichbare Differenzierung findet sich bei Früh (1997), der in marktorientierte, bankenorientierte und institutionenorientierte Corporate-Governance-Systeme unterscheidet.

414

Holmstrom/Kaplan (2001) sprechen hierbei von einem Market-based System of Corporate Governance.

138

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring einer unkomplizierten und raschen Durchführung zahlreicher CorporateRestructuring-Maßnahmen.415

3. Exchange Centered Monitoring, welches die Kreuzbeteiligungen und Austauschbeziehungen (Dienstleistungen, Kapitalverflechtungen) zwischen Unternehmen (nicht in erster Linie zwischen Banken und Unternehmen) als disziplinierende Kontrollinstrumente sieht. Das japanische Keiretsu-System dient hier als idealtypisches Beispiel. Die Schaffung von Kreuzbeteiligungen und Austauschbeziehungen stellt einen Prozess dar, welcher derPrämisse der Fokussierung und Konzentration, unter der Corporate-Restructuring-Maßnahmen durchgeführt werden, widerspricht. Entgegen den Erwartungen hat die Vereinigung großer Eigentumsanteile an Unternehmen durch Banken bei gleichzeitiger Konzentration großer Stimmrechtsanteile416 bisher jedoch nicht zu einer gesteigerten Corporate-Restructuring-Aktivität in Deutschland geführt. Mittelfristig wird sich in Deutschland durch die Entflechtung des Beteiligungsgeflechts deutscher Unternehmen und Finanzdienstleister ein stärker an den internationalen Kapitalmärkten orientiertes System der Corporate-Governance herausbilden.417 WÓJCIK kann diese Entwicklung hin zu einem angloamerikanischen System der Corporate Governance in Deutschland empirisch belegen, weist jedoch auf einzelne Aspekte und Bereiche (Regionen, Unternehmensty-

415

Gibbs (1992), S. 17, geht prinzipiell davon aus, dass das Vorhandensein eines Großaktionärs (Blockholder) einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der Corporate-Governance-Struktur in Unternehmen leisten kann, der - unter der Prämisse eines gegebenen primären Interesses an einer Steigerung des Unternehmenswerts und konsequenter Verfolgung eines ShareholderValue-Ansatzes - aufgrund einer Stimmrechtsmehrheit bzw. des Besitzes eines bedeutenden Teils der Stimmrechte seine Interessen aktiv durchsetzen kann. Vgl. hierzu auch die Ausführung in Kap. 5.3.2.3, die insbesondere für Deutschland belegen, das dies nicht zwingend der Fall sein muss.

416

Diese Erwartungen waren in erster Linie in der Annahme begründet, dass die Kreditinstitute als Finanzinvestoren einer konsequenten Strategie der Unternehmenswertsteigerung folgen und diese auch von den Unternehmen, an denen sie beteiligt sind, einfordern bzw. bei diesen durchzusetzen versuchen werden.

417

DB Research (2001), S. 3. Hierzu trägt nicht zuletzt die Professionalisierung des nationalen Kapitalmarkts sowie eine vorteilhaftere steuerliche Situation bei. Vgl. Hierzu Kap. 5.3.2.2 sowie 5.4.2.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

139

pen, Unternehmensalter etc.) hin, welche dieser Transformation bisher widerstehen.418 Es ist eine Tendenz zu beobachten, dass das deutsche Governance-System des Bank Centered Monitoring langsam Elemente des US-amerikanischen Systems übernimmt, das den Investor in den Vordergrund stellt.419 Aufbauend auf der Annahme, dass Märkte die effizienteste Form der Allokation von Kontrollrechten bewirken können, bedeutet dies abstrahierend, dass die Corporate-Governance-Strukturen in Unternehmen durch marktorientierte Mechanismen dominiert werden.420 Man spricht daher auch von dem Markt für Unternehmenskontrolle als Disziplinierungsmechanismus im Sinne der Corporate Governance. 5.3.2.2 Markt für Unternehmenskontrolle

CAPELLE-KRONIJNENBERG weist darauf hin, dass die Struktur eines Unternehmens untrennbar mit dem Unternehmensziel verbunden ist, welches wiederum das Ergebnis eines Abwägungsprozesses der Interessen der verschiedenen Stakeholdergruppen eines Unternehmens ist. Ist das Management eines Unternehmens jedoch nicht in der Lage, die Struktur eines Unternehmens den sich ständig verändernden Umweltbedingungen und Stakeholderinteressen anzupassen, werden die unternehmensinternen Kontroll- und Entscheidungsrechte (wie zum Beispiel durch den Aufsichtsrat, den Betriebsrat oder institutionellen Investoren mit Vorstandssitzen) durch externe Kontrollmechanismen (wie zum Beispiel die Marktnachfrage, die Kapitalmärkte oder den Arbeitsmarkt) substituiert, so CAPPELLE-KONIJNENBERG.421 Wird zum Zeitpunkt des strukturellen Status quo die Notwendigkeit der Restrukturierung vom Management des Unternehmens nicht erkannt und daher die notwendigen Maßnahmen nicht eingeleitet, besteht die Gefahr, dass im Zeitablauf eine zunächst mögliche, intrinsisch

418

Vgl. Wójcik (2001).

419

Vgl. hierzu ausführlich Jürgens/Rupp (2002).

420

Es ist in diesem Zusammenhang die Frage zu stellen, inwieweit die Corporate Governance von Unternehmen neben marktorientierten Mechanismen durch gesetzliche Regelungen und Vorschriften ergänzt werden muss. Bei einer Analyse der Enron Insolvenz in den USA 2001/2002 kommt RIBSTEIN zu dem Ergebnis, dass ein gewisser Grad an Regulierung notwendig ist, eine Überregulierung jedoch mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist. Angesichts der Tatsache, dass Märkte sehr viel schneller reagieren als Gesetzgeber, und dass „Defrauders“ (Betrüger) diesen ohnehin immer einen Schritt voraus seien, sei eine stärkere gesetzliche Regulierung der Corporate Governance nicht von Nöten. Vgl. hierzu Ribstein (2002), S. 68 f.

421

Vgl. Cappelle-Konijnenberg (1995), S. 16 und S. 34.

140

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

motivierte Restrukturierungsmaßnahme, durch externe Faktoren extrinsisch motiviert wird, und im Extremfall sogar zu einer Situation führen kann, in der eine Restrukturierungsmaßnahme durch Dritte (rechtliche Kontrollinstanzen) vorgeschrieben wird. Der Grundgedanke eines Marktes für Unternehmenskontrolle422 umfasst zwei wesentliche Aspekte: Zum einen soll die Organisationsform des Marktes genutzt werden, unkompliziert und effizient den Handel mit Rechten an Unternehmen (Eigentumsrechte, Verfügungsrechte, Stimmrechte etc.) zu ermöglichen. Zum anderen wird angenommen, dass der externe Kapitalmarkt eine disziplinierende Wirkung auf das Management eines Unternehmens ausüben kann, da auf effizienten Märkten schlecht geführte Unternehmen niedrig bewertet werden und damit als Übernahmeobjekt gelten (Threat of Takeover).423 Der Markt für Unternehmenskontrolle in den USA gilt aufgrund der langen Tradition von (feindlichen) Unternehmensübernahmen und der hohen Zahl an M&A-Transaktionen als etablierter und effizienter als jene in Kontinentaleuropa. Feindliche Übernahmen galten in Deutschland lange Zeit als nur schwer vermittelbar und durchführbar und fanden erst mit der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone ihr Exempel.424 Für JÜRGENS/RUPP stellt diese Übernahme eines etablierten DAX-30-Unternehmens durch ein ausländisches Unternehmen jedoch nicht ein „big bang event for shareholder value capitalism“ dar, sondern bedeuten viel mehr einen weiteren Baustein hin zu einer Shareholder-Value-Gesellschaft.425 Jede M&A-Transaktion, das heißt jeder Kauf, Verkauf und jede Verschmelzung von Unternehmen und Unternehmensteilen, bedeutet einen Übergang von Rechten an Unternehmen von einem Eigentümer an einen neuen Eigentümer. Dabei ist es unabhängig, ob es sich um einen organisierten, formalen Kapitalmarkt, wie zum Beispiel

422

Vgl. zu einem Market for Corporate Control allgemein Copeland/Koller/Murrin (2000), S. 4 ff.; Achleitner (2002), S. 141 ff. Zu dem Zusammenhang zwischen einem Market for Corporate Control und der Corporate-Governance-Struktur von Unternehmen, vgl. Holmstrom/Kaplan (2001).

423

Vgl. Früh (1999), S. 53. Dem Konzept eines Marktes für Unternehmenskontrolle wird allerdings gelegentlich vorgeworfen, er konzentriere sich ausschließlich auf das Instrument der Gefahr einer Übernahme eines Unternehmens im Rahmen einer M&A-Transaktion als disziplinierender Mechanismus und vernachlässige weitere, bedeutende Wirkungsmechanismen.

424

Tatsächlich fusionierten die beiden Unternehmen Vodafone und Mannesmann kurz vor Ablauf der Frist, bis zu dieser das Übernahmeangebot als freundlich anzustufen war. Vgl. hierzu Achleitner (2002), S. 214.

425

Jürgens/Rupp (2002), S. 56.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

141

eine Börse, oder um einen informellen Kapitalmarkt handelt. Historisch gesehen stieg und fiel die Zahl der Corporate-Restructuring-Maßnahmen mit der Gesamtzahl der M&A-Transaktionen,426 wobei dem Corporate Restructuring jedoch erst in der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts im Rahmen der unternehmenswertmaximierenden Portfoliooptimierung eine strategische Bedeutung zugemessen wurde. Die absolute Zahl der M&A-Transaktion und damit implizit der Unternehmensrestrukturierungen ist seit jeher abhängig vom ökonomischen Umfeld und den gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Zeit und des Ortes.427 Der europäische M&A-Markt folgte den zyklischen Bewegungen des dominierenden US-amerikanischen Marktes, wenn auch mit gewissen Verzögerungen.428 Insgesamt gesehen blieb Europa jedoch immer hinter den USA zurück. Deutschland nahm in den neunziger Jahren in Folge der deutschen Wiedervereinigung eine besondere Stellung ein. Die neu geschaffene Treuhandanstalt erhielt die Aufgabe, Zehntausende ehemals volkseigne Betriebe der DDR zu privatisieren und ökonomisch zu verwerten (nach Möglichkeit durch einen Verkauf), wodurch sich ein organisierter und institutionalisierter Markt für Unternehmen etablieren konnte und Unternehmensverschmelzungen und -akquisitionen als ökonomische Entscheidungen gesamtgesellschaftlich akzeptiert wurden. Im Hinblick auf die Gesamtzahl der M&A-Transaktionen in Deutschland sehen MÜLLER-STEWENS/SCHÄFER rückblickend den Markt für Unternehmenskontrolle jedoch als einen „schlafenden Giganten“, dem zwar das größte Potenzial aller Märkte in Europa zugesprochen worden war, der jedoch aufgrund eines unterentwickelten Kapitalmarkts und der konservativen Einstellung der Banken als Anteilseigner in seiner vollen Entfaltung gehindert wurde.429 Erst durch die „Invasion“ angelsächsischer Investmentbanken sei es zu einer Belebung des Marktes gekommen, die zu einer Professionalisierung des Marktes für Unternehmenskontrolle geführt habe und

426

Zu M&A-Aktivitäten als zyklisches Phänomen, vgl. Picot (2002), S. 8 ff.

427

Vgl. z.B. Chang (1996), der Akquisitionen und Desinvestitionen nicht als unabhängige Transaktionen begreift, sondern (Markt-)Eintritt und (Markt-)Austritt theoretisch jeweils als eine Einheit im Lernprozess der Gesellschaft sieht, durch die das Wachstum eines Unternehmens vor dem Hintergrund eines sich verändernden ökonomischen Umfelds erklärt werden kann. Vgl. hierzu auch The Seven Change Forces, die Weston/Siu/Johnson (2001), S. 4, als treibende Faktoren des M&A-Geschäfts begreifen.

428

Vgl. Achleitner (2002), S. 148.

429

Vgl. Müller-Stewens/Schäfer (1997), S. 30.

142

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

gleichzeitig die Restrukturierung zahlreicher Unternehmen gefördert habe, so MÜLLER-STEWENS/SCHÄFER. Insgesamt gesehen ist zu erwarten, dass in Deutschland zukünftig die Kontrollfunktion der Kapitalmärkte bzw. der Kapitalmarktteilnehmer tendenziell gestärkt werden wird.430 Die Zahl feindlicher Übernahmeversuche wird tendenziell in den nächsten Jahren zunehmen, da Unternehmen aufgrund gesetzlicher Regelungen auf der einen Seite und der Verpflichtung zu einer konsequenten wertorientierten Unternehmensstrategie auf der anderen Seite in ihren Handlungsalternativen zur Abwehr eingeschränkt sind.431 Ebenfalls wird es angesichts der zunehmenden Zahl an betriebswirtschaftlich begründeten strategischen Transaktionen auf den Kapitalmärkten in Zukunft nur schwer möglich sein, die Ablehnung eines Übernahmeangebots glaubhaft zu begründen. Ein Ergebnis dieser Entwicklung wird eine erhöhte Effizienz der deutschen Corporate Governance sein, welche ihrerseits dazu beitragen wird, die Kontrolllücke, die durch den Rückzug alter Großaktionäre bei der Lockerung des Beteiligungsgeflechts der Deutschland AG432 geschaffen wurde, zu schließen. 5.3.2.3 Blockholding und Pensionsfonds

Empirische Studien belegen, dass Desinvestitionsentscheidungen in Unternehmen wesentlich von der Machtverteilung und der Eigentümerstruktur in dem Unternehmen abhängig sind.433 Hierbei wird in der Theorie von der grundsätzlichen Annahme ausgegangen, dass Eigentümer mit großen Unternehmensanteilen im Regelfall mehr Einfluss auf Entscheidungen in einem Unternehmen ausüben können als viele Shareholder mit jeweils relativ kleinen Unternehmensanteilen. Der Zusammenhang zwischen der Größe des Stimmrechtsanteils und den Möglichkeiten der Einflussnahme ist insbesondere vor dem Hintergrund gesetzlich fixierter

430

Vgl. DB Research (2001), S. 3. Ribstein (2002) weist darauf hin, dass aber auch Märkte als Disziplinierungsmechanismus versagen können, wie bspw. der Fall von Enron in den USA gezeigt hat, solange diese nicht vollkommen sind.

431

Vgl. Achleitner (2002), S. 214.

432

Die Entflechtung der Deutschland AG zeigt sich nicht zuletzt auch in dem Rückzug der Deutschen Bank AG, dem oftmals größten Einzelaktionär bei zahlreichen Industrieunternehmen, aus zahlreichen Aufsichtsratsmandaten in den vergangenen drei Jahren. Zu einer Erörterung des Phänomens Deutschland AG sowie Beispielen der Verflechtung, vgl. Beyer (2002).

433

Vgl. Weiher (1996), S. 134. Zu einem internationalen Vergleich der Eigentümerstrukturen in Unternehmen, vgl. La Porta/Lopez-de-Silanes/Shleifer (1999).

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

143

Rechte gegeben, die durch die Höhe des Anteils bestimmt sind. Bedeutende Schwellenwerte bei Stimmrechtsanteilen, die ein Investor in Deutschland auf sich vereinen kann, sind die 10%-Schwelle, bei welcher der Investor Mitglieder des Vorstands gerichtlich belangen kann, die 25%-Sperrminorität, die 50%-Mehrheitsschwelle, bei deren Überschreiten ein Investor Mitglieder des Vorstandes berufen und entlassen kann und die 75%-Mehrheit, mit der ein Investor die Statuten der Unternehmensverfassung ändern kann und bei deren Überschreiten die Veto-Rechte anderer Minderheitsaktionäre bedeutungslos sind. Mit In-Kraft-Treten des WpÜG am 1. Januar 2002 ist ein Aktionär verpflichtet, dem Wertpapier-Aufsichtsamt Meldung zu erstatten, sobald er die Schwelle von 5%, 10%, 25%, 50% oder 75% der Stammaktien über- oder unterschreitet. Eine hohe Anteilskonzentration bei wenigen Shareholdern führe zu einer Dominanz der Interessen dieser Anteilseigner gegenüber jenen von Kleinaktionären und anderen Stakeholdern bei der Festlegung der Unternehmenspolitik, so die Annahme.434 Ein aktives Portfoliomanagement auf Unternehmensebene wird in diesem Fall auf die Realisierung kooperativer Synergien zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen ausgerichtet sein und strategisch unbedeutende, unverbundene Geschäftseinheiten zur Disposition stellen, das heißt, es wird eine aktive Portfoliooptimierungsstrategie im Sinne der Corporate-Restructuring-Idee verfolgt. Im Gegensatz dazu führe eine starke Diffusion der Shareholderanteile zu einer Dominanz der Interessen des Managements, da die Koordination und Artikulation der Shareholderinteressen aufgrund der fragmentierten Eigentümerstruktur relativ aufwendig ist. Bei einer Dominanz des Managements werde das Ziel des strategischen Portfoliomanagements die Sicherung des persönlichen Arbeitsplatzes durch konstante Einnahmen und Ausgleich des Risikos, resultierend aus der Diversifikation in nicht-verwandte Geschäftsfelder, sein. Eine solche Unternehmensstrategie wir in der Regel zulasten der Interessen der Anteilseigner erfolgen. LA PORTA/LOPEZ-DE-SILANES/SHLEIFER weisen darauf hin, dass eine konzentrierte Eigentümerstruktur folgenreich für die Anteilseigner sein kann und es vom Einzelfall abhängt, ob diese Konzentration von Rechten mit Vorteilen oder Nachteilen für das betreffende Unternehmen verbunden ist.435 Einerseits würden sich Großaktionäre (Controlling Shareholders) in der Regel für eine wirtschaftlich erfolgreiche, Share-

434

Vgl. Weiher (1996), S. 134.

435

Vgl. La Porta/Lopez-de-Silanes/Shleifer (1999), S. 511.

144

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

holder-Value-steigernde Unternehmensentwicklung einsetzen. Andererseits besteht die Gefahr, dass die Blockholder ihre eigenen Interessen durchzusetzen versuchen werden, die nicht zwangsläufig mit jenen der Minderheits- und Kleinaktionäre übereinstimmen müssen. Im Extremfall können diese Blockholder das Interesse und die Macht haben, eine dezidierte Unternehmensverschiebung von den Minderheitsaktionären zu sich selbst einzuleiten und damit eine Expropriation dieser bewirken.436 Empirisch konnte ein generell positiver Einfluss der Kontrolle durch Groß- und Mehrheitsaktionäre auf den Shareholder Value bei Desinvestitionen nicht belegt werden.437 Lediglich das Vorhandensein mehrerer Großaktionäre wird hier als positiver, disziplinierender Einflussfaktor auf wertsteigernde Desinvestitionen gesehen.438 Interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch die empirische Untersuchung von ZUGEHÖR, der - ausgehend von der Prämisse einer grundsätzlich höheren Renditeforderung von Fondsmanagern als bei anderen Blockholdern (Staat, Banken, andere Unternehmen) - die institutionellen Investoren Versicherungen, Pensionsfonds und Investmentfonds als treibende Kraft des Corporate Restructuring identifizieren konnte.439 Dieses Argument stärken MÜLLER-STEWENS/SCHÄFER und führen die verminderte Dynamik des deutschen M&A-Marktes und die geringe Zahl der Restrukturierungsmaßnahmen nicht zuletzt auf die besondere Rolle konservativ eingestellter, langfristig orientierter Banken auf dem Beteiligungsmarkt zurück.440 Die Vereinigung von bedeutenden Eigentums- und/oder Stimmrechten auf einen Investor (Blockholding) ist in Europa wesentlich deutlicher ausgeprägt als in den USA. In einem Vergleich europäischer Länder mit den USA haben BECHT/ROELL festgestellt, dass in zahlreichen europäischen Ländern die Vereinigung von mehr als 50% der Stimmrechte auf einen einzelnen Investor (Blockholder) nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall ist.441 In den USA hingegen konnten die jeweils größten

436

Zur Interessendivergenz von Groß- und Kleinaktionären, vgl. La Porta/Lopez-de-Silanes/Shleifer (1999), S. 511 ff. Auch Hillebrandt (2001), S. 720, geht bei den „in Deutschland gängigen Eigenkapitalpyramiden“ von besonderen Möglichkeiten der Eigennutzorientierung des kontrollierenden Aktionärs aus.

437

Vgl. Löffler (2001), S. 172, für deutsche Unternehmen.

438

Vgl. Löffler (2001), S. 180.

439

Vgl. Zugehör (2001a), S. 38 ff.

440

Vgl. Müller-Stewens/Schäfer (1997), S. 30.

441

Vgl. Becht/Roell (1999), S. 1051. Köke (2001) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis und ermittelte einen durchschnittlichen Anteil von knapp 56% beim jeweils größten Anteilseigner einer

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

145

Anteilseigner der einzelnen Unternehmen in über der Hälfte der Fälle nicht mehr als 5% der Stimmrechte auf sich vereinen, was in Deutschland nahezu nie der Fall war.442 In Deutschland lag der Median der Blockholdings bei den betrachteten Unternehmen bei über 52% der Stimmrechte.443 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt PROWSE, der bei den jeweils größten Anteilseignern in den USA und Deutschland durchschnittlich einen gemeinsamen Anteil an den Unternehmen von 23% bzw. fast 50% am gesamten ausstehenden Kapital ermitteln konnte.444 Die gegenüber den USA hohe Konzentration der Stimm- und Eigentumsrechte an Kapitalgesellschaften in Deutschland ist in erster Linie auf die Tatsache zurückzuführen, dass in der Aufbauphase nach dem zweiten Weltkrieg ein Großteil der ausgegebenen Kredite in Eigenkapitalbeteiligungen umgewandelt wurde, da eine Rückzahlung derselben zahlreiche Unternehmen vor Probleme stellte.445 Neben Kreditinstituten (und auch dem Staat) als Großaktionäre von Unternehmen sind in Deutschland vor allem auch dort Großaktionäre vorzufinden, wo der Familienbesitz sehr hoch ist. So beträgt der Familienbesitz bei der Henkel KGaA ca. 32%, bei der BMW AG fast 47% und bei der Altana AG sogar über 50%.446 HILLEBRANDT ist der Meinung, dass es angesichts einer zunehmenden Konzentration des Eigenkapitals bei einzelnen Großaktionären, bei gleichzeitig zunehmender Bereitschaft von

börsennotierten Aktiengesellschaft in Deutschland. Bei nicht-notierten Aktiengesellschaften lag der durchschnittliche Anteil bei knapp 83% und bei GmbHs sogar bei über 88%. 442

Karsch (2002) konnte lediglich drei DAX-30-Unternehmen ermitteln, bei denen kein (Groß-)Aktionär mehr als 5% des Stammkapitals hält (Deutsche Bank, Adidas-Salomon und Schering). Zu einem ähnlichen, wenn auch nicht vollständig deckungsgleichen Ergebnis kommen La Porta/Lopez-de-Silanes/Shleifer (1999), die bei einem Vergleich der Eigentumsstrukturen der größten Publikumsgesellschaften in 27 Ländern der Welt herausgearbeitet haben, dass relativ wenige Unternehmen einen breiten Streubesitzanteil ausweisen können. Lediglich in Ländern, in denen Anteilseigner bedeutende Schutzrechte besitzen (wie bspw. in den USA), sei ein höherer Streubesitzanteil vorzufinden.

443

Anzumerken ist allerdings, dass bei den Unternehmen des DAX 30 der Median der Blockholdings bei lediglich 11% der Stimmrechte lag. Dies ist jedoch auch darauf zurück zu führen, dass eine der Voraussetzungen für die Aufnahme in den DAX 30 eine Mindeststreuung der Anteile ist. Vgl. hierzu Becht/Roell (1999), S. 1052.

444

Vgl. Prowse (1997), S.9.

445

Vgl. Hillebrandt (2001), S. 714.

446

Vgl. Karsch (2002), S. 821.

146

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Individualinvestoren in Aktien zu investieren, nahezu unmöglich ist eine Voraussage zu treffen, ob Deutschland „in seinen traditionellen Strukturen verharren wird“ oder sich hin zu einer angloamerikanischen Streubesitzkultur entwickeln wird.447 Bei den genannten Zahlen darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich hierbei um eine Momentaufnahme der Aktionärsstruktur handelt. Die Annahme einer konstanten Struktur muss jedoch nicht unbedingt korrekt sein. Zahlreiche Faktoren448 können sich förderlich oder hinderlich für die Streuung oder Konzentration von Stimmrechten in Unternehmen auswirken und als Konsequenz die Corporate-Governance-Struktur eines Unternehmens mit beeinflussen. KÖKE konnte empirisch einen deutlichen Konzentrationstrend bei börsennotierten Aktiengesellschaften in Deutschland zwischen 1993 und 1997 feststellen, bei dem bei über 47% der betrachteten Unternehmen die Konzentration der Stimmrechte zunahm.449 Es hier hierbei auch die Frage zu stellen, inwieweit sich die verschiedenen institutionellen Investorengruppen (insbesondere Banken und Versicherungen) voneinander unterscheiden: Beispielsweise ist es durchaus möglich, dass Banken ihre Industriebeteiligungen in Zukunft aus Entflechtungs- und Risikoverminderungsgründen vermehrt desinvestieren werden,450 während Versicherung angesichts zunehmender Prämien und Beiträgen aus Produkten der privaten Altersvorsorge zukünftig weitere Investitionen in Unternehmen tätigen werden. Das Halten größerer Aktienpakete an Unternehmen verhilft Kreditinstituten nicht selten zu einem Sitz im Vorstand oder Aufsichtsrat des betreffenden Unternehmens. Gleichzeitig können Banken in Deutschland vor allem durch ihr Depotstimmrecht,

447

Hillebrandt (2001), S. 714. Hierzu trägt auch die bereits erwähnte Korrelation der Bereitschaft der Individualinvestoren in Aktien zu investieren mit der jeweils aktuellen Börsenstimmung bei. Vgl. hierzu Fn. 370.

448

Vgl. hierzu die nicht vollständige Aufzählung bei Köke (2001), S. 258, der insbesondere institutionelle Investoren, Deregulierung, Unternehmensnachfolgeregelung, internationalem Wettbewerb und Fokussierung als bedeutende Einflussfaktoren der Entwicklung der Aktionärsstruktur im Zeitablauf sieht.

449

Vgl. Köke (2001), S. 273. Wójcik (2001) kommt bei einer Analyse der Entwicklung der Eigentümerstruktur in dem sich der Untersuchung von KÖKE anschließenden Zeitraum von 1997 bis 2001 zu dem Ergebnis, dass sich in diesem Zeitraum die Eigentümerkonzentration wesentlich reduziert hat, Kreuzbeteiligungen reduziert wurden und Banken ihre dominierende Eigentümerstellung verloren haben. Allerdings habe sich diese Entwicklung nicht bei allen Unternehmen widergespiegelt: Gerade etablierte, lang notierte Unternehmen behielten ihre hohe Eigentümerkonzentration bei.

450

Vgl. Wójcik (2001), S. 22.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

147

das heißt der Bündelung der Stimmrechte der Kleinaktionäre eines Unternehmens, im Rahmen der Möglichkeiten der Hauptversammlung das Unternehmensmanagement kontrollieren und Einfluss auf Entscheidungen des Vorstands nehmen. In Deutschland werden mehr als 50% der Stimmrechte börsennotierter Unternehmen durch die Depotstimmrechte der Depotbanken ausgeübt, was diese bei anzunehmender Interessenkongruenz zur entscheidenden Partei bei der Kontrolle von Unternehmen werden lässt.451 Der Anteil institutioneller Anleger als bedeutendste Blockholder am Eigenkapital deutscher Unternehmen steigt seit Mitte der neunziger Jahre mit dem Aufkommen zahlreicher nationaler und internationaler Investoren stark an: Betrug deren Anteil am Bluechip-Unternehmen Siemens AG 1993 noch 15%, lag der Anteil 1999 bereits bei 45%. Bei der VEBA AG stieg der Anteil institutioneller Investoren von nur 1% im Jahr 1986 auf 70% im Jahr 2001.452 Da ZUGEHÖR dabei von einem Renditeanspruch dieser institutionellen Anleger ausgeht, der grundsätzlich höher ist als bei Kleinanlegern oder konservativ eingestellten strategischen Investoren (Staat, Banken, andere Unternehmen), ist von einem bedeutenden Machtzuwachs dieser Investorengruppe in der letzten Dekade auszugehen, den in erster Linie ineffiziente, schwerfällige Konglomerate zu spüren bekommen.453 Im Vergleich mit den USA ist jedoch anzumerken, dass die institutionellen Investoren in Deutschland gegenüber ihren Pendants in den USA, ihre Interessen als Shareholder weniger stark gegenüber dem Management eines Unternehmens vertreten bzw. einfordern. Insbesondere die milliardenschweren Pensionsfonds454 in den USA spielen eine sehr viel stärkere Rolle bei der Disziplinierung des Managements als die Publikumsfonds in Deutschland. 5.3.2.4 Kapitalmarktkommunikation

Die Art und Weise der Interaktion eines Unternehmens mit dem Kapitalmarkt stellt ein wichtiges Instrument einer Shareholder-Value-orientierten Unternehmensstrate451

Vgl. Bühner/Rasheed/Rosenstein (1997), S. 324.

452

Vgl. Zugehör (2001a), S. 38. Vgl. auch die Ausführungen bei Bassen (2002), S. 17 ff., zur Bedeutung institutioneller Investoren im internationalen Vergleich.

453

Vgl. Zugehör (2001a), S. 38. Wójcik (2001) weist darauf hin, dass sich diese Entwicklung nicht bei allen Unternehmen und nicht in allen Regionen Deutschlands gezeigt hat.

454

Einer der bedeutendsten US-amerikanischen Pensionsfonds ist CalPERS (Californias Public Employees’ Retirement System), der für über 1,3 Mio. aktive und ehemalige Angestellte des öffentlichen Dienstes Pensions- und Krankenvorsorge betreibt.

148

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

gie dar. Nicht nur orientieren private wie institutionelle Investoren ihre Entscheidungen an den verfügbaren Informationen über ein Unternehmen, sondern die Qualität der Kapitalmarktkommunikation konkret wird als Selektionskriterium bei Investitionsentscheidungen herangezogen.455 Kapitalmarktkommunikation ist hierbei definiert als strategisch geplante und zielgerichtete Veröffentlichung börsenkursrelevanter Informationen und Gestaltung von Kommunikationsbeziehungen zwischen börsennotierten Unternehmen und der Financial Community.456 Im Rahmen der Kapitalmarktkommunikation spricht man regelmäßig auch von Publizität. Die Publizität ist als fester Bestandteil der Kapitalmarktkommunikation zu sehen und bezieht sich in der Großzahl der Fälle auf die rechtlich vorgeschriebene Offenlegung und Verbreitung von Informationen, insbesondere auf die Ad-hoc-Publizitätsvorschriften für Unternehmen.457 Zur Erfüllung der Informationsanforderungen der Kapitalmarktteilnehmer, zur Steigerung der Kapitalallokationseffizienz und zur Senkung der durchschnittlichen Kapitalkosten gehen Unternehmen in den USA zunehmend dazu über, neben den Pflichtinformationen458 durch eine freiwillige Unternehmensberichterstattung (Voluntary Disclosure) weitere Informationen zur Unternehmenssituation zu veröffentlichen.459 Den Interessenten soll es dadurch erstens erleichtert werden, sich ein Bild vom tatsächlichen Wertschaffungspotenzial und den zukünftigen Erfolgsaussichten des Unternehmens zu machen. Zweitens soll durch die Bereitstellung zusätzlicher Informationen ein Verständnis über die Determinanten des Unternehmenserfolgs (Critical Success Factors) ermöglicht werden.460 Im Sinne einer verbesserten

455

Vgl. Achleitner/Bassen/Pietzsch (2001), S. 1.

456

Vgl. Achleitner/Bassen/Pietzsch (2001), S. 5. Der Begriff der Kapitalmarktkommunikation wird in der vorliegenden Arbeit gleichgesetzt mit Investor Relations i.e.S. Investor Relations i.w.S. schließt zusätzliche Aspekte ein, die hier nur am Rande betrachtet werden. Für eine ausführliche Diskussion der Investor Relations, Vgl. Achleitner/Bassen (2001).

457

In Deutschland ist die Publizität in erster Linie in §§ 242 und 264 HGB verankert. Die Vorschriften zur Ad-hoc-Publizität ergeben sich auch aus § 15 WpHG. Zu einer Abgrenzung der Regelberichterstattung von der Ad-hoc-Publizität, vgl. Strieder (2001).

458

Die Pflichtinformationen ergeben sich in erster Linie aus den Rechnungslegungsvorschriften US-GAAP sowie den Anforderungen der SEC.

459

Vgl. FASB (2001), S. V.

460

Eine ausführliche Diskussion der Ergebnisse der Studie Business Reporting Research Project des FASB und zur Best Practice der freiwilligen Unternehmensberichterstattung in den USA findet sich bei Haller/Dietrich (2001).

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

149

Kapitalmarktkommunikation der Unternehmen sind insbesondere Informationen über immaterielle Vermögensgegenstände, deren Bewertung einen erheblichen Einfluss auf die Unternehmensgesamtbewertung haben kann, von großem Interesse für (potenzielle) Investoren.461 Die freiwillige Veröffentlichung und Verbreitung von Informationen, die über die rechtlichen Publizitätsvorschriften hinausgehen, ist in Deutschland bedeutend weniger ausgeprägt als in den USA.462 Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sich in Deutschland erst in den neunziger Jahren eine echte Kapitalmarktkultur herausgebildet hat und zuvor ein nur beschränktes Interesse der Öffentlichkeit und Investoren an detaillierten Informationen vorlag. Die heute teilweise noch vorfindbaren konglomeraten Unternehmensstrukturen in Deutschland machen es jedoch unerlässlich, detaillierte Unternehmensinformationen zu den einzelnen Geschäftsbereichen zu veröffentlichen und aktiv zu verbreiten, um (potenziellen) Investoren die Gelegenheit zu geben, den Wert des Unternehmens bzw. die Einzelwerte seiner Unternehmensteile adäquat bestimmen zu können. Unternehmen, die dieser Forderung nach aussagekräftigen Detailinformationen nicht nachkommen, werden am Kapitalmarkt weiterhin mit einem Holdingabschlag463 belegt und von den Investoren regelmäßig aufgefordert, alternativ ihre Unternehmensstruktur durch geeignete Corporate-Restructuring-Maßnahmen zu entflechten. Werden die einzelnen Tochter- und Schwestergesellschaften zu einer „eigenständigen Kapitalmarktadresse“ für Investoren, können, zudem die Möglichkeiten einer verbesserten, fokussierten Kapitalmarktkommunikation genutzt werden um eine angemessene Unternehmensbewertung des konzentrierten Unternehmens zu erreichen.464

461

Vgl. Kötzle/Niggemann (2001), S. 638 f.

462

Zu den internationalen Unterschieden bei der Kapitalmarktkommunikation sowie der Notwendigkeit einer internationalen Investor-Relations-Arbeit, vgl. Janos/Stoffels (2001).

463

Zum Holdingabschlag, vgl. auch die Ausführungen in Kap. 4.3.4.1.

464

Achleitner/Charifzadeh (2001), S. 763 und die dort gemachten Ausführungen zur phasenbezogenen Kapitalmarktkommunikation bei tatsächlicher Durchführung von CorporateRestructuring-Maßnahmen.

150

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

5.4

Politisch-rechtliche Umweltfaktoren

5.4.1

Gesellschafts- und vertragsrechtliches Umfeld

Unternehmen sind gekennzeichnet durch einen Nexus vertraglicher bzw. vertragsähnlicher Beziehungen, insbesondere hinsichtlich der Trennung von Eigentum und Kontrolle im neoinstitutionalistischen Kontext. Konsequenterweise betreffen Corporate-Restructuring-Maßnahmen „eine Vielzahl unternehmensrechtlicher Aspekte und bewegen sich in einem engen Netz juristischer und politischer Normen“.465 Das Gesellschaftsrecht ist im Zusammenhang mit Maßnahmen des Corporate Restructuring und M&A-Transaktionen im Allgemeinen von wesentlicher Relevanz bei der Erörterung von Durchführungs-, Strukturierungs- und Gestaltungsmöglichkeiten und -modalitäten.466 Hierbei ist erster Linie entscheidend, ob die Corporate-Restructuring-Maßnahme in Deutschland unter Zuhilfenahme des Umwandlungsgesetzes erfolgt, das Unternehmensumwandlungen erleichtern soll. Aus diesem Grund werden im Folgenden die einzelnen Restrukturierungsinstrumente bezüglich ihrer rechtlichen Durchführbarkeit in Deutschland überprüft.467 5.4.1.1 Durchführung eines Sell-off oder Minority Sale

Der Verkauf von selbstständigen Tochterunternehmen durch eine Obergesellschaft bzw. der Verkauf von Unternehmensteilen468 (Sell-off469) stellt in der Art der Durch-

465

Charifzadeh (2002), S. 108.

466

Vgl. Picot (1998), Rz. 4.

467

Hierbei werden in erster Linie Aspekte des Corporate Restructuring beleuchtet, die entweder grundsätzlich die Mehrzahl aller restrukturierenden Unternehmen betreffen, oder ein großes Konflikt- oder Problempotenzial im Einzelfall darstellen können. Im Rahmen der Untersuchung kann jedoch nicht auf sämtliche rechtliche Einzelaspekte des Corporate Restructuring eingegangen werden, die Restrukturierungsentscheidungen, die Art der Durchführung, sowie der generellen Übertragbarkeit US-amerikanischer Instrumente des Corporate Restructuring, betreffen.

468

Wie bei allen anderen Instrumenten des Corporate Restructuring (mit der Ausnahme von Tracking Stocks) verlangt i.d.R. auch der Verkauf von unselbstständigen Unternehmensteilen die vorige rechtliche Verselbstständigung des betreffenden Unternehmensteils als juristische Person, in einer Großzahl der Fälle in Form einer Kapitalgesellschaft. Vgl. hierzu Achleitner (2002), S. 360. Existieren die zur Veräußerung bestimmten Unternehmensbereiche noch nicht als selbstständige Tochtereinheiten, so können zu deren Schaffung die Regelungen des Umwandlungsgesetzes zur Anwendung kommen. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 5.4.1.2.1. Im Folgenden gilt, wenn nicht anders erwähnt, die juristische Abtrennung und rechtliche Verselbstständigung bereits als vorweg genommen.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

151

führung sowie der Anzahl an tatsächlich durchgeführten Transaktionen in der Praxis den Standardfall des Corporate Restructuring dar. Obwohl ein Unternehmensverkauf mit dem Übergang von Rechten und Pflichten vom Veräußerer an den Erwerber eine erheblich größere Tragweite als ein unkomplizierter, privater Kaufvertrag zwischen zwei natürlichen Personen aufweist, beruht die Transaktion prinzipiell auf den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches.470 Der Inhalt des Kaufvertrags (Vertragsgegenstand, Übergangszeitpunkt, Zahlungsmodalitäten, Gewährleistungsansprüche, Haftungsfragen etc.) wird zwischen den beteiligten Parteien individuell verhandelt.471 Da es sich beim Verkauf eines Betriebsteils oder eines Tochterunternehmens nicht um eine Unternehmensumwandlung im eigentlichen Sinne handelt, nimmt sich das deutsche Umwandlungsgesetz dieser Thematik nicht an.472 Unabhängig davon, ob es sich beim Verkaufsverfahren um ein herkömmliches Fixpreisverfahren oder um ein Auktionsverfahren473 handelt, bietet das deutsche Vertragsrecht hier zwei Möglichkeiten der Durchführung: 1. Verkauf der zu einem Unternehmen gehörenden Sachen und Rechte (Asset Deal): Der Asset Deal474 (Verkauf eines Unternehmens durch Singularsukzession) beschreibt den Verkauf von Vermögensgegenständen, das heißt den zu einem Unternehmen gehörenden Sachen und Rechte (Wirtschaftsgüter), durch „Übertragung der Gesamtheit der Wirtschaftsgüter“ im Wege der Einzelrechtsnachfolge.475 Dieser Sachverkauf im Sinne des § 433 Abs. 1 S. 1 BGB muss dabei alle vom bisherigen Rechtsträger getrennten wesent469

Zur Definition von Sell-offs, vgl. Kap. 3.2.

470

Grundlage der Verkaufstransaktion sind §§ 433 ff. BGB.

471

Zur Strukturierung von M&A-Transaktionen, vgl. Achleitner (2002), S. 185 ff.

472

Zu den in § 1 Abs. 1 UmwG genannten Arten der Unternehmensumwandlung zählen lediglich die Verschmelzung, die Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung), die Vermögensübertragung und der Formwechsel, nicht aber der Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen.

473

Zu den verschiedenen Preisfindungsverfahren beim Verkauf von Unternehmen, vgl. Picot (1998), Rz. 6 ff.; Achleitner (2002), S. 190.

474

Zu den Grundlagen eines Asset Deal, vgl. Picot (1998), Rz. 29.

475

Gusinde (2000), S. 24. Vgl. auch Achleitner (2002), S. 185.

152

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring lichen Betriebsbestandteile der Aktiva und Passiva eines Unternehmens umfassen. Man spricht daher von einem Verkauf der Sachgesamtheit. 2. Verkauf der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung (Share Deal):476 Alternativ lässt sich der Unternehmensverkauf in Form eines Share Deal477 vollziehen, bei dem das Eigentum an einem Rechtsträger478 durch Veräußerung von Anteilen oder Beteiligungen an einen anderen Rechtsträger (Erwerber) übertragen wird. Die Veräußerung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung stellt einen Rechtsverkauf im Sinne des § 433 Abs. 1 S. 2 BGB dar. Unter Umständen kann der Rechtsverkauf mit einem Sachverkauf verbunden sein, falls die gesellschaftsrechtliche Beteiligung in Form von Wertpapieren verbrieft ist.

Grundsätzlich stehen der Restrukturierung von Unternehmen durch Sell-offs in Deutschland damit keine rechtlichen Probleme entgegen. Allerdings steckt bei diesem unkomplizierten Corporate-Restructuring-Instrument, wie auch bei den anderen, wesentlich innovativeren Restrukturierungsinstrumenten, „der Teufel im Detail“.479 In der Praxis wird in einer Großzahl der Fälle die Durchführung eines Share Deal unkomplizierter möglich sein als ein Asset Deal. Die Entscheidung, einen Sell-off in Form eines Asset Deal oder in Form eines Share Deal durchzuführen, wird sich in der Praxis jedoch in der Regel an den jeweiligen steuerrechtlichen Gegebenheiten der Vertragsparteien orientieren, wobei Mischkonstruktionen nicht ausgeschlossen sind.480 5.4.1.2 Durchführung einer Unternehmensumwandlung unter Verwendung des Umwandlungsgesetzes

In Deutschland wurde mit In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwG)481 am 1. Januar 1995 Unternehmen ein Katalog von Um476

Vgl. u.a. Picot (1998), Rz. 28; Achleitner (2002), S. 185.

477

Zu den Grundlagen eines Share Deal, vgl. Picot (1998), Rz. 30.

478

Als Rechtsträger kann hierbei eine juristische Person (z.B. AG, GmbH), eine Personengesellschaft (z.B. OHG, KG) oder ein Einzelunternehmen fungieren. Vgl. hierzu Picot (1998) Rz. 30.

479

Gilson (2001), S. 9: „The devil is in the details.”

480

Vgl. Gusinde (2000), S. 24; Picot (1998), Rz. 30. Vgl. auch die Ausführungen in Kap. 5.4.2 zu den steuerlichen Konsequenzen von Sell-offs.

481

Im Folgenden als Umwandlungsgesetz bezeichnet.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

153

wandlungsmöglichkeiten an die Hand gegeben, der Rahmenbedingungen für die Gestaltung von Unternehmensrestrukturierungen regeln und die Umwandlung von Unternehmen auf Basis vorgegebener Vorgehensweisen vereinfachen sollte.482 Unternehmen sollten in die Lage versetzt werden, ihre rechtliche Organisation und Struktur in vereinfachter Art an die Dynamik des Wettbewerbs anzupassen, dies galt insbesondere vor dem Hintergrund der europäischen Integrationsbestrebungen. Durch das Umwandlungsgesetz wurden die lückenhaften, fragmentierten Regelungen der Umwandlung von Unternehmen zu schließen versucht, die in einem gewissen Widerspruch zu den zahlreichen vorhandenen, durch das Gesellschaftsrecht geregelten „Organisationsformen“ (insbesondere hinsichtlich der Rechtsformen eines Unternehmens) standen.483 Die im Umwandlungsgesetz definierten Erscheinungsformen einer Unternehmensumwandlung umfassen484 • die Verschmelzung,485 • die Spaltung, mit ihren Unterarten Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung,486 • die Vermögensübertragung487 sowie • den Formwechsel.488

482

Zur generellen Bedeutung der Unternehmensspaltung für Unternehmen sowie der Rechtsentwicklung, vgl. Sagasser/Sickinger (2000), S. 393 ff. In Deutschland war vor In-KraftTreten des Umwandlungsgesetzes lediglich die Unternehmensausgliederung rechtlich geregelt. Unternehmensauf- und -abspaltungen waren bis zu diesem Zeitpunkt durch den so genannten Spaltungserlass des Bundesfinanzministeriums vom 9. November 1992 geregelt.

483

Vgl. Odenthal (1999), S. 90. Vor In-Kraft-Treten war eine Unternehmensumstrukturierung vor allem auf dem Wege der „Realteilung von Unternehmen“ und der „Spaltung von Kapitalgesellschaften“ möglich. Zu diesen wesensverschiedenen Konzepten, vgl. Sagasser/Sickinger (2000), S. 394 ff.

484

Vgl. § 1 Abs. 1 UmwG.

485

Vgl. Zweites Buch, §§ 2 bis 122 UmwG.

486

Vgl. Drittes Buch, §§ 123 bis 173 UmwG. Eine Kombination und gleichzeitige Durchführung mehrerer Spaltungsarten ist denkbar und nach § 123 Abs. 4 UmwG zulässig.

487

Vgl. Viertes Buch, §§ 174 bis 189 UmwG.

488

Vgl. Fünftes Buch, §§ 190 bis 304 UmwG

154

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Sämtliche Regelungen des Umwandlungsgesetzes betrachten die Subjekte der Umwandlung, das heißt Unternehmen oder Unternehmensteile, als Rechtsträger. Rechtsträger ist jede mit Rechten und Pflichten ausgestattete verselbstständigte oder unselbstständige Rechtseinheit.489 Dabei ist es für das Umwandlungsgesetz unerheblich, ob das Unternehmen vom Rechtsträger im wirtschaftlichen oder rechtlichen Sinne betrieben wird.490 Im Zusammenhang mit der Unternehmensspaltung werden die Unternehmen, welche Vermögensteile auf Tochter- oder Schwesterunternehmen übertragen, als übertragende Rechtsträger bezeichnet, und jene, die Vermögensteile von der Obergesellschaft empfangen als übernehmende Rechtsträger. Die grundlegendste Neuerung durch das Umwandlungsgesetz im Rahmen der Unternehmensspaltung war die Einführung des Prinzips der partiellen Gesamtrechtsnachfolge (Sonderrechtsnachfolge).491 Bei der bis zu diesem Zeitpunkt zu praktizierenden Einzelrechtsnachfolge (auch Teilschrittmodell oder Umwegmodell genannt492) musste jeder einzelne Vermögensgegenstand und jede einzelne Verbindlichkeit in einer gesonderten Transaktion übertragen werden493 und machte zusätzlich die Zustimmung jedes einzelnen Gläubigers zur Übertragung einer Verbindlichkeit erforderlich.494 Im Gegensatz dazu erlaubt die partielle Gesamtrechtsnachfolge die Übertragung von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten in ihrer Gesamtheit auf einen übernehmenden Rechtsträger und verlangt nicht mehr nach der Zustimmung der Gläubiger zur Übertragung der Passiva.495 SAGASSER/SICKINGER 489

Nach § 124 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs.1 UmwG können an einer Spaltung nur Personengesellschaften, Partnerschaftsgesellschaften, Kapitalgesellschaften, eingetragene Genossenschaften, eingetragene Vereine, genossenschaftliche Prüfungsverbände und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit teilnehmen. Vgl. hierzu Sagasser/Sickinger (2000), S. 406 f. Im Folgenden (soweit nicht anders erwähnt) wird von dem Standardfall einer Aktiengesellschaft als Obergesellschaft und einer Aktiengesellschaft als Tochtergesellschaft ausgegangen .

490

Vgl. Wegener (1998), S. 2.

491

Zu dem Prinzip der partiellen Gesamtrechtsnachfolge, vgl. Odenthal (1999), S. 48; Kallmeyer (2001a), S. 494; Sagasser/Sickinger (2000), S. 393 ff.

492

Vgl. Schultze (1998), S. 31.

493

Sagasser/Sickinger (2000), S. 397, weisen darauf hin, dass allerdings auch das Umwandlungsgesetz eine genaue Bezeichnung der übergehenden Vermögensgegenstände erforderlich macht. Der Aufwand und das Volumen komme daher der Auflistung bei der Umwandlung im Wege der Einzelrechtsnachfolge gleich.

494

Vgl. §§ 414 ff. BGB. Odenthal (1999), S. 91, sieht in dem Zustimmungsvorbehalt Dritter bei der Einzelrechtsnachfolge einen potentiellen Scheiterungsgrund für eine Unternehmensumwandlung.

495

Vgl. Sagasser/Bula (1995), S. 199

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

155

sehen gerade in diesem letzten Punkt eine Beseitigung des „bedeutendste[n] Hindernis für Unternehmensspaltungen“ nach altem Recht.496 Der zivilrechtliche Ablauf einer Unternehmensumwandlung in Deutschland497 vollzieht sich grundsätzlich in den drei Phasen Vorbereitungsphase, Beschlussphase und Vollzugsphase, unabhängig davon welche Form der Spaltung letztlich gewählt wird. Abbildung 5-4 stellt die wesentlichen rechtlichen Phaseninhalte am Beispiel einer Unternehmensspaltung auf Basis des Umwandlungsgesetzes dar. Im Folgenden werden die einzelnen US-amerikanischen Instrumente des Corporate Restructuring Equity Carve-out, Spin-off, Split-off und Split-up hinsichtlich ihrer Durchführbarkeit in Deutschland unter (umwandlungs-)rechtlichen Gesichtspunkten überprüft.

496

Sagasser/Sickinger (2000), S. 397.

497

Vgl. hierzu Gaughan (2002), S. 403, der für US-amerikanische Restrukturierungsmaßnahmen fünf Schritte identifiziert: 1. Die Entscheidung für eine Corporate-Restructuring-Maßnahme. 2. Die Planung der Durchführung. 3. Die Zustimmung der Anteilseigner zu dem Durchführungsplan. 4. Die Registrierung der (neuen) Aktien bei der SEC. 5. Die Durchführung der Maßnahme.

156

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Vorbereitungsphase • Spaltungsplan/Spaltungsvertrag (§§ 4, 6 und 7 UmwG) • Beteiligte Rechtsträger • Umtauschverhältnisse der Anteile • Spaltungsstichtag • Vermögensübersicht (Aktiva und Passiva) • Spaltungsbericht • Informationen für die Anteilseigner • Spaltungsprüfung (§§ 9-12 UmwG) Beschlussphase • Spaltungsbeschluss (§§ 13-15 UmwG) • AG: Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals • GmbH: Mehrheit von mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen der Gesellschafterversammlung • Sonderregelungen (höhere Mehrheiten)

Vollzugsphase • Anmeldung der Spaltung (§§ 16, 17 und 19 UmwG) • Spaltungsvertrag/ Spaltungsplan • Spaltungsbeschlüsse • Spaltungs(prüf)bericht • Schlussbilanz • Eintragung der Spaltung (§ 21 UmwG) • Handelsregistereintragung(en) • Bekanntgabe der Spaltung (§§ 22, 23, 25, 26 UmwG) Abbildung 5-4: Phasen der Spaltung und wesentliche Phaseninhalte im deutschen Recht498

498

In Anlehnung an Wegener (1998), S. 31 ff. Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Picot/Müller-Eising (1998), Rz. 331 ff.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

157

5.4.1.2.1 Equity Carve-out (Ausgliederung)

Wie bereits dargelegt handelt es sich bei einem Equity Carve-out um ein Restrukturierungskonzept, bei dem eine Muttergesellschaft Anteile an einem Tochterunternehmen am Primärmarkt platziert, das heißt, die Tochtergesellschaft wird an der Börse eingeführt.499 Da das Emissionsverfahren und die Durchführung einer Börseneinführung einer Tochtergesellschaft nicht verschieden von einer klassischen Börseneinführung einer Aktiengesellschaft sind,500 und eine Börseneinführung keine Unternehmensumwandlung im eigentlichen Sinne ist, nimmt sich das Umwandlungsgesetz dieser Thematik nicht direkt an. Das Umwandlungsgesetz kann jedoch in dem nicht seltenen Fall zur Anwendung kommen, in dem eine Muttergesellschaft einen bestimmten Teil eines Unternehmens an die Börse bringen möchte, dieser Unternehmensteil jedoch noch nicht in der Form einer rechtlich selbstständigen Aktiengesellschaft existiert. Da lediglich Anteile von Aktiengesellschaften an der Börse eingeführt werden können, steht damit in einem ersten Schritt die Bildung einer Aktiengesellschaft an. Das Umwandlungsgesetz bietet zu diesem Zweck die Möglichkeit der Ausgliederung an.501 Nach dem Umwandlungsgesetz überträgt ein übertragender Rechtsträger dabei einen Teil oder Teile seines Vermögens auf einen oder mehrere übernehmende Rechtsträger. Es bestehen bei der Übertragung der Vermögenswerte die Möglichkeiten, • das Vermögen auf einen oder mehrere bestehende Rechtsträger zu übertragen (Ausgliederung zur Aufnahme),502 oder aber • das Vermögen auf einen oder mehrere neu zu gründende Rechtsträger zu übertragen (Ausgliederung zur Neugründung).503

499

Vgl. Kap. 3.3.

500

Vgl. Achleitner (2002), S. 396 f.

501

Vgl. § 123 Abs. 3 UmwG. Zu den Charakteristika einer Ausgliederung, vgl. u.a. Odenthal (1999), S. 54 ff.; Charifzadeh (2002), S. 113 f.; Picot/Müller-Eising (1998), S. 295; Sagasser/Sickinger (2000), S. 401 ff.

502

Vgl. § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG.

503

Vgl. § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG. Es ist nach § 123 Abs. 4 UmwG allerdings auch eine gleichzeitige Übertragung an bestehende und neu gegründete Rechtsträger möglich.

158

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Bei einer Ausgliederung erhält der übertragende Rechtsträger im Gegenzug für die Übertragung der Vermögenswerte selbst Anteile an dem (den) übernehmenden Rechtsträger(n), an den bzw. die zuvor die Vermögensteile ausgegliedert wurden. Es handelt sich damit um eine „Sacheinlage gegen Hergabe von Gesellschaftsrechten auf dem Wege der Gesamtrechtsnachfolge“.504 Die Ausgliederung selbst kann dabei rechtsformwahrend, das heißt, die Rechtsform des übernehmenden Rechtsträgers entspricht dem des übertragenden Rechtsträgers, oder rechtsformübergreifend, das heißt, die Rechtsform des übernehmenden Rechtsträgers ist verschieden von der des übertragenden Rechtsträgers, durchgeführt werden.505 Nach Abschluss der Ausgliederung besitzt das Mutterunternehmen sämtliche Aktien am Tochterunternehmen, an das Vermögensgegenstände übertragen wurden. Diese Unternehmensanteile können nun im Zuge einer Aktienemission an der Börse eingeführt werden. Der Anteil der am Primärmarkt platzierten Aktien an der Gesamtzahl der existierenden Aktien kann dabei vom Mutterunternehmen frei bestimmt werden und bestimmt letztendlich den Grad der Unabhängigkeit des Tochterunternehmens vom Mutterunternehmen nach Durchführung der Transaktion. Lediglich durch börsensegmentspezifische Regelungen können Quoten zum Mindeststreubesitz vorgegeben sein, die einzuhalten sind. So wurde beispielsweise beim Börsensegment Neuer Markt der Frankfurter Wertpapierbörse ein Mindeststreubesitz des Aktienkapitals von 20% bzw. 25% verlangt.506 Wie bereits dargelegt, wird die Muttergesellschaft vor Durchführung der Börseneinführung zu entscheiden haben, ob es das Ziel ist, durch die Transaktion die Stimmrechtsmehrheit am Tochterunternehmen zu verlieren, oder ob ein Mehrheitsanteil generell beibehalten werden soll. Die Strukturierung des Übergangs von Vermögenswerten und Schulden an die neuen Eigentümer, das heißt die neuen Aktionäre der bisherigen Tochtergesellschaft, hat aufgrund des Wesens eines Equity Carve-out (Ausgliederung in Kombination mit

504

Vgl. Kallmeyer (2001a), S. 499.

505

Vgl. § 124 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 4 UmwG. Vgl. auch Picot (1998), Rz. 330.

506

Diese Quote kann in Einzelfällen jedoch umgangen und dadurch verringert werden (vgl. Deutsche Telekom AG und T-Online AG), dass durch die emittierende Muttergesellschaft lediglich für einen begrenzten Teil der Aktien des Tochterunternehmens die Zulassung zum Börsenhandel beantragt wird.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

159

Börseneinführung von Aktien) zwingend als Share Deal zu erfolgen und kann nicht in Form eines Asset Deal vollzogen werden.507 Die Ausgliederung im Umwandlungsrecht als erster Schritt hin zu einem Equity Carve-out oder Subsidiary IPO unterscheidet sich grundlegend von den übrigen Restrukturierungsinstrumenten Spin-off, Split-off oder Split-up, da bei der Ausgliederung die Eigentumsverhältnisse in einem Unternehmen unberührt bleiben. Es handelt sich bei der Ausgliederungstransaktion lediglich um eine Vermögensumschichtung.508 Die Ursprungsgesellschaft bleibt als übertragender Rechtsträger bei einer Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz weiter bestehen. Nach vollzogener Durchführung der Ausgliederung finden sich in den Aktiva der Bilanz der Obergesellschaft nicht mehr die einzelnen Vermögensgegenstände, sondern die Anteile am Unternehmen, auf welches die Vermögensgegenstände durch die Ausgliederung übertragen wurden. Definitionsgemäß wird bei einem Equity Carve-out im Anschluss an die Ausgliederung ein Minderheitsanteil am Kapitalmarkt platziert, bei einem Subsidiary IPO ein Mehrheitsanteil. Erst durch die Börseneinführung wird das Corporate-Restructuring-Instrument Equity Carve-out vervollständigt. Im Gegensatz zu einem Sell-off ist die Umsetzung eines Equity Carve-outs in der Praxis selten kurzfristig durchführbar, wobei die Realisationsdauer mit der Größe des betreffenden Unternehmensbereichs positiv korreliert.509 Dies liegt in erster Linie an dem mehrstufigen Prozess: Nach der Entscheidung für eine Durchführung eines Equity Carve-outs ist zunächst die Ausgründung des Geschäftsbereichs in eine selbstständige Aktiengesellschaft (die eigentliche Ausgliederung) notwendig, bevor die Anteile der Öffentlichkeit zum Kauf angeboten werden können. Auch die Planung und die Durchführung eines Going Public ist sehr zeitintensiv. Prinzipiell erlauben die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland die Durchführung eines Equity Carve-out ohne größere Probleme. Das Umwandlungsgesetz erlaubt als ersten Schritt eine geregelte Ausgliederung von Vermögensteilen aus Unternehmen in eine Tochtergesellschaft. Die Börseneinführung der Aktien des

507

Vgl. Gusinde (2000), S. 24.

508

Vgl. Odenthal (1999), S. 55. Die Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG unterscheidet sich von der Vermögensübertragung nach § 174 UmwG dadurch, dass bei der Ausgliederung die Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern in Gesellschaftsanteilen zu erfolgen hat, während dies bei der Vermögensübertragung nicht der Fall ist.

509

Vgl. Weiher (1996), S. 118.

160

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Tochterunternehmens, seien es Aktien aus dem Vermögen der Muttergesellschaft (Secondary Equity Carve-out) oder durch eine Kapitalerhöhung beim Tochterunternehmen geschaffene Aktien (Primary Equity Carve-out), unterscheidet sich wiederum nicht grundsätzlich von der Emission von Aktien im Standardfall (Emission eigener Aktien). Ähnlich der Situation bei Sell-offs gilt es aber auch hier, die spezifische Situation eines Unternehmens genauestens zu analysieren und bei der Konzipierung und Durchführung Experten zurate zu ziehen. Dies gilt insbesondere bei der Durchführung der Börsenerstemission von Aktien, die konstitutiver Bestandteil eines Equity Carve-out ist. Mit wenigen Ausnahmen kann dies nicht ohne das Expertenwissen nationaler und internationaler Investmenthäuser durchgeführt werden, die neben der Börseneinführung auch vor- und nachgelagerte Aktivitäten, wie das Ansprechen potenzieller Investoren vor dem Börsengang (Roadshow) oder Pflege des Aktienkurses durch ausgleichende Kauf- und Verkaufstransaktionen nach Abschluss der Börsenemission. 5.4.1.2.2 Joint Venture

Ungeachtet der Tatsache, dass die Schaffung eines Gemeinschaftsunternehmens510 nicht als explizite Form der Unternehmensumwandlung behandelt wird, kommt hierbei häufig das Umwandlungsgesetz zur Anwendung. Insbesondere die im Umwandlungsgesetz definierte und bereits erläuterte Möglichkeit der Ausgliederung511 erleichtert hierbei die Schaffung eines Joint Venture. Allerdings gliedert in diesem Fall nicht nur ein einziges Unternehmen Vermögensgegenstände an eine im Regelfall neu geschaffenen Gesellschaft aus, sondern mindestens zwei Unternehmen, nämlich die Joint-Venture-Partner-Unternehmen, bringen Wirtschaftsgüter in das neue Unternehmen ein. Die Partnerunternehmen erhalten bei diesen Equity Joint Ventures Anteile am Gemeinschaftsunternehmen entsprechend des prozentualen Anteils der jeweils eingebrachten Wirtschaftsgüter an der Gesamtheit der eingebrachten bzw. schon vorhandenen Vermögensgegenstände. Das Gemeinschaftsunternehmen kann in der Rechtsform geführt werden, welche sich für die Zwecke des Joint Venture am dienlichsten erweist.512

510

Vgl. Kap. 3.3.2.

511

Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 5.4.1.2.1 zu Ausgliederungen im Vorfeld von Equity Carve-outs.

512

Vgl. Wöhe (2002), S. 314.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

161

Angesichts der Verschiedenartigkeit von Kooperationsformen und Ausgestaltung von Joint Ventures, sowie dem in der Regel vorliegenden Auslandsbezug gilt es im Einzelfall genau zu prüfen, inwieweit das Umwandlungsgesetz bei der Schaffung von Gemeinschaftsunternehmen angewendet werden kann bzw. ob dies überhaupt möglich ist. 5.4.1.2.3 Spin-off (Abspaltung)

Bei Anwendung des Corporate-Restructuring-Instruments Spin-off erhalten die Aktionäre der Obergesellschaft Anteile an einer Tochtergesellschaft, ohne hierfür eine Gegenleistung erbringen zu müssen.513 Das Umwandlungsgesetz beschreibt einen Spin-off als Abspaltung514, bei der ein Rechtsträger • einen Teil oder Teile seines Vermögens auf einen oder mehrere bestehende Rechtsträger (Abspaltung zur Aufnahme),515 oder • einen Teil oder Teile seines Vermögens auf neu zu gründende Rechtsträger (Abspaltung zur Neugründung)516 überträgt. Dabei bleibt die Gesellschaft, die Vermögensgegenstände an einen oder mehrere empfangende Rechtsträger abgibt, nach Durchführung der Vermögensübertragung als verkleinertes Rumpfunternehmen weiter bestehen. Im Gegensatz zu einer Ausgliederung im Rahmen von Equity Carve-outs erhält bei einer Abspaltung nicht der übertragende Rechtsträger Anteile am übernehmenden Rechtsträger, sondern die Anteilseigner der abspaltenden Gesellschaft erhalten unmittelbar diese Anteile am aufnehmenden Rechtsträger, das heißt am abgespaltenen Unternehmensteil. Bei einer Abspaltung auf Basis des Umwandlungsgesetzes kann die Gewährung von Anteilen verhältniswahrend, das heißt, die Aktionärsstruktur der verbleibenden Rumpfgesellschaft und der übernehmenden Rechtsträger sind identisch, oder nichtverhältniswahrend erfolgen.517 Da ein Spin-off jedoch definitionsgemäß518 immer

513

Vgl. Kap. 3.3.3.

514

Zu den Charakteristika einer Abspaltung im deutschen Recht, vgl. u.a. Odenthal (1999), S. 52 ff.; Picot/Müller-Eising (1998), Rz. 329; Sagasser/Sickinger (2000), S. 401 f.

515

Vgl. § 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG.

516

Vgl. § 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG.

517

Vgl. § 126 Abs. 1 Nr. 10 UmwG. Allerdings ist bei einer nicht-verhältniswahrenden Abspaltung nach § 128 UmwG die Wirksamkeit des Spaltungs- und Übernahmevertrags an die Zustimmung

162

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

verhältniswahrend erfolgt, korrespondiert der Spin-off mit einer verhältniswahrenden Abspaltung im Sinne des Umwandlungsrechts. Aufgrund der Tatsache, dass bei der Umwandlungsform Abspaltung Unternehmensanteile an den übernehmenden Rechträgern durch die Obergesellschaft ohne Gegenleistung an die bisherigen Anteilseigner abgegeben werden, ist beim abgebenden Rechtsträger i.d.R. eine Kapitalherabsetzung notwendig, die der Verkleinerung der Obergesellschaft auf die Rumpfgesellschaft entspricht. Das Umwandlungsrecht ermöglicht hierbei zum Zweck der Abspaltung eine Durchführung der Kapitalherabsetzung in vereinfachter Form.519 Das deutsche Umwandlungsrecht lässt zudem Unternehmensabspaltungen sowohl rechtsformwahrend (gleiche Rechtsform der an der Aufspaltung beteiligten Unternehmen) wie auch rechtsformübergreifend (verschiedene Rechtsformen) zu.520 Ähnlich dem Equity Carve-out lassen sich Spin-offs aufgrund des mehrstufigen Prozesses nicht kurzfristig realisieren, da eine Ausgründung in eine Tochtergesellschaft notwendig ist, bevor die Anteile an die Aktionäre der Obergesellschaft übertragen werden können. Hinzu kommt, dass für die an die Alteigentümer abgegebenen Aktien am abgespaltenen Tochterunternehmen in der Regel am Anschluss an die Abspaltung eine Kapitalmarktnotierung beantragt wird, um einen liquiden Sekundärmarkt für die Anteile zu schaffen. Die im Vergleich zu Sell-offs längere Umsetzungsphase der Corporate-Restructuring-Maßnahme trifft auch auf die im Folgenden dargestellten Restrukturierungsinstrumente Split-off und insbesondere dem Split-up zu. Ähnlich wie bei der Möglichkeit der Ausgliederung im Rahmen eines Equity Carveout ist für Abspaltungen festzustellen, dass das Umwandlungsgesetz grundsätzlich Regelungen bietet, Spin-offs nach US-amerikanischem Muster in Deutschland durchzuführen. Das Gesellschaftsrecht steht demnach der Durchführung eines Spin-

aller Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers gebunden. I.d.R., insbesondere im angelsächsischen Sprachgebrauch, wird jedoch von einem verhältniswahrenden Spin-off ausgegangen. Vgl. hierzu Odenthal (1999), S. 68; Löffler (2001), S. 8; Sagasser/Sickinger (2000), S. 409 ff. 518

Vgl. hierzu die Ausführung in Kap. 3.3.3.

519

Vgl. § 145 Abs. 1 UmwG.

520

Vgl. hierzu die Regelungen in § 124 Abs. 2 UmwG i.V.m. § 3 Abs. 4 UmwG.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

163

off in Deutschland nicht im Wege, was auch die Abspaltung der Takkt AG vom Gehe Konzern 1999 in Form eines Spin-offs belegt.521 5.4.1.2.4 Split-off

Der Split-off522 ist nicht explizit durch das Umwandlungsrecht geregelt, auch gibt es keine deutsche Umwandlungsart, die dem US-amerikanischen Konzept dieses Instruments des Corporate Restructuring entspräche. Jedoch lassen sich die Regelungen des Umwandlungsgesetzes und zur Abspaltung von Unternehmen(-steilen)523 in einem ersten Schritt analog anwenden. Dabei überträgt ein Rechtsträger einen Teil oder mehrere Teile seines Vermögens auf einen oder mehrere bestehende Rechtsträger bzw. auf einen oder mehrere neu zu gründende Rechtsträger.524 Eine verhältniswahrende Abgabe der Anteile (an den aufnehmenden Gesellschaften) an die Altaktionäre (des übertragenden Rechtsträgers), wie es bei einem Spin-off der Fall ist, ist nach den Regelungen des Umwandlungsgesetzes bei einer Abspaltung nicht zwingend erforderlich.525 Der Maßstab für die Aufteilung der Anteile an den übernehmenden Gesellschaften auf die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers kann bei der Abspaltung im Spaltungsvertrag nahezu ohne Einschränkungen frei festgelegt werden.526 Für einen Split-off US-amerikanischen Vorbilds ist von Bedeutung, dass sogar eine „Spaltung zu Null“ möglich ist,527 das heißt, eine bestimmte Gesellschaftergruppe erhält keinerlei Anteile am abgespaltenen Unternehmensteil. Bei dieser so genannten nicht-verhältniswahrenden Spaltung, bei der Anteilseigner Anteile nicht in dem Verhältnis gewährt bekommen, welches ihrer Beteiligung am übertragenden Rechtsträ-

521

Für die ungeachtet der gesellschaftsrechtlich vorteilhaften Regelungen für die Durchführung von Abspaltungen/Spin-offs dennoch erheblichen Probleme bei der tatsächlichen Durchführung in Deutschland, vgl. die in Kap. 5.4.2.4 genannten Gründe und Ausführungen.

522

Vgl. die Definition von Split-offs in Kap. 3.3.4.

523

Vgl. § 123 Abs. 2 UmwG.

524

Vgl. die Ausführungen bei Kap. 5.4.1.2.1.

525

Zu nicht-verhältniswahrenden Spaltungen, vgl. Sagasser/Sickinger (2000), S. 409 ff. Zu deren Zulässigkeit auf Basis des Umwandlungsrechts, vgl. Kallmeyer (2001a), S. 496; Kallmeyer (2001c) S. 582 f.

526

Vgl. § 126 Abs. 1 Nr. 10 UmwG.

527

Vgl. Picot/Müller-Eising (1998), S. 301; Kallmeyer (2001a), S. 496; Sagasser/Sickinger (2000), S. 410 f.

164

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

ger entspricht, macht das Umwandlungsgesetz jedoch die Zustimmung aller Anteilseigner des übertragenden Rechtsträger zwingend erforderlich.528 Zur Vollendigung des Split-offs bestehen daher die Möglichkeiten, • nur einer bestimmten Aktionärsgruppe Anteile am Tochterunternehmen zukommen zu lassen, oder aber • allen Aktionären entsprechend ihrem Anteil an der Obergesellschaft Anteile zukommen zu lassen (Pro-rata-Auskehrung, Spin-off). In beiden Fällen müssen allerdings nach der Auskehrung der Anteile am Tochterunternehmen die Anteile am übertragenden Rechtsträger, die von derjenigen Anteilseignergruppe gehalten werden, die lediglich Anteile am abgespaltenen Rechtsträger besitzen möchten, eingezogen werden. Neben einem Aktieneinzug ist auch eine Tauschaktion vorstellbar. In der Praxis wird die Durchführung einer Spaltung zu Null insbesondere bei Aktiengesellschaften mit Streubesitz regelmäßig aufgrund der Zustimmungspflicht aller Anteilseigner nahezu unmöglich sein. Auch gibt das Umwandlungsgesetz weder für eine Einziehung von Anteilen noch für einen Aktientausch Wege vor. Eine Möglichkeit der Durchführung eines Aktientausches im Rahmen eines Split-off stellt CHARIFZADEH unter Anwendung des Aktienrechts vor: „Im ersten Schritt werden Anteile an der Tochtergesellschaft abgegeben, um in einem anschließenden Schritt einen Erwerb eigener Aktien durch das Mutterunternehmen durchzuführen. Der Anteilstausch vollzieht sich somit im Sinne eines Rückkaufs eigener Aktien von Seiten des Ursprungsunternehmens gegen die Herausgabe der Aktien des Split-off-Unternehmens.“529 Die Anteile am Split-off-Unternehmen fungieren bei dieser Vorgehensweise als Akquisitionswährung, mit welcher der Erwerb eigener Anteile finanziert wird. Diese Vorgehensweise setzt allerdings voraus, dass eine gewisse Aktionärsgruppe sich dazu bereit erklärt, ihre alten Anteile in Aktien des Split-off-Unternehmens zu tauschen.

528

Vgl. § 128 UmwG.

529

Charifzadeh (2002), S.112. Diese Möglichkeit, d.h. die Anteilsveräußerung einer Gesellschaftergruppe im Anschluss an die Abspaltung bereits im Spaltungsvertrag zu fixieren, findet sich auch bei Sagasser/Sickinger (2000), S. 411 und Schultze (1998), S. 35.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

165

Unter dem deutschen Recht ist die Durchführung eines Split-off damit prinzipiell rechtlich möglich, wenn auch mit bedeutend mehr Problemen verbunden als ein Equity Carve-out. Gegenüber einer Abspaltung (Spin-off), auf der ja auch die Durchführung eines Split-off prinzipiell beruht, treten im Anschluss an die Abspaltung zusätzlich verschiedene Gestaltungs- und Durchführungsprobleme auf. Die Durchführung eines Split-off nach US-amerikanischem Muster ist in Deutschland daher nur schwer möglich, jedoch nicht prinzipiell unmöglich.530 5.4.1.2.5 Split-up (Aufspaltung)

Der Split-up531 als Unternehmensspaltung ist im Umwandlungsgesetz unter dem Begriff Aufspaltung kodifiziert.532 Bei der Aufspaltung überträgt ein Unternehmen (übertragender Rechtsträger) die gesamten Aktiva und Passiva auf mindestens zwei Folgeunternehmen (übernehmende Rechtsträger). 533 Die Ursprungsgesellschaft besitzt bei der Zuordnung von Gegenständen des eigenen Vermögens auf die übernehmenden Rechtsträger erheblichen Entscheidungsspielraum und kann nahezu jeden Vermögensgegenstand „jedem beliebigen übernehmenden Rechtsträger“ zuweisen.534 Wie bei einem Spin-off oder einem Sell-off bestehen für das zu spaltende Unternehmen als übertragenden Rechtsträger die Möglichkeiten, sein Vermögen unter Auflösung im Wege der Sonderrechtsnachfolge als Gesamtheit entweder auf andere bestehende Rechtsträger zur übertragen (Aufspaltung zur Aufnahme),535 oder auf andere, von dem übertragenden Rechtsträger selbst gegründete neue Rechtsträger (Aufspaltung zur Neugründung)536 zu übertragen. In beiden Fällen erhalten die ursprünglichen Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers Anteile an den anderen übernehmenden Rechtsträgern und das Ursprungsunternehmen hört auf zu existieren. 530

Vgl. aber Fn.521.

531

Vgl. die Definition in Kap. 3.3.5.

532

Vgl. § 123 Abs. 1 UmwG.

533

Zu den Charakteristika einer Unternehmensaufspaltung im deutschen Gesellschaftsrecht, vgl. Odenthal (1999), S. 49 ff.; Picot (1998), Rz. 329; Sagasser/Sickinger (2000), S. 398 ff.

534

Vgl. Picot/Müller-Eising (1998), S. 298.

535

Vgl. § 123 Abs. 1 Nr. 1 UmwG.

536

Vgl. § 123 Abs. 1 Nr. 2 UmwG.

166

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Die Gegenleistung für den Verlust der Anteile am Ursprungsunternehmen in Form von Anteilen an den Folgeunternehmen erfolgt in der Regel verhältniswahrend (Prorata-Aufspaltung), allerdings lässt das Umwandlungsgesetz auch hier nicht-verhältniswahrende Unternehmensaufspaltungen zu.537 Im Falle einer nicht-verhältniswahrenden Aufspaltung (Nicht-Pro-rata-Aufspaltung) ist die Aktionärsstruktur eines jeden Folgeunternehmens verschieden von der untergegangenen Gesellschaft. Wie bereits ausgeführt macht das Umwandlungsgesetz bei einer nicht-verhältniswahrenden Spaltung die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich.538 Wie bei den anderen im Umwandlungsgesetz definierten Umwandlungsarten kann die Durchführung der Aufspaltung rechtsformwahrend (gleiche Rechtsform der an der Aufspaltung beteiligten Unternehmen) oder rechtsformübergreifend (verschiedene Rechtsformen) erfolgen.539 In der Großzahl der Fälle von Aufspaltungen müssen die Anteile an den Folgeunternehmen, die an die Alteigentümer der Ursprungsgesellschaft abgegeben werden sollen, in einem ersten Schritt durch Kapitalerhöhungen bei den übernehmenden Folgeunternehmen geschaffen werden, bevor diese erst in dem darauf folgenden Schritt an die Anteilseigner der untergehenden Ursprungsgesellschaft ausgegeben werden können. Die Durchführung von Kapitalerhöhungen zu dem Zwecke der Unternehmensaufspaltung ist wie die vereinfachte Kapitalherabsetzung bei der Abspaltung ebenfalls im Umwandlungsgesetz geregelt.540 Vergleichbar den Regelungen bei Ausgliederungen (zur Durchführung von Equity Carve-outs) und Abspaltungen (zur Durchführung von Spin-offs) ist Unternehmen in Deutschland mit den Regelungen zur Aufspaltung im Umwandlungsgesetz die Möglichkeit gegeben, eine Unternehmensaufspaltung nach US-amerikanischem Muster eines Split-up durchzuführen. Ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei einer Unternehmensaufspaltung um ein Corporate-Restructuring-Instrument mit gravierenden

537

Vgl. hierzu die Regelungen in § 126 Abs. 1 Nr. 10 UmwG und § 128 UmwG. Dies steht in einem gewissen Gegensatz zu den Regelungen in den USA wo ein Split-up immer eine verhältniswahrende Abgabe von Unternehmensanteilen an den neuen Gesellschaften beinhaltet. Vgl. hierzu Charifzadeh (2002), S. 110.

538

Vgl. § 128 UmwG.

539

Vgl. § 124 Abs. 2 UmwG i.V.m. § 3 Abs. 4 UmwG.

540

Es kommen hierzu insbesondere §§ 125 UmwG iV.m. § 68 UmwG und 125 UmwG i.V.m. § 69 UmwG zur Anwendung.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

167

Konsequenzen für das Ursprungsunternehmen handelt, erlauben die klaren Regelungen des Umwandlungsgesetzes grundsätzlich eine unkomplizierte gesellschaftsrechtliche Durchführung in Deutschland.541 5.4.1.3 Durchführung einer Unternehmensumwandlung außerhalb des Umwandlungsgesetzes

Es war nicht im Sinne des Gesetzgebers, die Möglichkeiten und in geringem Umfang gegebenen Regelungen der Neuordnung von Unternehmensstrukturen durch die Umwandlungsrechtsreform 1995 obsolet zu machen bzw. abzuschaffen. Vielmehr sind die zwingenden Vorschriften des Umwandlungsgesetzes nur dann zu beachten, „wenn sich die beteiligten Rechtsträger der Vorteile bedienen wollen, die das Gesetz und die mit ihm verbundenen steuerrechtlichen Regelungen mit sich bringen“.542 Dies bedeutet, dass die „weitaus aufwändigere Möglichkeit der Einzelübertragung“ auch nach In-Kraft-Treten des Umwandlungsgesetzes weiterhin besteht.543 Im Folgenden werden die Möglichkeiten und Grenzen der Durchführung von Equity Carve-outs, Spin-offs, Split-offs und Split-ups außerhalb des Umwandlungsgesetzes kurz dargestellt.544 5.4.1.3.1 Equity Carve-out

Ein Equity Carve-out lässt sich in Deutschland auch ohne Anwendung des Umwandlungsgesetzes durchführen. In diesem Fall muss in einem ersten Schritt eine Ausgliederung von Vermögensgegenständen durch die Muttergesellschaft auf eine Tochtergesellschaft545 durchgeführt werden, sei es im Rahmen einer Sachgründung (bei neu gegründeten Unternehmen) oder einer Sachkapitalerhöhung (bei existierenden Unternehmen).546 Im Gegenzug dazu erhält das Mutterunternehmen sämtliche

541

Dessen ungeachtet kann die Aufspaltung von Unternehmen im Einzelfall mit erheblichen Problemen verbunden sein.

542

Schmidt (1999), S. 12.

543

Vgl. Schmidt (1999), S. 12; Kallmeyer (2001a), S. 503.

544

Aufgrund der Tatsache, dass Unternehmensumwandlungen auf Grundlage des Umwandlungsgesetzes i.d.R. unkomplizierter sind, und Umwandlungen außerhalb dieses nur in spezifischen Einfällen, auf die hier nicht eingegangen werden kann, von Vorteil ist, wird auf eine ausführliche Erörterung der Durchführungsmöglichkeiten von Unternehmensumwandlungen außerhalb des Umwandlungsgesetzes verzichtet.

545

Es kann es sich hierbei auch um mehr als eine Tochtergesellschaft handeln.

546

Vgl. Picot/Müller-Eising (1998), Rz. 454; Schultze (1998), S. 33.

168

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Gesellschaftsanteile an der Tochtergesellschaft.547 Im Anschluss werden diese Anteile an der Tochtergesellschaft, die von der Obergesellschaft gehalten werden, an der Börse eingeführt (Secondary Equity Carve-out). Alternativ kann auch hier eine Kapitalerhöhung bei der Tochtergesellschaft stattfinden, wobei die neu geschaffenen Anteile über die Börse verkauft werden (Primary Equity Carve-out). Da das bei Ausgliederungen außerhalb des Umwandlungsgesetzes anzuwendende Prinzip der Einzelrechtsnachfolge äußerst kosten- und zeitaufwendig ist, und auch die Zustimmung jedes einzelnen Gläubigers zur Übertragung von Passiva erforderlich macht,548 scheint diese Vorgehensweise wenig praxistauglich und nur in Einzelfällen angebracht. 5.4.1.3.2 Joint Venture

Analog zu Ausgliederungen im Vorfeld von Equity Carve-outs lassen sich auch Joint Ventures außerhalb des Umwandlungsgesetzes realisieren. Die entsprechenden Regelungen kommen analog zur Anwendung. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass Joint Ventures in der Praxis in verschiedenartigster Weise strukturiert werden können. Gerade die Vertragsfreiheit erlaubt hier zahlreiche Konstruktionen und Vereinbarungen. 5.4.1.3.3 Spin-off

Diese Durchführung eines Spin-off in Teilschritten außerhalb des Umwandlungsgesetzes ist äußerst aufwendig und zeitintensiv. Unter Anwendung des Prinzips der Einzelrechtsübertragung, welches vor In-Kraft-Treten des Umwandlungsgesetzes die Spaltung von Unternehmen möglich machte, wird zunächst in Form einer Sachkapitalerhöhung (bei bestehenden Unternehmen) oder einer Sachgründung (bei neu zu gründenden Unternehmen) Gesellschaftsvermögen auf mindestens eine Gesellschaft übertragen.549 Bei der Übertragung von Passiva ist nach § 415 BGB hierzu die Zustimmung der Gläubiger notwendig. Die abspaltende Kapitalgesellschaft erhält dafür im Gegenzug Gesellschaftsanteile an diesem Unternehmen (Sacheinlage gegen Anteilswährung).

547

Vgl. Schultze (1998), S. 33. Man Spricht deshalb auch von einer „Sacheinlage gegen Anteilsgewährung“. Vgl. hierzu Kallmeyer (2001a), S. 500.

548

Vgl. § 414 BGB und § 415 BGB. Vgl. auch die Ausführung in Kap. 5.4.1.2.

549

Vgl. Schultze (1998), S. 33.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

169

In einem zweiten Schritt werden dann diese Gesellschaftsanteile an die Gesellschafter des abspaltenden Unternehmens ausgekehrt, wodurch die Abspaltung letztendlich vollzogen wird. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass (definitionsgemäß für Spinoffs) bei der Auskehrung der Anteile eine Pro-rata-Beteiligung der Gesellschafter der Obergesellschaft am abgespaltenen Unternehmensteil erreicht wird.550 Zur Auskehrung der Anteile stehen außerhalb des Umwandlungsgesetzes die folgenden Möglichkeiten zur Verfügung: Herabsetzung des gezeichneten Kapitals der abspaltenden Gesellschaft, gefolgt von einer Befriedigung der Einlagenrückzahlungsansprüche der Anteilseigner in Form von Eigentumsanteilen an der abgetrennten Gesellschaft. Die Voraussetzungen einer ordentlichen Kapitalherabsetzung bei einer Aktiengesellschaft werden in § 222 AktG geregelt und fordern u.a. die Zustimmung mindestens drei Viertels des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals.551 Reguläre Gewinnausschüttung (als Sachdividende). Im Gegensatz zu den USA müssen in Deutschland jegliche Zuwendungen an die Anteilseigner Teil des ordnungsgemäß festgestellten und zur Ausschüttung bestimmten Bilanzgewinns sein. Dies würde bei einer Sachdividende eine hohe Ertragskraft des ausschüttenden Unternehmens verlangen, um die Auskehrung der spaltungsgeborenen Anteile in einem Zuge zu ermöglichen. Außerdem sind Barzuwendungen in Deutschland an die Zustimmung aller Anteilseigner gebunden. Aufgrund dieser Sachverhalte ist die Auskehrung von Gesellschaftsanteilen an Aktionäre in Form einer Sachdividende in Deutschland nahezu unmöglich.552 Einziehung der Anteile an der gespaltenen Gesellschaft gegen ein Entgelt (in Form von spaltungsgeborenen Anteilen). Diese Vorgehensweise ist jedoch bei GmbHs nahezu unmöglich und bei Aktiengesellschaft regelmäßig nicht zulässig.553 Bei einer Einbeziehung von Anteilen nach § 237 AktG hingegen wäre die grundlegende Prämisse der verhältniswahrenden Pro-rata-Verteilung von Anteilen bei einem Spin-off verletzt.

550

Vgl. Schultze (1998), S. 32.

551

Zum Mittel der Kapitalherabsetzung zur Herstellung einer verhältniswahrenden Beteiligung, vgl. Schultze (1998), S. 34.

552

Vgl. Schultze (1998), S. 34.

553

Vgl. § 33 Abs. 2, § 33 Abs. 3 i.V.m. § 30 GmbHG bzw. §§ 57, 71 AktG.

170

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Die Durchführung eines Spin-off außerhalb des Umwandlungsgesetzes ist also prinzipiell möglich. Der Aufwand der Einzelschritte sowie die erheblichen Probleme in Teilfragen, wie beispielsweise die Zustimmungspflicht aller Gläubiger zur Übertragung von Passiva-Posten von der Obergesellschaft auf das Tochterunternehmen, beeinträchtigen die Durchführung in der Praxis allerdings erheblich. Die wenigen Vorteile dieses Verfahrens dürften die erheblichen Nachteile in der Realität selten aufwiegen. 5.4.1.3.4 Split-off

Wie bei einem Spin-off bedarf die Durchführung eines Split-offs außerhalb des Umwandlungsgesetzes eines mehrstufigen Ansatzes. Analog zu dem Spin-off werden durch das Prinzip der Einzelrechtsübertragung Vermögensteile der Obergesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen auf eine oder mehrere bestehende bzw. eine oder mehrere neu zu gründende Tochter-/Schwestergesellschaften übertragen. Danach müssen diese neuen Gesellschaftsanteile an die Anteilseigner ausgekehrt werden. Dabei ergeben sich die bereits beschrieben Probleme bei der Durchführung der Kapitalherabsetzung, der Sachdividendenausschüttung oder der Einziehung von Gesellschaftsanteilen. Selbst bei erfolgreicher Auskehrung der Anteile an die Anteilseigner besteht zusätzlich die Notwendigkeit, die Gesellschaftsanteile unter den Gesellschaftern zu tauschen, um die erwünschte Situation zu erreichen, dass für den abspaltenden und den abgespaltenen Rechtsträger jeweils eine bestimmte ungleiche Anteilseignergruppe besteht. Der Anteilstausch auf Gesellschafterebene wird zwar als rechtlich möglich erachtet, jedoch bestehen keinerlei (gesetzliche) Regelungen zu dessen praktischer Durchführung. Die Alternative einer Einziehung von Aktien auf Grundlage des Aktiengesetzes stellt eine weitere Möglichkeit dar, die „Totalvernichtung einzelner Mitgliedschaften“ im Auskehrungsprozess herzustellen.554 Eine beteiligungsverändernde Spaltung ist daher doch prinzipiell möglich. Wie bei der Durchführung eines Spin-off außerhalb des Umwandlungsgesetzes schränkt der zu betreibende Aufwand, der zu erwarten ist, die Möglichkeit der Durchführung eines Split-off außerhalb des Umwandlungsgesetzes in der Praxis erheblich ein.

554

Schultze (1998), S. 35.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

171

5.4.1.3.5 Split-up

Analog zur Durchführung eines Spin-offs außerhalb des Umwandlungsgesetzes kann auch ein Split-up nur in Teilschritten vollzogen werden. Zuerst muss die Obergesellschaft ihr gesamtes Vermögen auf mindestens zwei rechtlich selbstständige Schwestergesellschaften ausgliedern.555 Analog zu dem Spin-off kann dies durch eine Sachkapitalerhöhung oder eine Sachgründung erfolgen.556 Anschließend wird die unvermögende Obergesellschaft liquidiert und die Liquidationsansprüche der Gesellschafter am übertragenden Rechtsträger durch Auskehrung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger befriedigt werden.557 Hierbei stellen sich jedoch wie bei einem Spin-off außerhalb des Umwandlungsgesetzes wiederum die Probleme der Auskehrung von Anteilen an die Altgesellschafter. Vergleichbar mit den anderen Umwandlungsmöglichkeiten außerhalb des Umwandlungsrechts schränken der Aufwand des Verfahrens und die Probleme in Teilfragen die Praxistauglichkeit dieses Verfahrens erheblich ein. 5.4.1.4 Möglichkeit einer Tracking-Stock-Emission in Deutschland

Als einziges europäisches Unternehmen emittierte der französische Telekommunikationskonzern Alcatel im November 2000 Tracking Stock.558 Die Tracking Stocks namens „Alcatel Optronics“ hatten als Grundlage für die Dividenden- und Gewinnermittlung den schnell wachsenden Bereich „Optische Bauteile“ von Alcatel als Tracked Unit. Die Tracking Stocks sollten in Zukunft als Akquisitionszahlungsmittel genutzt werden, so Alcatel. Die Ausstattungsmerkmale des von Alcatel emittierten Tracking Stock weichen aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen in Frankreich allerdings deutlich von jenen in den USA ab, was eine direkte Vergleichbarkeit erschwert.559 Eine uneingeschränkte Übertragbarkeit des US-amerikanischen Instruments Tracking Stock in allen Punkten auf andere Länder ist damit anzuzweifeln,

555

Vgl. Picot/Müller-Eising (1998), Rz. 454.

556

Vgl. Schultze (1998), S. 33.

557

Vgl. Picot/Müller-Eising (1998), Rz. 455.

558

Zur Definition von Tracking Stocks, vgl. Kap. 3.3.6.

559

Zu einem direkten Vergleich der Ausstattungsmerkmale von Emissionen von Tracking Stocks der ersten und zweiten Generation in den USA mit der Tracking-Stock-Emission von Alcatel Optronics, vgl. Natusch (2001a), S. 498 f.; Tonner (2002), S. 9. Tonner (2002), S. 360, spricht hierbei im Zusammenhang mit der Gestaltungsfreiheit bei der Satzung von Tracking Stocks davon, dass es ohnehin nicht das Tracking-Stock-Modell geben kann.

172

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

wobei die grundsätzliche Übertragbarkeit des Konzeptes selbst möglich zu sein scheint, wie das Beispiel von Alcatel zeigt. In Deutschland ist es noch nicht zu einer Emission von Tracking Stock gekommen. Aufgrund fehlender Praxisbeispiele können daher im Folgenden lediglich die theoretisch-rechtlichen Kernpunkte und Fragestellungen einer möglichen Tracking-StockEmission in Deutschland thematisiert und diskutiert werden, einschließlich des Prozesses deren Generierung.560 Die Aktiengattung Tracking Stock bzw. deren Abwandlung ist in Deutschland gesetzlich nicht definiert und damit deren Emission auch nicht explizit geregelt. Allerdings lassen sich aus dem Aktiengesetz analog anzuwendende Vorschriften ableiten, sodass die Aktiengattung Tracking Stock in Deutschland als grundsätzlich vereinbar mit dem „formstrengen“561 deutschen Aktienrecht gesehen wird.562 Die zwingend vorgeschriebenen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften und Prinzipen, wie das Wesen einer Gesellschaft563 (Gewinnverteilung, Liquidation der Gesellschaft, Nennbetragsaktien etc.), der gemeinsame Zweck einer Aktiengesellschaft564 oder die Bilanzierungsvorschriften565 (Gesellschafter- und Gläubigerschutz, Segmentberichtserstattung etc.) scheinen eingehalten werden zu können. Ein erhebliches Problem im deutschen Aktienrecht stellt hingegen die Ausgestaltung der Tracking Stocks mit variablen Stimmrechten (Floating Voting Rights, Fluctuation Voting Rights) wie in den USA dar, da variable Stimmrechte in Deutschland de lege lata un-

560

Für eine tiefer gehende Erörterung, vgl. Brauer (1993); Natusch (2000); Natusch (2001a); Natusch (2001b); Müller (1997); Sieger/Hasselbach (1999); Sieger/Hasselbach (2001); und vor allem Jaeger (1999) und Tonner (2001).

561

Tonner (2001), S. 3. Bauer (2000), S. 168, sieht gerade in dem im Gegensatz zu dem deutschen Gesellschaftsrecht sehr liberalen US-amerikanischen Recht (verschiedene Aktienklassen, frei ausgestaltbare Aktionärsrechte) den Grund für eine auf die USA konzentrierte Verbreitung von Tracking Stocks.

562

Vgl. Tonner (2002), S. 385; Müller (1997), S. 59; Sieger/Hasselbach (1999), S. 1284; Brauer (1993), S. 334.

563

Vgl. Tonner (2002), S. 359 ff.; Müller (1997), S. 58 ff.; Sieger/Hasselbach (1999), S. 1283; Jaeger (1999), S. 222 f.; Brauer (1993), S. 324 ff.

564

Vgl. Tonner (2002), S. 359 ff.; Brauer (1993), S. 327; Tonner (2001).

565

Vgl. Brauer (1993), S. 329 f.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

173

zulässig sind bzw. vergleichbare Konstruktionen mit erheblichen Anfechtungsrisiken belastet wären.566 Tracking Stocks können nach deutschem Aktienrecht grundsätzlich entweder als (voll stimmberechtigte) Stammaktien oder als (stimmrechtslose) Vorzugsaktien ausgegeben werden.567 Aufgrund der besonderen Dividenden- und Rückabwicklungsstruktur von Tracking Stocks ist diese Aktiengattung aber von den übrigen Stammund Vorzugsaktien eines Unternehmens zu unterscheiden. Außerdem bedeutet sowohl die Ausgestaltung als voll stimmberechtigte Stammaktie (mit den damit verbundenen Eigentumsrechten am Gesamtunternehmen) wie auch die Strukturierung als stimmrechtslose Vorzugsaktie ein Abweichen von der in den USA gebräuchlichen Strukturierung als voll stimmberechtigte Aktie ohne Eigentumsrechte. Repräsentieren die ausgegebenen Tracking Stocks nur einen geringen Teil des Grundkapitals der Gesamtgesellschaft, kann die Ausgabe stimmberechtigter Stammaktien568 dazu führen, dass ein sehr kleiner Teil der Aktionäre eines Unternehmens laufende Hauptversammlungsbeschlüsse blockieren könnte, da bei einer Vielzahl von Kapital- und Restrukturierungsmaßnahmen der Gesamtgesellschaft mit Dreiviertelmehrheiten zu fassende Sonderbeschlüsse der Tracking-Stock-Aktionäre erforderlich wären.569 Durch die Ausgabe von als (stimmrechtslose) Vorzugsaktien gestalteten Tracking Stocks ließe sich dieses Problem umgehen. Sieger/Hasselbach gehen davon aus, „dass die Kapitalmärkte in der Lage sein werden, den innovativen, mit den Vorzugsaktien klassischer Prägung nicht vergleichbaren Charakter von Tra566

Zur Unzulässigkeit variabler Stimmrechte und den Konsequenzen für Tracking-Stock-Emissionen in Deutschland, vgl. Tonner (2002), S. 91 ff.

567

Die folgende Argumentation orientiert sich (soweit nicht anders erwähnt) an Sieger/Hasselbach (2001). Zu Durchführungsmöglichkeiten von Tracking-Stock-Emissionen in Deutschland, sei es durch Zuführung neuen Kapitals (bspw. durch eine Kapitalerhöhung) oder ohne Zuführung neuen Kapitals (bspw. durch Umtausch und Neustückelung des vorhandenen Kapitals), vgl. Tonner (2002), S. 256 ff.; Tonner (2001), S. 17.

568

Dies stünde im Gegensatz zur Stimmrechtssituation bei Tracking Stocks in den USA, wo Tracking-Stock-Aktionäre zwar ein Stimmrecht auf der Unternehmensgesamtebene haben, ihr Stimmrechtsanteil aber abhängig ist von der Marktbewertung der Tracked Unit (gemessen an der Marktkapitalisierung der Gesamtzahl der Tracking Stocks) im Verhältnis zur gesamten Marktkapitalisierung des Unternehmens.

569

Vgl. Sieger/Hasselbach (2001), S. 392, die beispielhaft erläutern, dass bei einer theoretischen Repräsentation der Tracking Stocks von nur 10% des Grundkapitals der Emittentin, bereits durch eine Kapitalbeteiligung von nur 2,5% am Grundkapital des Unternehmens den TrackingStock-Aktionären - z.B. auch einem Wettbewerber der Tracking-Stock-Emittentin - Veto-ähnliche Rechte zustehen.

174

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

cking Stocks sowie die zwingenden aktienrechtlichen Gründe zu erkennen“ und die als stimmrechtslose Vorzugsaktien gestalteten Tracking Stock nicht mit den für (stimmrechtslose) Vorzugsaktien typischen, nicht unerheblichen Wertabschlägen am Kapitalmarkt belegen werden.570 TONNER weist darauf hin, dass bei einer Tracking-Stock-Emission in Deutschland wie in den USA eine „Tracked Unit-Rechnungslegung“ erforderlich ist, das heißt, es muss sowohl ein Abschluss für jeden getrackten Geschäftsbereich erstellt werden wie auch eine konsolidierte Bilanz für das Gesamtunternehmen.571 BAUMS zweifelt hier das Ausreichen der im deutschen Handelsgesetzbuch vorgeschriebenen Pflichten zur Informationsbereitstellung für die Abgrenzung von Erträgen, die bei der Tracked Unit generiert wurden, an.572 Mit erheblichen rechtlichen Problemen behaftet ist außerdem die Rückabwicklung von Tracking Stocks in Deutschland, wodurch sich ein bedeutender Nachteil gegenüber den USA ergäbe, wo Tracking Stocks regelmäßig rück abgewickelt werden können, so TONNER.573 SIEGER/HASSELBACH weisen ebenfalls darauf hin, dass die Rückabwicklung von Tracking Stock in Deutschland rechtlich nicht organisiert ist, weshalb das Aktiengesetz analog zur Anwendung käme und sich als Konsequenz grundsätzlich die Möglichkeiten der Zwangseinziehung von Tracking Stocks und der Umwandlung der Tracking Stocks in Stammaktien der Obergesellschaft bieten.574 Eine Tracking-Stock-Emission in Deutschland nach US-amerikanischem Vorbild scheint also mit nicht unwesentlichen strukturellen und rechtlichen Problemen (variable Stimmrechte, Rückabwicklung etc.)575 verbunden zu sein. Darüber hinaus bleibt die Frage offen, welchen grundsätzlichen, durchschlagenden Vorteil dieses Restrukturierungsinstrument gegenüber anderen Instrumenten des Corporate Restructuring 570

Sieger/Hasselbach (2001).

571

Tonner (2002), S. 225 ff. Zu konzeptionellen Gestaltungsfragen von Tracked-Unit-Segmentabschlüssen im Rahmen des deutschen Bilanzrechts, vgl. Prinz/Schürner (2001), S. 13 ff.; Tonner (2002), S. 225 ff.

572

Vgl. Baums (1995), S. 235 ff.

573

Tonner (2001). Zu möglichen Vorgehensweisen bei der Rückgängigmachung von TrackingStock-Strukturen in deutschen Unternehmen, vgl. Tonner (2002), S. 285.

574

Vgl. Sieger/Hasselbach (2001).

575

Zu den Zweifeln aus juristischer Sicht, ob Tracking Stocks - entgegen der rechtlich gegebenen Möglichkeiten - eine vergleichbar große Verbreitung wie in den USA finden könnten, vgl. umfassend Tonner (2001).

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

175

hat.576 Denn die Tracking-Stock-Konstruktion darf nicht als „Allheilmittel für (operative) Performanceprobleme“ diversifizierter Unternehmen gesehen werden, sondern stellt vielmehr ein „spezielles, komplexes Finanzierungsinstrument dar“, bei dem noch erheblicher rechtlicher Klärungsbedarf besteht und dessen Vorteile dem deutschen Kapitalmarkt erst noch kommuniziert werden müssen.577 Eine ähnliche Ansicht vertreten VIJH/BILLET: „In conclusion, our evidence suggests that restructuring by tracking stocks is not in the interests of shareholders. Managers should consider other forms of divesture or more carefully weigh the costs and benefits of tracking stocks in their specific situation.“578 Ähnlich sieht es ZUTA, der empirisch belegen konnte, dass in manchen Fällen die Schaffung einer Tracking-Stock-Struktur zu suboptimalen Ergebnissen gegenüber Maßnahmen, die eine vollständige Abtrennung von Unternehmensteilen bewirken, führt.579 Auch NIPPEL/MERTENS WEISEN darauf hin, dass gerade komplexe Finanzierungsstrukturen (wie beispielsweise bei Tracking Stocks) „Raum für Fehlanreize und Ineffizienzen“ schaffen können.580 Generell gehen zahlreiche Autoren581 davon aus, dass Tracking-Stock-ähnliche Unternehmensstrukturen trotz erheblicher Probleme im deutschen Recht theoretisch zwar möglich und zulässig sind, insgesamt das deutsche Rechtssystem aber nicht wirklich vorbereitet ist für dieses innovative Instrument des Corporate Restructuring.582 Die modelltypische Rechtsstellung der Aktionäre in den USA könne allerdings im deutschen Recht „nicht in Reinform verwirklicht werden“.583

576

Zur Kritik am Tracking-Stock-Modell generell, vgl. die Argumente bei Tonner (2002), S. 31 ff.

577

Natusch (2001a), S. 501.

578

Billet/Vijh (2001), S. 25.

579

Vgl. Zuta (2002), S. 38.

580

Vgl. Nippel/Mertens (2002), S. 27.

581

Vgl. diesbezüglich die Resümees von Tonner (2002); Tonner (2001); Brauer (1993); Baums (1995); Müller (1997); Sieger/Hasselbach (1999); Jaeger (1999); Bauer (2000); Natusch (2000); Natusch (2001a); Natusch (2001b).

582

Vgl. Tonner (2002), S. 385: „Dem Modell stehen bereits de lege lata keine gesetzlichen Verbote oder grundsätzlichen aktienrechtlichen Prinzipien entgegen.“

583

Tonner (2002), S. 33, der davon ausgeht, dass ein Abweichen von der Norm den Kurs bzw. die Kursentwicklung von Tracking Stocks in Deutschland zudem negativ beeinflussen würde.

176

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

5.4.2

Steuerrechtliches Umfeld

Im Zusammenhang mit der Erörterung der verschiedenen Restrukturierungsinstrumente sind steuerliche Fragen von erheblichem Interesse für das restrukturierende Unternehmen.584 Neben steuerlichen Überlegungen als Restrukturierungsmotiv per se585 ist die praktische Bedeutung eines speziellen Corporate-Restructuring-Instruments maßgeblich abhängig von den steuerrechtlichen Regelungen, unter denen eine Corporate-Restructuring-Maßnahme durchgeführt wird, bzw. den Konsequenzen, die dieses Instrument nach sich zieht.586 Die Analyse kann hier bei den drei Phasen des Umwandlungsprozesses ansetzen, wie Abbildung 5-5 verdeutlicht. In der Phase vor der Unternehmensumwandlung sind vor allem Überlegungen zur Konzernbesteuerung und zur Gewinn- und Verlustverrechnung innerhalb des Konzerns relevant. Ähnliches gilt für die Phase nach Durchführung der Umwandlung. In der Umwandlungsphase ist bei der steuerlichen Abwicklung einer Unternehmensumwandlung im Speziellen die Bemessung der steuerlichen Rückwirkung des Vermögensübergangs (Ermittlung der Körperschafts-, Vermögens- und Gewerbesteuer), die Aufteilung des verwendbaren Eigenkapitals und die Möglichkeiten der Übernahme von Verlustvorträgen durch den übernehmenden Rechtsträger.587

584

Vgl. Picot (1998), S. V; Odenthal (1999), S. 91; Charifzadeh (2002), S. 126 ff.; Eilers (2002), S. 69 ff.

585

Vgl. Kap. 4.3.6.2.

586

Vgl. Odenthal (1999), S. 91.

587

Vgl. Odenthal (1999), S. 216. Im Folgenden werden in erster Linie die direkten steuerlichen Konsequenzen eines Corporate-Restructuring-Instruments während der tatsächlichen Restrukturierungsphase untersucht und nur beschränkt steuerliche Gegebenheiten vor und nach der Restrukturierung beleuchtet.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

177

Vor der Restrukturierung • Steuerliche Situation im Konzern/Unternehmen • Gewinn- und Verlustverrechnungsmöglichkeiten im Konzern

Restrukturierungsphase • Steuerliche Konsequenzen verschiedener Restrukturierungsmaßnahmen • Besteuerung von Veräußerungsgewinnen • Aufdeckung stiller Reserven • Übertragung von Verlustvorträgen • Besteuerung auf Gesellschaftsebene • Besteuerung auf Gesellschafterebene

Beschlussphase • Steuerliche Situation bei der Obergesellschaft • Steuerliche Situation bei der (den) Tochter-/Schwestergesellschaft(en) • Gewinn-/Verlustverrechnungsmöglichkeiten im Konzern Abbildung 5-5: Ausgewählte grundsätzliche steuerliche Überlegungen bei Restrukturierungen

Die Diskussion um die Vorteilhaftigkeit oder Nachteilhaftigkeit eines speziellen Instruments des Corporate Restructuring unter steuerlichen Gesichtspunkten konzentriert sich in erster Linie auf die Frage, inwieweit es bei der Restrukturierungsmaßnahme zur Aufdeckung stiller Reserven588 und Generierung von (Veräußerungs-) Gewinnen kommt, die der allgemeinen Steuerpflicht auf Unternehmensebene (Gewerbesteuer, Körperschaftssteuer) unterliegen.589 Auch die situationsadäquate Gestaltung von Restrukturierungsmaßnahmen zur Vermeidung der Auflösung verdeckter Reserven und der Generierung steuerpflichtiger Gewinne spielt eine wesentliche Rolle für die erfolgreiche Durchführung einer Maßnahme.

588

Vgl. Odenthal (1999), S. 92.

589

Vgl. Seifert et al. (2000), S. 123.

178

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Grundlage der Analyse ist die Prämisse, dass im Falle einer Beteiligungsveräußerung die veräußernde Gesellschaft versuchen wird, die Veräußerungserlöse nach Steuern zu maximieren bzw. im Falle einer Umwandlung die Steuerbelastungen zu minimieren, während es dem Erwerber darauf ankommt, „den zu zahlenden Kaufpreis möglichst schnell einkommensmindernd geltend machen zu können“.590 Aus diesem Grund ist bei der Verhandlung von M&A-Transaktionen generell die steuerliche Situation sowohl des Unternehmens als Verkäufer als auch die des Erwerbers (andere Unternehmen, Altgesellschafter etc.) zu berücksichtigen.591 Bei einer Unternehmensumwandlung auf Basis des deutschen Umwandlungsrechts hat der übertragende Rechtsträger neben einer handelsrechtlichen Schlussbilanz (Übertragungsbilanz) eine Steuerbilanz zu erstellen.592 Bei der Bewertung der zu übertragenden Aktiva und Passiva besitzt die Obergesellschaft ein Bewertungswahlrecht.593 Die zu übertragenden Vermögensgegenstände können zu Buchwerten angesetzt werden, wenn sicher gestellt ist, dass die den Vermögensgegenständen inhärenten stillen Reserven beim übernehmenden Rechtsträger der Körperschaftssteuer unterliegen, und gleichzeitig die Gegenleistung für die Übertragung der Vermögensgegenstände ausschließlich in Gesellschaftsrechten besteht.594 Neben dem Buchwertansatz gibt das Umwandlungssteuergesetz der übertragenden Körperschaft die Möglichkeiten, die Vermögensgegenstände mit den Teilwerten oder Zwischenwerten (Wert zwischen Buchwert und Teilwert) anzusetzen.595

590

Eilers/Nowack (1998), S. 627. Vgl. auch Eilers (2002), S. 69.

591

Aufgrund der Verschiedenheit möglicher Käufergruppen sowie der gemachten grundsätzlichen Annahme, das desinvestive Corporate-Restructuring-Entscheidungen aus strategischen und nicht aus steuerlichen Motiven auf Seiten des restrukturierungswilligen Unternehmen getroffen werden, wird im Folgenden bei der Erörterung der steuerlichen Konsequenzen der verschiedenen Restrukturierungsinstrumente auf eine eingehende Analyse der steuerlichen Situation eines potenziellen Erwerbers verzichtet.

592

Vgl. § 15 Abs. 2 UmwStG. Zur der Notwendigkeit der Bilanzerstellung im Spaltungsfall, vgl. Hörtnagl (2001), Rz. 104 bis Rz. 110.

593

Zum Bewertungswahlrecht bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern, vgl. § 15 Abs. 1 i.V.m. § 11 UmwStG. Vgl. auch Schmitt (2001), Rz. 17 bis Rz.35.

594

Odenthal (1999), S. 217, weist darauf hin, dass bare Zuzahlungen und Barabfindungen als Gegenleistung ausgeschlossen sind, da hierdurch stille Reserven aufgedeckt werden.

595

Vgl. § 11 Abs. 2 UmwStG. Das Umwandlungssteuergesetz verlangt hierbei die Anwendung von Teil- oder Zwischenwerten, wenn die Voraussetzungen zur Anwendung des Buchwerts nicht gegeben sind. Ein Ansatz unter Buchwerten ist lediglich bei Teilwertabschreibungen möglich. Vgl. Schmitt (2001), Rz. 25.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

179

Im Folgenden werden nach einer Einführung in die Steuerthematik des Corporate Restructuring zunächst die steuerlichen Konsequenzen der bereits erörterten Restrukturierungsinstrumente, jeweils für Deutschland und die USA, dargestellt. Dabei wird in erster Linie Wert auf die Erörterung der Voraussetzungen, unter denen eine steuerneutrale Restrukturierung möglich ist, gelegt. Angesichts des komplexen Steuerrechts mit seiner Vielzahl an Einzelfallregelungen und Ausnahmefällen können hier lediglich die grundsätzlichen steuerlichen Überlegungen bei Restrukturierungsmaßnahmen behandelt werden. Die tatsächlichen steuerlichen Konsequenzen einer konkret geplanten Restrukturierungsmaßnahme sind im Einzelfall gesondert zu bestimmen, wobei insbesondere eventuell vorhandene Spielräume zu prüfen sind.596 5.4.2.1 Sell-off und Minority Sale

In den USA unterliegen sämtliche Gewinne, die Unternehmen aus Veräußerungen von Tochtergesellschaften, Beteiligungen und Unternehmensbereichen erzielen, einer grundsätzlichen Steuerpflicht. Werden beim Verkauf so genannter Capital Assets597 durch die Muttergesellschaft Gewinne realisiert, so werden diese mit der Capital Gains Tax belegt.598 Generell wird hierbei zwischen Short-term Capital Gains (Veräußerung eines Capital Asset innerhalb eines Jahres nach der Anschaffung) und Long-term Capital Gains (Besitzzeit länger als ein Jahr) unterschieden, wobei im zweiten Fall ein reduzierter Steuersatz zur Anwendung kommt.599 Die absolute Höhe der Kapitalgewinnsteuer ergibt sich aus der Differenz zwischen den Veräußerungserlösen und der Tax Basis (Steuerbemessungsgrundlage). Die Bemessungsgrundlage für einen Gegenstand des Betriebsvermögens ist in der Regel der Nettobuchwert des Vermögensgegenstands. Liegen die Erlöse für den Verkauf von Vermögensgegenständen über der Bemessungsgrundlage, so werden Ver-

596

Gerade aus diesen Gründen ist die Hinzuziehung von Experten (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte, Investmenthäuser etc.) zu Corporate-Restructuring-Maßnahmen unabdingbar.

597

Als Capital Assets definiert sind alle Wirtschaftsgüter mit Ausnahme von Waren, anderen zum geschäftsmäßigen Verkauf bestimmten Wirtschaftsgütern und daraus resultierenden Forderungen.

598

Selbstverständlich können steuerliche Verluste aus Verkaufstransaktionen ebenfalls steuerlich geltend gemacht werden. Eine Verrechnung ist jedoch nur mit Gewinnen aus Veräußerungstransaktionen möglich.

599

Die Capital Gains Tax Rate wird im Rahmen von Steuerentlastungs- bzw. –erhöhungsmaßnahmen in den USA regelmäßig haushaltspolitischen Anforderungen und Zielvorstellungen angepasst.

180

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

äußerungsgewinne realisiert, welche in voller Höhe mit der Kapitalgewinnsteuer zu belegen sind. Eventuelle Veräußerungsverluste können hingegen steuerlich geltend gemacht werden. Die gesetzlich geregelte Möglichkeit eines steuerneutralen Verkaufs einer Tochtergesellschaft, einer Beteiligung oder eines Unternehmensbereichs ist in den USA nicht gegeben. Dies schließt jedoch nicht die grundsätzliche Möglichkeit eines steuerneutralen Verkaufs im Einzelfall aus. Unter gewissen Umständen oder unter Zuhilfenahme komplexer vertraglicher Konstruktionen könnte in Einzelfällen eine Restrukturierungsmaßnahme durchaus ohne negative steuerliche Konsequenzen für das restrukturierende Unternehmen vollzogen werden. In Deutschland war bereits 1994/95 die Umstrukturierung von Unternehmen im Hinblick auf eine steuerneutrale Reorganisation durch eine Reform des Umwandlungssteuergesetzes erheblich erleichtert worden. 1999 wurden jedoch mit In-Kraft-Treten des Steuerentlastungsgesetzes Teile dieser Erleichterungen eingeschränkt bzw. unmöglich gemacht. Durch die Steuerfreistellung von Veräußerungsgewinnen bei der Veräußerung von Anteilen einer Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft600 wurden nach § 8 b Abs. 2 KStG ab 2002601 die wenigen im Umwandlungssteuergesetz definierten Wege einer steuerneutralen Unternehmensrestrukturierung um zahlreiche zusätzliche Möglichkeiten erweitert.602 Dieses Element der Steuerre-

600

Im Rahmen der Erörterung unternehmenskonzentrierender Instrumente der Portfoliorestrukturierung wurde bereits dargelegt, dass vor Durchführung einer Restrukturierungsmaßnahme i.d.R. die Schaffung einer rechtlich selbstständigen Tochter- oder Schwestergesellschaft ansteht, in die Vermögensteile der Obergesellschaft eingebracht werden. Die Emission von Tracking Stocks bildet hierbei eine Ausnahme, da der Unternehmensverbund beibehalten wird und es zu keinen Vermögensverschiebungen oder Änderungen der Eigentumsverhältnisse im Unternehmen kommt.

601

Wie die Expertengespräche gezeigt haben, versuchten zahlreiche Unternehmen durch geeignete Instrumente schon vor 2002 von der zukünftig vorteilhafteren steuerlichen Situation zu profitieren. Ziel war es hierbei, die Cashflows, die bei einer Restrukturierungsmaßnahme in der Zukunft generiert werden, direkt und unmittelbar, zeitlich vorgelagert, abzubilden, während die tatsächliche, zivilrechtlich begründete Maßnahme zur Restrukturierung ja erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen konnte. Im Rahmen des Unternehmensverkaufes und der in Aussicht gestellten Steuerfreiheit von Veräußerungsverlösen wurde dies durch Wandelanleihen oder gegenseitigen Put- und Call-Optionen zu erreichen versucht. Dabei stellte sich regelmäßig das Problem, dass zwar recht einfach ein unmittelbarer Cashflow vom Erwerber an den Veräußerer generiert werden konnte, der dem Verkaufspreis entsprach, aber es ziemlich problematisch war, dem Erwerber schon zu diesem Zeitpunkt die gleichen Zugriffsrechte auf das Betriebsvermögen einzuräumen, welche eine rechtliche Eigentümerschaft mit sich gebracht hätte.

602

Vgl. PWC Deutsche Revision (2000), S. 209.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

181

form ist besonders für den Verkauf von Tochterunternehmen und Beteiligungen (Sell-offs, Minority Sales) relevant, kann jedoch auch für die alternativen Restrukturierungsmaßnahmen positive Auswirkungen in steuerlicher Hinsicht haben. Vor InKraft-Treten des Steuersenkungsgesetzes unterlagen Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften den regulären Gewerbe- und Körperschaftssteuertarifen. Diese Tatsache was für die Attraktivität der Restrukturierungsalternative Sell-off wenig förderlich war und hemmte die Veräußerung von Kapitalbeteiligungen oder Tochterunternehmen bedeutend, unabhängig davon ob es sich um eine verlustträchtige Beteiligung handelte, oder um ein Gewinn bringendes Tochterunternehmen, dessen Veräußerung finanziell vielversprechend gewesen wäre. Ausnahmen stellten lediglich Veräußerungen von Anteilen an bestimmten ausländischen Gesellschaften dar, die durchaus steuerneutral gestaltbar waren und sind. Bei der Durchführung eines Sell-off als Share Deal (Verkauf durch Übertragung der Rechte an Vermögensgegenständen)603 werden durch die einschneidenden Änderungen im Steuersenkungsgesetz Veräußerungsgewinne ab 2002 (bzw. 2003, falls das Wirtschaftsjahr des betreffenden Unternehmens nicht dem Kalenderjahr entspricht) ungeachtet einer Mindestbeteiligungshöhe oder einer Aktivitätsklausel steuerfrei gestellt.604 Dies gilt, soweit die Anteile mindestens ein Jahr ununterbrochen zum Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft gehört haben und es sich nicht um einbringungsgeborene Anteile605 handelt.606 Die bereits für Personengesellschaften

603

Zur detaillierteren Erläuterung von Share Deal und Asset Deal, vgl. Kap. 5.4.1.1. Im Gegensatz zu einem Share Deal sind Veräußerungsgewinne, die aus einem Asset Deal resultieren, grundsätzlich steuerpflichtig. Angesichts der unbeschränkten Gewerbe- und Körperschaftspflicht und der wesentlich komplizierteren zivilrechtlichen Übertragung der Vermögensgegenstände gegenüber einem Share Deal dürfte diese Art des Unternehmensverkaufs zumindest für den Veräußerer wenig attraktiv sein. Aufgrund der im Vergleich mit Share Deals wesentlich geringeren Bedeutung von Asset Deals wird daher auf eine gesonderte Betrachtung der steuerlichen Konsequenzen von Asset Deals verzichtet.

604

Vgl. § 8 b Abs. 2 KStG.

605

Einbringungsgeborene Anteile sind gemäß der Definition des § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die durch Sacheinlage (z.B. Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil, einzelne Wirtschaftsgüter) nach § 20 Abs. 1-4 UmwStG erworben werden. Dabei muss der Wert der Sacheinlage zu dem Einlagezeitpunkt unterhalb des Teilwerts liegen. Das bedeutet, stille Reserven werden auf die neuen Anteile an der Kapitalgesellschaft (einbringungsgeboren) mit übertragen. Werden diese stillen Reserven aufgedeckt (Wertaufholung auf Antrag, Veräußerung der Anteile), so handelt es sich nicht mehr um einbringungsgeborene Anteile und der Veräußerungsgewinn ist unter Umständen zu versteuern. Einbringungsgeborene Anteile können nur dann steuerfrei veräußert werden, wenn sie sieben Jahre ununterbrochen zu dem Betriebsvermögen der veräußernden Kapitalgesellschaft gehört haben (§ 8 b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 KStG). Durch die Sperrfrist von sieben Jahren nach der Einbringung soll verhindert wer-

182

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

geltende Mindestbesitzzeit von einem Jahr wurde nun auch für Kapitalgesellschaften übernommen, da das normale Wertpapiergeschäft, wie jenes der Banken, weder hälftig noch vollständig steuerfrei gestellt werden sollte, was erhebliche Steuermindereinnahmen bewirkt hätte.607 Auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bleiben Gewinne (wie auch Verluste) aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ohne Berücksichtigung, das heißt, der eigentliche Betriebsgewinn608 wird durch Veräußerungstransaktionen nach § 8 b Abs. 2 KStG nicht beeinflusst. Die mögliche Steuerfreistellung bei Unternehmensverkäufen und -teilverkäufen stellt ein zentrales Element in der Wie-Entscheidung des Corporate Restructuring dar. Unter gewissen Umständen kann auch die Veräußerung von einbringungsgeborenen Anteilen steuerfrei erfolgen. Die möglichen Ausprägungen der Variablen Behaltenszeit und Qualität von Gesellschaftsanteilen sind aus Tabelle 5-1 ersichtlich. Eine Ausnahme stellt jedoch die Einbringung von mehrheitsvermittelnden Beteiligungen an Kapitalgesellschaften dar. Werden diese Anteile eingebracht, und nicht ganze Betriebe, Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile, so erlauben die gesetzlichen Regelungen nach § 8 b Abs. 2 KStG die Veräußerung sowohl der eingebrachten Anteile wie auch der einbringungsgeborenen Anteile an der Gesellschaft, in welche die mehrheitsvermittelnde Beteiligung eingebracht wurde.

den, dass Unternehmen Vermögensgegenstände mit hohen stillen Reserven (wie bspw. Grundstücke) zum Buchwert in eine Kapitalgesellschaft einbringen und diese unmittelbar anschließend steuerfrei veräußern. 606

Vgl. § 8 b Abs. 4 KStG.

607

Vgl. PWC Deutsche Revision (2000), S. 65.

608

Vgl. § 7 GewStG.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

183

Umwandlung nach § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG609

Einbringungswert < Einbringungswert Teilwert ≥ (Einbringungsgeborene Anteile) Teilwert

Verschmelzung

Verschmelzung mit vorheriger Einbringung unter Teilwert (Einbringungsgeborene Anteile)

Behaltenszeit < 1 Jahr

Steuerpflichtig (§ 8 b Abs. 2 Satz 1 KStG)

Steuerpflichtig Steuerpflichtig Steuerpflichtig (§ 8 b Abs. 4 (§ 8 b Abs. 4 Nr. 1 (§ 8 b Abs. 4 Satz Satz 2 Nr. 2 TS 2 KStG) 2 Nr. 2 TS 2 KStG) KStG)

Behaltenszeit 1-7 Jahre

Steuerfrei610 (§ 8 b Abs. 2 Satz 1 KStG)

Steuerpflichtig611 Steuerfrei (§ 8 b Abs. 4 Nr. 1 (§ 8 b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG) KStG)

Steuerpflichtig (§ 8 b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 TS 2 KStG)

Behaltenszeit > 7 Jahre

Steuerfrei (§ 8 b Abs. 2 Satz 1 KStG)

Steuerfrei (§ 8 b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 KStG)

Steuerfrei (§ 8 b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG)

Steuerfrei (§ 8 b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG)

Tabelle 5-1: Besteuerung von Veräußerungserlösen nach dem Körperschaftssteuergesetz

Es ist zu dem Schluss zu kommen, dass die Steuerfreistellung von Veräußerungsgewinnen bei Kapitalgesellschaften unter erfüllbaren Voraussetzungen nach § 8 b Abs. 2 KStG Deutschland einen bedeutenden Vorteil gegenüber den USA bei der Gestal-

609

§ 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG regelt die Einbringung von Anteilen an Kapitalgesellschaften an anderen Kapitalgesellschaften auf Ebene der Beteiligungsunternehmen.

610

Nach § 8 b Abs. 2 Satz 2 KStG kann keine Steuerfreiheit gewährt werden, falls „der Anteil in früheren Jahren steuerwirksam auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben und die Gewinnminderung nicht durch den Ansatz eines höheren Wertes ausgeglichen worden ist“.

611

Dies gilt nur für die Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen in andere Kapitalgesellschaften gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten. Für einzelne Wirtschaftsgüter gilt diese Regelung nicht. Daher kann es von Vorteil sein, einzelne Wirtschaftsgüter mit hohen stillen Reserven vor dem Verkauf in eine Kapitalgesellschaft einzubringen, und deren Gesellschaftsanteile nach einjähriger Behaltensfrist steuerfrei im Rahmen eines Share Deal zu verkaufen.

184

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

tung von Corporate-Portfolio-Restructuring-Maßnahmen beschert. HILLEBRANDT konnte in Vergleichs- und Kontrollrechnungen feststellen, dass sich durch das Steuersenkungsgesetz tatsächlich eine Entscheidungsänderung bei der Gegenüberstellung der Option „Halten“ und der Option „Verkauf“ ergeben kann: „Die Analyse zeigt, dass die Steuerfreiheit von Veräußerungserlösen unter Berücksichtigung der geänderten Körperschaftssteuersätze in Grenzfällen tatsächlich dazu führen kann, dass Beteiligungen, für die unter Wertsteigerungsgesichtspunkten bisher eine Weiterführung wirtschaftlich sinnvoll war, jetzt zu Desinvestitionsobjekten werden.“612 Angesichts der Tatsache, dass die Steuerfreiheit von Veräußerungserlösen nach § 8 b Abs. 2 KStG seit Januar 2002 tatsächlich eine Entscheidungsänderung bei der Bewertung von Beteiligungen und Geschäftsfeldern eines Unternehmens bringen kann,613 stellt sich die Frage, ob vom Steuersenkungsgesetz auch Erwerbsanreize seitens der Investoren ausgehen. HILLEBRANDT kommt bei einer beispielhaften investitionsrechnerischen Analyse der durch die Steuerreform ausgelösten Anreize zum Erwerb von Unternehmen, Geschäftsbereichen und Beteiligungen zu vergleichbaren Ergebnissen wie bei der Analyse der Desinvestitionsanreize: „In beiden Fällen wird somit eine vor der Steuerreform nicht vorteilhafte Beteiligungstransaktion durch die Steuerfreiheit von Veräußerungserlösen sinnvoll.“614 Es ist daher zu erwarten, dass diese zusätzliche Preisbereitschaft beim Erwerb von Eigentumsanteilen an Kapitalgesellschaften durch Kapitalgesellschaften ebenfalls einen positiven Effekt auf den Markt für Unternehmensbeteiligungen haben wird und sich die Anzahl von M&ATransaktionen erhöhen wird. Desinvestitionsanreize seitens der Unternehmen wie Akquisitionsanreize auf Investorenseite dürften daher zu einer steigenden Zahl an Corporate-Portfolio-Restructuring-Maßnahmen führen. Auch wenn die steuerliche Situation als ein wesentliches Element in der Diskussion von Restrukturierungsentscheidungen anzusehen ist, sollte diese dennoch von den Restrukturierungsursachen und der Entscheidung, eine Corporate-RestructuringMaßnahme durchzuführen (Ob-Entscheidung), strikt getrennt werden. Ohne Zweifel gab die Unternehmenssteuerreform in Deutschland, vor allem durch die grundsätzli-

612

Hillebrandt (2001), S. 717.

613

Vgl. Hillebrandt (2001), S. 717.

614

Vgl. Hillebrandt (2001), S. 718. HILLEBRANDT weist jedoch einschränkend darauf hin, dass in den gemachten Vergleichsrechungen die Neuregelung der Abschreibungsregelungen sowie die eingeschränkte Abzugsfähigkeit von Finanzierungskosten beim Erwerber nicht berücksichtigt wurden.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

185

che Steuerneutralität von Veräußerungserlösen, 2002 wesentliche Impulse zur Entflechtung von hoch diversifizierten Konglomeraten und beteiligungsreichen Kreditinstituten. Eine Desinvestitionsentscheidung beruht prinzipiell an vorderster Stelle auf unternehmerischen Überlegungen zur Unternehmensstruktur, Wettbewerbsfähigkeit oder Unternehmensstrategie. Die steuerliche Situation, konkreter eine Änderung der Unternehmensbesteuerung, kann anschließend als geeignete Timing-Variable dienen, um den optimalen Desinvestitionszeitpunkt zu ermitteln. Dies gilt insbesondere für Unternehmen und Konzerne, welche die Veräußerung einer Tochtergesellschaft oder einer Beteiligung planen, welche zwar keine hohen Gewinne generiert, aber gleichzeitig keine Verluste schafft. Die Obergesellschaften können in diesen Fällen daher ohne Weiteres eine zukünftig vorteilhaftere steuerliche Situation, soweit in Aussicht, abwarten. 5.4.2.2 Equity Carve-out und Subsidiary IPO

Voraussetzung für den Verkauf von Anteilen im Rahmen eines Equity Carve-out ist das Vorhandensein einer selbstständigen Gesellschaft,615 an welche die Obergesellschaft zuvor Vermögensgegenstände ausgegliedert hat.616 Diese Ausgliederung617 kann in den USA unter der Voraussetzung, dass der übertragende Rechtsträger nach der Transaktion mindestens 80% des Stammkapitals der empfangenden Gesellschaft besitzt, steuerneutral durchgeführt werden. Hält der übertragende Rechtsträger nach der Übertragung weniger als 80% der Anteile am empfangenden Rechtsträger, so führt dies im US-amerikanischen Steuerrechtssystem zu Realisierung von steuerlich relevanten Gewinnen oder Verlusten. Bei diesem so genannten Section 351 Transfer618 müssen außerdem von der empfangenden Gesellschaft die übertragenen Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert fortgeführt werden, wodurch eine spätere Besteuerung bei einer Wertaufholung gewährleistet wird.619 Nach Vollzug des Transfers der

615

Es kann sich hierbei um eine neu gegründete oder bereits bestehende Tochtergesellschaft handeln.

616

Vgl. hierzu die in Deutschland mögliche Vorgehensweise auf Basis des Umwandlungsgesetzes, wie in Kap. 5.4.1.2.1 dargestellt.

617

Man spricht in den USA auch von einem so genannten „Asset Drop-Down“.

618

Die Bezeichnung leitet sich von der steuerrechtlich relevanten Definition einer Ausgliederung in den USA ab, die sich in Sec. 351 (Transfer to Corporation Controlled by Transferor) des Internal Revenue Code findet.

619

Da in den USA auch die neu geschaffenen Gesellschaftsanteile auf Basis dieser Buchwerte bewertet werden, werden die Buchwerte zusätzlich auch beim übertragenden Rechtsträger weiter geführt. Es kommt somit zu einer Verdopplung der stillen Reserven.

186

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Wirtschaftsgüter und dem Ausgleich in Gesellschaftsanteilen kann die Tochtergesellschaft eine Kapitalerhöhung vornehmen und die neu geschaffenen Anteile über den organisierten Kapitalmarkt verkaufen. Bei diesem Primary Equity Carve-out620 handelt es sich um eine Transaktion ohne direkte steuerliche Konsequenzen für die Ursprungsgesellschaft oder die Tochtergesellschaft. Anders hingegen sind in den USA Gewinne oder Verluste, die durch die Veräußerung eines Gegenstands des Anlagevermögens durch ein Unternehmen (beispielsweise der Anteile an einer Tochtergesellschaft im Rahmen eines Secondary Carveouts) entstehen, grundsätzlich mit der Kapitalgewinnsteuer (Capital Gains Tax) belegt.621 Der steuerrechtliche Gewinn oder Verlust der Transaktion bemisst sich anhand der Differenz zwischen den Emissionserlösen und der Steuerbemessungsgrundlage (Tax Basis). Analog zum Sell-off ist als Steuerbemessungsgrundlage der bei der Muttergesellschaft ausgewiesene Bilanzwert der Anteile an der Tochtergesellschaft heranzuziehen. Übersteigen die Emissionserlöse beim Secondary Carve-out diesen Buchwert, so entsteht ein Veräußerungsgewinn, der mit der Kapitalgewinnsteuer zu versteuern ist. Unter deutschem Recht stellt die im Umwandlungsgesetz geregelte Möglichkeit der Ausgliederung von Vermögensteilen einer Gesellschaft (Obergesellschaft) an eine andere Gesellschaft (Tochtergesellschaft) den ersten Schritt zur Durchführung eines Equity Carve-out dar.622 Aus dem Vermögen einer Kapitalgesellschaft können ganze Betriebe, Teilbetriebe und Mitunternehmeranteile ausgegliedert werden. Außerdem können Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften ausgegliedert werden, solange die übernehmende Kapitalgesellschaft unmittelbar nach der Ausgliederung „über die Mehrheit der Stimmrechte an der Kapitalgesellschaft, deren Anteile übergehen, verfügt“.623 Das deutsche Umwandlungssteuergesetz bietet die Möglichkeit einer steuerneutralen Ausgliederung unter den Voraussetzungen, dass

620

Zur Definition von Primary und Secondary Equity Carve-outs, vgl. Kap. 3.3.

621

Vgl. Hierzu auch die Ausführungen zur steuerlichen Situation von Sell-offs in den USA, Kap. 5.4.2.1.

622

Vgl. Kap. 5.4.1.2.1.

623

Eilers/Nowack (1998), S. 708 f.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

187

1. die Buchwerte durch die übernehmende Kapitalgesellschaft fortgeführt werden,624 und 2. die stillen Reserven der erhaltenen, einbringungsgeborenen Anteile durch die übertragende Kapitalgesellschaft fortgeführt werden,625 das heißt, die erhaltenen Anteile müssen mit den Buchwerten der übertragenen Vermögensgegenstände aktiviert werden. Damit kommt es zu einer „Verdopplung“ der stillen Reserven durch die Ausgliederungstransaktion, da sowohl die übertragende wie auch die empfangende Gesellschaft die stillen Reserven der Vermögensgegenstände bzw. der Anteile fortführen.626 Im Gegensatz zu Abspaltungen (Spin-offs, Split-offs) stellen die Voraussetzungen zur Erreichung der Steuerneutralität bei einer Ausgliederung die Unternehmen in der Realität vor keine allzu großen Hürden. Der eigentlichen Ausgliederung schließt sich bei einem Equity Carve-out definitionsgemäß die Börseneinführung der Anteile jener Kapitalgesellschaft an, die Vermögensgegenstände im Zuge einer Ausgliederung von einer anderen Kapitalgesellschaft erhalten hat. In steuerlicher Hinsicht ist es dabei von erheblicher Bedeutung, ob die Anteile, die im Rahmen des Going Public emittiert werden, aus dem Altvermögen der Muttergesellschaft stammen (Secondary Carve-out) oder aus einer Kapitalerhöhung bei der neuen Kapitalgesellschaft (Primary Carve-out). Während bei einem Primary Carve-out durch die Kapitalerhöhung keinerlei Veräußerungsgewinne anfallen, sondern lediglich Emissionserlöse entstehen, die dem Emittenten zufließen, können bei einem Secondary Carve-out Veräußerungsgewinne entstehen, die im Prinzip der Gewerbe- und Körperschaftssteuer zu unterlegen sind. Veräußerungsgewinne entstehen dann, wenn die Emissionserlöse höher sind als der Buchwert der Anteile beim Veräußerer der Anteile. Da jedoch mit der Steuerreform 2001 die Gewinne aus der Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen - unter gemeinhin als erfüllbar anzusehenden Voraussetzungen – steuerfrei sein können,627 gilt es auch bei der Veräußerung von Beteiligungsanteilen über den Kapital-

624

Vgl. § 20 Abs. 2 UmwStG.

625

Vgl. § 20 Abs. 4 UmwStG.

626

Vgl. Eilers/Nowack (1998), S. 709.

627

Vgl. die Ausführungen in Kap. 5.4.2.1.

188

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

markt genauestens zu prüfen, ob nicht die Voraussetzungen für eine steuerfreie Veräußerung erfüllt sind. Die Voraussetzungen, dass ein Secondary Carve-out steuerneutral erfolgen kann, sind damit - in Bezug auf die Börseneinführung und nicht die eigentliche Ausgliederung - die gleichen wie bei einem Sell-off. Sollte der Status der Steuerneutralität nicht erreicht werden, sind bei einem Secondary Carve-out die Veräußerungsgewinne aus der Emission in vollem Umfang gewerbe- und körperschaftssteuerpflichtig. Die steuerrechtlichen Regelungen zur Ausgliederung von Wirtschaftsgütern an Tochtergesellschaften (als erstem Schritt des Equity Carve-out) in Deutschland sind vergleichbar mit jenen in den USA. In beiden Ländern lassen sich die Voraussetzungen zur Steuerneutralität erfüllen. Anders hingegen ist die Situation bei der Gestaltungsvariante des Secondary Equity Carve-out. Hier erreicht Deutschland, wie bereits beim Corporate-Restructuring-Instrument Sell-off geschildert, mit der Steuerfreistellung von Veräußerungserlösen eine wesentlich bessere Position im internationalen Vergleich. 5.4.2.3 Joint Venture

Die Bewertung der steuerrechtlichen Konsequenzen der Schaffung von Joint Ventures gestaltet sich dahingehend schwierig, dass diese Art von Gemeinschaftsunternehmen in den unterschiedlichsten Rechtsformen ausgestaltet werden kann. Ausschlaggebend können ebenfalls einzelne Regelungen des Joint-Venture-Vertrages sein. Insbesondere bei Joint Ventures mit Auslandsbezug, das heißt internationalen Gemeinschaftsunternehmen, spielen die Rechtsformen der Joint-Venture-Partner, deren Standorte sowie die Eigentümerstruktur bzw. die Stimmrechtsverteilung des Joint Venture bei der Bewertung der steuerlichen Situation eine Rolle. Nicht zuletzt ist hierbei auch die Vorgehensweise bei der Gründung des Joint Venture von Bedeutung. Für die Schaffung von Equity Joint Ventures in den USA kommen die Regelungen zur Übertragung von Wirtschaftsgütern an Tochtergesellschaften und die Regelungen von Sec. 351 des Internal Revenue Code zur Anwendung, die bei Ausgliederungen im Vorfeld von Equity Carve-outs angewendet werden.628 Die Schaffung eines Ge-

628

Vgl. hierzu Kap. 5.4.2.2.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

189

meinschaftsunternehmens kann damit unter gewissen Voraussetzungen steuerneutral erfolgen. Die Schaffung eines Equity Joint Venture629 durch mindestens zwei Kapitalgesellschaften in Deutschland unterscheidet sich ebenfalls nicht wesentlich von einer Ausgliederung. Corporate-Restructuring-Maßnahmen, die als Ziel die Schaffung eines Joint Venture haben, können daher unter gewissen Voraussetzungen unter Anwendung des Umwandlungsgesetzes steuerneutral durchgeführt werden. Abschließende Schlussfolgerungen zur steuerlichen Situation bei der Schaffung von Joint Ventures sind aufgrund der Vielfältigkeit der in der Realität existierenden Gemeinschaftsunternehmen nicht möglich. Wie die Praxis zeigt, ist jedoch die steuerneutrale Schaffung von Joint Ventures unter gewissen Voraussetzungen prinzipiell möglich. Nicht außer Acht gelassen werden darf allerdings, dass gerade bei der Schaffung von Joint Ventures in der Regel strategische Aspekte, wie beispielsweise der Eintritt in einen neuen geographischen Markt oder das Teilen von Know-how, im Vordergrund der Restrukturierungsentscheidung stehen. 5.4.2.4 Spin-off, Split-off und Split-up

Bei der Auf- und Abspaltung630 von Unternehmen können sich steuerliche Konsequenzen auf zwei bedeutenden Ebenen ergeben: auf Gesellschaftsebene (Unternehmen) und auf Gesellschafterebene (Aktionär). Gewinne und Verluste von Unternehmen in den USA unterliegen grundsätzlich der Corporate Income Tax (vergleichbar mit der deutschen Körperschaftssteuer). Das Individualeinkommen von natürlichen Personen unterliegt hingegen der Personal Income Tax (vergleichbar mit der deutschen Einkommenssteuer). Da Auf- und Abspaltungen von Unternehmen Ausschüttungen an die Anteilseigner nach sich ziehen, und diese Ausschüttungen in der Regel von der Personal Income Tax betroffen sind, ist es von Bedeutung, auch die steuerlichen Konsequenzen seitens der Anteilseigner zu betrachten. Dieser steuerliche Aspekt einer Corporate-Restructuring-Maßnahme darf jedoch nicht überbewertet werden, da Restrukturierungsmaßnahmen das Ergebnis eines Entscheidungs-

629

Zur Definition von Equity Joint Ventures, vgl. Kap. 3.3.2.

630

Zur Definition von Spin-offs, Split-offs und Split-ups, vgl. Kap. 3.3.3, 3.3.4 und 3.3.5; zu deren Verwirklichung im deutschen Rechtssystem, vgl. Kap. 5.4.1.2.3, 5.4.1.2.4 und 5.4.1.2.5.

190

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

prozesses auf Unternehmensebene sind und sich daher wenig an der steuerlichen Individualsituation des Investors orientieren werden. Prinzipiell wird in den USA durch Sec. 355 des Internal Revenue Code (IRC) die Möglichkeit einer sowohl auf Gesellschaftsebene wie auch auf Gesellschafterebene steuerneutralen Auf- und Abspaltung von Unternehmen geschaffen.631 Die Anwendung von Sec. 355 IRC ist an die grundsätzliche Bedingung geknüpft, dass es sich bei der auszukehrenden Tochtergesellschaft um eine von der Muttergesellschaft beherrschte Gesellschaft handelt. Von einer beherrschten Gesellschaft wird in den USA dann ausgegangen, wenn die Muttergesellschaft mindestens 80% der Stimmrechte und des Kapitals der Tochtergesellschaft auf sich vereinen kann.632 Ist das Kriterium der Beherrschung erfüllt, so sind die Voraussetzungen für eine steuerneutrale verhältniswahrende Auskehrung seitens der Gesellschaft und der Anteilseigner die Folgenden: • Es darf sich nicht um eine verdeckte Gewinnausschüttung handeln, sondern muss das Ergebnis betriebswirtschaftlicher Überlegungen sein.633 • Es müssen mindestens 80% der Anteile an der Tochtergesellschaft ausgekehrt werden, sodass keine Beherrschung durch die Muttergesellschaft mehr möglich ist.634

631

Die steuerrechtlich relevante Definition von Spin-offs, Split-offs und Split-ups (einer so genannten „D Reorganization“) in den USA ergibt sich aus Sec. 368 IRC: „the term „reorganization“ means – [...] (D) a transfer by a corporation of all or a part of its assets to another corporation if immediately after the transfer the transferor, or one or more of its shareholders (including persons who were shareholders immediately before the transfer), or any combination thereof, is in control of the corporation to which the assets are transferred; but only if, in pursuance of the plan, stock or securities of the corporation to which the assets are transferred are distributed in a transaction which qualifies under section 354, 355, or 356”.

632

Vgl. Sec. 368 (c) IRC: „the term „control“ means the ownership of stock possessing at least 80 percent of the total combined voting power of all classes of stock entitled to vote at least 80 percent of the total number of shares of all other classes of the stock corporation”.

633

Vgl. Sec. 355 (a) (1) IRC: „the transaction was not used principally as a device for the distribution of the earnings and profits of the distributing corporation or the controlled corporation or both […]”.

634

Vgl. Sec. 355 (a) (1) IRC: „the distributing corporation distributes all of the stock and securities in the controlled corporation held by it immediately before the distribution, or an amount of stock in the controlled corporation constituting control”.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

191

• Sowohl die auskehrende Muttergesellschaft wie auch die ausgekehrte Tochtergesellschaft müssen ihr unternehmerisches Engagement nach dem Spin-off fortsetzen.635 • Sowohl die auskehrende Muttergesellschaft wie auch die ausgekehrte Tochtergesellschaft müssen vor dem Spin-off mindestens fünf Jahre bestanden haben.636 • Die beherrschte (Tochter-)Gesellschaft darf in diesem Zeitraum weder in einer steuerpflichtigen Transaktion erworben worden sein noch darf sich die beherrschte Gesellschaft unter Führung einer anderen durch die Muttergesellschaft beherrschten (Tochter-)Gesellschaft gestanden haben, die in einer steuerpflichtigen Transaktion erworben worden war.637 In den USA ist die Durchführung einer steuerneutralen Aufspaltung oder Abspaltung von Unternehmen bei Erfüllung der Voraussetzungen des Sec. 355 IRC demnach prinzipiell möglich. Dass Auf- und Abspaltungen von Unternehmen, insbesondere in Form eines Spin-offs, in den USA in der Realität auch tatsächlich steuerneutral durchgeführt werden, lässt darauf schließen, dass die rechtlichen Voraussetzungen zum Erreichen der Steuerneutralität einer Corporate-Restructuring-Maßnahme (hier im Speziellen des Spin-off) erfüllbar sind und die Unternehmen nicht vor unüberbrückbare Probleme stellen. Die Regelungen des IRC sind zudem in gewissen Punkten wenig konkret, was den Unternehmen einen Spielraum bei der Gestaltung und der Begründung einer derartigen Restrukturierungsmaßnahme einräumt.638 Diese Flexibilität ist auch dahingehend von Relevanz, dass es für verwandte Instrumente des Corporate Restructuring, das heißt für Split-offs und Split-ups, keine eigenständige rechtliche Grundlage gibt und sich Regelungen der steuerlichen Behandlung dieser Instrumente in der Regel von den IRC-Regelungen zum Spin-off ableiten.

635

Vgl. Sec. 355 (b) (1) IRC: „only if [...] the distributing corporation, and the controlled corporation […], is engaged immediately after the distribution in the active conduct of a trade or business“.

636

Vgl. Sec. 355 (b) (2) IRC: „trade or business has been actively conducted throughout the 5-year period ending on the date of the distribution”.

637

Vgl. Sec. 355 (b) (2) IRC.

638

Allerdings scheinen einzelne Regelungen von Sec. 355 IRC bzw. Sec. 368 IRC ohne ökonomisch-rechtliche Grundlage willkürlich gewählt, wie bspw. die fünfjährige Aktivitätsklausel.

192

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

In Deutschland greift das Steuerrecht die drei Möglichkeiten der Unternehmensspaltung des Gesellschaftsrechts auf und unterscheidet ebenfalls die Aufspaltung (Splitup), die Abspaltung (Spin-off, Split-off) und die Ausgliederung (im Zusammenhang mit einem Equity Carve-out). Die steuerneutrale Spaltung von Kapitalgesellschaften639 wird grundsätzlich im Umwandlungssteuergesetz geregelt.640 Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine steuerneutrale Auf- (Split-up) oder Abspaltung (Spin-off, Split-off) sind in § 15 UmwStG geregelt. Sie verlangen 1. die Anwendung des Umwandlungsgesetzes (UmwG), 2. die unbeschränkte Körperschaftssteuerpflicht aller an der Transaktion beteiligten Kapitalgesellschaften,641 3. die Übertragung eines Teilbetriebs (Teilbetriebsbedingung),642 4. die Fortsetzung des unternehmerischen Engagements des übertragenen Teilbetriebs durch die übernehmende Kapitalgesellschaft und die Einhaltung der Missbrauchsvorschriften nach § 15 Abs. 3 Sätze 2 bis 5 UmwStG:643 5. Durch die Spaltung darf nicht eine Veräußerung an außen stehende Personen vollzogen werden.

639

Eine steuerneutrale Unternehmensspaltung außerhalb des Umwandlungsgesetzes und des Umwandlungssteuerrechts ist in der Praxis nahezu unmöglich.

640

Vergleichbar dem Umwandlungsgesetz nimmt sich das Umwandlungssteuerrecht ebenfalls nicht Unternehmensverkäufen (Sell-offs) und Geschäftsbereichsaktien (Tracking Stocks) an. Allerdings sind diese beiden Restrukturierungselemente bereits durch das Körperschaftssteuergesetz steuerlich weitestgehend geregelt, wenn auch im Falle von Tracking Stock nicht unter ausdrücklicher Verwendung der Begriffe Tracking Stock, Targeted Stock oder Geschäftsbereichsaktien.

641

Mit dieser Voraussetzung ist eine grenzüberschreitende Unternehmensabspaltung im Rahmen des Umwandlungs(steuer)gesetzes steuerneutral unmittelbar nicht möglich. Allerdings sind durchaus Lösungswege denkbar, bei denen der Teilbetrieb zunächst gegen Gewährung von Anteilen in eine selbstständige Kapitalgesellschaft steuerneutral eingebracht werden und diese Anteile dann an die Gesellschafter ausgekehrt wird.

642

Als Teilbetrieb definiert ist „ein mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteter, organisatorischer Teil des Gesamtbetriebs [..], der für sich lebensfähig ist.“ Vgl. hierzu Eilers/Nowack (1998), S. 631 f. Zur Teilbetriebsdefinition, vgl. Hörtnagl (2001), Rz. 47 bis Rz. 74.

643

Zu einer Kommentierung der Missbrauchsvorschriften, vgl. Hörtnagl (2001), Rz. 127 bis Rz. 231

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

193

6. Durch die Spaltung dürfen nicht die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden (Fünf-Jahres-Frist). Das heißt, sollten binnen fünf Jahre nach der Spaltung mehr als 20% der zu dem Spaltungszeitpunkt existierenden Anteile der übertragenden oder der übernehmenden Gesellschaft(en) veräußert werden, ist davon auszugehen, dass durch die Spaltung die Voraussetzungen für einen Verkauf geschaffen wurden. In diesem Fall tritt eine nachträgliche Steuerpflicht ein.644 7. Die Beteiligungen an der übertragenden Gesellschaft müssen mindestens fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag bestanden haben. 8. die Sicherstellungen der Besteuerung stiller Reserven bei den übertragenen Vermögenswerten durch Fortführung der Buchwerte, und 9. die Gegenleistungen ausschließlich in Gesellschaftsrechten. Die Möglichkeiten einer steuerneutralen Auf- oder Abspaltung (und damit die Durchführung von Spin-offs, Split-offs und Split-ups) in Deutschland werden durch diese Voraussetzungen erheblich beschränkt. Insbesondere die Missbrauchsvorschrift, die verhindern soll, dass durch eine Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden, macht eine steuerneutrale Auf- oder Abspaltung in Deutschland nahezu unmöglich: Eine börsennotierte Aktiengesellschaft wird selten in der Lage sein, diese Veräußerungssperre (maximaler Umschlag von Gesellschaftsanteilen von 20% binnen fünf Jahre nach der Spaltung) einzuhalten. Die Regelungen des Umwandlungsgesetzes zur Erreichung der Steuerneutralität bei Corporate-

644

Diese fünfjährige Sperrfrist steht in gewissem Widerspruch zu den Regelungen des Körperschaftssteuergesetzes, nach denen einbringungsgeborene Anteile unter Umständen erst nach sieben Jahren steuerfrei veräußert werden können.

194

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Restructuring-Maßnahmen durch Spin-offs, Split-offs645 und Split-ups entsprechen daher faktisch einer Spaltungssperre646. Das strikte Veräußerungsgebot wird gemeinhin als unverhältnismäßig betrachtet und führt regelmäßig zu Auslegungsschwierigkeiten.647 Die Missbrauchsvorschrift zielt zwar auf geplante Veräußerungen ab, lässt jedoch die Möglichkeit außer Acht, dass eine wirtschaftliche Zwanglage nachträglich eintreten kann648 und von dem Unternehmen die Veräußerung von Anteilen zur Sicherung des Fortbestands des Unternehmens fordert. Die hochgesteckten Voraussetzungen zum Erreichen der Steuerneutralität dürften ein wesentlicher Grund dafür sein, dass das Restrukturierungsinstrument Spin-off in Deutschland „in der Unternehmenspraxis [...] kaum Beachtung gefunden“ hat.649 Die steuerneutrale Durchführung von Spin-offs, Split-offs und Split-ups in Deutschland ist zwar nicht Prinzipiell ausgeschlossen, in der Praxis jedoch nur sehr schwer realisierbar. Dass die grundsätzliche Möglichkeit einer steuerneutralen Durchführbarkeit eines Spin-offs in Deutschland besteht zeigt das Beispiel der Takkt AG, einem Spin-off des Geschäftsbereichs Versandhandel der Gehe AG (Spaltungsstichtag 30. Juni 1999). Damals erhielten die Altaktionäre der Gehe AG verhältniswahrend Anteile an der Takkt AG, welche wiederum ab dem 15. September 1999 an der Börse notiert wurden.

645

Es ist zu berücksichtigen, dass Split-offs weder im Umwandlungsgesetz noch im Umwandlungssteuergesetz gesetzlich geregelt sind. Ebenso wie für die zivilrechtliche Durchführung ein Split-offs keine normativen Richtlinien gegeben sind, lassen sich daher auch für die steuerrechtlichen Konsequenzen lediglich mögliche Schlussfolgerungen aus der prinzipiellen Vorgehensweise ableiten. Da es sich jedoch um eine Unternehmensabspaltung im eigentlichen Sinne handelt, werden Split-off-Transaktionen zumindest in einem ersten Schritt auf das Umwandlungsgesetz zurück greifen, um die Abspaltung zivilrechtlich zu vollziehen und die Möglichkeit einer steuerneutralen Abspaltung zu wahren. Zumindest hier setzt das Umwandlungsteuergesetz mit den Regelungen zur Unternehmensspaltung an.

646

Hörtnagl (2001), Rz. 131, spricht abgemildert von einer „Spaltungsbremse”.

647

Vgl. Eilers/Nowack (1998), S. 713; Hörtnagl (2001), Rz. 131. Odenthal (1999), S. 95, ist hier anderer Meinung: „Insbesondere im Hinblick auf die Teilung von Unternehmen lässt sich herausstellen, dass Steuerneutralität als eine weitgehend praktische Vorbedingung für eine solche Transaktion gewährleistet werden kann.“

648

Vgl. zu diesem Problem Seifert et al. (2000), S. 123.

649

Schultze (1998), S. 3.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

195

Angesichts der Tatsachen, dass eine Auf- oder Abspaltung außerhalb des Umwandlungsgesetztes mit erheblichen Problemen verbunden ist, und die Voraussetzungen zum Erreichen der Steuerfreiheit auf Grundlage des Umwandlungssteuergesetzes sehr hoch sind, scheint die Unternehmensauf- oder -abspaltung nach den Gesetzesvorgaben wenig attraktiv für die Restrukturierung von Unternehmen zu sein. Einen Ausweg könnte unter Umständen der Umweg über eine steuerfreie Veräußerung sein. Zur Erreichung der gleichen Situation wie bei einem Spin-off werden allerdings zahlreiche, teilweise komplizierte, Einzeltransaktionen notwendig sein, die zeitintensiv und mit Kosten verbunden sind. Eventuelle Behaltefristen gilt es zudem auch bei dieser Vorgehensweise zu beachten. 5.4.2.5 Tracking Stock

Wie bereits erörtert wurde, handelt es sich bei Tracking Stock650 um eine spezielle Aktiengattung, die zwar eine rechtliche Anteilseignerschaft am emittierenden Gesamtunternehmen impliziert, deren Gewinnbezugsrecht sich jedoch auf die wirtschaftliche Entwicklung eines genau abgegrenzten, wirtschaftlich aber unselbstständigen Unternehmensbereichs bezieht. Allgemein gültige Aussagen zur Besteuerung von Tracking-Stock-Restrukturierungen in den USA sind aufgrund der Verschiedenartigkeit der bisher emittierten Tracking Stocks nur in begrenztem Ausmaß möglich. Prinzipiell sind nur sehr wenige Ansatzpunkte für eine mögliche Besteuerungsgrundlage gegeben: Tracking-Stock-Transaktionen bedeuten weder eine Verschiebung von Vermögensverhältnissen innerhalb eines Unternehmens bzw. innerhalb eines Unternehmensverbunds, noch eine unmittelbare Veräußerung von Vermögenswerten (Wirtschaftsgüter, Gesellschaftsanteile), aus denen besteuerbare Gewinne oder Verluste resultieren könnten. Letztendlich ist die Existenz einer Tax Basis jedoch nicht prinzipiell ausgeschlossen, da Tracking Stocks mit den verschiedensten Merkmalen ausgestattet sein können, die durch ihre Kombination und Ausstattung eine Einzelfallprüfung unerlässlich machen. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelungen zur Durchführung einer TrackingStock-Emission in Deutschland und der daraus resultierenden Notwendigkeit, Tracking-Stock-Emissionen in Anlehnung an das Aktiengesetz zu gestalten, lassen sich nur sehr schwer wahrscheinliche steuerliche Konsequenzen einer Ausgabe von Tra-

650

Vgl. zur Definition des Restrukturierungsinstruments Tracking Stock die Ausführungen in Kap. 3.3.6.

196

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

cking Stock in Deutschland ermitteln. Die verschiedenen Ausstattungsmerkmale der einzelnen Tracking-Stock-Aktien könnten daher entscheidend für eine steuerliche Bewertung der Transaktion sein.651 Da auch ein Präzedenzfall der Ausgabe von Tracking Stocks durch ein deutsches Unternehmen noch aussteht, lassen die Erfahrungen aus den USA in Kombination mit den gemachten Annahmen zur Möglichkeit einer Emission von Tracking Stocks auf Basis des Aktiengesetzes darauf schließen, dass eine Ausgabe von Tracking Stocks durch ein Unternehmen in Deutschland steuerneutral vollzogen werden könnte. 5.4.2.6 Steuerliche Konsequenzen für den Konzernverbund

Die Auswirkungen einer Corporate-Restructuring-Maßnahme auf die steuerliche Situation des Konzernverbunds bzw. von Mutter- und Tochtergesellschaft sind vielfältig und primär abhängig vom eingesetzten Restrukturierungsinstrument und dem erreichten Freiheitsgrad der Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft nach Vollzug der Restrukturierungsmaßnahme. Verringert die Obergesellschaft ihre Kapitalmehrheit am Tochterunternehmen auf unter 50%, so werden i.d.R. der Steuerverbund und eventuell bestehende Ergebnisabführungsverträge aufgelöst, mit der Konsequenz, dass eine Gewinn- und Steueroptimierung zugunsten der Muttergesellschaft (oder aber auch der Tochtergesellschaft) nicht mehr möglich ist.652 Beim Mutterunternehmen können in bestimmten Situationen die Steueraufwendungen durch die Restrukturierungsmaßnahme steigen, während die ausgekehrte Tochtergesellschaft lediglich die Möglichkeit des Verlustvortrags, soweit vorhanden, nutzen kann. Ob die Steueraufwendungen beim Rumpfunternehmen durch die Restrukturierungsmaßnahme steigen oder sinken, ist insbesondere davon abhängig, ob die Tochtergesellschaft Erträge oder Verluste erwirtschaftet und ob diese im Rahmen der Konzernkonsolidierung im Konzern Erträgen und Verlusten anderer Tochtergesellschaften verrechnet werden können. Es ist allerdings von der Annahme auszugehen, dass verlustträchtige Tochtergesellschaft in der Regel vollständig verkauft werden (Sell-off) oder voll im Konzernverbund integriert bleiben, während erfolgreiche Tochtergesellschaften über den Kapitalmarkt (oft nur teilweise) verkauft werden (Equity Carve-out, evtl. auch Tracking Stock).

651

Zu den grundsätzlichen steuerrechtlichen Problemen der Behandlung von Tracking Stock, insbesondere der steuerlichen Anerkennbarkeit einer disproportionalen Gewinnausschüttung, vgl. Breuninger/Krüger (2001) und Prinz (2001).

652

Vgl. Hasselmann (1997), S. 183.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

197

5.4.2.7 Bewertung der steuerrechtlichen Unterschiede zwischen den USA und Deutschland

Die steuerrechtlichen Konsequenzen der einzelnen Instrumente des Corporate Restructuring in Deutschland sind nicht immer deckungsgleich mit jenen in den USA. Je nach Restrukturierungsinstrument erreichen die USA oder Deutschland eine vorteilhaftere Position. Die grundlegendste Frage in steuerlicher Hinsicht im Zusammenhang mit CorporateRestructuring-Maßnahmen ist die Möglichkeit einer steuerneutralen bzw. steuerminimalen Durchführung der Transaktion auf Gesellschaftsebene. Steuerlich bedingte hohe Kosten einer Transaktion können in der Praxis einen Scheiterungsgrund für eine Unternehmensrestrukturierung darstellen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass bei Spin-offs, Split-offs, Split-ups und teilweise auch Equity Carve-outs den entstehenden Kosten keine Zuflüsse an liquiden Mitteln an das restrukturierende Unternehmen gegenüberstehen.653 Auf Gesellschafterebene hingegen sind die wenigsten Maßnahmen steuerfrei für die Anteilseigner durchzuführen, weder in den USA noch in Deutschland, und hängen darüber hinaus von der individuellen steuerlichen Situation des Gesellschafters ab. In der Regel werden in Deutschland sämtliche Zuwendungen an die Anteilseigner eines Unternehmen als Ausschüttungen behandelt und unterliegen damit der allgemeinen Einkommenssteuerpflicht. SEIFERT ET AL. weisen auf das grundsätzliche Problem hin, dass Unternehmen in Europa aufgrund steuerrechtlicher Verzerrungen bei Corporate-Restructuring-Maßnahmen sehr oft nicht das eigentlich optimale Restrukturierungsinstrument wählen (Second-best Solution).654 Die Konsequenz sei, dass damit oft nicht alle Möglichkeiten der Unternehmenswertsteigerung ausgeschöpft werden.

653

Vgl. Odenthal (1999), S. 92.

654

Vgl. Seifert et al. (2000), S. 123.

198

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Deutschland Sell-off

USA

Unter gewissen Nein Voraussetzungen: JA (§ 8 b Abs. 2 KStG) -

Ausgliederung: Equity Carve-out JA (§§ 20 ff. UmwStG) Primary Carve-out: JA Secondary Carve-out: Unter gewissen Umständen: JA (§ 8 b Abs. 2 KStG) -

Bewertung Mit der Steuerreform 2001 erlangt Deutschland deutliche Vorteile gegenüber den USA.

Ausgliederung: JA (Sec. 351 IRC) Primary Carve-out: JA Secondary Carve-out: NEIN

Mit der Steuerreform 2001 erlangt Deutschland deutliche Vorteile gegenüber den USA.

Joint Ventures

Eine Einzelfallanalyse ist notwendig.

Eine Einzelfallanalyse ist notwendig.

Eine Einzelfallanalyse ist notwendig.

Spin-off

Unter gewissen (restriktiven) Voraussetzungen: JA (§ 15 UmwStG)

Unter gewissen (erfüllbaren) Voraussetzungen: JA (Sec. 355 IRC)

Wegen Rigidität der deutschen Regelungen deutliche Vorteile in den USA.

Split-off

Vgl. Spin-off

Vgl. Spin-off

Vgl. Spin-off, aber Einzelfallanalyse ist notwendig.

Split-up

Vgl. Spin-off

Vgl. Spin-off

Vgl. Spin-off, aber Einzelfallanalyse ist notwendig.

Tracking Stocks

Prinzipiell: JA

Prinzipiell: JA

Eine Einzelfallanalyse ist notwendig.

Bewertung Veräußerungen sind eher steuerneutral zu gestalten Land als Umwandlungen.

Umwandlungen sind eher steuerneutral zu gestalten als Veräußerungen.

Abbildung 5-6: Möglichkeiten der Steuerfreiheit von Restrukturierungsmaßnahmen

Abbildung 5-6 stellt nochmals die wichtigsten steuerrechtlichen Ergebnisse bei der Durchführung eines Sell-off, eines Spin-off, eines Split-off, eines Split-up, eines Equity Carve-out oder einer Tracking-Stock-Emission zusammenfassend dar. Die Steuerfreistellung von Veräußerungserlösen bei Sell-offs (unter erfüllbaren Voraussetzungen) in Deutschland lässt eine zahlenmäßige Zunahme an Corporate-

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

199

Restructuring-Maßnahmen erwarten. Auch wenn das Ausmaß und die Auswirkungen des Steuersenkungsgesetzes auf den Beteiligungsmarkt vielleicht überschätzt wurden, werden Unternehmen durch die Steuerreform dazu veranlasst, Kontrollrechnungen für ihr Beteiligungsportfolio durchzuführen und über die Möglichkeiten einer Shareholder-Value-steigernden Corporate-Restructuring-Maßnahme nachzudenken („Anstoßeffekt der Reform“), so HILLEBRANDT.655 Bei allen Restrukturierungsmaßnahmen ist ein frühzeitiger Kontakt mit den zu informierenden und beteiligten Instanzen, Organisationen und Behörden angebracht. Insbesondere in den USA hat sich gezeigt, dass der Status der Steuerfreiheit bei Corporate-Restructuring-Maßnahmen oft durch Einzelfallentscheidungen der Steuerbehörden erreicht werden konnte (wie beispielsweise bei GM-Delphi 1999). Gerade bei Abweichen von in Gesetzen dargelegten Vorgehensweisen, nicht gegebenen Voraussetzungen oder nicht vorhandenen rechtlichen Regelungen kann durch frühzeitige Klärung in vielen Fällen eine geplante Restrukturierungsmaßnahme derart gestaltet werden, dass diese in steuerlicher Hinsicht neutral oder ohne wesentliche negative steuerliche Konsequenzen für die beteiligten Unternehmen ist. In Deutschland besteht in Zweifelsfällen die Möglichkeit, eine Restrukturierungsmaßnahme im Vorfeld der eigentlichen Transaktion den Finanzbehörden vorzutragen, die ihrerseits dann verbindlich Auskunft geben müssen, welche konkrete steuerliche Konsequenzen aus dieser vorgestellten Maßnahme resultieren (Möglichkeit der Verbindlichen Auskunft). Die Inanspruchnahme dieser verbindlichen Auskunft in den USA und in Deutschland sollte daher bereits Bestandteil der Restrukturierungsentscheidung im eigentlichen Sinne (Ob-Entscheidung) und insbesondere der Restrukturierungsentscheidung im weiteren Sinne (Wie-Entscheidung) sein. 5.4.3

Bilanzrechtliches Umfeld

Die zunehmende freiwillige Informationsbereitstellung und -verbreitung neben einer grundsätzlich ausführlicheren Berichterstattung (insbesondere bezüglich der Segmentberichterstattung) bei US-amerikanischen Unternehmen wurden bereits als Faktoren angesprochen, die den Restrukturierungsdruck auf Unternehmen abmildern.656 Wesentlichen Einfluss können jedoch auch die nationalen und internationa-

655

Hillebrandt (2001), S. 719.

656

Dessen ungeachtet vermag der Druck, der von einem „starken“ Kapitalmarkt ausgeht, diese Abmilderung überzukompensieren.

200

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

len Rechnungslegungsvorschriften auf die konkrete Durchführung einer CorporateRestructuring-Maßnahme haben. Wird die Mehrheit an einem Tochterunternehmen oder eine mehrheitliche Beteiligung an einem Unternehmen veräußert (Sell-off, Equity Carve-out) bzw. dessen Anteile durch die Obergesellschaft gegenleistungsfrei an die Alteigentümer der Obergesellschaft abgegeben (Spin-off, Split-off, Split-up), so ist der betreffende Unternehmensteil nicht mehr Teil des Konzern-/Unternehmensverbundes und darf deshalb nicht mehr im Konzernabschluss konsolidiert werden. Der Vorgang des Herauslösens der spezifischen Unternehmenswerte aus der Konzernbilanz bezeichnet man als Entkonsolidierung.657 Die Vorgehensweisen sowie zugrunde zu zulegenden Rechnungslegungsvorschriften und gesetzlichen Regelungen im Vorfeld, während und nach Durchführung einer Corporate-Restructuring-Maßnahme sind hierbei länderspezifisch verschieden. Die Kernpunkte und Begrifflichkeiten die Rechnungslegung betreffend sind im Folgenden kurz dargestellt. Bei der Ermittlung des Jahresüberschusses bzw. -fehlbetrags unterscheidet die Erfolgsrechnung nach US-GAAP658 zwischen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (Continuing Operations) und Vorgängen der Geschäftstätigkeit, die sich nicht regelmäßig wiederholen (Noncontinuing Operations).659 Eine Untergruppe der Noncontinuing Operations sind die Discontinued Operations, die sich auf die „Geschäftstätigkeit in einem Segment des Unternehmens, das bereits aufgegeben worden ist oder im Rahmen eines formalen Plans in Zukunft aufgegeben werden wird“ beziehen.660 Somit fallen sowohl Sell-offs und Equity Carve-outs als auch Spin-offs, Split-offs und Split-ups unter die Discontinued Operations. Stichtag der Erfassung von Desinvestitionen nach US-GAAP-Regelungen ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Managements desinvestive Restrukturierungsmaßnahmen einzuleiten. Ab dem Tag der Entscheidung schreiben die Regelungen die Anwendung konkreter Ansatz- und Bewertungsvorschriften vor, die mit der Verpflichtung der Veröffentli-

657

Der Begriff der Endkonsolidierung ist synonym zu verwenden.

658

Zu grundsätzlichen Anmerkungen zum Charakter der US-GAAP im Vergleich zu den IAS, vgl. Feld (2001), S. 1026.

659

Vgl. hierzu und generell zur Behandlung von Desinvestitionen in den nationalen und internationalen Rechnungslegungsvorschriften (US-GAAP, IAS und HGB), Gusinde (2000).

660

Gusinde (2000), S. 49.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

201

chung ausführlicher Detailinformationen zu dem Desinvestitionsvorgang einhergehen. Im Zusammenhang mit der Restrukturierung von Unternehmen und den damit verbundenen Rechnungslegungsvorschriften sprechen die Regelungen der IAS661 von Discontinuing Operations.662 Schwerpunkt hierbei ist neben der Definition von Discontinuing Operations die Festlegung von Offenlegungspflichten bei Desinvestitionsmaßnahmen, insbesondere die Art, wie der betreffende Unternehmensteil in der Gesamtrechnungslegung des Unternehmens rechnungslegungstechnisch zu behandeln ist und welche Information zu diesem Unternehmensteil sowie zu den verbleibenden Unternehmensteilen offen zu legen sind.663 In Ansatz- und Bewertungsfragen schreiben die Regelungen der IAS bei der Rechnungslegung von Discontinuing Operations keine besonderen Methoden und Verfahren vor, sondern Verweisen auf die allgemeinen Bewertungsregeln für Vermögensgegenstände im Rahmen der IASRechnungslegung.664 Die Verpflichtung europäischer börsennotierter Unternehmen durch die Europäische Kommission zu einer Erstellung von Jahresabschlüssen nach IAS ab 2005 wird dazu beitragen, dass in Zukunft der Öffentlichkeit zusätzliche Information, nicht zuletzt im Rahmen von Corporate-Restructuring-Maßnahmen, zugänglich gemacht werden.665

661

Zu grundsätzlichen Anmerkungen zum Charakter der IAS im Vergleich zu den US-GAAP, vgl. Feld (2001), S. 1026. Zu den Grundlagen der IAS, vgl. Achleitner/Behr (2003).

662

Vgl. IAS 35 Par. 2: „A discontinuing operation is a component of an enterprise (a) that the enterprise, pursuant to a single plan, is disposing of in its entirety [...] disposing of piecemeal [...] or terminating through abandonment; (b) that represents a separate major line of business or geographical area of operations; and (c) can be distinguished operationally and for financial reporting purposes.” Bis 1999 wurde der Begriff der Discontinued Operations der US-amerikanischen Rechnungslegung vom IASB übernommen, wobei die Definition von Discontinued Operations weniger konkret als jene der US-GAAP war, was dazu führte, dass sich zahlreiche Unternehmen trotz IAS-Rechnungslegung an den Vorgaben der US-GAAP orientierten. Zudem ließ die Definition offen, ob nur bereits vollzogene Desinvestitionen von den Regelungen erfasst wurden, oder ob auch geplante Maßnahmen unter diese Regelungen fallen. Vgl. zu dieser Diskussion Gusinde (2000), S. 114 ff.

663

Vgl. Einleitung zu Par. 35 IAS.

664

Insbesondere verlangt IAS 35 (Discontinuing Operations) die zwingende Anwendung von IAS 36 (Impairment of Assets) und IAS 37 (Provisions, Contingent Liabilities and Contingent Assets) bei der Rechnungslegung von Discontinuing Operations. Vgl. hierzu Gusinde (2000), S. 124 ff.

665

Zur zunehmenden internationalen Anerkennung der IAS, vgl. Bertschinger (2001), S. 775 ff.; Feld (2001), S. 1025; Achleitner/Behr (2003).

202

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Das deutsche Handelsrecht nimmt sich desinvestiver Restrukturierungsmaßnahmen nicht konkret an, weshalb Maßnahmen dieser Art in der Regel erst nach Abschluss der Transaktion und nur bei der Gewinn- und Verlust-Rechnung nach § 277 HGB von Bedeutung sind.666 Allerdings ist der übertragende Rechtsträger dazu verpflichtet, im Rahmen des Umwandlungsverfahrens eine Schlussbilanz (Übertragungsbilanz) und gegebenenfalls eine Zwischenbilanz vorzulegen, um eine Eintragung ins Handelsregister zu erreichen.667 In dem Fall, dass eine Unternehmensumwandlung zur Neugründung erfolgt, ist vom neu geschaffenen, rechtlich selbstständigen übernehmenden Rechtsträger eine Eröffnungsbilanz zu erstellen. Die Bewertung der übertragenen Vermögensgegenstände beim übernehmenden Rechtsträger ist dabei auf Basis der Anschaffungskosten inklusive Agio, die dem übernehmenden Rechträger durch die Gewährung von Eigentumsanteilen an den übertragenden Rechtsträger entstehen, vorzunehmen.668 Alternativ lässt das Umwandlungsgesetz eine Bewertung auf Basis der in der Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers ausgewiesenen Buchwerte der zu übertragenen Aktiva und Passiva zu.669 Konträr zu den Darstellungs- und Offenlegungspflichten von US-GAAP und IAS existieren im deutschen Handelsrecht keine Regelungen, die eine Berichterstattung während des Vollzugs einer Desinvestition vorschreiben.670 Erst nach Abschluss der Maßnahme ist im Geschäftsbericht (insbesondere dem Lagebericht) über Art und Umfang wesentlicher Desinvestitionen der Gesellschaft zu informieren.671

666

Gusinde (2000), S. 69, stellt in diesem Zusammenhang fest, dass angesichts einer divergierenden Auslegung der allgemeinen Vorschriften des HGB „eine einheitliche Behandlung des Desinvestitionsvorgangs in der deutschen Rechnungslegung bislang nicht gegeben ist.“

667

Vgl. § 17 Abs. 2 UmwG. Für Schlussbilanz und Zwischenbilanz gelten die Vorschriften der Jahresbilanz und deren Prüfung entsprechend (vgl. hierzu §§ 242 ff., 264 §§ HGB). Zwischen Bilanzstichtag und Handelsregistereintragung dürfen höchsten acht Monate liegen. Nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 UmwG ist vom übertragenden Rechtsträger dann eine Zwischenbilanz zu erstellen, wenn zwischen dem letzten Jahresabschluss und dem Abschluss des Teilungsvertrags ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten liegt.

668

Vgl. Odenthal (1999), S. 216. Die Ermittlung der Anschaffungskosten ergibt sich aus § 253 Abs. 1 HGB.

669

Vgl. § 25 UmwG. Wird von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht, spricht man auch von einer Buchwertfortführung.

670

Zu den Pflichten der Unternehmensführung die Gesellschafter zu informieren.

671

Zur Offenlegung und Darstellung von Desinvestitionsmaßnahmen in Geschäfts- und Lagebericht, vgl. Gusinde (2000), S. 77 ff. Insbesondere bei vollständiger Aufgabe wesentlicher zuvor konsolidierter, selbstständiger Tochtergesellschaften, sind im Konzernabschluss nach § 294

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

203

Die bilanzrechtlichen Regelungen von Desinvestitionsvorgängen im US-amerikanischen Bilanzrecht (US-GAAP), in den internationalen Rechnungslegungsgrundätzen (IAS) und im deutschen Handelsrecht (HGB) betrachtend, ist festzustellen, dass das Ausmaß und der Detailgrad der Regelwerke stark voneinander abweichen. GUSINDE stellt in diesem Zusammenhang eine Überregulierung bei den US-GAAP fest, während beim HGB von einer Regelungslücke auszugehen ist.672 Die Standards des IASB, insbesondere IAS 35, verwiesen hingegen lediglich auf die gängigen Ansatzund Bewertungsstandards für Vermögensgegenstände, und konzentrieren sich neben einer detaillierten Definition von Discontinuing Operations vor allem auf die Darstellungs- und Offenlegungspflichten im Rahmen von Desinvestitionsvorgängen. Generell stellen die jeweils nationalen wie internationalen Rechnungslegungsvorschriften kein Hindernis für die Entkonsolidierung von Unternehmensteilen und bestehenden Tochtergesellschaften dar. Die vorhandenen Bewertungs- und Ansatzvorschriften für übertragene Wirtschaftsgüter und Gesellschaftsanteile in Deutschland sind in der Regel ausreichend, Corporate-Restructuring-Maßnahmen nach US-amerikanischem Muster auch in Deutschland durchzuführen. Inwieweit die deutschen Rechnungslegungsstandards für die Schaffung einer Tracking-Stock-Struktur bei deutschen Unternehmen ausreichend sind, ist jedoch fraglich. Eine Tracking-Stock-Struktur in Unternehmen verlangt nach einer genauen Abgrenzung der Tracked Units und erfordert darüber hinaus zwingend für jede Tracked Unit unabhängige Geschäftsberichte zu erstellen (vergleichbar den TUFS in den USA). Diese Geschäftsberichte gehen auf der einen Seite mit einem hohen Datenerfassungsaufwand seitens des Unternehmens einher und müssen auf der anderen Seite dem Kapitalmarkt zugänglich gemacht und kommuniziert werden.673 Daher kann erwartet werden, dass die deutschen Rechnungslegungsvorschriften für dieses Corporate-Restructuring-Instrument (noch) nicht ausreichend sind. Der Praxistest für Tracking Stocks in Deutschland steht jedoch noch aus.

Abs. 2 HGB zusätzliche Informationen (u.a. im Anhang) bereit zu stellen, um die Vergleichbarkeit der jährlichen Konzernabschlüsse zu gewährleisten. 672

Vgl. Gusinde (2000), S. 110. Zu den Bereichen, die unter US-GAAP restriktiver geregelt sind als unter IAS, vgl. Bertschinger (2001), S. 777 ff.

673

Für eine Diskussion der Best Practices einer Segmentberichterstattung, wie sie für Tracked Units notwendig wäre, in den USA, vgl. Haller/Dietrich (2001).

204

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

5.4.4

Kartellrecht

Das Kartellrecht beschäftigt sich in der Regel mit Fragestellungen zu wettbewerbsbeschränkendem Verhalten von Unternehmen und wettbewerbsgefährdenden Strukturen auf Märkten. Die Bedeutung des Wettbewerbsrechts für das Corporate Restructuring ist selten offensichtlich, da die Verselbstständigung von Geschäftsbereichen oder die Abgabe von Unternehmensanteilen auf den ersten Blick weder dem Verbot wettbewerbswidriger Absprachen noch der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (Fusionskontrolle) widersprechen. Das Kartellrecht kann jedoch rekursiv einen entscheidenden Einfluss auf die Restrukturierungs- und Veräußerungsmöglichkeiten von Beteiligungen, Tochtergesellschaften oder Geschäftsbereichen haben, wenn „mindestens zwei voneinander unabhängige, nicht zu derselben Unternehmensgruppe gehörende Unternehmen“ in den Corporate-Restructuring-Prozess involviert sind und der (potenzielle) Käufer von Anteilen durch den Erwerb eine wettbewerbsgefährdende Marktstellung einnehmen würde.674 Aus diesem Grund sind Corporate-Restructuring-Maßnahmen, welche die Abgabe oder Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an ein anderes Unternehmen beinhalten (in der Regel Equity Carve-outs, Spin-offs, Split-offs und Split-ups sowie die Ausgabe von Tracking Stocks) daher nicht unmittelbar durch das Kartellrecht berührt, sondern in erster Linie Sell-offs.675 Das Kartellrecht stellt insbesondere dann ein Problem dar, wenn ein Unternehmen, unabhängig von den originären Motiven der Desinvestitionsentscheidung, im Rahmen eines Sell-off ein Tochterunternehmen veräußern möchte, gleichzeitig der Markt, auf dem das Tochterunternehmen tätig ist, bereits stark konzentriert ist. Das heißt, besitzen die potenziellen Erwerber der Anteile bereits einen hohen Marktanteil in dem angestammten Geschäftsbereich des Tochterunternehmens, besteht die Möglichkeit, dass von den Kartellrechtsbehörden überprüft werden muss, ob der Erwerber durch die Transaktion eine marktbeherrschende Stellung erreichen würde.676 In einer solchen Situation würde sich die Zahl der potenziellen Erwerber auf jene Un-

674

Montag (1998), S. 725.

675

Charifzadeh (2002), S. 132, weist hierbei darauf hin, dass allerdings Transaktionen aus kombinierten Restrukturierungsinstrumenten denkbar sind, die in der Tat unmittelbar dem Kartellrecht unterliegen, wie z.B. die Verschmelzung eines abgespaltenen Unternehmensteils auf ein drittes Unternehmen. Ebenfalls ist denkbar, dass Corporate-Restructuring-Maßnahmen aufgrund von (bevorstehenden) Kartellrechtsauflagen durchgeführt werden (vgl. Kap. 4.2.2).

676

Zu den Kriterien einer marktbeherrschenden Stellung, vgl. Kap. 4.2.2.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

205

ternehmen reduzieren, die vor der Transaktion keinen bedeutenden Marktanteil besäßen, bzw. Unternehmen, die einer Prüfung durch die nationalen wie internationalen Kartellrechtsinstanzen zuversichtlich gegenüberstünden. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Ansatzpunkte, Normen und Vorgehensweisen der jeweils nationalen wie auch der internationalen Kartellrechtsbehörden nicht grundlegend voneinander unterscheiden, und außerdem jede Kartellrechtsentscheidung per se nach einer Einzelfallprüfung eine Einzelfallentscheidung verlangt, unterliegen desinvestive Corporate-Restructuring-Maßnahmen (an vorderster Stelle der Sell-off) in Deutschland den annähernd gleichen kartellrechtlichen Rahmenbedingungen wie in den USA. Deutsches und europäisches Kartellrecht erleichtern weder die Restrukturierung von Unternehmen durch Sell-offs, noch stellen sie europäische Unternehmen vor zusätzlich Probleme oder unüberwindbare Hürden. In jedem Fall sollten potenzielle Investoren in eigenem Interesse frühzeitig von der Möglichkeit Gebrauch machen, eine geplante Transaktion im Vorfeld den Kartellrechtsinstanzen vorzutragen, um in einer Vorabprüfung feststellen zu lassen, ob kartellrechtlich relevante Schwellenwerte (insbesondere Anteile an einem Markt) überschritten werden. 5.4.5

Mitbestimmungsrecht

Restrukturierungsentscheidungen in den USA obliegen in erster Linie der grundsätzlichen Leitungsinstanz von Unternehmen, dem Board of Directors. Entscheidungen lassen sich unter diesem One-Tier-System relativ schneller und effizienter treffen und umsetzen als unter einem Two-Tier-System (Deutschland), da nicht nur die Zahl der an der Entscheidung Beteiligten geringer ist, sondern auch keine weiteren Interessensvertreter umfassend zu berücksichtigen sind.677 Unternehmensleitung und -kontrolle obliegen in deutschen Aktiengesellschaften nach dem Aktiengesetz hingegen prinzipiell den drei Organen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung. Die Mitglieder des Vorstands werden durch den Aufsichtsrat gewählt und die Mitglieder des Aufsichtsrats wiederum von den Aktionären bei der Hauptversammlung werden. Bei Unternehmensumwandlungen besteht die Aufgabe des Aufsichtsrats darin, „ihre Gesellschaft, ihre Anteilseigner und ihre Gläubi-

677

Zu einer Abgrenzung von One-Tier- und Two-Tier-Systemen der Unternehmensführung sowie den unterschiedlichen Entscheidungsprozessen und der Beteiligung on Interessensvertretern, vgl. Hopt (1997).

206

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

ger vor Nachteilen durch die Spaltung zu bewahren“.678 Eine besondere Auszeichnung erfährt das deutsche Organ des Aufsichtsrats durch die paritätische Besetzung mit Vertretern der Anteilseigner und Vertretern der Arbeitnehmer. Theoretisch liegt damit eine im internationalen Vergleich hohe Bedeutung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer vor.679 ZUGEHÖR geht davon aus, dass kapitalmarktorientierte Maßnahmen des Corporate Restructuring, das heißt Restrukturierungen, die von börsennotierten Unternehmen durchgeführt werden bzw. die über den Kapitalmarkt abgewickelt werden, „vorrangig in den Aufsichtsräten unter Kontrolle und Mitwirkung der Arbeitnehmer entschieden werden“.680 Die Co-Determination der Unternehmenspolitik durch (sicherheitsorientierte) Arbeitnehmervertreter gehe wiederum zulasten der (gewinnorientierten) Eigentümer des Unternehmens, so der Ansatz der Property-Rights-Theorie, weshalb diese die Mitbestimmung ablehnen.681 Im Zusammenhang mit der Bewertung und Gewichtung von Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmervertreter bei unternehmerischen Entscheidungen, wie beispielsweise Corporate-Restructuring-Maßnahmen, existieren zwei wesentliche Problembereiche: Erstens ist die Frage offen, inwieweit die Arbeitnehmervertreter ihre gesetzlich und satzungsmäßig definierten Mitbestimmungsrechte gegenüber anderen an der Entscheidung beteiligten Parteien (insbesondere gegenüber dem Vorstand) in der Realität tatsächlich durchsetzen können. Zweitens mangelt es der empirischen Forschung bei der Bewertung der Co-Determination an einem quantitativen Indikator, der es erlauben würde, den Einfluss der Mitbestimmung über verschiedene Länder, Branchen und Unternehmensgruppen (Kleinunternehmen vs. Großunternehmen, junge vs. etablierte Unternehmen etc.) hinweg zu vergleichen. An diesen Problemen setzt der „Mitbestimmungsindikator“ von ZUGEHÖR an, welcher die „Zusammenhänge zwischen der Mitbestimmung und der kapitalmarktorien-

678

Vgl. Kallmeyer (2001b), S. 520.

679

Vgl. Steiger (2000), S. 87; Jürgens/Rupp (2002), S. 11 ff. Eine vergleichbare Konstellation der Arbeitnehmer-Mitbestimmung bei unternehmerischen Entscheidungen in Unternehmen und bei der Kontrolle der Unternehmensführung ist in den USA nicht gegeben. Zu einer grundsätzlichen Darstellung und Wertung der ökonomischen Wirkung der Mitbestimmung in Deutschland, vgl. Junkes/Sadowski (1999).

680

Zugehör (2001a), S. 39.

681

Vgl. Jensen/Meckling (1976); Zugehör (2001a, 2001b).

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

207

tierten Restrukturierung“ quantitativ durch eine Regressionsanalyse erfasst.682 ZUGEHÖR findet „keinen Hinweis für die These, dass die Co-Determination den tief greifenden Umbau der Unternehmen behindert oder erschwert“ und auch keine negative Korrelation zwischen der Stärke der Mitbestimmung und dem Ausmaß der Corporate-Restructuring-Maßnahmen in den betrachteten Unternehmen.683 Zwei Beispiele belegen diesen Sachverhalt: die Siemens AG, als schwach mitbestimmtes Unternehmen, erlebte eine Phase konfliktreicher Corporate-Restructuring-Maßnahmen, während die vormals in Staatsbesitz befindliche VEBA AG als Versorger und stark mitbestimmtes Unternehmen ihre Unternehmensstruktur rasch und reibungslos verändern konnte.684 In einer empirisch qualitativen Untersuchung kommt STEIGER zu Ergebnissen, die dieses Ergebnis bestätigen: Für nationale wie internationale institutionelle Investoren spielen die Möglichkeiten der Einflussnahme in deutschen Unternehmen nur eine untergeordnete Rolle, im Zentrum des Interesses stehen im Vorfeld von Investitionsentscheidungen vielmehr die grundsätzliche Strategie eines Unternehmens, die Qualität des Managements und dessen Shareholder-Value-Orientierung sowie die Liquidität der Aktie.685 Die Bewertung der Einflussmöglichkeiten und Einflussnahme der Mitbestimmung in Deutschland, insbesondere durch Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, führt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass es keine Anzeichen dafür gibt, dass eine starke Unternehmensmitbestimmung kapitalmarktorientierte Corporate-PortfolioRestructuring-Maßnahmen systematisch behindert, wobei in allen Fällen eine Einzelfallbetrachtung der verschiedenen Interessenlagen notwendig sein wird. JÜRGENS/RUPP wagen gar die Aussage, dass das Vorhandensein eines Systems der

682

Zugehör (2001a), S. 39.

683

Zugehör (2001a), S. 39. Die Bildung des Mitbestimmungsindikators von ZUGEHÖR geschieht in Anlehnung an frühere empirische Studien der achtziger Jahre in Deutschland, die eine Dominanz institutioneller Faktoren bei der Stärke der Mitbestimmung belegten. Zu den institutionellen Einflussfaktoren der Mitbestimmung zählen insbesondere die Kompetenzausstattung der Arbeitnehmer (gemessen an der Zahl und Qualität der zustimmungspflichtigen Geschäfte) und die Position der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat.

684

Zu einem Vergleich des Ausmaßes der Mitbestimmung bei der Siemens AG und der VEBA AG, vgl. Zugehör (2001b).

685

Vgl. Steiger (2000), S. 267, der aufgrund der empirischen Ergebnisse davon ausgeht, dass „die alternative Corporate-Governance-Hypothese, dass insbesondere in solche Unternehmen investiert wird, die sich in einer relativ schwachen Ertragslage befinden, um durch geeignete Corporate-Governance-Aktivitäten eine überdurchschnittliche Rendite erzielen zu können, damit verworfen werden“ kann. Diese grundsätzliche Ablehnung dieses Investitionskalküls erscheint jedoch fraglich.

208

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Arbeitnehmermitbestimmung weder positive noch negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Unternehmenswerts hat.686 Es komme vielmehr darauf an, wie dieses System im Unternehmen ausgestaltet und implementiert ist. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass die Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen dazu führen kann, dass Corporate-Restructuring-Maßnahmen rascher und weniger konfliktträchtig durchgeführt werden können. Die Möglichkeiten der Arbeitnehmervertreter, auf die Ob-Entscheidung der Restrukturierung Einfluss zu nehmen, ist in Frage zu stellen, da diese in der Regel auf unternehmerisch-strategischen Überlegungen des Vorstands beruhen. Allerdings sollten die Arbeitnehmervertreter ihren Einfluss bei der Gestaltung und Strukturierung der Durchführung (Wie-Entscheidung) durchaus geltend machen können. Dies zeigt der Vergleich der Restrukturierungsmaßnahmen bei der Siemens AG und der VEBA AG: Während bei der VEBA AG der Sinn und Zweck der Corporate-RestructuringMaßnahmen kommuniziert wurde und die Mitbestimmung der „Garant des konfliktfreien Umbaus des Konzerns“ war, ging die Siemens AG einen anderen Weg und verzichtete bei seinem tief greifenden Zehn-Punkte-Programm zum Umbau des Konzerns auf eine vorherige Konsultation der Arbeitnehmervertreter vor der Einholung der Zustimmung des Aufsichtsrats. Die Konsequenz war, dass der Konzern-Umbau in der Folge nicht ohne erhebliche Konflikte mit Arbeitnehmervertretern und verwandten Interessensgruppen einherging.687 KALLMEYER weist bei der Bewertung der Rolle des Aufsichtsrats bei Spaltungsvorgängen nach dem Umwandlungsgesetz (Abspaltung, Aufspaltung und Ausgliederung) auf einen wichtigen Punkt hin:688 Zwar müsse der Aufsichtsrat über die Angelegenheiten der Gesellschaft (wie beispielsweise einem geplanten Spaltungsvorgang) nach dem Aktiengesetz689 informiert werden, aber die Geschäftsleitung kann den Spaltungsvertrag auch unmittelbar der Hauptversammlung zur Zustimmung vorlegen. Der Aufsichtsrat darf zwar nicht umgangen werden, seine Zustimmungsverweigerung, bleibt jedoch (selbst bei satzungsmäßiger Fixierung des

686

Vgl. Jürgens/Rupp (2002), S. 16.

687

Vgl. Zugehör (2001a, 2001b ).

688

Die folgende Argumentation orientiert sich an den Ausführungen bei Kallmeyer (2001b), S. 520.

689

Vgl. § 90 Abs. 3 AktG.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

209

Zustimmungsvorbehalts690) ohne Außenwirkung, das heißt, der Spaltungsvertrag wird bei Zustimmung der Hauptversammlung trotz fehlender Zustimmung des Aufsichtsrats wirksam. Im Folgenden werden für jedes Restrukturierungsinstrument die rechtlich und satzungsmäßig fixierten Mitspracherechte Dritter bei Maßnahmen des Corporate-Portfolio-Restructuring dargestellt. Hierbei wird an vorderster Stelle die besondere Rolle des Aufsichtsrats und der darin vertretenen Arbeitnehmervertreter bei Restrukturierungsentscheidungen dargelegt. 5.4.5.1 Sell-off

Die Herbeiführung einer Hauptversammlung zur Einholung der Zustimmung der Aktionäre bei Sell-offs691 ist nur bei gravierenden Veränderungen, die durch den Verkauf einer Tochtergesellschaft in der Struktur der Muttergesellschaft ausgelöst würden, erforderlich. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Veräußerung wesentlicher Teile des Mutterunternehmens.692 Für die Zustimmungspflicht der Hauptversammlung der Muttergesellschaft bei einem Verkauf wesentlicher Unternehmensteile ist es ohne Bedeutung, ob es sich um einen Teilverkauf oder einen Gesamtverkauf des Unternehmensteils handelt. Ebenfalls spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Veräußerung an einen, mehrere oder viele Erwerber handelt oder welches Verkaufsverfahren vorliegt. Ist die zur Veräußerung geplante Tochtergesellschaft noch nicht existent, so ist diese in einem ersten Schritt vor der Desinvestition durch Ausgliederung aus der Muttergesellschaft zu schaffen. Bei einer Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz handelt es sich um eine Grundsatzentscheidung, das heißt, es ist ein Gesellschafterbeschluss zur Durchführung des Ausgliederungsplans herbeizuführen, unabhängig

690

Vgl. § 111 Abs. 4 S.2 AktG: „Die Satzung oder der Aufsichtsrat kann jedoch bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen.“

691

Vgl. Kap. 3.2.

692

Welche Teile des Betriebsvermögens als wesentliche Teile gelten, ist gesetzlich nicht explizit geregelt. In der wissenschaftlichen Literatur (vgl. hierzu die Auflistung bei Picot/Müller-Eising (1998), S. 303) werden Quoten zwischen 8,5 % und 25 % genannt, bei deren Überschreitung ein Unternehmensteil als wesentlich gilt. Diese Quoten beziehen sich jeweils auf die Erträge, das Eigenkapital oder die Aktiva bzw. Passiva des übertragenden Rechtsträgers. Allerdings obliegt es der Rechtssprechung, hier fallweise gültige Grenzen zu setzen. Lutter (2001), S. 350, geht von einer Wesentlichkeitsschwelle von 15% der Aktiva, des Umsatzes oder der Erträge der Muttergesellschaft aus.

210

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

davon, ob es sich um einen wesentlichen oder unbedeutenden Vermögensteil handelt.693 Bei einer Aktiengesellschaft muss die Mehrheit mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfassen.694 Während die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft bei einer Ausgliederung eines Unternehmensteils aus der Muttergesellschaft im Rahmen des Umwandlungsgesetzes per se involviert ist,695 muss die Hauptversammlung der Muttergesellschaft bei einer Ausgliederung außerhalb des Umwandlungsgesetzes, das heißt auf dem Wege der Einzelrechtsübertragung, ebenfalls zustimmen.696 Dessen ungeachtet ist für die Durchführung einer Ausgliederung im Rahmen einer Sacheinlage nur dann eine Zustimmung der Gesellschafter der ausgliedernden Gesellschaft notwendig, wenn dies die allgemeinen Vorschriften für die betreffende Rechtsform verlangen. So ist bei einer ausgliedernden Aktiengesellschaft nach dem Holzmüller-Urteil des BGH nur dann ein Hauptversammlungsbeschluss einzuholen, wenn ein wesentlicher Teil des Vermögens ausgegliedert werden soll.697 TRAPP/SCHICK bewerten allerdings die Anforderungen des Holzmüller-Urteils als sehr hoch, sodass deren tatsächlicher Genügeleistung einen „Ausnahmefall“ darstellt.698 5.4.5.2 Equity Carve-out

Bei der Ausgliederung eines Unternehmensteils aus dem Mutterunternehmen im Vorfeld der Durchführung eines Equity Carve-out699 sind zur Ermittlung der Zustimmungspflichtigkeit die gleichen Regeln wie bei einer Ausgliederung im Vorfeld einer Veräußerung anzuwenden. Das heißt, es ist ein Zustimmungsbeschluss der Anteilseigner herbeizuführen, der auch eingeschränkt erteilt werden kann. Der tatsächliche Verkauf von Anteilen an einer Tochtergesellschaft im Anschluss an die Ausgliede-

693

Vgl. Kallmeyer (2001a), S. 517. KALLMEYER weist darauf hin, dass dieser so genannte Zustimmungsbeschluss auch eingeschränkt erteilt werden kann und dadurch bestimmte Aktiva von der Übertragung ausgeschlossen werden können.

694

Vgl. §§ 135 Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 i.V.m. 13 Abs. 1 und 65 Abs. 1 S. 1 UmwG. Vgl. hierzu Engelmeyer (1999), S. 265.

695

Vgl. § 124 Abs. 3 und §§ 158 ff. UmwG.

696

Vgl. Lutter (2001), S. 350.

697

Zu den Grundaussagen des Holzmüller-Urteils, vgl. Trapp/Schick (2001), S. 385 f.

698

Trapp/Schick (2001), S. 381.

699

Vgl. Kap. 3.3.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

211

rung unterliegt ebenso den Regelungen des Sell-off, da es ohne Bedeutung ist, ob der Verkauf direkt an Erwerber oder an einer Vielzahl von Investoren über die Börse erfolgt. Die Hauptversammlung der Muttergesellschaft muss bei einem geplanten Verkauf eines wesentlichen Teils des Mutterunternehmens dem Verkauf (bei einem Equity Carve-out über die Börse) zustimmen.700 TRAPP/SCHICK gehen davon aus, dass „ein förmlicher Hauptversammlungsbeschluss über den Börsengang [.] mithin nur ausnahmsweise erforderlich“ sei.701 Es ist bei der Zustimmungspflicht der Aktionäre ohne Bedeutung, ob der Verkauf im Rahmen eines Primary Carve-out (Kapitalerhöhung bei der Tochtergesellschaft) oder eines Secondary Carve-out (Verkauf von Alt-Anteilen aus dem Portfolio der Muttergesellschaft) durchgeführt wird. Im letzteren Fall ist den bisherigen Altaktionären der Obergesellschaft jedoch ein Bezugsrecht auf die Anteile an der Tochtergesellschaft anzudienen. Der Ausschluss dieses Bezugrechts durch die Hauptversammlung ist zwar möglich, bedarf nach Rechtssprechung des BGHs einer besonderen sachlichen Rechtfertigung.702 Die Rechtsstellung der Altaktionäre einer Obergesellschaft beim Börsengang von Tochtergesellschaften bewertend kommen TRAPP/SCHICK zu dem Ergebnis, dass sich aus „dem geschriebenen Recht“ keine Mitwirkungs- und Teilhaberrechte ergeben.703 „Ungeschriebene Mitwirkungsrechte“ können sich zwar aufgrund des HolzmüllerUrteils ergeben, sind jedoch der Ausnahmefall, so SCHICK/TRAPP.

700

Zur Anwendung des Holzmüller-Urteils auf den Börsengang einer Tochtergesellschaft, vgl. Trapp/Schick (2001), S. 386 ff.

701

Trapp/Schick (2001), S. 383.

702

Zu einer mehrfachen deutlichen Kritik an der Möglichkeit des Ausschlusses eines AktionärsVorerwerbsrechts beim Börsenverkauf von Tochtergesellschaften, vgl. Lutter (2001), der nach § 186 AktG bei einer Nichtausübung des Bezugsrechts durch die Obergesellschaft, d.h. dem Verkauf einer Tochtergesellschaft über die Börse, einen zwingenden Übergang des Bezugsrechts von der Obergesellschaft an ihre Aktionäre sieht, um dem Rechtsgedanken der Teilhabe Rechnung zu tragen. Hintergrund seiner Argumentation ist, dass das bei einer Veräußerung über die Börse regelmäßig angewandte Bookbuilding-Verfahren nicht zuverlässig steuerbare Risiken der Fehleinschätzung des Marktpreises durch Vorstand und Aufsichtsrat der Obergesellschaft mit sich bringt und die Gefahr einer Verwässerung der Anteile in sich birgt. Zu Bezugs- und Vorerwerbsrechten von Altaktionären beim Börsengang einer Tochtergesellschaft, vgl. auch Trapp/Schick (2001).

703

Trapp/Schick (2001), S. 381.

212

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

5.4.5.3 Joint Venture

Da es sich bei der Schaffung von Joint Ventures704 weder um einen Verkauf von Eigentumsanteilen an einem Unternehmen oder von Vermögensgegenständen, noch um eine gegenleistungsfreie Abgabe derselben handelt, ist für die Schaffung eines Joint Venture in der Regel keine Zustimmung der Hauptversammlung notwendig.705 Ähnliches wird in der Regel für die Einbindung des Aufsichtsrates bei der Entscheidung der Schaffung eines Joint Venture gelten. Das heißt, er wird hinsichtlich der Schaffung eines Joint Ventures lediglich seiner allgemeinen Überwachungsfunktion nachkommen. 5.4.5.4 Spin-off, Split-off und Split-up

Im formellen Sinn zählen Unternehmensspaltungen (Spin-off, Split-off und Splitup706) zur gewöhnlichen Tätigkeit der Geschäftsführung eines Unternehmens und unterliegen damit bei der Aktiengesellschaft der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats, dessen Aufgabe allgemein der Schutz der Gesellschaft, der Anteilseigner und der Gläubiger ist.707 Unternehmensspaltungen zählen jedoch nicht zur Unternehmensführung im materiellen Sinne, mit der Konsequenz, dass der Aufsichtsrat keinen Zustimmungsvorbehalt geltend machen kann. Bei der Aktiengesellschaft besitzt der Aufsichtsrat daher lediglich ein Vorschlagsrecht für die Beschlussfassung der Anteilseigner.708 5.4.5.5 Tracking Stock

Da die zuvor erörterten Maßnahmen zur Restrukturierung von Unternehmen (Selloff, Equity Carve-out etc.) in der Regel auf gesetzlich geregelten Vorgehensweisen (beispielsweise dem Umwandlungsgesetz) beruhen, sind auch die Mitspracherechte der an der Umwandlung beteiligten Vertragsparteien gesetzlich fixiert oder zumindest aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, dem Aktiengesetz oder dem GmbH-Gesetz

704

Vgl. Kap. 3.3.2.

705

Dies schließt jedoch nicht generell aus, dass in Einzelfällen eine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung vorliegen kann. Eine Zustimmungspflicht kann bspw. dann vorliegen, wenn eine Aktiengesellschaft einen wesentlichen Teil des eigenen Betriebsvermögens in ein internationales Joint Venture, das unter Umständen einem ausländischen Recht unterliegt, einbringt, und damit die Unternehmensstruktur der Altgesellschaft wesentlich verändern würde.

706

Vgl. Kap. 3.3.3 resp. 3.3.4 resp. 3.3.5.

707

Vgl. Kallmeyer (2001), S. 520.

708

Vgl. § 124 Abs. 3 AktG.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

213

ableitbar. Bei Tracking Stocks709 hingegen steht der Testfall der praktischen Durchführung (Emission von Tracking Stocks) noch aus. Daher lassen sich lediglich Argumentationsketten auf Basis des Aktiengesetzes bilden und in Zweifelsfällen, bei fehlenden gesetzlichen Regelungen oder Rechtsprechungen, Vermutungen über mögliche richterliche Entscheidungen anstellen. Allgemein gültige Schlussfolgerungen zur Durchführung von Tracking-Stock-Emissionen lassen sich ohnehin nicht ableiten, da zu dem einen die Art der Schaffung von Tracking Stocks von Emission zu Emission verschieden sein kann, und zum anderen die Ausstattungsmerkmale der einzelnen Tracking-Stock-Typen ausschlaggebend für potenzielle Mitspracherechte des Aufsichtsrats und der Altgesellschafter sind. Prinzipiell ist jedoch davon auszugehen, dass für die Emission von Tracking Stocks nur eine beschränkte Zustimmungspflicht der bisherigen Aktionäre existiert. Hierbei wird es insbesondere relevant sein, auf welche wie die Tracking-Stock-Aktien geschaffen werden. Im Falle einer Generierung dieser im Rahmen einer Kapitalerhöhung ist beispielsweise die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich. 5.4.6

Aktien- und Börsenrecht

Ein funktionierender, effizienter Markt für Unternehmenskontrolle710 trägt wesentlich dazu bei, dass Unternehmen regelmäßig ihre Unternehmensstruktur anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Insbesondere die Gefahr einer feindlichen Unternehmensübernahme hat sich hierbei in den USA als ein Instrument herausgestellt, um das Handeln von Managern zu disziplinieren und im Sinne der Aktionäre am Primat der Unternehmenswertsteigerung auszurichten. Ebenso wie die Effektivität dieses Disziplinierungsinstruments ist die Effizienz der Kapitalallokationsfunktion der Märkte abhängig von dem Grad der Vollkommenheit der Kapitalmärkte, auf denen M&A-Transaktionen vollzogen werden. Neben Friktionsfreiheit, Wettbewerb, Informationseffizienz und Rationalität der Marktteilnehmer trägt auch die rechtlichorganisatorische Ausgestaltung der formellen und informellen Kapitalmärkte zu deren Vervollkommnung bei. Beispielsweise hängt die Vollkommenheit der Institution Börse als formellem Kapitalmarkt wesentlich von den organisatorischen Rahmenbedingungen, wie Zulassungsvoraussetzungen, Handelsorganisation, Marktüberwachung, Transaktionsabwicklung oder Sanktionsmechanismen ab. Gleiches gilt für

709

Vgl. Kap. 3.3.6.

710

Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 5.3.2.

214

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

den wesentlich weiter gefassten Markt für Unternehmenskontrolle, der sich nicht nur auf organisierte Märkte wie die Börse beschränkt. Die große Zahl an M&A-Transaktionen der Vergangenheit belegt, dass der Markt für Unternehmenskontrolle in den USA effizient funktioniert und nahe an der Vollkommenheit ist. Die Professionalität der Umsetzung von Corporate-Restructuring-Maßnahmen ist dort nicht zuletzt auf die im Vergleich zu Deutschland relativ stärkere Stellung der Börsenaufsichtsbehörde SEC zurückzuführen. Die strengen Regelungen sowie deren Überwachung und Sanktion711 bei Nichteinhaltung tragen wesentlich zur Effizienz des Marktes und der Durchführung und Abwicklung feindlicher wie freundlicher Unternehmensübernahmen bei. Im Gegenzug dazu wurde vom Deutschen Bundestag erst Ende 2001 das für Aktiengesellschaften verpflichtende Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (kurz: WpÜG)712 mehrheitlich verabschiedet um am 1. Januar 2002 in Kraft zu treten. Die gesetzlichen Regelungen sollen in erster Linie einen „guten Ordnungsrahmen“ schaffen, außen stehende Minderheitsaktionäre schützen sowie die Angebotspflichten713 festlegen.714 Wesentliche Grundlage der Regelungen ist die Gleichstellung von Wertpapierinha-

711

Im Gegensatz zur deutschen Börsenaufsicht kann die US-amerikanische SEC zivilrechtliche Strafen verhängen und somit Unternehmen, die den Ansprüchen und Regeln nicht entsprechen, effektiv sanktionieren. Allerdings konnte selbst die SEC zahlreiche Bilanzmanipulationen und kriminelles Verhalten bei US-amerikanischen Aktiengesellschaften („Enronitis“) der Vergangenheit verhindern. Beispielsweise konnten sämtliche Publizitäts- und Rechnungslegungsvorschriften nicht verhindern, dass durch die Schaffung einer komplizierten Unternehmensstruktur die tatsächliche Situation des US-amerikanischen Energiekonzerns Enron verborgen blieb und letztlich die Insolvenz unumgänglich war. Der SEC war zwar das Instrumentarium zur konsequenten Überwachung gegeben, die Umsetzung war jedoch mangelhaft. Eine Reorganisation der SEC sowie die Ausstattung mit zusätzlichen Kompetenzen und Ressourcen nach der Aufdeckung zahlreicher Bilanzmanipulationsskandale 2001/2002 sollen das Vertrauen der Investoren in US-amerikanische Unternehmen stärken und weitere Unternehmensinsolvenzen verhindern. Vgl. hierzu stellvertretend Ribstein (2002).

712

Im Folgenden wird auch die Bezeichnung Übernahmegesetz verwendet.

713

Zu den Pflichten, denen ein Unternehmen zu entsprechen hat, falls es ein Übernahmeangebot für ein anderes Unternehmen abgibt, zählen unter gewissen Voraussetzungen die Unterbreitung eines Pflichtangebots an die Aktionäre des Zielunternehmens sowie die Information von Aktionären und Arbeitnehmern.

714

Vgl. DB Research (2001), S. 1. Zu einer ausführlichen Diskussion von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen auf Grundlage des WpÜG, vgl. Cahn/Senger (2002). Für eine Analyse des Regulierungsbedarfs aus ökonomischer Sicht sowie einer Erläuterung der Einzelvorschriften, vgl. Schmidt/Prigge (2002).

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

215

bern einer Gesellschaft hinsichtlich der Höhe der Gegenleistung als auch der bereitgestellten Informationen bei Übernahmeangeboten.715 Auch wurden durch das Gesetz mögliche Abwehrmaßnahmen (hohe Abfindungsregelungen („Golden Handshakes“), Aktienrückkäufe, Suche nach „weißem Ritter“ etc.) der Leitungsorgane der Zielgesellschaft in einem Übernahmeverfahren definiert und deren Zulässigkeit geregelt.716 Der Vorstand eines Unternehmens, für das ein Angebot abgegeben wurde, kann nun vom Aufsichtsrat genehmigte Abwehrmaßnahmen ergreifen, „die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, vorgenommen hätte“,717 die auf einem Vorratsbeschluss beruhen, durch den der Vorstand im Rahmen einer Hauptversammlung bis zu 18 Monaten im Voraus mit Dreiviertelmehrheit ermächtigt wurde, den Erfolg von Übernahmeangeboten zu verhindern (Vorratsbeschluss).718 Aktionärsvertreter kritisieren hierbei insbesondere die Vorratsbeschlüsse des Übernahmegesetzes, die der Unternehmensführung bei der Abwehr von Übernahmen einen zu großen Handlungsspielraum einräumten.719 Auch bei der EU-Kommission stehen die Vorratsbeschlüsse des Übernahmegesetzes in der Kritik, stehen sie einer tendenziell liberaleren europäischen Übernahmerichtlinie entgegen. GORDON spricht in diesem Zusammenhang sogar vom deutschen „Anti“-Übernahmegesetz.720 SCHMIDT/PRIGGE heben deutlich hervor, dass durch das WpÜG in erster Linie die Interessen der Publikumsaktionäre vor allen anderen Interessengruppen in der Aktiengesellschaft geschützt werden.721

715

Vgl. § 3 WpÜG.

716

Zu den Kompetenzen der Leitungsorgane bei der Abwehr von Übernahmeangeboten, vgl. Schmidt/Prigge (2002), S. 231 f.

717

§ 33 Abs. 1 WpÜG. Zu einer kritischen Reflektion zu § 33 WpÜG aus US-amerikanischer Perspektive, vgl. Gordon (2002).

718

Vgl. § 33 Abs. 2 WpÜG.

719

Vgl. Schmidt/Prigge (2002), S. 237.

720

Vgl. Gordon (2002).

721

Vgl. Schmidt/Prigge (2002), S. 236.

216

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Ein weiteres Novum ist die Ausdehnung der Meldepflicht des Besitzes bedeutender Anteile an Unternehmen auf alle organisierten Märkte (Geregelter Markt, Amtlicher Handel etc). Sobald ein Investor (Privatanleger, Finanzinvestoren, Aufsichtsrat, Vorstand etc.) die Schwelle von 5%, 10%, 25%, 50% oder 75% der Stammaktien überoder unterschreitet, ist er verpflichtet, dies dem Wertpapier-Aufsichtsamt zu melden. Tatsächlich muss ein Unternehmen nach dem WpÜG unverzüglich die gehaltenen Stimmrechtsanteile veröffentlichen, sobald es die Kontrolle über eine Zielgesellschaft erlangt hat.722 Diese Offenlegungspflichten tragen wesentlich zum Schutz der Interessen von Kleinaktionären bei.723 Zusammenfassend werden vom WpÜG für den deutschen Markt bei Unternehmensübernahmen moderat positive Auswirkungen auf die beim Beteiligungserwerb zu zahlenden Preise und eine leichte Verringerung der Anzahl an Transaktionen erwartet.724 Diese Faktoren werden sich in Deutschland zwar leicht negativ auf den Kreis potenzieller Erwerber von Unternehmen und Unternehmensteilen auswirken, für Unternehmen, die Restrukturierungsmaßnahmen planen, jedoch von nur untergeordneter Bedeutung sein, da Corporate-Restructuring-Maßnahmen in erster Linie unter betriebswirtschaftlichen und strategischen Überlegungen durchgeführt werden. Bei einem Going Public einer (Tochter-/Schwester-)Gesellschaft müssen die grundsätzlichen Emissionsvoraussetzungen gegeben sein, die sich situativ aus der gegenwärtigen Marktsituation, dem gewählten Emissionsverfahren, der spezifischen Unternehmensverfassung und dem gewählten Marktsegment ergeben.725 Börsengänge von Gesellschaften unterliegen zudem „einer Vielzahl zu beachtender aktienrechtlicher und börsenrechtlicher Überlegungen“.726 Neben den bereits genannten Voraus-

722

Vgl. § 30 WpÜG. Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Cahn/Senger (2002), S. 291 ff.

723

Durch das WpÜG wurde zudem der Status quo der Eigentumsverhältnisse deutscher börsennotierter Unternehmen offen gelegt. Mit In-Kraft-Treten des Gesetztes war jeder Aktionär dazu verpflichtet, seine Beteiligung an einem Unternehmen zu dem Stichtag 1. April 2002 offen zu legen, soweit er fünf oder mehr Prozent der Anteile auf sich vereinigte.

724

DB Research (2002), S. 16. Auch Schmidt/Prigge (2002), S. 236, gehen davon aus, dass vom WpÜG ein hoher „Anreiz zum Überbieten unangemessen niedriger Gebote“ ausgeht. Der Erstbieter werde sich daher für einen hohen und fairen Übernahmekurs entscheiden, was „wiederum zu zügigen und erfolgreichen Verfahren“ beitrage.

725

Vgl. Hasselmann (1997), S. 125. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die in Kap. 4 erörterten Motive, welche die Durchführung einer kapitalmarktorientierten Corporate-Restructuring-Maßnahme als vorteilhaft erscheinen lassen.

726

Charifzadeh (2002), S. 117.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

217

setzungen für einen Markt für Unternehmenskontrolle bzw. einem vollkommenen Kapitalmarkt sind im Einzelnen damit besonders die Flexibilität der Ausstattung von Aktien mit Rechten und das Vorhandensein geeigneter Börsen- und Handelssegmente von Bedeutung bei Durchführung von Corporate-Restructuring-Maßnahmen angesprochen. Werden im Rahmen einer Corporate-Restructuring-Maßnahme Aktien einer ausgekehrten Tochtergesellschaft am Primärmarkt platziert (Equity Carve-out), ist primär zu unterscheiden, ob es sich um Altaktien im Besitz der Obergesellschaft (Secondary Carve-out) oder um Aktien, die aus einer Kapitalerhöhung beim ausgekehrten Unternehmensteil stammen (Primary Carve-out) (Aktienherkunft).727 Des Weiteren ist festzulegen, ob Inhaberaktien oder Namensaktien emittiert werden sollen (Aktienart). Während Inhaberaktien keinerlei Beschränkungen bei der Übertragbarkeit aufweisen, müssen bei Namensaktien Name, Wohnort und Beruf des Aktionärs in das Aktienbuch eingetragen werden.728 Ungeachtet der Einfachheit der Übertragung bei der Inhaberaktie und der damit gegebenen Geeignetheit für den Börsenhandel tritt die Namensaktie in Deutschland zunehmend in den Vordergrund, da sich die mit dieser Aktiengattung verbundenen Informationen im Aktienbuch gezielt für eine effiziente Investor-Relations-Arbeit einsetzen lassen und weitere Möglichkeiten der Kapitalaufnahme schaffen.729 Neben der Entscheidung für Inhaberaktien oder für Namensaktien kann sich der Emittent auch zwischen der Ausgabe von Stammaktien oder von Vorzugsaktien entscheiden (Aktiengattung), was insbesondere angesichts der Ausgestaltung und Strukturierung des angewandten Restrukturierungsinstruments von Bedeutung ist. So beruht beispielsweise die beschränkt gegebene Möglichkeit der Schaffung von Tracking Stocks in Deutschland auf den Regelungen in § 11 AktG und § 12 AktG, welche die Ausstattung verschiedener Aktiengattungen eines Unternehmens mit unterschiedlichen Verteilungsrechten (Gewinn, Gesellschaftsvermögen etc.) erlauben, und außerdem den Ausschluss von Stimmrechten bei Vorzugsaktien ermöglichen.730

727

Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 3.3.

728

Vgl. Achleitner (2002), S. 273. Sind Namensaktien zusätzlich mit einer Vinkulierung verbunden, ist für jede Veräußerung die Zustimmung der Aktiengesellschaft notwendig.

729

Zur zunehmenden Akzeptanz der Namensaktie, vgl. die Ausführungen bei Achleitner (2002), S. 274 ff.

730

Zu den Rechten von Inhabern stimmrechtsloser Vorzugsaktien, vgl. §§ 139-141 AktG.

218

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

Vorzugsaktien ohne Stimmrecht dürfen bis zur Hälfte des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft ausgegeben werden731 und eignen sich bei Unternehmensrestrukturierungen daher zu einer gezielten Steuerung der Abgabe von Kontrollrechten am ausgekehrten Unternehmensteil.732 Allerdings erschweren die deutschen Regelungen des Aktiengesetzes eine exakte Replizierung des US-amerikanischen Restrukturierungsinstruments Tracking Stocks in Deutschland bzw. machen diese sogar unmöglich.733 Neben der Vielzahl aktienrechtlicher Regelungen bei Restrukturierungsmaßnahmen, die eine Börsenemission oder ein Börsenlisting beinhalten, ist auch eine Vielzahl börsenrechtlicher Aspekte bei der Gestaltung einer Corporate-Restructuring-Maßnahme und der Wahl eines geeigneten Restrukturierungsinstruments von Relevanz. Die wesentlichen börsenrechtlichen Regelungen, die es zu beachten gilt, ergeben sich primär aus der Entscheidung für ein bestimmtes Börsensegment, an dem die Aktien notiert werden sollen. Für ein Going Public bzw. eine Sekundärmarktnotierung einer ausgekehrten Aktiengesellschaft bieten sich in Deutschland die von der Deutschen Börse AG organisierten Marktsegmente sowie die der einzelnen Regionalbörsen an. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, Aktien, welche die Zulassungsvoraussetzungen des Geregelten Marktes erfüllen, an Handelsegmenten, wie beispielsweise dem SMAX, einzuführen. Für jedes Börsen- und Handelssegment gelten spezifische Zulassungsvoraussetzungen bezüglich des Emissionsvolumens, der Anzahl zu emittierender Aktien, der Aktiengattung, des Mindeststreubesitzes sowie den Folgepflichten einer Notierung, die von den Unternehmen zu erfüllen sind. Im Vergleich mit den US-amerikanischen Gegebenheiten des Aktien- und Börsenrechts ist zusammenfassend festzustellen, das Deutschland diesbezüglich eine vergleichbare Ausgangssituation für Corporate-Restructuring-Maßnahmen bietet. Nicht zuletzt haben die einzelnen Finanzmarktförderungsgesetze der Vergangenheit dazu beigetragen ein ganzheitliches Regulierungsumfeld zu schaffen, welches dem in den

731

Vgl. § 139 Abs. 2 AktG.

732

Vgl. hierzu das Rechenbeispiel bei Charifzadeh (2002), S. 118 f., das darlegt, dass bei einer Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien in Höhe von 50% des Grundkapitals der ausgekehrten Aktiengesellschaft das Mutterunternehmen seinen Anteil an Stammaktien am ausgekehrten Unternehmensanteil auf 25% plus eine Aktie reduzieren kann und trotzdem die Stimmrechtsmehrheit behalten kann.

733

Zu den Möglichkeiten einer Tracking-Stock-Emission in abgewandelter Form in Deutschland, vgl. Kap. 5.4.1.4.

5 Umfeldbedingungen des Corporate Restructuring

219

USA nicht unähnlich ist.734 Von Vorteil für kapitalmarktorientierte Restrukturierungsmaßnahmen sind die Ausgestaltbarkeit der Aktiengattungen sowie die verschiedenen Handels- und Marktsegmente der Deutschen Börse AG und der Regionalbörsen. Lediglich auf die Einführung von Tracking Stocks ist das deutsche Aktienrecht aufgrund der fehlenden Regelungen zu variablen Stimmrechten nicht vorbereitet, was ein erhebliches Hindernis darstellt.

734

Zu dem Inhalt der verschiedenen Finanzmarktförderungsgesetze, vgl. Jürgens/Rupp (2002), S. 19 f.

220

6

6 Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick

Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick

Die Globalisierung der internationalen Produkt- und Kapitalmärkte macht es heute erforderlich, dass Unternehmen weltweit ihre Unternehmensstruktur konstant den sich verändernden Umweltbedingungen anpassen. Die zunehmende Ausrichtung der Unternehmenspolitik am Primat der Unternehmenswertsteigerung sowie der Markteintritt internationaler, institutioneller Investoren tragen zusätzlich dazu bei, die Strukturen in Unternehmen an der Notwendigkeit der Wettbewerbsfähigkeit auszurichten. Die strategische Managementlehre der siebziger und achtziger Jahre in den USA und zeitlich nachgelagert auch in Europa proklamierte die absolute Größe eines Unternehmens als bedeutenden Baustein der Wettbewerbsfähigkeit und der Steigerung des Shareholder Value durch Synergie- und Skaleneffekte. Dies führte zur Schaffung zahlreicher großer, stark diversifizierter Konglomerate mit verschiedenartigsten Geschäftsfeldern. Heute hat sich allerdings die Meinung durchgesetzt, dass „Diversifikation und Größe allein den Fortbestand eines Unternehmens weder rechtfertigen noch sichern“735 kann und dass angesichts grundsätzlich veränderter Umweltbedingungen und des Ausbleibens erhoffter Synergiepotenziale diversifizierter Konglomerate die Fokussierung auf die Kernkompetenzen eines Unternehmens Grundlage der Steigerung des Shareholder Value sein muss. Corporate-Restructuring-Maßnahmen können dazu eingesetzt werden, eine konzentrierende Portfoliooptimierungsstrategie in Unternehmen zu verwirklichen und Unternehmensrandbereiche bzw. Geschäftsfelder, die keinen wesentlichen positiven Beitrag zum Unternehmenswert leisten, abzutrennen und an Investoren abzugeben bzw. zu veräußern. Empirische Studien haben zudem gezeigt, dass die Schaffung von Pure Plays, das heißt fokussierten Unternehmen mit spezifischem, im Idealfall bekanntem Risiko-Rendite-Profil, von den Kapitalmärkten honoriert wird und existierende Holdingabschläge für diversifizierte Unternehmen verringert oder sogar aufgelöst werden können. Hierbei wird zudem der Forderung institutioneller Investoren nachgekommen, die Risiko-Rendite-Diversifikation von der Unternehmensebene auf

735

Charifzadeh (2002), S. 1.

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221

die Investorenebene zu verlagern, wo diese wesentlich effizienter betrieben werden kann.736 Bei der hintergründigen Analyse der Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung US-amerikanischer Konzepte des Corporate Restructuring auf Deutschland hat sich herausgestellt, dass Unternehmensrestrukturierungen in Deutschland wie in den USA dem gleichen Wertsteigerungskalkül und Entscheidungsmodell unterliegen: Existierende Wert- und Wahrnehmungslücken (Modalziele) sollen zur Erschließung eines zusätzlichen Wertpotenzials (Finalziel) im Unternehmen erschlossen werden, wobei sich das optimale Restrukturierungsinstrument im Einzelfall aus den gegebenen Einzelmotiven (Subziele) der Unternehmensführung und einer Abwägung der Rahmenbedingungen (Nebenbedingungen) ergibt. Hinsichtlich der sozio-kulturellen Einflussfaktoren des Corporate Restructuring sowie des marktlichen Umfelds konnte gezeigt werden, dass sich Deutschland in den letzten Jahren in Richtung US-amerikanischem Verständnis entwickelt hat. Der Shareholder-Value-Ansatz wird in der öffentlichen Meinung nicht mehr prinzipiell abgelehnt. Vielmehr hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Deutschland sich den Globalisierungstendenzen und der Unternehmenswertorientierung nicht verschließen kann. Auch am Kapitalmarkt ist eine zunehmende Professionalisierung und Steigerung der Effizienz festzustellen. Hierzu beigetragen haben nicht nur der Markteintritt zahlreicher internationaler (institutioneller) Investoren und Intermediäre (vor allem Investmentbanken), sondern gerade auch die zunehmende Bereitschaft in der Bevölkerung, in Aktien zu investieren oder bzw. als Manager selbst direkt Verantwortung (beispielsweise im Rahmen eines Management Buy-out) zu übernehmen. Bei der Bewertung der Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung US-amerikanischer Restrukturierungsinstrumente auf Deutschland sind neben rechtlichen (gesetzlichen) Regelungen vor allem die steuerlichen Konsequenzen eines bestimmten Corporate-Restructuring-Instruments von Bedeutung. Negative steuerliche Konsequenzen können die Vorteilhaftigkeit einer konkreten Restrukturierungsmaßnahme massiv beeinträchtigen.737 Grundsätzlich ist hier eine Unterscheidung notwendig

736

Vgl. Johnson/Scholes (2002), S. 297.

737

So herrscht bspw. in den USA der Konsens vor, dass Corporate-Restructuring-Maßnahmen in diversifizierten Unternehmen zusätzliches Wertpotenzial erschließen können. Die zentrale Frage ist daher welches Restrukturierungsinstrument das steuereffizienteste, d.h. mit den moderatesten negativen steuerlichen Konsequenzen, ist.

222

6 Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick

zwischen Gründen, die ein spezifisches Restrukturierungsinstrument in Deutschland unmöglich machen, und Gründen, welche die Durchführung einer Restrukturierungsmaßnahme nach US-amerikanischem Vorbild als nicht zielführend oder unwirtschaftlich erscheinen lassen. Die Kernergebnisse der theoretischen Untersuchung dieses Optimierungsproblems sind daher die Folgenden: • Die Einzelmotive und Motivbündel, Corporate-Restructuring-Maßnahmen durchzuführen, sind in Deutschland nicht grundsätzlich verschieden von jenen in den USA. • Der Kapitalmarkt als Disziplinierungsmechanismus und Ausgangspunkt für Corporate-Restructuring-Maßnahmen tritt in den USA (noch) stärker in den Vordergrund als in Deutschland. • Sämtliche US-amerikanische Instrumente des Corporate Restructuring lassen sich in Deutschland gesellschaftsrechtlich weitestgehend replizieren:738 • Sell-offs stellen den Standardfall des Unternehmens(teil)verkaufs dar und lassen sich gesellschaftsrechtlich in Deutschland ohne Einschränkungen gegenüber den USA umsetzen. • Equity Carve-outs lassen sich in Deutschland unter Verwendung des Umwandlungsgesetzes (Ausgliederung) und vor dem gegebenen Aktien- und Börsenrecht problemlos realisieren. • Joint Ventures stellen eine international gängige Form der Unternehmenskooperation dar und lassen sich ohne Einschränkungen in Deutschland umsetzen. • Spin-offs sind in Deutschland auf Basis der Regelungen des Umwandlungsgesetzes zur Abspaltung gesellschaftsrechtlich möglich.

738

Replizierung bedeutet hier nicht, dass die Instrumente ohne Einschränkung nach US-amerikanischem Muster durchgeführt werden können, sondern dass sich das Ergebnis einer CorporateRestructuring-Maßnahme, wie es sich in den USA ergeben würde, auch in Deutschland erreichen lässt.

6 Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick

223

• Split-offs sind in Deutschland nicht selbstständig definiert, lassen sich jedoch unter Zuhilfenahme der Regelungen des Umwandlungsgesetzes zur Abspaltung sowie zusätzlicher Restrukturierungstransaktionen, die teilweise nicht unproblematisch sind, mit gewissen Einschränkungen replizieren. • Split-ups sind gesellschaftsrechtlich im Umwandlungsgesetz (Aufspaltung) definiert und lassen sich daher auch in Deutschland durchführen. • Tracking Stocks sind in Deutschland als Aktiengattung nicht definiert. Bisher wurden von keinem deutschen Unternehmen divisionalisierte Aktien emittiert. Herrschende Meinung ist, dass sich Tracking-Stock-ähnliche Unternehmensstrukturen in Deutschland mit Einschränkungen replizieren lassen, das deutsche Rechtssystem jedoch nicht annähernd auf deren Einführung vorbereitet ist. Kernproblem stellt vor allem die Ausstattung mit variablen Stimmrechten dar, welche in Deutschland derzeit nicht möglich ist. Die steuerrechtlichen Konsequenzen der einzelnen Restrukturierungsinstrumente in Deutschland sind zum Teil sehr verschieden von jenen in den USA:739 • Durch die Steuerfreistellung von Veräußerungserlösen beim Verkauf von Tochterunternehmen und Beteiligungen erreicht Deutschland bei Sell-offs eine wesentlich bessere Position als die USA, wo steuerneutrale Sell-offs nahezu unmöglich sind. Die Voraussetzungen zum Erreichen der Steuerneutralität in Deutschland sind für die deutschen Unternehmen in der Praxis in der Regel ohne größere Probleme erreichbar. • Ausgliederungen von Wirtschaftsgütern als ersten Schritt eines Equity Carveout können in der Regel sowohl in den USA als auch in Deutschland steuerneutral durchgeführt werden. Während Primary Equity Carve-outs im Anschluss ebenfalls in beiden Ländern ohne steuerliche Konsequenzen bleiben, stellt sich bei Secondary Equity Carve-outs die gleiche Situation wie bei einem Sell-off ein: Die unter gewissen Voraussetzungen geltende Steuerfreiheit für Veräußerungserlöse verschafft Deutschland eine bessere Ausgangslage als den USA.

739

Angesichts des komplizierten deutschen Steuerrechts können im Rahmen der vorliegenden Untersuchung keine Aussagen zu steuerrechtlichen Fragestellungen bei Corporate-Restructuring-Maßnahmen im Einzelfall gemacht werden.

224

6 Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick

• Die Bewertung der steuerrechtlichen Situation bei der Schaffung von Joint Ventures verlangt aufgrund der Verschiedenheit der Konzepte grundsätzlich nach einer Einzelfallanalyse. • Die steuerlichen Konsequenzen von Spin-offs sind für Unternehmen in den USA wesentlich vorteilhafter als für Unternehmen in Deutschland. In den USA ist die steuerneutrale Durchführung von Spin-offs ohne größere Probleme möglich. Im Gegensatz dazu mindern die restriktiven Regelungen zum Erreichen der steuerlichen Neutralität der Transaktion in Deutschland die Attraktivität dieses Restrukturierungsinstruments drastisch. Für deutsche Unternehmen wird deshalb auch von einer „Spaltungssperre“ gesprochen. • Split-offs sind weder in den USA noch in Deutschland steuerrechtlich explizit erfasst, allerdings gelten in der Regel die gleichen Regelungen wie bei der Durchführung eines Spin-offs. • Für das Erreichen der Steuerneutralität gelten in Deutschland auch bei Splitups die restriktiven Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes, die eine steuerneutrale Aufspaltung als nahezu unmöglich erscheinen lassen. Gleichzeitig sind in den USA steuerneutrale Unternehmensaufspaltungen sehr wohl möglich. • Die Emission von Tracking Stocks in den USA zieht in der Regel keinerlei direkt mit der Transaktion verbundene steuerliche Konsequenzen nach sich. Aufgrund der Tatsache, dass es in Deutschland noch nicht zu einer Emission von divisionalisierten Aktien gekommen ist, kann für Deutschland nur angenommen werden, dass die erörterten limitierten Möglichkeiten einer Replizierung dieses Restrukturierungsinstrument ebenfalls ohne steuerlich negative Konsequenzen sind. Die Untersuchungsergebnisse veranlassen zur Frage, inwieweit die US-amerikanischen Instrumente des Corporate Restructuring generell einer Anpassung bedürfen, um in Deutschland durchführbar zu sein. Die Prämisse hierbei muss sein, dass bei Corporate-Restructuring-Maßnahmen in Deutschland in der Regel eine „Eins-zuEins“-Umsetzung der Restrukturierungsinstrumente US-amerikanischen Musters nicht notwendig ist. Vielmehr muss das Ziel sein, das Ergebnis, das eine Restrukturierungsmaßnahme in den USA nach sich ziehen würde, in Deutschland zu replizieren. Die Frage ist dann, inwieweit bei den einzelnen Maßnahmen und Instrumente

6 Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick

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des Corporate Restructuring Abschläge hinsichtlich eines erreichbaren Ergebnisses in Deutschland zu machen sind. Die Anpassung der US-amerikanischen Restrukturierungsinstrumente an die deutschen Rahmenbedingungen könnte im Einzelfall auch positive Konsequenzen für das restrukturierende Unternehmen mit sich bringen. Mit der Ausnahme von Tracking Stocks erlaubt das deutsche Gesellschaftsrecht prinzipiell eine Realisierung aller genannten US-amerikanischen Instrumente des Corporate Restructuring, weshalb diese auch keine grundlegende Anpassung an deutsche Rahmenbedingungen verlangen.740 Lediglich bei den in Deutschland rechtlich nicht fixierten Tracking Stocks mögen Anpassungen notwendig sein. Beispielsweise stellt sich hier die Frage, inwieweit ein Abkommen von den in den USA implementierten variablen Stimmrechten hin zu einem Ausschluss der Stimmrechte bzw. fixen Stimmrechten in Deutschland dem Restrukturierungsinstrument als solchen Abbruch tun würde. Eng verbunden mit der Frage nach dem Anpassungsbedarf bei den Instrumenten ist die Frage, inwieweit die Rahmenbedingungen, insbesondere das Gesellschafts- und Steuerrecht, bei der Umsetzung der Corporate-Restructuring-Maßnahmen US-amerikanischen Musters in Deutschland förderlich oder hinderlich sind. Hierbei sind drei verschiedene Aspekte von Relevanz: die Steuerneutralität bei Spin-offs, die Kodifizierung divisionalisierter Aktien und die Steuerfreiheit von Veräußerungserlösen. Hierbei ist festzustellen, dass die Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes zur Erreichung der Steuerneutralität bei Spin-offs (das heißt bei Abspaltungen, in Konsequenz aber auch bei Split-offs und Split-ups) zu restriktiv sind und faktisch eine Spaltungssperre für Unternehmen konstituieren. Eine Abmilderung ist dringend erforderlich, um Spin-offs in Deutschland ebenso erfolgreich wie in den USA durchführen zu können. Zweitens muss der Tatsache Abhilfe geschaffen werden, dass das Instrument Tracking Stock in Deutschland rechtlich nicht, oder nur sehr schwer, zu erfassen ist. Es

740

Ein gewisses Problem stellt in Deutschland die vollständige Durchführung eines Split-offs dar, da weder ein Aktientausch noch Aktieneinziehungen durchführbar bzw. rechtlich zulässig sind. Eine vollständige Replizierbarkeit des US-amerikanischen Instruments ist daher fraglich. Allerdings stellt sich in diesem Fall die Frage, inwieweit es für das restrukturierende Unternehmen von Bedeutung ist, nach Vollzug der Restrukturierungsmaßnahme tatsächlich zwei verschiedene Gesellschaftergruppen in den Unternehmen (Obergesellschaft und Split-off-Unternehmen) zu haben, bei denen es keine minimalen Überschneidungen gibt.

226

6 Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick

sind hierbei jedoch nicht nur die aktienrechtlichen Regelungen als nicht ausreichend anzusehen,741 sondern zusätzlich auch Regelungen zur Segmentpublizität, zur Rechnungslegung von Tracked Units und den Publizitätsvorschriften dieser getrackten Einheiten.742 Eine besondere Situation ist zuletzt mit der Steuerfreistellung von Erlösen aus der Veräußerung von Beteiligungen und Tochtergesellschaften durch Kapitalgesellschaften geschaffen worden. Mit dieser international nahezu einzigartigen Regelung ist hierbei ist nicht eine explizite Änderung der Rahmenbedingungen von Nöten, sondern vielmehr die Anstrengung notwendig, eine grundlegende Neuregelung des Körperschaftssteuergesetzes zulasten restrukturierungswilliger Unternehmen zu verhindern. Angesichts des großen Restrukturierungsbedarfs bei Unternehmen in Deutschland stellt diese Steuerfreistellung eine einzigartige Möglichkeit dar, durch Sell-offs und Equity Carve-outs ein zusätzliches Wertschaffungspotenzial in Unternehmen zu erschließen. Bei der Analyse der Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit US-amerikanischer Instrumente des Corporate Restructuring auf Deutschland hat sich gezeigt, dass noch nicht alle Fragestellungen abschließend geklärt werden konnten. Beispielsweise haben erste Untersuchungen gezeigt, dass die Ankündigung von CorporateRestructuring-Maßnahmen auch in Deutschland zu Überrenditen an den Kapitalmärkten führen. Im Gegensatz zur empirischen Forschungsbasis in den USA lassen die wenigen Untersuchungen für den deutschen Kapitalmarkt jedoch noch keine aussagekräftigen Schlussfolgerungen zu Aktienkursentwicklungen bei der Ankündigung von Restrukturierungsmaßnahmen zu. Angesichts der Tatsache, dass es international stark diversifizierte Unternehmen gibt, deren Aktienkursentwicklungen jenen von fokussierten Unternehmen nicht nachstehen, stellt sich auch die Frage, worin sich diese Unternehmen von vergleichbaren, mit Holdingabschlägen belegten Unterneh-

741

Vgl. hierzu den konkreten Vorschlag zur Änderung und Erweiterung des Aktiengesetzes bei Tonner (2002), S. 378 ff., mit dessen Verwirklichung die Schaffung von Geschäftsbereichsaktien US-amerikanischen Musters auch in Deutschland möglich wäre.

742

Tonner (2002), S. 386, wagt nach eingehender Analyse der Möglichkeiten und Grenzen der Schaffung von Tracking-Stock-Strukturen in deutschen Unternehmen den Ausblick, dass „dem Tracking-Stock-Konzept in Deutschland – bleibt es bei der geltenden gesetzlichen Regelung – keine sehr große Verbreitung vorausgesagt werden kann.“

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men unterscheiden,743 bzw. wie konglomerate Unternehmen in der Realität effizient und wertsteigernd geführt werden können.744 Hier schließt sich die Frage an, warum manche Unternehmen eine Diversifikationsstrategie verfolgen und andere nicht. Forschungsbedarf, insbesondere in Deutschland, besteht auch hinsichtlich der Frage, inwieweit sich die auf große, börsennotierte Aktiengesellschaften konzentrierten Ergebnisse der Corporate-Restructuring-Forschung auf kleinere, vielleicht nicht notierte Unternehmen (beispielsweise mittelständische Unternehmen) übertragen lassen. In die Zukunft blickend ist auch die Frage zu stellen, inwieweit es sich bei konzentrierenden Corporate-RestructuringMaßnahmen um Trenderscheinungen handelt und ob in Zukunft vielleicht wieder expansive Diversifikationsstrategien unternehmenswertsteigernd wirken („Lebenszyklus der Diversifikation“).745 MARTIN/SAYRAK weisen darauf hin, dass man die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Unternehmenswert und Diversifikationsgrad von Unternehmen keinesfalls als abgeschlossen sehen darf und dass noch zahlreiche Fragen offen sind.746 Sämtliche Untersuchungsergebnisse zusammenfassend stellen Corporate-PortfolioRestructuring-Maßnahmen ein probates Mittel dar, die Diversifikation in Unternehmen durch Verkauf und Auskehrung von Unternehmensrandbereichen zurückzuführen, und dadurch die Kernkompetenzen eines Unternehmens wieder in den Vordergrund zu stellen und diese durch Kapitalreallokation zu stärken. Gleichzeitig wird dadurch den Forderungen der Kapitalmärkte nach der Schaffung von Pure Plays entsprochen. Durch die Wahl des geeigneten Restrukturierungsinstruments lassen sich im Rahmen einer aktiven Portfoliostrategie bei deutschen Unternehmen zusätzliche Wertschaffungspotenziale zugunsten der Unternehmenseigentümer erschließen.

743

Vgl. hierzu Martin/Sayrak (2003), S. 53: „Specifically, it is rather difficult to establish causality in the relationship between diversification and value since firms choose to follow a diversification strategy. In other words, diversification is endogenous, and if there are fundamental differences in the characteristics of firms that choose to diversify and those that choose to remain focused, comparing the value of a diversified firm to the value of a portfolio of focused firms may capture something more (or less) than a discount due to diversification.“

744

Vgl. hierzu auch die Diskussion, ob konglomerate Unternehmen „a priori gut oder schlecht“ sind oder ob die Unterscheidung tatsächlich nicht hinsichtlich „gut oder schlecht“ geführten Unternehmen erfolgen muss. Vgl. Achleitner (1999), S. 4.

745

Vgl. ähnlich Martin/Sayrak (2003), S. 53.

746

Vgl. Martin/Sayrak (2003), S. 53.

228

6 Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick

Die wenigen, aber zum Teil gravierenden Probleme bei der Umsetzung von Corporate-Restructuring-Maßnahmen nach US-amerikanischem Muster verlangen zwar in Teilbereichen eine Anpassung der Instrumente, jedoch gilt es hierbei zu bedenken, dass das Ziel einer Maßnahme nicht die bedingungslose Umsetzung eines Restrukturierungsinstruments ist, sondern die Optimierung des Unternehmensportfolios zur Steigerung des Shareholder Value. Im Einzelfall werden sich daher - gerade vor dem Hintergrund eines äußerst komplexen deutschen Gesellschafts- und Steuerrechts Wege finden lassen, die US-amerikanischen Instrumente des Corporate Restructuring den deutschen Notwendigkeiten anzupassen, oder auch alternative Restrukturierungsinstrumente in Betracht zu ziehen und neue Instrumente des Corporate Restructuring zu schaffen.

Verzeichnis der Gesprächspartner

Verzeichnis der Gesprächspartner

30.01.2001 (telefonisch) Axel Pfeilsticker Investor Relations, Lufthansa AG 06.03.2001 Dr. Holger Püchert, Dr. Frank Possmeier Bereich Mergers & Acquisitions, E.ON AG, Düsseldorf 16.03.2001 Hr. Dr. Jürgen Haun Bereich Tax, Ernst & Young, Stuttgart 10.08.2001 Prof. Kenneth Froewiss, Prof. David Yermack Leonard N. Stern School of Business, New York University, New York/USA 14.08.2001 Prof. Karin Thorburn Tuck School of Business, Dartmouth College, Hanover/USA 14.08.2001 (telefonisch) Prof. Bengt Holmström Sloan School of Management, Massachusetts Institute of Technology (MIT), Boston/USA 15.08.2001 Prof. Thomas Piper Harvard Business School, Harvard University, Boston/USA 16.08.2001 Prof. Stuart Gilson Harvard Business School, Harvard University, Boston/USA

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Literaturverzeichnis

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Stichwortverzeichnis

247

Stichwortverzeichnis Abspaltung......................................161 Akquisitionswährung........................71 Aktienart .........................................217 Aktiengattung .................................217 Aktienrecht .....................................213 Alphabet Stocks. Siehe Tracking Stock Analyst Coverage .............................82 Anreiz ...............................................75 Anti-Takeover-Maßnahme ...............89 Antitrustgesetze ................................51 Asset Deal.......................................151 Aufspaltung ....................................165 Ausgliederung.................................157 Steuerneutrale .............................186 Bank Centered Monitoring .............137 Basket Sell-offs.................................99 Bewertung effiziente .......................................78 Einflussgrößen ............................133 Bilanzrecht......................................199 Blockholding ..................................142 Börsenlisting.....................................29 Börsenrecht.....................................213 Branchenholding.............................111 Branding ...........................................92 Break-up ...........................................12 Buy-out .............................................18 Capital Gains Tax ...................179, 186 Cash Cow........................................110 Conglomerate Discount ............... Siehe Holdingabschlag Corporate Contraction ......................12 Corporate Downsizing......................12 Corporate Governance....................135

Corporate Restructuring Instrumente ...................................14 Motive...........................................47 Ob-Entscheidung4, 47, 48, 114, 184, 199, 208 Systematisierung............................. 9 Wie-Entscheidung .....4, 47, 48, 114, 182, 199, 208 Crown-Jewel-Transaction ................57 Demerger ..........................................33 Depotstimmrecht ............................146 Desinvestition.........2, 44, 66, 114, 120 Direkttransaktion ............................129 Diversifikation.1, 3, 59, 65, 67, 69, 77, 85, 99, 220, 227 Dyssynergien ....................................91 Einbringungsgeborene Anteile.......181 Enteignung........................................50 Equity Carve-out ......22, 157, 167, 187 Erfolgsattribution .............................75 Exchange Centered Monitoring .....138 Financial Restructuring ............3, 9, 10 Finanzinvestor ................109, 124, 132 Fluctuation Voting Rights ................40 Fokussierung ..........................2, 66, 95 Fusionskontrolle ...............................53 Gesamtrechtsnachfolge ..................154 Going Public...................................216 Going-Concern-Anspruch ................15 Harvesting ........................................87 Holdingabschlag.................79, 80, 149 Hurdle Rate.......................................96 Independent Funding........................87 Indirect Ownership Restructuring ...... 3

248 Industrial-Organization-Forschung 120 Informationshypothese .....................78 Informationsintransparenz................82 Internal Revenue Code ...................190 Investmentbank...............................133 Investor Centered Monitoring ........137 Investoren institutionelle ..............................130 private .........................................129 Joint Venture.............................26, 168 Kapitalerhöhung .............................166 Kapitalherabsetzung .......................162 Kapitalkosten ..................85, 86, 87, 97 Kapitalmarkt ineffizienter ...................................79 Kapitalmarkthypothese.....................78 Kapitalmarktkommunikation..........147 Kapitalmarktreaktion ....................4, 67 Kartellrecht ...............................51, 204 Kaufangebot......................................87 Kaufvertrag...............................18, 151 Komplexitätsreduktion .....................77 Kontrolllücke ..................................142 Leveraged Buy-out ...........................20 Liquidation........................................44 Liquidität ........................................102 Management Buy-in .........................20 Management Buy-out ...............18, 109 Marktbeschaffenheit .......................135 Marktteilnehmer .............................128 Merger-Welle......................................1 Minority Sale ............................21, 150 Misfit ................................................91 Missbrauchsvorschriften.................192 Mitbestimmung Equity Carve-out.........................210 Holzmüller-Urteil................210, 211

Stichwortverzeichnis Joint Venture...............................212 Sell-off ........................................209 Spin-off .......................................212 Split-off.......................................212 Split-up .......................................212 Tracking Stock............................212 Mitbestimmungsrecht.....................205 Motive ............................................222 Häufigkeit ...................................115 Systematisierung.....................58, 63 Neoinstitutionalismus......................... 3 Organizational Restructuring ...3, 9, 10 Orphans ............................................70 Ownership Restructuring..............9, 12 Pensionsfonds.................................142 Portfoliobereinigung.......................105 Primary Carve-out ............................23 Primary Offering ..............................23 Primary Shares .................................23 Principal-Agent-Theorie...........74, 137 Produktlebenszyklus Ende des......................................110 Pro-rata-Auskehrung ........................28 Publizität.........................................148 Publizitätsvorschriften.....80, 148, 149, 226 Pure-Play-Unternehmen ....82, 83, 220, 227 Rahmenbedingungen......................225 Recontracting...................................... 3 Rent Seeking...................................124 Rentabilität .......................................96 Reorganisation.3, 10, 11, 81, 112, 115, 180 Restrukturierungsinstrument .............. 8 Restrukturierungsinstrumente ..........14 Systematisierung...........................15

Stichwortverzeichnis

Restrukturierungskonzept...................8 Restrukturierungsmanagement .........13 Restrukturierungsmaßnahmen extrinsisch motivierte....................61 freiwillige................................48, 58 intrinsisch motivierte ....................62 Kombination .................................45 proaktive .......................................60 reaktive..........................................60 Systematisierung 8, 9, 11, 12, 17, 47, 48, 58, 64, 112, 126, 155, 179, 202, 208 unfreiwillige............................48, 49 Roll-up ............................................111 Sanierungsmanagement....................13 Secondary Carve-out ........................23 Secondary Offering ..........................23 Secondary Shares..............................23 Sekundärmarkt....................29, 31, 162 Selbstständigkeit.............................126 Sell-off ......................................17, 150 Basket....................................99, 105 Share Deal...............................152, 181 Sonderrechtsnachfolge ................ Siehe Gesamtrechtsnachfolge Spaltung Abspaltung ..................................161 Aufspaltung.................................165 Ausgliederung.............................157 Spaltungssperre...............................194 Sperrminorität.................................143 Spin-off.............................28, 161, 168 Split-off.............................30, 163, 170 Split-up .............................32, 165, 171 Staatliche Gewalt..............................49 Stakeholder .3, 121, 124, 126, 127, 128

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Steuerfreistellung ...180, 198, 223, 226 Deutschland ................................192 Voraussetzungen.........186, 190, 192 Steuern............................176, 198, 223 Ersparnisse..................................113 Steuerrecht..............................176, 223 Equity Carve-out.........................185 Joint Venture...............................188 Minority Sale ..............................179 Sell-off ........................................179 Spin-off .......................................189 Split-off.......................................189 Split-up .......................................189 Subsidiary IPO............................185 Tracking Stock............................195 Stilllegung ........................................44 Strategischer Investor.....................132 Subsidiary IPO .................................24 Targeted Stock....Siehe Tracking Stock Tax Basis ................................179, 186 Threat of Takeover .........................140 Tracked Unit.....................................36 Tracked Units Financial Statements.40 Tracking Stock .................................35 Emission .....................................171 Liquidationserlös ..........................42 Rechnungslegung..................40, 174 Rückabwicklung ...................41, 174 Stimmrecht....................................39 Tracking Stock Carve-out.............38 Tracking Stock Spin-off ...............39 Trennbankensystem..........................49 Treuhandanstalt ..............................141 TUFS ... Siehe Tracked Units Financial Statements Turnaroundmanagement................... 13

250 Übernahme feindliche.......................................89 freundliche ....................................89 Übernahmegesetz....................214, 216 Umwandlungsgesetz.......................152 Umwandlungssteuergesetz .............192 Umweltfaktoren (Kapital-)Marktliche ...................128 politisch-rechtliche......................150 sozio-kulturelle ...........................123 Underperformer ................................96 Unternehmenskontrolle Markt für .....................................139 Unternehmensnachfolge .................108

Stichwortverzeichnis Unternehmensrandbereich................95 Unternehmensstruktur ........................ 8 Unternehmensumwandlung Ablauf .........................................155 Formen........................................153 Unternehmensumwelt......................... 7 Unternehmertum.............................126 Veräußerungserlöse Besteuerung ................................183 Verstaatlichung.................................50 Werttransfer................................56, 90 Zielbeziehung .................................119 Zielhierarchie....................................59