Common Concern of Humankind im Völkerrecht [1. Aufl.] 9783662604298, 9783662604304

Dieses Buch untersucht die philosophischen Grundlagen und die geschichtliche Entwicklung des common concern of humankind

275 84 7MB

German Pages XXVIII, 666 [683] Year 2019

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Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XXVIII
Front Matter ....Pages 1-1
I. Common concern of humankind im Völkerrecht (Oliver Strank)....Pages 3-14
II. Ziel der Arbeit und Gang der Darstellung (Oliver Strank)....Pages 15-17
III. Methodische Vorbemerkungen (Oliver Strank)....Pages 19-33
Front Matter ....Pages 35-41
IV. Reine Anthropozentrik versus Ökozentrik (Oliver Strank)....Pages 43-61
V. Gemäßigte Anthropozentrik als philosophische Grundlage des common concern of humankind-Prinzips (Oliver Strank)....Pages 63-86
VI. Ergebnis zu Teil 2: Die philosophischen Grundlagen des CCM-Prinzips (Oliver Strank)....Pages 87-87
Front Matter ....Pages 89-90
VII. Die älteren Wurzeln des Begriffs common concern (Oliver Strank)....Pages 91-103
VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern (Oliver Strank)....Pages 105-153
IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des modernen Umweltvölkerrechts (Oliver Strank)....Pages 155-217
X. Ergebnis zu Teil 3: Die geschichtliche Entwicklung und der bisherige Anwendungsbereich des common concern of humankind-Prinzips (Oliver Strank)....Pages 219-221
Front Matter ....Pages 223-223
XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand völkerrechtlicher Umweltschutzprinzipien (Oliver Strank)....Pages 225-330
XII. Abgrenzung des common concern of humankind vom common heritage of mankind-Prinzip (Oliver Strank)....Pages 331-372
XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht (Oliver Strank)....Pages 373-443
XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind (Oliver Strank)....Pages 445-562
XV. Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips (Sekundärebene) (Oliver Strank)....Pages 563-585
XVI. Zusammenfassung und Ausblick (Oliver Strank)....Pages 587-608
Back Matter ....Pages 609-668
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Common Concern of Humankind im Völkerrecht [1. Aufl.]
 9783662604298, 9783662604304

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Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289

Oliver Strank

Common Concern of Humankind im Völkerrecht

123

Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht

Begründet von Viktor Bruns

Herausgegeben von Armin von Bogdandy • Anne Peters

Band 289

Oliver Strank

Common Concern of Humankind im Völkerrecht Common Concern of Humankind in Public International Law (English Summary)

ISSN 0172-4770     ISSN 2197-7135  (electronic) Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht ISBN 978-3-662-60429-8    ISBN 978-3-662-60430-4  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer © Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-­ Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort

Die „gemeinsame Sorge der Menschheit“ (common concern of humankind) gehört zu den schillerndsten Begriffen des heutigen Völkerrechts. Sie ist deshalb besonders anfällig dafür, mit allerlei politischen Hoffnungen, philosophischen Ideen oder juristischen Rechtsfolgen aufgeladen, überfrachtet und überfordert zu werden. Seitdem die UN-Generalversammlung im Jahr 1988 die Bekämpfung des Klimawandels zum common concern of mankind erklärt hat, dient dieser Begriff allzu oft als globale Projektionsfläche für die politische Sehnsucht, die existenziellen Menschheitsbedrohungen unserer Zeit durch solidarische internationale Zusammenarbeit abzuwenden. Stets droht der common concern-Formel das Schicksal, letztlich „alles und nichts“ zu bedeuten und daher in seiner juristischen Wirkung rasch über- oder unterschätzt zu werden. So wurde – wenn in den letzten 30 Jahren eine neue Umweltbedrohung auftauchte  – oft vorgeschlagen, sie zur „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ zu erklären. Diese beinahe inflationäre Verwendung des common concern of humankind-Begriffs gepaart mit einer Unklarheit über seinen genauen rechtlichen Inhalt droht dem Begriff allerdings auch für die Zukunft seine Durchschlagskraft zu nehmen. Eine monographische Aufarbeitung scheint überfällig. Im Kern geht es in diesem Buch um die Frage, ob mit Unterstützung nahezu der gesamten Staatengemeinschaft aus einer philosophischen Idee ein verbindliches Prinzip des geltenden Völkerrechts mit greifbaren Rechtswirkungen und praktischen Rechtsfolgen entstanden ist. Darum, ob der Begriff des common concern of humankind bloß ein Dasein als „politischer Slogan“ fristet oder ob er gar das Potential hat, zu einem Schlüsselbegriff des globalen Umweltschutzes durch Völkerrecht heranzuwachsen. Der common concern-Grundsatz erwuchs aus dem Bedürfnis, ein Regime zu schaffen, mit dessen Hilfe (möglichst alle) Staaten der internationalen Gemeinschaft in die Pflicht genommen werden können, globale Umweltprobleme gemeinsam zu bekämpfen. Das Völkerrecht als „dezentrale“ Rechtsordnung ohne Weltregierung ist strukturell überfordert mit der grenzenlosen ökologischen Wirklichkeit. Globale Umweltprobleme – wie etwa der Klimawandel – kennen naturgemäß keine von Menschenhand künstlich gezogenen Grenzen und machen daher an nationalen Staatsgrenzen nicht halt. Sie sind  – wie etwa die Zerstörung des tropischen V

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Vorwort

­ egenwaldes als Schlüsselressource des globalen Klimasystems – dadurch gekennR zeichnet, dass ihr Ursprung in einem oder mehreren Nationalstaaten beheimatet ist, ihre Folgen jedoch letztlich die Erde in ihrer Gesamtheit betreffen. Die bereits seit Jahrzehnten andauernde Zerstörung dieser Waldgebiete und ihrer Biodiversität aufzuhalten, liegt zwar objektiv im Interesse der gesamten Menschheit. Völkerrechtlich fällt die gesamte Problematik jedoch – jedenfalls nach traditionellem Verständnis – in den Kompetenzbereich der jeweils verfügungsberechtigten Staaten. Das souveränitätszentrierte und insofern fragmentarische Völkerrecht der Gegenwart erweist sich insoweit als defizitär, als es ungeeignet ist, der natur-gesetzlichen Einheit des globalen Ökosystems gerecht zu werden. Die bisherigen Prinzipien des Umweltvölkerrechts greifen räumlich-funktional zu kurz, um globale Phänomene wie den Klimawandel oder die Zerstörung der Biodiversität zu erfassen. Die alten Prinzipien taugen nicht mehr, ein neues musste her. Die Idee des common concern of humankind war geboren. Der Begriff der „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ ist nicht in einem „völkerrechtlichen Vakuum“ entstanden. Er kann daher nicht losgelöst von seiner „ideengeschichtlichen Umwelt“ betrachtet, sondern muss interdisziplinär untersucht werden, wenngleich seine völkerrechtliche Bedeutung letztlich anhand der klassischen rechtswissenschaftlichen Auslegungsmethoden zu ermitteln ist. Stets ist dabei zwischen den Ebenen des geltenden Völkerrechts einerseits und rechtspolitischer Entwürfe oder philosophischer Spekulationen andererseits sorgsam zu unterscheiden. Wer die Bedeutung des common concern-Begriffs möglichst umfassend und dennoch präzise herauspräparieren will, muss besonders behutsam balancieren auf einem schmalen Steg zwischen philosophischer Ideengeschichte und juristischer Auslegungsmethodik, zwischen Sein und Sollen und zwischen Tiefe und Überblick. Die vorliegende Arbeit versucht, den common concern of humankind-Grundsatz ideengeschichtlich zu beleuchten, anhand der bisherigen Staatenpraxis die historische Entwicklung des Prinzips nachzuzeichnen, um auf dieser Grundlage seine Bedeutung als Instrument zur Bekämpfung globaler Umweltprobleme im Völkerrecht der Gegenwart herauszuarbeiten und sein Weiterentwicklungspotential für die Zukunft zu skizzieren. Schließlich vermag der Begriff des common concern of humankind zugleich als Seismograph den strukturellen Wandel der Völkerrechtsordnung auszudrücken, in den er selbst eingebettet ist. Der common concern-Gedanke ist vom Geist beseelt, die gemeinnützigen Erfordernisse des globalen Umweltschutzes gegen egoistische Sonderinteressen der einzelnen Staaten durchzusetzen. Zwar bleibt auch im Zeitalter der Globalisierung die vielzitierte tension between the whole and the parts als Spannung zwischen Einzelstaat und internationaler Gemeinschaft bestehen. Längst erkennen die Staaten der internationalen Gemeinschaft jedoch zunehmend Ziele und Werte an, die über das bloße Nebeneinander ihrer staatlichen Eigeninteressen hinausgehen und sich auf das gemeinsame Wohl und Überleben der Menschheit richten. Dieser Zeitgeist ist indes in den letzten Jahren aus vielen Richtungen unter Druck geraten durch vermehrt nationalistische Bestrebungen und nationale Alleingänge wie etwa eines Brexit oder eines America First. Die Zukunft wird zeigen, ob dieser aktuelle politische Trend nachhaltig ist und auf das Völkerrecht durchschlägt, indem er es zusätzlich fragmentiert oder ob er bloß

Vorwort

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eine Atempause ist auf dem Weg hin zu einer Globalisierung on a higher level und einer weiter progressiv voranschreitenden Konstitutionalisierung des Völkerrechts zu einem Recht der internationalen Gemeinschaft. Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2015 von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen. Während ich sie nun in Druck gebe, so glaube ich – wenn überhaupt – nur die Essenzen einer breit angelegten philosophischen, politischen und juristischen Debatte zum globalen Umweltschutz skizziert und ihren Ertrag im Völkerrecht untersucht zu haben. Die Verwertung der internationalen Literatur beschränkt sich weitgehend auf das angelsächsische sowie vereinzelt auf das französische Schrifttum. Englische und französische Textpassagen werden durchgängig in ihrer Originalsprache zitiert, um die vor allem bei juristischen Texten zur präzisen Auslegung nötigen Authentizität zu bewahren. Für die Drucklegung konnten – wenn auch das hehre Ideal der Vollständigkeit bei der hier behandelten Thematik noch weniger als sonst erwartet werden kann – Rechtsprechung und Literatur sowie aktuelle Entwicklungen in der Völkerrechtspraxis bis Juni 2019 berücksichtigt werden: Nur ein halbes Jahr nach dem Einreichen dieser Arbeit – im Dezember 2015 – untermauern die 195 Vertragsstaaten des Pariser Abkommens den Status des Klimawandels als common concern of humankind und bestätigen dabei zugleich wesentliche Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung. Parallel dazu entscheidet die UN-Völkerrechtskommission (International Law Commission, ILC), den Begriff des common concern of humankind – vor allem wegen bestehender Unklarheiten über dessen rechtliche Bedeutung – aus ihrem Richtlinienentwurf zum Schutz der Erdatmosphäre (Draft Guidelines on the Protection of the Atmosphere) zu streichen. Diese Entscheidung unterstreicht nochmals, dass eine grundlegende theoretische und dogmatische Analyse und Absicherung des common concern of humankind im Völkerrecht – wie ich sie mit dieser Arbeit anstrebe – als Instrument zur Bewältigung globaler Umweltprobleme dringend nötig ist. Zugleich führen weltpolitische Ereignisse immer wieder vor Augen, wie schwierig es bleibt, den globalen Umweltschutz im Interesse der internationalen Gemeinschaft gegen zuwider laufende egoistische Sonderinteressen einzelner Staaten durchzusetzen: Hatte noch der damalige US-Präsident Barack Obama bei seiner historischen Rede vor über 200.000 Menschen an der Berliner Siegessäule am 24. Juni 2008 – nur fünf Meter entfernt vom Verfasser dieser Zeilen1 – die Weltgemeinschaft auf einen gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel eingeschworen, so verkündete Donald Trump am 1. Juni 2017 – nur kurze Zeit nach seiner Amtseinführung – den Ausstieg der Vereinigten Staaten als zweitgrößtem CO2-Emittenten aus dem Pariser Abkommen. Von den nächsten US-Präsidentschaftswahlen wird wiederum abhängen, ob diese Kündigung letztlich wirksam oder doch noch rückgängig gemacht wird. In Südamerika hat unterdessen der frischgewählte brasilia­ nische Präsident Bolsonaro bereits bei seinem Amtsantritt im Januar 2019 weit­ flächige Rodungen des Amazonas-Regenwaldes angekündigt. Seither ist die  http://edition.cnn.com/2008/POLITICS/07/24/obama.trip/ (zuletzt abgerufen am 16.10.2019).

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Vorwort

Vernichtung des brasilianischen Regenwaldes – eine Schlüsselressource zur Stabili­ sie­rung des globalen Klimas – rasant vorangeschritten und hat sich laut Angaben des brasilianischen Weltraumforschungsinstituts nahezu verdoppelt. Bereits während des Schreibens der Arbeit hatte der noch immer aktuelle fünfte Sachstandsbericht aus dem Jahre 2013 keinen nennenswerten Restzweifel am menschengemachten Klimawandel gelassen. Nach dem jüngeren Sonderbericht des IPCC zum Klimawandel vom 6. Oktober 2018 erwärmt sich die Erde schneller und mit noch ernsteren Folgen als befürchtet. Spätestens nach dem Hitzesommer 2018 ist in Deutschland für viele Menschen greifbar geworden, dass der Klimawandel real ist. Während ich die letzten Aktualisierungen einarbeite, schallt durch mein Fenster der Schlachtruf der vorbeiziehenden vorwiegend jungen Demonstranten: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“. Inzwischen scheinen endlich die existenzielle Bedeutung und die Tragweite des Klimawandels sowie jene Dringlichkeit, mit welcher die UN-Generalversammlung bereits im Jahre 1988 die Bekämpfung des Klimawandels zur „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ (common concern of humankind) erklärt hatte, nunmehr dreißig Jahre später – auch dank der internationalen Fridays for Future-Bewegung – im Bewusstsein einer breiten Weltöffentlichkeit anzukommen. Dies nährt die Hoffnung darauf, dass die Zivilgesellschaften der internationalen Gemeinschaft mit dem nötigen Druck die 195 Vertragsstaaten des Pariser Abkommens aus dem Jahr 2015 dazu bewegen, ihre der Bekämpfung des Klimawandels als „gemeinsame Sorge der Menschheit“ dienenden Klimaschutzverpflichtungen tatsächlich zu erfüllen. Anderenfalls sind alle anderen Vertragsstaaten – so das praktische Ergebnis der vorliegenden Untersuchung – berechtigt, die Erfüllung der Klimaschutzpflichten einzufordern und notfalls vor dem Internationalen Gerichtshof einzuklagen. Dieses Werk hätte niemals ohne die Inspiration, Kritik und Unterstützung zahlreicher Menschen entstehen können: An erster Stelle danke ich von ganzem Herzen meinem Doktorvater – hier eine wahrlich angemessene Bezeichnung  – Herrn Richter des Bundesverfassungsgerichts Professor Dr. Andreas Paulus. Seine intellektuelle Brillanz, gedankliche Klarheit und sprachliche Präzision bleiben mir stets ein unerreichbares Vorbild. Sein weiter interdisziplinärer Blick und seine strenge Rechtsquellendisziplin haben mein Verständnis vom Völkerrecht nachhaltig geprägt. Er unterstützte mein Forschungsprojekt von Anfang an jederzeit und in jeder erdenklichen Hinsicht mit viel Offenheit und Toleranz. Nicht zuletzt während meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl ermunterte er mich, stets mutig und beherzt durch Komplexität hindurch zu schneiden. Gemeinsam mit seinem eigenen Doktorvater, dem ehemaligen Richter des Internationalen Gerichtshofes, Herrn Professor Dr. Bruno Simma gab er mir auf seinem erweiterten Doktorandenseminar auf der Insel Frauenchiemsee zudem die wertvolle Gelegenheit, Teile meiner Arbeit vorzustellen, zu diskutieren und – besonders wichtig  – in einem sehr anregenden Debattenzirkel gründlich abklopfen und kritisch hinterfragen zu lassen. Wer über ein globales Thema wie den Begriff der „gemeinsame Sorge der Menschheit“ nachdenkt und schreibt, bedarf erst recht – über die Grenzen des eigenen Landes und der eigenen Disziplin hinweg – der vielfältigen Anregung von Men-

Vorwort

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schen aus aller Welt. Eine solche ideale Umgebung fand ich zur Bearbeitung des philosophischen Teils der Arbeit auf Einladung von Professor John Tasioulas in der an akademischer Vielfalt reichen und flirrenden Intellectual Community während meines Forschungsaufenthalts am Corpus Christi College der University of Oxford. Dort öffnete mir Professor Tasioulas dankenswerterweise in vielen intensiven one-­ on-­one talks und bei meiner regelmäßigen Teilnahme an den philosophischen Debatten im Masterstudiengang (BPhil Class) bereitwillig die Tür zur Denkweise der Philosophy of International Law. Mein herzlicher Dank gilt auch meinen dortigen Freunden und Doktorandenkollegen Professor Dr. Julian Fink, Dr. Rebekah C. White, Dr. Sanja Bogojevic, Dr. Felix Zimmermann und Dr. Marius Mann, die mich in unseren zahlreichen Gesprächen stets gleichermaßen anregten wie zwangen, über meinen eigenen akademischen Tellerrand hinaus zu blicken. In ähnlicher Weise grundlegend für diese Arbeit waren Einblicke in die Praxis des Völkerrechts während meines Rechtsreferendariats an der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen in New York. Dort, am „Geburtsort“ des common concern of humankind – der UN-Generalversammlung – vermittelte mir meine Tätigkeit als Assistant Attachée ein sehr realistisches Verständnis für die politischen Hintergründe und den Prozess des Zustandekommens von UN-­Resolutionen als derjenigen Rechtsquelle, aus welcher der common concern-Begriff ursprünglich stammt. Für die vielen unvergesslichen gemeinsamen Einblicke und Gespräche innerhalb und außerhalb der UN – nicht zuletzt während des dreitägigen Wirbelsturms Sandy – danke ich meinen Weggefährten und Kollegen Markus Tiemann, Sébastien Lavoil, Matthias Kyle und Mercedes Monroe. Diese Arbeit wäre undenkbar ohne das handwerkliche Rüstzeug, das ich während meines Jurastudiums an der Goethe-Universität Frankfurt, an der Bucerius Law School in Hamburg sowie an der University of Cambridge mit und von vielen Menschen erlernen durfte. Dieser Dank gilt vorneweg  – stellvertretend für viele andere  – meinen Kommilitonen Dr. Claudio Kirch-Heim, Dr. Karl Pfaff, Dr. Till Soyka, Dr. Ramona Francuski und Simone Schönen. Lernen durfte ich vor allem von Professor Dr. Erich Samson, dass die verrücktesten Abenteuer im Kopf stattfinden, von Professor Dr. Thomas Rönnau, dass Sprache den Gedanken formt und von Professor Dr. Tony Weir, dass Originalität nur „out of the box“ entstehen kann. Große Teil der Arbeit sind in unzähligen milde beleuchteten Stunden in der Bi­ bliothek für Recht und Wirtschaft auf dem Campus Westend der Goethe-Universität entstanden. Für viele wertvolle Rück-, Nach- und Gegenfragen beim gemeinsamen Mittagessen in der Mensa und beim anschließenden Stehkaffee sowie für die ebenso nötige Ablenkung und Zerstreuung danke ich vielen Freunden und Kollegen aus dieser Zeit, darunter vor allem Dr. Ralf Seinecke, Prof. Dr. Thomas Kleinlein, Dr. Jan Buchmann und Jaime Gaicuta. Frau Elke Franke gilt mein Dank für ihr genauso zügiges wie sorgfältiges Lektorat. Dem ehemaligen Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Professor Dr. Dr. h.c. Rüdiger Wolfrum, und dem jetzigen Direktor, Professor Dr. Armin von Bogdandy, gilt mein herzlicher Dank für die Aufnahme der Arbeit in die traditionsreiche Schriftenreihe des Instituts. Ohne die unermüdliche und dabei stets fröhliche Unterstützung des Teams um Ali Zakouri,

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Vorwort

der guten Seele an der dortigen Institutsbibliothek in Heidelberg, wäre die für die Thematik unerlässliche Breite an Literaturverarbeitung nicht möglich gewesen. Gleiches gilt für die zahllosen Mitarbeiter an der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt am Main, der „Bod“ leian Library Oxford sowie an der New York Public Library (NYPL). Danken möchte ich auch Brigitte Reschke, Pia Sauerwald und Julia Bieler vom Springer Verlag für die nachsichtige und reibungslose Betreuung der Drucklegung, die geduldig waren, als sich die Veröffentlichung schließlich wegen meiner Kandidatur für den Deutschen Bundestag 2017 mehrmals hinauszögerte, währenddessen das Thema der Arbeit parallel zu der nun endlich Dank der „Fridays for Future“-Bewegung auch politisch erkannten Dringlichkeit, den Klimawandel als „gemeinsame Sorge der Menschheit“ zu bekämpfen, stetig an Aktualität gewann und weiter gewinnen wird. Schließlich werde ich meiner Verlobten und Lebenspartnerin Caroline Bosbach immer dankbar sein, ohne deren liebevolle Unterstützung die Veröffentlichung dieses Buches nicht denkbar wäre. Herzlicher Dank gebührt nicht zuletzt meinem Vater Reinhold Strank, auf dessen rege Teilnahme an meiner Arbeit und ihre intensive Begleitung mit gründlicher wie konstruktiver Kritik ich stets bauen konnte. Ich widme dieses Buch meiner Mutter Maureen Strank, geb. McHugh, in tiefer und ewiger Dankbarkeit für ihre stets hingebungsvolle Unterstützung und – vor allem – für „Wurzeln und Flügel“. Frankfurt am Main, Deutschland

Oliver Strank

Geleitwort

Common Concern of Humankind im Völkerrecht In einer Zeit, in welcher der Klimawandel die gegenseitige Abhängigkeit in der Welt des 21. Jahrhunderts uns allen vor Augen geführt hat und dennoch die Bereitschaft, diese Welt gemeinsam zum Wohle aller zu schützen, im erschreckenden Maße abzunehmen scheint – gerade in dieser Woche haben die Vereinigten Staaten das Pariser Abkommen gegen die Klimaveränderung gekündigt – hat Dr. Oliver Strank seine von mir betreute Göttinger Dissertation aus dem Jahr 2015 nun in einer um das Pariser Abkommen erweiterten Form zur Veröffentlichung in Buchform vorgelegt. Es handelt sich um eine grundlegende Arbeit im Umweltvölkerrecht, die gleichzeitig auch einen Beitrag leistet zur allgemein-völkerrechtlichen Diskussion über die Wirkungsweise von Prinzipien im Völkerrecht und zum Verhältnis von Prinzipien zur Rechtsfigur der Verpflichtungen gegenüber der Staatengemeinschaft (Obligationen erga omnes) und gegenüber allen Vertragspartnern (Obligationen erga omnes partes), die seit dem Urteil des Internationalen Gerichtshofs im Barcelona Traction-Fall von 1970 diskutiert und in dem Entwurf der Völkerrechtskommission zur Staatenverantwortlichkeit der Vereinten Nationen teilweise kodifiziert worden ist. Die Arbeit füllt damit eine Lücke, da sich die bisherige Literatur zu den Verpflichtungen gegenüber der Staatengemeinschaft zwar stets auf das Umweltvölkerrecht berufen, aber soweit ersichtlich keine vollständige Darstellung mit rechtstheoretischer und rechtsdogmatischer Absicherung versucht hat. Dies ist dem Verfasser hervorragend gelungen. Der Verfasser kommt zum Ergebnis, dass mit dem – in der Klimarahmenkonvention sowie in der Biodiversitätskonvention verankerten – Prinzip des common concern of humankind die dort enthaltenen Verpflichtungen zu solchen gegenüber der Staatengemeinschaft als Ganzer – beziehungsweise zumindest allen Vertragsparteien gegenüber – geworden sind, und zieht daraus die Konsequenzen für ihre rechtliche Wirkung mit der Rechtsfolge, dass sich alle Vertragsstaaten gegenüber anderen Vertragsstaaten (erga omnes partes) auf die Konvention berufen können. Die Arbeit schlägt einen weiten Bogen von der Rechts- und Umweltethik über die Rechtstheorie bis hin zum allgemeinen Völkerrecht und bewegt sich in all diesen Bereichen höchst kenntnisreich. Hierdurch erhält der Begriff des „common ­concern“ XI

XII

Geleitwort

schärfere Konturen und wird erst juristisch nutzbar gemacht. Bemerkenswert sind durchweg sowohl die Breite als auch die Tiefe der Darstellung, die stets den Überblick behält. Ein besonderer Glanzpunkt der Arbeit ist die rechtstheoretische Einordnung des common concern of humankind als völkerrechtliches Prinzip. Der Ertrag der Arbeit für die Einordnung des common concern-Prinzips ist beachtlich. Der Verfasser beweist einen bemerkenswerten Überblick über die Rechtsprechung und Literatur im Völkerrecht und in den rechtlichen Nachbarwissenschaften. Dabei ist der Zugang des Verfassers – trotz des Bekenntnisses zur induktiven Methodik – eher von der grundsätzlichen Frage getrieben, was die Designation eines Sachbereichs als common concern völkerrechtlich bedeutet. Das ist dem Verfasser durch die Einordnung als Prinzip mit einem Optimierungsgebot sowie als Festlegung der erga omnes-Dimension der einbezogenen Pflichten in bemerkenswerter Weise gelungen. Die Nachweise einer Klagebefugnis vor internationalen Gerichten, aber auch die mögliche Rechtfertigung von Verstößen gegen die Welthandelsregeln unter Berufung auf den common concern finden in der Arbeit eine wichtige Stütze und Unterfütterung. Angesichts der vielen neuen Klagen vor staatlichen wie internationalen Streitbeilegungsmechanismen gegen die Untätigkeit vieler Staaten bei der Bekämpfung des Klimawandels ist keinesfalls ausgeschlossen, dass die Arbeit des Verfassers in Zukunft auch praktische Auswirkungen haben wird. Ihr ist daher eine große Leserschaft und eine baldige (Teil-)Übersetzung ins Englische zu wünschen. Göttingen im Mai 2020

Prof. Dr. Andreas Paulus

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil  Einleitung

I. Common concern of humankind im Völkerrecht��������������������������������   3

II. Ziel der Arbeit und Gang der Darstellung������������������������������������������  15 III. Methodische Vorbemerkungen ������������������������������������������������������������  19 Zweiter Teil Philosophische Grundlagen des common concern of humankind-Prinzips IV. Reine Anthropozentrik versus Ökozentrik������������������������������������������  43 1. Rein Anthropozentrische Ansätze������������������������������������������������������  44 a) Christlich-abendländisches Naturverständnis ����������������������������  45 aa) Die Sonderstellung des Menschen und sein göttlicher Herrschaftsauftrag��������������������������������������������������������������  45 bb) Kritik der programmatischen Naturausbeutung ����������������  47 cc) Der Mensch als Verwalter der Schöpfung��������������������������  48 b) Selbstverständnis und Naturverständnis des Menschen in der neuzeitlichen Aufklärung������������������������������������������������������������  49 aa) Die Sonderstellung des Menschen als autonomes Vernunftwesen mit Menschenwürde����������������������������������  50 bb) Rationale und empirische Naturerkenntnis������������������������  51 (1) Rationalismus (Descartes)������������������������������������������  52 (2) Empirismus (Bacon)��������������������������������������������������  52 (3) Der Vorwurf eines systemimmanten Naturdestruktivismus��������������������������������������������������  53 2. Ökozentrische Ansätze����������������������������������������������������������������������  54 a) Speziezismus-Kritik – das Gleichheitspostulat (Singer)������������  54 b) Kritischer Rationalismus (Popper)����������������������������������������������  57 c) Mitleidsethik (Bentham) ������������������������������������������������������������  58 d) Objektive Werttheorie und absolute Ethik (Schweitzer) ������������  59 e) Eigenrechte der Natur ����������������������������������������������������������������  60 XIII

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Inhaltsverzeichnis

V. Gemäßigte Anthropozentrik als philosophische Grundlage des common concern of humankind-Prinzips��������������������������������������  63 1. Ästhetizismus – eudaimonistischer Eigenwert der Natur������������������  64 2. Ökologische Verantwortungs- und Zukunftsethik ����������������������������  65 a) Universalistische Zukunftsethik (insbesondere Jonas) ��������������  66 b) Utilitaristische Zukunftsethik (insbesondere Birnbacher)����������  68 3. Exkurs: Umweltökonomische Theorie des Marktversagens ������������  69 4. Die Suche nach intergenerationeller Gerechtigkeit ��������������������������  71 a) Frühe Ansätze������������������������������������������������������������������������������  72 b) Eine Theorie distributiver Gerechtigkeit zwischen den Generationen (Rawls)?����������������������������������������������������������������  74 c) Fairness im (Umwelt-) Völkerrecht (Franck)������������������������������  76 d) Fairness gegenüber zukünftigen Generationen (Brown Weiss) ����������������������������������������������������������������������������  78 e) Eigenrechte zukünftiger Generationen����������������������������������������  82

VI. Ergebnis zu Teil 2: Die philosophischen Grundlagen des CCM-Prinzips����������������������������������������������������������������������������������������  87 Dritter Teil Entstehungsgeschichte des common concern of humankind VII. Die älteren Wurzeln des Begriffs common concern����������������������������  91 1. Der Beringsee-Robbenstreit 1893 ����������������������������������������������������   92 2. Umweltverbrechen nach dem ersten Entwurf der ILC zur Staatenverantwortlichkeit������������������������������������������������������������������  95 3. Common concern in frühen umweltvölkerrechtlichen Verträgen�������  98 4. Zwischenbetrachtung������������������������������������������������������������������������ 102 VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern ������ 105 1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips �������������������� 106 a) Das common heritage of mankind-Prinzip im Seerecht ������������ 107 aa) Die Erklärung des Tiefseebodens zum common heritage of mankind durch die UN-Generalversammlung (1970) �������������������������������������������������������������������������������� 108 bb) Die Verankerung des CHM-Prinzips in der UN-­ Seerechtskonvention (1982) ���������������������������������������������� 112 cc) Entwicklungen nach 1982 und das Umsetzungsabkommen aus dem Jahre 1994���������������������� 114 b) Das common heritage of mankind-Prinzip im Weltraumrecht ���������������������������������������������������������������������������� 117 aa) Der Weltraumvertrag (1967)���������������������������������������������� 117 bb) Der Mondvertrag (1979)���������������������������������������������������� 118 c) Die gescheiterte Übertragung des common heritage-Prinzips auf die Antarktis �������������������������������������������� 123

Inhaltsverzeichnis





XV

d) Common heritage of mankind als bloßer (rechts-) politischer Slogan ���������������������������������������������������������������������������������������� 126 aa) Das Welterbe – kein Anwendungsfall des common heritage-­Prinzips���������������������������������������������������������������� 126 bb) Internationaler Kulturgüterschutz�������������������������������������� 128 cc) Ressourcen- und Technologietransfer�������������������������������� 135 dd) Zwischenbetrachtung��������������������������������������������������������� 137 e) Das weite Verständnis vom Anwendungsbereich des common heritage-­Prinzips im internationalen Umweltschutz������������������������������������������������������������������������������ 137 f) Zusammenfassung zur Entstehungsgeschichte des common heritage-­Prinzips ������������������������������������������������������������������������ 140 2. Überblick über den gegenwärtigen Diskussionsstand zur völkerrechtlichen Bedeutung des common heritage-Prinzips ���������� 141 a) Die fünf normativen Grundbausteine des CHM-Prinzips nach der „Elementenlehre“ �������������������������������������������������������� 143 aa) Okkupationsverbot ������������������������������������������������������������ 143 bb) Wirtschaftliche Nutzung���������������������������������������������������� 144 (1) Der gleichberechtigte Zugang aller Staaten zum gemeinsamen Erbe��������������������������������������������� 145 (2) Gemeinwohlaspekte und die Aufteilung der Nutzungsvorteile�������������������������������������������������������� 146 (3) Die gemeinsame Verwaltung des gemeinsamen Erbes�������������������������������������������������������������������������� 147 (4) Die Unmöglichkeit eines Eigentumserwerbs an Ressourcen durch Trennung �������������������������������������� 148 (5) Zusammenfassung zum Element der wirtschaftlichen Nutzung ������������������������������������������ 150 cc) Forschungsfreiheit�������������������������������������������������������������� 150 dd) Demilitarisierungsgebot und Umweltschutz���������������������� 152 b) Zusammenfassung���������������������������������������������������������������������� 153

IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des modernen Umweltvölkerrechts �������������������������� 155 1. Klimawandel als erster Anwendungsfall des CCM �������������������������� 156 a) UN-Resolution 43/53 – Abkehr vom common heritage im Klimaschutz �������������������������������������������������������������������������� 156 b) Klimarahmenkonvention – common concern of mankind als neuer Leitbegriff des internationalen Klimaschutzes������������ 160 aa) Der Framework-Protocol-Ansatz �������������������������������������� 161 bb) Verhandlungsschwierigkeiten�������������������������������������������� 164 cc) Präambel der Klimarahmenkonvention: Klimawandel und seine nachteiligen Auswirkungen als common concern of mankind������������������������������������������������������������ 166 dd) Operativer Teil der Klimarahmenkonvention �������������������� 171

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XVI



c) Kyoto-Protokoll (1997) �������������������������������������������������������������� 177 d) Kopenhagen-Konferenz (2009)�������������������������������������������������� 181 e) Die UN-Klimakonferenzen von Cancùn (2010), Durban (2011) und Doha (2012)������������������������������������������������ 184 f) Das Pariser Abkommen (2015) �������������������������������������������������� 186 aa) Entstehungsgeschichte������������������������������������������������������� 186 bb) Präambel des Pariser Abkommens: Klimawandel als common concern of humankind����������������������������������� 188 cc) Operativer Teil des Pariser Abkommens���������������������������� 192 g) Fazit�������������������������������������������������������������������������������������������� 195 2. Schutz der Biodiversität als zweiter Anwendungsfall des CCM ������ 198 a) Biodiversitätskonvention – common concern statt common heritage���������������������������������������������������������������������������������������� 199 aa) Präambel der Biodiversitätskonvention������������������������������ 200 bb) Operativer Teil der Biodiversitätskonvention �������������������� 202 b) Cartagena-Protokoll über biologische Sicherheit (2003) und Nagoya-­Protokoll (2010) ���������������������������������������������������� 204 c) Resümee�������������������������������������������������������������������������������������� 205 3. Die gescheiterte Übertragung des CCM-Prinzips auf den Waldschutz und die Bekämpfung der Wüstenbildung���������������������� 206 a) Waldgrundsatzerklärung������������������������������������������������������������� 207 b) Wüstenkonvention���������������������������������������������������������������������� 210 c) Zwischenergebnis������������������������������������������������������������������������ 213 4. Schutz der Ozonschicht – nachträglich auch ein common concern of humankind?���������������������������������������������������������������������� 213 5. Die „Umwelt als Ganzes“ als common concern of humankind? ������ 216

X. Ergebnis zu Teil 3: Die geschichtliche Entwicklung und der bisherige Anwendungsbereich des common concern of humankind-Prinzips������������������������������������������������������������������������������ 219 Vierter Teil Völkerrechtliche Bedeutung des common concern of humankind XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand völkerrechtlicher Umweltschutzprinzipien�������������������������� 225 1. Das Prinzip der territorialen Souveränität als Ausgangspunkt���������� 226 a) Aufteilung der Umwelt in unterschiedliche Rechtsräume���������� 227 b) Das Prinzip der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen���������������������������������������������������������������������������������� 229 aa) Historische Entwicklung���������������������������������������������������� 230 (1) Das ursprüngliche (traditionelle) Konzept der territorialen Souveränität�������������������������������������������� 232 (2) Die Ausprägung des Prinzips in der neuen Weltwirtschaftsordnung���������������������������������������������� 234 (3) Die Einfügung in das Prinzip 21 der ­Stockholm-­Declaration���������������������������������������������� 237

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XVII

bb) Der positive Bedeutungsgehalt der nationalen Verfügung �������������������������������������������������������������������������� 239 (1) Die Gebietshoheit als Grundlage territorialer Souveränitätsrechte über die Umwelt������������������������ 241 (2) Das Recht auf freie Ausbeutung der natürlichen Ressourcen����������������������������������������������������������������� 243 (3) Das Recht auf Nichteinmischung anderer Staaten������ 245 cc) Das nachbarrechtliche Schädigungsverbot als immanente Schranke der territorialen Souveränität ���������� 246 2. Bisherige Umweltschutzprinzipien des Völkerrechts������������������������ 248 a) Begriffe der Umweltbelastungen als Ordnungskriterien������������ 251 aa) „Grundbegriff“ der Umweltbelastung�������������������������������� 251 bb) Grenzüberschreitende Umweltbelastungen������������������������ 253 cc) Umweltbelastungen in den staatsfreien Räumen��������������� 254 b) Das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen �������������������������������������������������������� 254 c) Das Konzept der gemeinsamen natürlichen Ressourcen������������ 257 d) Prinzipien als Instrumente gegen Umweltbelastungen in den staatsfreien Räumen �������������������������������������������������������� 267 aa) Prinzip 21 Stockholm-Declaration ������������������������������������ 267 bb) Das ökologische Element des common heritage of mankind-­­Prinzips �������������������������������������������������������������� 269 cc) Das ökologische Element der Gemeinschaftssachen (Res Communes)���������������������������������������������������������������� 270 3. Das jüngere Phänomen der globalen Umweltbelastungen – eine neue „Rechtsschutzlücke“ im Umweltvölkerrecht?�������������������������� 270 a) Begriff der globalen Umweltbelastung �������������������������������������� 271 b) Untersuchung der in der Staatenpraxis zum CCM-­Prinzip diskutierten bzw. verankerten Umweltprobleme unter dem Gesichtspunkt der „globalen Umweltbelastung“������������������������ 272 aa) Klimawandel���������������������������������������������������������������������� 272 bb) Ozonschichtabbau�������������������������������������������������������������� 277 cc) Zerstörung der genetischen Vielfalt – Artensterben ���������� 278 dd) Waldsterben������������������������������������������������������������������������ 280 ee) Wüstenbildung als Folge der Bodenzerstörung������������������ 282 ff) Resümee ���������������������������������������������������������������������������� 283 c) Kein globaler Umweltschutz durch herkömmliche Prinzipien des Umweltvölkerrechts (Rechtsschutzlücke)���������������������������� 284 aa) Kein allgemeines Verbot globaler Umweltbelastungen nach traditionellem Völkerrecht ���������������������������������������� 285 bb) Keine allgemeine Schutzpflicht für die eigene Umwelt������ 289 (1) Eine Schutzpflicht für die eigene Umwelt aus der Stockholmer Grundregel?������������������������������������ 290 (2) Erweiterung von Prinzip 21 auf die eigene Umwelt der Staaten?�������������������������������������������������� 291 cc) Zwischenergebnis�������������������������������������������������������������� 296

XVIII





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d) Zusammenfassung: Das CCM-Prinzip als Instrument zur Bekämpfung globaler Umweltbelastungen mit großem Übertragungs- und Ausdehnungspotenzial �������������������������������� 296 4. Das common concern of humankind-Prinzip als Ausdruck eines modernen und „gemeinnützigen“ Souveränitätsverständnisses im Umweltvölkerrecht���������������������������������������������������������������������� 305 a) Das Spannungsverhältnis zwischen CCM-Prinzip und territorialer Souveränität ������������������������������������������������������������ 307 b) Der Wandel des Souveränitätsbegriffs im modernen Kooperationsvölkerrecht ������������������������������������������������������������ 310 c) Der Ansatz eines gemeinnützigen Souveränitätsverständnisses im Umweltvölkerrecht���������������������������������������������������������������� 313 aa) Diskussionsstand in der Literatur �������������������������������������� 314 bb) Verankerung in der Staatenpraxis bis zur Rio-Konferenz (1993)�������������������������������������������������������� 317 (1) Das Souveränitätsverständnis vor der Stockholm-­Konferenz������������������������������������������������ 318 (2) Umweltkonferenz von Stockholm im Jahre 1972: Ausarbeitung der „Declaration on Human Environment“ ������������������������������������������������������������ 319 (3) Entwicklungen zwischen Stockholm-Konferenz (1972) und Rio-­Konferenz (1993)������������������������������ 320 (4) Der Souveränitätsbegriff vor und während der Rio-­Konferenz (1993)������������������������������������������������ 322 d) Common concern of humankind – Ausdruck und Katalysator eines funktional-gemeinnützigen Souveränitätsbegriffs im modernen Umweltvölkerrecht������������ 324

XII. Abgrenzung des common concern of humankind vom common heritage of mankind-Prinzip���������������������������������������������������������������� 331 1. Gemeinsamkeiten von common heritage und common concern ������ 332 a) Hoher Internationalisierungsgrad������������������������������������������������ 332 b) Ausdruck von Staatengemeinschaftsinteressen und erga omnes-­Wirkung�������������������������������������������������������������������������� 338 c) Generationsübergreifender Ansatz���������������������������������������������� 339 d) Unmittelbare Geltung kraft völkerrechtlicher Widmung������������ 340 2. Unterschiede zwischen common heritage und common concern������ 345 a) Prinzipientypus���������������������������������������������������������������������������� 346 b) Räumlicher Anwendungsbereich������������������������������������������������ 350 c) Räumlich-funktionale Bedeutung ���������������������������������������������� 352 d) Normierungszweck und Normierungsumfang (materieller Norminhalt) ������������������������������������������������������������ 353 e) Unterscheidung nach der Interessenausrichtung/Dimensionen des Interessensschutzes �������������������������������������������������������������� 356 f) Schutzgüterbezug und sachlicher Anwendungsbereich�������������� 359

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XIX

g) Materielle Rechtswirkungen ������������������������������������������������������ 362 h) Exklusive Anwendbarkeit����������������������������������������������������������� 364 i) Relative Bestimmbarkeit des common heritage of mankind-­Prinzips������������������������������������������������������������������������ 367 3 . Zusammenfassung ���������������������������������������������������������������������������� 369

XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht�������������������������������������������������������������������������������� 373 1. Der rechtstheoretische Begriff des Prinzips im Allgemeinen Völkerrecht���������������������������������������������������������������������������������������� 373 a) Abgrenzung des allgemeinen Prinzips von der Regel���������������� 374 aa) Hoher Generalitätsgrad als Abgrenzungsmerkmal������������ 375 bb) Qualität der Normstruktur als Abgrenzungsmerkmal�������� 377 cc) Zwischenergebnis�������������������������������������������������������������� 382 b) Das Verhältnis allgemeiner Prinzipien zu den Rechtsentstehungsquellen des Völkerrechts nach Art. 38 Abs. 1 lit. a) – c) IGH-Statut������������������������������������������ 384 2. Abgrenzung des umweltvölkerrechtlichen Prinzips von anderen Regelungsinstrumenten des Umweltvölkerrechts������������������������������ 386 a) Abgrenzung zu den „Besonderen Statusbegriffen“�������������������� 386 b) Abgrenzung zum Begriff des „Statusprinzips“ als Unterfall des allgemeinen Prinzips������������������������������������������������������������ 387 c) Abgrenzung zum Begriff des „Soft Law“ ���������������������������������� 388 3. Die Bedeutung allgemeiner Prinzipien für die Praxis des Umweltvölkerrechts�������������������������������������������������������������������������� 393 4. Die Prinzipienqualität des common concern of humankind�������������� 396 a) Common concern of humankind – ein Rechtssatz des kodifizierten Völkergewohnheitsrechts?�������������������������������������� 397 aa) CCM als verallgemeinerbarer und hinreichend bestimmbarer Rechtssatz���������������������������������������������������� 398 bb) Common concern of humankind – Gewohnheitsrecht im Sinne von Art. 38 IGH-Statut?�������������������������������������� 400 cc) Die UN-Resolutionen zum Klimawandel als common concern of (hu)mankind – opinio iuris oder gar „instant customary law“?�������������������������������������������������� 405 dd) Die Staatenpraxis zum common concern �������������������������� 413 ee) Zwischenergebnis�������������������������������������������������������������� 424 b) Hoher Generalitätsgrad des common concern���������������������������� 425 c) CCM als Optimierungsgebot mit relativer Geltung und Rahmensetzungsfunktion/Dimension des Gewichts und der Wichtigkeit���������������������������������������������������������������������������� 426 5. Die Rechtswirkungen des CCM als Leitprinzip�������������������������������� 428 a) Vertragsinterne Ausstrahlungswirkung des CCM bei der Auslegung vertraglicher Pflichten���������������������������������������������� 429

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b) Vertragsexterne Ausstrahlungswirkung des CCM im fragmentierten Völkerrecht���������������������������������������������������������� 433 aa) Ausstrahlungswirkung des CCM in externe Regime – insbesondere ins Welthandelsrecht�������������������� 433 bb) Das CCM-Leitprinzip als Auslegungs- und Abwägungsbelang im Rahmen von Artikel XX GATT������ 434 cc) Ausstrahlungswirkung ins nationale Recht?���������������������� 442

XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind�������������������������� 445 1. Auslegung des Begriffs common concern of humankind������������������ 446 a) Bisherige Auffassungen in der Literatur ������������������������������������ 446 aa) Das CCM als rein politischer „außerrechtlicher“ Grundsatz��������������������������������������������������������������������������� 446 bb) Das CCM als Konzept für ein kollektives Handeln der Staatengemeinschaft���������������������������������������������������������� 447 cc) Das CCM als bloßer Teilaspekt der „common but differentiated responsibilities“ ������������������������������������������ 448 dd) Das CCM als Element des common heritage of mankind-­Prinzips �������������������������������������������������������������� 449 ee) Das CCM als Kurzformel substanzieller Schutzpflichten für bestimmte Umweltgüter���������������������� 452 ff) Das CCM als Konzept einer gerechten Lastenverteilung ���������������������������������������������������������������� 452 gg) Common concern of humankind als Ausdruck eines Staatengemeinschaftsinteresses und Grundlage für erga omnes-­Verpflichtungen���������������������������������������������� 454 hh) Die neuere Auffassung von Biermann�������������������������������� 457 ii) Common concern als Anwendungsfall des völkerrechtlichen Vertrauensprinzips (Krohn) ������������������ 457 jj) Common concern of humankind als „Menschenrecht der dritten Dimension“ ������������������������������������������������������ 459 kk) Das CCM als Grundlage für Eigenrechte zukünftiger Generationen���������������������������������������������������������������������� 461 b) Stellungnahme���������������������������������������������������������������������������� 462 2.  Common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm (Primärebene)������������������������������������������������������������������������������������ 494 a) Begriff und Voraussetzungen der Verpflichtungen erga omnes���������������������������������������������������������������������������������� 494 aa) Verpflichtungen erga omnes in der völkerrechtlichen Rechtsprechung und Literatur vor ihrer Kodifikation im Recht der Staatenverantwortlichkeit������������������������������ 497 (1)  Die Entwicklung des Konzepts der erga omnes–Verpflichtungen in der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs ������������������������������ 497 (a) Frühe Vorläufer von erga omnes-Verpflichtungen in der IGH-­­Rechtsprechung������������������������������������������ 497

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XXI

(b) Ablehnung einer generellen actio popularis in den Südwestafrika-­Fällen des IGH ���������������� 498 (c) Entwicklung der Verpflichtungen erga omnes im Barcelona Traction-Urteil des IGH �������������� 500 (d) Erga omnes-Verpflichtungen in der IGH-Rechtsprechung seit 1970 �������������������������� 501 (aa) Die Nukleartest-Fälle (1974)���������������������� 502 (bb) Nicaragua-Fall (1986)�������������������������������� 503 (cc) Ost-Timor-Fall (1996)�������������������������������� 504 (dd) Völkermord-Fall (1993)������������������������������ 504 (ee) Gabcíkovo-Nagymaros-Fall (1997)������������ 505 (e) Zusammenfassung ���������������������������������������������� 506 (2)  Diskussionsstand in der Literatur vor der Kodifikation von erga omnes-­Verpflichtungen im Recht der Staatenverantwortlichkeit���������������������� 507 (a) Verhältnis zwischen Verpflichtungen erga omnes und ius cogens������������������������������������������ 508 (b) Voraussetzungen von erga omnes-Verpflichtungen���������������������������������������� 512 (c) Hohe Wichtigkeit für die internationale Gemeinschaft (Staatengemeinschaftsinteresse)������ 513 (d) Besondere Erfüllungsstruktur ���������������������������� 515 (e) Zusammenfassung ���������������������������������������������� 520 bb) Die Verankerung der Verpflichtungen erga omnes im Recht der Staatenverantwortlichkeit der UN-­ Völkerrechtskommission (Überblick)���������������������������������� 521 (1)  Verhältnis zwischen Verpflichtungen erga omnes und ius cogens������������������������������������������������ 521 (2)  Verpflichtungen erga omnes (partes) und ihre Voraussetzungen (Art. 48 ASR) �������������������������������� 523 (a) Verpflichtungen erga omnes (Art. 48 lit. b) ASR)�������������������������������������������� 524 (b) Verpflichtungen erga omnes partes (Art. 48 Abs. 1 lit. a) ASR)���������������������������������� 527 cc) Die Rezeption der ASR-Kodifikation durch das Belgien v. Senegal-Urteil des IGH (2012) zu den Voraussetzungen von erga omnes (partes)-Verpflichtungen ���������������������������������������������������� 529 dd) Implizite Rezeption der ASR-Kodifikation durch das Whaling in the Antarctic-Urteil des IGH (2014) zur Klagebefugnis aus erga omnes (partes)-Verpflichtungen������ 530 b) Common concern of humankind als Ausdruck eines ­Staatengemeinschaftsinteresses am Schutz bestimmter globaler Umweltgüter����������������������������������������������������������������� 532 aa) Der Begriff des Staatengemeinschaftsinteresses���������������� 533 (1) Vom Koexistenz- zum Kooperationsvölkerrecht�������� 533

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(2) Versuch einer abstrakten Definition des Staatengemeinschaftsinteresses���������������������������������� 536 (3) Einzelne konkrete Staatengemeinschaftsinteressen („Fallgruppen“)���������������������������������������������������������� 542 bb) Common concern of humankind als Manifestation eines Staatengemeinschaftsinteresses an der Lösung (bestimmter) globaler Umweltprobleme���������������������������� 543 c) Rechtsfolge: Verpflichtungen erga omnes partes statt erga omnes������������������������������������������������������������������������������������������ 548 3. Welche Verpflichtungen werden von der erga omnes (partes)-Wirkung des CCM erfasst? (Primärebene)�������������������������� 555 a) Globaler Klimaschutz����������������������������������������������������������������� 556 aa) Klimarahmenkonvention���������������������������������������������������� 556 bb) Kyoto-Protokoll������������������������������������������������������������������ 558 cc) Pariser Abkommen ������������������������������������������������������������ 558 b) Globaler Artenschutz������������������������������������������������������������������ 560 aa) Biodiversitätskonvention���������������������������������������������������� 561 bb) Cartagena-Protokoll������������������������������������������������������������ 561 XV. Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips (Sekundärebene)������������������������������������������������ 563 1. Die Rechtsfolgen von erga omnes-Verpflichtungen (Überblick)������ 564 a) Rechtsfolgen von erga omnes-Verpflichtungen nach Artikel 48 ASR���������������������������������������������������������������������������� 565 aa) Die „essential distinction“ zwischen „verletzten Staaten“ (Art. 42 ASR) und allen „anderen Staaten“ (Art. 48 ASR) �������������������������������������������������������������������� 565 bb) Rechtsfolgen aus der Verletzung von erga omnes-Verpflichtungen������������������������������������������������������ 568 (1) Rechtsfolge 1: Klagebefugnis (Art. 48 Abs. 1 und 2 ASR) ���������������������������������������������������������������� 568 (2) Rechtsfolge 2: Gegenmaßnahmen aller „anderen (Dritt-) Staaten“ (Art. 54 ASR)?�������������������������������� 569 b) Rezeption der ASR-Kodifikation zu den Rechtsfolgen von erga omnes-­Verpflichtungen durch den IGH������������������������������ 571 aa) Israeli Wall Advisory Opinion (2004)�������������������������������� 571 bb) Congo v. Uganda (2005)���������������������������������������������������� 573 cc) Belgien v. Senegal (2012)�������������������������������������������������� 574 dd) Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan) (2014)�������� 575 2. Die erga omnes-Wirkung des CCM (Sekundärebene)���������������������� 576 a) Anwendbarkeit des erga omnes-Konzepts im Einzelfall������������ 578 b) Klagebefugnis aller (Vertrags-)Staaten �������������������������������������� 581 c) Gegenmaßnahmen���������������������������������������������������������������������� 582

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XVI. Zusammenfassung und Ausblick���������������������������������������������������������� 587 I. �������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 588 II.�������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 591 III.������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 591 IV.������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 593 Literaturverzeichnis������������������������������������������������������������������������������������������ 609 English Summary���������������������������������������������������������������������������������������������� 663

Abkürzungsverzeichnis

a.A. anderer Ansicht Abs. Absatz a.E. am Ende AFDI Annuaire Francais de Droit International AJIL American Journal of International Law AJPIL Austrian Journal of International Law AöR Archiv des öffentlichen Rechts ARSP Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Art./Artt. Artikel (Singular/Plural) ASIL Proc. American Society of International Law Proceedings ASR Articles on State Responsibility Aufl. Auflage AVR Archiv des Völkerrechts Bd. Band BayVBl Bayerische Verwaltungsblätter BDGVR Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit BT Ds. Bundestags-Druckssache BVerfG Bundesverfassungsgericht BYIL British Yearbook of International Law bzw. beziehungsweise CJTL Columbia Journal of Transnational Law ders. derselbe dies. dieselbe Diss. Dissertation Diss. Op. dissenting opinion

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DÖV Deutsches Verwaltungsblatt Dok. Dokument DRiZ Deutsche Richterzeitung Duke ELPF Duke Environmental Law and Policy Forum DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt DZPhil Deutsche Zeitschrift für Philosophie EA Europa-Archiv EG Europäische Gemeinschaft EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EPIL Encyclopedia of Public International Law EPL Environmental Policy and Law etc. et cetera ETS European Treaty Series EU Europäische Union FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung Ffm. Frankfurt am Main Fn. Fußnote f. folgender ff. folgende frz. französisch FS Festschrift GA General Assembly GAOR General Assembly Official Records GATT General Agreement on Tariffs and Trade GG Grundgesetz GYIL German Yearbook of International Law HdUR Handbuch des Umweltrechts Hrsg. Herausgeber ICJ International Court of Justice ICJ Reports Reports of Judgements, Advirory Opinions and Orders of the International Court of Justice ICLQ International and Comparative Law Quarterly IEA European Treaty Series i.E. im Ergebnis IGH Internationaler Gerichtshof ILA International Law Association ILC International Law Commission ILJ International Law Journal ILM International Legal Materials insb. insbesondere IPCC Intergouvernmental Panel on Climate Change i.S. im Sinne IUCN International Union for the Conservation of Nature Jahrbuch UTR Jahrbuch des des Umwelt- und Technikrechts

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JIL Journal of International Law (verschiedene) Jura Juristische Ausbildung (Zeitschrift) KRK Klimarahmenkonvention lit. littera LR Law Review (verschiedene) m.w.N. mit weiteren Nachweisen NILR Netherlands International Law Review NuR Natur und Recht NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NYIL Netherlands Yearbook of International Law o. ohne OECD Organization of Economic Co-operation and Development ÖZöRV Österreichische Zeitschrift für Öffentliches Recht und Völkerrecht Para Paragraph PCIJ Permanent Court of International Justice RBDI Revue Belge de Droit International RdC Recueil des Cours d’Academie de Droit International RECIEL Review of European Community and International Environmental Law Res. Resolution RGDIP Revue Générale de Droit International Public RIAA Reports of International Arbitral Awards Rn. Randnummer S. Seite sog. sogenannte/sogenanntes StIGH Ständiger Internationaler Gerichtshof u. a. unter anderem UN United Nations UN-Doc. United Nations Documents UNEP United Nations Environmental Programme UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization UNGA United Nations General Assembly UNO United Nations Organization UNTS United Nations Treaty Series USA United States of America v. vom vgl. vergleiche VN Vereinte Nationen (Zeitschrift) Vol. Volume vs. Versus WTO World Trade Organization YIEL Yearbook of International Environmental Law YLJ Yale Law Journal z. B. zum Beispiel

XXVIII

ZaöRV ZfU ZLW z. T. ZUR ZVR

Abkürzungsverzeichnis

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht zum Teil Zeitschrift für Umweltrecht Zeitschrift für Völkerrecht

Erster Teil

Einleitung

I. Common concern of humankind im Völkerrecht

Im Zeitalter voranschreitender Globalisierung, in dem sich nationale und kulturelle Grenzen allmählich auflösen, Finanzmärkte rund um den Globus vernetzen, sich die internationalen Beziehungen von Individuen, Gesellschaften, Institutionen und Staaten zunehmend verdichten und alle Bereiche des menschlichen Lebens sich weltweit verflechten, schrumpft die Welt zusehends zu einem „globalen Dorf“ oder wächst bisweilen gar zu einer „globalen Schicksalsgemeinschaft“ mit einer Art „internationalem Solidaritätsgefühl“ zusammen. Rasch haben lokale Ereignisse infolge weltweiter Wechselwirkungen globale Folgen, und wo ein Problem infolge seiner Globalität tatsächlich alle Menschen gleichermaßen betrifft und sich zu einer existenziellen Bedrohung der menschlichen Lebensgrundlagen auf Erden zuspitzt, wächst es womöglich gar zu einer „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ heran – zu einem common concern of humankind. Gemeinsame Menschheitsanliegen können sich vor allem mit Blick auf globale Umweltprobleme herauskristallisieren, die naturgemäß keine von Menschenhand künstlich gezogenen Grenzen kennen und daher an nationalen Staatsgrenzen nicht haltmachen. Die meisten Umweltprobleme sind grenzenlos. Dass sie auf nationalstaatlicher Ebene alleine nicht bewältigt werden können, sondern global beantwortet werden müssen, gilt mittlerweile als „Binsenweisheit“. Im Gravitationszentrum der internationalen Debatte über die Bewahrung des globalen Ökosystems stehen die Bekämpfung des Klimawandels und die Bewahrung der globalen Biodiversität. Die neuesten Erkenntnisse des für die Beurteilung des globalen Klimawandels zuständigen Sachverständigenrats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) sind alarmierend: Während im dritten Sachstandsbericht des IPCC aus dem Jahre 20011 noch vorsichtig formuliert wurde, es sei bloß „wahrscheinlich“ (likely), 1  IPCC, 2001: Climate Change 2001: The Scientific Basis. Contribution of Working Group I to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Houghton,

© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_1

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I. Common concern of humankind im Völkerrecht

dass die festgestellte Erwärmung auf anthropogene Einflüsse zurückgeführt werden könne, hat der IPCC seine Aussage im vierten Sachstandsbericht von 20072 korrigiert und verschärft. Dort heißt es, „der größte Teil des globalen Temperaturanstiegs seit Mitte des 20. Jahrhunderts“ sei „sehr wahrscheinlich“ (very likely) durch menschliche Treibhausgasemissionen „verursacht“ worden. Dem aktuellen fünften Sachstandsbericht des IPCC aus dem Jahre 20133 zufolge ist es gar „äußerst wahrscheinlich“ (extremely likely), dass der menschliche Einfluss die Hauptursache für die seit 1950 beobachtete globale Erwärmung war.4 Dieser in den IPCC-Berichten zum Ausdruck gebrachte wissenschaftliche Konsens wurde von den wichtigsten nationalen Wissenschaftsakademien aller G8-Länder ausdrücklich unterstützt und gilt seither als wissenschaftlicher Beleg für den Klimawandel.5 Wie stark die Temperaturen in den nächsten Jahrzehnten ansteigen werden, ist schwierig zu prognostizieren, zumal die zugrunde liegenden Prozesse komplex und mit vielen Variablen versehen sind.6 Obgleich der IPCC insgesamt vorsichtiger mit Prognosen geworden ist, sind die Zahlen nicht minder alarmierend: Im günstigsten Szenario prognostiziert der IPCC einen Anstieg der durchschnittlichen Temperatur um 1,5 °C bis zum Jahre

J. T., Y. Ding, D. J. Griggs, M. Noguer, P. J. van der Linden, X. Dai, K. Maskell and C. A. Johnson (Hrsg.)], Cambridge 2001, S. 99 ff. 2  IPCC, 2007: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Solomon S., D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K. B. Averyt, M. Tiguerad, H. C. Miller (Hrsg.)], Cambridge 2007, S. 35 ff. 3  IPCC, 2013: Climate Change 2013: Summary for Policymakers. The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Stocker, T. F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S. K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (Hrsg.)], Cambridge 2013, S. 15: „Human influence has been detected in warming of the atmosphere and the ocean, in changes in the global water cycle, in reductions in snow and ice, in global mean sea level rise, and in changes in some climate extremes. (…) It is extremely likely that human influence has been the dominant cause of the observed warming since the mid-20th century“. 4  Der sechste Sachstandsbericht des IPCC soll in den Jahren 2021/2021 veröffentlicht werden (https://www.de-ipcc.de/250.php – zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). 5  IPCC, 2007: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Solomon S., D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K. B. Averyt, M. Tiguerad, H. C. Miller (Hrsg.)], Cambridge 2007, S. 35 ff. 6  Die Klimaforschung bedient sich bei der Erfassung der Klimaänderung sogenannter „Klimamodelle“, die „quasi-realistisch“ in mathematischer Form das physikalische Wissen über das Klima abzubilden und sich dadurch der Wirklichkeit anzunähern versuchen (diagnostische Klimamodelle) bzw. Aussagen über die künftige Entwicklung treffen (prognostische Klimamodelle). Als prozessbasierte Modelle berücksichtigen die Klimamodelle allerdings nur jene Erkenntnisse, die zum Zeitpunkt der Modellierung vorliegen. Sie sind somit unvollständig, d. h. „semi-empirisch und im schlimmsten Fall spekulativ“ [so Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 42]. Siehe allgemein zu den Problemen einer Umweltprognose Wahl/Appel, Prävention und Vorsorge, S. 1 (4 ff.). Siehe ferner zu den Unwägbarkeiten einer Klimaprognose Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 95. Siehe zur Rolle des IPCC im Völkerrecht Bolle, Das Intergovernmental Panel on Climate Change: Eine völkerrechtliche Untersuchung.

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2100, in ihrem ungünstigsten gar einen Temperaturanstieg um 4 °C.7 Mit einer derartigen weltweiten Temperaturerhöhung werden in verschiedenen Szenarien mannigfaltige Folgen verbunden. Sie reichen vom teilweisen Abschmelzen der Polarkappen über den Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 82  cm bis hin zur Desertifikation des Mittelmeerraumes und des mittleren Westens der Vereinigten Staaten und zögen wiederum unabsehbare Folgen für das Ökosystem Erde als Ganzes nach sich.8 Vor allen Dingen werden Klimaverschärfungen und -destabilisierungen, eine Zunahme von Wetter-Extremsituationen (Wirbelstürme, Dürren, Hochwasser), das Versinken ganzer Landstriche im Meer sowie ein Rückgang der biologischen Vielfalt befürchtet.9 Ohne eine erhebliche und nachhaltige Reduktion von CO2-Emissionen werde der Klimawandel sich weiter verschärfen.10 Laut dem aktuellen Sonderbericht des IPCC zum Klimawandel vom 6. Oktober 201811 – veröffentlicht nur kurze Zeit nach dem „Jahrtausendsommer“ 2018 – erwärmt sich die Erde schneller und mit noch ernsteren Folgen als befürchtet.12 Der Weltklimarat hat daher ein rasches und entschlossenes Handeln angemahnt, um die Erderwärmung noch auf 1,5 °C zu begrenzen. Dies sei „technisch und wirtschaftlich möglich“, jedoch nur mit „schnellen, weitreichenden und beispiellosen Änderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen“.13 Sollte dieses 1,5 °C-Ziel verfehlt werden, drohen den Wissenschaftlern zufolge dramatische Folgen für sämtliches Leben auf der Erde. Der Weltklimarat geht in seinem Sonderbericht davon aus, dass bereits heutzutage eine Erwärmung von ca. 1 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau eingetreten 7  IPCC, 2013: Climate Change 2013: Summary for Policymakers. The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Stocker, T. F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S. K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (Hrsg.)], Cambridge 2013, S. 18. 8  IPCC, 2013: Climate Change 2013: Summary for Policymakers. The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Stocker, T. F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S. K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (Hrsg.)], Cambridge 2013, S. 17 f. Siehe auch Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 95; Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 50. 9  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 95; Oberthür/Ott, Kyoto-Protokoll, S. 50; Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 50. 10  IPCC, 2013: Climate Change 2013: Summary for Policymakers. The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Stocker, T. F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S. K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (Hrsg.)], Cambridge 2013, S. 17. 11  IPCC, 2018: Summary for Policymakers. In: Global warming of 1,5 °C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1,5 °C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty [V. Masson-Delmotte, P. Zhai, H. O. Pörtner, Dr. Roberts, J. Skea, P. R. Shukla, A. Pirani, W. Moufouma-Okia, C. Péan, R. Pidcock, S. Connors, J. B. R. Matthews, Y. Chen, X. Zhou, M. I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, M. Tignor, T. Waterfield (Hrsg.)]. World Meteorological Organization, Geneva, Switzerland, S. 32. 12  Sonderbericht zum Klimawandel – Klimarat fordert raschen Umbau der Weltwirtschaft, Zeit Online, 08.10.2018. 13  Sonderbericht zum Klimawandel – Klimarat fordert raschen Umbau der Weltwirtschaft, Zeit Online, 08.10.2018.

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ist – mit gravierenden Folgen wie häufigerem Extremwetter, steigendem Meeresspiegel und dem Verschwinden arktischen Meereises.14 Bei ungebremster Erwärmung könne die 1,5  °C-Marke bereits 2030 erreicht werden. Laut den Wissenschaftlern des IPCC sind die kommenden Jahre daher vermutlich die wichtigsten in der Geschichte der Menschheit.15 Die nackten Zahlen des globalen Artensterbens lesen sich nicht weniger bedrohlich: Bereits heute sterben im Durchschnitt etwa acht verschiedene Tier- und Pflanzenarten pro Stunde aus.16 Hierbei nimmt nicht nur die Biodiversität als solche permanent ab, sondern es findet auch ein Verlust von Rassen und Arten innerhalb einer Spezies, mithin ein Verlust globaler genetischer Ressourcen insgesamt statt, sodass genau genommen nicht bloß von Artensterben, sondern vielmehr von „genetischem Schwund auf der Erde“ gesprochen werden muss.17 Nach dem dritten Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme, UNEP) zur globalen Biodiversität aus dem Jahre 2010 hat sich der Verlust an Biodiversität im letzten Jahrzehnt in allen Bereichen beinahe unvermindert fortgesetzt.18 Laut dem jüngsten Bericht des Weltbiodiversitätsrates (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services, IPBES) vom 6.  IPCC, 2018: Summary for Policymakers. In: Global warming of 1,5 °C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1,5 °C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty [V. Masson-Delmotte, P. Zhai, H. O. Pörtner, Dr. Roberts, J. Skea, P. R. Shukla, A. Pirani, W. Moufouma-Okia, C. Péan, R. Pidcock, S. Connors, J. B. R. Matthews, Y. Chen, X. Zhou, M. I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, M. Tignor, T. Waterfield (Hrsg.)]. World Meteorological Organization, Geneva, Switzerland, S. 9. 15  Sonderbericht zum Klimawandel – Klimarat fordert raschen Umbau der Weltwirtschaft, Zeit Online, 08.10.2018. 16  Siehe UNEP, Global Biodiversity Outlook III, Executive Summary, veröffentlicht im Jahr 2010 (Montreal, Kanada), S. 15–18, abrufbar unter https://www.cbd.int/gbo/gbo3/doc/GBO3-Summary-final-en.pdf (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019), wonach pro Tag bis zu 150 Arten aussterben; siehe zudem Schweizer, Biodiversitätskonvention, S. 24; Schütze/Kohout, Artenschutz als internationales Problem, in: Mayer-Tasch, Die Luft hat keine Grenzen, S. 231; Hauff, Unsere gemeinsame Zukunft, S. 151 und Wilson, Jede Art ein Meisterwerk, in: Die Zeit, Nr. 26, v. 23. Juni 1995, S. 33. 17  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 87 f.; siehe außerdem UNEP, Global Biodiversity Outlook III, Executive Summary, veröffentlicht im Jahr 2010 (Montreal, Kanada), S.  10, abrufbar unter http://www.cbd.int/gbo/gbo3/doc/GBO3-Summary-final-en.pdf (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019); Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.), Biodiversität und Klima, S. 16; Schweizer, Biodiversitätskonvention, S. 24; Hauff, Unsere gemeinsame Zukunft, S. 151. Für die Erhaltung dieser Artenvielfalt sprechen neben ethischen, ästhetischen und wissenschaftlichen Gründen nicht zuletzt auch anthropozentrisch motivierte Erwägungen. So ist die Vielfalt an unterschiedlichen Pflanzenund Tierarten bei der Erforschung neuer Medikamente sowie bei der Entwicklung neuer Rohstoffe und Nahrungsmittel von entscheidender Bedeutung. 18  UNEP, Global Biodiversity Outlook III, Executive Summary, veröffentlicht im Jahr 2010 (Montreal, Kanada), S.  5, abrufbar unter http://www.cbd.int/gbo/gbo3/doc/GBO3-Summary-final-en. pdf (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). Dieser globale Bericht bewertet nach eigenen Angaben der UNEP den gegenwärtigen Status der Artenvielfalt sowie ihre Ursachen und aktuellen Entwicklungen, um einen Anhaltspunkt für eine Umsetzung der in der Biodiversitätskonvention und ihren Protokollen verankerten Ziele zu liefern. Siehe außerdem Schweizer, Biodiversitätskonvention, S. 24 ff. 14

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Mai 2019 zur globalen Artenvielfalt19 als wissenschaftliche Grundlage für ein neues UN-Rahmenübereinkommen zur Bewahrung der Biodiversität im Jahr 2020 sind sogar eine Million Arten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vom ­Aussterben bedroht, wenn nicht sofort auf allen politischen Ebenen grundlegende Änderungen beim Umweltschutz, bei der Landnutzung und bei der Bekämpfung des Klimawandels ergriffen werden.20 Verursacht wird der Verlust an Biodiversität primär durch den Klimawandel sowie die mit ihm verbundene Zerstörung der Ökosysteme, die den Lebensraum für die unterschiedlichen Pflanzen- und Tierarten bilden. Der zunächst nur lokal auftretende Schwund der genetischen Biodiversität hat insofern schwerwiegende globale Auswirkungen, als er zu einer Destabilisierung der Ökosysteme führt, deren Folgen für das globale Klima, den Wasserhaushalt und die Qualität der Böden heutzutage noch nicht quantifizierbar sind.21 Schließlich sind insbesondere Klimawandel und Artensterben wiederum in einem komplexen Kreislauf von Ursachen und Wirkungen miteinander verwoben, sodass sie sich wechselseitig verstärken. Der englische Biologe Hardin umschrieb die voranschreitende Abnutzung internationaler Umweltgüter bereits vor mehr als 40 Jahren in einer mittlerweile legendären Formulierung als „tragedy of the commons“.22 Der freie Zugang zu den natürlichen Ressourcen, so Hardin, führe in einer beinahe ausschließlich auf Gewinnmaximierung ausgerichteten (Staaten-) Gemeinschaft unweigerlich zu ihrer Ausbeutung und ende schließlich in ihrer Zerstörung.23 Mit seiner Analyse ermahnte Hardin bereits im Jahre 1968 die Staatengemeinschaft, endlich eine regelnde Instanz zu schaffen, mit deren Hilfe sich die gemeinnützigen Erfordernisse eines globalen Umweltschutzes gegen egoistische Partikularinteressen der einzelnen Staaten durchsetzen lassen.24 Erschwert wurde die internationale Lösung globaler Umweltprobleme allerdings – wie bei nahezu allen internationalen Lösungsansätzen – seit jeher durch ein Phänomen, das in der Literatur oft als free-rider-Problematik be IPBES, 2019: Summary for Policymakers of the global assessment report on biodiversity and ecosystem services of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services [S. Diaz, J. Settele, E. Brondizio, H. T. Ngo, M. Guezé, J. Agard, A. Arneth, P. BBalvanera, K.  Brauman, S.  Butchard, K.  Chan, L.  Garibaldi, K.  Ichii, J.  Liu, S.  M. Subramanian, G.  Midgley, P.  Miloslavich, Z.  Molnár, D.  Obura, A.  Pfaff, S.  Polasky, A.  Purvis, J.  Razzaque, B. Reyers, R. R. Chowdhury, Y.-J. Shin, I. Visseren-Hamakers, K. Willis, C. Zayas (Hrsg.)], 6. Mai 2019, S. 39. 20  Schwägerl, Dramatischer Uno-Bericht – Eine Million Arten vom Aussterben bedroht, Spiegel Online, 06.05.2019. 21  UNEP, Global Biodiversity Outlook III, Executive Summary, veröffentlicht im Jahr 2010 (Montreal, Kanada), S. 10, abrufbar unter http://www.cbd.int/gbo/gbo3/doc/GBO3-Summary-final-en. pdf (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019); Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.), Biodiversität und Klima, S.  16; Schweizer, Biodiversitätskonvention, S.  24  ff.; siehe hierzu auch bereits Schütze/ Kohout, Artenschutz als internationales Problem, in: Mayer-Tasch, Die Luft hat keine Grenzen, S. 231; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 88; Bragdon, HJIL 1992, S. 381 (382 f.). 22  Hardin, 163 Science (1968), S. 1243 ff. Siehe dazu auch bereits Durner, Common Goods, S. 18.  23  So Durner, Common Goods, S. 18. 24  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 18. 19

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zeichnet wird: Im permanenten Gerangel der Nationalstaaten um Souveränität und geostrategische Vorteile, wirtschaftlichen Einfluss und materiellen Wohlstand sind selbst die ehrgeizigsten Versuche, die Staaten zu wechselseitigen Nutzungsbeschränkungen zu bewegen, oft von vornherein zum Scheitern verurteilt. Für staatliche Akteure ist es häufig lukrativer oder schlicht innenpolitisch opportun, aus internationalen Übereinkünften auszuscheren oder sie gar zu boykottieren, um auf diese Weise gerade aus der Selbstbeschränkung der übrigen kooperierenden Staaten auf deren Kosten und deshalb „zum Nulltarif“ besondere Vorteile zu ziehen.25 So scheint es  – um nur ein besonders prominentes Beispiel zu nennen  – für die ­Vereinigten Staaten als dem mit Abstand größten CO2-Emmittenten bis heute volkswirtschaftlich vorteilhaft zu sein, das Kyoto-Protokoll nicht zu ratifizieren und sich auf diese Weise auf Kosten anderer Staaten einer kostspieligen Selbstverpflichtung zur Reduzierung ihrer CO2-Emmissionen zu entziehen. Verkompliziert wird die Bekämpfung des Klimawandels auf der politischen Ebene durch den Umstand, dass in der Zeit nach Kyoto vor allen Dingen mit der Volksrepublik China ein schlafender Wirtschaftsriese erwacht ist, dessen CO2-Emissionen angesichts seines exponentiellen Wirtschaftswachstums in Zukunft weiter rapide ansteigen werden, der sich jedoch nach bisherigen Anzeichen nur schwerlich zu einer CO2-­Emissionsreduzierung durchringen dürfte. Ohne eine Einbindung von „Chimerica“26 – China und Amerika als den bisher größten CO2-Emittenten – wird eine wirksame Bekämpfung des Klimawandels indes nicht möglich sein. Als Meilenstein wurde es daher gewertet, dass der neue Klimavertrag von Paris (Pariser Abkommen) vom 12. Dezember 2015 vor allem von China und Amerika, aber auch von weiteren „Klima-Schwergewichten“ wie Brasilien und Indien ratifiziert wurde.27 Der damalige US-Präsident Barack Obama sprach von einem möglichen „Wendepunkt für die Welt“.28 Das politische Klima in den Vereinigten Staaten hat sich indes seit Januar 2017 mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump grundlegend gewandelt. Bereits kurze Zeit nach seiner Amtseinführung hat Trump am 1. Juni 2017 verkündet, die Vereinigten Staaten würden aus dem Pariser Abkommen aussteigen, da es sein Land benachteilige und „unfair“ gegenüber den US-amerikanischen Unternehmen und Steuerzahlern sei. Zugleich versprach Trump, er wolle Verhandlungen für ein neues Abkommen führen, dessen Bedingungen „fair“ für die USA seien.29 Diese Entscheidung wurde weltweit und im eigenen Land auf das Schärfste verurteilt.30 Bei einem genaueren  Siehe hierzu etwa Durner, Common Goods, S. 18.  So zur Beschreibung der vor allem in finanzieller Hinsicht „symbiotischen Beziehung“ zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China erstmals Niall Ferguson, „Team ‚Chimerica‘“, in: Washington Post v. 17. November 2008, S. 3. 27  Siehe https://www.br.de/klimawandel/klimaabkommen-paris-protokoll-klimapolitik-klimawandel-102.html (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). 28  Siehe https://www.sueddeutsche.de/wissen/reaktionen-auf-klimavertrag-wir-haben-geschichte-geschrieben-1.2780271 (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). 29  Siehe https://www.theguardian.com/environment/2017/jun/01/donald-trump-confirms-us-willquit-paris-climate-deal (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). 30  Watts, J., & Connolly, K. (2017). World leaders react after Trump rejects Parisclimate deal. The Guardian, 2. Juni 2017  – https://www.theguardian.com/environment/2017/jun/01/trump-withdraw-paris-climate-deal-world-leaders-react (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). 25 26

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Blick auf die Bestimmungen des Pariser Abkommens wird schnell klar, dass die Ankündigung Trumps vorerst eine rein politische Absichtserklärung ohne rechtliche Folgen bleibt, da sie bisher noch nicht auf die völkerrechtliche Ebene durchschlägt. Nach Artikel 28 des Pariser Abkommens wird die Kündigung durch die Vereinigten Staaten nicht wirksam vor dem 4. November 2020. Sollte Trump einen Tag vorher – bei den nächsten Präsidentschaftswahlen am 3. November 2020 – nicht wiedergewählt werden, hätte ein dann bereits neugewählter US-Präsident die Möglichkeit, die Kündigung des Pariser Abkommens seitens der Vereinigten Staaten umgehend rückgängig zu machen.31 Diese Schwierigkeiten, auf der politischen Ebene eine internationale Lösung für globale Umweltprobleme zu finden, beruhen nicht zuletzt auf dem Charakter des Völkerrechts als „dezentraler“ Rechtsordnung. Globale Umweltprobleme sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Folgen letztlich die Erde in ihrer Gesamtheit betreffen, ihr Ursprung jedoch in einem oder mehreren Nationalstaaten beheimatet ist.32 „Charakteristisch für die Mehrzahl der globalen Umweltbelastungen ist“ zudem „der Umstand, dass ihre Quellen nicht punktuell, sondern diffus sind und ihre Zuordnung zu einem bestimmten Verursacher damit praktisch unmöglich wird“.33 Während die Natur rein (natur)wissenschaftlich betrachtet eine zusammenhängende und komplexe Einheit vielfältiger klimatischer und biotischer Faktoren darstellt, die ein interdependentes Ökosystem bilden,34 teilt das Umweltvölkerrecht die Umwelt des Menschen in verschiedene Rechtsräume auf. Das historisch gewachsene Prinzip der staatlichen Souveränität35 räumt den einzelnen Staaten die ausschließliche Zuständigkeit für einen bestimmten Raum auf der Erde ein.36 Im Ausgangspunkt stehen jedem Staat seine territorialen Souveränitätsrechte über seine Umwelt zunächst einmal zweckfrei zu. Wie er seine Handlungs- und Entscheidungsrechte über „sein  Sellheim, Book Review of: Klein/Carazo/Doelle/Bulmer/Higham (Hrsg), The Paris Agreement on climate change. Analysis and commentary, 54 Polar Record (2018), S. 243 (244). 32  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 84. Ähnlich zuvor bereits Amelung, ZfU 1991, S. 159. Übernommen wurde diese Definition außerdem neuerdings von Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 30. 33  So Springer, The International Law of Pollution, S. 6 ff. und Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 85. 34  Diese Definition stammt aus der Literatur: Handl, 69 AJIL (1975), S. 50 (53), Brunnée, Entwicklungen, S. 1, Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 97 und Proelß, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg), Völkerrecht, 7. Aufl., S. 414. In den wesentlichen völkerrechtlichen Übereinkommen und Dokumenten hat sich bislang keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Umwelt“ herausgebildet. Vielmehr umgehen die meisten Konventionen das Definitionsproblem, zumal es sich bei dem Begriff der „Umwelt“ in den Worten von Caldwell (International Environmental Policy and Law, 1. Aufl., 1980, S. 170) um einen Terminus handelt, „(…) that everyone understands and no one is able to define“. Nur vereinzelt finden sich Definitionsansätze. Siehe dazu ausführlich Birnie/ Boyle, International Law and the Environment, S. 3 f. 35  Zur geschichtlichen Entwicklung des Souveränitätsbegriffs vgl. u. a. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 31 ff.; Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 96 ff., 130, 197 ff., 201, 211 ff., 381, 487 f., 592 f., 623 ff., 639 ff., 763 ff.; ausführlich zur Souveränitätstheorie Jean Bodins: von der Heydte, Die Geburtsstunde des souveränen Staates. 36  So zutreffend im folgenden Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 25. 31

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Umweltsegment“ ausübt, bleibt jedem Staat selbst überlassen. Nach wie vor sind souveräne Staaten die dominierenden Akteure in den internationalen Beziehungen.37 Als originäre Völkerrechtssubjekte bilden Nationalstaaten daher für Umweltbeeinträchtigungen die zentrale und oberste „Zurechnungseinheit“ und sind somit die primären Adressaten eines globalen Umweltschutzes durch Völkerrecht. Während es im Zeitalter des herkömmlichen Koexistenzvölkerrechts zunächst noch darum ging, rein zwischenstaatliche Souveränitätskonflikte zu bewältigen, die aus grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen resultieren, ist das moderne Umweltvölkerrecht der Kooperation bis heute von dem Versuch getragen, die gemeinnützigen Erfordernisse des globalen Umweltschutzes gegen egoistische Sonderinteressen der einzelnen Staaten durchzusetzen und daher die nationalstaatliche Souveränität im Interesse eines internationalen Umweltschutzes sukzessive einzuschränken. Angesichts ihrer ökologischen Interdependenz sieht sich die internationale Staatengemeinschaft38 vor die schwierige Aufgabe gestellt, entweder solche Umweltgüter zu bewahren, die nach traditionellen völkerrechtlichen Kategorien in den Bereich einzelstaatlicher Souveränität fallen,39 oder die einzelnen Staaten zu bestimmten ressourcenschonenden Verhaltensweisen zu verpflichten. Ein geradezu klassisches Beispiel hierfür sind die tropischen Regenwälder, das „weltweit größte Reservoir genetischer Ressourcen und zugleich eines der Schlüsselelemente des globalen Klimasystems“:40 Die bereits seit Jahrzehnten andauernde Zerstörung dieser Waldgebiete und ihrer Biodiversität aufzuhalten, liegt zwar objektiv im Interesse der gesamten Menschheit. Völkerrechtlich fällt die gesamte Problematik jedoch – jedenfalls nach traditionellem Verständnis – in den Kompetenzbereich der jeweils verfügungsberechtigten Staaten.41 Ob es gelingt, die voranschreitende Zerstörung des tropischen Regenwaldes mit seinen fatalen Folgen für die gesamte Menschheit aufzuhalten, hängt folglich im Wesentlichen davon ab, ob sich die verfügungsberechtigten Nationalstaaten (vor allem Brasilien) selbst völkerrechtlich dazu verpflichten, in Zukunft auf weitflächige Waldrodungen zu verzichten.42 Vor diesem Hintergrund entstand in jüngerer Zeit – in Anlehnung an die vorausgehende Debatte über das common heritage of mankind-Prinzip als Mittel zur Bekämpfung der globalen Verteilungsungerechtigkeit – die Idee, solche Umweltgüter, deren Bewahrung nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen im Interesse der

 Ähnlich Hunter/Salzman/Zaelke, IEL, S. 326. Siehe auch Kau, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg), Völkerrecht, 7. Aufl., S. 163 f.; Verdross/Simma, 31 f.; Kloepfer, Umweltrecht, S. 814. 38  Vgl. zu den unterschiedlichen Konzeptionen dieses Begriffs Paulus, Internationale Gemeinschaft (2001). 39  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 18. 40  So anschaulich Durner, Common Goods, S. 18. 41  So Durner, Common Goods, S. 18. 42  Der Amtsantritt des neugewählten brasilianischen Präsidenten Bolsonaro gibt diesbezüglich vorerst kaum Anlass zur Hoffnung, siehe Fischermann, Regenwald vernichten, Indigene vertreiben, Zeit Online, 20.05.2019  – https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-05/brasilien-umweltschutz-jair-bolsonaro-wald-zerstoerung (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). 37

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g­ esamten Menschheit liegen muss, zum common concern of mankind (CCM)43 zu ­erklären. Seinen formalen Ausdruck fand dieser Ansatz in der Resolution 43/53 der UN-Generalversammlung aus dem Jahre 1988, in welcher der Klimawandel als common concern of mankind bezeichnet wurde.44 Nachdem die Vertragsparteien der völkerrechtlich verbindlichen Klimarahmenkonvention den Status des Klimawandels als common concern of mankind bestätigt hatten,45 erklärten zudem die Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention im Jahre 1992, die Bewahrung der Biodiversität sei eine „gemeinsame Sorge der Menschheit“.46 Schließlich haben im Dezember 2015 die Parteien des Pariser Abkommens den Status des Klimawandels als common concern of humankind nochmals untermauert.47 Der Begriff des common concern of humankind spielt bis heute sowohl in der umweltpolitischen Debatte als auch im völkerrechtlichen Schrifttum eine unverändert prominente Rolle. In regelmäßigen Abständen werden vor allem in rechtspolitischen Beiträgen zum internationalen Umweltschutz Vorschläge unterbreitet, welche Umweltgüter „Gegenstand gemeinsamer Sorge“ und daher besonders zu schützen seien. So wird etwa vorgeschlagen, die Bekämpfung von Waldbränden zum common concern zu erklären.48 Den weiteren Anstieg des Meeresspiegels zu verhindern, soll ebenfalls der „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ unterliegen.49 Außerdem wird gelegentlich spekuliert, das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht aus dem Jahre 198550 würde – käme es heutzutage zustande – den  Im Verlauf dieser Arbeit werden abwechselnd die Bezeichnungen „common concern of humankind-Prinzip“, „common concern-Prinzip“, „common concern-Grundsatz“ oder die Kurzbezeichnung „CCM-Prinzip“ verwendet. Die ursprüngliche Bezeichnung „common concern of mankind“ wird nur verwendet, soweit dies zur Darstellung der Entstehungsgeschichte des CCM-Begriffs nötig ist (siehe Zweiter Teil, insbesondere Kap. IX.). Während die Resolution 43/53 der UN-Generalversammlung aus dem Jahre 1988 noch von einem „common concern of mankind“ sprach, verwendeten alle für die Auslegung des Begriffs maßgeblichen nachfolgenden völkerrechtlichen Übereinkommen (Klimarahmenkonvention, Biodiversitätskonvention und Pariser Abkommen) den mittlerweile gültigen Wortlaut „common concern of humankind“. Deshalb wird dieser – abgesehen von der genannten historischen Ausnahme – durchgängig verwendet, wenngleich im Interesse eines begrifflichen Gleichlaufs mit dem Kürzel „CHM“ (common heritage of humankind) weiterhin an dem für die ursprüngliche Bezeichnung des „common heritage of humankind“ entwickelten Kürzel „CCM“ festgehalten wird. Tunlichst vermieden wird allerdings die Bezeichnung des CCM als Konzept, da dieser Begriff Assoziationen mit der vom Verfasser  – zumindest in ihrer Reinform – zum Nachweis von Prinzipien abgelehnten „deduktiven“ Methode der Begriffsjurisprudenz weckt. Siehe dazu die methodischen Vorbemerkungen, Erster Teil, Kap. II. 44  UNGA-Resolution 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326. 45  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 1 der Präambel. 46  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S.  818  ff., Abs.  3 der Präambel. 47  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Abs. 11 der Präambel. 48  So etwa Robinson, 18 Pace Environmental Law Review (2001), S. 495 (460). 49  Malé Declaration on Global Warming and Sea Level Rise, 18 November 1989, u. a. abgedruckt in: 5 Am. U.J. Int’l L. & Pol’y (1990), S. 602, in deren Präambel es heißt, dass „climate change, global warming and sea level rise (…) have become a common concern of mankind“. 50  Vienna Convention for the Protection of the Ozone Layer, in Kraft getreten am 22. September 1988; UNTS Bd. 1513, S. 293; BGBl. 1988 II, S. 902. 43

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Schutz der Ozonschicht ebenfalls zum common concern of mankind erklären.51 Unterblieben sei dies im Jahre 1985 bloß, weil es das CCM-Prinzip damals noch nicht gegeben habe.52 Untermauert wird diese Annahme durch den Umstand, dass die UN-Generalversammlung in der Präambel ihrer Resolution 43/53 aus dem Jahre 1988 in der Tat ausdrücklich auf die Gefahren der voranschreitenden Ozonschichtzerstörung Bezug nahm, als sie in derselben Präambel den Rechtsbegriff des common concern of mankind schuf.53 Überdies sind in den letzten 30 Jahren einige ­politische Erklärungen veröffentlicht worden, die darauf abzielen, das CCM-Prinzip auf die „Umwelt als Ganzes“ zu übertragen und gelegentlich durch einzelne Beiträge aus dem völkerrechtlichen Schrifttum unterstützt werden.54 Schließlich wird der Terminus common concern neuerdings sogar außerhalb des Umweltschutzkontextes in Anspruch genommen, und zwar, wenn dafür plädiert wird, den Schutz der Menschenrechte als common international concern besonders hervorzuheben55 oder vorgeschlagen wird, den common concern of humankind-Grundsatz auf den internationalen Kulturgüterschutz zu übertragen.56  So Brunnée, a conceptual framework, S. 57 Fn. 98; siehe ferner Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164). 52  So Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164). 53  UNGA-Resolution 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326; vgl. zum Zusammenhang zwischen der Erklärung des Klimawandels zum common concern und der Bezugnahme auf die Ozonschichtzerstörung in ein und derselben Resolution die Ausführungen von Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164). 54  Hierauf wird an späterer Stelle noch näher einzugehen sein. Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 5. Vgl. die entsprechenden Nachweise: Commonwealth Heads of Government v. 21. Oktober 1989, abgedruckt in: Churchill/Freestone, International Law, S. 331 ff., Punkt 2: „The current threat to the environment which is a common concern of mankind, stems essentially from past neglect in managing the natural environment and resources (…)“; Beijing Ministerial Declaration on Environment and Development, Beijing v. 19 June 1991, abgedruckt in: Churchill/Freestone, International Law, S. 362 ff., Punkt 2: „We affirm that environmental protection and sustainable development is a matter of common concern of humankind, which requires effective actions by the international community and provides an opportunity for global cooperation“; Hague Recommendations on International Environmental Law v. 16. August 1991, abgedruckt in: Bilderbeck, Biodiversity, S. 194 ff., Abs. 3 der Präambel lautet: „(…) it should be accepted that the preservation of the environment is a common concern of humankind.“ Siehe außerdem die Erklärung der IUCN, International Covenant on Environment and Deve-lopment, abgedruckt in: Bocken/Ryckbost, Codification of Environmental Law, S. 183 (185). Art. 3 lautet kurz und bündig: „The global environment is a common concern of mankind“. Es handelt sich hierbei um einen der ersten Vorschläge zur Kodifizierung des Umweltvölkerrechts.  Unterstützt wird dieser Ansatz in der völkerrechtlichen Literatur z. B. von Davis, Areas of Common Concern, S. 63 ff. und neuerdings auch Stocker, Common Heritage, S.  140  ff., 211  ff. Aus dem älteren Schrifttum Schachter, International Law in Theory and Practice, 178 RdC 1982 V, S. 9 (201), der die gesamte „shared environment“ als Fall eines „common concern“ betrachtet, dies freilich Jahre vor der begrifflichen Verselbstständigung des CCM-Prinzips. 55  Diesen Vorschlag unterbreitet etwa Beitz, 95 American Political Science Review (2001), S. 269 (269).  56  Eichel, 76 ZaöRV (2016), S. 879 (900, 906); Thies, Kulturelle Vielfalt als Legitimitätselement der internationalen Gemeinschaft, S. 331 ff. 51

I. Common concern of humankind im Völkerrecht

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Solchen Forderungen liegen allerdings in der Regel die unterschiedlichsten Vorstellungen darüber zugrunde, welche völkerrechtliche Bedeutung dem „schillernden“ Begriff des common concern of humankind zukommt. Gerade diese Unklarheit über seinen genauen rechtlichen Inhalt droht dem Begriff allerdings seine Durchschlagskraft zu nehmen. Ein jüngeres Beispiel dafür liefern die Debatten zum Schutz der Erdatmosphäre. So hat die International Law Commission (ILC) im Jahr 2015 bewusst entschieden, den Begriff des common concern of humankind – vor allem wegen bestehender Unklarheiten über dessen rechtliche Bedeutung57 – nicht auf die Erdatmosphäre anzuwenden und den ursprünglich vorgesehenen Passus, wonach deren Schutz vor Verschmutzung und Verschlechterung eine „gemeinsame Sorge der Menschheit“ sei, aus den Draft Guidelines on the Protection of the Atmosphere zu streichen.58 Stattdessen wurde der Schutz der Erdatmosphäre als „pressing concern of the international community as a whole“ qualifiziert, was nach der Begründung der ILC als rein faktische, nicht jedoch als rechtliche Erklärung („as a matter of a factual statement, and not as a normative statement“) zu verstehen ist.59 Zwar ist diese Entscheidung der ILC bei genauerer Betrachtung der historischen60 und räumlich-funktionalen61 Entwicklung des common concern of humankind-­ Prinzips konsequent und trägt dazu bei, seine Konturen durch eine sorgfältige Anwendung und behutsame Übertragung auf weitere globale Umweltprobleme zu schärfen, wie dies der Verfasser fordert.62 Zugleich demonstriert die ILC-Entscheidung jedoch erneut, dass eine grundlegende rechtstheoretische und rechtsdogmatische Analyse und Absicherung des common concern of humankind-­Prinzips im Völkerrecht – wie sie der Verfasser mit dieser Arbeit anstrebt – zur Bewältigung globaler Umweltprobleme mehr denn je dringend nötig ist.63  ILC Report on the Work of its Sixty-Seventh Session, UN Doc. A/70/10, para. 46–47, 54 (2015): „ (…) While a number of treaties and literature demonstrate some support for the ‚common concern of humankind‘, the Commission decided not to adopt this language for the characterization of the problem, as the legal consequences of the concept of common concern of humankind remain unclear at the present stage of development of international law relatin to the atmosphere. It was considered appropriate to express the concern of the international community as a matter of a factual statement, and not as a normative statement, as such, of the gravity of the atmospheric problems. In this context, therefore, the expression ‚a pressing concern of the international community as a whole’ has been employed. This is an expression that the Commission has frequently employed as one of the criteria for the selection of new topics for inclusion in its long-term programme of work“. 58  ILC Report on the Work of its Sixty-Seventh Session, UN Doc. A/70/10, para. 54 (2015). Siehe dazu außerdem Castillo-Winckels, 29 Georgetown Environmental Law Review (2017), S. 131. 59  ILC Report on the Work of its Sixty-Seventh Session, UN Doc. A/70/10, para. 54 (2015). Siehe dazu außerdem Castillo-Winckels, 29 Georgetown Environmental Law Review (2017), S. 131. 60  Dritter Teil, Kap. IX. 61  Vierter Teil, Kap. XI. 62  Siehe Erster Teil, Kap. III., siehe ferner Dritter Teil, Kap. IX. 5. und siehe schließlich Vierter Teil, Kap. XI. 3. d. 63  So in jüngerer Zeit etwa Castillo-Winckels, 29 Georgetown Environmental Law Review (2017), S. 131 (136, 150); Cottier/Aerni/Karapinar/Matteotti/de Sépibus/Shingal, 52 AVR (2014), S. 293 (297 f.); Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 57

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I. Common concern of humankind im Völkerrecht

Seine Verankerung in bislang drei völkerrechtlich verbindlichen Übereinkommen wirft Fragen auf: Haben die Vertragsstaaten mit jener ursprünglichen „Kompromisslösung“ gerade bewusst eine seichte und „wachsweiche“ Formulierung gewählt, eine, die womöglich gar „alles und nichts aussagt“ und hinter der sich die Staaten verschanzen können, um sich zu nichts zu verpflichten und sich der Verantwortung zu entziehen? Oder ist mit der Unterstützung nahezu der gesamten Staatengemeinschaft vielleicht doch aus einer philosophischen Idee ein verbindliches Prinzip des geltenden Umweltvölkerrechts mit greifbaren Rechtswirkungen und praktischen Folgen entstanden? Vor diesem Hintergrund will der Verfasser der Frage nachgehen, ob es sich bei dem Begriff des common concern of humankind bloß um einen „politischen Slogan“ handelt oder ob er das Potenzial besitzt, zu einem Schlüsselbegriff des Umweltvölkerrechts heranzuwachsen.64 Mit dieser Untersuchung verfolgt der Verfasser daher das Ziel, die rechtliche Bedeutung des common concern of humankind „herauszupräparieren“, um dadurch einen Beitrag zur Klärung dieses Rechtsbegriffs zu leisten.

(192); Brunnée, common concern, S. 567; Birnie/Boyle/Redgewell, International Law and the Environment, S. 129; Boer, Land Degradation as a Common Concern of Humankind, S. 289 f.; Trindade, International Law for Humankind: Towards a New Ius Gentium, S. 328. 64  Dieser Frage ist Kewenig, FS Schlochauer, S. 385–406 für das common heritage-Prinzip nachgegangen.

II. Ziel der Arbeit und Gang der Darstellung

Der Zweite Teil der Arbeit handelt von den philosophischen Grundlagen des common concern of humankind-Prinzips. Anschließend soll im Dritten Teil anhand der bisherigen Staatenpraxis die historische Entwicklung des Prinzips nachgezeichnet werden, um auf dieser Grundlage schließlich im Vierten Teil den gegenwärtigen Inhalt und die Bedeutung des CCM-Prinzips im geltenden Völkerrecht herauszupräparieren. Im Zweiten Teil werden zunächst auf einer „interdisziplinär-theorethischen“ Ebene jene Ausschnitte der philosophischen Ideengeschichte herausgegriffen und dargestellt, welche dem im geltenden Völkerrecht inzwischen verankerten common concern of humankind-Prinzip zugrunde liegen. Völkerrecht entsteht nicht in einem rechtlichen Vakuum.1 Daher ist die Untersuchung des common concern of humankind-­ Prinzips von einer interdisziplinären Herangehensweise getragen, wonach geltendes Völkerrecht nicht völlig losgelöst von seiner „ideengeschichtlichen Umwelt“ betrachtet werden sollte, ohne die Eigenständigkeit des positiven Völkerrechts zu leugnen, dessen Inhalt letztlich anhand der klassischen rechtswissenschaftlichen Auslegungsmethoden zu ermitteln ist.2 Die Entwicklung der common concern of humankind-Idee zu einem eigenständigen Prinzip des geltenden Umweltvölkerrechts beruht in ihrem Ausgangspunkt auf Grundgedanken, die weit in die Philosophiegeschichte zurückreichen. Zu diesem Zweck werden im Ersten Teil der Arbeit die philosophischen Grundlagen des common concern of humankind-­Begriffs anhand der breit angelegten umweltethischen Debatte über die „Einstellung des Menschen zur Natur“ skizziert, wobei insbesondere auf die in den einschlägigen völkerrechtlichen

 Siehe Tams, Enforcing Erga Omnes Obligations, S. 19.  Siehe ähnlich Paulus, Internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, S. 7.

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© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_2

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II. Ziel der Arbeit und Gang der Darstellung

Dokumenten dem CCM-Prinzip ausdrücklich zugrunde gelegte Konzeption einer sogenannten „intergenerationellen Gerechtigkeit“ näher eingegangen wird.3 Im Dritten Teil werden sodann auf einer „positiv-völkerrechtlichen“ Ebene die geschichtliche Herkunft und Entwicklung des common concern of humankind-­ Prinzips nachgezeichnet, um eine solide Grundlage für den anschließenden Nachweis dieses umweltvölkerrechtlichen Prinzips nach der induktiven Methode zu schaffen.4 Hierbei werden in einem ersten Schritt die älteren Wurzeln des Begriffs common concern bis in die frühen Anfänge des Umweltvölkerrechts zurückverfolgt. Anschließend werden in einem zweiten Schritt Herkunft, historische Entwicklung und die bisherigen Anwendungsfälle des sowohl entstehungsgeschichtlich als auch völkerrechtsdogmatisch eng mit dem CCM-Prinzip verbundenen common heritage of mankind-Prinzips dargestellt und seine gegenwärtige völkerrechtliche Bedeutung knapp skizziert. Schließlich werden in einem dritten Schritt die bisherigen Anwendungsfälle des common concern of humankind-Prinzips in der Staatenpraxis des modernen Umweltvölkerrechts näher erörtert. Im Dritten Teil der Arbeit, der zugleich ihr Herzstück bildet, soll schließlich herausgearbeitet werden, welchen Inhalt das common concern of humankind-Prinzip im geltenden, „positiven“ Völkerrecht hat. Dabei wird die Antwort unter fünf verschiedenen Aspekten eingekreist: Zunächst wird im Elften Kapitel der Blick auf die internationale Umweltschutzordnung erweitert und gleichsam „aus der Vogelperspektive“ versucht, das CCM-Prinzip vor dem Hintergrund seiner Entwicklungsgeschichte5 in den „Kanon“ der bislang anerkannten Umweltschutzprinzipien des Völkerrechts einzuordnen. Hierdurch soll zum einen in Abgrenzung zu anderen Schutzprinzipien der gegenwärtige und potenzielle räumliche Anwendungsbereich des CCM-Prinzips skizziert werden; zum anderen soll eine Aussage darüber getroffen werden, welche funktionale Bedeutung dem CCM-Prinzip im größeren Ordnungsrahmen6 der bisherigen Umweltschutzprinzipien zukommt. Schließlich wird dabei skizzenhaft auf die Frage eingegangen, ob und inwieweit das CCM-Prinzip Teil eines modernen und gemeinnützigen Souveränitätsverständnisses im Umweltvölkerrecht ist. Um seine Konturen weiter zu schärfen, wird das common concern of humankind-Prinzip im Zwölften Kapitel von seinem „Vorläufermodell“, dem common heritage of mankind-Prinzip, abgegrenzt.  Zweiter Teil, Kap. V. 4. (Die Suche nach intergenerationeller Gerechtigkeit).  Diesen Ansatz wählt auch Durner, Common Goods, S. 32 zum Nachweis der von ihm als solche klassifizierten „Statusbegriffe“. 5  Siehe die Ausführungen weiter unten, Dritter Teil. 6  Von einem solchen „Ordnungsrahmen“ bestehender Umweltschutzprinzipien scheinen Kiss, Riphagen, Wolfrum, Brunnée, Patronos, Schneider und Rublack auszugehen. So hat Kiss, International Protection, in: Macdonald/Johnston, Structure and Process, S. 1069 ff. einen besonders illustrativen Ordnungsrahmen entwickelt. Ähnliche Vorstellungen finden sich bei: Riphagen, International Concern, in: Bothe, Trends, S. 343 ff.; Wolfrum, 33 GYIL (1990), S. 308 ff.; Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 ff.; Schneider, World Public Order, S. 19 ff., der grundsätzlich zwischen Prinzipien der Verfügungsberechtigung über die Ressourcen, Regelung der Ressourcennutzung und dem Ressourcenzugang differenziert; sehr weitgehend Patronos, Der konzeptionelle Ansatz, S. 253 ff.; Rublack, Transfer, S. 120 ff. 3 4

II. Ziel der Arbeit und Gang der Darstellung

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Aus einer völkerrechtstheoretischen Perspektive wird sodann im Dreizehnten Kapitel dargelegt, weshalb die „gemeinsame Sorge der Menschheit“ als ein jüngeres völkervertragliches Prinzip des Umweltvölkerrechts zu qualifizieren ist und wie es als Prinzip innerhalb und außerhalb der von ihm erfassten Regime wirkt. Anschließend wird im Vierzehnten Kapitel ausführlich in die bereits vorhandene Diskussion über die Auslegung des common concern of humankind-Begriffs eingetaucht, um in einer eigenen Stellungnahme anhand klassischer Auslegungsmethoden seine genaue völkerrechtliche Bedeutung herauszuarbeiten. An dieser Stelle gelangt die Arbeit zu dem Ergebnis, dass das common concern of humankind-Prinzip bereits vorhandene Verpflichtungen zum Schutz einzelner „globaler“ Umweltgüter in den Rang einer erga omnes-Verpflichtung hebt und daher alle (Vertrags-)Staaten eine Verletzung derartiger Rechtspflichten geltend machen können. Auf dieser Grundlage wird anschließend unter Rückgriff auf das Recht der Staatenverantwortlichkeit sowie den Begriff des Staatengemeinschaftsinteresses die Eigenschaft des CCM-­ Prinzips als Staatengemeinschaftsnorm untermauert und dargelegt, welche vertraglichen Verpflichtungen im globalen Klima- und Artenschutz auf der Primärebene von der erga omnes-Wirkung erfasst werden, um schließlich im Fünfzehnten Kapitel seine sekundärrechtlichen Rechtsfolgen aufzuzeigen.

III. Methodische Vorbemerkungen

Wie man den Anwendungsbereich und die rechtliche Bedeutung des CCM-Prinzips bestimmt, hängt wesentlich davon ab, welche methodische Vorgehensweise man der Erörterung zugrunde legt. Wer methodisch arbeitet, begibt sich – ganz allgemein – auf die Suche nach geeigneten Mitteln, um wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen.1 Juristische Methodik beschreibt daher „den geistigen Weg, auf dem der Jurist das Recht sucht und findet“ oder auf dem er es zumindest „suchen und finden sollte“.2 Bereits früh hat Schüle daher bemängelt, die Völkerrechtswissenschaft verfüge „leider noch immer nicht über wohlbegründete, ausgereifte und gesicherte Erkenntnisverfahren, die bei Anlegung strengerer Maßstäbe als ‚Methoden‘ im eigentlichen Sinne angesehen werden könnten“.3 Auch der IGH schweigt in seinen Urteilen oft zu der von ihm angewandten Methodik.4 Bisweilen wird gar eine „Methodenlosigkeit“ des Völkerrechts beklagt.5 In jedem Fall gibt es keine

 So etwa Dominicé, Methodology, EPIL III, S. 354 (354).  So ausdrücklich Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 129 (131): „(…) den geistigen Weg, auf dem der Jurist das Recht sucht und findet oder es doch suchen und finden sollte“. 3  So deutlich vor allen Dingen Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 129. 4  Siehe etwa Talmon, 26 EJIL (2015), S. 417 (418): „Methodology is probably not the strong point of the International Court of Justice or, indeed, of international law in general“. 5  Siehe Bruns, 1 ZaöRV (1929), S. 1 ff.; Kunz, Völkerrechtswissenschaft, S. 69 ff. Siehe dazu vor allem Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 129 f.: Während auf anderen Wissenschaftsgebieten, vor allem in den Naturwissenschaften, aber auch in den Geisteswissenschaften, methodische Vorfragen immer wieder von Neuem aufgeworfen, diskutiert und zum Teil in heftigen akademischen Kämpfen ausgefochten würden, herrsche in methodischer Hinsicht innerhalb der Völkerrechtswissenschaft – so Schüle – „eine ziemliche Stille“ oder, wenn man härter urteilen wollte, „so etwas wie Grabesruhe“. Ähnlich Stone, Legal controls and international conflict, S. LIV; siehe zudem Anzilotti, Lehrbuch des Völkerrechts, S. 83. 1 2

© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_3

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III. Methodische Vorbemerkungen

allgemein anerkannte Methodik der Völkerrechtswissenschaft.6 Stattdessen kursieren mehrere unterschiedliche methodische Ansätze, die jeweils nur selten rein und konsequent Verwendung finden, sondern meistens miteinander vermischt und kombiniert werden und daher ein buntes Mosaik an Erkenntnismöglichkeiten bilden.7 Hierbei lassen sich zunächst zwei methodische Ansätze voneinander unterscheiden, die als deduktive und induktive Methode bezeichnet werden.8 Wenngleich beide Methoden sich nicht zwingend wechselseitig ausschließen, so bilden sie doch ein Gegensatzpaar.9 Allerdings handelt es sich bei diesen Methoden keinesfalls um Denkwege, die ausschließlich zur Erkenntnis des Völkerrechts beschritten werden. Vielmehr beschreiben sie allgemeine erkenntnistheoretische Denkprozesse, die sich für rechtswissenschaftliche Zwecke und somit zur Ermittlung umweltvölkerrechtlicher Prinzipien fruchtbar machen lassen.10 Ein deduktiver Denkprozess wird beschritten, wenn aus einer allgemeinen oder abstrakten Prämisse logische Schlussfolgerungen für das Besondere oder Konkrete gezogen werden.11 Wer deduziert, denkt folglich in gewisser Weise „von oben nach unten“ („top down approach“).12 Letztendlich handelt es sich dabei um einen Gedankengang, der bei jeder Rechtsanwendung beschritten wird.13 Juristen aus Rechtssystemen römischer Prägung, zum Teil auch aus solchen der anglo-­amerikanischen

6  So etwa Dominicé, Methodology, EPIL III, S. 354 (355) und Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 129 f. (141). 7  Siehe erneut Dominicé, Methodology, EPIL III, S.  354 (355); Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 129 f. (141). 8  Siehe zur Unterscheidung von deduktiver und induktiver Methode näher die grundlegenden Ausführungen von Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 163–187; vgl. ders., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz (1968), S. 180–198; siehe vor allem auch die luziden Analysen von Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 50 ff. und 72 ff.; ders., 60 Harvard Law Review (1946/1947), S.  539 ff.; De Visscher, 138 RdC (1973), S.  75–79; siehe zudem Bleckmann, 37 ZäöRV (1977), S. 504 ff. sowie ders., 17 AVR (1977), S. 161–180; siehe außerdem ders., 33 AVR (1993), S. 353 (354), Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 146 ff. und Dominicé, Methodology, EPIL III, S. 355 f. und 360; Kammerhofer, 3 ESIL (2010), S. 115–126. Bei Koskenniemi, „Methodology of International Law“, in: MPEPIL online (2007), Rn. 16 f., abrufbar unter: www.mpepil.com wird die induktive Methode bloß angedeutet: „(…) Within this tradition, natural justice was understood to emerge from empirically verifiable facts of human nature and social life and the right method would give those facts their due in legal argument.“ Zu den „positivistischen“ und „naturalistischen“ Betrachtungsweisen des Völkerrechts siehe vor allem Kennedy, 94 ASIL Proceedings (2000), S. 104 (115 ff.). 9  Siehe etwa Dominicé, Methodology, EPIL III, S.  354 (356) und Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 146; ähnlich bereits Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 158. 10  Ähnlich Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 146. 11  So Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 146; ähnlich Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 159. 12  Diese Bezeichnung wird im englischsprachigen Raum in den verschiedensten Wissenschaftsgebieten verwendet; vgl. für das Völkerrecht statt vieler nur Tasioulas, S. 11. Eine ähnlich bildhafte Umschreibung wählte aus dem deutschsprachigen Schrifttum bereits Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 159 („Abstieg von oben“). 13  So zu Recht Castberg, 43 RdC (1933 I), S. 313 (320) und Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 146.

III. Methodische Vorbemerkungen

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Rechtsfamilie,14 stehen bei ihrer Suche nach der rechtlichen Lösung eines Problems nur abstrakt-generelle Normen zur Verfügung, aus denen sie dann im juristisch „korrekten“ Verfahren das im Einzelfall zutreffende Recht  – deduktiv  – ableiten müssen.15 Es finden sich zudem immer wieder Völkerrechtler, die nicht nur bei der Anwendung, sondern auch bei der Ermittlung von Rechtssätzen deduktiv vorgehen. In umgekehrter Richtung nimmt der induktive Denkvorgang das Besondere und Konkrete als Erkenntnisquelle und abstrahiert daraus einen allgemeingültigen Satz.16 Wer induziert, denkt demnach gewissermaßen „von unten nach oben“ („bottom up approach“).17 Die induktive Methode nimmt – so Schüle bildhaft – „ihren Ausgang von einer Vielzahl einzelner rechtserheblicher Faktoren, entkleidet sie ihres konkreten Beiwerks, schält aus ihnen den juristisch wesentlichen Kern heraus, um dann durch Generalisierung zu einem gemeingültigen Rechtssatz zu kommen“.18 Diese Art des juristischen Vorgehens ist „keine Domäne des angelsächsischen Rechtskreises, obwohl sie eine gewisse Nachbarschaft zu der dort gebräuchlichen case law method nicht verleugnen kann.“19 Sie wird mittlerweile von der weit überwiegenden Mehrheit der Völkerrechtler angewandt, obgleich manche Autoren ihr skeptisch20 bis ablehnend21 gegenüberstehen.22 In den meisten Rechtssystemen erfolgt die Anwendung eines Rechtsprinzips oder einer Rechtsregel nach der deduktiven Methode.23 Induktive und deduktive Methodik schließen sich indes nicht zwingend wechselseitig aus. Vielmehr kombinieren zahlreiche Autoren beide Methoden,24 um sich  Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 177 ff., insbesondere zum anglo-amerikanischen Rechtskreis.  So insbesondere Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 146 f. Ähnlich für das common law system statt vieler nur Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 72. 16  Ähnlich Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 147. 17  Die Bezeichnungen „top down approach“ und „bottom up approach“ werden in der englischsprachigen Literatur synonym mit der deduktiven und induktiven Vorgehensweise verwandt. Vgl. aus dem deutschsprachigen Schrifttum erneut Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 159 („Aufstieg von unten“). 18  So Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 147. 19  Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 147. 20  So etwa Bruns, 1 ZaöRV (1929), S. 7 und Max Huber in seinem Schiedsspruch zum Palmas-Fall (Reports of International Arbitration Awards, Vol. II S. 842). 21  So vor allem Ago, Concept, S. 292 Fn. 86 am Ende. 22  Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 147 f. 23  Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 395 u. 402. Siehe die obigen Darlegungen, Erster Teil, Kap. II. 24  Nach Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 74, schließen sich induktive und deduktive Methodik nicht zwingend wechselseitig aus. Eine Entscheidung für die induktive Methode bedeutet daher an sich noch keine vollständige Ablehnung der deduktiven Methodik als solcher. Vielmehr lassen sich beide Methoden auch miteinander kombinieren. In den Worten von Schwarzenberger: „This technique can be applied on increasingly higher levels of abstraction and generalisation. Individual principles can be subsumed under the headings of even more general principles and so forth until, in the end, all such principles are brought under one or several even wider headings. At any stage, the procedure can be put in reverse and, as if by miracle, every one of the principles and underlying rules can be deduced again from the principles formulated on a higher level of abstrac14

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III. Methodische Vorbemerkungen

wissenschaftlich auf die Suche nach Prinzipien und Regeln zu machen, aus denen das System des Völkerrechts besteht.25 In der Arbeit der ILC mit dem Ziel einer Kodifikation und progressiven Entwicklung des Völkerrechts erkennen manche eine Kombination aus induktiven und deduktiven Ansätzen.26 Weitgehende Einigkeit besteht darin, dass Gewohnheitsrecht durch Induktion ermittelt wird.27 Gleichwohl gibt es Situationen, in denen die induktive Methode mangels vorhandener Staatenpraxis ausscheidet, da die aufgeworfene Rechtsfrage schlichtweg zu neu ist.28 In solchen Fällen greift auch der IGH zur Ermittlung von Gewohnheitsrecht zur deduktiven Elementen.29 Wo es um die Übertragung des common concern-Prinzips auf neue Anwendungsfälle geht, wird denn auch auf die deduktive Methode zurückgegriffen.30 Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt allerdings auf der Ermittlung des common concern of humankind-Prinzips und seiner völkerrechtlichen Bedeutung. Der Verfasser erachtet den induktiven Ansatz für besser geeignet, völkerrechtsdogmatische Strukturen und insbesondere Prinzipien des materiellen Umweltvölkerrechts zu ermitteln und ihren wesentlichen juristischen Kern herauszuarbeiten.31 Im Gegensatz zum induktiven Ansatz ist die deduktive Herangehensweise aus mehreren Gründen ungeeignet, methodisch saubere und einigermaßen sichere Aussagen über den Anwendungsbereich und die Wirkung völkerrechtlicher Prinzition.“ Allerdings laufe auch in solchen Fällen die Deduktion gelegentlich beinahe zwangsläufig darauf hinaus, nicht etwa vorhandene Prinzipien zu „erkennen“, sondern noch nicht existierende Prinzipien vielmehr erst zu „erschaffen“. Bewusst oder unbewusst werde der Wunsch zum Vater des Gedankens, sodass die deduktive Ermittlung eines Prinzips de lege lata stets Gefahr laufe, von Überlegungen de lege ferenda beeinflusst zu werden. 25  Siehe dazu Dominicé, Methodology, EPIL III, S. 354 (355 f.). Einerseits basiert jeder wissenschaftliche Ansatz auf einer reinen Beobachtung, die an sich frei von vorgefassten dogmatischen Ideen und Begrifflichkeiten sein soll; andererseits werden jedoch die Objekte dieser Beobachtung, nämlich die völkerrechtlichen Normen, von Rechtsgedanken erzeugt, die wiederum ein Produkt des menschlichen Geistes sind. Wie Dominicé allerdings zu Recht ausgeführt hat, müssen die Methoden zur Ermittlung völkerrechtlicher Prinzipien oder Regeln unterschieden werden von den Techniken, mithilfe derer die jeweiligen Regeln anschließend auf einen konkreten Fall angewandt werden, auch wenn es zwischen beiden hintereinander geschalteten Denkvorgängen, das heißt zwischen der Ermittlung und der Anwendung von Rechtssätzen, durchaus Überlappungen geben mag. Siehe dazu erneut Dominicé, Methodology, EPIL III, S. 354 (355 f.). Siehe ferner Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 72 ff. 26  Siehe etwa die Ausführungen von Special Rapporteur Murase, Second Report on the Protection of the atmosphere, A/CN.4/667, Ziff. 34: „The work of the Commission on the codification and progressive development of international law requires the use of both inductive and deductive approaches. (…) During the formulation and systematization, some elements of deduction inevitably enter into the process. This is even more the case with respect to the work of progressive development of international law in dealing with subjects‚which have not yet been regulated by international law or in regard to which the law has not yet been sufficiently developed in the practice of States’“. 27  Talmon, 26 EJIL (2015), S. 417 (421). 28  So etwa Talmon, 26 EJIL (2015), S. 417 (422). 29  Siehe hierzu die gründliche und präzise Analyse von Talmon, 26 EJIL (2015), S. 417 (418, 422). 30  Vierter Teil, Kap. XI. 3. d). 31  Ähnlich Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 146–150.

III. Methodische Vorbemerkungen

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pien zu treffen. Zunächst einmal birgt der deduktive Ansatz als solcher bereits die allgemeinen methodischen Unzulänglichkeiten der althergebrachten Begriffsjurisprudenz in sich, die letztlich zu ihrer Verdrängung durch die induktiv operierende Interessenjurisprudenz geführt haben.32 Um die Vorzüge der induktiven Methode darzulegen, sei an dieser Stelle der Methodenstreit zwischen Begriffsjurisprudenz und Interessenjurisprudenz skizziert.33 Der deduktive Ansatz als Methodik zur Rechtsgewinnung hat seine Wurzeln in jener juristischen Methode, die vor allem mit der Rechtswissenschaft des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts in Verbindung gebracht und – nicht ohne missbilligenden Unterton – als Begriffsjurisprudenz bezeichnet wird.34 Die Schule der Begriffsjurisprudenz versteht die Rechtsordnung als ein geschlossenes System von Begriffen und Rechtssätzen, das mittels logischer Deduktion zu ermitteln und anzuwenden sein soll.35 Aufgabe der Rechtswissenschaft sei es, in einem streng logischen Analyseverfahren ein klares, in sich widerspruchsfreies und grundsätzlich „lückenloses“ System von Rechtssätzen zu bilden, das alle denkbaren Sachverhalte und Rechtsfragen zu erfassen vermag.36 Das „deduktive Ideal“37 ist erst in jenem hypothetischen Augenblick erreicht, in dem an der Spitze der „Begriffspyramide“38 ein „allgemeinster (Ober-)Begriff“39 steht, unter den sich alle übrigen Unterbegriffe subsumieren lassen.40 Fehlt es an einem positiven Rechtssatz oder erweist sich ein 32  Siehe dazu Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 97. Siehe zur „Ablösung“ der Begriffsjurisprudenz durch die Interessenjurisprudenz die frühen Darlegungen von Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 159–198. Siehe dazu außerdem Larenz, Methodenlehre, S. 24. 33  Ausführlichere Erörterungen zu diesem Methodenstreit würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Gute Darstellungen finden sich bei Schwarzenberger, Inductive Approach; Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 159–198; Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 146–149; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 109–123 sowie S. 395–405 und bei Larenz, Methodenlehre, S. 19– 27. 34  Das Wort „Begriffsjurisprudenz“ scheint erstmals Rudolf von Jhering (in seiner Schrift „Scherz und Ernst in der Jurisprudenz“ aus dem Jahre 1884, S. 337) gebraucht zu haben. Weiter geprägt wurde es in den methodischen Arbeiten von Philipp Heck, der es letztendlich in der Rechtswissenschaft eingebürgert hat. Zur geschichtlichen Entwicklung der Begriffsjurisprudenz siehe vor allem Larenz, Methodenlehre, S. 11 ff. und 19 ff. sowie Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 109– 123. 35  Creifelds Rechtswörterbuch, Stichwort „Begriffsjurisprudenz“, S. 169. Siehe auch Larenz, Methodenlehre, S. 20–24; Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 159, 165–167; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 400 f. und neuerdings vor allem Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 143 f. 36  Siehe Puchta, Cursus der Institutionen I, S. 36 u.101; Larenz, Methodenlehre, S. 19 f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 400; Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 143; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 30. 37  So Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 165 f. 38  Die anschauliche Bezeichnung als „Begriffspyramide“ stammt offenbar von Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S.  166, der sie kritisch als „deduktive Begriffspyramide“ bezeichnet. Eingebürgert wurde er vor allem von Larenz, Methodenlehre, S.  20, der sie auch als „Begriffsleiter“ bezeichnet hat. Jerusalem, Kritik der Rechtswissenschaft, S.  133  ff. bezeichnet eine solche „Begriffspyramide“ als „unechtes System“. 39  So Larenz, Methodenlehre, S. 20. 40  Siehe Puchta, Cursus der Institutionen I, S. 101; siehe ders., Lehrbuch der Pandekten I, S. 28 f.;

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III. Methodische Vorbemerkungen

Unterbegriff als unzureichend, um einen Lebenssachverhalt hinreichend zu erfassen, so soll es möglich sein, auf einen Oberbegriff zurückzugreifen oder einen Rechtssatz, der einen ähnlichen Fall regelt, so weit zu einer höheren Regel zu abstrahieren, bis er allgemein genug ist, um den fraglichen Lebenssachverhalt zu erfassen.41 Droht eine Rechtslücke, so wird auf diese Weise das System aus sich selbst heraus ergänzt und bleibt somit in sich geschlossen, widerspruchsfrei und lückenlos.42 Wenn sich aber im begriffsjuristischen System alle Rechtsprinzipien und -regeln von einem allgemeinen Oberbegriff ableiten, so drängt sich die Frage auf, woher der Inhalt jenes obersten Prinzips stammen soll, das am Firmament der logisch-­ deduktiven Begriffspyramide thront.43 Ein deduktiver Aufbau des Rechtssystems steht und fällt mit der Voraussetzung eines inhaltlich bestimmten Grundbegriffs, siehe außerdem Larenz, Methodenlehre, S. 20. Ähnlich wird die begriffsjuristische Methode bei Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 166 beschrieben. Alle spezielleren Begriffe würden aus möglichst wenigen Oberbegriffen abgeleitet und diese wiederum idealiter „aus einem einzigen Begriff, nämlich dem des Rechts selbst (…)“, so Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 166. Als Begründer der klassischen Begriffsjurisprudenz spricht Puchta von einer „Genealogie der Begriffe“ [ders., Cursus der Institutionen I, S. 101], in welcher der höchste Begriff, von dem alle unteren abgeleitet würden, durch seinen Inhalt auch deren Inhalte mitbestimmen solle. Aufgabe des Juristen sei es nun, nach den Regeln der formalen Logik „die Abstammung eines jeden Begriffs durch alle Mittelglieder, die an seiner Bildung Anteil haben, auf- und abwärts verfolgen“ können, um „die Herkunft eines jeden Rechts also bis hinauf zum Prinzip des Rechts schlechthin hinauf steigend“ zu erfassen „und von diesem obersten Rechtsbegriff wieder bis zu ihren untersten Rechtssprossen herabsteigen“ zu können. „Bei diesem Geschäft“  – so Puchta [ders., Cursus der Institutionen, S. 35 f.] weiter – „werden Rechts sätze zu Bewusstsein gebracht und zutage gefördert (…), die in dem Geist des nationellen Rechts verborgen, weder in der unmittelbaren Überzeugung der Volksglieder und ihren Handlungen noch in den Aussprüchen des Gesetzgebers zur Erscheinung gekommen sind, die also erst als Produkt einer wissenschaftlichen Deduktion sichtbar entstehen.“ Puchta gilt vielen als Begründer der klassischen Begriffsjurisprudenz des 19. Jahrhunderts, so etwa Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 400 und ihm folgend Larenz, Methodenlehre, S. 20 Fn. 5 und S. 22. 41  So klar vor allem Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 143; siehe zudem bereits Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 167; siehe außerdem Savigny, Juristische Methodenlehre, S. 42. 42  Siehe Savigny, Juristische Methodenlehre, S. 42 und Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 143. Im wahrsten Sinne des Wortes „auf die Spitze getrieben“ wurde dieses Verfahren der unerschöpflichen Rechtsgewinnung aus dem System heraus von Jhering in seinen früheren Schriften. Vgl. etwa Jhering, Geist des römischen Rechts I, S. 29: „(…) dass die Wissenschaft statt der endlosen Menge der verschiedenartigsten Rechtssätze eine übersichtliche Zahl einfacher Rechtskörper gewinnt, aus denen sie auf Verlangen die einzelnen Rechtssätze wieder zusammensetzen kann. Der Nutzen beschränkt sich aber nicht bloß auf diese Vereinfachung, die gewonnenen Begriffe sind nicht bloß Auflösungen der gegebenen Rechtssätze, aus denen immer nur letztere selbst sich wieder herstellen ließen; sondern ein noch höherer Vorteil liegt in der hierdurch bewerkstelligten Vermehrung des Rechts aus sich selbst, eines Wachstums von innen heraus. Durch Kombination verschiedener Elemente kann die Wissenschaft neue Begriffe und Rechtssätze bilden: Die Begriffe sind produktiv, sie paaren sich und zeugen neue.“ 43  Ähnlich Larenz, Methodenlehre, S 22: „Die „Genealogie der Begriffe“ besagt (…), dass der höchste Begriff, von dem alle niedrigeren abgeleitet werden, durch seinen Inhalt alle diese mitbestimmt. Woher aber stammt der Inhalt dieses höchsten Begriffs? Einen Inhalt muss der Begriff ja haben, sollen aus ihm bestimmte Aussagen gewonnen werden können.“

III. Methodische Vorbemerkungen

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der – zur Vermeidung eines Zirkelschlusses – nicht selbst wieder aus dem positiven Recht abgeleitet werden darf, sondern diesem vielmehr „von oben“, das heißt „über-positiv“ vorgegeben ist.44 In jedem Fall haben Vertreter der deduktiven Methode große Schwierigkeiten, einen festen Ausgangspunkt zu gewinnen, von dem aus sich das pyramidenartige System von Prinzipien und Regeln deduktiv aufbauen lässt.45 Die unsichere und intransparente Herkunft jenes obersten Prinzips, die sich kaum verifizieren lässt, ist deshalb die erste Achillesferse der deduktiven Methodik. Höhnisch wird gar angemerkt, die Pyramidenspitze des deduktiven Systems komme gewissermaßen „aus dem Nichts“, oder, wie es Schwarzenberger formuliert hat: „Excessive use of the deductive method (…) is producing a beautiful spiral in the air, coming from nowhere and disappearing in the clouds.“46

Selbst wenn man unterstellt, ein solcher Oberbegriff lasse sich als deduktiver Ausgangspunkt sicher bestimmen, so kann dieser nur schwerlich so „unerschöpflich“ allgemein ausgestaltet sein, dass sich sämtliche denkbaren Rechtssätze – ohne Zuhilfenahme externer Rechtsquellen – aus ihm ableiten ließen. Die zweite Achillesferse der deduktiven Begriffsjurisprudenz besteht demnach darin, dass sie die Leistungsfähigkeit der reinen Logik überschätzt, indem sie ignoriert, dass Logik für sich genommen das materielle Normierungspotenzial des Rechts nicht zu erhöhen vermag.47 An diesen beiden Schwachstellen setzt nunmehr die induktive Interessenjurisprudenz an und ersetzt das Primat der Logik durch das „Primat der Lebensforschung und Lebenswertung“.48 Rechtswissenschaft beschäftige sich in erster Linie mit Interessenkonflikten, welche ihr von der Wirklichkeit des Lebens – zu dem insofern auch das geltende Recht gehöre – in unerschöpflicher Zahl und in größter Mannigfaltigkeit zur Entscheidung aufgegeben seien.49 Keinem Forscher  – so Heck – könne es aber gelingen, durch deduktive Analyse eines irgendwie erlangten Allgemeinbegriffs a priori die Mannigfaltigkeit des geschichtlich gewordenen Lebens, alle seine Interessenkonflikte und alle seine Rechtsnormen selbst  Ähnlich bereits Larenz, Methodenlehre, S. 22.  Nach dem ursprünglichen begriffsjuristischen System „erwachsen“ jene „allgemeinsten Begriffe im Volksgeiste“. So ausdrücklich Puchta, Cursus der Institutionen I, S. 35: „Die einzelnen Rechtssätze, die das Recht eines Volkes bilden, stehen in einem organischen Zusammenhang untereinander, der sich zuvörderst durch ihr Hervorgehen aus dem Geiste des Volkes erklärt (…)“. Siehe dazu die Kritik von Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 159 u. 166; siehe außerdem Larenz, Methodenlehre, S. 21. Spätere Korrekturansätze suchen den obersten Ausgangspunkt in der Rechtsphilosophie oder versuchen, die Spitze der Begriffspyramide am Firmament der Ethik aufzuhängen. Siehe dazu Larenz, Methodenlehre, S. 22. 46  Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 41, der außerdem fortfährt: „The student is without handy means of checking the generalisations of his teacher“. 47  So bereits Heck, 112 AcP (1914), S. 1 (17, 49 f.); ders., Rechtsgewinnung, S. 13; siehe ferner Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 126 f. Fn. 461 und S. 144; ähnlich bereits Berber, Völkerrecht I, S.  69  f.; Cavaré, S.  240; Herczegh, S.  56; Ch. Rousseau, Droit international public I, S. 374; Verdross, Die Quellen des universellen Völkerrechts, S. 126 Fn. 24; Virally, Le rôle des „principes“, S. 533. 48  Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz (1968), S. 144. 49  Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 159 f. 44 45

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III. Methodische Vorbemerkungen

­hervorzubringen.50 Auf ihrem Siegeszug haben Vertreter der Interessenjurisprudenz kritisiert, die Begriffsjurisprudenz des 19. Jahrhunderts habe die Rechtswissenschaft „sterilisiert“51 und sie von der gesellschaftlichen, politischen und moralischen Wirklichkeit des Rechts entfremdet.52 Mangels Rückgriffs auf empirisches Erfahrungsmaterial könne die Begriffsjurisprudenz die Mannigfaltigkeit des Lebens nicht annähernd einfangen.53 Sie sinke zu einer „logischen Spiegelfechterei“54 herab, weil sie eine logische Gewissheit vorspiegele, die in Wahrheit nicht existiere; denn ihre Ergebnisse ließen sich im logisch geschlossenen System nicht überprüfen.55 Korrigiere die begriffsjuristische Methode aber umgekehrt die Richtigkeit und Vernünftigkeit ihrer Ergebnisse anhand außersystematischer Gesichtspunkte, so werde sie inkonsequent.56 Wie man es dreht und wendet: Die Rechtsgewinnung in der Annahme eines vorgegebenen Systems vermag keinen Halt zu gewinnen und führt zu unbefriedigenden Ergebnissen. Demgegenüber werden nach der induktiven Interessenjurisprudenz die Rechts­ prinzipien und -regeln im Wesentlichen aus den sozial-gesellschaftlichen Interessenkonflikten der Lebenswirklichkeit gewonnen.57 Terminologisch modifiziert, präzisiert und „modernisiert“ wird dieser herkömmliche Ansatz zunehmend von der inzwischen vordringenden methodologischen Strömung der Wertungsjurisprudenz, die sich selbst als ergänzende Weiterentwicklung der Interessenjurisprudenz versteht.58 Im Kern kritisiert die Wertungsjurisprudenz an der Interessenjurisprudenz, sie gehe von der durch und durch „naturalistischen“ Prämisse aus, eine Norm entstehe ohne autonomen menschlichen Akt der Willensfreiheit gleichsam „mechanisch“ aus einer Kollision menschlicher Interessen – sie betrachte den Gesetzgeber bloß als „Resultante“ der kollidierenden Kausalfaktoren.59 An dieser Stelle ergänzt die Wertungsjurisprudenz die Interessenjurisprudenz insofern vor allen Dingen ter Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 160.  Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 71. 52  Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 401. Die Begriffsjurisprudenz vermöge daher die Bedürfnisse des realen Lebens weder zu erkennen noch zu befriedigen, so Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz (1968), S. 144. 53  Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz (1968), S. 144. 54  Larenz, Methodenlehre, S. 23 Fn. 8: „In dem Augenblick, in dem (…) die Induktion (oder „Reduktion“) aus einem empiristischen Erfahrungsmaterial als die einzig zulässige Art der Begriffsbildung erschien, musste daher die Begriffsjurisprudenz zu“ einer „logischen Spiegelfechterei herabsinken.“ 55  Siehe auch Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 98. 56  Siehe erneut Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 98 u. 100. 57  So vor allem bereits Heck, 112 AcP (1914), S. 1 (17, 49 f.); ders., Rechtsgewinnung, S. 31 f.; ders., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 159 f. u. 173 f. 58  Aus Platzgründen sei an dieser Stelle auf die glänzende Darstellung von Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S.  123–139 verwiesen. Siehe außerdem Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 574 ff. und Larenz, Methodenlehre, S. 128 ff. 59  Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 124; Henkel, Rechtsphilosophie, S. 312 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 132 ff. 50 51

III. Methodische Vorbemerkungen

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minologisch, als sie die Menschen nicht als determinierte Objekte passiv bei der Normentstehung zusehen lässt, sondern die Menschen als autonome Rechtssubjekte qualifiziert, die im Interessenkonflikt selbst aktiv wertend und wählend Stellung beziehen und Normen schaffen.60 Soweit es um die vorliegend vor allem interessierende Auslegung von Prinzipien geht, ist der beschriebene Unterschied zwischen Interessenjurisprudenz und Wertungsjurisprudenz letztlich bloß terminologischer Art, zumal Vertreter der Interessenjurisprudenz inzwischen statt wie ursprünglich von kausalen „Interessen“ des Gesetzgebers bzw. der Allgemeinheit zu sprechen, nunmehr „Werturteile“ als Ursachen für den Inhalt von Rechtsnormen hervorheben.61 Übertragen auf das Völkerrecht bilden nach diesem modernen Verständnis der induktiven Interessenjurisprudenz völkerrechtliche Prinzipien den gemeinsamen Nenner verschiedener Handlungs- oder Einzelfallregelungen in der Staatenpraxis.62 Prinzipien werden nach der induktiven Methodik nur dann als völkerrechtliche Prinzipien angesehen, wenn sie von den Staaten als den wesentlichen Völkerrechtssubjekten als solche anerkannt werden.63 Daher kommt es darauf an, im Wege einer vergleichenden Gesamtschau insbesondere völkerrechtlicher Verträge nachzuweisen, dass in der allgemeinen Staatenpraxis ein Konsens über die Existenz eines rechtsverbindlichen Grundsatzes besteht.64 Hierbei zielt die induktive Herangehensweise an das Völkerrecht darauf ab -so Durner besonders poinitiert – „den gemeinsamen Nenner der einzelnen Ausprägungen und damit den Inhalt des jeweiligen Grundsatzes so genau wie möglich zu formulieren, da nur der kleinste gemeinsame Nenner als eigentliches rechtliches Prinzip anerkannt werden kann.“65 Damit ruht die induktive Methodik – im Gegensatz zur deduktiven Methode – auf einem festen Fundament, auf das sich die jeweiligen Prinzipien  – im Idealfall  – zurückführen lassen, anhand dessen jedoch zumindest ihre Richtigkeit überprüft werden kann.66 Im Einklang mit der induktiven Methode werden in dieser Arbeit Prinzipien des Umweltvölkerrechts als verallgemeinerte Sätze des Völkervertrags- oder Völkergewohnheitsrechts definiert, die gegenüber ihren speziellen Anwendungsregeln einen höheren Generalitätsgrad aufweisen und als Leitlinien zur Auslegung von einfachen völkerrechtlichen Normen heranzuziehen sind.67 Dementsprechend müssen sich die durch Abstrahierung gewonnenen Prinzipien auch umgekehrt stets auf die maßgeblichen real existierenden Sätze des Völkervertrags- und -gewohnheitsrechts zurück-

 So Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 125.  So vor allem Heck als prominentester Vertreter der „Interessenjurisprudenz“, vgl. ders., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz (1968), S. 96 f. 62  Diese Definition stammt von Schwarzenberger/Brown, A Manual of International Law, S. 35. 63  Dominicé, Methodology, EPIL III, S. 354 (356). 64  So vor allem Schwarzenberger, Inductive Approach, S.  93; siehe außerdem Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 129 (147) sowie Cassese, International Law in a Divided World, S. 126. 65  Durner, Common Goods, S. 35. 66  Ähnlich vor allem Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 4–7 und 93. 67  Siehe dazu die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XI. 60 61

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III. Methodische Vorbemerkungen

führen lassen.68 So hat denn auch der IGH im zweiten South West Africa-Fall verlangt, dass Prinzipien „a sufficient expression in legal form“ gefunden haben müssen, um von ihm angewandt werden zu können.69 Als Beispiele für „allgemeine Völkerrechtsprinzipien“ werden vor allem die in der Friendly Relations Declaration der UN-Generalversammlung niedergelegten Prinzipien angeführt.70 Auch diese Prinzipien lassen sich allesamt auf die Bestimmungen der UN-Charta und die gewohnheitsrechtlich verankerten Grundrechte und Grundpflichten der Staaten zurückführen.71 Entweder sind die völkerrechtlichen Prinzipien demnach vertraglich oder gewohnheitsrechtlich positiviert oder sie müssen von jenen positiven Normen erkennbar vorausgesetzt sein. Nur so lässt sich ihre Geltung begründen.72 Anderenfalls besteht die Gefahr, sowohl Inhalt als auch Anwendungsbereich des betreffenden Prinzips weiter zu verstehen, als sich induktiv anhand der Staatenpraxis nachweisen lässt.73 Diese Gefahr verwirklicht sich erst recht in den Beiträgen zahlreicher Völkerrechtler, welche einem deduktiven Ansatz entsprechend Prinzipien als „Gesamtkonzepte“ betrachten, deren Bedeutung und Anwendungsbereich sehr weit ausdehnen und sie möglichst weitflächig auf neue Bereiche übertragen möchten.74 So sehen Vertreter der deduktiven Methode etwa das common heritage of mankind-­Prinzip in zahlreichen völkerrechtlichen Verträgen verankert, verstehen die Begriffe des common concern of humankind und des Welterbes bloß als Facetten des common heritage of mankind-Prinzips und schlagen vor, Letzteres des Weiteren auf die Fischereiproblematik, den Schutz der Ozonschicht, der Atmosphäre, des Wassers und auf die ökologische Frage im Allgemeinen auszudehnen.75 Aus  Siehe Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S.  125  f.; Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 90 f. Allgemein zur Rückführbarkeit der allgemeinen Völkerrechtsprinzipien auf Vertrags- und Gewohnheitsrecht Bernhardt, 36 ZaöRV (1976), S. 50 (52 f.); siehe auch Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 605. Siehe zur Gewinnung von Prinzipien aus den völkerrechtlichen Rechtsquellen im Sinne von Art. 38 IGH-Statut auerdem Gaja, „General Principles of Law“, in: MPEPIL online (2013), abrufbar unter: www.mpepil.com. 69  South West Africa, ICJ Reports 1966, 6 (34). 70  So etwa Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 605, S. 386 sowie Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 125. 71  Siehe erneut Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 125; Siehe auch die ausführliche Analyse der Friendly Relations Declaration bei Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 451 ff., S. 272 ff.; siehe außerdem allgemein zur Deklaration die frühen Ausführungen von Graf zu Dohna, Die Grundprinzipien des Völkerrechts über die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit der Staaten zwischen den Staaten. 72  So zu Recht Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 126 f. Allgemein zur Rückführbarkeit der allgemeinen Völkerrechtsprinzipien auf Vertrags- und Gewohnheitsrecht Bernhardt, 36 ZaöRV (1976), S. 50 (52 f.); siehe auch Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 605. 73  Ähnlich Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S.  126; siehe auch Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 91. 74  Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 32. Diese Kritik muss sich in jüngerer Zeit vor allem Stocker, Common Heritage, S. 140 ff., 211 ff. gefallen lassen. Inhaltlich ähnliche Vorstellungen finden sich etwa bei Kilian, Umweltschutz durch IO, S. 416 ff. und Kiss, La Notion de Patrimoine Commun de l’Humanité, 175 RdC (1982 II), S. 109 und insbesondere S. 225. 75  Siehe Kiss, La Notion de Patrimoine Commun de l’Humanité, 175 RdC (1982 II), S. 109 und 68

III. Methodische Vorbemerkungen

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­ ehreren Gründen führt dieser weit gefasste deduktive Ansatz zu fragwürdigen m ­Ergebnissen und offenbart zugleich die oben bereits dargestellten methodischen Schwächen deduktiver Herangehensweisen an das Umweltvölkerrecht. Zunächst lassen derartig allgemeine „Sammelkonzeptionen“ die unterschiedliche historische Herkunft der jeweiligen Begrifflichkeiten unberücksichtigt:76 Wie noch zu zeigen sein wird, haben etwa die Normen des common heritage of mankind-Prinzips als Resultat der Forderungen der Entwicklungsländer nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung und einer neuen Verteilungsgerechtigkeit historisch betrachtet nur wenig mit der spezifisch im Kontext des globalen Umweltschutzes entwickelten common concern-Idee zu tun.77 Eine unbesehene Übertragung anerkannter Prinzipien aus ihrem traditionellen Kontext auf neue Bereiche mit anders gelagerten Problemen dürfte außerdem „deren Rechtsfolgenprofil auflösen und daher kaum zu sachlich angemessenen Ergebnissen führen“.78 Des Weiteren übersehen Vertreter der deduktiven Methode, dass seit einigen Jahren in der völkerrechtlichen Praxis meistens sehr bewusst zwischen den common-heritage und common-concern-termini unterschieden wird79 und sich weite Teile der Staatengemeinschaft mittlerweile zumindest darum bemühen, jene Prinzipien nicht auf Problemlagen zu übertragen, zu deren Lösung sie wenig beizusteuern vermögen.80 Eine derartige insbesondere S. 225; siehe außerdem Kilian, Umweltschutz durch IO, S. 416 ff.; de Klemm, Le Patrimoine Naturel de l’Humanité, in: Dupuy (Hrsg.), L’Avenir du Droit International de l’Environment, S. 117 ff.; Stocker, Common Heritage, S. 140 ff., 211 ff.; van Heijnsbergen, International Legal Protection of Wild Fauna and Flora, S. 68 ff. Ein ähnlich weites Verständnis entwickelt für den common concern-Grundsatz Biermann, 34 AVR (1996), S. 426 ff. Ähnlich für den Begriff der shared resources etwa Handl, The Principle of „Equitable Use“, 14 RBDI (1978/1979), S. 40 ff. Diese Diskussionsbeiträge werden weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIV. 1. noch ausführlich betrachtet. Kritisch zu diesen Ausdehnungsversuchen bereits Durner, Common Goods, S. 32. 76  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 31. 77  Auf die historischen Überschneidungen beider Prinzipien, aber auch auf die unterschiedliche Herkunft beider Begriffe und insbesondere auf den eigenständigen geschichtlichen Entwicklungsstrang, über den das common concern of humankind-Prinzip verfügt, wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch näher eingegangen, siehe Dritter Teil, Kap. VII. und VI. Siehe zur Abgrenzung außerdem die Vorarbeiten von Durner, Common Goods, S. 234–242. Auf die Unterschiede zwischen common heritage- und common concern-Prinzip verweisen ferner Brunnée, Conceptual Framework, S. 41 (56); Boyle, International Law, S. 7, 9 ff.; Schröder, 21 Jahrbuch (1993), S. 191 (198). 78  So vor allem Durner, Common Goods, S.  32. Gegen eine Übertragung des common heritage-Prinzips auf Kulturgüter argumentieren ferner Dolzer, Die Deklaration des Kulturguts zum „common heritage of mankind“, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, S. 13 ff. Zustimmend Freytag, „Cultural Heritage“: Rückgabeansprüche von Ursprungsländern auf „ihr“ Kulturgut?, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, S. 175, 197 f. Siehe zur Diskussion über den Anwendungsbereich des common heritage-Prinzips die späteren Ausführungen, Dritter Teil, VIII. 79  Ein gutes Beispiel dafür bietet der Streit um die Begriffe common heritage und common concern im Rahmen der Verhandlungen zur Biodiversitätskonvention, die einen Meilenstein in der eigenständigen Entwicklungsgeschichte des CCM-Prinzips darstellen. Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 2. a). Siehe dazu erneut Durner, Common Goods, S. 31. 80  Ähnlich kritisch bereits Durner, Common Goods, S.  31 und Fn.  64. So scheiterte der Antrag Maltas, das Klima von der UN-Generalversammlung zum common heritage of mankind erklären zu lassen insbesondere deshalb, weil das auf gerechte (Um-) Verteilung der in den staatsfreien

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III. Methodische Vorbemerkungen

Ausdehnung und inflationäre Verwendung der jeweiligen umweltvölkerrechtlichen Prinzipien hat vor allen Dingen zur Folge, dass ihre Rechtssätze weitgehend an Konturen verlieren und nur noch „als Ausprägungen eines einzigen G ­ rundgedankens – nämlich der Internationalisierung völkerrechtlicher Zuständigkeiten – erscheinen“, der in unterschiedlichen Fällen „in unendlich vielen Spielarten variiert werden kann“.81 Eine solche Betrachtungsweise birgt letztlich die Gefahr, umweltvölkerrechtliche Prinzipien zu „ent-rechtlichen“, zumal die weit gefassten Vorschläge jener Autoren oftmals weit über das hinausgehen, was die Staaten anzuerkennen bereit sind und sich daher in der tatsächlichen Staatenpraxis nachweisen lässt.82 Völkerrechtlich verbindliche Prinzipien „mit abstrakten, aber wohl definierten Rechtswirkungen“83 verkommen auf diese Weise zu bloßen politischen Slogans, die schwerlich zu Völkergewohnheitsrecht erstarken können. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass den jüngeren umweltvölkerrechtlichen Prinzipien des common heritage und des common concern of humankind gelegentlich sogar jegliche juristische Relevanz abgesprochen wird.84 Demgegenüber lässt sich mit einer gewissenhaften Anwendung der induktiven Methode – darin zeigt sich nochmals ihr Vorzug – die Gefahr einer solchen „heimlichen Rechtsschöpfung“85 minimieren, weil sich ihre Ergebnisse stets anhand des empirischen Ausgangsmaterials überprüfen lassen: Es wird der kleinste gemeinsame Nenner ermittelt, wie er sich insbesondere in völkerrechtlichen Verträgen niederschlägt, um Prinzipien auf eine Reihe konkreter Rechtsfolgen zu beschränken und zugleich deren gegenwärtigen Anwendungsbereich stärker einzugrenzen.86 Bestätigt wird die induktive Methode als Instrument zur Ermittlung des Völkerrechts vor allem durch die Verankerung der Rechtsentstehungsquellen in Art. 38 Abs. 1 lit. Räumen belegenen Ressourcen ausgerichtete Prinzip des gemeinsamen Erbes der Menschheit nicht das geeignete völkerrechtliche Instrument für die weltweite Bekämpfung des globalen Klimawandels ist und dies während der Verhandlungen zur Klimarahmenkonvention von den Staatenvertretern erkannt wurde. Siehe dazu die ausführlicheren Erörterungen weiter unten, Zweiter Teil, Kap. IX. 1. a). 81  So wörtlich und treffend Durner, Common Goods, S. 31. Besonders vehement kritisiert neuerdings Baslar, Concept, S. 106 ff. Tendenzen zur unendlichen Ausweitung des common heritage of mankind-Prinzips, welche jenes Prinzip letztlich seiner juristischen Bedeutung zu berauben drohe. Ähnlich kritisch äußern sich etwa Brunnée, 34 AVR (1996), S. 245 f., Postyshev, Common Heritage of Mankind, S. 229. 82  Durner, Common Goods, S. 31. 83  Durner, Common Goods, S. 31 f. 84  So etwa für das common heritage-Prinzip Bueckling, 59 DRiZ (1981), S. 288 ff. und zuvor allgemein ders., Weltraumvertrag, S. 66 ff. Ähnlich rigoros im Hinblick auf das common concern-Prinzip etwa Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 805, 870 („außerrechtlicher Faktor“) und Beyerlin/Marauhn, Rechtsdurchsetzung, S. 23. Auf diese fragwürdige Auslegung des Begriffs „common concern“ wird weiter unten (Vierter Teil, Kap. XIII. 1.) noch einzugehen sein. Siehe zum Ganzen erneut Durner, Common Goods, S. 32. 85  Diese Art der „Rechtsfindung“ sei – so erneut Schwarzenberger etwas überspitzt – „a notorious example of legal conceptualism (Begriffsjurisprudenz) and amounts to a form of surreptitious law-making“. Siehe Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 90. 86  Durner, Common Goods, S. 24.

III. Methodische Vorbemerkungen

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a) bis c) IGH-Statut. Das positive Völkerrecht wird nicht etwa im Wege der Deduktion aus einem obersten völkerrechtlichen Prinzip abgeleitet, sondern der Internationale Gerichtshof induziert es aus den bilateralen oder multilateralen völkerrechtlichen Verträgen (lit. a)) sowie aus dem Völkergewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung.87 In der Terminologie der induktiven Interessenjurisprudenz ausgedrückt, wird das positive Völkerrecht anhand der Völkerrechtsquellen im Sinne von Art.  38 Abs.  1 IGH-Statut aus den sozial-­ gesellschaftlichen Interessenkonflikten der Lebenswirklichkeiten gewonnen, die es zwischen den Völkerrechtssubjekten gibt. Insofern überschneidet sich die hier gewählte induktive Methodik mit der sogenannten soziologischen Betrachtungsweise auf das Völkerrecht.88 Beiden ist gemeinsam, dass sie bei der Ermittlung des positiven Völkerrechts die empirischen Gegebenheiten berücksichtigen, das heißt dasjenige, „was an Tatsachen, Sachverhalten, Abläufen oder Konflikten in der Wirklichkeit der Staatenbeziehungen vorhanden ist“.89 „Soziologisch“ wird diese Betrachtungsweise „deshalb genannt, weil ihre Vertreter in der realen Staatengemeinschaft ein „soziales“ Phänomen sehen.“90 Die soziologische Betrachtungsweise entspringt der einleuchtenden, sich nicht nur in der Völkerrechts-, sondern auch allgemein in der Rechtswissenschaft zunehmend durchsetzenden Erkenntnis, dass Recht – ganz allgemein – niemals losgelöst von seiner Umwelt betrachtet werden kann, das heißt von den „da seienden Erscheinungen, die es normiert, aus deren Anlässen heraus es gesetzt wird und auf die es zugeschnitten ist“.91 Um eine histo87  Siehe ferner Schwarzenberger, Inductive Approach, S.  73  f. Auch nach Schüle (ders., 8 AVR (1959/1960), S.  129 (147–149) erweist sich gerade bei der Ermittlung des Völkergewohnheitsrechts die induktive Methode als ausgesprochen nützlich: „ (…) der internationale Brauch als Ausdruck einer allgemein als Recht anerkannten Übung, von dem in Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH-Statut exemplarisch die Rede ist, setzt sich aus einer nahezu unübersehbaren, noch längst nicht ausgeschöpften Zahl vielfältiger staatlich-außenpolitischer Emanationen von großer Mannigfaltigkeit und sehr verschiedenem Gewicht zusammen. Diplomatische Noten oder Instruktionen, Regierungserklärungen, Proteste, Stellungnahmen auf Konferenzen, amtliche Gutachten, Urteile nationaler Gerichte und vieles andere – sie alle bilden das enorme Reservoir, aus dem geschöpft wird, wenn es gilt, einen Staatenbrauch festzustellen. Verglichen mit dem 19. Jahrhundert haben Quantität und Vielfalt der internationalen Beziehungen im 20. und 21. Jahrhundert erheblich zugenommen. Die Mitgliederzahl der internationalen Gemeinschaft ist in den letzten Jahrzehnten stark angewachsen. Neben die Staaten sind zahlreiche internationale Organisationen getreten, der wechselseitige Verkehr hat sich auf allen Ebenen und auf der gesamten Erde intensiviert und die internationalen Gerichtsinstanzen haben eine wesentlich regere Tätigkeit entfalten können. Sie alle setzen Fakten und zeitigen Akte, die es für die Herausbildung des modernen Völkerrechts heranzuziehen gilt und welche nur mithilfe der induktiven Methode verwertet werden können“. 88  Grundlegend zur soziologischen Betrachtungsweise sind noch immer die Beiträge von Jerusalem, Völkerrecht und Soziologie; Max Huber, Die soziologischen Grundlagen des Völkerrechts sowie D. Schindler, 46 RdC (1933 IV), S. 223 (227 ff.). Siehe ferner Verdross, Völkerrecht, S. 6 ff. sowie Schwarzenberger, Machtpolitik. 89  Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 129 (143). Siehe zur soziologischen Betrachtungsweise des Völkerrechts vor allem die Ausführungen von Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 9–218. 90  Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 129 (143). 91  Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 129 (143); siehe außerdem Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 7.

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III. Methodische Vorbemerkungen

rische Methode handelt es sich bei der induktiven Methodik außerdem insofern, als sie nicht bloß die gegenwärtigen, sondern gerade auch die vergangenen Interessenkonflikte und Geschehnisse in den Staatenbeziehungen in den Blick ­ nimmt; denn wer das positive Völkerrecht aus den Quellen des Völkervertragsrechts und Völkergewohnheitsrechts schöpft, wirft den Blick zunächst zwangsläufig in die Vergangenheit. Die dort ermittelten Rechtssätze rühren letztlich aus geschichtlichen Ereignissen her. „Mit ihnen völkerrechtlich argumentieren heißt daher – methodisch gesehen  – historisch argumentieren.“92 Historisch ist eine völkerrechtliche Argumentation demnach, wenn und soweit sie „auf Sachlagen, Vorgänge oder Entwicklungen abstellt, die sich im internationalen Leben der Vergangenheit nachweisen lassen, und ihnen völkerrechtliche Relevanz beimißt“.93 Auf einer historischen Rückschau beruht zudem die Konzeption des Völkergewohnheitsrechts; „denn die Staatenpraxis, die seine Grundlage bildet, besteht in nichts anderem als einer zurückliegenden, mehr oder minder langen, effektiven Übung, aus der auf dem Wege der Induktion die entsprechenden Rechtssätze gewonnen werden.“94 Durch Verallgemeinerung und Abstrahierung der „soziologisch-historisch-induktiv“ gewonnenen positiven völkervertraglichen und/oder völkergewohnheitsrechtlichen Rechtssätze und rechtserheblichen Tatsachen95 lassen sich dann wiederum gegebenenfalls allgemeine Prinzipien des Umweltvölkerrechts ermitteln.96 Der Verfasser hält aus den dargelegten Gründen den induktiven Ansatz für vorzugswürdig und legt ihn daher seinen nachstehenden Ausführungen zugrunde. Schließlich ist zur Methodik der Arbeit noch Folgendes anzumerken: Der Verfasser hat den „interdisziplinär-theoretischen“ Abriss über die philosophischen Grundlagen des common concern- Prinzips im Ersten Teil bewusst von der positiv-­ völkerrechtlichen Untersuchung seiner geschichtlichen Grundlagen im Zweiten Teil abgespalten, um sich auf dieser Basis im Dritten Teil der Arbeit ausschließlich mit der gegenwärtigen Bedeutung des common concern of humankind- Grundsatzes im geltenden Völkerrecht zu beschäftigen. Diese methodische Vorgehensweise macht zweierlei deutlich: Zum einen liegt der vorliegenden Arbeit die Annahme zugrunde, dass geltendes Völkerrecht nicht völlig losgelöst von seiner „ideengeschichtlichen Umwelt“ betrachtet werden sollte. Zum anderen wird gleichwohl von der Eigenständigkeit des positiven Völkerrechts ausgegangen, dessen Inhalt letztlich anhand  Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 129 (143) (Hervorhebung vom Verfasser). Siehe zur Notwendigkeit einer „historischen Methode“ zur Ermittlung von Völkergewohnheitsrecht insgesamt ders., 8 AVR (1959/1960), S. 129 (142 f.). 93  Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 129 (142). 94  So ausdrücklich Schüle, 8 AVR (1959/1960), S. 129 (142). 95  Im Rahmen der induktiven Methodik kann grundsätzlich sowohl aus völkervertraglichen bzw. gewohnheitsrechtlichen Rechtssätzen als auch aus rechtserheblichen Tatsachen geschlossen werden. Wie das Beispiel der „Staatenpraxis“ zeigt, können gerade im Völkerrecht die Grenzen fließend sein. Siehe dazu auch Henckaerts, 87 IRRC (2005), S.  175 (183  f.); Bugnion, 17 SZIER (2007), S. 165 (182); Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 478 u. 483. 96  Siehe zum Begriff der allgemeinen Prinzipien im Umweltvölkerrecht die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XI. 92

III. Methodische Vorbemerkungen

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der klassischen, genuin rechtswissenschaftlichen Auslegungsmethoden zu ermitteln ist.97 Zwar entsteht Völkerrecht nicht in einem rechtlichen Vakuum.98 Viele Prinzipien oder Begriffe des Völkerrechts  – wie etwa das Staatengemeinschaftsinteresse99  – verdanken ihre Grundideen außerjuristischen „Vorarbeiten“ benachbarter Disziplinen.100 Trotzdem gilt es, grundsätzlich zwischen den Ebenen des geltenden Völkerrechts einerseits und bloßer rechtspolitischer Desiderate oder philosophischer Spekulationen andererseits sorgsam zu unterscheiden.101 Gelegentlich wird auch im völkerrechtlichen Schrifttum der politische oder philosophische Wunsch zum Vater des völkerrechtlichen Gedankens, indem die tatsächliche Existenz umweltvölkerrechtlicher Regeln oder Prinzipien allein mit dem Argument begründet wird, sie seien zur Lösung von internationalen Umweltproblemen politisch wünschenswert oder gar ethisch unerlässlich.102 Vor diesem Hintergrund ist der Verfasser bemüht, unter Anwendung der induktiven Methode genau hinzusehen, ob und inwieweit sich eine bestimmte völkerrechtliche Wirkung des common concern of humankind-Prinzips tatsächlich  – etwa anhand der Vertragspraxis  – nachweisen lässt oder ein ethisches Ideal bleibt, dessen Erfüllung sich das Umweltvölkerrecht nur schrittweise zu nähern vermag.

97  Ähnlich bereits Paulus, Internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, S. 7. Siehe außerdem Poscher, in Sieckmann (Hrsg.), Prinzipientheorie der Grundrechte, S. 59 (63): „Die Rechtsanwendung greift nicht einfach auf moralische Normen zurück, sondern entwickelt unter Rückgriff auf außerrechtliche Normen eigene rechtliche Maßstäbe, die sich zwar an moralische und philosophische Konzepte anlehnen und ihnen ähnlich sein können, aber doch genuin rechtliche sind“. Ähnlich Priel, 25 OJLS (2005), S. 675–696. 98  Ähnlich erneut Tams, Enforcing Erga Omnes Obligations, S. 19. 99  Siehe zu diesem Begriff die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIV. 100  Siehe dazu die Ausführungen im Ersten Teil. 101  Siehe Kloepfer, Umweltrecht, S. 812. 102  Siehe dazu auch Kloepfer, Umweltrecht, S. 812.

Zweiter Teil

Philosophische Grundlagen des common concern of humankind-Prinzips

Der Begriff des common concern of humankind hat sich mittlerweile zu einem ­eigenständigen Prinzip des geltenden Umweltvölkerrechts entwickelt.1 Diese Entwicklung ist allerdings ohne einen Rückgriff auf außerjuristische Vorstellungen der benachbarten philosophischen Disziplin, die ihr gleichsam „den Weg bereitet“ haben, weder denkbar noch nachvollziehbar. Als interdisziplinäres Grundlagenfach des Rechts befasst sich Rechtsphilosophie im Allgemeinen mit dem tieferen Grund des jeweiligen Rechts, um eine genauere Erkenntnis von seinem Wesen, Inhalt und Zweck zu gewinnen.2 Für ein fundiertes Verständnis des CCM-Prinzips ist es daher unerlässlich, im ersten interdisziplinär-theoretischen Teil dieser Arbeit – gleichsam „vor die Klammer gezogen“ – zunächst die philosophischen Grundlagen des globalen Umweltschutzes als „gemeinsame Sorge der Menschheit“ zu skizzieren. Dazu werden im Folgenden jene Ausschnitte der philosophischen Ideengeschichte he­ rausgegriffen und dargestellt, welche dem „positiv-völkerrechtlichen“ common concern of humankind-Prinzip zugrunde liegen. Vorher sei freilich kurz geklärt, was überhaupt begrifflich mit „philosophisch-­ ethischen Grundlagen“ gemeint ist. Ihrem ursprünglichen Wortsinn nach handelt es sich bei der Ethik um „die philosophische Wissenschaft vom Sittlichen“.3 Als eine der großen Teildisziplinen der Philosophie befasst sich die Ethik methodisch und systematisch mit dem sittlich Guten und dem gelebten Ethos, das heißt mit Fragen der Moral.4 Unter „Moral“ wird im modernen Sprachgebrauch wiederum eine Sammelbezeichnung für die der gesellschaftlichen Praxis zugrunde liegenden und als verbindlich akzeptierten ethisch-sittlichen Normensysteme des Handelns und der

 Vierter Teil, Kap. XIII.  Creifelds Rechtswörterbuch, Stichwort „Rechtsphilosophie“, S. 1078. 3  Diese Definition stammt aus der Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden, Bd. 6, 19. Aufl., Mannheim 1988, Stichwort „Ethik“, S. 601. 4  So Bydlinski/Mayer-Maly, Rechtsethik, S. 121; siehe auch von der Pfordten, Rechtsethik, S. 31. 1 2

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Zweiter Teil  Philosophische Grundlagen des common concern of humankind-Prinzips

Werturteile, der Tugenden und Ideale einer bestimmten Gesellschaft verstanden.5 Genau genommen ist die Frage des „richtigen“ Umgangs des Menschen mit der Umwelt rechtsethischer Natur. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung wird davon ausgegangen, dass die Rechtsethik sowohl Teil der Philosophie als auch Teil der Rechtswissenschaft ist und somit im Gefüge der Wissenschaftsdisziplinen eine Zwitterstellung einnimmt.6 Einerseits gehört die Rechtsethik zur Rechtswissenschaft und dort zur Rechtsphilosophie, weil ihr Untersuchungsgegenstand das Recht ist.7 Andererseits gehört sie zur Philosophie und dort zur Praktischen Philosophie und angewandten Ethik, weil sie danach fragt, welches Recht gerecht, das heißt „richtig“, und welches menschliche Verhalten daher gerechtfertigt ist.8 Indem sie die moralische Seite des Rechts und seine Auslegung analysiert und reflektiert, schlägt die Rechtsethik zugleich eine Brücke von der Rechtsphilosophie zur Rechtswissenschaft.9 Innerhalb der Rechtsethik ist die vorliegende umweltethische Fragestellung dem Bereich der auf die Umwelt angewandten Ethik10 zuzuordnen, die sich mit dem normativ richtigen und moralisch verantwortbaren Umgang mit der äußeren, nicht menschlichen Natur befasst.11 Wenn folglich im Verlauf dieser Arbeit von den philosophisch-ethischen Grundlagen des common concern of humankind-­ Prinzips gesprochen wird, so sind damit diejenigen Vorstellungen eines sittlich „richtigen“ Verhaltens des Menschen in Bezug auf seine Umwelt gemeint, auf welchen jene Völkerrechtsdokumente basieren, in denen das CCM-Prinzip bislang verankert worden ist. Zwar ist der nachfolgenden interdisziplinär-theorethischen Erörterung notwendigerweise ein Blick auf die einschlägigen positiven Völkerrechtsdokumente gedanklich vorgeschaltet. Untersuchungsgegenstand ist hierbei gleichwohl weniger das CCM-Prinzip selbst als Teil des positiven Völkerrechts als vielmehr sein ideengeschichtlicher Geltungsgrund, das heißt seine überpositive ethische Rechtfertigung. Der Gedanke, ein Umweltproblem könne aufgrund seiner Globalität eine „gemeinsame Sorge der gesamten Menschheit“ sein, ist letztlich in eine jahrtausendealte philosophische Ideengeschichte eingebettet, im Zuge derer sich verschiedene ethische Grundannahmen entwickelt haben, die schließlich im 20. Jahrhundert auf der juristischen Ebene gleichsam in den common concern-Begriff des geltenden Umweltvölkerrechts gegossen wurden. Auf der philosophischen Ebene berührt der common concern of humankind-Gedanke im Wesentlichen zwei ethische Themen5  Diese Definition ist der Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden, Bd.  15, 19.  Aufl., Mannheim 1991, Stichwort „Moral“, S. 96, entnommen. Dem gängigen Sprachgebrauch entsprechend werden nachfolgend die Begriffe „Moral“ und „Ethik“ sowie deren Adjektive „moralisch“ und „ethisch“ synonym verwendet. 6  So pointiert von der Pfordten, Rechtsethik, S. 21. 7  Von der Pfordten, Rechtsethik, S. 21. 8  Ähnlich von der Pfordten, Rechtsethik, S. 21. 9  So von der Pfordten, Rechtsethik, der auf S. 21–32 weitere „Brückenfächer“ darstellt. 10  Von der Pfordten, Ökologische Ethik, S. 121. Siehe allgemein zur angewandten Ethik und ihren verschiedenen Bereichen Nida-Rümelin, Angewandte Ethik (1996), S. 121. 11  Von der Pfordten, Ökologische Ethik, S. 121.

Zweiter Teil  Philosophische Grundlagen des common concern of humankind-Prinzips

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komplexe, die wiederum wechselbezüglich miteinander verknüpft sind: Wie viele andere Konzepte, die sich mit globalen Problemen befassen, die für die gesamte Menschheit von Bedeutung sind, basiert auch das common concern of ­humankind-­Prinzip zunächst ganz allgemein auf der Idee einer internationalen Solidarität, die letztlich auf ein „globales Gemeinwohl“ hinstrebt.12 Wie viele andere Prinzipien, die auf einen Schutz der nationalen, regionalen oder globalen Umwelt abzielen, berührt auch der common concern-Grundsatz ethische Fragen im Verhältnis zwischen Mensch und Natur, genauer die Frage nach einem ethisch vertretbaren Umgang des Menschen mit der Umwelt. Allerdings ist mit dem Gedanken einer gemeinwohlorientierten internationalen Solidarität zugleich die grundlegende Frage nach dem Wandel des Völkerrechts von einem Recht der bloßen Koexistenz zu einem Recht der Kooperation in gemeinschaftlichen Anliegen angesprochen, die nach Ansicht einiger Völkerrechtler gar zu einer gewissen „Konstitutionalisierung des Völkerrechts“ geführt haben soll.13 Diese soziologische, philosophische, politologische und völkerrechtliche und damit multidisziplinäre Frage nach einem Strukturwandel der internationalen Beziehungen und des Völkerrechts im Zeitalter der Globalisierung zu erörtern, bietet für sich genommen bereits genügend Stoff für mehrere Monografien und würde daher ersichtlich den Rahmen dieser Arbeit sprengen.14 Der Gedanke einer am globalen Gemeinwohl orientierten internationalen Solidarität der gesamten Menschheit hat sich außerdem im Begriff der „Staatengemeinschaftsinteressen“ niedergeschlagen, welcher dem völkerrechtlichen Konzept der Verpflichtungen erga omnes zugrunde liegt und daher gewissermaßen „harte“ positiv-völkerrechtliche Rechtsfolgen nach sich zieht. Wegen des engeren Sachzusammenhangs mit den Rechtsfolgen des common concern of humankind-Prinzips soll dieser Gemeinwohlgedanke erst an späterer Stelle im Dritten Teil der Arbeit aufgegriffen werden, wenn es darum geht, die erga omnes-Wirkung jenes Prinzips zu untermauern.15 Im Rahmen der philosophischen Grundlagen des CCM-Prinzips soll der Fokus daher vorerst auf der umweltethischen Frage nach dem normativ richtigen und moralisch verantwortbaren Umgang mit der äußeren, nicht menschlichen Natur liegen, weil es sich dabei um eine Frage handelt, die in einem spezifischen Zusammenhang mit dem globalen Umweltschutz steht. Dies gilt umso mehr, als in der völkerrechtstheoretischen und umweltvölkerrechtlichen Debatte über den rechtlichen Gehalt des Begriffs common concern of humankind denn auch häufig auf ethisch-philosophische Konzeptionen vom „richtigen“ Umgang des Menschen mit der Natur zurückgegriffen wird, um die jeweilige Auffassung zu untermauern.16  Siehe nur Fassbender, Gemeinwohlorientierung, S. 131.  Siehe Wolfrum, Entwicklung des Völkerrechts, S. 432. Siehe ferner Paulus, 67 ZaöRV (2007), S.  695  ff.; ders., The International Legal System as a Constitution, S.  69  ff. Siehe neuerdings Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht. 14  Verwiesen sei vor allem auf die grundlegende Monographie von Paulus, Internationale Gemeinschaft. 15  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. 16  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 1. 12 13

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Zweiter Teil  Philosophische Grundlagen des common concern of humankind-Prinzips

Wie sich an den einschlägigen völkerrechtlichen Dokumenten ablesen lässt, basiert das common concern of humankind-Prinzip auf einer gemäßigt anthropozentrischen Umweltethik, welche sich im Wesentlichen in zwei Unteraspekte a­ ufgliedert, die wiederum aufeinander aufbauen: Erstens zielt der common concern of humankind-Begriff bereits ausweislich seines eindeutigen Wortlauts „humankind“ auf einen globalen Umweltschutz für den Menschen ab. Damit gründet das CCM-Prinzip ideengeschichtlich auf einem umweltethischen Ansatz, der insofern anthropozentrisch ist, als er einen Schutz globaler Umweltgüter im Kern um des Menschen willen bezweckt, das heißt den Menschen und nicht die Natur in den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellt.17 Hieran anknüpfend, wird mit dem CCM-Prinzip – zweitens – das Ziel verfolgt, die jeweiligen Umweltgüter nicht nur für gegenwärtige, sondern auch für zukünftige Generationen der Menschheit zu schützen.18 Ob und inwieweit sich diese zuvörderst moralische Verpflichtung der gegenwärtigen Generation gegenüber zukünftigen Generationen mittlerweile auch zu einer völkerrechtlichen Verpflichtung verfestigt hat, ist höchst umstritten, kann aber für die vorliegende Arbeit an dieser Stelle zunächst offengelassen werden.19 In jedem Fall liegt der Gedanke einer intergenerationellen Gerechtigkeit dem common concern-Grundsatz als moralisch-ethisches Konzept zugrunde. Dies lässt sich bereits an jener viel zitierten Resolution 43/53 der UN-Generalversammlung vom 6. Dezember 1988 ablesen, in welcher der common concern of (hu)mankind-Begriff erstmals verankert wurde und die bereits ausweislich ihrer Bezeichnung auf eine „Protection of global climate for present and future generations“ abzielt.20 Auch in ihren drei Nachfolgeresolutionen zum Klimaschutz machte die Generalversammlung deutlich, dass sie den Klimawandel gerade um des Schutzes zukünftiger Menschheitsgenerationen willen in den Rang eines common concern of (hu)mankind hebt.21 Genauso unmissverständlich wurde die Idee einer intergenerationellen Gerechtigkeit allerdings auch den beiden völkerrechtlichen Übereinkommen zugrunde gelegt, in denen das common concern-Prinzip bislang – wie im Rahmen der rechtsgeschichtlichen Erörte Siehe Zweiter Teil, Kap. IV. 1. und Kap. V.  Siehe dazu sogleich die nachfolgenden Belege in den für das CCM-Prinzip einschlägigen völkerrechtlichen Dokumenten. Siehe außerdem zur intergenerationellen Gerechtigkeit insbesondere die Ausführungen weiter unten im Ersten Teil, Kap. V. 4. 19  Siehe hierzu die Ausführungen im Dritten Teil der Arbeit in Kap. XIV. 1. a) kk). Die überwiegende Ansicht unter Völkerrechtlern lehnt eine positiv-völkerrechtliche Verpflichtung zum Schutz der Umwelt gegenüber zukünftigen Generationen ab. Siehe etwa Beyerlin, Staatliche Souveränität und internationale Umweltschutzkooperation, in: FS Bernhardt, S. 937 (950  ff.); Birnie/Boyle, Environment, S. 90, 604 ff.; Schröder, 21 Jahrbuch UTR (1993), S. 191 (200); Birnie, The Role of International Law in Solving Certain Environmental Conflicts, in: Carroll (Hrsg.), International Environmental Diplomacy, S. 95 (104). 20  UNGA-Resolution 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326. 21  UNGA Res. 44/207 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind; UNGA Res. 45/207 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind; UNGA Res. 46/169 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326. Alle drei Resolutionen finden sich abgedruckt bei Churchill/Freestone, International Law, S. 243 ff. 17 18

Zweiter Teil  Philosophische Grundlagen des common concern of humankind-Prinzips

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rungen noch zu zeigen sein wird22 – verbindlich verankert worden ist: So sind die Vertragsparteien nach dem Wortlaut der Präambel zur Klimarahmenkonvention ­„(d) etermined to protect the climate system for present and future generations“.23 Das Ideal einer Gerechtigkeit gegenüber künftigen Generationen zitieren die Vertragsstaaten nochmals in Artikel 3 Satz 1 der Klimarahmenkonvention, wonach „the parties should protect the climate system for the benefit of present and future generations of humankind“.24 Auch im zweiten Anwendungsfall des common concern of humankind-Prinzips, dem Artenschutz nach der Biodiversitätskonvention, fühlen sich sämtliche Vertragsstaaten ausweislich ihrer Präambel „determined to conserve and sustainably use biological diversity for the benefit of present and future generations“.25 Schließlich findet sich der generationsübergreifende Gerechtigkeitsansatz in vielen völkerrechtlich unverbindlichen Deklarationen, in denen globale Umweltprobleme oder gar die Umwelt als Ganzes als common concern of humankind bezeichnet werden.26 Das Ziel „intergenerationeller Gerechtigkeit“ ist aber – nota bene – keinesfalls nur ethische Grundlage des common concern of humankind-Prinzips. Vielmehr findet sich dieses Ideal in einer nicht unerheblichen Anzahl umweltvölkerrechtlicher Dokumente, zumal gerade in Umweltschutzfragen Interessenkonflikte zwischen gegenwärtigen und künftigen Generationen typischerweise von zentraler Bedeutung sind.27 So hat sich ein generationsübergreifender Ansatz in einer Vielzahl unverbindlicher Erklärungen und Resolutionen zu Umweltschutzfragen28 sowie in den  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. und 2.  Klimarahmenkonvention, 31 ILM 1992, 851 (852), Abs. 23 der Präambel. 24  Klimarahmenkonvention, 31 ILM 1992, 851 (854). 25  Biodiversitätskonvention, 31 ILM 1992, 818 (823). 26  So etwa die Entscheidung 15/36 on Global Climate Change des Governing Councel der UNEP vom 25. Mai 1989 in Abs. 6 der Präambel; die Nordische Deklaration zu atmosphärischer Verschmutzung und Klimawandel der Ministerial Conference on Atmospheric Pollution and Climate Change, 5.–7. November 1989 unter Punkt 7. Diese beiden Dokumente finden sich jeweils mit den offiziellen Fund- und Belegstellen bei Churchill/Freestone, International Law, S. 255 ff., 334 ff., 341 ff. Malé Declaration on Global Warming and Sea Level Rise v. 18. November 1989, abgedruckt in: 5 AJIL (1990), S. 602 ff., Ziff. 1; Ministerial Declaration of the Second World Climate Conference v. 7. November 1990, Ziff. 4 der Präambel, abgedruckt bei Rüster/Simma, unter VI/ B/07-11-90; ähnlich auch Ziffer 3 des Abschlussdokuments eines Treffens von Rechts- und Politikexperten zum Thema Klimaschutz, worin das Klima als „common resource of vital interest“ angesehen wurde: Protection of the Atmosphere: International Meeting of Legal and Policy Experts: Statement v. 22. Februar 1989, abgedruckt bei Rüster/Simma, unter VI/B/22-02-89. 27  Siehe nur Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 45 ff. 28  Declaration of the UN Conference on the Human Environment (Principle 1, Satz 1, 2. Halbsatz; Principle 2), Stockholm, June 5, 1972, in: Hohmann, Basic Documents of International Environmental Law, Bd. 1, S. 21 ff.; Charter of Economic Rights and Duties of States (Art. 30 Satz 1), UNGA Res 3281 (XXIX) of December 12, 1974, in: ILM 14 (1975), S. 251 ff.; Historical Responsibility of States for the Preservation of Nature for the Present and Future Generations, UNGA Res 35/8 of October 30, 1980, in: GAOR, 35th Session, Suppl. No. 48 (A/35/48), S. 15; Legal Principles for Environmental Protection and Sustainable Development (Art. 2), WCED-Experts Group on Environmental Law, in: Hohmann, Basic Documents of International Environmental Law, Bd. 1, S. 583 ff.; Protection of Global Climate for Present and Future Generations of Man22 23

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Präambeln mehrerer Artenschutzübereinkommen29 und der meisten UNEP Regionalmeeresabkommen30 niedergeschlagen. Ihrer Konzeption nach liegt die Berücksichtigung der Interessen zukünftiger Generationen ferner dem Prinzip des common heritage of mankind31 und dem Natur- und Kulturerbe der Welt32 sowie dem Begriff des „sustainable development“ (nachhaltige Entwicklung)33 zugrunde. Wie sich diese gemäßigt anthropozentrischen Grundannahmen im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Menschheit und Natur in der philosophischen Ideengeschichte herausgebildet haben, soll nunmehr Gegenstand des nachfolgenden interdisziplinär-­ theoretischen Grundlagenteils sein. Mit philosophischen Fragen des Umweltschutzes haben sich – gerade angesichts seiner globalen Bedeutung  – zwar auch bedeutende philosophische Schulen nicht-westlicher Prägung wie etwa die asiatischen Lehren des Konfuzianismus, Taoismus oder Buddhismus beschäftigt.34 Gleichwohl beschränken sich die Quellen der nachfolgenden Darstellung auf die Literatur der westlichen Philosophie, wobei im Wesentlichen deutsche, angelsächsische und französische Literatur herangezogen wird. Zwar bleiben hierdurch jene ethischen Überlegungen zur ökologischen Frage unberücksichtigt, denen ein nicht westliches Naturverständnis zugrunde liegt. Allerdings wird bis zum heutigen Tag die ökologische Debatte einseitig von einer kritischen Auseinandersetzung mit der ursprünglichen, „reinen“ Anthropozentrik der westlichen Ideengeschichte geprägt, deren Einstellung zur Natur sowohl wegen kind, UNGA Res. 44/207 of December 22, 1989, in: Churchill/Freestone, International Law and Global Climate Change, S. 245 ff.; Rio Declaration of Environment and Development (Principle 3), 1992, in: ILM 31 (1992), S. 876 ff. 29  Präambel der International Convention for the Regulation of Whaling (Washington 1946), 22 UNTS, 12: „(…) Recognizing the interest of the world in safeguarding for future generations the great natural resources represented by the whale stocks; (…) Recognizing that it is in the common interest to achieve the optimum level of whale stocks as rapidly as possible“. Vgl. außerdem Abs. 1 der Präambel zur Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora (Washington 1973), 12 ILM 1973, 1095 ff.: „Recognizing that the wild fauna and flora in their many beautiful and varied forms are an irreplaceable part of the natural systems on the earth which must be protected for this and the generations to come“. Siehe auch African Convention on the Conservation of Nature and Natural Resources (Algier 1968), 1001 UNTS, 4 ff., Abs. 6 der Präambel. Siehe ferner die Präambel der Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals (Bonn 1979), 12 ILM (1988), S. 12. 30  Siehe etwa die Präambeln der Kuwait Regional Convention for Cooperation on the Protection of the Marine Environment from Pollution, April 24, 1978 (Kuwait Convention), in: ILM 17 (1978), S.  511  ff.; Convention for Co-operation in the Protection and Development of the Marine and Coastal Environment of the West and Central African Region, March 23, 1981 (Abidjan Convention), in: ILM 20 (1981), S. 746 ff.; Regional Convention for the Conservation of the Red Sea and of the Gulf of Aden Environment, February 14, 1982 (Jeddah Convention), in: Burhenne (Hrsg.), Internationales Umweltrecht, 982: 13; Convention for the Protection and Development of the Marine Environment of the Wider Carribean Region, March 24, 1983 (Cartagena de Indias Convention), in: ILM 22 (1983), S. 227 ff. 31  Siehe zum common heritage-Prinzip die Ausführungen weiter unten, Dritter Teil, Kap. VIII. 32  Siehe dazu die Ausführungen weiter unten, Dritter Teil, Kap. VIII. 1. d) aa) und bb). 33  Näher dazu Schröder, 34 AVR (1996), S. 251 ff. 34  Ähnlich Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 21 f.

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ihres Technik- und Fortschrittsglaubens als auch aufgrund ihres modernen Marktverständnisses jedenfalls nach heutigen Erkenntnissen zu den gegenwärtigen ­globalen Umweltproblemen der Menschheit geführt haben dürfte.35 Vor diesem Hintergrund erscheint eine ausschließliche Bezugnahme auf die westliche Ideengeschichte für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand als gerechtfertigt.

 Siehe hierzu insbesondere Schäfer, Das Bacon-Projekt, S.  13 sowie Ott, Ökologie und Ethik, S. 114 ff. Die westlich geprägte Auswahl an philosophischer Ideengeschichte ist insofern angelehnt an Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 21 f.

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IV. Reine Anthropozentrik versus Ökozentrik

Die philosophischen Grundlagen des CCM-Prinzips gehen auf eine breit angelegte ökologische Debatte über eine moralisch vertretbare Einstellung des Menschen zur Natur zurück, die auf theologischer, rechtlicher, ökonomischer und vor allem auf philosophischer Ebene geführt wurde. Auf ihrem Zenit befand sich diese Diskussion Anfang der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als sich zunehmend Beiträge häuften, die zu einem ethischen Umgang des Menschen mit der belebten Natur aufriefen.1 Hieraus bildete sich „ein facettenreiches Bündel aus verschiedenen Wertungen, Analysen und Neuentwürfen zur sogenannten ökologischen Frage und zum Problem der nachhaltigen Entwicklung“.2 Dieser neue Zweig im Bereich der allgemeinen Philosophie wird gelegentlich schlagwortartig als ökologische Ethik bezeichnet.3 Im Zuge dieser ökologischen Debatte haben sich im Wesentlichen zwei Positionen entwickelt, die sich zunächst unvereinbar gegenüberzustehen schienen.4 In der Terminologie Hegel’scher Dialektik formuliert, haben sich zunächst als „These“ verschiedene rein anthropozentrische Ansichten herausgebildet, welche sodann mit der ökozentrischen „Antithese“ beantwortet wurden, woraufhin aus dieser Kontroverse schließlich die vermittelnde „Synthese“ der gemäßigten an­ thropozentrischen Ansätze entwickelt wurde. Obgleich sich dieser Widerstreit von anthropozentrisch und ökozentrisch ausgerichteten Weltbildern vorwiegend in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entsponnen hat, reichen seine Wurzeln weit in die Anfänge der westlichen bzw.  Siehe Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 34.  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 34 f. 3  So ausdrücklich Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 34. 4  Fast alle Beiträge zur ökologischen Frage nehmen diese Unterteilung vor. Siehe statt vieler u. a. Appel, Zukunftsvorsorge, S.  64–69; von der Pfordten, Ökologische Ethik, S.  3  ff.; Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 33 u. 36; Kloepfer, Anthropozentrik, S. 3–25. 1 2

© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_4

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IV. Reine Anthropozentrik versus Ökozentrik

abendländischen Kultur- und Philosophiegeschichte zurück.5 Dementsprechend ist die einschlägige Literatur zu dieser Grundfrage uferlos und vermag bereits für die philosophische Disziplin kaum erfasst zu werden.6 Selbstverständlich kann es daher nicht Sinn und Zweck der vorliegenden Arbeit sein, diesen jahrhundertealten und komplexen philosophischen Diskurs umfassend nachzuzeichnen. Stattdessen konzentriert sich der Verfasser darauf, die wesentlichen Kernargumente zu ordnen und insbesondere die Herausbildung des gegenwärtig vorherrschenden gemäßigt an­ thropozentrischen Ansatzes darzustellen, um auf diese Weise ein tieferes Verständnis für die ideengeschichtlichen Geltungsgründe des CCM-Prinzips zu vermitteln. Hierbei werden zum besseren Verständnis zunächst jene rein anthropozentrischen Ansätze dargestellt, denen zufolge die Umwelt ausschließlich als Zugriffsobjekt der Menschheit geschützt werden soll und deren Wurzeln bis ins abendländisch-christliche Naturverständnis zurückreichen. Anschließend werden die als Gegenentwurf konzipierten ökozentrischen Ansätze skizziert, das heißt jene Ansätze, die einen Schutz der Umwelt um ihrer selbst willen sowie Eigenrechte der Natur fordern, die unter anderem durch das internationale Umweltrecht gewährleistet werden sollen. Schließlich werden die sogenannten „gemäßigten“ bzw. „geläutert anthropozentrischen Ansätze“ vorgestellt, die im Ergebnis die rein anthropozentrischen Ansätze – gewissermaßen als Zugeständnisse an den ökozentrischen Ansatz und als „Synthese“ – insofern „korrigieren“, als sie die Umwelt hiernach als eigenständiges Schutzobjekt anerkennen, diese aber nicht um ihrer selbst willen, sondern in ihrer Funktion als „elementare Lebensgrundlage des Menschen“ und damit letztlich um des Menschen willen bewahren wollen.

1. Rein Anthropozentrische Ansätze Die rein anthropozentrische Sicht auf die Welt sieht im Menschen den alleinigen Zweck und Mittelpunkt des Weltgeschehens, dem die Natur – mit unterschiedlicher Begründung – als bloßes Zugriffsobjekt untergeordnet ist. Die ideengeschichtlichen  Siehe dazu Appel, Zukunftsvorsorge, S. 64 ff.   So zu den hiermit angesprochenen Schwierigkeiten interdisziplinären Arbeitens pointiert Reemtsma, Merkur Nr. 683 (2006), S. 197: „Es ist ein unausweichliches Ergebnis der modernen Wissensdifferenzierung und – akkumulation, dass jemand jenseits seines Faches nur selektiv unterrichtet sein kann. Man kann sehr wohl fachübergreifend reden und argumentieren, aber man muss aufpassen. Ambition auf Grundlagendisziplin und solches Aufpassen passen aber schlecht zusammen. So kommt es denn, dass Texte, die eine solche Ambition zum Ausdruck bringen, oft vor allem die mangelnde Bildung des Verfassers offenbaren. Die Erkenntnisse seines Faches werden dann in einer Weise unterkomplex und oft beinahe naiv zubereitet, wie es jemandem, der die entsprechenden Diskussionen in den letzten sagen wir zweihundertfünfzig Jahren Philosophiegeschichte einigermaßen kennt, nie passieren würde.“ Dieses Zitat verwendet etwa auch Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 23 in Fn. 3 im Hinblick auf die Uferlosigkeit der Literatur zur philosophischen Gerechtigkeitsfrage. Einen guten Überblick zu den vielfältigen Ansätzen einer Umweltethik liefert Ott, Einleitung, in: Ders./Dierks/Voget-Kleschin (Hrsg), Handbuch Umweltethik, S. 2–18. 5 6

1. Rein Anthropozentrische Ansätze

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Wurzeln des rein anthropozentrischen Weltbildes finden sich sowohl in der ursprünglich für den abendländischen Kulturkreis maßgeblichen christlichen Naturauffassung (a)) als auch im Selbst- und Naturverständnis des Menschen im Zeitalter der Aufklärung (b)).7

a) Christlich-abendländisches Naturverständnis Nach christlich-abendländischem Naturverständnis ist der Mensch – mit changierender Begründung – nicht bloß Glied der Natur, sondern Mitte und Herr der Natur.8 Für Thomas von Aquin war es selbstverständlich, dass der Mensch mit allem verwandt ist und deshalb auch nur aus ihm heraus alles andere letztlich erst verständlich wird: „Der Mensch ist irgendwie aus allen Dingen zusammengesetzt (…) und deshalb wird der Mensch, weil alle Geschöpfe des Weltalls irgendwie in ihm zu finden sind, ein ‚Weltall im Kleinen‘ genannt.“9 Im „Mikrokosmos Mensch“ sei der Reichtum aller unter ihm liegenden Seinsstufen vereinigt. In ihm treffe sich die ganze Welt, weil er der „Schnittpunkt aller Linien, der Brennpunkt aller Strahlen, der Angel- und Wendepunkt aller Auf- und Abstiege“ sei.10 a a) Die Sonderstellung des Menschen und sein göttlicher Herrschaftsauftrag Ideengeschichtliche Quelle des christlich-anthropozentrischen Naturverständnisses ist die Sonderstellung des Menschen in der Welt, wie sie bereits im biblischen Schöpfungsbericht vorgesehen ist:11 „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.“12 Als Repräsentant Gottes auf der Erde überragt und dominiert der Mensch die übrige Schöpfung, weil er den ebenbildlichen Glanz Gottes in sich trägt. Zugleich ist er „zum Dialog mit Gott aufgerufen, zur Zusammenarbeit mit seinem Schöpfer eingeladen und zum Herrscher über die Welt bestellt“.13  Die nachfolgenden Erörterungen der rein anthropozentrischen Ansätze sind in ihrer Herangehensweise und im Aufbau teils an die Vorarbeiten von Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 38 ff. angelehnt. 8  Auer, Umweltethik, ein theologischer Beitrag zur ökologischen Diskussion, S. 60. 9  Thomas von Aquin, Summa Theologica I, 91, 1. 10  Zitiert nach de Vries/Lotz, Philosophie im Grundriss, S. 105; Siehe ferner Metz, Christliche Anthropozentrik, S. 12. Siehe außerdem Auer, Umweltethik, S. 60. 11  Die Wurzeln des rein anthropozentrischen Ansatzes werden von einigen Autoren im christlich-abendländischen Naturverständnis der Bibel erblickt, siehe insbesondere Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S.  39  ff.; siehe ferner Kornicker, ius cogens, S.  137 Fn. 685 und Kloepfer, Anthropozentrik, S. 7. 12  Das erste Buch Mose, Genesis, 1. Kapitel, Vers 27, Die Bibel, nach der Übersetzung Martin Luthers, Stuttgart 1999. 13  Siehe hierzu und zum Folgenden insbesondere Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 40. 7

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IV. Reine Anthropozentrik versus Ökozentrik

Daneben folgt die herausgehobene Stellung des Menschen als „Krone der Schöpfung“ nach dem biblischen Naturverständnis aus dem ihn charakterisierenden Dua­ lismus von Leib und Seele, dessen Ursprung im sogenannten Sündenfall liegt.14 Nach den Schilderungen der Bibel beginnt die Menschheitsgeschichte mit der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies, nachdem ihm „die Augen aufgetan“ wurden, weil er vom Baum der Erkenntnis gegessen hatte.15 Hierdurch befreit sich der Mensch von der Fessel seiner strikten Instinkt- und Naturgebundenheit und greift nach der Fähigkeit, gut und böse voneinander zu unterscheiden.16 Mit diesem Schritt streift der Mensch seine bisherige Naivität ab und hört auf, bloßes Naturgeschöpf zu sein. Zu Beginn seiner Geschichte wagt der Mensch demzufolge den „Schritt aus der Schöpfung und der unmittelbaren Nähe Gottes heraus in die Gottesferne. Der Mensch wird Mensch, indem er sich von Gott distanziert“.17 Seit Beginn seiner Geschichte begleitet den Menschen der ewige Kampf zwischen Leib und Seele. Seine permanente zweifache Orientierung, einerseits hin zur Erde (Staub der Erde),18 andererseits hin zu Gott (Ebenbild Gottes)19 macht nach dem christlich-­ abendländischen Weltbild das Menschsein aus und begründet auch nach seinem Sündenfall die herausgehobene Stellung des Menschen vor der restlichen Schöpfung.20 Mit dieser auf zweifache Weise biblisch begründeten Sonderstellung des Menschen korrespondiert sein göttlicher Herrschaftsauftrag (dominium terrae) als Ausgangspunkt des christlichen Naturverständnisses.21 Der Mensch ist zum „Herrn über die Natur“ auserwählt und dazu berufen, sich „die Erde untertan“ zu machen und „über die Fische im Meer, die Vögel unter dem Himmel sowie über alles Getier, das da auf Erden krieche, zu herrschen“.22 Dem Menschen wird von Gott aufgegeben, sich über die ganze Erde zu verbreiten und er wird ausdrücklich dazu aufgerufen, die gesamte subhumane Natur umfassend zu nutzen, weil Gott sie für den Menschen erschaffen und sie ihm untergeordnet hat.23 Nach der abendländisch-christlichen Lehre wird das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt nicht göttlich, sondern weltlich begriffen.24 Das christliche Natur Das erste Buch Mose, Genesis, 3. Kapitel, Verse 6 und 7, Die Bibel. Siehe dazu Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 39 f. 15  Das erste Buch Mose, 3. Kapitel, Genesis, Verse 6 und 7, Die Bibel. 16  Das erste Buch Mose, Genesis, 3. Kapitel, Vers 5, Die Bibel. Siehe dazu wiederum Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 39 f. 17  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 39 f. 18  Das erste Buch Mose, Genesis, 3. Kapitel, Vers 19, Die Bibel. 19  Das erste Buch Mose, Genesis, 1. Kapitel, Verse 26 und 27, Die Bibel. 20  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 40. 21  So vor allem Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 40. 22  Erstes Buch Mose, Genesis, 1. Kapitel, Vers 28, Die Bibel. Hierauf rekurriert auch bereits Heid­ rich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 40. 23  Erstes Buch Mose, Genesis, 1. Kapitel, Verse 29 und 30, Die Bibel. 24  Siehe Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S.  39  f. unter Bezugnahme auf: Erstes Buch Mose, Genesis, 1. Kapitel, Vers 29, Die Bibel: „Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch 14

1. Rein Anthropozentrische Ansätze

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verständnis ist nicht sakral, sondern säkular, weil es „den naturwissenschaftlich-­ technischen Umgang des Menschen mit der Natur sowohl legitimiert als auch ermöglicht“.25 Bereits im Wort „Um-Welt“ offenbart sich ein anthropozentrisch geprägtes Weltbild; impliziert es doch ein Verständnis von einer Natur in ihrer Gesamtheit, die sich um den Menschen als Mittelpunkt der Welt dreht, ihn um-gibt und ihm gleichzeitig als Lebensgrundlage dient.26 Der Umweltbegriff ist wiederum eng mit der geistesgeschichtlichen Tradition des Abendlandes verbunden, die von einem rationalen Verständnis eines „kategorialen Dualismus zwischen Subjekt und Objekt, Person und Sache, Leib und Seele“ ausgeht.27 Die Umwelt wird als lebensweltlicher Objektbereich des äußeren Daseins aufgefasst, „auf den der Mensch lediglich in seiner physischen Integrität rückbezogen ist“.28 So verstanden erscheint die Natur als äußeres „Bedürfnisreservoir für menschliche Zwecke“; als (bloßes) Objekt, auf welches das Subjekt Mensch zur Befriedigung seiner Grundbedürfnisse jederzeit zugreifen kann.29 bb) Kritik der programmatischen Naturausbeutung Diesem säkularen Naturverständnis der christlichen Lehre wurde in der ökologischen Debatte der 1960er-Jahre von kritischen Stimmen vorgeworfen, es gebe die Natur der maßlosen Ausbeutung durch den Menschen preis und erteile ihm einen Freibrief für den rücksichtslosen Umgang mit ihr.30 Die christliche Naturauffassung bilde gar das geistige und kulturelle Fundament für eine beinahe zwangsläufig schonungslose Ausbeutung und despotische Unterdrückung der Natur durch den Menschen.31 Dem gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise.“ 25  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 40. 26  Ähnlich Kloepfer, Anthropozentrik, S. 3, demzufolge die Anthropozentrik dem Umweltbegriff bereits „immanent“ sei. Vgl. hierzu auch Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 23, der zutreffend darauf hinweist, dass die Begriffe Ressource, Umwelt, natürliche Lebensgrundlagen und Natur mit Blick auf den Streit zwischen Anthropozentrikern und Ökozentrikern etymologisch gleichermaßen „tendenziös“ und voreingenommen sind. 27  So Caspar, ARSP 1997, S. 338 (344); ders. ARSP 1995, S. 381 ff. unter Bezugnahme auf die rechtsethischen Bestimmungen des Mensch-Tier-Verhältnisses. 28  So erneut Caspar, ARSP 1997, S. 338 (345). 29  So ausdrücklich Caspar, ARSP 1997, S. 338 (345); Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 21 u. 32. 30  Bereits in den 1960er-Jahren fand der amerikanische Mediävist Lynn White Jr. beträchtliche Resonanz mit seiner These, das geistige Fundament jener Einstellung des Menschen zur Natur, die zur ökologischen Krise geführt habe, gründe im Christentum. Im deutschen Sprachraum wurde die White’sche These vor allem von Amery, Das Ende der Vorsehung, S. 12 aufgegriffen. Siehe zudem Drewermann, Der tödliche Fortschritt, S. 12. Vgl. etwa auch Rensch, Universales Weltbild, S. 224. Siehe zum Ganzen die gute Zusammenfassung von Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 40 f. 31  Siehe erneut Amery, Ende der Vorsehung, insb. S. 12 ff. sowie Drewermann, Der tödliche Fortschritt, insb. S. 131 ff.

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IV. Reine Anthropozentrik versus Ökozentrik

christlich-abendländischen Verständnis vom Verhältnis des Menschen zur Natur wohne gar ein „systematischer Naturdestruktivismus“ inne.32 Ausbeutung und Zerstörung der Biosphäre seien bereits in der biblischen Schöpfungsgeschichte angelegt; denn sie propagiere die Auserwähltheit des Menschen vor der übrigen Schöpfung und enthalte einen „ausdrücklichen Auftrag der totalen Herrschaft“ des Menschen, dem es vollkommen freigestellt sei, wie er diesen Auftrag vollziehe und dem „lediglich noch die Grenzen des eigenen Vermögens gesetzt“ seien.33 cc) Der Mensch als Verwalter der Schöpfung Eine solch einseitige Lesart der Bibel greift allerdings zu kurz und verkennt, dass der Schöpfungsbericht von einer sozialen Ethik des „dienenden Herrschens“ ausgeht, die einen fürsorglichen Umgang mit der Natur einschließt.34 Der göttliche Herrschaftsauftrag wird durch eine Vielzahl von biblischen Zitaten relativiert, die belegen, dass das dominum terrae nicht als Aufforderung zur grenzenlosen Naturausbeutung verstanden werden kann. Als Verwalter der Natur soll der Mensch vielmehr Verantwortung vor dem Schöpfer haben.35 Gottes Schöpfung wird denn auch als ein Garten beschrieben, den der Mensch zwar bebauen darf, aber auch bewahren soll.36 Der Mensch wird dazu berufen, an Gottes Schöpfung mitzuarbeiten, indem er sie wie ein Hirte benutzt und bewahrt.37 Über das dominum terrae wird der Mensch ausdrücklich zu einem Mandatar der Schöpfung ernannt, der seinen göttlichen „Herrschaftsauftrag“ nur dann erfüllt, wenn er seinen Untertanen, das heißt der gesamten subhumanen Natur, Gerechtigkeit widerfahren lässt.38 Ferner ist der Mensch zur Großzügigkeit verpflichtet und hat sich nicht nur für die Armen und Schwachen, sondern eben auch für die bedürftige Natur zu sorgen.39 Somit enthält die testamentarische Botschaft einerseits Herrschaftsrechte des Menschen über die übrige Schöpfung, mit denen andererseits Herrschaftspflichten korrespondieren, die auf die Bewahrung der Schöpfung gerichtet sind.40 Dementsprechend wurde der biblische Herrschaftsauftrag „bis in die Neuzeit hinein in seinem ganzen Zusammenhang gelesen und gerade

 Amery, Ende der Vorsehung, S. 21. Siehe ferner Kaiser, Gott schläft im Stein, S. 25 ff.  So Amery, Ende der Vorsehung, S. 131 ff. 34  Siehe dazu etwa Altner, Christentum und Natur, S.  147  ff.; von Weizsäcker, Die Zeit drängt, S. 91; Lienkamp, Klimawandel und Gerechtigkeit, S. 182; Vogt, Prinzip Nachhaltigkeit, S. 256; Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 41. 35  Ähnlich Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 41. 36  Erstes Buch Mose, Genesis, 2. Kapitel, Vers 15, Die Bibel. Siehe dazu wiederum Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 41 f. 37  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 42; siehe ferner Altner, Christentum und Natur, S. 155. 38  Siehe Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 42. 39  Siehe Höffe, Abschied vom anthropozentrischen Denken, UNIVERSITAS 1994, S. 453, 455 sowie Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 42. 40  Ähnlich Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 43. 32 33

1. Rein Anthropozentrische Ansätze

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nicht als Aufforderung zur selbst-herrlichen Instrumentalisierung und Ausbeutung der Natur verstanden.“41 Erst seit Beginn des 17. Jahrhunderts wurde der biblische Herrschaftsauftrag in streng anthropozentrischer Manier ausgelegt, avancierte zu einer „Legitimationsformel des zivilisatorischen Fortschritts“ und wurde in eine Rechtfertigung „schrankenloser Verfügungsgewalt“ und „rücksichtsloser Beherrschung der Natur durch den Menschen“ umgemünzt.42 Vor diesem Hintergrund vermag das Bibelwort selbst schwerlich als Ursache für die spätere Ausbeutung der Natur herzuhalten, es wurde höchstens als Legitimation nachgeschoben.43 Die ursprüngliche christliche Naturauffassung – wie sie sich etwa bei Thomas von Aquin findet – appelliert an die Fähigkeit des Menschen zur Übernahme von Verantwortung als sittliches Subjekt. Diese Verantwortungsfähigkeit erlaube nicht einen willkürlichen Umgang des Menschen mit der Natur, sondern befähige und verpflichte den Menschen vielmehr dazu, aktiv Verantwortung für die bedrohte Schöpfung zu übernehmen.44 Obgleich jene radikale Kritik am christlichen Naturverständnis sich letztlich bei genauerem Hinsehen als zumindest im Kern unbegründet erweist, wurde sie zum Ausgangspunkt für die Suche nach fundamental neu ansetzenden „ökozentrischen“ Begründungsmodellen in der ökologischen Debatte der 1970er-Jahre.45

b ) Selbstverständnis und Naturverständnis des Menschen in der neuzeitlichen Aufklärung Im Zeitalter der Aufklärung bleibt die Einstellung des Menschen zur Natur rein anthropozentrisch geprägt. Diese Grundhaltung ist aber weder ausschließlich als „moderne Fortschreibung des christlichen Herrschaftsauftrages“ des Menschen als Krone der Schöpfung zu verstehen noch ergibt sie sich aus der bloßen naturwissenschaftlichen Einordnung der menschlichen Spezies als vorläufiges Endglied der Evolution.46 Geprägt wird die reine Anthropozentrik der neuzeitlichen Aufklärung  Siehe Kessler, Das Stöhnen der Natur, S. 33. Ähnlich Lienkamp, Klimawandel und Gerechtigkeit, S. 182. 42  Siehe Lienkamp, Klimawandel und Gerechtigkeit, S. 182. Siehe dazu außerdem die weiter unten stehenden Ausführungen zur rationalen und empirischen Naturerkenntnis, Zweiter Teil, Kap. IV 1. b) bb). 43  Lienkamp, Klimawandel und Gerechtigkeit, S. 183: „In der Folge wurde der ‚Herrschafts‘-Auftrag als Rechtfertigung benutzt, auf Kosten anderen Lebens zu leben und die Schöpfung als bloßes, von Gott vermeintlich zur Ausplünderung freigegebenes ‚Material‘ zum alleinigen Vorteil des Menschen zu gebrauchen.“ So deutlich etwa auch Rolf Rendtorff, zitiert nach Kessler, Das Stöhnen der Natur, S. 35: „(…) niemals war dieses Bibelwort die Ursache oder der Anstoß zur Ausbeutung der Natur, sondern es wurde höchstens als Legitimation nachgeschoben, häufig von Leuten, die sich sonst um Bibel und Christentum nicht kümmerten.“ 44  Thomas von Aquin, Institutionen, S. 12; siehe dazu Vogt, Prinzip Nachhaltigkeit, S. 256. 45  Siehe zu den ökozentrischen Ansätzen die Ausführungen weiter unten, Zweiter Teil, Kap. IV. 2. 46  Ähnlich Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 43. 41

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IV. Reine Anthropozentrik versus Ökozentrik

vielmehr von dem nicht religiösen Selbstverständnis des Menschen als autonomes Vernunftwesen, das als denkendes Subjekt kraft seines Verstandes die Natur beherrscht, weil es sie zu erkennen vermag. a a) Die Sonderstellung des Menschen als autonomes Vernunftwesen mit Menschenwürde Dreh- und Angelpunkt der Sonderstellung des Menschen in der Neuzeit ist der Begriff der Menschenwürde.47 Zwar liegt der zentrale Anwendungsbereich des säkularen Würdebegriffs im Recht, wo er insbesondere die Unverfügbarkeit des Individuums gegenüber der Staatsgewalt festschreibt und allen Menschen einen Anspruch darauf zuschreibt, „im wechselseitigen Umgang miteinander jederzeit in ihrer persönlichen Integrität geachtet zu werden“.48 Die philosophischen Grundlagen der neuzeitlichen Menschenwürde finden sich jedoch in ihrer moralischen Dimension, die von einer individuellen Fähigkeit des Menschen zur Selbstbestimmung ausgeht.49 Der Mensch hebe sich dadurch von den übrigen Lebewesen ab, dass er sich selbstständig von der strikten Naturabhängigkeit lösen und somit autonom sein könne.50 Im Gegensatz zur bloßen Materie sei der Mensch – zumindest nach eigener Einschätzung – als einziges Naturwesen in der Lage, aus sich selbst, das heißt aus eigenem Antrieb heraus tätig zu werden.51 Diese Grundannahme menschlicher Willensfreiheit und Selbstbestimmung als Ausgangspunkt menschlicher Würde führt an sich aus heutiger Perspektive geradewegs in das Dickicht des noch immer aktuellen Streits zwischen Determinismus und Indeterminismus, auf welchen einzugehen den

 Der Begriff der Menschenwürde liegt streng genommen bereits seit dem 14. Jahrhundert „philosophisch in der Luft“. So werfen etwa bereits die Philosophen und Theologen Antonio da Barga (ca. 1390–1453), De dignitate hominis et de excellentia humane vite (1447); Bartolomeo Facio (ca. 1400–1457), De excellencia ac praestantia hominis (1448) und Gianozzo Manetti (1396– 1459), De dignitate et excellentia hominis (1452) die Frage auf, aus welchem Grund Gott eigentlich den Menschen erschaffen habe, und beantworten diese Frage mit der Würde des Menschen: nicht weil Gott auf den Menschen angewiesen wäre oder ihn zu irgendeinem Zweck brauche, sondern aus reiner Güte. Der Mensch erscheint folglich bereits in diesen frühen Schriften nicht als Mittel zu einem Zweck, sondern als Selbstzweck, der wiederum seine, des Menschen Würde begründet. Doch folgt aus der Würde wiederum die Pflicht des Menschen, den Willen Gottes zu erfüllen, vgl. dazu Glaab, S. 112. Siehe zudem Caspar, Tierschutz, S. 71; Tiedemann, Menschenwürde als Rechtsbegriff, S.  158  f.; instruktiv auch Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, S. 189; siehe ferner Starck, JZ 1981, S. 457. 48  So Caspar, Tierschutz, S.  71. Ähnlich zudem Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 43. 49  Siehe Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, S. 180 f.; siehe außerdem Tiede­ mann, Menschenwürde als Rechtsbegriff, S. 158–161; siehe auch Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 44. 50  Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 44. 51  Siehe erneut Caspar, Tierschutz, S. 71 und ihm folgend Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 44. 47

1. Rein Anthropozentrische Ansätze

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Rahmen dieser Monografie sprengen würde.52 Im Zeitalter der Aufklärung ist die individuelle Selbstbestimmung des Menschen in jedem Fall noch zu neu und zu revolutionär, um ernsthaft in Zweifel gezogen zu werden. bb) Rationale und empirische Naturerkenntnis In der Aufklärung entdeckt der moderne Mensch nicht nur sich selbst, er nimmt fortan auch die Natur genauer in den Blick. Zum neuzeitlichen Selbstverständnis des Menschen als autonomes und würdevolles Vernunftwesen gesellt sich als weiteres Charakteristikum der reinen Anthropozentrik die wissenschaftliche Durchdringung und Beherrschung der Natur. Die philosophischen Grundlagen jener Naturerkenntnis bestehen aus den sogenannten rationalistischen und empiristischen Ansätzen. Der Rationalismus geht vom bereits skizzierten Dualismus der menschlichen Existenz53 aus und stellt den Menschen als deduktiv denkendes Subjekt in den Mittelpunkt seiner Betrachtung, wohingegen der Empirismus eine induktive Betrachtung der Natur wählt,54 derzufolge das menschliche Wissen auf Sinneserfahrungen basiert.55 Während die Idee des Rationalismus dem Geist der kontinentaleuropäischen Aufklärung entsprang,56 fand der empiristische Gedanke vorwiegend in der angelsächsischen Philosophie seine Anhänger.57

 Siehe zum Ganzen statt vieler nur Habermas, Freiheit und Indeterminismus, in: DZPhil 2004: 52/6, S. 871–890. Siehe auch Gestrich/Wabel (Hrsg.), Freier oder unfreier Wille? Handlungsfähigkeit und Schuldfähigkeit im Dialog der Wissenschaften, Beiheft 2005 zur Berliner Theologischen Zeitschrift. 53  Siehe Zweiter Teil, Kap. IV. 1. a) aa) und bb). 54  Siehe zum Gegensatz zwischen der induktiven und deduktiven Erkenntnismethode im rechtswissenschaftlichen und insbesondere völkerrechtlichen Kontext die oben stehenden Ausführungen, Erster Teil, Kap. II. 55  Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 48. 56  Neben anderen sind als bedeutsamste Vertreter insbesondere hervorzuheben: Descartes, Von der Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Forschung, S.  48  ff. und Spinoza, Die Ethik nach Art der Geometrie dargestellt, II, 11, S. 90 ff. 57  Hervorzuheben sind unter einigen anderen insbesondere: Hobbes, Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines bürgerlichen Staates; Locke, Versuch über den menschlichen Verstand; Berkeley, Eine Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis; Hume, Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand; ders., Ein Traktat über die menschliche Natur. Als Hauptvertreter der empirischen Denkrichtung gilt aber Bacon, Neu-Atlantis; ders., Über die Würde und den Fortgang der Wissenschaften. Zu diesen beiden Ansätzen im Kontext des Ressourcenschutzes vor allem Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 48 ff. 52

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IV. Reine Anthropozentrik versus Ökozentrik

(1) Rationalismus (Descartes) Als spiritus rector des Rationalismus58 erhob vor allem Descartes mit seinem Postulat des cogito ergo sum das Denken als solches zur Grundlage jeder menschlichen Existenz.59 Mittels seines Verstandes vermöge es der Mensch, seine Wahrnehmungen von der Welt „zu ordnen, zu verarbeiten und nach mechanischen Gesetzen von Ursache und Wirkung zu zergliedern“.60 Erst über die Suche nach Erkenntnis finde der Mensch „zu sich selbst und nehme als geistiges Wesen (res cogitans) die Natur als äußere Welt der Erscheinungen (res extensa) wahr“.61 Sich aus der Natur empordenkend, vergewissere sich das Subjekt Mensch seiner selbst und erlange als Vernunftwesen eine herausgehobene Stellung gegenüber der Natur,62 könne als „Krone der Schöpfung“ in die Naturabläufe eingreifen und sich auf diese Weise der Natur vernunftbegabt bedienen.63 (2) Empirismus (Bacon) Vertreter des Empirismus sehen in der wissenschaftlich fundierten technischen Nutzung der Natur ein Instrument, mit welchem sich das materielle Wohlergehen aller Menschen sowohl mehren als auch langfristig sichern lasse.64 Als prominentester geistiger Urheber des Empirismus setzt sich insbesondere Bacon mit dem rationalistischen Ansatz65 auseinander und sucht nach neuen Wegen zu einer wissenschaftlichen Erkenntnis, um dem Geist zu ermöglichen, von seinem Recht auf die Natur Gebrauch zu machen.66 Macht über die Natur könne der Mensch nur erlangen, wenn er sie erforsche. Beherrschen könne der Mensch die Natur daher nur, wenn er zuvor systematisch ihre Gesetze erlerne.67 Angeregt von Isaac Newtons induktiver Methodik, die von den einzelnen Beobachtungen ausgehend auf die allgemeingültigen Naturgesetze schloss, gelangte Bacon zu der Auffassung, dass die deduktive  Neben Descartes sind als spätere Hauptvertreter des Rationalismus insbesondere Leibniz, Meier, Baumgarten und Wolff zu nennen. 59  Descartes, Methode des richtigen Vernunftgebrauchs, S.  48  ff.; ders., Méditationes de prima philosophia, S. 57 ff. Siehe hierzu und zum Ganzen vor allem Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 48. 60  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 48 unter Verweis auf Descartes, Methode des richtigen Vernunftgebrauchs, S. 48 ff. 61  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 48 f. unter Verweis auf Descartes, Methode des richtigen Vernunftgebrauchs, S. 48 ff. 62  Descartes, Methode des richtigen Vernunftgebrauchs, S. 48 ff.; siehe dazu wiederum Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 48 f. 63  Descartes, Methode des richtigen Vernunftgebrauchs, S.  48  ff.; siehe zum Ganzen wiederum Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 49. 64  So auch bereits Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 50. 65  Siehe dazu die obigen Ausführungen im Ersten Teil, Kap. IV. 1. b) bb) (1). 66  Bacon, Neues Organon, S. 13 ff.; siehe Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 50. 67  Bacon, Neues Organon, S. 13 ff. 58

1. Rein Anthropozentrische Ansätze

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­Methode von Descartes, wonach Erkenntnisse aus der Analyse des Allgemeinen abzuleiten seien, keine verlässlichen Ergebnisse liefere.68 Auch für Hume konnte es keine Erkenntnis ohne Erfahrung geben, weshalb Erkenntnis durch Erfahrung, das heißt empirisch nachgewiesen werden müsse – darin liege der Schlüssel zur Naturbeherrschung.69 (3) Der Vorwurf eines systemimmanten Naturdestruktivismus Sowohl Rationalismus als auch Empirismus sind – wie das christlich-­abendländische Naturverständnis70 – bis heute dem Vorwurf ausgesetzt, ein zerstörerisches und ausbeuterisches Verhältnis zur Umwelt befördert zu haben.71 Beide Naturauffassungen werden daher bisweilen als Wegbereiter eines „latent aggressiven Naturbeherrschungsdranges“ angesehen.72 Allerdings dürfte die Schlussfolgerung, eine rationalistische Deutung der Natur habe systemnotwendig einer rein ausbeuterischen und zerstörerischen Anthropozentrik den Weg bereitet und habe daher erst die ökologische Frage aufgeworfen, keinesfalls zwingend sein.73 Zwar kann nach rationalistischem Naturverständnis nur die Natur erkennen, wer sie wissenschaftlich deutet und sie insoweit zwangsläufig bis zu einem gewissen Grad verdinglicht.74 Der darüber hinausgehende Gedanke, die Natur lediglich als „Untertan des Menschen“ zu begreifen, wird von den Rationalisten allerdings ausdrücklich verneint, weil dies nicht mit vernünftigen Argumenten begründbar sei.75 Stattdessen begnügt sich der Rationalismus mit dem weitaus bescheideneren Gedanken, in der Natur sei „nichts geschaffen, aus dem der Mensch nicht manchen Nutzen ziehen“ könne.76 Im Gegensatz zum christlich-­ abendländischen, aufgeklärt-neuzeitlichen und rationalistischen Naturverständnis

 Helge Hesse, Hier stehe ich, ich kann nicht anders, S. 160.  Hume, Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand, S. 24; ders., Ein Traktat über die menschliche Natur, S. 34. Siehe dazu außerdem Caspar, Tierschutz, S. 64. 70  Siehe zum ähnlich gelagerten Vorwurf gegenüber der christlich-abendländischen Anthropozen­ trik die obigen Ausführungen, Zweiter Teil, Kap. IV. 1. a) bb). 71  So etwa Ströker, Natur und ihre Wissenschaft in der Philosophie des 19. Jahrhunderts, S. 255 ff.; siehe zudem Hofmann, JZ 1988, S. 268. 72  So insbesondere Altner, Naturvergessenheit, S.  15  ff.; siehe ferner Hösle, Philosophie in der ökologischen Krise, S.  57; siehe außerdem Leimbacher, Die Würde von Mensch und Natur ist unteilbar, UNIVERSITAS 1994, S. 108. Siehe dazu außerdem Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 48. 73  So etwa Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 49. 74  Descartes, Methode des richtigen Vernunftgebrauchs, S. 48 ff.; vgl. hierzu auch Höffe, Moral als Preis der Moderne, S. 123 ff. Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 49. 75  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 49 unter Verweis auf Descartes, Methode des richtigen Vernunftgebrauchs, S. 48 ff. 76  So zusammenfassend Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 49 unter Bezugnahme auf Descartes, Methode des richtigen Vernunftgebrauchs, S. 48 ff. 68 69

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IV. Reine Anthropozentrik versus Ökozentrik

enthält allerdings der Empirismus in der Tat keinerlei Anhaltspunkte für einen schonenden Umgang des Menschen mit der Natur.77

2. Ökozentrische Ansätze Aus einer Kritik am rein anthropozentrischen Weltbild haben sich in der bereits erwähnten ökologischen Debatte der 1970er-Jahre vielfältige Ansätze herausgebildet, welche die Natur in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung stellen und einen Schutz der Natur um ihrer selbst willen fordern. Diese ökozentrischen Ansätze versuchen mit unterschiedlichen Argumentationslinien die Sonderstellung des Menschen auf Erden zu relativieren und einen moralischen Eigenwert der Natur (einen intrinsic value of nature) zu begründen. Aus diesem bunten Kaleidoskop an unterschiedlichen Ansätzen werden im Folgenden drei wesentliche Argumentationsmuster he­ rausgegriffen und dargestellt, die allesamt schließlich in die Forderung nach Eigenrechten der Natur münden.78

a) Speziezismus-Kritik – das Gleichheitspostulat (Singer) Zunächst sieht die sogenannte Speziezismus-Kritik im Anthropozentrismus die Ursache für eine Blindheit der Menschheit für die Interessen allen nicht menschlichen Seins auf Erden.79 Der moderne Menschenwürdebegriff führe zu einer Ungleichbehandlung von wesentlich gleich liegenden Sachverhalten, die nicht auf einem legitimen Differenzierungskriterium basiere und daher nicht gerechtfertigt sei.80 Verliehen werde die Menschenwürde weder aufgrund eines konkreten Vernunftgrades oder einer vorhandenen Fähigkeit zu geistig-seelischem Wertempfinden noch infolge 77  Siehe zum nachfolgenden die erschöpfende Darstellung von Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 51. 78  Die nachfolgenden Erörterungen der ökozentrischen Ansätze sind in ihrer Herangehensweise und im Aufbau teils an die Vorarbeiten von Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 91 ff. angelehnt. 79  Als Hauptvertreter dieser Auffassung gilt Singer, Befreiung der Tiere; ders., Prolog: Ethik und eine neue Bewegung zur Befreiung der Tiere, S. 12 ff.; ders., Alle Tiere sind gleich, S. 13 ff. Ihm folgen im deutschsprachigen Schrifttum insbesondere Kaplan, Warum Vegetarier?, S. 129 sowie Kohlmann, Überwindung des Anthropozentrismus durch Gleichheit alles Lebendigen?, Zeitschrift für philosophische Forschung, Band 49, S. 15 ff. Siehe zu den Hauptargumenten dieser Strömung die Darstellung von Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 81 ff. 80  So Caspar, Tierschutz, S.  76; ihm folgend Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 82 f.; siehe zum Gleichheitspostulat in der ökologischen Debatte insbesondere Taylor, Die Ethik der Achtung für die Natur, S. 77; siehe außerdem Attfield, Biozentrismus, moralischer Status und moralische Signifikanz, S.  117. Näher zum Speziezismus als ungerechtem Gattungsegoismus Fulda, Rechte der Tiere, S. 218.

2. Ökozentrische Ansätze

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des Vermögens, ein freies und selbstbestimmtes Leben führen zu können, oder etwa nach der Fähigkeit, zu denken und ein Selbstbewusstsein herauszubilden. Stattdessen werde jedem Menschen gattungsintern und nicht leistungskonform Würde zugeschrieben.81 Hierbei lege die rein anthropozentrische Naturauffassung unterschiedliche Differenzierungsmaßstäbe an: Soweit es darum gehe, Argumente für die Ausgrenzung nicht-menschlicher Organismen aus dem Kreis würdebegabter Wesen zu formulieren, werde nach den oben genannten Kriterien differenziert, um auf diese Weise die Überlegenheit der menschlichen Spezies zu begründen.82 Bei der Zuschreibung von Würde innerhalb der eigenen Gattung Mensch werde dieser Leistungsmaßstab aber durch das „Pauschalkriterium der Abstammung“ ersetzt, um die Einbeziehung von Kleinkindern und senilen oder geistesgestörten Menschen in den Kreis der Würdeträger begründen zu können.83 Ohnehin seien Vernunft und Geistestätigkeit als Differenzierungskriterien nur begrenzt tauglich, zumal sie eine gedankliche Komplexität und Subtilität voraussetzen würden, die nicht nur die geistige Fähigkeit der Tiere übersteige, sondern auch diejenige der Kinder und des gemeinen Volkes innerhalb der menschlichen Spezies, obgleich diese wiederum der gleichen Gefühlsregungen und Affekte fähig seien wie Menschen mit ausgebildetem Geist und Verstand.84 Bei genauerem Hinsehen sei daher der Verstand kein für die menschliche Gattung schlechthin taugliches Abgrenzungsmerkmal.85 Wolle der Mensch sich gleichwohl von anderen irdischen Lebewesen abgrenzen, so sei ihm dies nur aufgrund einer „nackten und moralisch nicht vertretbaren Bevorzugung seiner eigenen Spezies“ möglich.86 Wer menschliche Eigenschaften für eine Würdezuschreibung voraussetze, errichte zudem eine „unüberbrückbare Speziesschranke“ für die Umwelt des Menschen, da außermenschliche Einheiten von vornherein aus dem Schutzbereich des Würdebegriffes fallen würden.87 Der Menschenwürdebegriff kantischer Prägung enthalte mithin eine „außerordentliche Ausschlussklausel“.88 Indem die Mensch-­ Zweck-­Formel gebiete, die Menschheit immer nur als Zweck und nicht als bloßes  So ausrücklich Caspar, Tierschutz, S. 77; ihm folgend Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 82. 82  Siehe erneut Caspar, Tierschutz, S. 77; ihm folgend Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 83. 83  Siehe nur Caspar, Tierschutz, S. 77. 84  Hume, Traktat über die menschliche Natur, S. 238; siehe dazu ebenfalls Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 83. 85  Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 83; Hume, Traktat über die menschliche Natur, S. 238. 86  Singer, Befreiung der Tiere, S. 35. 87  Siehe Caspar, Tierschutz, S. 75; siehe außerdem Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 83. 88  Siehe hierzu die Kritik an der kantischen Konzeption bei Midgley, Personen und Nicht-Personen, S. 89 ff.; ferner zum Menschenwürdebegriff im Hinblick auf die Stellung des Tieres in der Verfassungsordnung Dreier/Starck, Tierschutz als Schranke der Wissenschaftsfreiheit, S. 106 ff. Siehe außerdem die Beiträge von Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 81 sowie Caspar, Tierschutz, S. 75. 81

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IV. Reine Anthropozentrik versus Ökozentrik

Mittel zu behandeln, legitimiere sie es zumindest implizit, die unvernünftige Natur als solche beliebig zur Erreichung menschlicher Zwecke zu instrumentalisieren. Der Umgang des Menschen mit der Natur stelle demnach kein ethisch relevantes Verhalten dar, weil deren Interessen ohnehin jenseits des Koordinatensystems ethischer Gebote liegen würden.89 Der Natur solle aber im ethischen Gefüge nicht bloß die Rolle eines um des Menschen Willen schützenswerten Gutes zukommen; vielmehr besitze die Natur einen Eigenwert.90 Somit richtet sich die Speziezismus-­ Kritik im Wesentlichen gegen eine pauschale Selbstprivilegierung des Menschen,91 zielt auf eine grundlegende Emanzipation der Natur ab und postuliert die Gleichwertigkeit aller irdischen Interessen.92 Speziezismus-Kritiker setzen der traditionellen alleinigen Zwecksetzung des Menschen die eigenständige Zwecktätigkeit der Natur entgegen. Die Natur als Ganzes oder zumindest die belebte Natur existiere ebenso wie der Mensch im Rahmen einer bestehenden Zweckbindung, sodass ihr ebenfalls eine eigene Würde zuzuschreiben und der moralische Respekt für die Zwecke der Menschen auf die Zwecke der Natur auszudehnen seien.93 Wie Speziezismus-Kritiker ferner anführen, sei der Mensch in erster Linie als Teil der Natur zu begreifen, weil schließlich sein Gedeih und Verderb mit dem Naturganzen zusammenhänge, von dessen Existenz das menschliche Dasein folglich abhänge.94 Aufgrund dieser wechselseitigen Interdependenz zwischen menschlichem und nicht-menschlichem Überleben müsse der Natur ebenfalls ein moralischer Eigenwert zukommen.95 Innerhalb der Speziezismus-Kritiker wird die Gleichheit von menschlicher und nicht menschlicher Natur auch unter Rückgriff auf Argumente der evolutionären Erkenntnistheorie96 sowie des kritischen Rationalismus97 postuliert. Beide Ansätze gründen auf dem Siegeszug der Naturwissenschaften, welche nicht nur die Natur,  Siehe dazu Caspar, Tierschutz, S. 75 und ihm folgend Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 82. 90  So besonders vehement Singer, Befreiung der Tiere, S.  12  ff.; Kaplan, Warum Vegetarier?, S.  129; Kohlmann, Zeitschrift für die philosophische Forschung, Band 49, S.  15  ff.; Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 82. 91  Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, S. 311. 92  Singer, Befreiung der Tiere, S. 35; Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 82; siehe zudem Regan, In Sachen Rechte der Tiere, S. 43, der allen Subjekten eines Lebens den gleichen Eigenwert zugesteht. 93  Siehe Attfield, The Good of Trees, Journal of Value Inquiry, S. 51; siehe auch Taylor, The Ethics of respect for Nature, Environmental Ethics, S. 6. Siehe ferner zum Ganzen Johnson, A morally deep world. 94  Siehe hierzu die Beiträge der sog. Deep-Ecology-Bewegung: Devall, Die tiefenökologische Bewegung, S. 17 ff.; Meyer-Abich, Kann die Natur durch den Menschen gewinnen?, S. 257 ff.; Naess, Die tiefenökologische Bewegung: Einige philosophische Aspekte, S.  182 m.w.N.; siehe zudem Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 86. 95  Siehe dazu Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 86. 96  Siehe insgesamt Vollmer, Evolutionäre Erkenntnistheorie; ders., Mesokosmos und objektive Erkenntnis: Über Probleme, die von der evolutionären Erkenntnistheorie gelöst werden, S. 29 ff. 97  Popper, Conjectures and Relations: The growth of scientific knowledge, S. 242; Albert, Traktat der kritischen Vernunft, S. 141. 89

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sondern auch den Menschen entzaubert habe. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse sei der Mensch evolutionsbiologisch immer stärker in den Gesamtkontext der Natur gerückt. Es habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich die menschliche Existenz zwar als wert- und ideenbestimmtes Leben begreifen lasse, in letzter Konsequenz aber ebenfalls von natürlichen und biologischen Faktoren abhängig sei.98 Bei der Intelligenz des Menschen handele es sich somit lediglich um eine rein biologische Fähigkeit, die sich grundsätzlich nicht von einzigartigen Fähigkeiten anderer Lebewesen unterscheide.99 Wie die übrige biologische Ausrüstung des Menschen überhaupt diene auch sein Verstand nämlich letztendlich bloß dem einen naturgegebenen Zweck, nämlich die menschliche Gattung zu erhalten.100 Seine Intelligenz diene dem Menschen somit nur als Mittel zur „Bedürfnisbefriedigung auf besonders hohem Niveau“.101 Weil aber etwa tierische Fähigkeiten in gleicher Effizienz dem gleichen Zweck dienen würden, sei eine Differenzierung zwischen dem humanen Verstand und den sensitiv-physischen Fähigkeiten eines Tieres nicht zu rechtfertigen.

b) Kritischer Rationalismus (Popper) Ähnlich argumentiert Popper als exponierter Vertreter des kritischen Rationalismus, demzufolge die Wissenschaft als solche bloß ein Sammelsurium von Vermutungen darstelle, das „zwar falsifizierbare, niemals aber verifizierbare Erkenntnisse“ liefere.102 Die Substanz aller Wirklichkeit könne allein in der Materie selbst gefunden werden, sodass dem Menschen eine Sonderstellung im Kosmos abzusprechen sei.103 Den Menschen zeichne als zoologische Spezies höchstens ein komplexer Organisationsgrad aus; diese Auszeichnung sei aber im Hinblick auf andere Organismen nur als Relativum zu bewerten, deren Absolutes allein die Natur selbst sei.104 Sogar Bewusstseinszustände des Menschen seien letztendlich vollständig auf neurophysiologische Gehirnprozesse rückführbar.105 Vermöge seiner Sprache, Intelligenz,  So das treffende Resümee von Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 87 f.  Vollmer, Mesokosmos und objektive Erkenntnis: Über Probleme, die von der evolutionären Erkenntnistheorie gelöst werden, S. 29 ff. 100  Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 88. 101  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 88 unter Rekurs auf Vollmer, Mesokosmos und objektive Erkenntnis: Über Probleme, die von der evolutionären Erkenntnistheorie gelöst werden, S. 29 ff. 102  Popper, Conjectures and Relations: The growth of scientific knowledge, S. 242; Albert, Traktat der kritischen Vernunft, S. 141. Siehe dazu Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 88. 103  So zusammenfassend Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 88 unter Bezugnahme auf Popper, Conjectures and Relations: The growth of scientific knowledge, S. 242. 104  So Popper, wiedergegeben von Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 88. 105  Siehe Popper, Conjectures and Relations: The growth of scientific knowledge, S. 242; Albert, Traktat der kritischen Vernunft, S. 141. Siehe zum Ganzen wiederum Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 88. 98 99

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IV. Reine Anthropozentrik versus Ökozentrik

Organisation und Wissenschaft lasse sich der Mensch somit zwar als hervorragendes Lebewesen qualifizieren, ihm könne jedoch allenfalls die Eigenschaft eines „besonders intelligenten Raubtieres Mensch“ zugesprochen werden.106 Als vorläufiges Endprodukt der Evolution107 stelle der Mensch mit seinem Verstand lediglich eine jener unzähligen „Launen der Natur“ dar, sodass ihm gegenüber der übrigen Natur keine Sonderstellung zukomme.

c) Mitleidsethik (Bentham) Vertreter einer traditionsreichen Strömung innerhalb der ökozentrischen Naturauffassung, die argumentativ eng mit dem soeben dargestellten speziezismuskritischen Ansatz verknüpft ist, begründen die Notwendigkeit eines eigenständigen Naturbzw. Tierschutzes mit der (Mit-) Leidensfähigkeit aller Lebewesen.108 Jene sogenannten Mitleidsethiker gehen von der Grundannahme aus, Mitleid setze als Bezugspunkt reales Leid in der organischen Welt voraus.109 Daher soll es nach Bentham als einem der herausragenden Vertreter dieser Auffassung nicht darauf ankommen, ob ein Lebewesen denken oder sprechen könne; entscheidend sei vielmehr, ob es die organische Fähigkeit besitze, mittels eines Nerven- oder gar eines Wurzelsystems leiden zu können.110 All jene Organismen, welche diese Voraussetzung erfüllen würden, besäßen sonach nicht bloß eine Identität für den Menschen, sondern zugleich eine zumindest rudimentär ausgestaltete Identität für sich selbst.111 Weil die  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 89 unter Rekurs auf Desmond, Das Tier Mensch. 107  Ashby, In Search for an Environmental Ethic, S. 29. 108  Grundlegend bereits Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, S. 311; Schopenhauer, Über die Grundlage der Moral und erneut Singer, Animal Rights and Human Obligations; Rollin, Animal Rights and Human Morality; Spaemann, Tierschutz und Menschenwürde; Midgeley, Animals and why they matter. Vgl. ferner jedoch Freiherr von Knigge, Über den Umgang mit Menschen, S. 334 ff., der sich auch über den Umgang mit Tieren äußert und als Begründung dafür, dem Tier jedenfalls unnötiges Leid zu ersparen, neben dem kantischen Argument, kein Unmensch zu werden, zudem den Umstand anführt, das Tier würde Pein noch lebhafter spüren als der Mensch, da seine ganze Existenz auf sinnlicher Erfahrung beruhe. Während der Mensch Schmerzen ertragen und sich über den Schmerz mit der Hoffnung hinwegtrösten könne, dieser werde vergehen, fülle der Schmerz ein Tier völlig aus. Schließlich halten sowohl Tribe, Was spricht gegen Plastikbäume?, S. 20 ff., als auch Feinberg, Die Rechte der Tiere und zukünftiger Generationen, S. 140 ff., das vorwissenschaftliche, intuitive Mitleid mit der Kreatur sogar für den Impuls, der – wie verborgen auch immer – letztlich hinter den utilitaristischen, juristischen und ästhetischen Argumenten zum Umwelt- bzw. Tierschutz stehe. Siehe zum ökozentrischen Ansatz der Mitleidsethik vor allem die Zusammenfassung von Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 92 ff. 109  Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 93. 110  Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, S. 311. Vgl. dazu Heid­ rich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 93. 111  Plessner, Stufen des Organischen, S. 131; siehe auch Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 93. 106

2. Ökozentrische Ansätze

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Leidensfähigkeit der fühlenden Natur aber für den Menschen erfahrbar sei, dränge sich eine moralische Pflicht des Menschen zum Schutz seiner Umwelt um ihrer selbst willen geradezu auf.112 Zur Begründung der ökozentrischen Mitleidsethik wird insbesondere auf die Arbeiten von Rousseau rekurriert, der neben der Selbstliebe (amour de soi) auch das Mitleid (compassion) als eine grundlegende Voraussetzung des Naturrechts betrachtet hat.113 Während die amour de soi den „Selbsterhaltungstrieb des frühzeitlichen Menschen“ charakterisiere, fungiere das Mitleid als dessen Korrektiv, welches als eine Art „vorsoziales Gefühl“ dem Menschen „einen natürlichen Widerwillen einflöße, irgendein empfindendes Wesen leiden oder gar umkommen zu sehen“.114 Zum Mit-Leid fühle sich der Mensch weniger verpflichtet, weil er ein vernünftiges, als vielmehr deshalb, weil er ein empfindendes Wesen sei.115 All jene Lebewesen, die mit einer Empfindungsfähigkeit begabt seien und insoweit etwas von der Natur des Menschen besitzen würden, müssten daher auch an diesem „Naturrecht auf Leidensfreiheit“ teilhaben. Dementsprechend sei der Mensch allen empfindungsfähigen Lebewesen gegenüber moralisch verpflichtet, ihnen kein Leid zuzufügen.116

d) Objektive Werttheorie und absolute Ethik (Schweitzer) Schließlich versuchen auch die objektive Werttheorie und die absolute Ethik,117 einen moralischen Eigenwert der Natur zu begründen oder zu verteidigen und ­dadurch gleichzeitig die Sonderstellung des Menschen auf Erden zu relativieren. Ausgangspunkt der sogenannten objektiven Werttheorie ist die Neukantianische Wertphilosophie. Sie unterscheidet zwischen einer gesetzmäßig erklärbaren Natur, dem „wertfrei Wirklichen“ einerseits, und der geschichtlich gewachsenen Kultur, dem „Reich der Werte“ andererseits.118 Beiden Sphären sei eine unbedingte und eigenständige Bedeutung beizumessen und sie würden sich im sogenannten Weltkno­ ten treffen.119 In Abgrenzung zu den übrigen nicht-anthropozentrischen Positionen soll es nach der objektiven Werttheorie nicht einer besonderen Begründung eines  Birnbacher, Sind wir für die Natur verantwortlich?, S. 118; Meyer-Abich, Dreißig Thesen zur praktischen Naturphilosophie, S. 104; Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 93 f. 113  Rousseau, Diskurs über die Ungleichheit (2. Diskurs), S. 57 ff. 114  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 94 unter Bezugnahme auf Rousseau, Diskurs über die Ungleichheit (2. Diskurs), S. 57 ff. 115  Rousseau, Diskurs über die Ungleichheit (2. Diskurs), S.  57  ff. Siehe dazu ferner Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 95. 116  Rousseau, Diskurs über die Ungleichheit (2. Diskurs), S. 57 ff. 117  Siehe dazu auch die Zusammenfassung von Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 45, an welche die nachfolgende Darstellung sich zum Teil anlehnt. 118  Siehe Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 101 ff. Siehe dazu insgesamt Rickert, Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung. 119  Siehe Rickert, Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung, S. 88; siehe außerdem Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 101. 112

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IV. Reine Anthropozentrik versus Ökozentrik

Eigenwertes der Natur bedürfen, weil diese bereits einen Wert gehabt habe, bevor der Mensch mit seinen Bedürfnissen und seiner politischen Kultur in das Weltgeschehen getreten sei. Daher habe der Mensch den absoluten Wert der Natur ­anzuerkennen, die als für den Menschen objektiv in der Welt Vorfindliches diesem gegenüber einen allgemeinen Achtungsanspruch besitze.120 Die Lehre Albert Schweitzers von der Ehrfurcht des Menschen vor allem Leben relativiert die seitens der rein anthropozentrischen Ansätze postulierte Sonderstellung des Menschen, indem sie den absoluten Wert allen Lebens hervorhebt.121 Während die herkömmliche Ethik stets Kompromisse zwischen verschiedenen Konzeptionen des Glücks und der Selbstverwirklichung suche, erhebe der Ansatz, eine Ehrfurcht des Menschen vor dem Leben einzufordern, den Anspruch einer absolu­ ten Ethik.122 Demnach könne nur die Erhaltung und Förderung allen Lebens als gut gelten, während sich  alles Vernichten und Schädigen von Leben, unter welchen Umständen und zu welchen Zwecken es auch immer erfolgen möge, stets und unter allen Umständen nur als böse qualifizieren lasse.123

e) Eigenrechte der Natur Einige Vertreter eines ökozentrischen Weltbildes gehen sogar so weit, der Natur nicht nur in moralischer Hinsicht einen Eigenwert zuzugestehen, sondern auch auf der positiv-völkerrechtlichen Ebene Eigenrechte der Natur zu begründen.124 Vereinzelt gibt es gar Stimmen, die aus dem Begriff des common concern of humankind  Siehe zum Ganzen zusammenfassend Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 101–103.  Schweitzer, Aus meinem Leben und Denken, S. 210. Siehe außerdem Schweitzer, Kultur und Ethik, in: Schweitzer, Gesammelte Werke in fünf Bänden, Band 2, S. 379. 122  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S.  103. Siehe dazu ebenfalls Birnbacher, Sind wir für die Natur verantwortlich?, in: Birnbacher, Ökologie und Ethik, S. 127 f. 123  Schweitzer, Kultur und Ethik, S. 248 ff. und 379, der keinen Zweifel daran ließ, dass auch das pflanzliche Leben, sogar Mikroorganismen wie etwa der Erreger der Schlafkrankheit, der dem menschlichen Auge erst mittels eines Mikroskops sichtbar wird, als etwas Geheiligtes zu betrachten und im praktischen Verhalten als solches zu respektieren sei. Konsequenterweise bezeichnete sich Schweitzer selbst als „Massenmörder von Bakterien“, siehe Schweitzer, Kultur und Ethik, S. 387. Siehe zudem Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 102. 124  Das Schrifttum zu Eigenrechten der Natur ist schier unüberschaubar geworden. Siehe etwa Stone, Should Trees have Standing? Towards Rights of Natural Objects, 45 Southern Californian Law Review (1972), S. 450 ff.; ders., Should Trees have Standing? Revisited, 59 Southern Californian Law Review (1985), S. 1 ff.; Stutzin, La naturalezza: un nuevo sujeto del derecho?; Bossel­ mann, Eigene Rechte für die Natur?, KJ 1986, S.  1  ff.; ders., Im Namen der Natur, S.  202  ff., 373 ff.; Leimbacher, Die Rechte der Natur. Insbesondere zur philosophischen Diskussion MeyerAbich, Wege zum Frieden mit der Natur; de Jong, Umweltschutz – ein Grundrecht des Menschen oder ein Eigenrecht der Natur?; Nickel/Magraw, Philosophical Issues, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 462–466; Crisp, Ethics, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 485–488; Merrills, Environmental Rights, S. 669–672; Bo­ dansky/Brunnée/Hey, Oxford Handbook of International Environmental Law, S. 15 f.; Tasioulas, 13 EJIL (2004), S. 993 (1012–1014); Schlossberg, Defining Environmental Justice, S. 148 f. 120

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positiv völkerrechtliche Rechtspositionen der nicht menschlichen Natur ableiten.125 In jenen Beiträgen wird jedoch gelegentlich der politische oder philosophische Wunsch zum Vater des völkerrechtlichen Gedankens, indem die tatsächliche Existenz umweltvölkerrechtlicher Regeln oder Prinzipien allein mit dem Argument begründet wird, sie seien zur Lösung von internationalen Umweltproblemen politisch unerlässlich oder ethisch wünschenswert.126 Allerdings bemüht sich die vorliegende Arbeit darum, zwischen den Ebenen des geltenden Völkerrechts einerseits und bloßer rechtspolitischer Desiderate oder gar philosophischer Spekulationen andererseits sorgsam zu unterscheiden.127 Ob sich mithilfe des CCM-Prinzips tatsächlich auch völkerrechtliche Eigenrechte der Natur begründen lassen oder ob sie ein ethisches Ideal bleiben, dessen Erfüllung das Umweltvölkerrecht nur schrittweise anzustreben vermag, wird daher im Dritten, positiv-völkerrechtlichen Teil der Arbeit zu erörtern sein, wenn es um die Auslegung des Begriffs common concern of humankind und seine völkerrechtliche Bedeutung geht.128

 Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a).  Ähnlich Kloepfer, Umweltrecht, S. 812. 127  Siehe Erster Teil, Kap. II. Siehe zudem bereits Kloepfer, Umweltrecht, S. 812. 128  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 125 126

V. Gemäßigte Anthropozentrik als philosophische Grundlage des common concern of humankind-Prinzips

Innerhalb des anthropozentrischen Lagers hat sich nunmehr – größtenteils als Reaktion auf die Kritik der Ökozentriker am rein anthropozentrischen Weltbild  – ein breites Spektrum an gemäßigt anthropozentrischen Ansätzen herauskristallisiert. Diese facettenreichen Ansätze basieren zwar ebenfalls auf anthropozentrischen Grundannahmen und stellen daher zunächst den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung. Doch „ökologisieren“ und „korrigieren“ sie die Sonderstellung des Menschen insofern, als sie die Umwelt  – in Abgrenzung zu rein anthropozentrischen Positionen – nicht ausschließlich als Herrschafts- und Zugriffs-, sondern auch als eigenständiges Schutzobjekt anerkennen. Diese ökologischen Korrektivansätze treten weniger in Reinform als vielmehr in argumentativen Gemengelagen auf.1 Gemeinsam ist ihnen, dass sie zwar der Natur durchaus einen Eigenwert beimessen, sie aber nicht ausschließlich um ihrer selbst willen, sondern primär in ihrer Funktion als „elementare Lebensgrundlage des Menschen“ und damit letztlich doch um des Menschen willen bewahren wollen.

1  So treffend vor allem Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 37. An diese Vorarbeiten von Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 52 ff. sind die nachfolgenden Erörterungen der gemäßigt anthropozentrischen Amnsätze in ihrer Herangehensweise und im Aufbau teils an die angelehnt.

© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_5

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V. Gemäßigte Anthropozentrik als philosophische Grundlage des common concern …

1. Ästhetizismus – eudaimonistischer Eigenwert der Natur Zunächst findet sich in der philosophischen Literatur ein Bündel gemäßigt anthropozentrischer Ansätze, die eine ästhetische Hinwendung des Menschen zur Natur für eine ethische Verpflichtung zum Naturschutz fruchtbar machen wollen.2 „Während des ästhetischen Entzückens springt dem Betrachter eine Einsicht gleichsam ins Auge: die Natur ist ist in ihrer Gestaltung sich selbst genug“.3 Die Natur besitze einen eudaimonistischen Eigenwert, weil der Mensch über die ästhetische Betrachtung der Natur Glücksgefühle erfahren könne.4 Zu verhindern sei die Zerstörung der Natur daher in erster Linie, damit der Mensch nicht einer zentralen Glücksmöglichkeit beraubt werde.5 Zurückgeführt wird die ästhetische Hinwendung des Menschen zur Natur auf das „sozio-psychologische Moment der Naturbeherrschung“.6 In historischer Perspektive stehe nämlich das ästhetische Argumentationsmuster in einem engen Zusammenhang mit der sukzessiven Loslösung des Menschen von der Natur sowie der Erfahrung des Menschen, den Gefahren der Natur weitestgehend enthoben zu sein. Je weiter sich der Mensch historisch von den Zwängen der Natur befreit habe, desto mehr sei er dazu übergegangen, sie mit Abstand als Objekt ästhetischer Empfindungen zu betrachten. Je stärker sich im Menschen das Bewusstsein entwickelt habe, selbst zum Herrn der gebändigten Natur avanciert zu sein, desto mehr sei der Gedanke einer Verantwortlichkeit und Bewunderung im Hinblick auf die Natur in das Zentrum ethischer Erwägungen gerückt.7 Infolge des technischen Fortschritts und der zunehmenden Beherrschung der Naturgewalten trete der moderne Mensch nunmehr der Natur als „geschützter Betrachter“ gegenüber. Er nehme die Natur nicht bloß als Stoff von notwendiger Arbeit und Reproduktion von Leben, sondern nunmehr auch als rein ästhetische Erscheinung wahr und könne etwa die Schönheit von Naturschauspielen und das Erhabene der Natur – wie etwa von Gebirgen, Gewittern, Vulkanen, Wasserfällen und von grenzenlosen Ozeanen – „mit einem Gefühl von Lust“ empfinden.8 Der Anblick des Erhabenen in der Natur werde „nur desto anziehender, je furchtbarer er ist, wenn wir uns nur in Sicherheit befinden“.9

2  Insgesamt zu diesem Ansatz Seel, Eine Ästhetik mit der Natur; ders., Ästhetische und moralische Anerkennung der Natur, S. 307 ff. Zur Frage des Naturschönen und seiner Wahrnehmung durch den Menschen Adorno, Ästhetische Theorie, S.  108; Rolston, Environmental Ethics, S.  243  ff.; siehe dazu ferner Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 70 ff.; Williams, Must a Concern for the Environment be Centered on Human Beings?, S.  68  ff.; Ott, Ökologie und Ethik, S. 128. 3  So Ott, Ökologie und Ethik, S. 128. 4  Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 73. 5  Siehe Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 73. 6  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 70 f. 7  Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 70. 8  Adorno, Ästhetische Theorie, S. 103; Kant, Kritik der Urteilskraft, S. 165 ff.; siehe dazu Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 71; Ott, Ökologie und Ethik, S. 131. 9  Kant, Kritik der Urteilskraft, S. 185.

2. Ökologische Verantwortungs- und Zukunftsethik

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2. Ökologische Verantwortungs- und Zukunftsethik Mit dem wachsenden Bewusstsein, angesichts des raschen und umfangreichen Verbrauchs von Umweltgütern sowie der zunehmenden Belastung der Umwelt mit Schadstoffen langfristig auf Kosten der künftigen Menschheitsgenerationen zu leben, ist in der allgemeinen umweltpolitischen und umweltethischen Diskussion vergleichsweise früh die Frage nach einer Verantwortung der aktuell Lebenden für die Nachwelt aufgeworfen worden.10 Diese Frage wurde allerdings keineswegs erst mit dem Aufkommen der modernen ökologischen Debatte gestellt, sondern sie reicht weit in die Philosophiegeschichte zurück. Verantwortung für zukünftige Generationen ist ein uraltes Thema der Menschheit.11 Moralische Verpflichtungen über den Horizont der Gegenwart hinaus in die Zukunft auszudehnen, war ein Anliegen vieler Rechtsordnungen.12 Bereits in der politischen Ökonomie und Staatslehre des 19. Jahrhunderts finden sich Überlegungen zu einer generationsübergreifenden Verantwortung.13 Auch für die europäische und nordamerikanische Verfassungsgebung am Ende des 18. und am Anfang des 19. Jahrhunderts war der Grundsatz, eine Generation dürfe den nachfolgenden keine Fesseln anlegen, von zentraler Bedeutung.14 Ende des 20. Jahrhunderts wurde etwa in der deutschen Verfassung eine ökologische Zukunftsverantwortung als Staatsziel verankert.15 Dennoch ist die Frage nach einer derartigen Verpflichtung über die gegenwärtigen Handlungsumstände hinaus infolge der modernen wissenschaftlich-technischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte, die ein qualitativ und quantitativ neuartiges Chancen- und Risikopotenzial  Siehe Appel, Zukunftsvorsorge, S. 69 f.; Saladin/Zenger (Rechte künftiger Generationen, S. 80) bezeichnen die Beschäftigung mit den Interessen künftiger Generationen als eine „Haupt- und Staatsaufgabe aller Völker dieser Welt“; siehe außerdem statt vieler etwa Sikora/Barry (Hrsg.), Obligations to Future Generations; Partridge (Hrsg.), Responsibilities to Future Generations; Birnbacher, Verantwortung für zukünftige Generationen; Brown Weiss, In Fairness to Future Generations; dies., 84 AJIL (1990), S. 198 ff.; dies., Plädoyer für einen ökologischen Generationenvertrag, Jahrbuch Ökologie 1994 (1993), S. 31 ff. Siehe außerdem die übrigen Beiträge zur Zukunftsethik und zur Intergenerationellen Gerechtigkeit, die nachfolgend behandelt werden, Zweiter Teil, Kap. V. 2. und 4. 11  So Birnbacher, Verantwortung für zukünftige Generationen (1988), S. 28 ff. 12  Ähnlich im Hinblick auf Moralsysteme Appel, Zukunftsvorsorge, S. 70. Dazu und zur Problematik insgesamt Gethmann, Langzeitverantwortung als ethisches Problem, S. 1 f. m.w.N. 13  So Appel, Zukunftsvorsorge, S. 70. 14  Siehe Art. 28 Satz 2 der französischen Verfassung aus dem Jahre 1793 mit seiner Formulierung: „Une génération ne peut assujetir à ses lois les générations futures.“ Berühmt geworden ist auch der Ausspruch Thomas Jeffersons „that one generation is not as capable as another of taking care of itself, and of ordering ist own affairs“ (Brief an Samuel Kercheval, in: A. T. Mason (Hrsg.), Free Government in the Making, S. 369 ff.). Siehe dazu auch Saladin/Zenger, Rechte künftiger Generationen, S. 60 f. Siehe zum Ganzen ausführlich und pointiert Appel, Zukunftsvorsorge, S. 70. 15  Seit 1994 heißt es in Art. 20a GG: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen (…) im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ Siehe dazu Rehbinder, Zukunftsverantwortung und Rechtsordnung, in: Gethmann/Mittelstrass (Hrsg.), Langzeitverantwortung, S. 127 ff. 10

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V. Gemäßigte Anthropozentrik als philosophische Grundlage des common concern …

hervorgebracht hat, in zuvor unbekannter Weise virulent geworden.16 Heutzutage stellt sich die Frage nach einer moralischen und rechtlichen Zulässigkeit von Langzeitbelastungen, die auch und gerade zukünftige Generationen treffen, neben dem Bereich des Umweltschutzes vor allem im Hinblick auf die Sozialversicherungssysteme mit der Problematik der Generationengerechtigkeit in der Rentenversicherung und – verstärkt seit der globalen Finanzkrise im Jahre 2008 – im Bereich der Finanzverfassung mit dem Problem langfristiger Staatsverschuldung. Schließlich wird die ökologische Verantwortungs- und Zukunftsethik in jüngerer Zeit verstärkt um die Dimension einer vorausschauenden Friedenssicherung erweitert, die verhindern möchte, dass die voranschreitende Ressourcenverknappung in Verteilungskämpfe umschlägt, im Zuge derer um die letzte Wasserstelle nicht mehr zivilisiert verhandelt, sondern mit allen erdenklichen Mitteln gekämpft wird.17

a) Universalistische Zukunftsethik (insbesondere Jonas) Mit seinem Entwurf einer universalistischen Zukunftsethik hat zunächst insbesondere Jonas den Versuch unternommen, den bisherigen anthropozentrischen Standpunkt durch Einbeziehung der Interessen zukünftiger Generationen zu erweitern und insofern ethisch zu „korrigieren“. Im Ausgangspunkt seiner Überlegungen steht die Erkenntnis, die Verheißung der modernen technischen Errungenschaften sei mittlerweile in eine Bedrohung allen menschlichen Lebens auf Erden umgeschlagen. Der „endgültig entfesselte Prometheus, dem die Wissenschaft nie geahnte Kräfte und die Wirtschaft den rastlosen Antrieb“ verliehen habe, rufe nunmehr nach einer Ethik, die dem Menschen als moralischer Kompass diene, aus dem sich Prinzipien neuer Macht herleiten ließen und die dem galoppierenden Vorwärts bremsende Zügel anlegen müsse.18 Die moderne Technik der menschlichen Zivilisation habe Handlungen von neuer Größenordnung und mit neuartigen Folgen ermöglicht, die den Rahmen der früheren Ethik sprengen würden.19 Erstmals in seiner Geschichte habe der Mensch durch seine eigenen fortschreitenden technologischen Innovationen die Möglichkeit erworben, die Umwelt auf der Erde nachhaltig zu schädigen oder gar zu zerstören und sich und seine Art zu vernichten. Aus dieser erweiterten menschlichen Handlungsmöglichkeit, einer neuartigen „Macht der Zerstörung“, erwachse nunmehr eine Verantwortung des Menschen für die Erhaltung

 Ähnlich Appel, Zukunftsvorsorge, S. 170 f. Ausgangspunkt der regen Debatte und viel zitiertes Beispiel eines typischen Langzeitrisikos ist die Endlagerung radioaktiver Abfälle, die bei der Nutzung von Kernenergie anfallen. Siehe zu den damit verbundenen verfassungsrechtlichen Problemen grundlegend Hofmann, Rechtsfragen der atomaren Entsorgung; siehe auch Simma, Das Kraftwerk an der Grenze, S. 141. 17  Siehe Ott, Ökologie und Ethik, S. 121. Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 55; Jonas, Prinzip Verantwortung (1984), S. 20 ff. 18  Jonas, Prinzip Verantwortung (1984), S. 7, 57. 19  Jonas, Prinzip Verantwortung (1984), S. 7, 26, 57. 16

2. Ökologische Verantwortungs- und Zukunftsethik

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der Biosphäre und das künftige Überleben der Menschenart.20 Die bisherige Ethik sei insofern überholt, als sie stillschweigend angenommen habe, die den Menschen umgebende Natur sei unerschöpflich. So sei etwa die traditionelle Moralphilosophie als bloße „Nächsten-Ethik“ auf die gegenwärtige Anwesenheit des Mitmenschen beschränkt gewesen und habe die Fernwirkungen und Spätfolgen menschlichen Handelns nicht hinreichend berücksichtigt.21 Die Sphäre der Nächstenenthik werde „überschattet von einem wachsendem Bereich kollektiven Tuns, in dem Täter, Tat und Wirkung nicht mehr dieselben“ seien wie in der Nahsphäre und in welcher „durch die Enormität seiner Kräfte der Ethik eine neue, nie zuvor erträumte ­Dimension der Verantwortung“ aufzwinge.22 Dieses „ethische Vakuum“ müsse nunmehr geschlossen werden, indem der Mensch eine Treuhänderschaft für das künftige Leben übernehme, zum Anwalt der Natur werde und seine moralische Zuständigkeit für die Zukunft annehme und ihr gerecht werde.23 Den Dreh- und Angelpunkt eines solchen Verantwortungsbewusstseins bildet die Frage, ob es in Zukunft Generationen von Menschen geben wird, deren Mitglieder Bedürfnisse und Interessen haben, welche den Interessen der gegenwärtigen Menschheitsgeneration vergleichbar sind, sodass es den zukünftigen Generationen gegenüber unfair wäre, die Kosten heutiger Bedürfnisbefriedigungen auf sie abzuwälzen.24 Verantwortungsbewusst im Sinne von Jonas handelt nur, „wer in die Rolle eines rationalen Universalisten schlüpft, gegenüber allen zukünftig Betroffenen einen unparteilichen Standpunkt einnimmt und alle Zukunftsvergessenheit ablegt“.25 Zur Begründung dieser universellen Zukunftsverantwortung des Menschen stützt sich Jonas insbesondere auf das moderne und aufgeklärte Moralverständnis Immanuel Kants. Weil der Mensch kraft seines überlegenen technischen Wissens Macht über die Natur habe, treffe ihn auch eine besondere Verantwortung. Kants Pflichtbegriff sei nunmehr insofern zu erweitern, als Nutznießerin der entsprechenden Pflichterfüllung nicht nur der einzelne Mensch oder die gegenwärtige Menschheit, sondern auch die zukünftige Menschheit als Ganzes sein solle.26 Auf dieser Grundlage postuliert Jonas, jeder Mensch habe stets so zu handeln, dass sämtliche Folgen seines Handelns mit der „Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden“, d. h. mit dem Anspruch der Menschheit, auf unbeschränkte Zeit zu leben, vereinbar seien.27

 Jonas, Prinzip Verantwortung (1984), S. 57.  Jonas, Prinzip Verantwortung (1984), S. 26. 22  Jonas, Prinzip Verantwortung (1984), S. 26. 23  Jonas, Prinzip Verantwortung (1984), S. 23, 57. 24  Siehe Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 57. 25  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 58 unter Bezugnahme auf Jonas, Verantwortung für zukünftige Generationen, S. 56 ff.; ders., Prinzip Verantwortung (1984), S. 55 f. 26  Jonas, Prinzip Verantwortung (1984), S. 36 ff. Siehe hierzu auch Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 55 ff. 27  Jonas, Prinzip Verantwortung (1984), S. 36. 20 21

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V. Gemäßigte Anthropozentrik als philosophische Grundlage des common concern …

b) Utilitaristische Zukunftsethik (insbesondere Birnbacher) Auch die sogenannte utilitaristische Zukunftsethik postuliert die Notwendigkeit, im Rahmen gegenwärtiger ethischer Überlegungen bereits die Interessen zukünftiger Generationen zu berücksichtigen. Als herausragender Vertreter dieser Auffassung greift Birnbacher im Ausgangspunkt auf den Utilitarismus in seiner klassischen Form, den Nutzsummenutilitarismus Benthams, zurück.28 Als rationale Ethik erachtet der Utilitarismus somit jene menschlichen Handlungen und Normen als vorzugswürdig, die nach einer Abwägung ihrer positiven und negativen Folgen den größten Gesamtnutzen für alle Betroffenen bewirken.29 Für die Nutzsummenutilitaristen ist nicht allein das Glück des Handelnden entscheidend, sondern das Glück aller von seiner Handlung betroffenen Menschen.30 Für Bentham31 und Mill32 ist hierbei das Glück stets aus „der Perspektive eines uninteressierten, neutralen Beobachters zu beurteilen, sodass es keine Rolle spielt, ob die betroffenen Individuen dem Handelnden persönlich bekannt sind, ob sie räumlich oder zeitlich weit von ihm entfernt sind“ oder „ob zwischen ihnen und dem Handelnden persönliche Näheverhältnisse bestehen“.33 Für Birnbacher erheben moralische Normen stets den Anspruch, universell gültig zu sein.34 Sie richten sich daher stets „an die Menschheit als Ganze“.35 Daher begründen Utilitaristen die Notwendigkeit eines Naturschutzes stets mit einem irgendwie gearteten Nutzen für die Menschheit, welcher nach Birnbacher vor allen Dingen in ihrem bloßen Überleben bestehen soll. Dringend sei ein Naturschutz primär deshalb, weil die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse wie Nahrung, Obdach und Gesundheit in der Ersten, Zweiten und Dritten Welt heute, morgen und in der Zukunft auf dem Spiel stünden.36 Der ökologische Utilitarismus Birnbachers bekennt sich außerdem zu einem teleologischen Verständnis von Normen und damit im Wesentlichen zu einer aufgeklärten Anthropozentrik, indem er ausschließlich vernunftbegabte Wesen als Träger von Wert und Unwert berücksichtigt und daher den Standpunkt, etwas außer dem Menschen könne Rechte besitzen, rundheraus ablehnt.37 Genau besehen trägt die utilitaristische Begründung einer  Siehe Bentham, Prinzipien der Gesetzgebung, S. 2 ff.  Bentham, Prinzipien der Gesetzgebung, S. 2 ff. Siehe dazu außerdem Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 53. 30  So zusammenfassend statt Vieler Strack, Intergenerationelle Gerechtigkeit, S. 167. 31  Mill, Utilitarianism, S. 16. 32  Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, S. 2. 33  So statt Vieler Strack, Intergenerationelle Gerechtigkeit, S. 167. 34  Birnbacher, Verantwortung für zukünftige Generationen (1988), S. 93; Strack, Intergenerationelle Gerechtigkeit, S. 167; von der Pfordten, Normative Ethik, S. 175. 35  Strack, Intergenerationelle Gerechtigkeit, S. 172 unter Bezugnahme auf Birnbacher, Verantwortung für zukünftige Generationen (1988), S. 93. 36  Birnbacher, Verantwortung für zukünftige Generationen (1988), S. 28 ff.; siehe auch Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 53. 37  In diese Richtung auch bereits Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 53. Siehe ferner Passmore, Man´s Responsibility for Nature, S.  229. Siehe außerdem Ott, Ökologie und Ethik, S. 116 f. 28 29

3. Exkurs: Umweltökonomische Theorie des Marktversagens

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Zukunftsverantwortung der gegenwärtigen Menschheit auch Züge einer umweltökonomischen Theorie;38 denn im Ergebnis legt Birnbacher seinen Erörterungen einen „ökologischen Nutzsummenutilitarismus“ zugrunde, wonach die jeweiligen gegenwärtigen Generationen sowohl ihre moralischen Verpflichtungen gegenüber zukünftigen Generationen als auch deren korrespondierende Rechte in ihre Kosten-­ Nutzen-­Abwägung einzubeziehen hätten.39

3. Exkurs: Umweltökonomische Theorie des Marktversagens Am menschlichen Nutzen orientiert sich des Weiteren ein umweltökonomischer Ansatz, der zwar kein ethisches Korrektiv der herkömmlichen anthropozentrischen Sichtweise darstellt,40 allerdings auf der Grundlage des Utilitarismus entwickelt wurde, mithin ebenfalls dem gemäßigten anthropozentrischen Lager zuzurechnen ist und daher zum besseren Verständnis im Wege eines Exkurses skizziert wird. Dieser Ansatz wendet Erkenntnisse der ökonomischen Theorie auf das Problem der (Ab-) Nutzung internationaler Umweltgüter an. Über eine Kausalkette seien Umweltbeeinträchtigung und die Entstehung von sogenannten „externen Zusatzkosten“ (Externalitäten) sowie ein Marktversagen in einem circulus vitiosus miteinander verbunden, der nur durch einen globalen Umweltschutz in Gestalt einer Verteuerung von Umweltbeeinträchtigungen aufgebrochen werden könne.41 Als Ausgangspunkt dieser Überlegungen dient die marktwirtschaftliche Ordnung, in welcher der Markt die entscheidenden Antworten auf die Frage liefere, welche Produkte in welchen Mengen und auf welche Weise für wen produziert würden.42 Hierbei haben Preise, die sich „im Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurven bilden“, die zentrale Funktion, „für einen möglichst sparsamen Einsatz knapper Ressourcen und damit für eine volkswirtschaftlich effiziente Produktion von Gütern und Dienstleistungen zu sorgen“.43 Dieses System basiert auf der Annahme, das Verhalten der Marktteilnehmer sei steuerbar; es funktioniert jedoch nur sehr eingeschränkt, wenn der Marktmechanismus versagt.44 Gerade im Bereich des Umweltschutzes sei ein Marktversagen besonders häufig auf

 Hierzu sogleich Zweiter Teil, V. 3.  Birnbacher, Verantwortung für zukünftige Generationen, S.  28  ff.; ders. Mensch und Natur, S. 278 ff.; ders. Ökologie und Ethik, S. 103 ff. 40  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 67. 41  Siehe zum Ganzen etwa Wicke, Umweltökonomie, S. 43 ff.; siehe außerdem Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 61 ff. 42  Siehe nur Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 61. 43  So Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 61. Siehe hierzu und zum Folgenden Stiglitz, Economics, S. 168 ff.; 586 ff. 44  Siehe zur „Theorie des Marktversagens“ insbesondere Myles, Public Economics, Kapitel 9–11; Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik; Siebert, Economics of the Environment, S. 78 f.; siehe außerdem Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 61 f.

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V. Gemäßigte Anthropozentrik als philosophische Grundlage des common concern …

sogenannte Externalitäten zurückzuführen, die einträten, wenn ein Wirtschaftssubjekt Handlungen mit negativen Auswirkungen für andere vornehmen kann, ohne die Kosten für sie tragen zu müssen.45 Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn Umweltressourcen wie etwa Luft oder Wasser – das heißt im Wesentlichen frei zugängliche Güter  – kostenlos genutzt oder gar verschmutzt würden. Weil derartige Umweltgüter von allen nach Belieben genutzt werden könnten, würden sie oftmals „erschöpft, verschwendet und selten von den Nutzern wieder aufgefüllt“.46 Für diese Problematik hat Hardin den viel zitierten und berühmt gewordenen Begriff der tragedy of the commons geprägt.47 Dieses Dilemma stellt sich gerade auch bei solchen Umweltressourcen, deren Bewahrung im Interesse der gesamten Menschheit dringend geboten ist, die aber unter die Souveränität eines Staates fallen und dieser Staat daher ebenjene Ressourcen verbrauchen kann, ohne dafür erhöhte Kosten tragen zu müssen.48 Nach der umweltökonomischen Theorie des Marktversagens werden solche „kostenlose“ Umweltschäden nicht in die Wirtschaftsrechnung bzw. in das Kosten-Nutzen-­Kalkül des Umwelt-Beeinträchtigers mit einbezogen, sondern stellen „externe Kosten“ dar, die letztendlich als „soziale Zusatzkosten“ von der Gesellschaft – im Falle globaler Umweltgüter von der Staatengemeinschaft als Ganzer – getragen werden müssen.49 Zugleich würden derartige Externalitäten nicht bei den Herstellungskosten der betreffenden Wirtschaftsgüter berücksichtigt. Infolgedessen würden deren Preise nicht das volle Ausmaß jener „sozialen Kosten“ widerspiegeln und es entstehe ein Überangebot der betreffenden Wirtschaftgüter auf dem freien Markt. Überdies fehle das Preissignal für eine Verwendung des jeweiligen Gutes, welches seiner Knappheit gerecht werde. Somit könne der Marktmechanismus die Kosten des betreffenden Gutes nicht voll erfassen, sodass seine Steuerungsfunktion notwendigerweise – jedenfalls teilweise – fehlschlagen müsse.50 Daher seien die Preise von umweltbeeinträchtigend produzierten und konsumierten Gütern und Dienstleistungen, „bezogen auf ihre tatsächlichen gesellschaftlichen Kosten, zu niedrig“.51 Dies führe zu „Verzerrungen in der Preisstruktur“ und infolgedessen zu einem erhöhten Absatz, was wiederum eine gesteigerte „Produktion von umweltbelastenden  Siehe Wicke, Umweltökonomie, S. 43 ff.; Siebert, Economics of the Environment, S. 78 f.; Rose, Duke Law Journal (1991), S. 19 ff.; Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 61 f.; Endres, Umwelt- und Ressourcenökonomie, S. 10 ff. 46  So ausdrücklich Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 62. Siehe hierzu vor allem Hardin, 162 Science (1968), S. 1243; zuvor wurde dieses Problem bereits erfasst von Gordon, Economic Theory of a Common Property Resource, in: Dorfman/Dorfman, Economics of the Environment, S. 130 ff.; siehe außerdem Rose, Duke Law Journal (1991), S. 19 ff.; siehe ferner Wicke, Umweltökonomie, S. 43 ff.; Siebert, Economics of the Environment, S. 78 f.; Endres, Umweltund Ressourcenökonomie, S. 10 ff. 47  Hardin, 162 Science (1968), S. 1243; siehe Erster Teil, Kap. I. 48  Siehe die Ausführungen weiter oben, Erster Teil, Kap. I. 49  Siehe erneut Wicke, Umweltökonomie, S. 43 ff. 50  Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S.  62; ähnlich bereits Wicke, Umweltökonomie, S. 43–46. 51  So ausdrücklich Wicke, Umweltökonomie, S. 45. 45

4. Die Suche nach intergenerationeller Gerechtigkeit

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Gütern im Vergleich zu umweltfreundlichen Gütern“ zur Folge habe.52 Die Preise umweltschädlich produzierter Güter seien „systematisch verzerrt“ und sprächen „nicht die ökologische Wahrheit“.53 Kostenlose des Umweltbeeinträchtigungen würden somit über Externalitäten zu einem Marktversagen führen, das wiederum weitere Umweltbeeinträchtigungen verursache. Diese Fehlentwicklung sei nur durch Umweltschutzmaßnahmen in Gestalt einer Verteuerung von umweltbeeinträchtigendem Verhalten der Marktteilnehmer zu korrigieren.54 Die umweltökonomische Theorie Marktversagens ist schließlich insofern mit dem Postulat der ­„intergenerationellen Gerechtigkeit“ verknüpft, als „kostenlose“ gegenwärtige Umweltbelastungen letztendlich auf Kosten der zukünftigen Generationen stattfinden und daher nicht bloß gegenüber der übrigen gegenwärtigen Menschheit – das heißt intra-generationell –, sondern gerade auch gegenüber künftigen Menschheitsgenerationen ungerecht sind.

4. Die Suche nach intergenerationeller Gerechtigkeit Aus einer Verantwortung der gegenwärtigen Menschheitsgeneration für zukünftige Generationen werden in jüngerer Zeit vermehrt Ideen „intergenerationeller Gerechtigkeit“ oder „Fairness“55 hergeleitet, die sich zum Teil auf ein Konzept distributiver Gerechtigkeit zwischen den Generationen nach dem Vorbild von Rawls stützen.56 Ausweislich der einschlägigen umweltvölkerrechtlichen Verträge zielt auch das common concern of humankind-Prinzip auf einen Schutz bestimmter Umweltgüter nicht nur zugunsten gegenwärtiger, sondern auch zugunsten zukünftiger Generationen der Menschheit ab.57 Während es beim common heritage of mankind-Prinzip in ethischer Hinsicht vorrangig um Fragen der globalen Verteilungsgerechtigkeit  Siehe Wicke, Umweltökonomie, S. 45.  Ott, Ökologie und Ethik, S. 126 unter Bezugnahme auf Ulrich von Weizsäcker. 54  Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 63; Rose, Duke Law Journal (1991), S. 19 ff.; Krier, 15 Harvard Journal of Law & Public Policy (1992), S. 325 ff., 341 ff. 55  Beide Begriffe wurden geprägt von Brown-Weiss, In Fairness to Future Generations; dies., Intergenerational Equity, in: dies. (Hrsg.), Environmental Change, S. 385–412; dies., Treating Future Generations Fairly, in: FS Simonis, S.  126; dies., 84 AJIL (1984), S.  198–207. Dazu sogleich Zweiter Teil, Kap. V. 4. 56  Rawls, A Theory of Justice (1971); ders., Gerechtigkeit als Fairness (1977), S. 34 ff., S. 84 ff. Auf Rawls rekurrieren etwa Singer, An Extension of Rawls’ Theory of Justice, Environmental Ethics (1988), S. 217 ff.; Manning, Environmental Ethics and Rawls’ Theory of Justice, Environmental Ethics (1981), S. 155 ff.; Frenz/Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung, S. 23 ff., 48 f.; grundlegend zur Übertragbarkeit von Rawls’ Gerechtigkeitstheorie auf das Verhältnis zwischen gegenwärtiger zu künftigen Generationen Birnbacher, Rawls’ „Theorie der Gerechtigkeit“ und das Problem der Gerechtigkeit zwischen den Generationen, Zeitschrift für philosophische Forschung 31 (1977), S. 385 ff. Thero, Rawls and Environmental Ethics: A Critical Examination of the Literature, Environmental Ethics (1995), S.  93  ff.; siehe zum Ganzen vor allem Appel, Zukunftsvorsorge, S. 79 ff. 57  Siehe Zweiter Teil, Kap. IV. 52 53

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V. Gemäßigte Anthropozentrik als philosophische Grundlage des common concern …

z­ wischen den verschiedenen Staaten dieser Welt und somit um Verteilungsgerechtigkeit innerhalb einer Menschheitsgeneration, folglich um intra-generationelle Gerechtigkeit geht, steht beim common concern of humankind-Prinzip die Suche nach Gerechtigkeit zwischen den verschiedenen Menschheitsgenerationen, das heißt nach inter-generationeller Gerechtigkeit im Vordergrund. Zwar lassen sich Probleme der Erhaltung von Umweltgütern wohl nur schwerlich vollständig von den Fragen ihrer Verteilung trennen.58 Der Klimawandel ist ein Paradebeispiel für eine Herausforderung, die inter- und intragenerationelle Gerechtigkeitsfragen aufwirft.59 So befassen sich die Klimarahmenkonvention und insbesondere das sie konkretisierende ­Kyoto-­Protokoll letztlich auch mit der Frage nach einer gerechten Verteilung der Kosten für den Umweltschutz zwischen den Vertragsstaaten und somit innerhalb einer Menschheitsgeneration.60 In erster Linie zielen all jene dem common concern-­Prinzip zugrunde liegenden völkerrechtlichen Verträge allerdings auf eine Bewahrung der jeweiligen Umweltgüter zugunsten zukünftiger Generationen und somit auf eine Herstellung inter-generationeller Gerechtigkeit ab. Dieser ­Gedanke einer intergenerationellen Gerechtigkeit als ethisches Fundament des CCM-Prinzips geht wiederum auf eine Vielzahl von philosophischen Entwürfen zur allgemeinen Problematik einer globalen Verteilungsgerechtigkeit zurück, die sich in jenen zuvor erwähnten kontroversen Gerechtigkeitsdebatten der frühen 1970erJahre herausgebildet haben. Nachfolgend werden daher die zentralen philosophischen Entwürfe zur Verteilungsgerechtigkeit skizziert, soweit sie das Problem der Gerechtigkeit zwischen den Generationen im Hinblick auf die Verteilung von globalen Umweltgütern berühren.

a) Frühe Ansätze In der Zeit vor Rawls werden umweltspezifische Fragen nach einer Verteilungsgerechtigkeit auf der internationalen Ebene kaum gestellt.61 Doch blieb auch Cicero bei seiner Suche nach einer gerechten politischen Ordnung nicht etwa auf der Ebene der polis stehen, sondern erwähnte in einem frühen Beispiel eines globalen Ansatzes bereits die societas generis humanis, die Gemeinschaft aller Menschen untereinander.62 Obgleich diese Gemeinschaft weder als Weltstaat noch als umfassend rechtlich geordnete Völkergemeinschaft gedacht war, hatte sie dennoch den

 So in einem anderen Zusammenhang bereits Durner, Common Goods, S. 122 ff.  Ott, Ethik des Klimawandels, in: Ders./Dierks/Voget-Kleschin (Hrsg.), Handbuch Umweltethik, S. 232; ähnlich Gardiner, A Perfect Moral Storm, S. 3. 60  Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) und c). 61  Ähnlich Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 94. 62  So Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 94. 58 59

4. Die Suche nach intergenerationeller Gerechtigkeit

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übergreifenden Zweck, die natürlichen Ressourcen gemeinschaftlich zu wahren.63 Nach Czarnecki findet sich daher bei Cicero ein „früher, freilich nicht umweltpolitisch motivierter und nicht weiter verfolgter Gedanke einer polis- und grenzenübergreifenden Ressourcenerhaltung“.64 Grotius sah den Zweck der Gesellschaft darin, jedem das Seine zu erhalten, doch dürfe sich nicht jeder im Alleingang das Seine auf Kosten der anderen verschaffen.65 Dabei greift Grotius die von Aristoteles beschriebene Austauschgerechtigkeit auf, die grundsätzlich eine Gleichheit in den Verpflichtungen der Gesellschaftssubjekte verlangt. Diese Gleichheit bezieht sich allerdings nur allgemein auf die Leistung, den Gewinn, die Vorteile und die Folgen des Vertrages, auf etwaige Besonderheiten des Völkerrechts kommt Grotius in seinen allgemeinen Ausführungen nicht zu sprechen.66 Demgegenüber bildet Kant eine Analogie zwischen der Struktur des Völkerrechts und dem Konzept eines Gesellschaftsvertrages.67 Nebeneinander existierende Staaten seien wie einzelne Menschen zu beurteilen und träten um ihrer Sicherheit und Freiheit willen in eine „der bürgerlichen ähnliche Verfassung“ ein.68 „Da die Staaten allerdings“  – so Czarnecki  – „bereits souveräne Verfasstheiten seien und sich in der Realität nicht einer idealen Weltrepublik unterordnen würden, führt der Gesellschaftsvertrag bei Kant zu einem Völkerbund mit föderaler Struktur“.69 Mit seiner überwiegend auf Nationalstaaten begrenzten Philosophie liefert Kant kaum Antworten auf Fragen der globalen Verteilungsgerechtigkeit, doch legt er mit seiner zweistufigen Vertragstheorie70 einen wichtigen Baustein für die spätere internationale Gerechtigkeitstheorie von Rawls.71

63  Siehe Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S.  94; Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, S. 165 f. 64  So ausdrücklich Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 94. 65  Siehe Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 94 unter Rückgriff auf Grotius I, 2, I, Abs. 4–5. 66  Grotius, I, 1 und 14, III; II, 12, X f.; siehe dazu Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 94. 67  Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 95. 68  Kant, Zum ewigen Frieden, 2. Definitivartikel, S. 16 ff., 52; siehe Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 95. 69  So ausdrücklich Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 94; siehe dazu außerdem Mertens, International or Global Justice?, in: Follesdahl/Pogge (Hrsg.), Real World Justice, S. 87 f. Ebenso Höffe, Merkur Nr. 692 (2006), S. 1117, mit der alleinigen Begründung, ein Weltstaat sei weltfremd. 70  Dazu Zweiter Teil, Kap. V. 4. b). 71  Kant, zum ewigen Frieden, 2. Definitivartikel, S. 16 ff. sowie Anhang I., S. 46 f. Siehe zu diesem Zusammenhang insbesondere Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 94. Zur Völkerrechtstheorie Kants siehe Teson, CoILR 1992, S. 53 ff. und 95 ff.; Scobbie, 13 EJIL (2002), S. 917 ff. Zur Eigentumstheorie von Kant als Grundlage für den Schutz von Umweltgütern auch auf internationaler Ebene siehe Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 162 ff.

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b ) Eine Theorie distributiver Gerechtigkeit zwischen den Generationen (Rawls)? Die Rawls’sche „Theorie der Gerechtigkeit“ aus den frühen 1970er-Jahren leitete eine regelrechte „Renaissance“ der Gerechtigkeitsphilosophie ein und ist „als Grundstein zeitgenössischer politischer Philosophie“ bis heute „immens einflussreich“.72 Auch im Völkerrecht hat sie die Debatte über Gerechtigkeit gefördert und beeinflusst und bleibt zentraler Ausgangspunkt auch der jüngeren philosophischen Diskussion über globale Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht.73 Allerdings zählt Rawls etwa eine Mindestqualität der Umwelt gerade nicht zu den primären Sozialgütern, die es auf gerechte Weise zu verteilen gelte.74 Damit blendet Rawls globale Umweltprobleme letztlich aus.75 Trotz der grundlegenden Bedeutung seiner Theorie für die allgemeine Gerechtigkeitsdebatte wird sie daher nicht als wegweisend für eine Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht eingestuft.76 Allerdings hat Rawls später den Umweltschutz als einen Bereich genannt, auf den seine Theorie zu erweitern sei.77 Besonders umstritten war und ist hierbei gerade die für die Zwecke der vorliegenden Arbeit allein interessante Frage, ob sich das Rawls’sche Gerechtigkeitsmodell auch auf die Beziehungen zwischen den Generationen ausweiten lässt, zumal die entsprechenden Passagen seines grundlegenden Werkes in dieser Hinsicht nicht immer eindeutige Schlüsse zulassen.78 In der intergenerationellen Perspektive beziehe sich der „Schleier der Unwissenheit“ (veil of ignorance), hinter dem nach Rawls die maßgeblichen Entscheidungen über eine gerechte Verteilung getroffen werden sollen, auf die Unsicherheit darüber, welcher der jeweils gegenwärtigen oder zukünftigen Generationen man angehören und welchen Zivilisationsgrad die betreffende Generation aufweisen werde.79  So vehement Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S.  34. Siehe ferner Hofmann, Einführung in die Rechts- und Staatsphilosophie, S. 174. Die philosophische Literatur zu Rawls ist nahezu unüberschaubar. Zu seiner ursprünglichen Theorie siehe statt vieler nur Habermas, Faktizität und Geltung, S. 78 ff.; Hofmann, Einführung in die Rechts- und Staatsphilosophie, S. 206 ff.; Koller, Neue Theorien des Sozialkontrakts, S. 31 ff. Weitere kontraktualistische Ansätze insbesondere in Bezug auf den Umweltschutz finden sich etwa bei Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 149 Fn. 118. 73  So etwa Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 98 f. 74  Zur Kritik am Konzept der Primärgüter allgemein Koller, Neue Theorien des Sozialkontrakts, S. 90 ff. 75  So auch bereits Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 97. Siehe dazu auch Birnbacher, Rawls’ „Theorie der Gerechtigkeit“ und das Problem der Gerechtigkeit zwischen den Generationen, Zeitschrift für philosophische Forschung 31 (1977), S. 385 (386). 76  Siehe etwa Buchanan, Justice, Legitimacy and Self-determination, S.  17 Fn.  5. Siehe auch Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 97. 77  Siehe Miller, Social Justice and Environmental Goods, in: Dobson (Hrsg.), Fairness and Futurity, S. 156. 78  So etwa Appel, Zukunftsvorsorge, S. 79 Fn. 163. 79  So besonders pointiert Appel, Zukunftsvorsorge, S. 79 f. Diesen Gedanken greift auch Brown Weiss in ihrem Entwurf In Fairness to Future Generations auf, vgl. Zweiter Teil, Kap. V. 4. d). 72

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Kritisiert wird an dem überzeitlichen Charakter des Urzustands, die Ausgestaltung des Schleiers des Nichtwissens sei unvereinbar mit der von Rawls hypothetisch angenommenen Kenntnis der Urzustands-Mitglieder von den „allgemeinen Tatsachen“.80 Aus ihren umfassenden Kenntnissen könnten die Mitglieder folgern, an welchem Zeitpunkt der Geschichte sie stünden, da jene allgemeinen Kenntnisse stets in einem historischen Kontext erworben seien.81 Entweder müssten die Mitglieder daher aus ihrer gegenwärtigen Zeit stammen oder sie könnten nicht so viel wissen wie Rawls ihnen zutraue.82 Derartige Kritik ignoriert indes zunächst, dass Rawls den Parteien im Urzustand nur die Kenntnis von allgemeinen Tatsachen zuschreibt.83 Außerdem würden die Mitglieder des hypothetischen Entscheidungsgremiums im Urzustand „weder ihren jeweiligen Platz in der Gesellschaft, ihre Klasse, ihren Status, ihre natürlichen Gaben, ihre Intelligenz, ihre Körperkraft noch ihre Vorstellungen vom Guten, die Einzelheiten ihres jeweiligen vernünftigen Lebensplanes oder die Besonderheiten ihrer jeweiligen Psyche wie etwa ihre Einstellung zum Risiko kennen“.84 Nur durch eine derartige Kenntnisbeschränkung ließen sich die Auswirkungen gesellschaftlicher und natürlicher Zufälle beseitigen, welche die einzelnen Entscheidungsträger ungleich begünstigen und in die Versuchung brächten, die jeweiligen Umstände zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen.85 Im Sinne von Rawls, der sein Vertragsmodell der original position auch auf die verschiedenen Generationen ausgedehnt habe, lasse sich die Beziehung zwischen den Generationen als vertragliches Band zwischen Gleichen denken. So wie die heutige Generation einen ökologischen Bestand von früheren Generationen geerbt habe, sei sie zur Erhaltung dieses Bestandes und damit zum schonenden Umgang mit den Ressourcen verpflichtet.86 Rawls selbst hat das intergenerationelle Gerechtigkeitsproblem allerdings „vor allem auf die Frage bezogen, wie allen Generationen ein angemessener Gewinn zukommen“ könne.87 „Müssten die Menschen im fiktiven Urzustand – ohne zu wissen, welcher Generation sie später angehören werden – eine Übereinkunft treffen, würden sie sich nach Ansicht Rawls auf einen allgemeinen Spargrundsatz einigen, der dafür sorgt, dass jede Generation ihren gerechten Teil von ihren Vorfahren empfängt und ihrerseits die gerechten Ansprüche

 Siehe zu dieser Kritik auch Strack, Intergenerationelle Gerechtigkeit, S. 97 f.  Siehe Routley/Routley, Obligations to the Future, S. 168 f.; siehe dazu ferner Strack, Intergenerationelle Gerechtigkeit, S. 97. 82  So vor allem Routley/Routley, Obligations to the Future, S. 168 f.: „Either they really do have to be of the present time or they cannot be assumed to know as much as Rawls supposes“. 83  Strack, Intergenerationelle Gerechtigkeit, S. 97. 84  So Strack, Intergenerationelle Gerechtigkeit, S. 88 mit Verweis auf Rawls, A Theory of Justice, S. 190. 85  Ähnlich Strack, Intergenerationelle Gerechtigkeit, S. 88 mit Verweis auf Rawls, A Theory of Justice, S. 190. 86  So etwa ohne genaueren Bezug zu Rawls’ Werk Kloepfer, Umweltgerechtigkeit, S. 27. 87  So etwa Appel, Zukunftsvorsorge, S. 80. 80 81

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ihrer Nachfahren erfüllt“.88 Somit bezieht sich dieser Spargrundsatz in erster Linie auf die Verteilung von Gewinnen und Ersparnissen, nicht aber auf den Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen und die langfristige Belastung der globalen Umwelt.89 Insgesamt liefert somit der Ansatz von Rawls kaum Anhaltspunkte für eine intergenerationell gerechte Lösung globaler Umweltprobleme. Dennoch hat seine Gerechtigkeitstheorie die bis dato noch spärliche Diskussion über Gerechtigkeit im Umweltvölkerrecht inspiriert. Sie wird einerseits maßgeblich von jenen Autoren herangezogen, nach deren Auffassung das Umweltvölkerrecht nicht auf Verteilungsgerechtigkeit abzielt.90 Andererseits hat das Gerechtigkeitsmodell von Rawls aber auch eine theoretische Grundlage für solche Ansätze geschaffen, die sich allgemein für Verteilungsgerechtigkeit als moralische Zielvorstellung des Umweltvölkerrechts aussprechen.

c) Fairness im (Umwelt-) Völkerrecht (Franck) Hervorzuheben ist hierbei der Ansatz von Franck, der ausdrücklich auf Rawls rekurriert, das Völkerrecht insgesamt unter dem Gesichtspunkt der „Fairness“ untersucht und dabei die Bedeutung des Umweltvölkerrechts unterstreicht.91 Ein optimaler Fairness-Diskurs setze erstens eine moderate Knappheit der zu verteilenden Güter und zweitens eine internationale Gemeinschaft voraus, die nicht nur auf rechtlichen Verpflichtungen, sondern auch auf gemeinsamen Werten und Prinzipien beruhe. Beide Voraussetzungen seien bislang nicht hinreichend erfüllt, um eine angemessene Diskussion über faires Völkerrecht zu führen.92 Das Problem der gleich geordneten Rechtsordnung versucht Franck zu lösen, indem er Vorschläge unterbreitet, die über die Vertragstheorie hinausgehen.93 Die völkerrechtliche Grundregel pacta sunt servanda könne nicht von der Zustimmung des jeweiligen Staates abhängen; denn die Legitimität dieser Grundregel beruhe nicht auf der individuellen Zustimmung aller Staaten, sondern auf deren „Zugehörigkeit zur Staatengemeinschaft“.94 Mit dem Eintreten in die Staatengemeinschaft sei ein Staat verpflichtet, deren  So Appel, Zukunftsvorsorge, S. 80 unter Rekurs auf Rawls, A Theory of Justice (1979), S. 319 ff., 322. 89  Ähnlich Appel, Zukunftsvorsorge, S. 80. 90  Einen guten Überblick alternativer Begründungen findet sich bei Moellendorf, Cosmopolitan Justice, S. 72 ff., der auch Gegenargumente liefert. 91  Franck, Fairness in International Law and Institutions, S. 6 u. 83. Siehe dazu auch das Symposium des International Law Association (British Branch) Committee on Theory and International Law, 13 EJIL (2002), S. 902 ff. Siehe zum Franck’schen Fairnessdiskurs vor allem auch die Ausführungen von Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 98 ff. 92  Franck betont, diese Bedingungen seien in der Vergangenheit nicht immer erfüllt gewesen und würden auch in Zukunft nicht unbedingt erfüllt werden, siehe ders., Fairness in International Law and Institutions, S. 11. 93  Siehe Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 99. 94  Siehe Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 99. 88

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grundlegende Regeln zu beachten, selbst wenn er später nicht jeder einzelnen Anwendung zustimme.95 Fairness im Völkerrechts besteht für Franck aus einer prozeduralen (Legitimität des Rechts) und einer materiellen Komponente (Verteilungs­ gerechtigkeit). Beide Komponenten würden verschiedene Funktionen erfüllen.96 Während Legitimität die existierende Ordnung der internationalen Beziehungen sichere, unterliege Verteilungsgerechtigkeit einer steten Veränderung. Die Spannung zwischen diesen beiden Komponenten sei in einem Fairness-Diskurs aufzulösen.97 Gerechtigkeit diene als Mittel, um Güter zu verteilen, wenn die zu beachtenden Parameter so vielfältig seien, dass klare und eindeutige Regeln zu unannehmbaren Ergebnissen führen würden, wie dies etwa bei der Grenzziehung des Festlandsockels der Fall sei.98 Gerade im Umweltvölkerrecht stehe die Suche nach Fairness im Mittelpunkt, weil dort in hohem Maße ökonomische und moralische Erwägungen zusammenspielen würden.99 So seien Verhandlungen zu Völkerrechtsverträgen, in denen es um die Verteilung von knappen und lebenswichtigen Umweltgütern gehe, anschauliche Beispiele für „Fairness im Sinne einer diskursiven Suche nach einem Ausgleich zwischen Legitimität und Güterverteilung“.100 Gegen diesen Fairnessentwurf von Franck werden aus verteilungstheoretischer Sicht mehrere Einwände erhoben, die sich vor allem gegen seinen theoretischen Ausgangspunkt richten. Zum einen wendet etwa Scobbie ein, die treibende Kraft hinter der von Franck beschriebenen dramatischen Entwicklung des modernen Völkerrechts könne weniger ein Gesellschaftsvertragsmodell und Fairness sein als vielmehr die veränderte Rolle des Staates, die nunmehr auch auf die völkerrechtliche Ebene durchschlage: Habe der Staat früher nur minimale Ordnungsfunktionen wahrgenommen, leiste er heute eine umfassende Daseinsvorsorge und – zumindest seinem Anspruch nach – komplexe Steuerungsfunktionen, die außerdem mehr und mehr auf die internationale Ebene verlagert würden.101 Nicht die bloße Zugehörig So zusammenfassend Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S.  99, dem zufolge Franck, Fairness in International Law and Institutions, S. 29 und 477 ff., ausdrücklich die Theorie von Hart von der staatlichen auf die völkerrechtliche Ebene überträgt. Kritisch dazu Scobbie, 13 EJIL (2002), S. 918 f.; siehe dazu die Replik von Franck, 13 EJIL (2002), S. 1025 ff. und insb. S. 1027 f. 96  Franck, Fairness in International Law and Institutions, S.  22–24. Für andere Konzepte siehe Franck, Fairness in International Law and Institutions, S. 25 Fn. 2. Siehe dazu vor allem Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 99. 97  Siehe dazu Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 99. 98  Franck, Equity in International Law, in: Jasentulyana (Hrsg.), Perspectives on International Law, S. 34 ff. und 48. Kritisch dazu wiederum Scobbie, 13 EJIL (2002), S. 910 und 922. Siehe zum Ganzen zusammenfassend Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 99. 99  „Wherever one starts a survey of the recent blossoming of international environmental law, one discovers that issues of fairness have become central“, vgl. Franck, Fairness in International Law and Institutions, S. 362 und 364. 100  So Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 100 unter Bezugnahme auf Franck, International Law and Institutions, S. 67; siehe dazu kritisch Tasioulas, 13 EJIL (2002), S. 55; Scobbie, 13 EJIL (2002), S. 909 ff. 101  Scobbie, 13 EJIL (2002), S. 918 f. Siehe dazu vor allem Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 100. 95

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keit zur internationalen Staatengemeinschaft allein, sondern die erweiterten Funktionen der Staaten und deren Abhängigkeit von internationalen Regelungen würden nach einem Legitimationsprinzip der Fairness verlangen.102 Noch grundlegender wird aber zu Recht an Francks Fairnessentwurf kritisiert, er habe zwar zunächst ausdrücklich die umfassende Bedeutung der Verteilungsgerechtigkeit im Völkerrecht betont, ohne allerdings ihre Elemente und Besonderheiten im ­Umweltvölkerrecht genauso umfassend zu analysieren.103 Seine Analyse der Verteilungsgerechtigkeit erschöpfe sich in der Verteilung der Kosten und den institutionellen Aspekten des modernen Umweltvölkerrechts, wohingegen räumliche Verteilungsaspekte kaum behandelt würden.104 Vor allem aber bleibt selbst Franck eine Antwort auf die Frage nach einer intergenerationell gerechten Lösung globaler Umweltprobleme schuldig.

d) Fairness gegenüber zukünftigen Generationen (Brown Weiss) Pointierte Vorschläge für eine moralische Weiterentwicklung des Völkerrechts zu einer intergenerationell gerechteren Ordnung finden sich allerdings in einer Studie von Edith Brown Weiss über „Fairness gegenüber künftigen Generationen“,105 die im Rahmen eines Forschungsprojekts der Vereinten Nationen entstanden ist und auf deren Grundlage von einem Expertenausschuss sogenannte „Goa Guidelines on International Equity“106 entwickelt wurden. Im Hintergrund des ethischen Gebots der „intergenerationellen Gerechtigkeit“ stehe zunächst die naturwissenschaftlich belegte Tatsache, dass erstmals in der Geschichte der Menschheit im Ökosystem der Erde irreversible Veränderungen als Folge der kumulierten Auswirkungen menschlicher Aktivitäten möglich seien.107 Seit der Mensch existiere, habe er zwar auch stets die Möglichkeit besessen, die Umwelt in seiner unmittelbaren Nähe oder gar auf regionaler Ebene zu zerstören. So habe der Mensch etwa im Altertum durch mangelhafte Be- und Entwässerung weite Teile des vormals fruchtbaren Tigris-Euphrat-Deltas in dürre Wüste verwandelt. Durch seinen technologischen Fortschritt habe der moderne Mensch allerdings nunmehr auch die Macht erlangt, seine globale Umwelt irreversibel zu zerstören. Dadurch sei nicht nur

 Scobbie, 13 EJIL (2002), S. 918 f. Siehe dazu Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 100. 103  So vor allem Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 100 f. unter Bezugnahme auf Franck, Fairness in International Law and Institutions, S. 352 f. 104  So insbesondere bei seiner Analyse der Ozon- und Klimaschutzregime vgl. Franck, Fairness in International Law and Institutions, S. 384 f. und 391. Siehe dazu die luzide Analyse von Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S. 100.,insb. ab S. 107 ff. 105  Brown Weiss, In Fairness to Future Generations. 106  Diese Erklärung findet sich abgedruckt bei Brown Weiss, In Fairness to Future Generations, S. 293 f. 107  So Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 46 f. 102

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die räumliche Dimension von Umweltproblemen erweitert, sondern diese sei auch auch um eine zeitliche („intertemporale“) Dimension von unabschätzbarem Ausmaß ergänzt worden.108 In den „Goa Guidelines on International Equity“109 wird eine Fairness gegenüber zukünftigen Generationen wie folgt erklärt: „This temporal dimension is articulated through the formulation of the theory of ‚intergenerational equity‘; all members of each generation of human beings, as a species, inherit a natural and cultural patrimony from past generations, both as beneficiaries and custodians under the duty to pass on this heritage to future generations. As a central point of this theory the right of each generation to benefit from and develop this natural and cultural heritage is inseparably coupled with the obligation to use this heritage in such a manner that it can be passed on to future generations in no worse condition than it was received from past generations. This requires conservation and, as appropriate, enhancement of the quality and of the diversity of this heritage. The conservation of cultural diversity is as important as the conservation of environmental diversity to ensure options for future generations. (…) Planetary rights and planetary obligations follow from the principles of equity governing the relationship between generations. These pertain to valued interests of the past, present and future generations, covering natural and cultural resources. They will become enforceable as they find expression in customary and conventional international law. In case of violations, claims should be raised on behalf of present and future generations. There is a complementary between recognized human rights and the proposed intergenerational rights.“

Der Lösungsansatz der „intergenerational justice“ greift im Wesentlichen auf den Rechtsgedanken einer treuhänderischen Verwaltung110 zurück: Die Gattung Mensch verwalte die natürliche Umwelt ihres Planeten gemeinsam mit allen Mitgliedern ihrer Gattung aus den vergangenen Generationen, aus der gegenwärtigen Generation und aus den zukünftigen Generationen.111 Jede Generation erhalte die Umwelt von der vorherigen Generation grundsätzlich zur freien Verfügung; allerdings sei dieses Nutzungs- und Verfügungsrecht der (jeweils) gegenwärtigen Generation an die moralische Verpflichtung gekoppelt, die Umwelt nicht in einem schlechteren Zustand an die nachfolgende Generation weiterzugeben, als sie jene von der vorherigen Generation erhalten habe. Somit sei jede Generation sowohl Nutznießerin der Umwelt zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse als auch Treuhänderin der Umwelt für künftige Generationen. Aus der Pflicht der gegenwärtigen Generation, die Umwelt in einem nicht verschlechterten Zustand an die nächste Generation weiterzugeben, folge ein Recht der künftigen Generation, die Umwelt im wesentlich gleichen Zustand zu erhalten, in welchem die vorherige Generation sie in Empfang genommen habe.112  Brown Weiss, In Fairness to Future Generations, S.  28; dies., in: Environmental Change, S. 386 f.; dies., 84 AJIL (1990), S. 198 ff.; siehe dazu auch Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 46 f. 109  Diese Erklärung findet sich abgedruckt bei Brown Weiss, In Fairness to Future Generations, S. 293 f. 110  „This concept is consistent with the implicit premises of trusteeship, stewardship and tenancy, in which the assets must be conserved, not dissipated, so that they are equally available to those who come after“, vgl. Brown Weiss, 84 AJIL (1990), S. 198 (200). 111  Brown Weiss., 84 AJIL (1990), S. 198 (198 f.). 112  Brown Weiss, In Fairness to Future Generations, S. 39; dies., 84 AJIL (1990), S. 200. Siehe dazu auch Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S, 341 f. 108

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Jedwede Theorie einer umweltbezogenen intergenerational equity werde von zwei Beziehungen geprägt: zum einen von dem Verhältnis des Menschen zum Ökosystem, dessen Teil er sei, und zum anderen von der Beziehung des Menschen zu den zukünftigen Generationen seiner eigenen Gattung. Die menschliche Spezies sei ganzheitlich und untrennbar mit anderen Teilen des Ökosystems verknüpft; daher würden sich der Mensch und der übrige Teil des Ökosystems stets wechselseitig beeinflussen. Als einzige unter den lebenden Kreaturen habe der Mensch die Kapazität, sein Verhältnis zu seiner Umwelt bewusst zu formen, indem er sie nachhaltig nutze oder ihre Qualität verschlechtere. Als Teil des Ökosystems habe der Mensch weder ein moralisches Recht, die Integrität der Natur zu zerstören, noch liege dies in seinem ureigenen Interesse. Stattdessen treffe ihn als das empfindsamste Wesen eine besondere Verantwortung, für den Planeten Erde zu sorgen.113 Hierbei untermauert Brown Weiss ihren Ansatz unter Bezugnahme auf die legendäre und viel zitierte Äußerung von Häuptling Chief Seattle aus dem Jahre 1855: „This we know: the earth does not belong to man: man belongs to the earth. (…) whatever befalls the earth, befalls the sons of the earth. Man did not weave the web of life: he is merely a strand in it. Whatever he does to the web, he does to himself.“114

Mit dem Hinweis auf den Eigenwert der Natur sowie die Interdependenz zwischen der Menschheit und dem sie umgebenden Ökosystem greift Brown Weiss zentrale Kritikpunkte auf, die von Ökozentrikern immer wieder gegen die rein anthropozentrische Sonderstellung des Menschen vorgebracht wurden.115 Bereits ihrer Konzeption nach würden umweltbezogene Pflichten gegenüber künftigen Generationen stets nur solche Umweltbestandteile schützen, die vom Menschen „als nützlich und existenznotwendig angesehen“ würden.116 Ein solcher „Teilschutz der Umwelt“ greife allerdings zu kurz, wenn der fehlende Schutz anderer Bestandteile langfristig Folgen für das Gesamtökosystem haben könne, welche der Mensch aber aufgrund seines mangelnden Wissens bloß (noch) nicht zu erkennen vermöge.117 Überdies macht Brown Weiss zur Begründung der Verantwortung des Menschen für seine Umwelt Anleihen bei der ökozentrischen Mitleidsethik.118 An diesen Zugeständnissen an die Ökozentriker zeigt sich, dass auch der generationenübergreifende Fairnessansatz von Brown Weiss eindeutig Züge eines gemäßigt anthropozentrischen Korrektivansatzes trägt. Neben dem Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt sei aber begriffsnotwendig die Beziehung zwischen den verschiedenen Menschheitsgenerationen Dreh- und  Brown Weiss, 84 AJIL (1990), S. 199.  Dieses weitverbreitete Zitat soll einem Brief des Häuptlings Chief Seattle, Häuptling der Duwamish and Squamish Indians of Puget Sound an den damaligen US-Präsidenten Franklin Pierce aus dem Jahre 1855 entstammen. Obwohl jener Brief in unzähligen Sammelbänden zitiert wird, ist der Originalbrief bislang nicht gefunden worden. 115  Siehe dazu die obige Darstellung der verschiedenen ökozentrischen Ethikentwürfe, Zweiter Teil, Kap. IV. 2. 116  So Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 343. 117  So etwa Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 343. 118  Siehe Zweiter Teil, Kap. IV. 2. c). 113 114

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Angelpunkt einer intergenerationellen Gerechtigkeit. Diese lasse sich am besten definieren, indem man die menschliche Gemeinschaft als Partnerschaft zwischen allen Menschheitsgenerationen betrachte.119 Hierbei rekurriert Brown Weiss ausdrücklich auf das hypothetische Vertragsmodell von Rawls120 und stellt sich eine Partnerschaft vor, in der keine Generation Kenntnis darüber hat, in welcher Generation sie leben wird, aus wie vielen Mitgliedern sie bestehen wird und wie viele Generationen noch nach ihr existieren werden.121 Um eine Fairness gegenüber zukünftigen Generationen zu konzipieren, müsse man die Perspektive eine Generation einnehmen, die vorher nicht wisse, an welchem Punkt XY auf dem unendlichen Zeitspektrum sie später tatsächlich leben werde. Eine solche Menschheitsgeneration wolle aber in jedem Fall den Planeten Erde in einem Zustand „erben“, der mindestens so gut sei wie derjenige, in welchem die vorherige Generation ihn erhalten habe. Dies verlange von jeder Generation, den Planeten in einem nicht verschlechterten Zustand an die nächste Generation weiterzugeben.122 Darüber hinaus sieht Brown Weiss die Theorie intergenerationeller Gerechtigkeit in der Präambel der Universal Declaration of Human Rights123 verankert.124 In der dortigen Bezugnahme auf alle Mitglieder der Menschheitsfamilie komme eine zeitlich unbegrenzte Dimension zum Ausdruck, die alle Generationen der Menschheit erfasse, und der Verweis auf gleiche und unveräußerliche Menschenrechte bekräftige die Gleichberechtigung aller Menschheitsgenerationen.125 Überdies würden zahlreiche andere Menschenrechtsdokumente die Würde aller Mitglieder der menschlichen Gesellschaft und ihrer Gleichberechtigung unter einen Schutz stellen, der die Grenzen von Raum und Zeit sprenge.126 Wer die gegenwärtige Generation dazu berechtige, die natürlichen Ressourcen dieser Erde auf Kosten der zukünftigen Menschheitsgenerationen auszubeuten, verstoße somit gegen die UN-Charta und sämtliche internationale Menschenrechtsdokumente.127 Jede Generation sei daher verpflichtet, die Vielfalt der natürlichen Ressourcen und ihre Qualität zu bewahren sowie den nachfolgenden Generationen einen gleichwertigen Zugang zu natürlichen Ressourcen zu ermöglichen, um auch zukünftigen Generationen ausreichend  Brown Weiss, 84 AJIL (1990), S. 198 (199); dies., Intergenerational Equity, in: Environmental Change, S. 396. 120  Rawls, A Theory of Justice (1971). Siehe zur Theorie von Rawls die Ausführungen weiter oben, Zweiter Teil, Kap. V. 4. b). 121  Siehe erneut Brown Weiss, 84 AJIL (1990), S. 198 (200). 122  Brown Weiss, 84 AJIL (1990), S. 198 (200). 123  Universal Declarion of Human Rights, GAOR III, Doc. A/810, S. 71: „(…) recognition of the inherent dignity and of the equal and inalienable rights of all members of the human family is the foundation of freedom, justice and peace in the world“. 124  Brown Weiss, 84 AJIL (1990), S. 198 (200); Brown Weiss, In Fairness to Future Generations, S. 25 f. 125  Brown Weiss, 84 AJIL (1989), S. 198 (201). 126  Brown Weiss, 84 AJIL (1989), S. 198 (201), die u. a. folgende Völkerrechtsdokumente exemplarisch anführt: UN-Charta, International Covenant on Civil and Political Rights, Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide. 127  Brown Weiss, 84 AJIL (1989), S. 198 (201). 119

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V. Gemäßigte Anthropozentrik als philosophische Grundlage des common concern …

Optionen offenzuhalten, damit diese ihre eigenen Probleme lösen, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen und ihr eigenes Leben angemessen gestalten könnten.128 Zur Durchsetzung der Theorie intergenerationeller Gerechtigkeit reiche es aber nicht aus, diese Grundsätze ausschließlich auf das Verhältnis zwischen den Generationen anzuwenden. Um eine Gerechtigkeit zwischen den Generationen herstellen zu können, müsse auch deren intragenerationelle Dimension berücksichtigt werden;129 denn technologische und finanzielle Ungleichheiten innerhalb einer Menschheitsgeneration würden dazu führen, dass Teile ein und derselben Generation nicht in der Lage seien, ihre moralischen Verpflichtungen gegenüber den zukünftigen Generationen zu erfüllen. Anerkanntermaßen sei Armut die Hauptursache für globale Umweltprobleme. Infolge ihrer technologischen und finanziellen Rückständigkeit hätten die verarmten Entwicklungsländer einen deutlich schlechteren Zugang zu natürlichen Ressourcen und seien daher gezwungen, zur Befriedigung ihrer grundlegenden Bedürfnisse ihre eigenen Ressourcen übermäßig auszubeuten. Unter der fortschreitenden Ausbeutung und Verschmutzung des globalen Ökosystems würden wiederum die Entwicklungsländer am meisten leiden, weil sie armutsbedingt nicht angemessen auf sie reagieren könnten.130 Somit schließe sich ein Teufelskreis, der über intragenerationelle Ungerechtigkeiten die Durchsetzung intergenerationeller Gerechtigkeit verhindere. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen und eine intergenerational equity tatsächlich umzusetzen, müssten weiterentwickelte Länder jene schwächer entwickelten Länder dabei unterstützen, ihre natürlichen Ressourcen nachhaltig zu nutzen und Zugang zu ökonomisch werthaltigen Umweltressourcen zu erlangen.131 Alle Mitglieder der gegenwärtigen Menschheitsgeneration hätten die Umwelt zu gleichen Teilen von den vorangegangenen Generationen treuhänderisch erhalten als Teil einer zeitlosen menschlichen Gemeinschaft.132

e) Eigenrechte zukünftiger Generationen Der Ruf nach intergenerationeller Gerechtigkeit ist in der philosophischen und völkerrechtlichen Literatur auf beträchtliche Resonanz gestoßen133 und hat in den letzten Jahrzehnten vermehrt Vorschläge nach sich gezogen, ethische Verpflichtungen 128  Brown Weiss selbst fächert die intergenerationelle Gerechtigkeit in drei Prinzipien auf: „conservation of options“, „conservation of quality“ und „conservation of access“, vgl. dies., 84 AJIL (1990), S. 198 (201 f.). 129  Brown Weiss, 84 AJIL (1990), S. 201. 130  Brown Weiss, 84 AJIL (1990), S. 198 (201). 131  Brown Weiss, 84 AJIL (1990), S. 198 (201). 132  Brown Weiss, 84 AJIL (1990), S. 198 (202). 133  Die Literatur zur intergenerationellen Gerechtigkeit ist beinahe unüberschaubar geworden. Siehe statt unzähliger Beiträge nur Redgwell, Intergenerational Equity and Global Warming, in: Churchill/Freestone, International, S. 41 ff.; Gündling, 84 AJIL (1990), S. 207 ff.; D’Amato, 84 AJIL (1990), S.  190  ff.; vgl. insbesondere auch die Replik von Brown Weiss, 84 AJIL (1990), S. 198 ff.; Beyerlin, Staatliche Souveränität und internationale Umweltschutzkooperation, in: FS

4. Die Suche nach intergenerationeller Gerechtigkeit

83

gegenwärtiger Generationen gegenüber kommenden Generationen bzw. Eigenrechte zukünftiger Generationen zu begründen.134 Von Anfang an waren diese Überlegungen allerdings bereits auf der philosophischen Ebene dem (naheliegenden) Einwand ausgesetzt, es fehle an geeigneten Inhabern derartiger Rechte, da künftige Generationen von Menschen nicht identifizierbar seien.135 Dieses sogenannte non identity-Problem136 erschwere es, das Konzept der intergenerationellen Gerechtigkeit in greifbare Rechte künftiger Generationen zu übersetzen.137 Seither kreist die Debatte daher im Wesentlichen um das non identity-Problem138 und dessen Lösung.139

Bernhardt, S. 937 (950 ff.); Birnie/Boyle, International Law, S. 90, 604 ff.; Handl, in: Sustainable Development and International Law, S. 35 (38); Reiman, 35 Philosophy and Public Affairs (2007), S. 69 ff.; Vanderheiden, 49 Insight (2006), S. 337; Bodansky/Brunnée/Hey, International Environmental Law, S. 14 f.; Merrills, Environmental Rights, S. 669 ff.; Brunnée, in: Ebbeson (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, S. 321. Siehe zudem die scharfsinnigen Beiträge zur intergenerationellen Gerechtigkeit von Nickel/Magraw, Philosophical Issues, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 456–462 sowie von Crisp, Ethics, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 475–478. Siehe außerdem allgemein zur Theorie der intergenerationellen Gerechtigkeit im Kontext des Sustainable Development-Ansatzes Bartholomäi, Sustainable Development und Völkerrecht, S.  83  ff. Zur besonderen Rolle, welche das Postulat intergenerationeller Gerechtigkeit im Zusammenhang mit der Problematik des globalen Klimawandels spielt, äußern sich ferner: Wood, Georgetown IELR (1995/1996), S. 293 ff.; Page, Climate Change, Justice and Future Generations; Gardiner, 114 Ethics (2004), S. 555 ff.; ders., 15 Environmental Values (2006), S. 397 ff.; Caney, 18 LJIL (2005), S. 747 ff.; ders., in: Gardiner (Hrsg.), Climate Ethics, S. 122 ff.; Moellendorf, Cosmopolitan Justice, S. 83 ff.; Posner, in: Posner/Weisbach (Hrsg.), climate change justice, S. 147 ff. 134  Siehe etwa Saladin/Zenger, Rechte künftiger Generationen; siehe außerdem Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone, International, S. 12; Rest, Environmental Policy and Law (1995), S. 312 (315); ders., 34 AVR (1996), S. 145 (152 f.); Kiss, The Rights and Interests of Future Generations and the Precautionary Principle, in: Freestone/Hey (Hrsg.), The Precautionary Principle and International Law, S. 19 ff. Siehe allgemein zur Tendenz, auch in anderen Bereichen Rechte künftiger Generationen zu begründen, die Darlegungen von Robbers, Menschen- und Bürgerrechte, in: Evangelisches Kirchenlexikon, Sp. 361 (364); Unnerstall, Rechte zukünftiger Generationen; Westra, Environmental justice and the rights of unborn and future generations; Schlossberger, A holistic approach to rights, S. 101 ff. 135  Nickel/Magraw, Philosophical Issues, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 458–462; Crisp, Ethics, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 475–478; Merrills, Environmental Rights, S. 669 ff.; Brunnée, in: Ebbeson (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, S. 321. 136  Parfit, Reasons and Persons, S. 358–361; ders., in: Gardiner (Hrsg.), Climate Ethics, S. 112 ff. 137  Crisp, Ethics, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S.  477; Nickel/ Magraw, Philosophical Issues, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 459; Brunnée, in: Ebbeson (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, S. 321. 138  Parfit, Reasons and Persons, S. 358–361; ders., in: Gardiner (Hrsg.), Climate Ethics, S. 112 ff. 139  Caney, 18 LJIL (2005), S. 747 ff.; ders., in: Gardiner (Hrsg.), Climate Ethics, S. 122 f.; Nickel/ Magraw, Philosophical Issues, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 458–462; Crisp, Ethics, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 475– 478; Merrills, Environmental Rights, S. 669 ff.; Brunnée, in: Ebbeson (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, S. 321; Unnerstall, in: Ekardt (Hrsg.), Klimagerechtigkeit, S. 267–276.

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V. Gemäßigte Anthropozentrik als philosophische Grundlage des common concern …

Zukünftige Generationen hätten jetzt keine Rechte, da sie jetzt nicht existierten.140 Rechte ohne Rechtsinhaber seien ein Widerspruch in sich.141 Nachfolgende Generationen von Menschen könnten (jeweils) gegenwärtig nicht sinnvollerweise individualisiert und identifiziert werden. Dies gelte umso mehr, als sämtliche Entscheidungen und Verhaltensweisen der gegenwärtigen Generation die Identität künftiger Generationen auf die eine oder andere Art und Weise beeinflussen würden.142 Eine moralische Verantwortung gegenüber Menschen, die man nicht kenne und auch nicht kennen könne, sei unmöglich.143 Außer den Rechteinhabern seien auch deren etwaige Ansprüche nicht zu identifizieren. Eine Verantwortung der gegenwärtigen Generation könne nur aus Entscheidungen und Handlungen folgen, die zu einem greifbaren Schaden künftiger Generationen geführt hätten, der jedoch in Anbetracht der Unsicherheiten über künftige Bedürfnisse, Lebensumstände und Kausalitäten weder nachweisbar noch prognostizierbar sei.144 Niemand könne wissen, wie das Leben in Zukunft aussehe und wie künftige Generationen die Sorgen der gegenwärtigen Menschen bewerteten.145 Gegenwärtige Menscheitsgenerationen könnten zudem schwerlich für Entscheidungen verantwortlich gemacht werden, die zu einem Zeitpunkt getroffen worden seien, in dem schädliche Konsequenzen noch nicht bekannt waren.146 Umgekehrt sei unsicher, mit welchen Maßnahmen sich Nachteile für künftige Generationen vermeiden ließen, sodass auch insofern eine Verantwortungsgrundlage fehle.147 Wenn unklar ist, wer Inhaber eines Rechts ist, ob tatsächlich ein Schaden entstanden und die gegenwärtige Menschheitsgeneration für ihn kausal und verantwortlich ist, fehlt in der Tat bereits auf der moralischen Ebene eine Grundlage, um Rechte der künftigen Generationen und – korrespondierende – Pflichten der gegenwärtigen Generation zu konstruieren.148 Ein Lösungsansatz versucht das non-identity-Problem zu vermeiden, indem es ausschließlich die bereits geborenen, künftig volljährigen Menschen in den Blick nimmt und die noch ungeborenen Menschen ausblendet.149 Problematisch an diesem  Unnerstall, Rechte zukünftiger Generationen, S. 25.  Merrills, Environmental Rights, S. 669 f. 142  Caney, 18 LJIL (2005), S.  757; Nickel/Magraw, Philosophical Issues, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 458–462; Crisp, Ethics, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 475–478; Merrills, Environmental Rights, S. 669 ff.; Brunnée, in: Ebbeson (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, S. 321. 143  Brunnée, in: Ebbeson (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, S. 321. 144  Brunnée, in: Ebbeson (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, S. 321; Crisp, Ethics, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 477. 145  Merrills, Environmental Rights, S. 672. 146  Caney, 18 LJIL (2005), S. 757; Brunnée, in: Ebbeson (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, S. 321. 147  Crisp, Ethics, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 477. 148  Ähnlich Brunnée, in: Ebbeson (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, S. 321; siehe außerdem Crisp, Ethics, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 477. 149  Nickel/Magraw, Philosophical Issues, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 460; siehe dazu ferner Crisp, Ethics, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 477. 140 141

4. Die Suche nach intergenerationeller Gerechtigkeit

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Ansatz ist jedoch, dass es zu Ungerechtigkeiten gegenüber noch ungeborenen Menschen führen kann, den Bedürfnissen der künftigen, bereits geborenen Menschen gerecht werden zu wollen, etwa indem zu deren Gunsten natürliche Ressourcen übermäßig verbraucht werden.150 In jedem Fall besteht ein Grundproblem dieses Ansatzes darin, dass infolge der Kumulationseffekte von Umweltschäden einerseits, und den meist verzögert eintretenden Verbesserungen durch Umweltschutzmaßnahmen andererseits, sich sowohl positive als auch negative Effekte des Verhaltens der gegenwärtigen Menschheitsgeneration gegebenenfalls erst auf die Lebensumstände der künftigen, noch ungeborenen Menschen auswirken.151 Insofern werden die Prognoseschwierigkeiten bei diesem Lösungsansatz bloß zeitlich verlagert, aber nicht gelöst. Ein weiterer Lösungsansatz zielt darauf ab, von den nicht individualisierbaren Identitäten künftiger Menschen zu abstrahieren und die gesamte Generation zu betrachten.152 Ein ähnlicher Ansatz steht in der Tradition Rawls, indem er die gegenwärtigen Einflüsse auf künftige Generationen gemeinwohlorientiert hinter einem „Schleier des Nichtwissens“ (veil of ignorance) betrachtet.153 Statt nicht greifbarer Individuen berücksichtigt dieser Ansatz „repräsentative Personeneinheiten“ und abstrahiert von einzelfallbezogenen Präferenzen.154 Eine gerechte Ressourenverteilung zwischen den Generationen wird ohne das Wissen darüber angestrebt, welcher der jeweils gegenwärtigen oder zukünftigen Generationen man angehören wird.155 Selbst von Vertretern derartiger Lösungsansätze für das non-identity-Problem wird allerdings bezweifelt, dass sich angesichts der geschilderten Unsicherheiten ethisch greifbare, geschweige denn einklagbare Eigenrechte künftiger Generationen kon­ struieren lassen.156 Schließlich finden sich auf der positiv-rechtlichen Ebene ebenfalls Ansätze zur Begründung von Rechten künftiger Generationen, die unabhängig von der Figur der intergenerationellen Gerechtigkeit mehrere präzise gefasste Rechte auf eine intakte und gesunde Umwelt formulieren.157 Vereinzelt gibt es gar Stimmen, die aus dem

150  Crisp, Ethics, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S.  477; Nickel/ Magraw, Philosophical Issues, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 460. 151  So Crisp, Ethics, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 477. 152  Nickel/Magraw, Philosophical Issues, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 460. 153  Reiman, 35 Philosophy and Public Affairs (2007), S. 69 f. 154  Reiman, 35 Philosophy and Public Affairs (2007), S. 69 f.; Nickel/Magraw, Philosophical Issues, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 461. 155  Reiman, 35 Philosophy and Public Affairs (2007), S. 69 f. 156  Caney, 18 LJIL (2005), S.  757; Nickel/Magraw, Philosophical Issues, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S. 461 f.; Crisp, Ethics, in: Besson/Tasioulas (Hrsg.), Philosophy of International Law, S.  478; Merrills, Environmental Rights, S.  672; Brunnée, in: Ebbeson (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, S. 321. 157  Siehe erneut insbesondere Saladin/Zenger, Rechte künftiger Generationen, die auf S. 46 f. sogar eine „Erklärung der Rechte künftiger Generationen“ entworfen haben.

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V. Gemäßigte Anthropozentrik als philosophische Grundlage des common concern …

Begriff des common concern of humankind positiv-völkerrechtliche Rechtspositionen zukünftiger Generationen ableiten.158 Allerdings ist die vorliegende Arbeit bemüht, zwischen den Ebenen des geltenden Völkerrechts einerseits und bloßer rechtspolitischer Desiderate oder gar philosophischer Spekulationen andererseits sorgsam zu unterscheiden.159 Ob sich mithilfe des CCM-Prinzips tatsächlich v­ ölkerrechtliche Rechte zukünftiger Generationen begründen lassen oder ob sie ein ethisches Ideal bleiben, dessen Erfüllung das Umweltvölkerrecht nur schrittweise anzustreben vermag, wird daher im dritten, positiv-völkerrechtlichen Teil der Arbeit zu erörtern sein, wenn es um die Auslegung des Begriffs common concern of humankind und seine völkerrechtliche Bedeutung geht.160

 Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 1.; siehe dazu etwa Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone, International, S. 12. 159  Siehe Erster Teil, Kap. II. sowie Zweiter Teil, Kap. IV. 2. e); siehe auch bereits Kloepfer, Umweltrecht, S. 812. Ähnlich neuerdings Spier, Philosophy, Law and Environmental Crisis, in: Papaux/Zurbuchen (Hrsg.), Intergenerational Equity: an aspiration or an effective weapon?, S. 77: „Obligations towards and rights of future generations is a fascinating topic. But at the end of the day, we cannot escape answering the core question: does it work and do we need it? My very brief analysis seems to suggest that the answer is in the negative“. 160  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 1. 158

VI. Ergebnis zu Teil 2: Die philosophischen Grundlagen des CCM-Prinzips

Die philosophischen Grundlagen des CCM-Prinzips gehen auf eine breit angelegte ökologische Debatte über eine moralisch vertretbare Einstellung des Menschen zur Natur zurück, die auf theologischer, rechtlicher, ökonomischer und vor allem auf philosophischer Ebene geführt wurde und in deren Verlauf sich ein gemäßigt anthro­ pozentrischer Ansatz herauskristallisierte, der sich letztendlich auch in den für das CCM-Prinzip wesentlichen umweltvölkerrechtlichen Dokumenten niedergeschlagen hat.1 Dieser Ansatz markiert „allerdings nur den vorläufigen Endpunkt einer sich permanent – teils linear, teils renaissanceartig – wandelnden Einstellung des Menschen zur Natur“,2 die lange Zeit zwischen den Extrempositionen der „reinen“ Anthropozentrik und der Ökozentrik hin- und herschwankte, bevor sie sich gewissermaßen in eine „geläuterte“ Anthropozentrik einpendelte. Als ethische Grundlage des common concern- Prinzips „korrigiert“ die gemäßigte Anthropozentrik im Ergebnis die rein anthropozentrischen Ansätze insofern, als sie gewissermaßen als Zugeständnis an den ökozentrischen Ansatz die Umwelt als eigenständiges Schutzobjekt anerkennt, diese aber letztendlich nicht um ihrer selbst willen, sondern in ihrer Funktion als „elementare Lebensgrundlage des Menschen“ und damit um des Menschen willen bewahren will. Als bedeutendstes Korrektiv dient hierbei der Gedanke intergenerationeller Gerechtigkeit, der bereits bei der Entstehung des com­ mon concern-Gedankens im Beringsee-Robbenstreit im Jahr 1893 vorgetragen wurde3 und zudem in sämtlichen für das common concern of humankind-Prinzip bedeutsamen Völkerrechtsdokumenten verankert wurde, wonach die jeweiligen Umweltgüter nicht nur für gegenwärtige, sondern auch für zukünftige Generationen der Menschheit zu schützen sind.  Siehe Zweiter Teil, Kap. IV., S. 4 und 5.  So Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 33. 3  Ähnlich Sands/Peel, Principles, 3. Aufl., S. 209. Siehe Dritter Teil, Kap. VII. 1. 1 2

© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_6

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Dritter Teil

Entstehungsgeschichte des common concern of humankind

Bevor die völkerrechtliche Bedeutung des common concern of humankind genauer erörtert wird, soll zunächst ein historisch geordneter Überblick über dessen Herkunft und Entwicklung präsentiert werden. In der völkerrechtlichen Literatur wird die Herkunft des common concern-Begriffs meistens nur am Rande erwähnt. Angesichts der Vielfalt an unterschiedlichen Auffassungen, die in der völkerrechtlichen Literatur zur rechtlichen Bedeutung dieses Prinzips vertreten werden,1 dürfte jedoch – nach der induktiven Methode2 – ein wichtiger Schlüssel zur präzisen Auslegung des common concern of humankind-Begriffs in seiner Entstehungsgeschichte zu finden sein, wie sie sich vor allem in der Vertragspraxis manifestiert hat.3 Zugleich lässt sich in Übereinstimmung mit Artikel 31 und 32 WVK anhand der bisherigen Vertragspraxis auch der gegenwärtige Anwendungsbereich des CCM-­Prin­ zips im geltenden Umweltvölkerrecht abstecken, der gerade aus seiner historischen Entwicklung heraus verständlich wird.4 Darüber hinaus liefert die nachfolgende historische Betrachtung  – unter Einbeziehung der Entwicklungsgeschichte des common heritage-Grundsatzes  – ein Fundament für den Nachweis des common concern-Prinzips und dessen spätere Abgrenzung zum common heritage-­Prinzip.5 Überdies liefert die Sichtung des „historischen Materials“ eine Grundlage für die Beantwortung der weiterführenden Frage, ob und inwieweit der common concern of humankind-Grundsatz bereits zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt ist und somit ein universell gültiges Prinzip darstellt.6 Schließlich ergibt ein Blick zurück auf die bisherige geschichtliche Entwicklung des common concern-Prinzips möglicher-

 Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIV. 1.  Siehe zu dieser Methode Erster Teil, Kap. II. 3  Siehe dazu die Ausführungen weiter unten im Dritten Teil, Kap. IV. 1. 4  Siehe Zweiter Teil, Kap. VI. und Vierter Teil, Kap. XI., XII. und XIV. 5  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 6  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. a). 1 2

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Dritter Teil  Entstehungsgeschichte des common concern of humankind

weise einige Anhaltspunkte, anhand derer sich bei einem Blick nach vorn eine zukünftige Weiterentwicklung jenes Prinzips skizzieren lässt.7 Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden zunächst in einem ersten Schritt die älteren Wurzeln des Begriffs common concern bis in die frühen Anfänge des Umweltvölkerrechts zurückverfolgt (I). Anschließend werden in einem zweiten Schritt Herkunft, historische Entwicklung und die bisherigen Anwendungsfälle des sowohl entstehungsgeschichtlich als auch völkerrechtsdogmatisch eng mit dem CCM-Prinzip verbundenen common heritage of mankind-Prinzips in der Vertragspraxis dargestellt und dessen gegenwärtige völkerrechtliche Bedeutung skizziert (II). Schließlich werden in einem dritten Schritt die bisherigen Anwendungsfälle des common concern of humankind-Prinzips in der Vertragspraxis des modernen Umweltvölkerrechts herausgearbeitet und bewertet (III).

 Siehe Vierter Teil, Kap. XII. sowie Kap. XVI. (Zusammfassung und Ausblick).

7

VII. Die älteren Wurzeln des Begriffs common concern

Sofern sich in der völkerrechtlichen Literatur überhaupt Ausführungen zur Entstehung des CCM-Prinzips auffinden lassen, so verweisen diese in den meisten Fällen auf den Vorschlag von Kiss aus dem Jahre 1983, das Prinzip des common heritage of mankind auch auf Umweltgüter wie die Ozonschicht, das Klima und die Biodiversität auszuweiten.1 Seine Überlegungen standen in der Tradition eines erheblich weiter gefassten Begriffs des common heritage of mankind,2 der auch globale Umweltprobleme umfassen sollte und auf die „deduktive“ Methode der Völkerrechtswissenschaft zurückgeht.3 Derartig verkürzte Darstellungen sehen allerdings über die Tatsache hinweg, dass der Begriff des common concern bereits im 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit umweltvölkerrechtlichen Fragen verwendet wurde und jener dem CCM-Prinzip zugrunde liegende Gedanke sich ebenfalls weit in die Vergangenheit zurückverfolgen lässt.4 Im Vorgriff auf die positiv-völkerrechtliche Analyse sei an dieser Stelle bereits erwähnt, dass der Begriff des common concern of humankind ein Staatengemeinschaftsinteresse zum Ausdruck bringt und infolgessen die in den jeweiligen umweltvölkerrechtlichen Verträgen verankerten operativen Rechtspflichten in den Rang von erga omnes-Verpflichtungen hebt.5 Wie im Folgenden anhand einiger Beispiele belegt wird, lässt sich sowohl ein „Staatengemeinschaftsinteresse am  Kiss, 175 RdC (1982 II), S. 109 (189 ff.); vgl. zudem ders., International Protection, in: Macdonald/Johnston, Structure and Process, S.  1069 (1084). Vgl. zudem Durner, Common Goods, S. 235. 2  Vgl. Durner, Common Goods, S. 235. 3  Siehe dazu die methodischen Vorbemerkungen weiter oben, Erster Teil, Kap. II. 4  So Durner, Common Goods, S. 235. 5  Siehe hierzu die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIII. 1

© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_7

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VII. Die älteren Wurzeln des Begriffs common concern

Umweltschutz“ – teilweise unter ausdrücklicher Verwendung der common concern-­ Terminologie  – als auch dessen erga omnes-Implikationen bis in die frühen Anfänge des Umweltvölkerrechts zurückverfolgen.6

1. Der Beringsee-Robbenstreit 1893 Die früheste sichtbare Spur eines Staatengemeinschaftsinteresses am Schutz bestimmter Umweltgüter findet sich im Beringsee-Robbenstreit (Pacific Fur Seal Arbitration) aus dem Jahre 1893.7 Dieser Schiedsgerichtsentscheidung zur Frage der internationalen Ressourcenschonung und -verteilung lag ein Rechtsstreit zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika zugrunde, der die Seehundjagd in der Beringsee außerhalb der damals geltenden amerikanischen Dreimeilenzone betraf. Im Allgemeinen kreiste der Fall um die Problematik eines völkerrechtlichen Schutzes solcher natürlicher Ressourcen, die sich ganz oder teilweise außerhalb der Hoheitsgewalt einzelner Staaten befinden.8 Dem Beringsee-Robbenstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nach dem Erwerb Alaskas waren die Vereinigten Staaten bestrebt, den Robbenfang im nordöstlichen Pazifik einzuschränken, um die Ausrottung der Robben zu verhindern.9 Diese kamen in regelmäßigen Abständen für einige Monate auf die zu Alaska gehörenden Pribilof-Inseln im Beringmeer und zogen dort ihre Jungen auf. Dort konnte der Robbenfang zwar ohne weiteres zahlenmäßig limitiert werden. Auf der Hohen See ließ sich der Robbenfang indes nur schwer überwachen.10 Deshalb versuchten die USA zunächst, mit Großbritannien und anderen Staaten11 einen völkerrechtlichen Vertrag zu schließen, welcher zum Schutz der Robben in der Beringsee eine Verringerung derjenigen jährlichen Fangquoten vorsah, die ursprünglich in der North Sea Fisheries Convention von 188212 festgesetzt worden waren.13 Als die Verhandlungen jedoch scheiterten, erließen die Vereinigten Staaten in den Jahren 1886 und 1887 Anordnungen zum Schutz der Robben und versuchten in der Folgezeit, diese 6  Diese geschichtliche Herleitung stammt von Durner, Common Goods, S. 234 ff. Siehe insgesamt zur Entstehungsgeschichte des CCM-Prinzips sogleich, Dritter Teil, Kap. IX. 1. 7  Sog. Pacific Fur Seal Arbitration, Schiedsspruch v. 15. August 1893, in: Moore, History and Digest of the International Arbitrations to which the United States has been a Party, Bd. 1 (1898), S.  775  ff. Diese Darstellung wurde außerdem in jüngerer Zeit reproduziert in: 1 IELR (2000), S. 43. Erstmalig zu diesen frühen Wurzeln des common concern-Begriffs Durner, Common Goods, S. 236 ff. 8  Sands, Principles, 2. Aufl., S. 562. 9  Götz, Robbenfang-Streite, in: WV III, S. 132 f. mit einer ausführlichen Zusammenfassung des gesamten Falles. 10  Götz, Robbenfang-Streite, in: WV III, S. 132. 11  Darunter etwa Deutschland, Frankreich, Japan, Russland, Schweden und Norwegen. 12  North Sea Fisheries Convention v. 6. Mai 1882, abgedruckt in: Parry (Hrsg.), 160 Consolidated Treaty Series, S. 219. 13  Sands, Principles, 2. Aufl., S. 562.

1. Der Beringsee-Robbenstreit 1893

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Schutzbestimmungen auch außerhalb ihrer Küstengewässer durchzusetzen.14 In den Jahren 1886 und 1889 setzten amerikanische Militärschiffe sodann in Britisch-­ Kolumbien beheimatete englische Robbenfänger auf Hoher See fest und belegten sie wegen deren Verstöße gegen die amerikanischen Robbenschutzbestimmungen mit empfindlichen Strafen.15 Zur Begründung führten die USA aus, sie seien aufgrund ihrer Hoheitsrechte dazu berechtigt, die Seehunde auch dann zu schützen, wenn diese außerhalb der amerikanischen Drei-Seemeilen-Zone gejagt würden.16 Nach langen Verhandlungen setzten die USA und Großbritannien im Jahre 1892 ein Schiedsgericht ein, das nicht nur den Streit entscheiden, sondern auch geeignete Vorschriften zum Schutz der Robben erarbeiten sollte.17 Von entscheidender Bedeutung für den Nachweis älterer Wurzeln des CCM-­ Prinzips sind hierbei insbesondere die seitens der Vereinigten Staaten im Schiedsgerichtsverfahren vorgetragenen Kernargumente. Die Vereinigten Staaten machten zunächst Hoheitsrechte über die Beringsee oder jedenfalls (hilfsweise) über die dort befindlichen Seehunde geltend. Weil diese nämlich wiederholt in amerikanische Hoheitsgewässer zurückkehrten, um dort zu brüten, würden sie sich auch auf der Hohen See mit dem Willen aufhalten, wieder auf US-amerikanisches Territorium zurückzukehren. Ihrer Lebensweise wegen seien die Robben daher nicht herrenlos. Vielmehr seien Tiere mit einem solchen regelmäßigen „Rückkehrwillen“ („animus revertendi“) wie gezähmte Tiere zu behandeln, sodass die Vereinigten Staaten eigene Hoheitsrechte über die Robben in der Beringsee ausüben könnten.18 Selbst für den Fall, dass den Vereinigten Staaten keine Hoheitsrechte über die Seehunde zustünden, seien sie dennoch berechtigt, diese notfalls auch unter Anwendung von Gewalt zu beschützen;19 denn angesichts der Tatsache, dass die Seehunde innerhalb US-amerikanischen Territoriums hervorgebracht worden seien und eine werthaltige Ressource und Einkommensquelle der amerikanischen Fischereiwirtschaft darstellen würden, hätten die Vereinigten Staaten ein berechtigtes Interesse an deren Erhaltung und seien daher berechtigt, sie vor mutwilliger Zerstörung zu schützen.20 Diese erste Argumentationskette wurde allerdings vom Schiedsgericht zurückgewiesen. In einer zweiten Argumentationslinie beriefen sich die Vereinigten Staaten nun – wesentlich gemeinwohlorientierter – auf das „gemeinsame Interesse der Menschheit“ („common interest of mankind“)21 und damit auf einen Begriff, der nicht bloß  Götz, Robbenfang-Streite, in: WV III, S. 132.  Götz, Robbenfang-Streite, in: WV III, S. 132 f. 16  Birnie/Boyle/Redgewell, Environment, S. 707. 17  Siehe Götz, Robbenfang-Streite, in: WV III, S. 133. 18  Pacific Fur Seal Arbitration, S. 811 f., 839, 883 f. Siehe dazu auch bereits Birnie/Boyle/Redgewell, Environment, S. 707; Sands, Principles, 2. Aufl., S. 563 f.; Götz, Robbenfang-Streite, in: WV III, S. 133 und grundlegend wiederum Durner, Common Goods, S. 236 f. 19  Sands, Principles, 2. Aufl., S. 563 f. 20  Pacific Fur Seal Arbitration, S. 811 f.; siehe außerdem Birnie/Boyle/Redgewell, Environment, S. 707; siehe ferner Sands, Principles, 2. Aufl., S. 563 f. 21  Pacific Fur Seal Arbitration, S. 811; siehe zu diesem Begriff zudem die späteren Ausführungen 14 15

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VII. Die älteren Wurzeln des Begriffs common concern

terminologisch, sondern auch inhaltlich eine große Ähnlichkeit mit dem Kerngedanken des common concern aufweist:22 Der bloße Zugang zur Hochsee – so argumentierten die Vereinigten Staaten – gewähre keinem Staat das Recht, die dortigen Ressourcen einschließlich der Seehunde unbegrenzt auszubeuten und dadurch zugleich mittelbar andere Staaten zu schädigen.23 Nur die Vereinigten Staaten seien praktisch in der Lage, die Seehunde effektiv zu schützen. Daher seien sie als „Treuhänder der gesamten Menschheit“ berufen, zu deren Wohl es ihnen erlaubt sein müsse, Schutzmaßnahmen für die Robben zu ergreifen und den Fang durch andere Staaten notfalls zu unterbinden.24 Getragen war diese Argumentation von der Überzeugung, dass die rein juristisch konstruierte Herrschaft der menschlichen Staatenwelt über Naturgüter der Erde begrenzt sei, weil einzelne Nationen nie absolute Eigentümer sein könnten; denn selbst ein Hoheitstitel sei stets gepaart mit einer Treuhänderschaft zum Wohle der gesamten Menschheit („nations are not made the absolute owners; their title is coupled with a trust for the benefit of mankind“).25 Überdies argumentierten die Vereinigten Staaten, den Robbenbestand als Treuhänder für künftige Generationen zu schützen: „The earth was designed das the permanent abode of man through ceaseless generations. Each generation, as it appears upon the scene, is entitled only to use the fair inheritance. It is against the law of nature that any waste should be committed to the disadvantage of succeeding tenants. (…) That one generation may not only consume or destroy the annual increase of products of the earth, but the stock also, thus leaving an inadequate provision for the multitude of successors which it brings to life, is a notion so repugnant to reason as scarcely to need formal refutation.“26

Das in den späteren Völkerrechtsdokumenten zum common concern of humankind-Begriff ausdrücklich niedergelegte philosophische Konzept einer „intergenerationellen Gerechtigkeit“ lässt sich somit ebenfalls bereits auf die frühe Entstehung des common concern of humankind-Ansatzes zurück führen. Großbritannien antwortete darauf mit dem herkömmlichen und wesentlich pragmatischeren Argument, die Seehunde stünden nicht im Eigentum der Vereinigten Staaten, sondern hätten vielmehr als Teil der Hohen See entweder den völkerrechtlichen Status einer res communis oder den einer res nullius, sodass auch Großbritannien das Recht zustehe, die Seehunde auf hoher See zu jagen.27 Daraufhin konterten im Dritten Teil, Kap. IV. 22  Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 236. 23  Pacific Fur Seal Arbitration, S. 845 f.; vgl. dazu Durner, Common Goods, S. 236. 24  Pacific Fur Seal Arbitration, S. 813 f.: „That the United States, possessing as they alone possess, the power of preserving and cherishing this valuable interest, are in a most and just sense the trustee thereof for the benefit of mankind and should be permitted to discharge their trust without hindrance.“ Vgl. dazu Durner, Common Goods, S. 236. 25  Pacific Fur Seal Arbitration, S. 853. 26  Zitiert nach Weston/Bach, Recalibrating the Law of Humans with the Laws of Nature: Climate Change, Human Rights and Intergenerational Justice, S. 38. Zitiert auch von Spier, Philosophy, Law and Environmental Crisis, in: Papaux/Zurbuchen (Hrsg.), Intergenerational Equity: an aspiration or an effective weapon?, S. 69. 27  Pacific Fur Seal Arbitration, S. 816: „The Behring Sea (is) an open sea in which all nations of

2. Umweltverbrechen nach dem ersten Entwurf der ILC zur Staatenverantwortlichkeit

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wiederum die Vereinigten Staaten, „frei“ sei die Hohe See nur für „unschuldige und harmlose Nutzungen“, nicht aber für Ausbeutungen, welche „(…) die billigen Interessen aller anderen angrenzenden Staaten verletzen“.28 Zwar wies das Schiedsgericht eine solche „Exklusivzuständigkeit“ des selbst ernannten amerikanischen „Treuhänders der gesamten Menschheit“ aus naheliegenden Gründen zurück; doch griff es inhaltlich durchaus die Idee eines „gemeinsamen Interesses der Menschheit“ auf, auch wenn diese Formulierung in den Urteilsgründen nicht explizit auftaucht.29 Nachdem das Schiedsgericht alle Hoheitsansprüche der Vereinigten Staaten abgelehnt und damit zugleich das Regime der Meeresfreiheit bestätigt hatte,30 erlegte es den Parteien eine Liste mit Schutzmaßnahmen auf, deren „Abarbeitung“ es als „notwendig“ für den Schutz und den Erhalt der Tiere bezeichnete.31 Somit hat das Schiedsgericht letztlich in der Sache den argumentativen Ansatz der Vereinigten Staaten – ein Schutz der Robben sei im gemeinsamen Interesse der Menschheit erforderlich  – bestätigt und dadurch zugleich eine „für und gegen alle“ geltende „Schutzpflicht“ sowie ein „Staatengemeinschaftsinteresse am Schutz der Umwelt“ in hoheitsfreien Räumen anerkannt.32

2 . Umweltverbrechen nach dem ersten Entwurf der ILC zur Staatenverantwortlichkeit Auf der Suche nach den völkerrechtlichen Wurzeln des Begriffs common concern of (hu)mankind werden häufig die ursprünglichen Entwürfe der International Law Commission (ILC) zur Kodifikation der Staatenverantwortlichkeit – die sogenannten ILC Draft Articles on State Responsibility – angeführt.33 Bereits im Jahre 1948 hatte die UN-Generalversammlung zur Erfüllung ihres Mandats für die „fortschreitende Entwicklung des Völkerrechts sowie seine Kodifizierung“ gemäß Art.  13 Abs.  1 lit. a) UN-Charta die ILC als Unterorgan mit der Aufgabe eingesetzt, ein the world have the right to fish and navigate (…) and which rights cannot be taken away or restricted by the mere declaration or claim of any one or more nations (…) since they are natural rights which continue to exist to their full extent unless specifically modified, controlled or limited by treaty.“ Siehe ferner Pacific Fur Seal Arbitration, S. 845 f.: „(…) the freedom of the sea (…) The right to come and go upon the high sea without let or hindrance, and to take therefrom at will and pleasure the produce of the sea.“ 28  Pacific Fur Seal Arbitration, S. 845 f.: „(…) the high seas (…) (are) free only for innocent and inoffensive use, not injurious to the just interests of any nation which borders upon it (…)“. 29  Siehe zu dieser Lesart des Urteils Durner, Common Goods, S. 236. 30  Pacific Fur Seal Arbitration, S. 935 ff. 31  Pacific Fur Seal Arbitration, S. 939: „(…) est nécessaire pour l’établissement de Règlements en vue de la protection et de la préservation convenables des phoques á fourrure habitant ou fréquentant la mer de Bering (…)“. 32  So Durner, Common Goods, S. 237. 33  Erstmalig zu dieser weiteren frühen Wurzel des common concern-Begriffs Durner, Common Goods, S. 237.

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VII. Die älteren Wurzeln des Begriffs common concern

Konzept der Staatenverantwortlichkeit für Verstöße gegen grundlegende Gemeinschaftswerte zu schaffen.34 Nachdem die ILC bereits seit dem Jahre 1962 gemeinsam mit dem Sechsten Ausschuss der UN-Generalversammlung an einer Kodifikation der Staatenverantwortlichkeit gearbeitet hatte, legte sie im Jahre 1973 einen ersten Entwurf vor, der im Jahre 1976 geringfügig modifiziert und schließlich im Jahre 1996 nach langwierigen und kontroversen Debatten in erster Lesung letztendlich einstimmig angenommen wurde.35 Dieser erste Entwurf unterschied in Art. 19 unter dem Oberbegriff des „internationally wrongful act“ zwischen einem gewöhnlichen „international delict“ (Abs. 4) und einem besonders schwerwiegenden „international crime“ (Abs.  2 und 3).36 Jene zuletzt genannten völkerrechtlichen Staatsverbrechen (international crimes of State) sollten demnach eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten begründen, wenn diese gegen grundlegende Gemeinschaftswerte verstoßen, die eng mit dem Konzept der Verpflichtungen erga omnes verwandt sind.37 Zunächst stellte Art. 19 Abs. 1 a.F. klar, dass jeder Verstoß eines Staates ge­ gen eine völkerrechtliche Verpflichtung unabhängig vom Inhalt der jeweiligen Verpflichtung als völkerrechtswidrig zu qualifizieren sei. Anschließend definierte Art. 19 a.F. in Abs. 2 allgemein den Begriff des „internationalen Verbrechens“ als einen Verstoß gegen solche Pflichten, die so wesentlich für den Schutz grundlegender Interessen der internationalen Gemeinschaft seien, dass ihre Verletzung von dieser international community als ein Verbrechen gegen die Gemeinschaft als Gesamtheit angesehen werde: „1. An act of a State which constitutes a breach of an international obligation is an internationally wrongful act, regardless of the subject-matter of the obligation breached. An internationally wrongful act which results from the breach by a State of an international obligation so essential for the protection of fundamental interests of the international community that its breach is recognized as a crime by that community as a whole constitutes an international crime.“38

Sodann nannte Abs. 3 einige Regelbeispiele für das Vorliegen eines solchen international crime, die allerdings weder verbindlich („may result“, „on the basis of the rules of international law in force“) noch abschließend („inter alia“) sein sollten. In jedem dieser Regelbeispiele wurde außerdem verlangt, dass es sich um eine „schwere Verletzung“ („a serious breach“) einer „internationalen Verpflichtung von  Siehe dazu Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 386 f.  Siehe zur Kodifikationsgeschichte bis zum Jahre 1988 die Aufbereitung von Spinedi, in: Weiler/ Cassese/Spinedi, International Crimes of State, S. 1–138. Siehe außerdem zur späteren Entwicklung die Ausführungen von Crawford, ILC Commentary, S. 1–60; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 386–413; Graaff, Staatenverantwortlichkeit, S. 18 ff. 36  International Law Commission, Draft Articles on State Responsibility Part 2, Report of the ILC to the United Nations General Assembly, UN-Doc. A/44/10 (1989). Siehe zuletzt: Draft articles on State responsibility, provisionally adopted by the Commission on first reading, ILC Yearbook 1996 II/2, S. 60. 37  Siehe Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 386 f. 38  Draft articles on State responsibility, provisionally adopted by the Commission on first reading, ILC Yearbook 1996 II/2, S. 60. 34 35

2. Umweltverbrechen nach dem ersten Entwurf der ILC zur Staatenverantwortlichkeit

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essentieller Bedeutung“ („an international obligation of essential importance“) handelt. Eine frühe Wurzel des späteren common concern of humankind-Prinzips könnte man durchaus in Art. 19 Abs. 3 lit. d) a.F. sehen, wo das Regelbeispiel einer schwerwiegenden Verletzung von völkerrechtlichen Umweltschutzpflichten niedergelegt wurde und insbesondere massive Verschmutzungen der Atmosphäre oder der See als „Bruch essentieller Verpflichtungen“ und somit als „internationale Verbrechen“ eingestuft wurden: „3. Subject to paragraph 2 (…), an international crime may result, inter alia, from: (…) d. a serious breach of an international obligation of essential importance for the safe­ guarding and preservation of the human environment, such as those prohibiting massive pollution of the atmosphere or of the seas (…).“39

Obwohl gerade Art. 19 a.F. als einer der umstrittensten Vorschläge der Kommission galt,40 lässt sich dieser Vorschrift jedenfalls die eindeutige Aussage entnehmen, dass die ILC bereits zum damaligen Zeitpunkt ein „Gemeinschaftsinteresse“ aller Staaten in besonders wichtigen Fragen des Umweltschutzes als Bestandteil der geltenden Völkerrechtsordnung ansah.41 Zwar wurde jener Artikel des ersten Entwurfs im Jahre 2000 im weiteren Kodifikationsprozess gestrichen. Für die geschichtliche Herkunft des common concern-Prinzips bleibt die Vorschrift trotzdem bedeutsam, weil sie unter anderem eine Verantwortlichkeit aller Staaten für sogenannte „Umweltverbrechen“ normiert und insofern  – ähnlich wie das oben behandelte Urteil des Schiedsgerichts im Beringsee Robbenstreit aus dem Jahre 189342 – ein Staatengemeinschaftsinteresse am globalen Umweltschutz zum Ausdruck bringt. Ersetzt wurde Art. 19 a.F. im weiteren Kodifikationsverlauf durch Art. 41 ASR, der gemeinsam mit den Artt. 40, 42 und 49 ASR festlegt, welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen fundamentale völkerrechtliche Pflichten nach sich zieht.43 Insbesondere taucht in den Artt. 40 ff. der letztendlich im Jahre 2005 kodifizierten Articles on State Res­ ponsibility das Regelbeispiel des Umweltverbrechens nicht mehr auf.44 Aus dieser Entwicklung kann allerdings aus mehreren Gründen keinesfalls geschlossen werden, die ILC würde den Schutz der Menschheit vor bestimmten globalen Umweltbelastungen mittlerweile nicht mehr als gemeinsames Anliegen der Staatengemeinschaft ansehen: Zunächst einmal wurde Art. 19 a.F. vor allen Dingen gestrichen, weil der Begriff des „Staats-Verbrechens“ für schwere Verletzungen wichtiger Normen des Völkerrechts strafrechtliche Assoziationen weckte, somit im völkerrechtlichen System gleichberechtigter Staaten ohne Souverän deplatziert erschien und daher letztlich

 Draft articles on State responsibility, provisionally adopted by the Commission on first reading, ILC Yearbook 1996 II/2, S. 60. 40  Vgl. dazu statt vieler nur die zahlreichen kritischen Beiträge bei Weiler/Cassese/Spinedi (Hrsg.), International Crimes of State. A Critical Analysis of the ILC’s Draft Art. 19 on State Responsibility (1989). 41  Siehe Durner, Common Goods, S. 237. 42  Siehe Dritter Teil, Kap. VII. 1. 43  Articles on State Responsibility, abgedruckt bei Crawford, ILC Commentary, S. 61–73. 44  Articles on State Responsibility, abgedruckt bei Crawford, ILC Commentary, S. 61–73. 39

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VII. Die älteren Wurzeln des Begriffs common concern

nicht konsensfähig war.45 Überdies wollte der Begriff des international crime nicht so recht zu den Rechtsfolgen passen, welche der Entwurf für jene Verstöße vorsah.46 Zu unbestimmt und vage definierte Art. 19 Abs. 2 und 3 a.F. den Begriff des internationalen Staatenverbrechens und vermochte daher noch nicht einmal den minimalen Bestimmtheitsanforderungen gerecht zu werden, die nach dem nullum crimen sine lege-Grundsatz auch an eine „strafrechtliche Verurteilung“ von Staaten gestellt werden müssten.47 Jedenfalls entfiel mit dem Wegfall der Differenzierung zwischen dem Normalfall des international delict und dem Ausnahmefall des international crime zugleich das Bedürfnis, anhand von Regelbeispielen entsprechende Abgrenzungskriterien zu normieren. Wie wir noch sehen werden, lässt sich außerdem eine „gemeinsame Sorge der Menschheit“ im Hinblick auf die Bekämpfung bestimmter globaler Umweltbelastungen, wie sie etwa in der Klimarahmenkonvention und der Biodiversitätskonvention zum Ausdruck kommt, ohnehin unter den Begriff des Staatengemeinschaftsinteresses „subsumieren“, der dem erga omnes-Konzept der Artt. 40 ff. ASR zugrunde liegt.48 Vor diesem Hintergrund bedeutet die Streichung von Art.  19 a.F. keinesfalls eine Abkehr von einem Staatengemeinschaftsinteresse am globalen Umweltschutz, sondern passt zu einem modernen Umweltvölkerrecht, das weder ein pauschales Menschenrecht auf gesunde Umwelt noch ein common concern of humankind im Hinblick auf die Umwelt „als Ganzes“ anerkennt,49 stattdessen aber bestimmte, für das Überleben der Menschheit besonders wichtige Umweltgüter herausgreift und einem besonderen völkerrechtlichen Schutz unterstellt.50

3. Common concern in frühen umweltvölkerrechtlichen Verträgen Schließlich hat sich der Gedanke eines „Staatengemeinschaftsinteresses am Umweltschutz“ auch in einer Vielzahl völkerrechtlicher Verträge niedergeschlagen, die größtenteils51 bereits vor der UN-Umweltkonferenz von Stockholm im Jahre 1972 –  Siehe statt vieler nur Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 389.  Siehe erneut Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 389. Siehe auch Simma, 24 AVR (1986), S. 378 f.; Crawford, ILC Commentary, S. 18 f.; Zemanek, 266 RdC (1997), S. 258 Z. 534; hervorgehoben wurde dies außerdem bereits seit 1976 von einigen, insb. westlichen, Staaten; siehe die entsprechenden Nachweise bei Spinedi, in: Weiler/Cassese/Spinedi (Hrsg.), International Crimes of State, S. 44–54, insb. Fn. 133 und 134. 47  So Crawford, ILC Commentary, S. 18 f. 48  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 49  Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 5. 50  Siehe auch Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 489. Auf die Staatenverantwortlichkeit nach den gegenwärtigen Artt. 40  ff. ASR wird weiter unten im Dritten Teil der Arbeit ausführlicher zurückzukommen sein, wenn die Rechtsfolgen des common concern of humankind-Prinzips erörtert werden. Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. und XV. 51  Ausnahmen sind insoweit das Washingtoner Artenschutzabkommen (1973), das Bonner Artenschutzabkommen (1979) sowie das Baseler Übereinkommen (1989), deren Kodifizierung aller-

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3. Common concern in frühen umweltvölkerrechtlichen Verträgen

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der „Geburtsstunde des modernen Umweltvölkerrechts“  – abgeschlossen wurden und daher noch aus den Anfängen des Umweltvölkerrechts52 stammen. Einige dieser älteren Internationalen Übereinkommen verwenden den Begriff common concern sogar ausdrücklich, andere nur den in ihm enthaltenen oder zumindest einen inhaltlich ähnlichen Rechtsgedanken. Bereits die Interamerikanische Thunfischkonvention aus dem Jahr 1949 deklariert Thunfisch zum common concern der Vertragsstaaten.53 In einem gleich gelagerten Kontext findet sich der Begriff des common concern auch in Art. II Abs. 8 der International Convention for the High Seas Fisheries of the North Pacific Ocean aus dem Jahre 1952.54 In ähnlicher Weise verpflichten sich die Vertragsstaaten der Nordostatlantischen Fischereikonvention aus dem Jahre 1959 zur Ergreifung diverser Maßnahmen, um die Fischereibestände im Nordostatlantischen Ozean zu sichern, weil jene ein common concern aller beteiligten Vertragsstaaten seien.55 Demnach taucht diese Formulierung auch in völkerrechtlichen Verträgen wesentlich früher auf, als dies bislang oftmals im völkerrechtlichen Schrifttum angenommen wurde.56 Hatte das Aussterben der Fischbestände zunächst noch ein rein lokales Problem dargestellt, so nahm in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Plünderung der Meere weitaus größere Ausmaße an, und viele Staaten erkannten, dass es in ihrem gemeinsamen Interesse lag, Maßnahmen zur Erhaltung der Fischereibestände zu

dings bereits wesentlich früher, nämlich kurze Zeit vor bzw. nach der Stockholm-Konferenz vorbereitet wurde. 52  Unter jenen frühen Anfängen des Umweltvölkerrechts wird  – mit den meisten Autoren  – im Wesentlichen das Zeitalter des zwischenstaatlichen völkerrechtlichen Nachbarrechts und der ersten regionalen und internationalen Abkommen zum Artenschutz und zur Ressourcennutzung verstanden. Siehe zu dieser Einteilung statt vieler etwa Kiss/Shelton, International Environmental Law, S.  39–67; Kornicker, ius cogens, S.  139; Proelß, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg), Völkerrecht, 7. Aufl., S. 414 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, S. 636 ff. 53  Convention for the Establishment of an Inter-American Tropical Tuna Commission (Washington 1949), 80 UNTS, 3 ff., Präambel: „The United States of America and the Republic of Costa Rica considering their mutual interests in maintaining the populations of yellowfin and skipjack tuna and of other kinds of fish taken by tuna fishing vessels in the eastern Pacific Ocean which by reason of continued use have come to be of common concern (…)“; ähnlich lautet Art. 1 Abs. 11 Satz 1: „Each High Contracting Party shall be entitled to establish an Advisory Committee for its section to be composed of persons who shall be well informed concerning tuna fishery problems of common concern (…)“. Siehe zudem Durner, Common Goods, S. 237. 54  Siehe Art. II Abs. 8 der International Convention for the High Seas Fisheries of the North Pacific Ocean (Tokyo 1952), 205 UNTS, 65 ff. 55  North-East Atlantic Fisheries Convention (London 1959), 486 UNTS, 157 ff. Abs. 1 der Präambel: „The States Parties to this Convention (…) Desiring to ensure the conservation of the fish stocks and the rational exploitation of the fisheries of the North-East Atlantic Ocean and adjacent waters, which are of common concern to them; have agreed as follows (…).“ 56  Siehe statt vieler nur Kiss/Shelton, International Environmental Law, 2. Aufl., S. 13; siehe außerdem French, common concern and common heritage, in: Bowman/Davies/Goodwin (Hrsg.), Biodiversity and Law, S. 334 (347). Auf diese frühe Begriffsverwendung in völkerrechtlichen Verträgen weist auch bereits Durner, Common Goods, S.  237  f. hin: „Damit ist die Formulierung [common concern] sehr viel älter, als in der Literatur gewöhnlich angenommen wird.“

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VII. Die älteren Wurzeln des Begriffs common concern

ergreifen.57 Allerdings ist zu konstatieren, dass damals zumindest auf dem Gebiet des Fischereirechts statt der common concern-Terminologie  – wie bereits im Beringsee-­Robbenstreit58 – oftmals der weiter gefasste Begriff des common interest („gemeinsames Interesse“) verwendet wurde. So verkündet die Präambel der International Convention for the Regulation of Whaling aus dem Jahre 1946, die Vertragsstaaten würden ein „Interesse der Welt“ („interest of the world“) an der Bewahrung natürlicher Ressourcen am Beispiel der Walfischbestände anerkennen und es liege daher im „common interest“, so schnell wie möglich eine optimale Menge an Walfischbeständen zu sichern.59 Auch die Vertragsstaaten der zuvor bereits erwähnten International Convention for the High Seas Fisheries of the North Pacific Ocean aus dem Jahre 1959 verkündeten in ihrer Präambel, jene dort vereinbarten Umweltschutzmaßnahmen würden nicht nur den gemeinsamen Interessen der Vertragsstaaten, sondern auch dem „common interest of mankind“ am besten dienen.60 Mit einer ähnlichen Formulierung erklärten die Vertragsstaaten in ihrer Präambel zur Convention Concerning Fishing in the Black Sea aus dem Jahre 1959, sie hätten ein „common interest“ an einer schonenden Ausbeutung der Fischereibestände im Schwarzen Meer.61 Daneben gibt es allerdings auch gänzlich untechnische Formulierungen mit der gleichen inhaltlichen Bedeutung: Die Pariser Vogelschutzkonvention aus dem Jahr 1950 spricht eher zurückhaltend davon, die Vögel sollten „im Interesse der Wissenschaft“ sowie des „Schutzes der Natur und der Wirtschaft aller Staaten“ geschützt werden.62 Einen deutlicheren Hinweis auf die Wurzeln des CCM-Prinzips enthalten hingegen die Wortlaute in den Präambeln zur Afrikanischen Naturschutzkonvention aus dem Jahr 1968 („fully conscious that soil, water, flora and faunal resources constitute a capital of vital importance to mankind (…)“)63 oder zum Washingtoner Artenschutzabkommen von 1973,64 die beide ein  Kiss/Shelton, International Environmental Law, 2. Aufl., S. 13.  Siehe dazu bereits die soeben gemachten Ausführungen im Ersten Teil, Kap. VII. 1. 59  Präambel der International Convention for the Regulation of Whaling (Washington 1946), 22 UNTS, 12: „(…) Recognizing the interest of the world in safeguarding for future generations the great natural resources represented by the whale stocks; (…) Recognizing that it is in the common interest to achieve the optimum level of whale stocks as rapidly as possible“. 60  Präambel der International Convention on the High Seas Fisheries of the North Pacific Ocean (Tokyo 1952), 205 UNTS, 65 ff.: „(…) and Believing that it will best serve the common interest of mankind (…)“. 61  Präambel der Convention Concerning Fishing in the Black Sea (Varna 1959), 377 UNTS, 203 ff.: „(…) Having a common interest in the rational utilization of the fishery resources of the Black Sea and in the development of marine fishing (…)“. 62  International Convention for the Protection of Birds (Paris 1950), 638 UNTS, 186 ff., Abs. 2 der Präambel: „Considering that, in the interests of science, the protection of nature and the economy of each nation, all birds should as a matter of principle be protected“. Siehe dazu außerdem Durner, Common Goods, S. 238. 63  African Convention on the Conservation of Nature and Natural Resources (Algier 1968), 1001 UNTS, 4 ff., Abs. 1 der Präambel. 64  Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora (Washington 1973), 12 ILM 1973, 1095 ff., Abs. 1 der Präambel: „Recognizing that the wild fauna and flora in their many beautiful and varied forms are an irreplaceable part of the natural systems on the earth 57 58

3. Common concern in frühen umweltvölkerrechtlichen Verträgen

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Interesse der gesamten Menschheit am Schutz der Biodiversität artikulieren. Implizit befürwortet wird eine „gemeinsame Sorge der Menschheit“ darüber hinaus in der Bonner Artenschutzkonvention aus dem Jahre 1979, in deren Präambel die Vertragsstaaten anerkennen, „that wild animals in their innumerable forms are an irreplaceable part of the earth´s natural system which must be conserved for the good of mankind“.65 Um die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle zu bekämpfen, bemüht das entsprechende Baseler Übereinkommen aus dem Jahr 1989 gar einen „international concern“ der Staatengemeinschaft.66 Doch lassen sich in jenen frühen umweltvölkerrechtlichen Verträgen nicht nur der Wortlaut des common concern und die ersten zarten Wurzeln seines Rechtsgedankens freilegen. An einigen der untersuchten Übereinkommen lässt sich auch ablesen, dass die beiden charakteristischen philosophischen Grundlagen des common concern of humankind-Prinzips67  – nämlich erstens ein gemäßigt anthropozentrischer Ansatz und zweitens die Idee einer intergenerationellen Gerechtigkeit68 – bereits geraume Zeit vor der Stockholm-Konferenz (1972) in völkerrechtlicher Form niedergeschrieben wurden. So verdeutlichen Wortlaut, telos und Kontext der meisten angeführten Umweltschutzübereinkommen, dass die jeweiligen Naturgüter keineswegs um ihrer selbst willen, sondern im Wesentlichen für die Menschheit („mankind“) bewahrt werden.69 Zwar wird durchaus ein Eigenwert der jeweiligen Naturgüter anerkannt, bewahrt werden sie aber letztendlich, um der Menschheit ihre „natürlichen Lebensgrundlagen“, ihre „Um-Welt“ zu erhalten. Flankiert wird dieser which must be protected for this and the generations to come“. 65  Präambel der Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals (Bonn 1979), abgedruckt im BGBl. 1984 II, S. 618. 66  Convention on the Control of Transboundary Movements of Hazardous Waste (Basel 1989), 28 ILM 1989, 657 ff. Abs. 13 der Präambel: „Aware also of the growing international concern about the need for stringent control of transboundary movement of hazardous wastes (…)“. Siehe Durner, Common Goods, S. 238 f. 67  Siehe Zweiter Teil. 68  Siehe dazu die ausführlichen Darlegungen im Ersten Teil, insb. in Kap. V. 4. 69  Siehe etwa erneut die Präambel der International Convention on the High Seas Fisheries of the North Pacific Ocean (Tokyo 1952), 205 UNTS, 65 ff.: „(…) and Believing that it will best serve the common interest of mankind (…)“; siehe außerdem den Wortlaut der Präambel zur International Convention for the Regulation of Whaling (Washington 1946), abgedruckt im BGBl. 1982 II, S. 559: „(…) Recognizing the interest of the world in safeguarding for future generations the great natural resources represented by the whale stocks; (…) Recognizing that it is in the common interest to achieve the optimum level of whale stocks as rapidly as possible“; vgl. ferner Abs. 1 der Präambel zur African Convention on the Conservation of Nature and Natural Resources (Algier 1968), 1001 UNTS, 4 ff.: „(…) Fully conscious that soil, water, floral and faunal resources constitute a capital of vital importance to mankind (…) Fully conscious of the ever-growing importance of natural resources from an economic, nutritional, scientific, educational, cultural and aesthetic point of view (…) accepting that the utilization of the natural resources must aim at satisfying the needs of man according to the carrying capacity of the environment (…) Desirous of undertaking (…) joint action (…) for the present and future welfare of mankind (…)“. Vgl. schließlich die Präambel zur Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals (Bonn 1979), abgedruckt im BGBl. 1984 II, S. 618: „(…) wild animals (…) must be conserved for the good of mankind.“

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VII. Die älteren Wurzeln des Begriffs common concern

gemäßigt anthropozentrische Ansatz zudem in einigen dieser frühen völkerrechtlichen Verträge bereits von dem philosophischen Gedanken, die jeweiligen Umweltgüter nicht nur zum Wohle der gegenwärtigen Menschheitsgeneration, sondern auch zum Wohle der zukünftigen Generationen zu bewahren und durch die Berücksichtigung jener temporalen Dimension eine intergenerationelle Gerechtigkeit anzustreben. So verkündet bereits die Präambel der International Convention for the Regulation of Whaling (1946), die Vertragsstaaten würden ein „Interesse der Welt“ („interest of the world“) anerkennen, die Walfischbestände „for future generations“ zu sichern.70 Außerdem sollen nach der Afrikanischen Naturschutzkonvention (1968) ausweislich ihrer Präambel die jeweiligen Naturgüter „for the present and future welfare of mankind“ bewahrt werden.71 Auf ähnliche Weise wird sodann in der Präambel des Washingtoner Artenschutzabkommens von 1973 hervorgehoben, zu schützen seien die vom Aussterben bedrohten Arten „for this and the generations to come“.72 Schließlich formuliert auch die Präambel der Bonner Artenschutzkonvention (1979) in sehr allgemeinen Worten, „that each generation of man holds the resources of the earth for future generations and has an obligation to ensure that this legacy is conserved and, where utilized, is used wisely (…)“ und steht damit im Geiste der intergenerationellen Gerechtigkeit.73

4. Zwischenbetrachtung Wie der bisherige Blick zurück auf die Herkunft des common concern of humankind-­ Prinzips offen gelegt hat, verfügt dieses Prinzip über eigenständige historische Wurzeln und hat daher eine eigene Entstehungsgeschichte. Sowohl der Begriff des common concern als auch der Gedanke, bestimmte Umweltgüter im gemeinsamen Interesse der gesamten Menschheit zu bewahren, reichen weit bis in die frühen Anfänge des Umweltvölkerrechts zurück. Vergleicht man die drei Bereiche aus dem frühen Stadium des Umweltvölkerrechts, in denen der common concern-Gedanke auftaucht, so ergibt sich allerdings zunächst ein noch recht uneinheitliches und unscharfes Bild. Während es im Beringsee-Robbenstreit aus dem Jahre 1893 nicht nur um einen Schutz der Robben „im gemeinsamen Interesse der Menschheit“, sondern gerade auch um die Verteilung der wirtschaftlich werthaltigen Meeresressourcen 70  Präambel der International Convention for the Regulation of Whaling (Washington 1946), abgedruckt im BGBl. 1982 II, S. 559: „(…) Recognizing the interest of the world in safeguarding for future generations the great natural resources represented by the whale stocks; (…) Recognizing that it is in the common interest to achieve the optimum level of whale stocks as rapidly as possible“. 71  African Convention on the Conservation of Nature and Natural Resources (Algier 1968), 1001 UNTS, 4 ff., Abs. 6 der Präambel. 72  Siehe erneut Abs. 1 der Präambel zur Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora (Washington 1973), 12 ILM 1973, 1095 ff.: „Recognizing that the wild fauna and flora in their many beautiful and varied forms are an irreplaceable part of the natural systems on the earth which must be protected for this and the generations to come“. 73  Siehe Zweiter Teil, Kap. V. 4.

4. Zwischenbetrachtung

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ging, zielen sowohl Art. 19 Abs. 3 lit. d) a.F. ARS74 als auch sämtliche zuvor aufgeführten umweltvölkerrechtlichen Übereinkommen75 ausschließlich auf den Schutz und nicht auf eine gerechte Verteilung der jeweiligen Umweltgüter ab. Des Weiteren wurde im frühen Umweltvölkerrecht weder der Begriff des common interest noch derjenige des common concern terminologisch einheitlich verwendet. So war einerseits im Beringsee-Robbenstreit von einem „gemeinsamen Interesse der Menschheit“ und in einigen der angeführten völkerrechtlichen Verträge von einem gemeinsamen Interesse der jeweiligen Vertragsstaaten oder der gesamten Menschheit die Rede.76 Andererseits bezeichnen wiederum andere völkerrechtliche Verträge die Bewahrung des jeweiligen Umweltgutes als common concern, ohne dass ein sachlicher Grund für diese terminologische Unterscheidung erkennbar wäre.77 Anders als die später zu untersuchenden multilateralen Völkerrechtsdokumente des modernen Umweltvölkerrechts (Klimarahmenkonvention und Biodiversitätskonvention) haben außerdem sämtliche einschlägigen umweltvölkerrechtlichen Verträge vor der Stockholm-Konferenz aus dem Jahre 1972 ausschließlich die Bewahrung bestimmter regionaler Umweltgüter zum Gegenstand und wurden daher nur zwischen den unmittelbar betroffenen Staaten aus der jeweiligen Region abgeschlossen. Schließlich geht es in fast allen diesen Verträgen um die Bewahrung von Fischereibeständen, die sich außerhalb staatlicher Hoheitsgebiete, das heißt überwiegend in den sogenannten staatsfreien Räumen befinden. In jenem frühen Entwicklungsstadium des common concern-Begriffs gibt es somit durchaus noch gewisse Überschneidungen mit dem common heritage-Ansatz.78 Dennoch verfügt der common concern-­Grundsatz über eine eigenständige Entwicklungsgeschichte, die weit bis in die frühen Anfänge des Umweltvölkerrechts zurückreicht.79

 Draft articles on State responsibility, provisionally adopted by the Commission on first reading, ILC Yearbook 1996 II/2, S. 60 ff. 75  Siehe Dritter Teil, Kap. VII. 3. 76  Siehe Dritter Teil, Kap. VII. 1.–3. 77  Siehe Dritter Teil, Kap. VII. 3. 78  Diese Beobachtungen werden wieder aufgegriffen, wenn im weiteren Verlauf der Arbeit die Entwicklung des common concern of humankind-Prinzips in der Vertragspraxis des modernen Umweltvölkerrechts (Dritter Teil, Kap.  IX.) und dessen räumlich-funktionaler Anwendungsbereich gerade auch in Abgrenzung zum common heritage of mankind-Prinzip (Vierter Teil, Kap. XII.) untersucht werden. 79  Siehe zu dieser geschichtlichen Herleitung aus den frühen Anfängen des Umweltvölkerrechts erneut Durner, Common Goods, S. 235 ff. 74

VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

Trotz dieser eigenständigen Wurzeln des CCM-Prinzips steht seine begriffliche Herkunft zweifellos in einem engen Zusammenhang mit der Idee eines gemeinsamen Erbes der Menschheit (common heritage of mankind  – nachstehend CHM). Sowohl für das Verständnis der rechtsgeschichtlichen Herkunft und weiteren Entwicklung des CCM-Prinzips als auch seiner positiv-völkerrechtlichen Bedeutung ist es daher unerlässlich, die Entwicklungsgeschichte des common heritage-Prinzips (1) und den gegenwärtigen Stand der Diskussion über seine völkerrechtliche Bedeutung (2) wenigstens in Grundzügen zu skizzieren. Hierdurch soll nicht bloß die historische Entwicklung des common concern-­ Prinzips besser verständlich gemacht werden. Mit den nachfolgenden Darlegungen zum common heritage-Prinzip soll vor allen Dingen auch eine weitere historische Grundlage geschaffen werden, auf welcher sich Anwendungsbereich und Inhalt des common concern-Prinzips herausarbeiten lassen. Dies gilt umso mehr, als der Begriff des common concern of humankind in seinen beiden bisherigen völkervertraglichen Anwendungsfällen – Klimaschutz und Schutz der Biodiversität – als „Verlegenheitslösung“ aus der Not heraus geboren wurde, weil man sich nicht darauf einigen konnte, den in seinen Rechtsfolgen weiterreichenden Grundsatz des gemeinsamen Erbes der Menschheit anzuwenden. Will man Inhalt und Anwendungsbereich des common concern-Prinzips möglichst präzise ermitteln, so ist es unerlässlich, der Frage nachzugehen, warum einerseits das common heritage-Prinzip in seinen bisherigen vertraglichen Anwendungsfällen verwendet wurde, warum aber andererseits gerade im Zusammenhang mit den globalen Umweltproblemen des Klimawandels und des Artensterbens das common heritage-Prinzip abgelehnt und an seiner Stelle der Begriff des common concern of humankind in den Präambeln der jeweiligen Übereinkommen verankert wurde. Anhand dieser Vertragspraxis lassen sich gewissermaßen die Schnittstellen aufzeigen, an denen der räumlich-­ funktionale Anwendungsbereich des common heritage endet und derjenige des © Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_8

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

common concern beginnt. Aus dieser Zusammenschau soll ersichtlich werden, unter welchen tatsächlichen Umständen und aus welchen rechtlichen Gründen sich das common concern-Prinzip vom common heritage-Prinzip „abgespalten“ und im weiteren Verlauf seiner Entwicklung als eigenständiges Prinzip des modernen Umweltvölkerrechts gleichsam „emanzipiert“ hat. Nimmt man die historische Entwicklung des common heritage-Prinzips in den Blick, so lassen sich rechtsgeschichtliche Ausführungen kaum von Erörterungen zum positiv-völkerrechtlichen ­Anwendungsbereich trennen.1 In die nachfolgende historische Betrachtung des common heritage-­Prinzips werden daher punktuell auch positiv-völkerrechtliche Ausführungen einfließen. Aufgrund des Sachzusammenhangs und zur besseren Darstellung wird außerdem im Anschluss an die Ausführungen zur Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips – gewissermaßen als „Annex“ – ein Überblick über seine gegenwärtige positiv-völkerrechtliche Bedeutung gegeben.2 Einige dieser Ausführungen werden erneut aufgegriffen, wenn im Dritten Teil der Arbeit der räumlich-­funktionale Anwendungsbereich des CCM-Prinzips sowie die völkerrechtliche Bedeutung des common concern-Begriffs erörtert3 und schließlich eine allgemeine Abgrenzung zwischen dem common heritage- und dem common concern of humankind-­Ansatz vorgenommen wird.4

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips Der Gedanke eines „gemeinsamen Erbes“ fand Eingang in die moderne völkerrechtliche Diskussion, als es darum ging, eine neue, „gerechtere“ Nutzungsordnung für die staatsfreien Räume, die sogenannten „global commons“, zu entwickeln.5 Das Prinzip des CHM ist damit letztlich das Produkt einer umfassenden und grundlegenden Debatte über neue Kriterien globaler Verteilungsgerechtigkeit, die zwischen den Antagonisten der sogenannten „industrialisierten“ Welt und der „sich entwickelnden“ Welt sowie den Protagonisten der sozialistischen Länder ausgefochten wurde.6 Ausgangspunkt dieser Debatte war der oben bereits erwähnte Antrag von Pardo vor der UN-Generalversammlung, den Tiefseeboden zum common 1  Auf ähnliche Weise konnte gezeigt werden, dass sich an den positiv-völkerrechtlichen Dokumenten die weiter oben dargelegten philosophischen Grundlagen des CCM-Prinzips „ablesen“ lassen, siehe Zweiter Teil. 2  Siehe Dritter Teil, Kap. VIII. 3  Siehe VierterTeil, Kap. XI. und XIV. 4  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 5  Zur Entwicklungsgeschichte des common heritage of mankind-Prinzips siehe statt vieler nur Wolfrum, Internationalisierung, S. 328 ff. und ders., 43 ZäöRV (1983), 312 (315 ff.). Siehe außerdem Hobe, FS Delbrück, S. 329 ff. 6  So Hobe, FS Delbrück, S. 329. Siehe dazu auch French, common concern and common heritage, in: Bowman/Davies/Goodwin (Hrsg.), Biodiversity and Law, S. 334 (341).

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips

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heritage of mankind zu erklären, der schließlich zur Neuordnung des gesamten Seerechts führen sollte. Als normatives Ergebnis dieser Debatte um eine neue Weltwirtschaftsordnung7 wurde dieses im Zeitpunkt seiner Entwicklung geradezu revolutionäre Prinzip in eine Reihe internationaler Abkommen inkorporiert, so neben dem Mondvertrag von 1979 vor allem in das Seerechtsübereinkommen aus dem Jahre 1982. Vereinzelt wird in der Literatur auch die Auffassung vertreten, das common heritage-Prinzip habe noch wesentlich ältere Ursprünge, die im römischen Recht verwurzelt seien.8 Zwar sind einzelne Aspekte des CHM-Prinzips, insbesondere der „sozialstaatsähnliche“ Umverteilungsgedanke zwischenstaatlicher Solidarität, bereits in früheren nationalen Rechtsordnungen erkennbar.9 Als völkerrechtliches Prinzip ist der common heritage-Ansatz allerdings ein Produkt der Nachkriegsära, das sich zur Lösung spezifischer Konflikte jener Epoche herausgebildet hat und daher ihren Zeitgeist reflektiert.10 Die Ursprünge des common heritage of mankind-­ Prinzips sind im Wesentlichen im Seerecht und im Weltraumrecht zu finden.

a) Das common heritage of mankind-Prinzip im Seerecht Welchen Rechtsstatus der Meeresboden außerhalb des Festlandsockels hat und ob er sich zu Nutzungszwecken aneignen lässt, wurde in der Völkerrechtslehre schon heftig diskutiert, bevor diese Frage mit der Entwicklung entsprechender technischer Möglichkeiten auch praktische Bedeutung erlangte.11 Dominiert wurde diese Debatte in der Ära nach dem Zweiten Weltkrieg von der Ansicht, der Grundsatz der 7  Eine typische Stellungnahme aus der damaligen Zeit findet sich etwa bei Castaneda, The Underdeveloped States and the Development of International Law. 8  So etwa Wiessner, 9 Yale Journal of World Public Order (1983), S. 217, 263 ff. mit der durchaus gewagten Einschätzung, wonach „(…) this concept is novel neither in designation nor in content.“ Gegen diese Sichtweise argumentiert insb. Baslar, Concept, S.  47  ff., der wiederum statt römisch-rechtlicher Grundlagen naturrechtliche Wurzeln nachzuweisen versucht. Siehe ferner Qureshi, 36 Arizona Journal of International Comparative Law (2019), S. 79 (82), dem zufolge das common heritage-Prinzip Wurzeln im res communis und somit im römischen Recht haben soll; a.A. mit überzeugender Begründung Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (176, 178). 9  So etwa Hobe, FS Delbrück, S. 329 ff. 10  Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 182: „Als völkerrechtliches Prinzip jedoch ist das gemeinsame Erbe der Menschheit ein Produkt der Nachkriegsära, das zur Lösung spezifischer Probleme dieser Epoche entwickelt wurde und ihrem Zeitgeist zutiefst verpflichtet ist“. Siehe ferner Wolfrum, 43 ZaöRV (1983), S. 312: „The development of general concepts like the freedom of the high seas or the common heritage principle reflects the spirit of a given historic period (Zeitgeist)“. Ähnlich und mit überzeugender historischer Begründung letztlich Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (176, 178). Sieher ferner Tuerk, 57 Indian JIL (2017), S. 259 (260). 11  Vgl. die entsprechenden Ausführungen und Nachweise bei Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 1136 ff.; O’Connell, International Law of the Sea, S. 449 ff.; siehe außerdem die frühen grundlegenden Ausführungen von Vattel, Le droit des gens, I. chap. XXIII, § 287, der allerdings noch nicht zwischen Festlandsockel und dem Meeresboden unterscheidet.

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

Freiheit der Meere erstrecke sich auch auf den darunterliegenden Tiefseeboden.12 Genau wie die Hohe See sei der Meeresgrund daher ebenfalls als res communis omnium anzusehen und somit einer Aneignung durch einzelne Staaten entzogen.13 a a) Die Erklärung des Tiefseebodens zum common heritage of mankind durch die UN-Generalversammlung (1970) Ab 1967 beschäftigten sich auch die Vereinten Nationen mit dem völkerrechtlichen Status des Tiefseebodens, ohne allerdings völkerrechtliche Neuerungen in die Wege zu leiten.14 Am 17. August 1967 stellte der maltesische Botschafter Pardo als geistiger Vordenker der Gruppe 7715 in der UN-Generalversammlung per Verbalnote den bahnbrechenden Antrag, den Tiefseeboden zum common heritage of mankind zu erklären, der schließlich das gesamte Seerecht neu ordnen sollte.16 Wer tatsächlich geistiger Urheber dieser revolutionären Idee war, blieb letztlich im Dunkeln. Ohne Zweifel gab es bereits zuvor ähnliche Ansätze, an die Pardo anknüpfen konnte.17 Letzten Endes waren es aber gerade die wortgewaltigen Ausführungen von Pardo, welche die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft erregten und  Vitzthum, Rechtsstatus des Meeresbodens, S. 247 ff.; Hauser, Die rechtliche Gestaltung des Tiefseebergbaus nach der Seerechtskonvention, S.  33  ff.; Durner, Common Goods, S.  182 jeweils m. w. N. 13  Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, Rn. 1136. 14  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 182 f. Siehe die entsprechenden Nachweise bei Pardo, The Common Heritage, S. 32 ff. sowie die dort im Anhang auf S. 377 ff. abgedruckten UN-Resolutionen. 15  Zusammenschluss von ursprünglich 77 Entwicklungsländern mit dem Ziel, die wirtschaftlichen Belange der Entwicklungsländer in den bestehenden internationalen Organisationen (z. B. Weltbank, Internationaler Währungsfonds) zu vertreten. Die Gruppe der 77 geht auf die erste Welthandelskonferenz in Genf (1964) zurück, in deren Vorfeld sich die damals 77 Staaten zusammengeschlossen hatten. Der G 77 gehören derzeit 134 Länder an. Näheres dazu Benedek, Stichwort „Blockfreie Staaten“, in: Seidl-Hohenveldern, LdR Völkerrecht, S. 44 f. 16  Examination of the question of the reservation exclusively fort he peaceful purposes of the seabed and the ocean floor, and the subsoil thereof, underlying the high sea beyond the limits of present national jurisdiction, and the use of their resources in the interest of mankind, UN-Doc. A/6695 v. 18. August 1967, GAOR, 22 Session, Annexes, Agenda Item 92. Jenes Memorandum enthält zahlreiche Formulierungen, die auch heute noch für das CHM-Prinzip maßgeblich sind. Siehe ferner die Nachweise bei Pardo, Common Heritage, S. 1 ff., siehe außerdem dort die einleitenden Worte von Mann-Borgese, S. 3. Vgl. zudem Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (174), Wolfrum, Internationalisierung, S. 332 ff. Ähnlich vor allem bereits Durner, Common Goods, S. 183. 17  Vgl. etwa die Ausführungen bei Larschan/Brennan, 21 CJTL (1988), S. 305 (318); Postyshev, Common Heritage, S. 36 ff.; Marotta-Rangel, in: Dupuy/Vignes, A Handbook of the New Law of the Sea, Bd. 1, S. 141 (144 ff.); Wyss, Kultur, S. 117 Fn. 153; White, 14 Case Western Reserve JIL (1982), S. 509 (516) sieht gar den damaligen amerikanischen Präsidenten Lyndon B. Johnson als Urheber, der bereits im Jahre 1966 gefordert hatte, der Tiefseeboden sei als „the legacy of all human beings“ vor unbegrenzter Ausbeutung zu schützen; Wolfrum, Internationalisierung, S.  333 weist darauf hin, dass der UN-Wirtschafts- und Sozialausschuss ebenfalls im Jahre 1966 bereits den damaligen UN-Generalsekretär aufgefordert hatte, solche Ressourcen zu benennen, die von den Entwicklungsländern genutzt werden könnten. Siehe zum Ganzen Durner, Common Goods, S. 183. 12

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips

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die wesentlichen Konturen des common heritage of mankind-Prinzips vorzeichne­ eichtum ten.18 So hob Pardo in seiner Antragsbegründung zunächst den ungeheuren R an Tiefseeressourcen hervor, machte anschließend die Fragwürdigkeit der damals geltenden Völkerrechtslage deutlich, in welcher die Ausdehnung staatlicher Souveränität über den Festlandsockel hinaus angelegt sei und führte schließlich die hohe Wahrscheinlichkeit einer militärischen Nutzung des Gebiets mit entsprechenden Umweltverschmutzungen an.19 Die verschiedenen daraus resultierenden Problemlagen würden sich nur mit einem internationalen Regime für den Tiefseeboden lösen lassen. Pardos revolutionärer Resolutionsvorschlag sah folgende Elemente vor: Der Tiefseeboden werde zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt und ausschließlich in deren Interesse genutzt, Nationalstaaten dürften weder Souveränitätsansprüche auf den Tiefseeboden anmelden noch sich dort militärisch betätigen, die Freiheit der Forschung werde indes gewährleistet und zur Verwaltung des Tiefseebodens sei ein spezielles Regime zu schaffen.20 Später präzisierte Pardo seinen Ansatz und definierte den Grundsatz des common heritage of mankind wie folgt: „It is a new legal principle which we wish to introduce into international law (…) the concept of common heritage implies the notion of peaceful use, since it is clear that military use of the ocean floor might impair or endanger the common property. The common heritage concept implies freedom of access and use on the part of those having part of the heritage, but also regulation of use for the purpose of conserving the heritage and avoiding infringement of the rights of others; inherent in regulation of use is, of course, responsible for misuse. The concept finally implies equitable distribution of benefits from exploitation of the heritage. It is possible to go further; the notion of property that cannot be divided without the consent of all, and which should be administered in the interests and for the benefit of all, is a logical extension of the common heritage concept.“21

Aus diesem Definitionsansatz Pardos und seinem zuvor erwähnten Antrag hat das völkerrechtliche Schrifttum seit den 1970er-Jahren22 nach der weit überwiegend vertretenen sogenannten „Elementenlehre“ jene fünf Elemente ermittelt, ­welche den Kern des common heritage of mankind-Prinzips ausmachen sollen: Aneignungsverbot, Gebot der friedlichen Nutzung, Forschungsfreiheit,23 Umwelt So ausdrücklich vor allem Durner, Common Goods, S. 183. Ähnlich klar für eine geistige Urheberschaft Pardos neuerdings Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (174), French, Common concern and common heritage, in: Bowman/Davies/ Goodwin (Hrsg.), Biodiversity and Law, S.  334 (342), Taylor, Common heritage, in: Krämer (Hrsg.), Principles, S. 303 (305) und Eichel, 76 ZaöRV (2016), S. 879 (882). 19  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 184. 20  So bereits Durner, Common Goods, S.  183. Ähnlich Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (183). 21  Pardo, Third Statement, November 29, 1968, in: The Common Heritage, S. 51, 64 f. 22  Siehe etwa Baslar, Concept; Cassese, International Law in a Divided World, S. 376 ff.; Kewenig, Common Heritage of Mankind, FS Schlochauer, S. 385 ff.; Stocker, Common Heritage; Wolfrum, ZaöRV (1983), S.  312  ff.; ders., „Common Heritage of Mankind“, in: MPEPIL online (2009), abrufbar unter: www.mpepil.com; Postyshev, Common Heritage; Wolter, Grundlagen, insb. S. 193–208; Hobe, FS Delbrück, S. 332 ff. 23  Das Element der Forschungsfreiheit hat Pardo zwar in seinem Definitionsversuch nicht ausdrücklich erwähnt. In seiner Verbalnote zur maltesischen Forderung, den Tiefseeboden zum com18

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

schutz24 und wirtschaftliche Nutzung des entsprechenden Gebietes zum Wohle der gesamten Menschheit.25 Obgleich in dem common heritage-Ansatz verschiedene historische Ideenstränge zusammenlaufen, wird Pardo als eigentlicher spiritus rector jenes Rechtssatzes angesehen, zumal bereits sein Vorschlag alle fünf normativen Grundbausteine für die Errichtung eines globalen Verwaltungsregimes für die staatsfreien Räume enthielt.26 Zwar scheiterte sein anschließender Versuch, das CHM-Prinzip in einem Entwurf für eine neue Seerechtskonvention auf die Hohe See auszudehnen;27 denn sein Vorschlag fand im Rahmen der Vereinten Nationen keine Zustimmung, zumal er das geltende Prinzip der Meeresfreiheit konterkarierte. Gleichwohl hatte Pardo mit seinem Antrag eine Idee in die völkerrechtliche Welt ausgesandt, welche die bestehende Völkerrechtsordnung revolutionieren sollte.28 Was den Tiefseeboden betrifft, sollte sich Pardos ehrgeiziges Ziel, ein neues Völkerrechtsprinzip zu schaffen, nämlich in den darauffolgenden Jahren erfüllen: Im Dezember 1967 beschloss die UN-Generalversammlung, einen zunächst aus 35 Mitgliedern bestehenden Meeresbodenausschuss (Sea-Bed-Committee29) einzusetzen, der Pardos Vorschlag näher erörtern und gegebenenfalls weiterentwickeln sollte.30 mon heritage zu erklären, hat Pardo allerdings angeführt, die Erforschung des Meeresbodens solle in Übereinstimmung mit den Prinzipien und Zwecken der UN-Charta geschehen.. Siehe UN-Doc. A/6695 v. 18. August 1967, GAOR, 22. Session, Annexes, Agenda Item ’92, Punkt 3 b): „The exploration of the ocean floor, underlying the seas beyond the limits of present national jurisdiction, shall be undertaken in a manner consistent with the Principles and Purposes of the Charter of the United Nations“. 24  Gelegentlich wird ohne weitere Begründung behauptet, der Aspekt des Umweltschutzes sei dem common heritage-Prinzip erst im Jahre 1970 nachträglich hinzugefügt worden, siehe etwa Kewenig, FS Schlochauer, S. 387 f. und 391. Doch erwähnt Pardo bei genauerem Hinsehen in seinem oben angeführten Definitionsansatz mit der Formulierung „conserving the heritage“ auch bereits das Umweltelement. 25  Zur völkerrechtlichen Bedeutung jener fünf Bausteine siehe unten Dritter Teil, VIII. 2. Siehe hierzu bereits Durner, Common Goods, S. 184. Sieher außerdem Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (183). 26  Ähnlich Kewenig, FS Schlochauer, S. 387 f., Durner, Common Goods, S. 184 und neuerdings Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S.  171 (174), French, Common concern and common heritage, in: Bowman/Davies/Goodwin (Hrsg.), Biodiversity and Law, S. 334 (342), Taylor, Common heritage, in: Krämer (Hrsg.), Principles, S. 303 (305) und Eichel, 76 ZaöRV (2016), S. 879 (882). 27  Siehe zum Ganzen bereits Durner, Common Goods, S. 184 ff.; siehe ferner Pardo, Introducing Maltese Draft Articles on Ocean Space, August 5, 1971, in: Common Heritage, S.  227  ff. und 381 ff.; ausführlichere Erörterungen dieses Entwurfs finden sich bei Mann-Borgese, The Process of Creating an International Ocean Regime, in: Van Dyke/Zaelke/Hewison (Hrsg.), Freedom of the Seas for the 21st Century, S. 23, 30 ff.; Pardo selbst erneuerte seine Forderung zuletzt im Jahre 1993 in einem kurzen Vortrag, siehe: Perspectives on Ocean Governance, in: Van Dyke/Zaelke/ Hewison, S.  38  ff.; einen ähnlichen Ansatz vertritt neuerdings Baslar, Concept, S.  221  ff., der konsequenterweise auch für eine vierte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen plädiert. 28  Siehe Durner, Common Goods, S. 185. 29  Die offizielle Bezeichnung für dieses Gremium lautet „Committee on the Peaceful Uses of the Sea-Bed and the Ocean Floor beyond the Limits of National Jurisdiction“. 30  Siehe dazu Kronmiller, The Lawfulness of Deep Seabed Mining, Band I, 1980, S. 23 ff. und Durner, Common Goods, S. 185.

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips

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Dieses Gremium tagte sechs Jahre lang (1968–1973), umfasste zuletzt 91 Mitgliedsstaaten und bereitete die 3. Seerechtskonferenz (1973–1982) vor.31 Obwohl auch innerhalb des ­Ausschusses die konkrete Ausgestaltung des common heritage-Prinzips umstritten war, fand das Prinzip als solches dort eine breite Unterstützung, die letztlich auch in die Seerechtskonferenz getragen wurde und zur Verankerung des Prinzips in der Seerechtskonvention führen sollte.32 Um in der Zwischenzeit zu verhindern, dass vollendete Tatsachen geschaffen würden, beschloss die UN-Generalversammlung am 15. Dezember 1969 mit 62 gegen 28 Stimmen (darunter alle damals wichtigen Industriestaaten) und bei 28 Stimmenthaltungen eine sogenannte Moratoriums-­Resolution, nach welcher bis zur Errichtung eines internationalen Meeresbodenregimes die Ausbeutung der mineralischen Ressourcen des Tiefseebodens unterbleiben sollte.33 Obwohl das Abstimmungsverhalten im Hinblick auf das Moratorium widerspiegelt, wie heftig umstritten die Zulässigkeit unilateraler Bergbaumaßnahmen in der UN-Vollversammlung war, „fand das common heritage of mankind-Prinzip als solches die Unterstützung beinahe der gesamten Staatenwelt“.34 Am 17. Dezember 1970 erklärte nämlich die UN-Generalversammlung in ihrer Meeresbodenprinzipien-­Resolution 2749 (XXV) mit 108 Stimmen bei 14 Enthaltungen den Tiefseeboden und die „Area“ – teilweise unter wörtlicher Übernahme des Pardo’schen Antrags35 – zum common heritage of mankind: 1. „The seabed and ocean floor, and the subsoil thereof, beyond the limits of national jurisdiction (hereinafter referred to as the area) are the common heritage of mankind; 2. The area shall not be subject to appropriation by any means by States or persons, natural or juridical, and no State shall have claim or exercise sovereignty or sovereign rights over any part thereof; 3. No State or person (…) shall claim, exercise or acquire rights with respect to the area or its resources incompatible with the international regime to be established and the principles of this declaration; (…)“36

Zwar blieben in dieser Erklärung die beiden weiteren Elemente der Demilitarisierung und des Umweltschutzes unerwähnt; allerdings sollten beide Bausteine  Report of the Ad Hoc Committee to Study the Peaceful Uses of the Sea-Bed and the Ocean Floor Beyond the Limits of National Jurisdiction (1968); vgl. außerdem Report of the Committee on the Peaceful Uses of the Sea-Bed and the Ocean Floor Beyond the Limits of National Jurisdiction, 10. Bände (1969 ff.). Dazu bereits Oda, The Law of the Sea in our Time, Bd. II: The United Nations Seabed Committee 1968–1973 (1977). Siehe außerdem die etwas jüngeren Beiträge von Kronmiller, The Lawfulness of Deep Seabed Mining, Band I, 1980, S. 23 ff. und Marotta-Rangel, in: Dupuy/Vignes (Hrsg.), A Handbook on the New Law of the Sea, Bd. I 1991, S. 148 ff. 32   Diese Diskussionen werden ausführlicher dargestellt bei Wolfrum, Internationalisierung, S.  338  ff. Siehe zudem Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (175 f.). 33  UNGA Res. 2574 (XXIV) vom 15. Dezember 1969. Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 185; Kronmiller, The Lawfulness of Deep Seabed Mining, Band I, 1980, S. 29. 34  So Durner, Common Goods, S. 185. 35  Ebenso Durner, Common Goods, S. 185. 36  UNGA Res. 2749 (XXV) vom 17. Dezember1970, abgedruckt in 10 ILM 1971, S. 220 ff. 31

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

nach Pardos Ansicht von dem Verweis auf das common heritage-Prinzip automatisch mit umfasst sein.37 Mit Verabschiedung der Meeresbodenprinzipien-Erklärung wurde der Grundsatz des gemeinsamen Erbes somit nahezu von allen Staaten anerkannt.38 Heftig umstritten blieb allerdings nach wie vor die Frage nach der Notwendigkeit eines Moratoriums für den Tiefseebergbau. Auf der einen Seite hielten die Entwicklungsländer den Tiefseebergbau für unzulässig und begründeten dies mit der Theorie von der rechtlichen Verbindlichkeit sowohl der Beschlüsse der UN-­Generalversammlung zur Moratoriums-Resolution als auch zur Meeresbodenprinzipienerklärung.39 Auf der anderen Seite wiesen die meisten Industrieländer eine Verbindlichkeit beider Entschlüsse aus wirtschaftlichen Gründen entschieden zurück.40 Diese Frage verbindlich zu klären, blieb daher der UN-Seerechtskonvention vorbehalten.  b) Die Verankerung des CHM-Prinzips in der UN-Seerechtskonvention b (1982) Im Jahre 1973 berief die UN-Generalversammlung die 3. Seerechtskonferenz ein, deren Aufgabe darin bestand, basierend auf den Vorarbeiten des Meeresbodenausschusses eine Nutzungsordnung für den gesamten Meeresraum zu entwerfen und ein internationales Regime für den Meeresboden jenseits der Grenzen nationaler Jurisdiktion zu schaffen.41 Mit 156 Teilnehmerstaaten war sie die bis dato größte Konferenz der Vereinten Nationen und daher naturgemäß von zahlreichen sich teilweise überlagernden Interessenkonflikten geprägt.42 Am heftigsten umstritten waren in den Verhandlungen zur Seerechtskonvention die nähere Ausgestaltung und Implementierung des zuvor in der Meeresbodenprinzipienerklärung bloß skizzierten common heritage-Prinzips.43 Wesentlich erschwert wurden die Verhandlungen  Siehe dazu Pardo, Common Heritage, S. 64 f.; Durner, Common Goods, S. 186.  Nach Kewenig, Common Heritage of Mankind, FS Schlochauer, S. 391 soll das CHM-Prinzip sogar bereits im Jahre 1970 allgemein anerkannt gewesen sein. Keyuan, 38 NILR (1991), S. 173 (177) vertritt etwa den Standpunkt, das CHM-Prinzip sei damals bereits von der opinio iuris getragen worden. 39  Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 186; Siehe vor allem die Ausführungen von Pinto, Statement, in: Allen/Craven: Alternatives in deepsea mining, S. 13. Vgl. zudem die Nachweise bei Goldie, 79 AJIL (1985), S. 689 (695 ff.). 40  Besonders vehement und ausführlich wird diese „westliche“ Sichtweise vertreten von Kronmiller, The Lawfulness of Deep Seabed Mining, S. 23 ff. In seiner Arbeit betrachtet Kronmiller den Tiefseebergbau als Ausübung der Meeresfreiheit und ist der Auffassung, auch das common heritage-Prinzip verbiete nicht die Aneignung geförderter Ressourcen, solange die daraus gezogenen Gewinne gerecht an alle Staaten verteilt würden. Siehe auch die entsprechenden Nachweise bei Tomuschat, 28 BDGVR (1988), S. 9 (27) Fn. 69 sowie bei Hauser, Die rechtliche Gestaltung des Tiefseebergbaus nach der Seerechtskonvention, S. 35 ff. und Durner, Common Goods, S. 186. 41  Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 1138, 1139, S. 737 f. 42  Siehe dazu näher Durner, Common Goods, S. 186. 43  Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 186. Zu den langwierigen Verhandlungen der Seerechtskonferenz über den Status des Tiefseebodens siehe die Analysen von Ellingsen-Tunold, The 37 38

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips

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durch den Umstand, dass sie – wie oben bereits ausgeführt – mit der parallel laufenden Debatte über die Entwicklung einer neuen, „gerechteren“ Weltwirtschaftsordnung verwoben war, aus der viele Entwicklungsländer Forderungen nach einer Beteiligung aller Staaten am Tiefseebergbau ableiteten.44 Ausgelöst wurde diese Wechselbeziehung vor allem durch das von der 6. Sonder-Generalversammlung entwickelte Aktionsprogramm,45 das sämtliche UN-Konferenzen aufrief, seine Forderungen zu verwirklichen.46 All dies führte dazu, dass sich die Haltung der Entwicklungsländer im Hinblick auf ihre aktive Beteiligung am Meeresbodenbergbau sowie einen präventiven Schutz der Rohstoffproduzenten zusehends versteifte.47 Im Kern kreiste die Auseinandersetzung um die konkrete Frage, ob der Tiefseebergbau – nach den Wünschen der westlichen Industrieländer – über ein Zulassungssystem von einzelnen Staaten und privaten Unternehmen oder – den Vorstellungen der Entwicklungsländern entsprechend  – durch eine zentralisierte multinationale Behörde betrieben werden sollte.48 Als Kompromisslösung kristallisierte sich nach schwierigen und langwierigen Verhandlungen schließlich ein sogenanntes „paralleles System“ heraus, wonach der Tiefseebergbau sowohl von staatlichen und privaten Akteuren als auch von einem internationalen global finanzierten Unternehmen durchgeführt werden sollte.49 Die nähere Ausgestaltung des common heritage-Prinzips regelt der elfte Abschnitt der Seerechtskonvention,50 deren räumlicher Anwendungsbereich sich nach Art.  134 Abs. 1 SRK auf das in Art. 1 Abs. 1 SRK definierte Gebiet („Area“) jenseits der äußeren Grenzen des Festlandsockels erstreckt, ohne allerdings den Rechtsstatus der darüberliegenden Gewässer und des Luftraums zu modifizieren.51 Art. 136 SRK UNCLOS III Negotiations on the Deep Sea-Bed Regime, insb. S.  55 und Vitzthum, 38 ZaöRV (1978), S. 745–800 und Jaenicke, 38 ZaöRV (1978), S. 438 (444 ff.); siehe außerdem die Dokumentationen Kronmiller, Lawfulness of Deep Seabed Mining, S. 23 ff.; United Nations, Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea, The Law of the Sea: Legislative History of Articles 133 to 150 and 311 (6) of the United Nations Convention on the Law of the Sea; diese Frage war auch bereits im Deep Sea Committee umstritten, siehe dazu White, 14 Case Western Reserve JIL (1982), S. 509 (521). 44  Siehe Wolfrum, Internationalisierung, S. 381. 45  A/Res. 3202 (S-VI) vom 1.5.1074, Teil IX Ziff. 4. 46  Siehe Wolfrum, Internationalisierung, S. 381. 47  Ähnlich Wolfrum, Internationalisierung, S. 381. 48  Siehe hierzu Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1139,  S.  738; Durner, Common Goods, S. 187. 49  Siehe Durner, Common Goods, S.  187; siehe ferner Sebenius, Negotiating, S.  13  ff., der die Frage der Finanzierung als Dreh- und Angelpunkt der Streitigkeiten betrachtet; siehe auch Schachter, Sharing the World’s Resources, S. 51 ff.; siehe ferner Tuerk, 57 Indian JIL (2017), S. 259 (264). 50  United Nations Convention on the Law of the Sea, 21 ILM 1982, S. 1261 ff.; zur Ausgestaltung des CHM-Prinzips in Abschnitt XI der SRK finden sich ausführlichere Darstellungen bei Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 1136 ff., Durner, Common Goods, S. 187 und Hauser, Die rechtliche Gestaltung, S. 33 ff. 51  So wird dies ausdrücklich klargestellt in Art. 135 SRK (Legal Status of the superjacent waters and air space): „Neither this Part nor any rights granted or exercised pursuant thereto shall affect the legal status of the waters superjacent to the Area or that of the air space above those waters.“

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

erklärt die „Area“ und ihre Ressourcen zum common heritage of mankind und Art. 137 SRK normiert die wichtigsten Rechtsfolgen dieses Prinzips: „Article 137 Legal status of the Area and its resources: No State shall claim or exercise sovereignty or sovereign rights over any part of the Area and its resources, nor shall any State or natural or juridical person appropriate any part thereof. No such claim or exercise of sovereignty or sovereign rights nor such appropriation shall be recognized. All rights in the resources of the Area are vested in mankind as a whole on whose behalf the Authority shall act. These resources are not subject to alienation. The minerals recovered from the Area, however, may only be alienated in accordance with this Part and the rules regulations and procedures of the Authority. No State or natural or juridical person shall claim, acquire or exercise rights with respect to the minerals recovered from the Area except in accordance with this Part. Otherwise, no such claim, acquisition or exercise of such rights shall be recognized.“52

c c) Entwicklungen nach 1982 und das Umsetzungsabkommen aus dem Jahre 1994 Im Zeitraum bis zum Inkrafttreten der Seerechtskonvention blieben der Rechtsstatus des Tiefseebodens und damit zugleich die völkerrechtlichen Implikationen des common heritage-Prinzips sehr umstritten.53 Teile des völkerrechtlichen Schrifttums der 1980er-Jahre gingen davon aus, der Status des gemeinsamen Erbes gelte aufgrund der Staatenpraxis bereits kraft Gewohnheitsrechts.54 Auf der anderen Seite des breit gefächerten Meinungsspektrums wurde hingegen die Auffassung vertreten, in Ermangelung einer einheitlichen Staatenpraxis würden die entsprechenden Vorschriften bis zum Inkrafttreten der Seerechtskonvention noch keine gewohnheitsrechtliche Wirkung entfalten.55 Mit Inkrafttreten der Seerechtskonvention, die am 16. November 1994 in Gestalt eines modifizierten Umsetzungsabkommens von der weit überwiegenden Mehrheit der Staatengemeinschaft ratifiziert wurde, hat der Streit um eine etwaige vorherige völkergewohnheitsrechtliche Geltung des common heritage-Grundsatzes an Bedeu-

Siehe zu den Rechtspositionen der Küstenstaaten bezüglich des Festlandsockels die Ausführungen von Vitzthum, „International Seabed Area“, in: MPEPIL online (2008), Rn. 5 ff., abrufbar unter: www.mpepil.com. 52  United Nations Convention on the Law of the Sea, 21 ILM 1982, S. 1261 (1264). 53  Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 190 ff. 54  Siehe etwa Wolfrum, 43 ZaöRV (1983), S. 334 f. und Hannikainen, Peremptory Norms, S. 544 ff., der auch ausführlich die Staatenpraxis darlegt; etwas zurückhaltender äußern sich Joyner, 35 ICLQ (1986), S. 197 ff. („an emergent principle of international law“) und White, 14 Case Western Reserve JIL (1982), S. 509 (534) („(…) at least some aspects of the doctrine have attained legal status.“). Siehe zu dieser Frage insbesondere die Ausführungen von Durner, Common Goods, S.  190 und Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (181–183). 55  Dies vertreten etwa Jaenicke, Concept, in: FS Mosler, S. 429 ff. und Danilenko, Common Heritage, S. 262 f. Siehe zum Ganzen Durner, Common Goods, S. 190.

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips

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tung verloren; für eine verschwindend geringe Anzahl von Drittstaaten – zu denen immerhin die USA zählt – bleibt diese Frage nach wie vor bedeutsam.56 Eine Revision des ursprünglichen Übereinkommens war erforderlich geworden, weil vor allen Dingen die USA, aber auch alle übrigen Staaten, die technisch ebenfalls bereits zum Tiefseebergbau in der Lage waren, die konkrete Ausprägung des common heritage-Prinzips in der Seerechtskonvention aus ökonomischen Gründen rundheraus ablehnten.57 Auch Großbritannien und Deutschland standen dem Meeresbodenregime der Seerechtskonvention wegen ihrer allzu bürokratischen Umsetzung kritisch bis ablehnend gegenüber.58 Ähnlich wie im Rahmen der Verhandlungen zum Mondvertrag59 richtete sich diese Kritik jedoch – nota bene – nicht gegen den Rechtsstatus des common heritage of mankind als solchen oder gegen seine völkerrechtliche Bedeutung, sondern in erster Linie gegen den komplizierten Aufbau der Meeresbodenbehörde, die damit verbundenen schwerfälligen Entscheidungsfindungsprozesse und andere Merkmale, die kaum noch marktwirtschaftliche Lösungen erlaubten.60 Das Umsetzungsabkommen bestand aus einer umfangreichen Überarbeitung des gesamten elften Abschnitts der Seerechtskonvention, die einen marktwirtschaftlichen Rahmen für die Ausbeutung des Meeresbodens bereitstellte und das Verfahren in der Meeresbodenbehörde vereinfachte, dabei aber den Status des Tiefseebetts als gemeinsames Erbe der Menschheit unberührt ließ.61 In der Präambel ihrer Resolution 48/263, die das Abkommen begleitete und übernahm, bestätigte auch die UN-Generalversammlung deren Ziel, durch die Einführung marktwirtschaftlicher Intrumente eine universelle Zustimmung aller Staaten zur Seerechtskonvention zu erlangen, aber zugleich den Status des Tiefseebodens als common heritage of mankind zu konservieren.62  So Durner, Common Goods, S. 191; siehe zur Bedeutung des Inkrafttretens für Drittstaaten die Ausführungen von Skourtos, Legal Effects for Parties and Nonparties, in: Nordquist/Moore (Hrsg.), Entry into Force of the Law of the Sea Convention, S. 187 (193 ff.), demzufolge die Seerechtskonvention nach ihrem Inkrafttreten nunmehr rascher zu Völkergewohnheitsrecht erstarken wird. 57  Siehe Charney, 35 Virginia JIL (1994/1995), S.  381 (399). Siehe Durner, Common Goods, S. 190 f. und Tuerk, 57 Indian JIL (2017), S. 259 (264). 58  So Durner, Common Goods, S. 191. 59  Siehe sogleich Dritter Teil, VIII. 1. b) bb). 60  Siehe Durner, Common Goods, S. 191. 61  Jenes Umsetzungsabkommen findet sich in der UNGA-Res. 48/263 v. 28. Juli 1994 – Agreement Relating to the Implementation of Part XI of the 1982 Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982, in: 33 ILM 1994, S. 1309 ff., welche das Abkommen übernommen hat. Das Umsetzungsabkommen war bei Inkrafttreten der SRK selbst nicht in Kraft, wurde allerdings bereits von 117 Staaten vorläufig angewandt. Nähere Ausführungen zu diesem Übereinkommen finden sich vor allem bei Durner, Common Goods, S.  192; siehe zudem Proelß, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg), Völkerrecht, 7. Aufl., S. 404–406 und Charney, 35 Virginia JIL (1994/1995), S. 381 ff., 392 ff. Siehe ferner die Beiträge im Sammelband von Nordquist/Moore, Entry into Force. 62  Siehe Abs. 1, 2 und 6 der Präambel UNGA-Res. 48/263 v. 28. Juli 1994 – Agreement Relating to the Implementation of Part XI of the 1982 Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982, in: 33 ILM 1994, S. 1309 ff.; siehe dazu Proelß, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg), Völkerrecht, 7. Aufl., S. 404–406 und Durner, Common Goods, S. 192. 56

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

Das Umsetzungsabkommen von 1994 ist selbst Bestandteil der Seerechtskonvention, geht ihr aber im Fall von Widersprüchen vor und modifiziert sie daher insoweit.63 Gelegentlich wird behauptet, das Umsetzungsabkommen habe das Prinzip des gemeinsamen Erbes der Menschheit in der Seerechtskonvention materiell aufgehoben.64 Solche Darstellungen übersehen freilich, dass die Vertragsparteien bereits in Art. 2, 5 und 6 der Präambel des Umsetzungsabkommens klargestellt haben, die nachfolgenden operativen Regelungen den common heritage-Status des Tiefseebodens nicht infrage zu stellen.65 Außerdem vereinbarten die Vertragsstaaten ausdrücklich in Art.  311 Abs.  6 SRK: „States Parties agree that there shall be no amendments to the basic principle relating to the common heritage of mankind set forth in article 136 and that they shall not be party to any agreement in derogation thereof“.66 Auch das Umsetzungsabkommen bekennt sich demnach ausdrücklich zum common heritage of mankind-Prinzip. Bereits aus dem Wortlaut der begleitenden UN-Resolution wird ersichtlich, dass es im Rahmen des Umsetzungsabkommens im Wesentlichen darum ging, rasch und ohne allzu große Rücksicht auf völkerrechtliche Grundsätze eine pragmatische Lösung zu erzielen.67 Zu diesem Zweck vereinfacht das Umsetzungsabkommen das Ratifikationsverfahren und erlaubt zudem eine vorläufige Anwendung seiner Vorschriften.68 Die operativen Vorschriften befinden sich im Annex des Abkommens und schreiben die Ersetzung planwirtschaftlicher durch marktwirtschaftliche Grundsätze fest. So wurde etwa ein Grundsatz der Kostensparsamkeit69 eingeführt sowie eine Regelung, derzufolge die  Art. 1 Abs. 2: „The Annex forms an integral part of this Agreement.“ Art. 2 Abs. 1: „The provisions of this Agreement and Part XI shall be interpreted and applied together as a single instrument. In the event of any inconsistency between this Agreement and Part XI, the provisions of this Agreement shall prevail.“ 64  So etwa Anand, 37 Indian JIL (1997), S. 17 f. als Vertreter der Entwicklungsländer; siehe außerdem aus „westlicher“ Sicht den Beitrag von Biermann, 34 AVR (1996), S. 426, 429. Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 192. 65  Agreement Relating to the Implementation of Part XI of the 1982 Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982, abgedruckt in: 33 ILM (1994), S. 1309 ff., Abs. 2, 5 und 6 der Präambel: „The States Parties to this Agreement, (…) Reaffirming that the seabed and ocean floor and subsoil thereof, beyond the limits of national jurisdiction (hereinafter referred to as ‚the Area‘), as well as the resources of the Area, are the common heritage of mankind, (…) Noting the political and economic changes, including market oriented approaches, affecting the implementation of Part XI, Wishing to facilitate universal participation in the Convention, (…)“. 66  Art. 311 Abs. 6 SRK (Relation to other conventions and international agreements), United Nations Convention on the Law of the Sea, 21 ILM 1982, S. 1261 ff. 67  Durner, Common Goods, S. 193 weist in Fn. 58 zu Recht auf die nicht unproblematische Konstruktion in Abs. 5 der Präambel der Resolution hin. Dort heißt es: „(…) that future ratifications or formal confirmations or of accessions of the Convention shall represent also consent to be bound by the Agreement (…)“. 68  Art. 5 („Simplified Procedure“) und Art. 7 („Provisional Application“) des Umsetzungsabkommens. 69  Der marktwirtschaftliche Grundsatz der Kostensparsamkeit findet sich in „Section 1. Costs to States Parties (…) 2. In order to minimize costs to States Parties, all organs and subsidiary bodies to be established under the Convention and this Agreement shall be cost-effective. This principle shall also apply to the frequency, duration and scheduling of meetings.“ Siehe auch „Section 9. The Finance Committee“. 63

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e­ ntsprechenden Unternehmen ihre Schürfarbeiten durch joint-ventures ausüben sollen, die nicht von den Vertragsstaaten zu finanzieren sind.70 Daneben sollen die entsprechenden Schürfverträge den Unternehmen faire Gewinnmöglichkeiten einräumen. Schließlich sind auch die Verpflichtungen der westlichen Industrieländer zum Technologie- und Ressourcentransfer erheblich abgemildert worden.71 Alle diese Änderungen waren letztlich der Preis, den die Entwicklungsländer dafür zahlen mussten, die Regelungen des elften Abschnitts für diejenigen (Industrie-) Länder, die am Tiefseebergbau interessiert waren und über die nötigen technischen Kapazitäten verfügten, akzeptabel zu machen.72 Im April 1997 waren der Seerechtskonvention bereits 117 Vertragsstaaten beigetreten. Für die Entwicklung des common heritage of mankind-Prinzips war das Umsetzungabkommen von 1994 von immenser Bedeutung, weil es überhaupt das Inkrafttreten der Seerechtskonvention ermöglichte und damit zugleich die positive Geltung des darin niedergelegten common heritage-­Grundsatzes untermauerte.

b) Das common heritage of mankind-Prinzip im Weltraumrecht Des Weiteren wurde der common heritage-Grundsatz zumindest teilweise auch im Weltraumrecht verankert. Ob und inwieweit Weltraumvertrag (WRV) und Mondvertrag (MV) tatsächlich Anwendungsfälle des common heritage-Prinzips darstellen, bedarf indes einer genaueren Untersuchung. aa) Der Weltraumvertrag (1967) Der Weltraumvertrag aus dem Jahre 196773 bildet mit gegenwärtig 102 Vertragsparteien, darunter alle Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, die allgemein anerkannte Grundlage des internationalen Weltraumrechts. Nach weit überwiegender Auffas Siehe „Section 2. The Enterprise: (…) 2. The Enterprise shall conduct its initial deep seabed mining operations through joint ventures (…) 3. The obligation of States Parties to fund one mine site of the Enterprise (…) shall not apply and States Parties shall be under no obligation to finance any of the operations in any mine site of the Enterprise or under its joint-venture arrangements“. 71  „Section 5. Transfer of Technology: 1. In addition to the provisions of article 144 of the Convention, transfer of technology for the purposes of Part XI shall be governed by the following principles: (a) The Enterprise, and developing States wishing to obtain deep seabed mining technology, shall seek to obtain such technology on fair and reasonable commercial terms and conditions on the open market, or through joint-venture arrangements“. Vgl. außerdem die Vorschriften in „Section 7. Economic Assistance“. 72  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 194. 73  United Nations Treaty on Principles Governing the Activities of States in the Exploration and Use of Outer Space, including the Moon and Other Celestial Bodies (Outer Space Treaty, New York 1967), 610 UNTS, S. 205 ff. 70

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sung kodifiziert jenes Übereinkommen für den Weltraum und die Himmelskörper den völkerrechtlichen Status einer Gemeinschaftssache (res communis), der außerdem nach mittlerweile im Ergebnis gefestigter Ansicht aufgrund der hohen Zahl an Ratifikationen und einheitlicher Übung aller im Weltraum tätigen Staaten kraft Gewohnheitsrechts74 bzw. als allgemeiner Rechtsgrundsatz gilt.75 Zwar sehen einige Literaturstimmen den Weltraumvertrag als Anwendungsfall des common heritage-­ Prinzips und berufen sich zur Begründung auf den Wortlaut des Art. I Abs. 1 WRV, wonach die Nutzung des Weltraums eine „Angelegenheit der gesamten Menschheit“ (province of all mankind) und „zum Wohle und im Interesse aller Staaten“ (for the benefit and in the interest of all States) erfolgen soll.76 Hierbei soll nach Auffassung insbesondere einiger Entwicklungsländer der Begriff der „province of all mankind“ identisch mit dem Begriff des common heritage of mankind sein. Unterzieht man die Regelungen des Weltraumvertrages allerdings einer genaueren Betrachtung, so lässt sich diese Auffassung schwerlich aufrechterhalten, weil der Weltraumvertrag höchstens einzelne Elemente des common heritage-Grundsatzes enthält. Abgesehen vom allgemeinen Gemeinnützigkeitspostulat in Art. I Abs. 1 lassen sich im Weltraumvertrag keine Elemente des common heritage of mankind nachweisen, die nicht ohnehin bereits im res communis enthalten sind; denn spezifisch verteilungspolitische Regelungen, die gerade das Wesen des common heritage-Prinzips ausmachen, stellt der Weltraumvertrag nicht auf. Folglich ist der Weltraumvertrag kein Anwendungsfall des gemeinsamen Erbes der Menschheit. bb) Der Mondvertrag (1979) Der drei Jahre später abgeschlossene Mondvertrag vom 5. Dezember 197977 nimmt zwar zunächst die Regelungen des Weltraumvertrages als Ausgangspunkt. Doch stellt er nicht lediglich, wie gelegentlich etwas irreführend ausgeführt wird, eine

 Siehe etwa Brownlie, Principles, 4. Aufl., S. 267 ff.; Dauses, 20 ZLW (1971), S. 267, 278.  Rehm, 9 ZLW (1960), S. 1 ff.; siehe dazu Durner, Common Goods, S. 146. 76  Siehe Stocker, Common Heritage, S. 87 ff.; Reijnen, Space Treaties, S. 9 ff., 89 ff. und 95 f.; wenig differenzierend auch Taylor, Common heritage, in: Krämer (Hrsg.), Principles, S.  303 (305); ähnlich ferner bereits Kewenig, FS Schlochauer, S. 385 (394 f.) m. w. N.; ähnlich zunächst auch Wolfrum, ZaöRV (1983), S. 312 (315); ders., „Common Heritage of Mankind“, in: MPEPIL online (2009), Rn. 5 ff., abrufbar unter: www.mpepil.com; ähnlich auch Durner, Common Goods, S.  146. Siehe außerdem Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (175). 77  Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies (Moon Agreement, New York 1979), UNTS 1363, S. 3; (18 ILM 1979, S. 1434 ff., Ratifikationsstand: 18 Staaten, abrufbar unter http://disarmament.un.org/treaties/t/moon (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019); siehe. zu den nachfolgenden Erörterungen zum Mondvertrag insb. Christol, 14 The International Lawyer (1980), S. 429 ff.; Wolfrum, Der Mondvertrag von 1979, in: 21 EA (1980), S. 665 (666); Durner, Common Goods, S. 194 ff.; Galloway, in: V AASL (1980), S. 481 ff.; Goedhuis, 19 CJTL (1981), S. 213 ff. 74 75

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bloße Fortschreibung oder gar Konkretisierung des Weltraumvertrages dar.78 Vielmehr versucht der Mondvertrag, die Vorschriften des Weltraumvertrages im Hinblick auf den bereits seit geraumer Zeit als potenziell ressourcenreich eingestuften Mond und insbesondere dessen Rechtsstatus als res communis verteilungspolitisch zu korrigieren.79 Der Mondvertrag zielt darauf ab, den ursprünglich im Weltraumvertrag verankerten Rechtsstatus der Mondressourcen als Gemeinschaftssache in ein „gemeinsames Erbe der Menschheit“ zu verwandeln.80 Während es der Weltraumvertrag den Staaten freistellt, alle Weltraumressourcen einschließlich etwaiger Mondressourcen auszubeuten, sieht der Mondvertrag eine faire Aufteilung („equitable sharing“) gezogener Nutzungen vor.81 Diese Grundidee stammt von dem argentinischen Botschafter Cocca, der sie im Juni 1967 im Rahmen des UN-­ Weltraumkommittees – das heißt bereits zwei Monate vor dem Antrag Pardos in der UN-Generalversammlung  – in das Weltraumrecht eingeführt hatte.82 Symbolisch unterstrichen und ideologisch aufgeladen wurde dieser Ruf nach globaler Verteilungsgerechtigkeit bezüglich wirtschaftlich verwertbarer Ressourcen durch die Landung amerikanischer Astronauten auf dem Mond und die anschließende Bergung von Mondgestein.83 Im Jahre 1970 legte schließlich Argentinien einen ersten Vertragsentwurf vor, der die Nutzung der natürlichen Mondressourcen regeln sollte und sie zum common heritage of mankind erklärte.84 Von Anfang an war dieser Vorschlag umstritten. Er stieß vor allem auf den Widerstand der damaligen Sowjetunion, die aus naheliegenden eigenen Interessen heraus lieber den bereits im Weltraumvertrag verankerten Grundsatz der Zugangs- und Nutzungsfreiheit zur Anwendung bringen wollte.85 Zur Begrenzung dieser staatlichen Nutzungsfreiheit wollte die Sowjetunion – dem modernen Bedeutungsgehalt des res communis entsprechend – lediglich das Verbot militärischer Nutzung und das Umweltschutzgebot anerkennen.86 An diesen konfligierenden Interessen drohten die Verhandlungen mehrfach zu scheitern. Schließlich gelangten die Vertragsstaaten im Jahre 1979 doch zu einer Einigung und der Mondvertrag trat im Jahre 1984  in Kraft. Sein  So statt einiger anderer Literaturbeiträge etwa nur Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1152. Siehe zu diesen Ansätzen Durner, Common Goods, S. 194. 79  So überzeugend Durner, Common Goods, S. 194. 80  Siehe Christol, 14 The International Lawyer (1980), S. 432: „a strikingly new international legal principle“. 81  Siehe Durner, Common Goods, S. 195. 82  Cocca, 9 Journal of Space Law (1981), S. 13, 14 f. Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 195 und Ähnlich klar für eine geistige Urheberschaft Pardos neuerdings Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (175). 83  Siehe dazu White, 14 Case Western Reserve JIL (1982), S. 509 ff. 84  UN-Doc. A/AC.105/85, abgedruckt in: 9 Journal of Space Law (1981), S. 128 ff. 85  Siehe Wolfrum, Der Mondvertrag von 1979, in: 21 EA (1980), S. 665 (665 f.). Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 195. 86  Nähere Ausführungen zur Debatte, den unterschiedlichen Verhandlungspositionen und zur gesamten Entstehungsgeschichte finden sich bei Danilenko, Common Heritage, S. 247 ff., Christol, 14 The International Lawyer (1980), S. 431 ff. und Durner, Common Goods, S. 195. 78

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

­ nwendungsbereich umfasst nach Art.  1 Abs.  1 MV alle Gestirne unseres A ­Sonnensystems. Sodann knüpft Art. 4 MV an den Wortlaut von Art. 1 WRV an und bestätigt in ähnlichen Worten den in seinen einzelnen völkerrechtlichen Ausprägungen umstrittenen Charakter des Mondes als einer „province of all mankind“:87 „The exploration and use of the moon shall be the province of all mankind and shall be carried out for the benefit and in the interest of all countries, irrespective of their degree of economic or scientific development. Due regard shall be paid to the interests of present and future generations as well as to the need to promote higher standards of living and conditions of economic and social progress and development in accordance with the Charter of the United Nations.“88

Zwar hatte auch der Weltraumvertrag in seinem Art. I ähnliche Formulierungen enthalten, um den gemeinnützigen Charakter des freien Nutzungsregimes der Gemeinschaftssache hervorzuheben; doch enthielt er keine Vorschriften über die Nutzung und Verteilung von Ressourcen. Solche für das common heritage-Prinzip charakteristischen Nutzungs- und Verteilungsvorschriften sind dagegen in Art. 11 MV niedergelegt.89 Diese Vorschrift gilt daher auch als eine Art Legaldefinition des common heritage of mankind-Prinzips. Sie lautet: 1. „The moon and its natural resources are the common heritage of mankind, which finds its expression in the provisions of this Agreement, in particular in paragraph 5 of this article. 2. The moon is not subject to national appropriation by any claim of sovereignty, by means of use or occupation, or by any other means. 3. Neither the surface nor the subsurface of the moon, nor any part thereof or natural resources in place, shall become property of any State, international intergovernmental or non-governmental organization, national organization or non-­governmental entity or of any natural person. The placement of personnel, space vehicles, equipment, facilities, stations and installations on or below of the surface of the moon, including structures connected with its surface or subsurface, shall not create a right of ownership over the surface or subsurface of the moon or any areas thereof. The foregoing provisions are without prejudice to the international regime referred to in paragraph 5 of this article. 4. States Parties have the right to exploration and use of the moon without discrimination of any kind, on the basis of equality and in accordance with international law and the terms of this Agreement. 5. States Parties to this Agreement hereby undertake to establish an international regime, including appropriate procedures, to govern the exploitation of the natural resources of the moon as such exploitation is about to become feasible. This provision shall be implemented in accordance with article 18 of this Agreement. 6. In order to facilitate the establishment of the international regime referred to in paragraph 5 of this article, States Parties shall inform the Secretary-General of the United Nations as well as the public and the international scientific community, to the greatest extent feasible and practicable, of any natural resources they may discover on the moon. 7. The main purposes of the international regime to be established shall include:  Siehe zur Auslegung dieses vagen Begriffs die Darlegungen von Durner, Common Goods, S.  147 und S.  195; siehe zur Bedeutung von Art.  11 MV die Ausführungen von Wolfrum, Der Mondvertrag von 1979, in: 21 EA (1980), S. 665 (669). 88  Moon Agreement, Art. 4 Abs. 1, abgedruckt in: 18 ILM (1979), S. 1434 ff. 89  Siehe Durner, Common Goods, S. 196. 87

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips

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(a) The orderly and safe development of the natural resources of the moon; (b) The rational management of those resources; (c) The expansion of opportunities in the use of those resources; (d) An equitable sharing by all States Parties in the benefits derived from those resources, whereby the interests and needs of the developing countries, as well as the ­efforts of those countries which have contributed either directly or indirectly to the exploration of the moon, shall be given special consideration. 8. All the activities with respect to the natural resources of the moon shall be carried out in a manner compatible with the purposes specified in paragraph 7 of this article and the provisions of article 6, paragraph 2, of this Agreement.“90

Art. 11 formuliert in erster Linie die nutzungsbezogenen Elemente des common heritage-Prinzips: das Okkupationsverbot in den Abs. 2 und 3, den Grundsatz der Forschungsfreiheit in Abs. 4 und den Auftrag zur Einrichtung eines internationalen Modells in den Abs. 5 ff., das insbesondere eine gerechte Gewinnverteilung sicherstellen soll. Vor allem im Hinblick auf das Fehlen eines institutionalisierten Nutzungsregimes unterscheidet sich der Mondvertrag jedoch vom Seerechtsübereinkommen; denn er zeichnet lediglich einige Grundelemente vor. Erst wenn die Ausbeutung der natürlichen Mondressourcen technisch möglich und wirtschaftlich rentabel wird, soll ein solches Nutzungs- und Verteilungsregime geschaffen werden.91 Außerdem weicht Art. 11 Mondvertrag auch insoweit von der Seerechtskonvention ab, als er in Abs. 7 lit. d) nur eine finanzielle Berücksichtigung jener Staaten vorsieht, welche die technischen Möglichkeiten der Ressourcennutzung überhaupt erforscht haben.92 Aus diesen Abweichungen des Mondvertrages von der Seerechtskonvention wird in der völkerrechtlichen Literatur gelegentlich geschlossen, das common heritage-Prinzip habe keine einheitliche völkerrechtliche Bedeutung.93 Solche Darstellungen überspannen allerdings die Anforderungen an die Bestimmbarkeit des common heritage-Nutzungselements.94 Am Beispiel des Umsetzungsabkommens zur Seerechtskonvention ist vielmehr ersichtlich geworden, dass der common heritage-Grundsatz  – seinem Charakter als abstrakt ausgeformtes Prinzip entsprechend95 – nur einen groben Rahmen für eine allgemeine Interessenabwägung absteckt, der jeweils unterschiedlich ausgefüllt zu werden vermag. Schließlich ist das Demilitarisierungsgebot in Art. 3 Abs. 1 niedergelegt und das Umweltschutzgebot findet sich zum einen in Art. 2 MV, der zudem en passent ein Gebot der Rücksichtnahme bei der Nutzung des Mondes aufstellt;96 zum anderen  Moon Agreement, Art. 11, abgedruckt in: 18 ILM (1979), S. 1434 ff.  Durner, Common Goods, S. 197. 92  Siehe zu diesem Unterschied auch bereits die gute Darstellung von Durner, Common Goods, S. 197. 93  Siehe statt einiger anderer Völkerrechtler nur Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 55 ff. und 67 f.; Danilenko, Concept, S. 254 ff. 94  So stellvertretend für die überwiegende Literaturauffassung vor allem Postyshev, Common Heritage, S. 127 und Durner, Common Goods, S. 197. 95  Siehe zum Begriff des allgemeinen Prinzips im Umweltvölkerrecht die Ausführungen weiter unten im Dritten Teil, Kap. I. 96  Moon Agreement, Art. 2, abgedruckt in: 18 ILM (1979), S. 1434 ff., welcher lautet: „All activities on the moon, including ist exploitation and use, shall be carried out in accordance with international law (…) and with due regard to the corresponding interests of all other States Parties.“ 90 91

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

statuiert Art. 7 Abs. 1 MV, wesentlich deutlicher eine Schutzpflicht für die Umwelt des Mondes und kodifiziert damit geltendes Völkergewohnheitsrecht:97 „In exploring and using the moon, States Parties shall take measures to prevent the disruption of the existing balance of its environment, whether by introducing adverse changes in the environment, by its harmful contamination through the introduction of extra-­ environmental matter or otherwise. States Parties shall also take measures to avoid harmfully affecting the environment of the earth through the introduction of extraterrestrial matter or otherwise.“98

Im Jahr 1984 ist der Mondvertrag in Kraft getreten, beinahe zehn Jahre vor Inkrafttreten der Seerechtskonvention, für welche das common heritage of mankind-­ Prinzip ursprünglich entwickelt worden war.99 Nach derzeitigem Stand ist der Mondvertrag allerdings nur von fünfzehn Staaten ratifiziert worden, unter denen sich  – bezeichnenderweise  – keine einzige Raumfahrtnation befindet.100 Im Vergleich mit dem Seerechtsübereinkommen nimmt sich die Zustimmung zum Mondvertrag somit sehr bescheiden aus. Dies dürfte wohl in erster Linie auf den Umstand zurückzuführen sein, dass die Seerechtskonvention viele fundamentale Interessen von Seefahrernationen befriedigen sollte und zahlreiche Vertragsstaaten das neue Tiefseebodenregime unterzeichneten, weil und damit sie als Gegenleistung einen Gewinn an Rechtssicherheit in anderen Bereich wie etwa der Aufrechterhaltung der Meeresfreiheit erhalten würden.101 Im Gegensatz dazu hielt der Mondvertrag für die raumfahrenden Staaten keine Vorteile, sondern nur Nachteile in Gestalt von Einschränkungen bereit.102 Zwischen den Vertragsparteien gilt der Rechtsstatus des common heritage als lex specialis oder jedenfalls als lex posterior zum Weltraumvertrag, der seinem Wortlaut nach ebenfalls auf den Mond und die Gestirne Anwendung ­findet.103 Angesichts der bloß rudimentären Zustimmung der Staatengemeinschaft zum Mondvertrag entfaltet er allerdings keine völkergewohnheitsrechtliche Drittwirkung.104 Für jene Drittstaaten haben der Mond und die Gestirne weiterhin  So Durner, Common Goods, S. 198.  Moon Agreement, Art. 7 Abs. 1, abgedruckt in: 18 ILM (1979), S. 1434 ff. 99  Siehe White, 14 Case Western Reserve JIL (1982), S.  509 (530); Durner, Common Goods, S. 198. 100  Als Raumfahrtnation bezeichnet man ein Land, das in der Lage ist, mit eigenen Trägerraketen eigene Satelliten in den Weltraum zu befördern. Dazu zählten im Jahre 1984 nur die Vereinigten Staaten und die damalige UdSSR. Mittlerweile ist die Volksrepublik China als drittes Land in der Lage, bemannte Raumflüge durchzuführen. 101  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 198. 102  Siehe White, 14 Case Western Reserve JIL (1982), S. 509 (531 ff.); Durner, Common Goods, S. 198. 103  Siehe Art. 1 Abs. 1 Weltraumvertrag, abgedruckt in: 610 UNTS, S. 205 ff.: „Outer space, including the moon and other celestial bodies, shall be free for exploration and use by all States without discrimination of any kind, on a basis of equality and in accordance with international law, and there shall be free access to all areas of celestial bodies.“ Siehe dazu außerdem Durner, Common Goods, S. 198. 104  Siehe statt vieler nur Danilenko, Concept, S. 262 f. und Durner, Common Goods, S. 199. Siehe außerdem French, common concern and common heritage, in: Bowman/Davies/Goodwin (Hrsg.), Biodiversity and Law, S. 334 (342). Siehe ferner Taylor, Common heritage, in: Krämer (Hrsg.), Principles, S. 303 (307). 97 98

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips

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jenen im Weltraumvertrag kodifizierten und gewohnheitsrechtlich geltenden Rechtsstatus einer Gemeinschaftssache, sodass sie unbeschränkt Zugangs- und Nutzungsfreiheit genießen.105

c ) Die gescheiterte Übertragung des common heritage-Prinzips auf die Antarktis Unter dem Eindruck der allgemeinen Debatte über eine neue Weltwirtschaftsordnung wurde ferner der Versuch unternommen, das common heritage-Prinzip auf die Antarktis zu übertragen. Dieser Versuch, das bis dato geltende internationale Antarktisregime auf der Ebene des Völkerrechts verteilungspolitisch zu korrigieren, dürfte aber mittlerweile wohl endgültig als gescheitert anzusehen sein. Vorstöße zur Internationalisierung der Antarktis wurden bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts diskutiert, als nach dem Zweiten Weltkrieg mehrfach von verschiedenen Seiten darauf gedrungen wurde, die Verwaltung der Antarktis dem UN-­ Treuhandrat zu unterstellen.106 Die im Verlauf jener Diskussionen erhobene Forderung, der Treuhandrat solle werthaltige antarktische Ressourcen „zum Wohle der ganzen Menschheit“ ausbeuten, wird denn auch als wichtige Vorläuferidee des common heritage-Ansatzes eingestuft.107 Mit Abschluss des Antarktisvertrages im Jahre 1957108 wurde die Diskussion zwar vorläufig beendet. Doch nach der Verankerung des common heritage-Prinzips in der Seerechtskonvention und dem „vermeintlichen Siegeszug jenes Prinzips im Mondvertrag“109 versuchten erneut die Entwicklungsländer, den common heritage-Grundsatz auch auf die Antarktis zu übertragen.110 Stellvertretend für die übrigen Entwicklungsländer ergriff Malaysia die Initiative und beantragte, die Antarktis von der UN-Generalversammlung zum common heritage of mankind erklären zu lassen, damit das bisherige Antarktisregime faktisch außer Kraft zu setzen und das Gebiet zu internationalisieren.111 Im Hintergrund dieses Umsteuerungsversuchs standen  – ähnlich wie in den bisher diskutierten

 Ähnlich Baslar, Concept, S. 201 ff. Die neueste Tendenz geht wohl dahin, die Freiheit des Weltraums anzuerkennen, die Raumfahrtstaaten allerdings verstärkt zu einer Kooperation anzuhalten; siehe dazu Jasentuliyana, Ensuring Equal Access, S. 207 ff. und Durner, Common Goods, S. 199 Fn. 89. 106  Nähere Ausführungen zu diesen historischen Entwicklungen finden sich in der exzellenten Darstellung von Wolfrum, Internationalisierung, S. 49 ff.; siehe außerdem die Ausführungen zur Internationalisierung weiter unten im Dritten Teil, Kap. V. 107  Siehe Wolfrum, Internationalisierung, S. 54; siehe ferner Honnold, 87 YLJ 1977/1978, S. 804, 853 und Durner, Common Goods, S. 200. 108  Antarctic Treaty (Washington), 402 UNTS, S. 71 ff. 109  So Durner, Common Goods, S. 200. 110  Näheres dazu bei Haron, Antarctica and the United Nations, in: Wolfrum (Hrsg.), Antarctic Challenge Bd. III, S. 321 ff. 111  Siehe Hayashi, 19 Cornell ILJ (1986), S. 275 ff. 105

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

­Anwendungsfällen des CHM-Prinzips112 – der vermeintliche Reichtum an förderbaren antarktischen Mineralvorkommen113 und das Vorbild der Seerechtskonvention für den Tiefseeboden.114 Darüber hinaus schien eine Übertragung des common heritage-­Prinzips auf die Antarktis in der Präambel des Antarktisvertrages angelegt zu sein, in welcher sich die Vertragsparteien selbst mehrfach auf die „Interessen der ganzen Menschheit“ beriefen, ohne dabei allerdings ausdrücklich den Begriff des gemeinsamen Erbes zu gebrauchen.115 Dieser Übertragungsversuch scheiterte jedoch am Widerstand vieler Parteien des Antarktikvertrages; denn selbst unter den Kritikern des bisherigen Antarktisregimes fand sich in der UN-Generalversammlung keine Mehrheit dafür, den common heritage of mankind-Begriff ausdrücklich zu verankern.116 In ihrer Resolution vom 16. Dezember 1985 vermied es die Vollversammlung daher tunlichst, ausdrücklich Bezug auf jenes Prinzip zu nehmen, legte allerdings inhaltlich sämtliche Elemente des common heritage of mankind in Punkt eins der Antarktisresolution nieder:117 „(…) any exploitation of the resources of Antarctica should ensure the maintenance of international peace and security in Antarctica, the protection of its environment, the non-appropriation and conservation of its resources and the international management and equitable sharing of the benefits of such exploitation (…)“.118

Dieser offensichtliche Versuch, der Antarktis über die inhaltliche Einbeziehung der materiellen common heritage-Elemente letztlich doch den Rechtsstatus eines gemeinsamen Erbes der Menschheit zu verleihen, vermag sich jedoch keinesfalls auf die universelle Anerkennung durch die internationale Staatengemeinschaft zu stützen; denn obgleich jene Antarktisresolution ohne Gegenstimmen beschlossen  Siehe Dritter Teil, Kap. VIII. 1. a) und b).  Diese Hoffnung auf reiche Mineralressourcen in der Antarktis wurde vor allen Dingen bei der Ausarbeitung der Mineralienkonvention CRAMRA genährt; vgl. hierzu insb. Wolfrum, The Convention on the Regulation of Antarctic Mineral Resource Activities. 114  Siehe oben Dritter Teil, Kap. VIII. 1. a). Vgl. dazu Durner, Common Goods, S. 200. 115  Vgl. Antarctic Treaty (Washington 1959), 402 UNTS, S. 71 ff., Abs. 2 und 4 der Präambel: „Recognizing that it is in the interest of all mankind that Antarctica shall continue forever to be used exclusively for peaceful purposes and shall not become the scene or object of international discord (…) Convinced that the establishment of firm foundation for the continuation and development of such co-operation on the basis of freedom and scientific investigation in Antarctica as applied during the international Geophysical Year accords with the interests of science and the progress of all mankind (…)“. Vgl. ferner den terminologisch noch stärker an das common heritage-Prinzip angelehnten Abs. 7 der Präambel des Protocol on Environmental Protection to the Antarctic Treaty, 30 ILM (1991), S.  1461  ff.: „Convinced that the development of a comprehensive regime for the protection of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems is in the interest of mankind as a whole“. Siehe Durner, Common Goods, S. 200. Siehe ferner Taylor, Common heritage, in: Krämer (Hrsg.), Principles, S. 303 (307), der einige der common heritage-Elemente im Antarktisvertrag verwirklicht sieht. 116  So Durner, Common Goods, S. 201 f. 117  Vgl. Durner, Common Goods, S. 201. 118  Antarktisresolution, UNGA-Res. a/40/996 A-C vom 16. Dezember 1985, Question of Antarctica, abgedruckt in: Wolfrum (Hrsg.), Antarctic Challenge, Bd. II, 1986, S. 451 ff., Res. B, S. 453, 454. 112 113

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips

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wurde, verweigerten 52 Staaten – darunter alle Vertragsstaaten des Antarktisvertrages – die Teilnahme an der Abstimmung und weitere 14 Staaten enthielten sich ihrer Stimme, was einem Boykott der Antarktisresolution gleichkommt. Das völkerrechtliche Schrifttum hat bislang auf diese Entwicklungen höchst unterschiedlich reagiert: Vereinzelt wird der Standpunkt vertreten, das common heritage-Prinzip gelte mittlerweile bereits für die Antarktis.119 Darunter befinden sich zum einen jene Völkerrechtler, die den Antarktisvertrag wegen seines ausdrücklichen Rückgriffs auf das „Interesse der Menschheit“ teleologisch auslegen wollen und ihn daher letztlich doch als Anwendungsfall des gemeinsamen Erbes der Menschheit ansehen.120 Zum anderen begründen dies vor allen Dingen Vertreter der Entwicklungsländer mit der Antarktisresolution, welche die Legimität des bisherigen Antarktisregimes infrage stelle und zugleich die Anwendbarkeit des common heritage-Grundsatzes begründe.121 Umgekehrt erachtet eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Völkerrechtlern die Ausprägungen des common heritage-Prinzips als zu vage, um überhaupt für die Antarktis klare Lösungsansätze bereithalten zu können.122 Stattdessen – so schlagen manche Stimmen vor – solle die Ausbeutung der antarktischen Bodenschätze durch eine völkervertragliche Verankerung eines antarktischen Bergbauverbots verhindert und die Antarktis zu einem „Naturpark“ erklärt werden.123 Andererseits erblicken wiederum andere Stimmen gerade in der Erschaffung eines „Weltparks Antarktis“ die optimale Verwirklichung des common heritage of mankind-Gedankens.124 Nach Ansicht der überwiegenden Mehrheit der Völkerrechtler ist das common heritage-­ Prinzip bislang nicht oder zumindest nur teilweise auf die Antarktis anwendbar.125 Innerhalb dieser Auffassung plädieren allerdings einige Völkerrechtler aus Entwicklungsländern für eine Ausweitung des CHM-Prinzips auf die Antarktis.126 Bis ein entsprechendes völkervertragliches Dokument in Kraft getreten ist, welches die  Siehe vor allen Dingen die dezidierten Stellungnahmen von Francioni, Antarctica and the Common Heritage of Mankind, in: Ders./Scovazzi (Hrsg.), International Law of Antarctica, S. 101 ff., und Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen, S. 74 ff. 120  Siehe etwa Kiss, La Notion, S. 142 und Joyner, 83 AJIL (1989), S. 605 (625 f.). 121  So dezidiert etwa Hussain, The Antarctic: Common Heritage of Mankind?, in: Verhoeven/ Sands/Bruce (Hrsg.), The Antarctic Environment and International Law, S. 89 ff. 122  So vor allem Podehl, Das Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag, S. 102 ff. und Charney, Antarctica and the Common Heritage of Mankind, in: ders./Scovazzi (Hrsg.), International Law of Antarctica, S. 51 (75 ff.); vgl. auch Suter, Antarctica: Private Property or Public Heritage?, S. 159 (165 ff.), der auf den S. 169 ff. statt des common heritage of mankind-Prinzips ein „Public Heritage of Humankind“-Prinzip entwickelt. Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 202. 123  Siehe insb. Kämmerer, Die Antarktis in der Raum- und Umweltschutzordnung des Völkerrechts, S. 43 ff.; siehe auch Podehl, Das Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag, S. 119 ff. 124  Siehe einerseits Tenenbaum, 10 Virginia Environmental Law Journal (1990), S. 109 ff.; siehe andererseits Baslar, Concept, S. 258 ff., der kritisiert, jene Sichtweise verkürze den materiellen Gehalt des common heritage-Prinzips. 125  Siehe statt vieler nur Wolfrum, „Common Heritage of Mankind“, in: MPEPIL online (2009), Rn. 8, abrufbar unter: www.mpepil.com; Keyuan, 38 NILR (1991), S. 173 (190 f.); Shraga, Common Heritage, S. 57. 126  So etwa Baslar, Concept, S. 261 ff.; White, 14 Case Western Reserve JIL (1982), S. 509 (536 ff.); ähnlich auch Wolfrum, Internationalisierung, S. 99 ff. 119

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

Antarktis nicht bloß andeutungsweise, sondern ausdrücklich zum common heritage of mankind erklärt und von einer breiten Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft getragen wird, dürfte die Antarktis zumindest völkergewohnheitsrechtlich nicht zum gemeinsamen Erbe der Menschheit gehören.

d ) Common heritage of mankind als bloßer (rechts-) politischer Slogan Sodann wurde die common heritage-Formel immer wieder von manchen Staaten oder Staatengruppen zur Lösung ganz unterschiedlicher Problemlagen in Anspruch genommen und in den Präambeln verschiedener Übereinkommen verankert. Von manchen Völkerrechtlern werden solche rechtspolitischen Forderungen gar als Anwendungsfälle des common heritage of mankind-Prinzips angesehen.127 Allerdings wird in den allerwenigsten dieser völkerrechtlichen Verträge überhaupt Bezug auf die materiellen Elemente jenes Prinzips genommen. Wie sich sogleich erweisen wird, stellen solche politischen Slogans im Ergebnis rein terminologische Hülsen ohne völkerrechtlichen Inhalt dar und können daher nicht als echte Anwendungsfälle eines verallgemeinerbaren Prinzips mit einheitlichen völkerrechtlichen Rechtswirkungen angesehen werden. aa) Das Welterbe – kein Anwendungsfall des common heritage-Prinzips Zunächst wird des Öfteren behauptet, der weltweite Kulturgüterschutz verwirkliche die Grundsätze des common heritage of mankind auf dem internationalen Kultursektor.128 Auf den ersten Blick erscheint diese Annahme auch durchaus naheliegend, zumal der Schutz des Welterbes zumindest terminologisch eng mit dem common heritage-Prinzip verwandt zu sein scheint.129 Begründet wurde diese terminologische Verwandtschaft bereits im Jahre 1945, als ein brasilianischer Vertreter auf der Dumberton Oaks Conference vorschlug, die Kultur als solche in der UN-Charta zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu erklären und ein spezielles UN-Organ einzurichten, das seine Verwaltung koordinieren solle.130 Diese Initiative führte un-

 Siehe ferner die kritischen Beiträge von Anand, 37 Indian JIL (1997), S. 1 ff.; Pinto, Common Heritage, S. 249 ff. 128  Siehe etwa Kiss, La Notion, S. 164 ff.; Postyshev, Common Heritage, S. 19; Stocker, Common Heritage, S. 108 ff.; Wyss, Kultur, S. 125 ff. („herausragendes Beispiel für das kulturelle CHMP“). Siehe hierzu ferner Durner, Common Goods, S. 203. 129  So zudem Durner, Common Goods, S. 203. Ähnlich Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (185). 130  Siehe dazu Williams, The International Protection of Movable Cultural Property, S. 53. Siehe ferner Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S.  171 (185). 127

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips

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ter anderem zur Gründung der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO), welche neben vielen anderen völkerrechtlichen Instrumenten zum Schutz des weltweiten Kulturerbes im Jahre 1972 das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt ins Leben rief.131 Dieses auch sogenannte Welterbeübereinkommen wird von manchen Völkerrechtlern gar als geradezu klassischer Anwendungsfall des CHM-Prinzips erachtet.132 Diese Ansicht verblüfft, zumal das common heritage-Prinzip in jener Welterbekonvention nicht ausdrücklich erwähnt wird und auch seine materiellen Elemente nicht vollständig verwirklicht sind, wie ein Blick auf Art. 6 des Übereinkommens offenlegt, die den Rechtsstatus der jeweiligen Schutzobjekte normiert: „1. Whilst fully respecting the sovereignty of the States on whose territory the cultural and natural heritage mentioned in Articles 1 and 2 is situated, and without prejudice to property rights provided by national legislation, the State Parties to this Convention recognize that such heritage constitutes a world heritage for whose protection it is the duty of the international as a whole to co-operate (…). 3. Each State Party to this Convention undertakes not to take any deliberate measures which might damage directly or indirectly the cultural and natural heritage referred to in Articles 1 and 2 situated on the territory of other States Parties to this Convention.“133

Zwar bezeichnet die Welterbekonvention das cultural and natural heritage als world heritage (Welterbe) und statuiert eine Pflicht der internationalen Staatengemeinschaft, beim Schutz jenes Welterbes zu kooperieren; doch respektiert sie zugleich uneingeschränkt die staatliche Souveränität, basiert folglich auf dem Grundsatz der nationalen Verfügung der Staaten über ihre Ressourcen und schließt damit die Anwendung eines Aneignungsverbotes im ursprünglichen Sinne des common heritage-­Grundsatzes aus.134 Zwar könnte man Art. 6 Abs. 1 der Welterbekonvention dahingehend interpretieren, die nationale Souveränität werde von dem vagen Status eines Welterbes „überlagert“.135 Gegen eine Anwendung des common heritage-Prinzips auf das Welterbe spricht jedoch, dass insbesondere die Entwicklungsländer es auf der Rio-Konferenz im Jahr 1992 zum Schutz ihrer staatlichen Souveränität vehement abgelehnt haben, den Anwendungsbereich des CHM-Grundsatzes auf in-

 Convention Concerning the Protection of the World Cultural and Narural Heritage (World Heritage Convention, 1972), abgedruckt in: 11 ILM (1972), S.  1358  ff. Nähere Ausführungen zu diesem sog. Welterbeabkommen finden sich insb. bei Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen, S. 276 ff.; Fitschen, Internationaler Schutz des Erbes der Welt, S. 183 ff.; Wyss, Kultur, S. 125 ff.; von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 128 ff. 132  Ähnlich Durner, Common Goods, S.  203. Siehe erneut statt Vieler nur Kiss, La Notion, S. 164 ff.; Postyshev, Common Heritage, S. 19; Stocker, Common Heritage, S. 108 ff.; Wyss, Kultur, S. 125 ff. („herausragendes Beispiel für das kulturelle CHMP“). 133  Art. 6 Welterbekonvention, abgedruckt in: 11 ILM (1972), S. 1358 ff. 134  Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (187). 135  So etwa Fitschen, Internationaler Schutz des Erbes dieser Welt, S. 195, demzufolge „die Souveränität“ der Nationalstaaten, „soll der Begriff nicht völlig leerlaufen, nicht mehr völlig schrankenlos“ gewährt sein soll; a.A. Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen, S. 279 ff. 131

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

nerhalb staatlicher Territorien belegener Ressourcen wie die tropischen Regenwälder anzuwenden.136 In jedem Fall lässt sich jene Auffassung, die Welterbekonvention verwirkliche Grundsätze des common heritage of mankind auf dem internationalen Kultursektor nur unter Anwendung eines grundlegend modifierten CHM-Prinzips halten.137 Sofern das Prinzip seiner ursprünglichen Idee nach über den bloßen Terminus „Erbe“ und den damit ausgedrückten Gemeinwohlaspekt hinaus materielle völkerrechtliche Wirkungen  – etwa zur Lösung von Nutzungs- und Verteilungskonflikten im Hinblick auf Ressourcen in staatsfreien Räumen – erzeugen soll, stellt das „Welterbe“ indes keinen echten Anwendungsfall des common heritage of mankind-­ Prinzips dar.138 bb) Internationaler Kulturgüterschutz Auch im internationalen Kulturgüterschutz spielt der rhetorische Topos des gemeinsamen Erbes eine prominente Rolle, ohne allerdings echte materiell-rechtliche Wirkungen zu erzeugen. Zwar dominierte zunächst im Kriegsvölkerrecht noch der ­traditionelle Begriff des kulturellen Eigentums („cultural property“).139 Seit der Nachkriegszeit wurde dieser jedoch zunehmend von der Idee eines gleichermaßen nationalen wie universellen kulturellen Erbes abgelöst und der jüngere völkerrechtliche Kulturgüterschutz beruft sich terminologisch meistens auf ein „gemeinsames Erbe“ der jeweiligen Staaten.140 So erklärten auch bereits die Vertragsstaaten der Haager Konvention zum Schutz des kulturellen Eigentums aus dem Jahre 1954 in deren Präambel feierlich, jeder Schaden an nationalem Kulturgut verletze zugleich das „cultural heritage of all mankind“.141 Rein sprachlich ähnelt diese Formulierung zwar der common heritage of mankind-Terminologie. Begrifflich ist jenes kulturelle Erbe allerdings klar von der Idee eines gemeinsamen Erbes zu unterscheiden, die gerade keinen genuinen Bezug zum Kulturgüterschutz aufweist. Auch enthält die Haager Konvention keines der bislang für das common heritage of mankind-Prinzip

 Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 2. Siehe ferner Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (185). 137  So Durner, Common Goods, S. 205. 138  Zu diesem Ergebnis gelangen auch Krohn, die Bewahrung tropischer Regenwälder, S.  949, Durner, Common Goods, S. 203 und Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (187). 139  Siehe zum Begriff des „cultural heritage“ die Ausführungen von Freytag, „Cultural Heritage“, S. 175. 140  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 208. Wyss, Kultur, S. 116, der einen erschöpfenden Überblick über die relevanten Übereinkommen liefert. 141  Abs. 2 der Präambel zur Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict (The Hague, 1954) lautet: „Being convinced that damage to cultural property belonging to any people whatsoever means damage to the cultural heritage of mankind, since each people makes its contribution to the culture of the world.“ 136

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips

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ermittelten Rechtsfolgenelemente.142 Der Begriff des Kulturerbes („cultural heritage“) findet sich in zahlreichen Übereinkommen, von denen allerdings kein einziges diesen Begriff ausdrücklich definiert. Trotz der damit verbundenen Auslegungsprobleme wird er als allgemeiner Rechtsbegriff verwandt und ist gewissermaßen „Leitmotiv“ des modernen internationalen Kulturgüterschutzes.143 Doch auch aus dieser weitverbreiteten Verwendung des Rechtsbegriffs cultural heritage144 folgt noch lange nicht, dass er ein Rechtsprinzip darstellt.145 Vielmehr begründet der Begriff des Kulturerbes in den meisten Kulturgüterschutzübereinkommen keine selbstständigen Rechtsfolgen und unterscheidet sich daher nicht bloß terminologisch, sondern auch in seinem völkerrechtlichen Bedeutungsgehalt klar vom Grundsatz des common heritage of mankind.146 Diese sprachlich-begriffliche Demarkationslinie zwischen den bisher anerkannten Anwendungsfällen des gemeinsamen Erbes der Menschheit und neueren kulturbezogenen Übereinkommen wurde allerdings von späteren, meist in der Europäischen Union abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträgen zunehmend vernebelt.147 So erklären das Übereinkommen des Europarats aus dem Jahre 1969 zum Schutz des Archäologischen Erbes und sein Nachfolgeübereinkommen aus dem Jahre 1992 unisono im ersten Absatz ihrer jeweiligen Präambel: „Considering that the aim of the Council of Europe is to achieve a greater unity between its Members for the purpose, in particular, of safeguarding and realising the ideals and principles which are their common heritage;“148

Noch weiter verwischt wird die Grenze zwischen cultural heritage und common heritage durch den Entwurf eines Übereinkommens zum Schutz des Unterwasser-­ Kulturerbes aus dem Jahre 1992, in deren Präambel die im Meer belegenen Kulturgegenstände ausdrücklich zum common heritage of humanity erklärt werden.149 Vernebelt wird jene Grenze auch von vereinzelten Beiträgen, denen zufolge das  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 208.  So Durner, Common Goods, S. 208. 144  Vor allem Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen, S. 29 ff., 234 ff. und 337 ff. argumentiert ausführlich für einen sich herausbildenden Rechtsbegriff. 145  So auch Durner, Common Goods, S. 208. 146  Vgl. Durner, Common Goods, S. 208. 147  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 208. 148  European Convention for the Protection of the Archaelogical Heritage of Europe (London 1969), 11212 UNTS 1971, S. 228 ff. Ebenso die gleichlautende Präambel der European Convention for the Protection of archaeological Heritage of Europe (Valetta – La Valette 1992), ETS Nr. 143. 149  International Committee on Cultural Heritage Law, Report and Draft Convention on the Protection of the Underwater Cultural Heritage, International Law Association 66th Conference, Buenos Aires, 14–20 March 1994, Abs. 6 der Praämbel: „States Parties to the present Convention, (…) Recognizing that the underwater cultural heritage belongs to the common heritage of humanity, and that therefore responsibility for protecting it rests not only with the State or States most directly concerned with a particular activity affecting the heritage or having a historical or cultural link with it, but with all States and other subjects of international law.“ Näheres zu diesem Entwurf findet sich bei Strati, Underwater Cultural Heritage, S. 358 ff. 142 143

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

common heritage-Prinzip nach der Seerechtskonvention nunmehr auch eine kulturelle Dimension umfassen soll.150 Gestützt wird diese These auf die Vorschrift des Art. 149 SRK, die sich im elften Konventionsteil mit Kunstgegenständen auf dem Meeresboden befasst und vorschreibt, dass Kunstschätze zum Wohle der gesamten Menschheit bewahrt werden sollen.151 Bei genauerem Hinsehen erweist sich diese Auffassung jedoch als fragwürdig; denn zum einen nennt Art. 149 SRK den Grundsatz des common heritage nicht ausdrücklich und zum anderen widerspricht er jenem Prinzip, indem er Vorzugsrechte der Ursprungsstaaten festschreibt,152 sodass sich eine kulturelle Dimension des CHM-Prinzips völkervertraglich nicht ausmachen lässt.153 Wie die neuere Staatenpraxis – vor allem in Form der medienträchtigen und rein ökonomisch motivierten Bergungen aus dem Wrack der Titanic – belegt, fehlt es daneben ferner an einer entsprechenden völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung.154 Gemessen an den bisher anerkannten Anwendungsfällen des gemeinsamen Erbes im See- und Weltraumrecht und ihrer inhaltlichen Ausgestaltung lässt sich ­keines der eben dargestellten Übereinkommen zum internationalen Kulturgüterschutz als echter Anwendungsfall des common heritage of mankind-Prinzips qualifizieren; denn diese Übereinkommen beschränken sich im Wesentlichen darauf, die besondere Wichtigkeit der betreffenden Kulturgüter hervorzuheben und zu ihrem Schutz allen Vertragsstaaten Kooperationspflichten aufzuerlegen.155 Selbst in jenen Übereinkommen, welche das common heritage-Prinzip ausdrücklich in ihrer Präambel zitieren,156 wurde keines der fünf im See- und Weltraumrecht entwickelten Elemente niedergelegt. Ob die ausdrückliche Erwähnung eines Prinzips in der Präambel für sich genommen bereits ausreicht, um es für das gesamte Übereinkommen zur Anwendung zu bringen, ist zweifelhaft. Dies hängt von der Rechtsnatur völkerrechtlicher Prinzipien ab, auf die im Zusammenhang mit der  So insb. Strati, Underwater Cultural Heritage, S. 296 ff.  In Art. 149 SRK, abgedruckt in 21 ILM 1982, S. 1261 ff. heißt es: „All objects of an archaeological and historical nature found in the Area shall be preserved or disposed of for the benefit of mankind as a whole (…)“. 152  Im 2. Halbsatz von Art. 149 SRK heißt es nämlich: „(…) particular regard being paid to the preferential rights of the State or country of origin, ort he State of cultural origin, or the State of historical and archaeological origin.“ Nähere Ausführungen zu Art. 149 SRK machen etwa Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen, S. 148 ff. und Wyss, Kultur, S. 135 ff. m. w. N. 153  Vgl. Durner, Common Goods, S. 209. 154  Zu diesem Ergebnis gelangen letztendlich auch Strati, Underwater Cultural Heritage, S.  333 ff. und Durner, Common Goods, S. 209. 155  Durner, Common Goods, S. 209 f. 156  European Convention for the Protection of the Archaeological Heritage of Europe (London 1969), 11212 UNTS 1971, 228 ff., ähnlich die European Convention for the Protection of the Archaeological Heritage of Europe (Valetta 1992), ETS Nr. 143, Präambel. Siehe auch Convention for the Protection of the Archaeological Heritage of Europe (Granada 1985), ETS Nr. 121, Präambel. Siehe außerdem erneut International Committee on Cultural Heritage Law, Report and Draft Convention on the Protection of the Underwater Cultural Heritage, International Law Association 66th Conference, Buenos Aires, 14–20 March 1994, Abs.  6 der Praämbel. Näheres zu diesem Entwurf ebenfalls bei Strati, Underwater Cultural Heritage, S. 358 ff. 150 151

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips

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völkerrechtlichen Bedeutung des common concern of humankind-Prinzips noch näher eingegangenwird.157 An dieser Stelle soll nur kurz skizziert werden, mit welchen methodischen Ansätzen man sich dieser Frage im Kulturgüterschutz genähert hat. Ob und inwieweit der Grundsatz des gemeinsamen Erbes der Menschheit im geltenden internationalen Kulturgüterschutz verankert wurde oder  – alternativ  – zumindest für jenen fruchtbar gemacht werden kann, wurde von der Literatur bezüglich des Kulturgüterschutzes wesentlich differenzierter und kritischer als im Bereich des Umweltschutzes diskutiert.158 Nach Auffassung der überwiegenden Literatur können höchstens einzelne Elemente übernommen, nicht aber das common heritage-Prinzip als solches auf den Bereich des Kulturgüterschutzes übertragen werden.159 Vor allem von Schorlemer „bezweifelt“, „ob der Common-Heritage-Gedanke im Bereich des Kulturgüterschutzes tragfähig ist“, und gelangt zu dem Ergebnis, eine Übernahme sei nur „in inhaltlich modifizierter Form“ möglich.160 Wiederum andere Völkerrechtler begrüßen zwar eine solche Übernahme von Teilaspekten des Prinzips, wollen jedoch nur einzelne Gedanken übernehmen, nicht aber den Begriff des common ­concern of humankind als solchen.161 Eine weitere Gruppe von Autoren scheint gar die Verfügungsgewalt der jeweiligen Staaten über ihre Kulturgüter infrage stellen zu wollen.162 Dabei wird oftmals das gemeinsame Erbe für gänzlich andere als die von seinen geistigen Urhebern intendierten Zwecke in Anspruch genommen. So soll die bloße Berufung auf das common heritage-Prinzip in Einzelfällen bereits Ansprüche von Ursprungsländern auf Rückgabe der betreffenden Kulturgüter begründen oder ausschließen.163 Schließlich wollen einige Völkerrechtler die rechtliche Bedeutung des common heritage-Prinzips flexibilisieren und auf den Einzelfall zuschneiden oder begriffliche Untergruppen bilden.164 So unterscheidet etwa Kiss zwischen dem kulturbezogenen Begriff des „patrimoine commun de l’humanité, par l’affectation“ und dem naturbezogenen Begriff des „patrimoine commun de l’humanité, par nature“.165

 Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. und XIV.  Siehe zur nachfolgenden Übersicht über die einzelnen Literaturnachweise insbesondere Durner, Common Goods, S. 210. 159  Dolzer, Die Deklaration des Kulturguts zum „common heritage of mankind“, in: Dolzer/Jayme/ Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, S. 13 ff.; Baslar, Concept, S.  296  ff.; von Schorlemer, Kulturgüterschutz, S.  573, 583; Freytag, „Cultural Heritage“: Rückgabeansprüche von Ursprungsländern auf „ihr“ Kulturgut?, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, S. 175, 197 ff. 160  Von Schorlemer, Kulturgüterschutz, S. 573, 583. 161  Siehe etwa Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen, S. 35 f. 162  Siehe etwa Monden/Vils, Art Objects, S.  329  ff.; Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen, S. 154 ff. und 247 ff. m. w. N. 163  Kritisch Freytag, „Cultural Heritage“, S. 175 ff. 164  Siehe etwa Stocker, Common Heritage, S. 105 ff.; Wyss, Kultur, S. 138 ff.; Strati, Underwater Cultural Heritage, S. 303; Kiss, La Notion, S. 229 ff. 165  Kiss, La Notion, S. 229 ff. 157 158

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

Entschieden gegen die Übertragung und Anwendung des common heritage-­ Prinzips auf den Internationalen Kulturgüterschutz spricht, dass die meisten der fünf Bausteine, welche für jenes Prinzip im See- und Weltraumrecht entwickelt wurden, entweder auf Kulturgüter nicht anwendbar sind oder die Verwirklichung ihrer Zwecke schlichtweg keinen Sinn ergibt. Zunächst unterliegen nationale Kulturgüter ohne Zweifel der jeweiligen staatlichen Souveränität.166 Das Okkupationsverbot als eines der zentralen Schlüsselelemente des common heritage-Prinzips ist folglich auf Kulturgüter nicht anwendbar. Somit fallen nationale Kulturgüter nicht in den räumlichen Anwendungsbereich des CHM-Prinzips, welches auf die Regelung von Konflikten abzielt, die aus der Nutzung und Verteilung solcher Ressourcen erwachsen, welche sich in den staatsfreien Räumen befinden.167 Überdies ist schwer vorstellbar, dass nationale Kulturgüter in einer unfriedlichen, die Menschheit gefährdenden Art und Weise genutzt werden können, sodass ein Gebot der friedlichen Nutzung im Sinne des CHM-Prinzips keinen Sinn ergeben würde. Von den Entwicklungsländern als Instrument gegen die Verteilungsungerechtigkeit entwickelt, zielt das common heritage-Prinzip auf eine Umverteilung von wirtschaftlichen Nutzungsvorteilen ab. Auslöser für die Entwicklung des CHM-Prinzips war die (wohl berechtigte) Befürchtung vieler Entwicklungsländer, einige wenige Industrieländer würden sich aufgrund ihres großen technologischen Vorsprungs einen exklusiven Zugang zu Rohstoffen in staatsfreien Räumen sichern, diese ausbeuten und unter sich verteilen.168 Gerade jene technologisch bedingte Nutzungs- und Verteilungsungerechtigkeit ist aber bei Kulturgütern – die gerade nicht in staatsfreien Gebieten gedeihen, sondern tief in ihrer jeweiligen Kultur verwurzelt sind und sich jeweils auf verschiedenen der unzähligen staatlichen Territorien dieser Welt befinden  – schwerlich denkbar; dies gilt umso mehr, als eine Ausbeutung des jeweiligen Kulturguts durch andere Staaten als den Ursprungsstaat bereits völkerrechtlich ausgeschlossen ist, wenngleich sie im Rahmen von kriegerischen Plünderungen in der Geschichte der Menschheit des Öfteren vorgekommen sein mag.169 Dass Nationalstaaten an denjenigen Kulturgütern, die unter ihrer Jurisdiktion stehen, exklusive Nutzungsrechte genießen, ist Ausfluss ihrer staatlichen Souveränität. Ob sie daneben auch völkerrechtlich zumindest zur Bewahrung ihrer eigenen Kulturgüter verpflichtet sind, erscheint zweifelhaft und wird für das common concern of humankind-­ Prinzip mit Blick auf natürliche Ressourcen, die unter der Hoheitsgewalt von Nationalstaaten stehen und deren Abnutzung im Interesse der gesamten Menschheit verhindert werden sollten, noch ausführlicher zu erörtern sein.170 Für den internationalen Kulturgüterschutz ist daher festzuhalten, dass er nicht in den räumlichen Anwendungsbereich des common heritage-Prinzips fällt, dessen bisher von der Literatur ermittelte Elemente entweder – wie etwa das Okkupationsverbot – nicht auf Kulturgüter anwendbar sind oder – wie das Gebot der friedlichen  Siehe etwa Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen, S. 343 ff.  So Wolfrum, Internationalisierung, S. 24. 168  Siehe Wolfrum, Internationalisierung, S. 341. 169  Siehe dazu etwa Vitzthum, Plünderung der Meere, S. 10, 55 und 64. 170  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 166 167

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips

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Nutzung und Umverteilung – nicht so recht zum Normierungsgegenstand „Kulturgüter“ passen wollen. Vielmehr erscheinen Kulturgüter, da sie – ähnlich wie die von der Biodiversitätskonvention erfassten Ressourcen  – unter die Gebietshoheit der jeweiligen Nationalstaaten fallen, ihre Bewahrung aber gegebenenfalls im Interesse der gesamten Menschheit liegt, zumindest auf den ersten Blick als Anwendungsfall des common concern of humankind-Prinzips diskutabel. Von seiner Funktion her erfasst das common concern-Prinzip allerdings bislang nur die Bewahrung der Menschheit vor bestimmten globalen Umweltbelastungen, die aus der Abnutzung bestimmter Umweltgüter resultieren und wegen ihrer Globalität die gesamte Menschheit betreffen.171 Funktional zielt der common concern-Grundsatz zudem in die Rechtsschutzlücke, die entsteht, weil die Ursachen dieser Umweltprobleme diffuser Art sind und einem bestimmten Verursacher damit praktisch unmöglich zuzuordnen sind.172 Bei der Zerstörung des punktuell greifbaren kulturellen Erbes ist dies grundsätzlich nicht der Fall. Insofern passt der internationale Kulturgüterschutz als Schutzgegenstand nicht in den Anwendungsbereich des common concern of humankind, wie er sich historisch herauskristallisiert hat.173 Überdies gibt es bis heute keine einheitliche Bestimmung des Begriffs „Kulturgut“,174 sodass es ohnehin an einem konsentierten Gegenstand fehlt, der sich zur „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ erklären ließe. Des Weiteren haben die Staaten bislang weder in unverbindlichen Deklarationen oder UN-Resolutionen noch in verbindlichen v­ ölkerrechtlichen Verträgen den internationalen Kulturgüterschutz in einen unmittelbaren Zusammenhang mit einem Staatengemeinschaftsinteresse gestellt oder es gar zum common concern of humankind erklärt: In der einstimmig verabschiedeten UNESCO Declaration concerning the Intentional Destruction of Cultural Heritage aus dem Jahr 2003 haben ihre „ernsthafte Sorge“ (serious concern), nicht aber ihre „gemeinsame Sorge“ (common concern) über die zunehmenden Fälle absichtlicher Zerstörung des kulturellen Erbes ausgedrückt.175 Zwar wird in der UNESCO-­Konferenz nahezu die gesamte Staatengemeinschaft repräsentiert, sodass ihre Deklarationen durchaus einen Willen der Staatengemeinschaft ausdrücken können.176 Allerdings ist die UNESCO-Deklaration lediglich ein soft-law-Instrument.177 Sie ist kein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag und hat daher keinen eigenständigen Rechtsquel Siehe insb. Vierter Teil, Kap. XI.  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. a)-d). 173  Siehe Dritter Teil, Kap. VII. und IX. 174  Siehe etwa Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 406 ff.; Krenz, Rechtliche Probleme des internationalen Kulturgüterschutzes, S. 68 und 365. 175  UNESCO ‚Declaration on Intentional Destruction of Cultural Heritage‘ (2003) Records of the General Conference of the UNESCO, Session 23, vol 1, 53, para 2 der Präambel: „Expressing serious concern about the growing number of acts of intentional destruction of cultural heritage, (…)“. 176  Ähnlich Francioni, 25 MichJIL (2003/2004), S. 1209 (1219). Siehe ferner O’Keefe, 53 ICLQ (2004), S. 189 ff. 177  Francioni, 25 MichJIL (2003/2004), S. 1209 (1219). Siehe zum Begriff des soft law vor allem P.M. Dupuy, 12 MichJIL (1991), S. 420 (420 ff.) und Friedrich, International Environmental „soft law“. 171 172

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

lencharakter.178 Daher wird selbst von optimistischen Stimmen in der völkerrechtlichen Literatur bislang lediglich die Perspektive erblickt, der Schutz eines für die Menschheit besonders wichtigen cultural heritage könne sich in Zukunft zu einem Element des Staatengemeinschaftsinteresses entwickeln179 oder das common concern of humankind-Grundsatz gar auf den internationalen Kulturgüterschutz übertragen werden.180 Nicht zuletzt das Beispiel der UNESCO Declaration concerning the Intentional Destruction of Cultural Heritage aus dem Jahr 2003 zeigt, dass die Staatengemeinschaft noch immer den internationalen Kulturgüterschutz zumindest begrifflich in einen engen Zusammenhang mit dem common heritage stellt, obgleich sich inzwischen ein eigenständiger common concern-Begriff herausgebildet hat.181 Erst recht gilt dies für die im selben Jahr ebenfalls ­verabschiedete, jedoch bislang nur von 178 Mitgliedsstaaten ratifizierte UNESCO Convention for the Safeguarding of the Intangible Cultural Heritage, in welcher die Mitgliedsstaaten in Absatz 5 der Präambel erklärt haben, die „gemeinsame Sorge“ (common concern) „im Bewusstsein“ (Being aware) zu haben, das „immaterielle kulturelle Erbe der Menschheit“ (cultural heritage of humanity) zu bewahren.182 Bereits bei einem Blick auf diesen Wortlaut mit seiner Verquickung von Menschheitserbe- und common concern-Terminologie ohne Menschheitsbezug entlarvt eine eigenständige Übertragung des common concern-Grundsatzes auf den internationalen Kulturgüterschutz als reines Wunschdenken.183 Zudem konnte sich trotz intensiver Bemühungen bisher vor allem auf internationaler Ebene kein wirksamer Kulturgüterschutz etablieren.184 Im Kern geht es beim Schutz des „kulturellen Erbes der Menschheit“ letztlich meist um Rückforderungsansprüche, die ein Staat gegenüber einem anderen Staat, in seinem eigenen,  Friedrich, International Environmental „soft law“, S.  19  ff.; siehe außerdem Vierter Teil, Kap. XIII. 2. c). 179  Siehe Francioni, „Cultural Heritage“, in: MPEPIL online (2013), Rn. 9, abrufbar unter: www. mpepil.com: „This Declaration confirms that the safeguarding of cultural heritage of great importance for humanity can become an element of the general interest of the international community and can correspondingly restrict the ambit of domestic jurisdiction of the State on whose territory the heritage is located“. Siehe außerdem ders., 25 MichJIL (2003/2004), S.  1215–1220; sieher ferner O’Keefe, 53 ICLQ (2004), S. 189–209 und insb. S. 207: „The world’s cultural heritage is the proper concern of the international community as a whole but it is not yet, in peacetime, the object of obligations owed to that community“. (Hervorhebungen vom Verfasser). 180  So etwa Eichel, 76 ZaöRV (2016), S. 179 (900, 906): „Der völkerrechtliche Schutz von Kulturgut sollte in Abkehr von der bisherigen Annahme nicht länger als Anwendungsfall des CHM-Konzepts begriffen, sondern vom CCM-Konzept her gedacht werden“. siehe auch Thies, Kulturelle Vielfalt als Legitimitätselement der internationalen Gemeinschaft, S. 331 ff. 181  Siehe Dritter Teil, Kap. VII. und IX. 182  UNESCO ‚Convention for the Safeguarding of the Intangible Cultural Heritage‘ (2003), 2368 UNTS 1 vom 17. Oktober 2003, Ratifikationsstand: 178 Staaten, abrufbar unter http://www.unesco.org/eri/la/convention.asp?KO=17116&language=E (zuletzt abgerufen am 18. Juli 2019). 183  So aber Eichel, 76 ZaöRV (2016), S. 879 (900), indes ohne zur Begründung die nahe liegende Präambel zur ‚Convention for the Safeguarding of the Intangible Cultural Heritage‘ als Beleg heran zu ziehen. 184  So vor allem Krenz, Rechtliche Probleme des internationalen Kulturgüterschutzes, S. 365. 178

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einzelstaatlichen Interesse geltend macht.185 Dies spiegelt sich nicht zuletzt darin wider, dass sämtliche völkerrechtliche Regelungen in erster Linie den Substanzschutz und den Schutz der kulturellen Bindung der Kulturgüter an die jeweiligen Völker und Staaten bezwecken.186 Um genuin globale Probleme, welche die Staatengemeinschaft als Ganze betreffen, geht es dabei nicht. Daher stehen Staatengemeinschaftsinteressen bislang nicht im Zentrum des internationalen Kulturgüterschutzes. Im Vordergrund stehen vielmehr einzelstaatliche Individualinteressen. Auch in die „globale Gemeinwohlorientierung“ des common concern of humankind würde sich der internationale Kulturgüterschutz demnach nicht einfügen. Nach alledem fällt der internationale Kulturgüterschutz derzeit weder in den Anwendungsbereich des common heritage- noch in den des common concern of humankind-Prinzips. cc) Ressourcen- und Technologietransfer Schließlich haben in den zahlreichen Auseinandersetzungen der Nachkriegszeit über den Transfer von Ressourcen und Technologie die Industrie- oder Entwicklungsländer jeweils immer wieder die common heritage-Formel für sich reklamiert und als politischen Slogan eingesetzt, ohne allerdings inhaltlich auf jenes Prinzip einzugehen. So übertrugen einige westliche Staatenvertreter im Jahre 1973 im Rahmen der Ölkrise den common heritage-Gedanken in freier Analogie kurzerhand auf alle knappen Rohstoffe, sahen demzufolge auch Öl als gemeinsames Erbe der Menschheit an und forderten Länder mit reichen Erdölvorkommen auf, bei Förderung und Verkauf ihres Öls auch die Interessen der gesamten Staatengemeinschaft gebührend zu berücksichtigen.187 Mit einer analogen Argumentation machten viele westliche Staaten unmittelbar vor dem Erdgipfel von Rio im Jahre 1994 Ansprüche auf die Teilhabe an den genetischen Ressourcen der tropischen Regenwälder geltend, die sodann von den betreffenden Entwicklungsländern unter Hinweis auf deren staatliche Souveränität vehement zurückgewiesen wurden.188 Auf der anderen Seite instrumentalisierten mehrere Entwicklungsländer im Rahmen der seinerzeit schwelenden Debatte über eine neue Weltwirtschaftsordnung zur Durchsetzung ihrer Interessen die common heritage-Terminologie, um ihre  Siehe dazu etwa Krenz, Rechtliche Probleme des internationalen Kulturgüterschutzes, S. 70 ff.  Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 406; Krenz, Rechtliche Probleme des internationalen Kulturgüterschutzes, S. 70 f. und 365; Vitvitskaya, in: Gornig/Horn/Murswiek (Hrsg.), Kulturgüterschutz, S. 190. 187  So vor allem Durner, Common Goods, S. 211 f. Siehe bereits die Nachweise bei Tomuschat, Internationale Abhängigkeiten im Rohstoffbereich, in: Kewenig (Hrsg.), Völkerrecht und internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit, S. 149, 154 ff., der zutreffend auf den Umstand hinweist, dass eine Übertragung des common heritage-Prinzips an der staatlichen Souveränität der verfügungsberechtigen Staaten scheitert. Vgl. ferner die Nachweise bei Seidl-Hohenveldern, International Economic Law, S. 27 und 186. 188  Vgl. Miller, Global Order: Values and Power in International Politics, S. 379 f.; Durner, Common Goods, S. 212. 185 186

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­ orderung nach einem allgemeinem Technologietransfer von den westlichen StaaF ten an die Entwicklungsländer zu untermauern.189 Auf den Punkt gebracht wurde diese beinahe gebetsmühlenartige Forderung an prominenter Stelle vom späteren Richter und Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes Mohammed Bedjaoui, als dieser bereits im Jahre 1979 ausführte: „Technology is the archetypical common heritage of mankind since it is the expression of man’s spirit, his boldness and his conquests, of the advance of science and human knowledge over the centuries and beyond State boundaries (…)“.190

Wie einseitig und ohne völkerrechtliche Argumentation der common heritage-­ Slogan jeweils in Anspruch genommen wurde, illustriert erneut eine Äußerung von Bedjaoui selbst, der zwar einerseits aus dem gemeinsamen Erbe eine Verpflichtung der Industrieländer zum Technologietransfer an die Entwicklungsländer ableitete, andererseits aber ein aus dem common heritage-Grundsatz abgeleitetes Recht der Industrieländer auf Zugang zu natürlichen Ressourcen ablehnte:191 „Geographical chance put oil in Arabia, as it put copper in Zambia or in Zaire. The underdeveloped countries strongly suspect the industrial countries of invoking the principle of ‚common heritage‛ merely so that they can share in the resources of the Third World countries, not so that they can share their own prosperity with the (underdeveloped) countries which are lagging behind.“192

Ähnliche politische Forderungen auf Teilhabe an einem vorgeblichen gemeinsamen Erbe an moderner Technologie wurden ebenfalls in der Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten der UNO-Vollversammlung aus dem Jahre 1975193 sowie in der Präambel des Draft International Code of Conduct on the Transfer of Technology aus dem Jahre 1980194 niedergelegt. Aus einem positiv-völkerrechtlichen Blickwinkel erscheinen solche Forderungen nach Teilhabe an moderner Technologie einerseits und nach Zugang zu natürlichen Ressourcen auf der Grundlage eines „gemeinsamen Erbes der Menschheit“ andererseits als bloße Rechtsbehauptungen, mit denen einzelne Staaten oder Staatengruppen auf politischer Ebene versuchen, ihre jeweiligen Interessen durchzusetzen.195 Als Anwendungsfälle des common heritage of mankind-Prinzips können  Umfassend geäußert hat sich zu dieser Problematik Stoll, Technologietransfer, S. 29, 368 ff. und 385; siehe auch Yusuf, Transfer of Technology, in: Bedjaoui (Hrsg.), International Law, S. 691 ff.; Durner, Common Goods, S. 212. 190  Bedjaoui, Towards a New International Economic Order, S. 231. 191  Dies kritisiert ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 212. 192  Bedjaoui, Towards a New International Economic Order, S. 229. 193  Art. 13 der Charta of Economic Rights and Duties of States, UNGA Res. 3281 (XXXIX), abgedruckt in: 69 AJIL (1975), S. 484 ff.; siehe dazu vor allem Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1223; siehe auch Tomuschat, 36 ZaöRV (1976), S. 444 ff. 194  Abs. 2 der Präambel zum Draft International Code of Conduct on the Transfer of Technology, abgedruckt in: Fikentscher, The Draft International Code of Conduct, S. 153 ff. Ursprünglich sollte die Präambel das common heritage-Prinzip vollständig wiedergeben, wie Fikentscher bereits auf S. 7 f. und 22 ff. anmerkt. 195  Siehe die berechtigte Kritik von Seidl-Hohenveldern, International Economic Law, S.  38 an 189

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips

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solche politischen Slogans jedenfalls nicht angesehen werden, sondern verdeutlichen vielmehr die Notwendigkeit, die eigentliche positiv-völkerrechtliche Bedeutung jenes Prinzips präziser zu bestimmen.196 dd) Zwischenbetrachtung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das „Welterbe“, der weltweite Kulturgüterschutz und die Forderungen nach einem Ressourcen- und Technologietransfer zwar oftmals rhetorisch mit der common heritage-Terminologie aufgeladen werden. Doch stellen sie bloße Rechtsbehauptungen und somit keine echten Anwendungsfälle des common heritage of mankind-Prinzips dar.

e ) Das weite Verständnis vom Anwendungsbereich des common heritage-Prinzips im internationalen Umweltschutz Schließlich wurde der Gedanke des common heritage of mankind auch über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg immer wieder für den Umwelt- und Ressourcenschutz fruchtbar gemacht. In einigen Fällen wurde der common heritage-Terminus zudem in umweltvölkerrechtlichen Übereinkommen niedergelegt. Manche Völkerrechtler glaubten gar, darin ein Schlüsselkonzept für das Umweltvölkerrecht der Zukunft entdeckt zu haben.197 Während zunächst noch die soeben angesprochene Welterbekonvention der UNESCO aus dem Jahre 1972 den Begriff des „world heritage“ trotz oder gerade wegen der sprachlichen Ähnlichkeit strikt und klar von dem Prinzip des common heritage unterschieden hatte, wurde diese terminologische Unterscheidung auf der Habitat-Gründungskonferenz im Jahre 1976 aufgegeben.198 Noch im selben Jahr wurde unter der Ägide des UNEP das Übereinkommen zum Schutz des Mittelmeers abgeschlossen, in welchem das Binnenmeer als „common heritage“ bezeichnet

e­ iner solchen „Zweckentfremdung“ des common heritage-Grundsatzes: „The ‚common heritage‘ principle, too, seems to be applied here out of its context.“ Siehe außerdem hierzu ebenfalls Durner, Common Goods, S. 212 f. 196  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 213. 197  So deutlich erneut Durner, Common Goods, S. 205;  Jagels-Sprenger, Gemeinsames Erbe, S. 148 ff. 198  So heißt es im Report of Habitat, UN Conference on Human Settlements, Vancouver 31 May-11 June 1976, A/CONF. 70/15 S. 5: „Environment is the common heritage of mankind and its protection is the response of the whole international community.“ Siehe dazu auch Durner, Common Goods, S. 205 und Kilian, Umweltschutz durch IO, S. 417.

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

wurde.199 In all diesen Übereinkommen wurde allerdings die Formulierung „common heritage“ offensichtlich nur verwandt, um die gemeinsame Verantwortung aller Staaten für den Schutz der jeweiligen Umweltgüter hervorzuheben, ohne damit zugleich sämtliche von Pardo entwickelten Elemente und deren völkerrechtlichen Gehalt zur Anwendung bringen zu wollen.200 In der Folgezeit wurde der Terminus common heritage immer wieder im Zusammenhang mit dem Schutz bestimmter Umweltgüter verwendet. So bezeichnete etwa eine bilaterale quasi-völkerrechtliche Vereinbarung zwischen Ghana und einer internationalen Privatorganisation, dem „International Council of Bird Preservation“, in Abs. 4 ihrer Präambel Zugvögel als common heritage.201 Im Jahr 1983 hat außerdem die von der Commission on Genetic Resources for Food and Agriculture (CGRFA) eingesetzte Food and Agriculture Organization (FAO) in Art. 1 ihrer allerdings nicht völkerrechtlich verbindlichen 1983 FAO Plant Genetics Undertaking ausgeführt, es sei ein „universally accepted principle that plant genetic resources are a common heritage of mankind“.202 Allerdings handelt es sich bei diesem Dokument um eine unverbindliche politische Absichtserklärung, die außerdem mit Inkrafttreten der ­Biodiversitätskonvention im Jahre 1992, welche den Schutz der Biodiversität als common concern of humankind bezeichnet,203 ohnehin hinfällig geworden ist.204 Ein sehr weites Verständnis vom Anwendungsbereich des common heritage of mankind-Prinzips wurde in der völkerrechtlichen Literatur der 1980er-Jahre vorgetragen, die sich vereinzelt dafür aussprach, das Prinzip auf die „Umwelt als Ganzes“ zu übertragen.205 Dieser Ansatz krankte allerdings – wie ähnliche Vorschläge im Zusammenhang mit dem common concern-Prinzip206 – daran, dass seine Rechtsfolgen im Kontext eines solchen „allgemeinen Umweltschutzes“ überaus vage blieben; denn die einschlägigen Literaturbeiträge brachten den common heritage-To199  Abs. 2 der Präambel zur Convention for the Protection of the Mediterranean Sea against Pollution (Barcelona 1976), abgedruckt in: 15 ILM (1976), S. 290 ff.: „Fully aware of their responsibility to preserve this common heritage for the benefit and enjoyment of present and future generations (…)“. Siehe zum Ganzen ferner Durner, Common Goods, S. 206. 200  So die zutreffende Aanalyse von Durner, Common Goods, S. 206. Ähnlich Birnie/Boyle, Environment, S.  448  ff. (452  f.); ihnen folgend Baslar, Concept, S.  311. Dupuy, 12 Michigan JIL (1991), S. 420 (427) qualifiziert den Terminus common heritage in diesem Zusammenhang als „soft law“; siehe zur Abgrenzung von Prinzipien zum „soft law“ die Darstellung im Dritten Teil, Kap. II. 201  Abs. 4 der Präambel zur Ghana Memorandum of Agreement on the Save Birds Project, London, 11. Juni 1985, zitiert nach Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, S. 66. Weitere anschauliche Beispiele liefert Sands, Principles, 1. Aufl., S. 441 und 750. Siehe Durner, Common Goods, S. 206 und Fn. 132. 202  1983 FAO Plant Genetics Undertaking, Rome 23 November 1983; Res. 8/83 of the twenty-second FAO Conference. Bislang haben 113 Staaten das Vorhaben unterstützt. 203  Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 2. a). 204  So auch bereits Sands, Principles, 2. Aufl., S. 553. 205  So Kiss, La Notion, S. 189 ff.; ders./Shelton, International Environmental Law, S. 15 ff.; Stocker, Common Heritage, S. 214 ff.; Brown Weiss, Fairness, S. 49; Jagels-Sprenger, Gemeinsames Erbe, S.  152. Siehe zu diesem Ansatz insbesondere die kritischen Ausführungen von Durner, Common Goods, S. 250 ff. 206  Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 5.

1. Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips

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pos mit zahllosen unterschiedlichen Anwendungsbereichen und Inhalten in Verbindung und erschöpften sich letztendlich fast ausschließlich in einem „feierlichen Aufruf zum Umweltschutz“207 und zur Rettung des blauen Planeten.208 Wie inflationär der Begriff des common heritage zeitweise verwendet wurde, belegt etwa der Umstand, dass er auch für so ausgefallene Aspekte wie die gemeinsamen europäischen Überzeugungen in Bezug auf den Schutz von Tieren während des grenzüberschreitenden Transports bemüht worden ist.209 Diese Entwicklung gipfelte in dem Vorschlag einiger Staaten, die Sonnenenergie als solche zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu erklären, um auf diese Weise über das Völkerrecht eine weltweite Energieversorgung sicherzustellen.210 Diese beliebige Verwendung des common heritage-Begriffs und ein sehr weites Verständnis seines Anwendungsbereichs haben die Konturen jenes Prinzips zunehmend erodieren lassen.211 Einen historischen Wendepunkt in dieser Entwicklung markierte daher der Vorschlag Maltas aus dem Jahre 1988, sogar das Weltklima von der UNO-­ Vollversammlung zum common heritage of mankind erklären zu lassen;212 denn wie im weiteren Verlauf der Arbeit noch dargelegt wird, führte jener Antrag letztlich zur Abkehr vom common heritage of mankind-Prinzip im globalen Umweltschutz und zur Herausbildung des common concern of humankind-Prinzips.213 Diese umweltvölkerrechtliche Zäsur erwuchs aus der Erkenntnis, dass das common heritage-­ Prinzip in erster Linie spezifische Nutzungs- und Umverteilungsnormen aufstellt, die schwerlich auf Fragen des globalen Umweltschutzes übertragbar sind. So wurde denn auch im Vorfeld der Rio-Konferenz bereits sehr bewusst zwischen den Begriffen des common heritage und des common concern of mankind unterschieden. Der vorher übliche, zum Teil beinahe reflexartige Rekurs auf das common heritage-­ Prinzip führte daher auf der Rio-Konferenz in den Verhandlungen zur Biodiversitätskonvention und zum Waldschutz zur zentralen Streitfrage der Rio-Konferenz

 So Durner, Common Goods, S. 206.  Siehe etwa Timoshenko, Ecological Security, S. 413, 416: „Today the obvious impossibility of establishing a single legal context of the common heritage of mankind makes it tempting to apply this concept to the most varies spaces, resources and phenomena.“ Siehe auch den ernüchternden Überblick von Baslar, Concept, S. 280 ff. 209  So lautet die Präambel zur European Convention for the Protection of Animals During International Transport (Paris 1986), abgedruckt in: 788 UNTS, S. 185 ff.: „The member States of the Council of Europe signatory hereto, Considering that the aim of the Council of Europe is to achieve a greater unity between ist Members for the purpose of safeguarding and realising the ideals and principles which are their common heritage (…)“. 210  Kritisch dazu Shraga, Common Heritage, S. 54 f.; Baslar, Concept, S. 199 f. 211  Ähnlich erneut Shraga, Common Heritage, S. 54 f. 212  Siehe Abs. 1 der UNGA Res. 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, abgedruckt in: 28 ILM 1989, S. 1326: „Welcoming with appreciation the initiative taken by the Government of Malta in proposing for consideration by the Assembly the item entitled ‚Conservation of climate as part of the common heritage of mankind‘“. Siehe dazu die ausführlicheren Erörterungen im Rahmen der rechtsgeschichtlichen Entwicklung des common concern of humankind-Prinzips, Dritter Teil, IX. 1. 213  Siehe insbesondere Dritter Teil, Kap. IX. 1. und 2. 207 208

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

und wurde in beiden Fällen schließlich abgelehnt.214 Seither ist ein weit gefasster common heritage-Begriff im oben beschriebenen Sinne in keinem einzigen umweltvölkerrechtlichen Dokument niedergelegt worden. Zumindest was den Schutz der Menschheit vor globalen Umweltproblemen betrifft, ist jener weit gefasste common heritage-Begriff demnach vom jüngeren Prinzip des common concern of humankind abgelöst worden,215 wenngleich in der völkerrechtlichen Literatur gelegentlich noch immer undifferenziert behauptet wird, beide Prinzipien seien identisch.216

f ) Zusammenfassung zur Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips Wie der Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips zeigt, sollte es von Anfang an dazu dienen, eine gerechte Verteilung von Ressourcen sicherzustellen, die sich in bestimmten staatsfreien Räumen befinden. Als Produkt einer breit angelegten Debatte über eine neue, „gerechtere“ Weltwirtschaftsordnung zielt es darauf ab, das wirtschaftliche und technologische Gefälle zwischen einigen wenigen Industrieländern und der übrigen Staatengemeinschaft auszugleichen und in den staatsfreien Räumen auf eine globale Verteilungsgerechtigkeit hinzuwirken. Zu diesem Zweck wurde es sowohl im Seerechtsübereinkommen als auch im Mondvertrag verankert, wo es jeweils den Rahmen für ein neues Nutzungs- und ­Verteilungsregime setzt, der aus fünf Kernelementen besteht: Aneignungsverbot, Demilitarisierungsgebot, Freiheit der wissenschaftlichen Forschung, Umweltschutz und wirtschaftliche Nutzung des entsprechenden Gebietes. Darüber hinaus gibt es keine völkerrechtlichen Verträge, in denen der Begriff des common heritage of mankind ausdrücklich niedergelegt wurde und in dem sich auch sämtliche jener fünf Elemente inhaltlich nachweisen lassen. So scheiterte eine Übertragung des common heritage-Prinzips auf den staatsfreien Raum der Antarktis, weil sie von den Parteien des Antarktisvertrages mehrheitlich abgelehnt wurde.217 Zudem ist der Weltraumvertrag letztlich kein Anwendungsfall des gemeinsamen Erbes, weil er gerade keine spezifisch verteilungspolitischen Regelungen enthält.218 Wie dargelegt wurde, handelt es sich bei den Begriffen des „Welterbes“ sowie des „Kulturerbes“ und bei den Forderungen nach einem Ressourcen- und Technologietransfer nur um politische  Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 2. a) und 3. a).  So auch Hobe, FS Delbrück, S. 340; jene Verlagerung weg von der common heritage-Terminologie und hin zum common concern-Prinzip diagnostizieren auch Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen, S. 55 ff., 67 f. sowie Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 2 f. und Durner, Common Goods, S. 207 und 239 ff. 216  So vor allem Baslar, Concept, S. 352: „In the context of environmental law, the common heritage of mankind may complete its metamorphosis in the shape of ‚the common concern of humankind‘.“ Siehe hierzu auch bereits Durner, Common Goods, S. 207. 217  Siehe Dritter Teil, Kap. VIII. 1. c). 218  Siehe Dritter Teil, Kap. VIII. 1. b) aa). 214 215

2. Überblick über den gegenwärtigen Diskussionsstand zur völkerrechtlichen Bedeutung … 141

Slogans ohne völkerrechtliche Bedeutung und somit um keine echten Anwendungsfälle des common heritage of mankind-Prinzips.219 Schließlich hat der historische Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des common heritage-Prinzips vor allem gezeigt, dass auch der internationale Umweltschutz nicht in seinen Anwendungsbereich fällt.220 Im weiteren Verlauf der Arbeit wird noch ausführlicher darzulegen sein, dass in der Staatenpraxis des modernen Umweltvölkerrechts jener weit gefasste Begriff und Anwendungsbereich des common heritage-Gedankens, zumindest was den Schutz der Menschheit vor globalen Umweltproblemen betrifft, von dem jüngeren common concern of humankind-Prinzip abgelöst worden ist.221

2 . Überblick über den gegenwärtigen Diskussionsstand zur völkerrechtlichen Bedeutung des common heritage-Prinzips Auf dieser geschichtlichen Grundlage werden nunmehr die gegenwärtigen völkerrechtlichen Norminhalte jener Grundbausteine skizziert. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das common heritage-Prinzip in vielerlei Hinsicht als „Vorläufer“ des common concern-Prinzips Modell gestanden hat, ist es sachgerecht, diese Ausführungen bereits innerhalb der rechtsgeschichtlichen Grundlagen des common concern of humankind-Prinzips vorzunehmen. Es gibt eine kaum noch zu überschauende Fülle an Literatur zum schillernden Prinzip des common heritage of mankind,222 das nicht nur in der Völkerrechtswissenschaft, sondern gerade auch in der Praxis des Völkerrechts lange Zeit als ein universelles Prinzip zur Bewältigung ganz unterschiedlicher Problembereiche angesehen wurde.223 Angesichts seiner vielseitigen Rezeption wird die rechtliche Bedeutung dieses Prinzip in vielerlei Hinsicht sehr kontrovers diskutiert. Auf der einen  Siehe Dritter Teil, Kap. VIII. 1. d).  Siehe Dritter Teil, Kap. VIII. 1. e). 221  Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 1. und 2. 222  Siehe etwa Anand, 37 Indian JIL 1997, 1 ff.; Baslar, Concept (mit umfassenden Literaturhinweisen auf den Seiten 382 ff., die neben dem älteren, hier nicht angeführten Schrifttum auch unveröffentlichte Arbeiten und hierbei insb. Dissertationen umfassen); Cassese, International Law in a Divided World, S. 376 ff.; Danilenko, The Concept of the „Common Heritage of Mankind“ in International Law, XIII AASL 1988, 247  ff.; Joyner, 35 ICLQ 1986, 190  ff.; Kewenig, FS Schlochauer, S. 385 ff.; Postyshev, The Concept of the Common Heritage of Mankind: From New Thinking to New Practice; Stocker, Common Heritage; Wolfrum, 43 ZäöRV (1983), 312 ff.; Taylor, Common heritage and common concern, in: Krämer (Hrsg.), Principles, S. 303 ff.; Qureshi, 36 Arizona Journal of International Comparative Law (2019), S. 79 (80 ff.); Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (174 ff.); French, common concern and common heritage, in: Bowman/Davies/Goodwin (Hrsg.), Biodiversity and Law, S. 334 ff. 223  So Durner, Common Goods, S. 181. 219 220

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

Seite des breiten Meinungsspektrums gehen einzelne Literaturauffassungen so weit, dem Prinzip, gerade weil es so viele unterschiedliche und zum Teil auch gegensätzliche Interpretationen zulasse, jegliche Rechtswirkungen abzusprechen.224 In eine ähnliche Richtung tendieren jene Lehrmeinungen, denen zufolge aufgrund der so unterschiedlichen Ausprägungen der Idee des common heritage in den völkerrechtlichen Regimen der verschiedenen staatsfreien Räumen überhaupt nicht von einem einheitlichen Prinzip gesprochen werden könne.225 Manche Stimmen ordnen es als ein völkergewohnheitsrechtlich wirkendes Prinzip ein;226 teilweise wird dem common heritage-Prinzip sogar der zwingende Charakter eines ius cogens-Grundsatzes beigemessen.227 Nach überwiegender und überzeugender Ansicht in der völkerrechtlichen Literatur ist die Konzeption des common heritage dem Bereich der „laws in the public interest“ zuzurechnen228 und entfaltet daher erga omnes-Wirkung.229 Es würde sichtlich den Rahmen dieser Arbeit sprengen, näher auf die ausgetauschten Argumente im Hinblick auf die völkerrechtliche Wirkung des common heritage-Prinzips einzugehen und eine eigene Stellungnahme abzugeben. Vieles spricht dafür, dass das common heritage-Prinzip Verpflichtungen erga omnes begründet, da es die sogenannten „staatsfreien Räume“ zum Nutzen der gesamten Staatengemeinschaft einem globalen Nutzungs- und Verteilungsregime unterwirft230 und daher im Sinne der Rechtsprechung des IGH im Barcelona Traction-Fall und ihrer Verankerung in Art. 42 und 48 der ILC Articles on State Responsibility (ASR) ein übergeordnetes Staatengemeinschaftsinteresse ausdrückt.231 Mit zusätzlicher Autorität versehen wird diese Einschätzung durch die Ausführungen der ILC, die bereits im Jahre 1985 klargestellt hat, das common heritage of mankind-Prinzip entfalte eine Wirkung erga omnes.232

 Siehe etwa Pinto, Common Heritage, S. 249 ff.  Hobe, FS Delbrück, S. 340. 226  Wolfrum, Internationalisierung, S.  392  f.; Wolter, Grundlagen, S.  208 m.  w.  N.; Qureshi, 36 Arizona Journal of International Comparative Law (2019), S. 79 (93 ff.). 227  Christol, The Jus Cogens Principle and International Space Law, Proc. IISL Coll., 1984, S. 1. 228  Dies tut ausdrücklich etwa Wolter, Grundlagen, S. 208. 229  Siehe etwa nur Kewenig, FS Schlochauer, S.  385  ff.; Stocker, Common Heritage, S.  206  f.; Hobe, FS Delbrück, S. 340 und 343; Wolter, Grundlagen, S. 198 und 208. 230  So deutlich Stocker, Common Heritage, S. 10–15, in dessen Dissertation dies bereits im Titel zum Ausdruck kommt; siehe allerdings etwa auch Kornicker, ius cogens, S. 40 und Kiss, International Protection, S. 1083–1087; vgl. ferner Simma, 250 RdC (1994), S. 217 (241). 231  Siehe dazu die späteren Ausführungen, Vierter Teil, Kap. XIV. 2. 232  Yearbook of the ILC II/1985, Part Two, S. 1 (27). 224 225

2. Überblick über den gegenwärtigen Diskussionsstand zur völkerrechtlichen Bedeutung … 143

a ) Die fünf normativen Grundbausteine des CHM-Prinzips nach der „Elementenlehre“ Nach der herrschenden „Elementenlehre“ soll das common heritage ein globales Verwaltungsmodell für staatsfreie Räume darstellen und sich aus fünf normativen Grundbausteinen zusammensetzen, welche das völkerrechtliche Schrifttum seit den 1970er-Jahren aus dem Antrag Pardos ermittelt hat: Aneignungsverbot, Demilitarisierungsgebot, Freiheit der wissenschaftlichen Forschung, Umweltschutz und wirtschaftliche Nutzung des entsprechenden Gebietes.233 Nachdem oben bereits die geschichtliche Entwicklung jener Bausteine dargelegt wurde, soll nunmehr ihre ­eigentliche positiv-völkerrechtliche Bedeutung anhand ihrer bisherigen Anwendungsfälle im See- und Weltraumrecht genauer betrachtet werden. aa) Okkupationsverbot Im Ausgangspunkt des common heritage-Grundsatzes steht das Okkupationsverbot. Dies folgt allerdings – abweichend vom klassischen Völkerrecht – nicht etwa aus der rechtlichen Unmöglichkeit einer Aneignung von Ressourcen in staatsfreien Räumen. Vielmehr sprechen die Vorschriften, in denen das common heritage-­ Prinzip niedergelegt ist, ausdrücklich ein entsprechendes völkerrechtliches Okkupationsverbot aus.234 Aus der Nichtanerkennung von Souveränitätsansprüchen resultiert als völkerrechtliche Konsequenz ein Okkupationsverbot bezüglich der jeweiligen staatsfreien Räume und der dortigen Ressourcen.235 So heißt es in dem bereits zuvor zitierten Art. 137 Abs. 1 SRK: „No State shall claim or exercise sovereignty or sovereign rights over any part of the Area and its resources, nor shall any State or natural or juridical person appropriate any part thereof. No such claim or exercise of sovereignty or sovereign rights nor such appropriation shall be recognized.“236

Ebenfalls niedergelegt ist das Okkupationsverbot in Art. 11 MV, der genauso wie Art. II WRV ausdrücklich eine Besetzung des Mondes verbietet: „The moon is not subject to national appropriation by any claim of sovereignty, by means of use or occupation, or by any other means.“237

 Siehe Baslar, Concept, S. 115 f. und Durner, Common Goods, S. 214 f. Siehe ferner Qureshi, 36 Arizona Journal of International Comparative Law (2019), S. 79 (84 f.), dem zufolge das common heritage-Prinzip aus sechs Bausteinen bestehen soll, wobei Qureshi – wenig überzeugend – sowohl die gerechte Verteilung der Nutzungsvorteile als auch die zu diesem Zweck zu errichtenden Regelungen jeweils als eigenständigen Baustein einordnet. 234  Siehe Durner, Common Goods, S. 215. 235  So ausdrücklich Durner, Common Goods, S. 215. 236  Art. 137 Abs. 1 der Seerechtskonvention, abgedruckt in: 21 ILM 1982, S. 1261 ff. 237  Art. 11 Moon Agreement, abgedruckt in: 18 ILM 1979, S. 1434 ff. 233

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

Beide Okkupationsverbote stellen nach überwiegender Auffassung zwingendes Völkerrecht dar.238 Ob sich das Verbot aber lediglich auf die Okkupation der Ressourcen oder auch auf einen Eigentumserwerb an abgetrennten Ressourcen bezieht, ist umstritten. So haben insbesondere die Entwicklungsländer bisweilen mehrheitlich argumentiert, aus dem Okkupationsverbot folge auch, dass ein Eigentumserwerb an getrennten Ressourcen unzulässig sei.239 Nach überwiegender Ansicht sind jedoch die Erlangung von Souveränität und Eigentum an dem gemeinsamen Erbe selbst und seinen Ressourcen einerseits und die Zulässigkeit eines Eigentumserwerbs an Teilen der Ressourcen durch Trennung andererseits völkerrechtlich strikt voneinander zu unterscheiden.240 Gerade anhand des Beispiels der Fischereifreiheit auf der Hohen See lasse sich verdeutlichen, dass im Völkerrecht traditionell zwischen der Nichtanerkennung von Souveränität einerseits und dem Aneignungsverbot andererseits unterschieden werde; denn auch eine Überfischung sei völkerrechtlich keine Okkupation der Meere oder ihrer Ressourcen.241 Demnach lässt sich eine Aneignung von Ressourcen durch Abtrennung nur über das Nutzungselement des common heritage-Prinzips einschränken. bb) Wirtschaftliche Nutzung Das Nutzungselement des common heritage-Prinzips zielt darauf ab, die Freiheit aller Staaten zur Nutzung des gemeinsamen Erbes und zur Aneignung ihrer abtrennbaren Ressourcen verteilungspolitisch zu korrigieren. Gerade das Nutzungselement entstand aus der Erfahrung der Entwicklungsländer, dass die rechtliche Gleichheit bei der Nutzung der in den staatsfreien Räumen befindlichen Ressourcen infolge des Technologiegefälles faktisch zu unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten führt und bereits bestehende Ungleichheiten zwischen Industrie- und Entwicklungsländern vertieft.242 Die inhaltliche Ausprägung des Nutzungselements ist im Einzelnen sehr umstritten.243 Daraus wird oftmals geschlossen, das Nutzungselement als solches gelte nicht als gesichert.244 Berücksichtigt man den Umstand, dass das Nutzungselement den konzeptionellen Dreh- und Angelpunkt des common heritage-­Prinzips bildet, stellen solche Beiträge zugleich die Geltung des common

 Siehe Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S.  251  f.; Hannikainen, Peremptory Norms, S. 522 ff. sowie zusammenfassend auf S. 595, beide mit umfangreichen Nachweisen. Siehe dazu außerdem Durner, Common Goods, S. 215. 239  Siehe etwa die Ausführungen von Shraga, The Common Heritage of Mankind, S. 61; kritisch und mit umfassenden Nachweisen Christol, 14 International Lawyer (1980), S. 431 ff. (479 ff.).  240  Grundlegend für die überwiegende Auffassung Goldie, 79 AJIL (1985), S. 689 (695 ff.). Siehe Durner, Common Goods, S. 216. 241  Siehe erneut Durner, Common Goods, S. 216 und Goldie, 79 AJIL (1985), S. 689 (695 ff.); ähnlich Postyshev, Common Heritage of Mankind, S. 142 ff. 242  Wolfrum, Internationalisierung, S. 341. 243  Siehe dazu etwa nur Stocker, Common Heritage, S. 179 ff. 244  So erneut vor allem Stocker, Common Heritage, S. 179 ff. 238

2. Überblick über den gegenwärtigen Diskussionsstand zur völkerrechtlichen Bedeutung … 145

heritage-Grundsatzes selbst zumindest teilweise infrage.245 Solche Darstellungen basieren allerdings auf einem allzu pauschalen Verständnis des Nutzungselements; denn der Sammelbegriff „Nutzungselement“ umfasst durchaus verschiedene einzelne Nutzungsaspekte, die sich teilweise widersprechen und sich daher nicht ohne Weiteres auf einen einzelnen Nenner bringen lassen.246 Genauer besehen lässt sich das Element der wirtschaftlichen Nutzung des gemeinsamen Erbes in vier „Unter­ elemente“ aufspalten, nämlich in den gleichberechtigten Zugang aller Staaten zum gemeinsamen Erbe (1), den Grundsatz, dass die Nutzungen allen Staaten zugute kommen müssen (2), die gemeinsame Verwaltung des gemeinsamen Erbes durch die Staatengemeinschaft (3) und schließlich die Unmöglichkeit eines Eigentumserwerbs an Ressourcen durch Trennung (4). Von diesen Unterelementen sind bislang nicht alle völkerrechtlich verbindlich umgesetzt worden.247 (1) Der gleichberechtigte Zugang aller Staaten zum gemeinsamen Erbe Den Ausgangspunkt bildet zunächst die gleichberechtigte Zugangs- und Nutzungsfreiheit aller Staaten im Hinblick auf das gemeinsame Erbe der Menschheit. Bereits Pardo hatte in seinen Definitionsversuchen betont: „The common heritage concept implies freedom of access and use on the part of those having part of the heritage (…)“.248

In der Seerechtskonvention wird dieser Aspekt nicht ausdrücklich niedergelegt; mittelbar lässt sich dieser Grundsatz aber zahlreichen Vorschriften entnehmen, so etwa der Aussage von Art. 141 SRK, das Gebiet könne nur zu friedlichen Zwecken genutzt werden,249 was eine grundsätzliche Nutzungsfreiheit impliziert.250 Auch lässt sie sich aus der Verankerung des Rücksichtnahmegebotes in Art. 147 Abs. 1 SRK ableiten.251 In Art. 11 Abs. 4 des Mondvertrages ist das Recht zur Erforschung und Nutzung des Mondes dagegen ausdrücklich verankert worden, doch wird es zugleich durch das Rücksichtnahmegebot und die Pflicht zur Aufteilung der Nutzungsvorteile relativiert. In jedem Fall stellt folglich die Zugangsfreiheit einen grundlegenden Unteraspekt des Nutzungselements des common heritage-Prinzips dar. Daneben sind die Staaten grundsätzlich auch zur gleichberechtigten Nutzung des gemeinsamen Erbes berechtigt. Allerdings ist diese grundsätzliche Zugangs Siehe Durner, Common Goods, S. 216 f.  So deutlich statt Vieler nur Durner, Common Goods, S. 217. 247  Diese feinsinnige Unterscheidung stammt von Durner, Common Goods, S. 217. 248  Pardo, Third Statement, November 29, 1968, in: The Common Heritage, S. 51 (64 f.). 249  Art. 141 SRK (Use of the Area exclusively for peaceful purposes) lautet: „The Area shall be open to use exclusively for peaceful purposes by all States, whether coastal or land-locked, without discrimination and without prejudice to the other provisions of this Part.“ 250  Siehe Durner, Common Goods, S. 218. 251  Art. 147 Abs. 1 SRK (Accommodation of activities in the Area and in the marine environment) lautet: „Activities in the Area shall be carried out with reasonable regard for other activities in the marine environment (…)“. 245 246

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

und Nutzungsfreiheit aller Staaten vor allem durch den zweiten Unteraspekt des common heritage-Prinzips beschränkt, wonach die Nutzungen dem Wohl der gesamten Menschheit zugute kommen müssen.252 (2) Gemeinwohlaspekte und die Aufteilung der Nutzungsvorteile Den eigentlichen Kern von Pardos Antrag machte seine Erklärung aus, das common heritage-Prinzip erfordere die billige Aufteilung („equitable sharing“) der Vorteile, die aus der Nutzung des gemeinsamen Erbes gezogen werden.253 Diese am Gemeinwohl orientierte Verpflichtung zur Aufteilung der Nutzungsvorteile wird immer dann kontrovers diskutiert, wenn das common heritage-Prinzip in wirtschafts- und entwicklungspolitischen Zusammenhängen geltend gemacht wird,254 so etwa bei den oben bereits erwähnten Forderungen der Entwicklungsländer nach Ressourcenund Technologietransfer.255 In der Seerechtskonvention ist dieser Grundsatz des „equitable sharing“ vor allen Dingen in Art. 140 niedergelegt, wonach Betätigungen in der „Area“ die Menschheit als Ganzes begünstigen müssen, insbesondere die Entwicklungsländer und jene Völker, die noch nicht die volle Selbstständigkeit erlangt haben: „Activities in the Area shall (…) be carried out for the benefit of mankind as a whole, irrespective of the geographical location of States (…) and taking into particular consideration the interests and needs of developing States and of peoples who have not attained full independence (…)“.256

Eine „Vergemeinschaftung“ soll nach Art. 160 Abs. 2 SRK durch eine faire und billige Verteilung der wirtschaftlichen Vorteile solcher Betätigungen erfolgen, wobei genauere Verteilungsregeln noch durch eine zukünftige UN-Resolution zu ­bestimmen sind.257 Anerkannt ist jedenfalls bislang eine Pflicht zur fairen Aufteilung der Gewinne.258 In ähnlicher Weise begrenzt der Mondvertrag die grundsätzliche Freiheit der Staaten zur Ausbeutung der Mondressourcen. So statuiert Art. 11 Abs. 7 MV unter Buchstabe d) die billige Aufteilung der Nutzungsvorteile, wobei sowohl die Interessen der Entwicklungsländer als auch die Beiträge derjenigen Staaten, die zur

 Siehe zum Ganzen Durner, Common Goods, S. 218.  Pardo, Third Statement, November 29, 1968, in: The Common Heritage, S. 51 (64 f.). 254  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 218. 255  Siehe oben, Dritter Teil, VIII. 1. d) cc). 256  Vgl. Art. 140 Abs. 1 Satz 1 SRK (Benefit of Mankind). In Art. 140 Abs. 2 SRK ist die Verteilung der Nutzungsvorteile niedergelegt. 257  Art. 160 Abs. 2 SRK (Powers and functions) lautet: „In addition, the powers and functions of the Assembly shall be: (…) (g) to decide upon the equitable sharing of financial and other economic benefits derived from activities in the Area, consistent with this Convention and the rules, regulations and procedures of the Authority“. 258  Siehe Postyshev, The Concept of the Common Heritage, S. 105 ff. 252 253

2. Überblick über den gegenwärtigen Diskussionsstand zur völkerrechtlichen Bedeutung … 147

­ rforschung des Mondes beigetragen haben, besonders zu berücksichtigen sind.259 E Auch im Rahmen des Mondvertrages ist diese Idee des „equitable sharing“ nicht so bestimmt, als dass sich aus ihr ohne Weiteres präzisere Verteilungsaspekte ableiten ließen.260 Der allgemeine Grundsatz der fairen Gewinnverteilung unter umfassender Interessenabwägung und besonderer Berücksichtigung der Entwicklungsländer bildet den wichtigsten und unbestrittenen Gemeinwohlaspekt des common heritage-­ Prinzips und seines Nutzungselements.261 Dass dieser Grundsatz dessen Kern und „Wesen“ ausmacht, ist allgemein anerkannt. Wo dieser Grundsatz fehlt, gibt es auch kein common heritage-Prinzip.262 (3) Die gemeinsame Verwaltung des gemeinsamen Erbes Die Pardo’sche Idee, die Menschheit als Ganzes an den Vorteilen des gemeinsamen Erbes partizipieren zu lassen, wirft die praktische Frage auf, ob und inwieweit das gemeinsame Erbe auch gemeinsam verwaltet werden muss, um die Aufteilung der Nutzungsvorteile gewissermaßen institutionell abzusichern. Nach Kewenig ist eine gemeinsame Verwaltung gleichsam die „organisatorische Schlussfolgerung“ aus der Idee des gemeinsamen Erbes der Menschheit.263 Das „Ob“ einer solchen gemeinsamen Verwaltung ist unzweideutig in Art. 137 Abs. 2 SRK niedergelegt. Ihr näheres „Wie“ ist allerdings seit jeher zwischen Industrie- und Entwicklungsländern kontrovers geblieben264 und wird in Art. 137 Abs. 2 SRK nur angedeutet: „All rights in the resources of the Area are vested in mankind as a whole on whose behalf the Authority shall act. These resources are not subject to alienation. The minerals recovered from the Area, however, may only be alienated in accordance with this Part and the rules, regulations and procedures of the Authority.“

Demnach handelt die Verwaltungsbehörde („Authority“) im Namen der internationalen Staatengemeinschaft und erlässt zu diesem Zweck Regeln und Verordnungen. In wesentlich abgeschwächter Form findet sich diese Idee im Mondvertrag, der in Art. 11 Abs. 5 eine gemeinsame Mondverwaltung nur als Ziel und ausschließlich

 Art. 11 Abs. 7 Buchstabe d) MV lautet: „An equitable sharing by all States Parties in the benefits derived from those resources, whereby the interests and needs of the developing countries, as well as the efforts of those countries which have contributed either directly or indirectly to the moon, shall be given special consideration.“ 260  Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 220. 261  Siehe Durner, Common Goods, S. 220. 262  So stellvertretend für die überwiegende Auffassung Shraga, Common Heritage of Mankind, S. 59. Siehe zudem Durner, Common Goods, S. 220. 263  So vor allem Kewenig, FS Schlochauer, S. 388. Dazu Durner, Common Goods, S. 221. 264  Ausführlicher zu den jeweiligen Interessen der Industrie- und Entwicklungsländer und zu deren Konflikten Schachter, Sharing the World’s Resources, S. 51 ff. 259

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

hinsichtlich der Ressourcennutzung in Aussicht stellt und in Abs. 7 einige Grundsätze für ein künftiges Verwaltungsregime normiert.265 Letztendlich lässt sich diesen Vorschriften der Seerechtskonvention und des Mondvertrages zumindest als gemeinsamer Nenner der allgemeine Grundsatz entnehmen, dass zur Verwaltung des gemeinsamen Erbes der Menschheit ein internationales Regime geschaffen werden soll, das der Umsetzung und Sicherstellung sämtlicher materieller Aspekte des common heritage-Prinzips dient.266 Die Forderung des common heritage-Prinzips nach einer gemeinsamen Verwaltung des gemeinsamen Erbes geht über das allgemeine völkerrechtliche Kooperationsgebot hinaus und richtet einen Handlungsauftrag an alle Staaten.267 Dieser Anforderung dürfte eine bloße „Kooperation“ der Staaten untereinander als „Organe der Menschheit“ kaum Genüge tragen.268 Konkretere Vorgaben für die Ausgestaltung einer gemeinsamen Verwaltung lassen sich dem common heritage-Prinzip nach überwiegender Auffassung aber bislang nicht entnehmen.269 (4) Die Unmöglichkeit eines Eigentumserwerbs an Ressourcen durch Trennung Seit jeher wurde kontrovers diskutiert, ob das Nutzungselement des common heritage-­Prinzips auch den Erwerb von Eigentum an Teilen oder Früchten des gemeinsamen Erbes  – und damit vor allem auch den unilateralen Tiefseebergbau  – verbietet.270 Angestoßen wurde diese Überlegung erneut von Pardo, der im Jahre 1968 im Rahmen seiner Ausführungen zur rechtlichen Bedeutung des common heritage-­Prinzips vorsichtig formulierte: „It is possible to go further; the notion of property that cannot be divided without the consent of all, and which should be administered in the interests and for the benefit of all, is a logical extension of the common heritage concept.“271

Ein solches Aneignungsrecht außerhalb des zu schaffenden Regimes vollständig zu verbieten, wäre in der Tat eine konsequente Durchführung des Internationalisierungsmodells, welches dem common heritage-Prinzip zugrunde liegt. Damit würde den Staaten allerdings ein zentraler Aspekt der im CHM-Prinzip verankerten  Art. 11 Abs. 5 Satz 1 MV lautet: „States Parties to this Agreement hereby undertake to establish an international regime, including appropriate procedures, to govern the exploitation of the natural resources of the moon as such exploitation is about to become feasible.“ Siehe dazu erneut Durner, Common Goods, S. 221. 266  Siehe Durner, Common Goods, S. 221. 267  So Durner, Common Goods, S. 221. 268  So aber Wolfrum, 43 ZaöRV (1983), S. 312 ff.; ihm folgend Shraga, The Common Heritage of Mankind, S. 61 f. 269  Darüber gibt es einen „Minimalkonsens“ in der völkerrechtlichen Literatur, vgl. Durner, Common Goods, S. 222, Fn. 211 und Stocker, Common Heritage, S. 157 ff. sowie Kewenig, Common heritage of mankind, in: FS Schlochauer, S. 393 f. 270  Siehe oben Dritter Teil, Kap. VIII. 1. a). 271  Pardo, Third Statement, November 29, 1968, in: The Common Heritage, S. 51 (64 f.). 265

2. Überblick über den gegenwärtigen Diskussionsstand zur völkerrechtlichen Bedeutung … 149

­Nutzungsfreiheit untersagt.272 So wurde denn auch die Frage der Zulässigkeit eines Eigentumserwerbs durch Abtrennung der Ressourcen vom gemeinsamen Erbe, mithin das Verbot unilateralen Tiefseebergbaus, zum zentralen Zankapfel des zu schaffenden Tiefseeregimes. In völkerrechtlich verbindlichen Dokumenten wurde ein solches Bergbauverbot daher auch nur spärlich verankert. So wurde die einschlägige UN-Moratoriumsresolution aus dem Jahre 1969 von den meisten Industrieländern abgelehnt, und die ein Jahr später einstimmig verabschiedete Meeresbodenprinzipienerklärung enthält nach weit überwiegender Auffassung gerade kein Moratorium für den Tiefseebergbau.273 Zwar erklärt Art. 137 Abs. 3 SRK einen Eigentumserwerb an Früchten und Teilen der Tiefseebodenressourcen außerhalb des zu schaffenden Regimes für unmöglich.274 Doch verzögerte gerade der Streit über diese Vorschrift das Inkrafttreten der Seerechtskonvention. Daher ist nach überwiegender Auffassung allenfalls der Kernbestand des Tiefseebodenregimes der Seerechtskonvention – und damit auch das common heritage-Prinzip als solches – zu Gewohnheitsrecht erstarkt, nicht aber die institutionelle und prozedurale Ausgestaltung des Meeresbodenbergbaus. In jedem Fall verbiete das Völkergewohnheitsrecht den unilateralen Tiefseebodenbergbau von Drittstaaten dann nicht, wenn die Erträge daraus mit allen anderen Staaten geteilt würden.275 Diese Auslegung spiegelt auch der Mondvertrag wider, der ebenfalls nach überwiegender Sichtweise kein De-facto-Moratorium für eine wirtschaftliche Ausbeutung des Mondes enthält.276 Ablesen lässt sich dies nicht nur an der allgemein formulierten Nutzungsfreiheit, sondern vor allem aus einem argumentum e contrario zu Art. 11 Abs. 3 MV:277 „Neither the surface nor the subsurface of the moon, nor any part thereof or natural resources in place, shall become property of any State, international intergovernmental or non-­ governmental organization, national organization or non-governmental entity or of any natural person (…)“.278

Diese Vorschrift verbietet einen Eigentumserwerb von Ressourcen „in situ“, das heißt das Abstecken eines claims.279 Daraus folgt aber argumentum a minore ad maius die grundsätzliche Möglichkeit, durch Trennung Eigentum an den ­Ressourcen

 Ähnlich Durner, Common Goods, S. 222.  Siehe etwa Kronmiller, The Lawfulness of Deep Seabed Mining, S. 269 ff. m. w. N. 274  Art. 137 Abs. 3 SRK lautet: „No State or natural or juridical person shall claim, acquire or exercise rights with respect to the minerals recovered from the Area except in accordance with this Part. Otherwise, no such claim, acquisition or exercise of such rights shall be recognized.“ 275  So argumentieren vor allem Wolfrum, 43 ZaöRV (1983), S. 316 ff. und 335 f. und Kronmiller, Lawfulness of Deep Seabed Mining, S.  207  ff., 515  f.; siehe dazu ebenfalls Durner, Common Goods, S. 223. 276  Siehe statt vieler etwa Baslar, Concept, S. 166 ff. m. w. N. in Fn. 42 ff.; Larschan/Brennan, 21 CJTL (1988), S. 305 (329 f.); siehe außerdem Wolfrum, Der Mondvertrag, S. 665. 277  Siehe Durner, Common Goods, S. 223. 278  Moon Agreement, Art. 4 Abs. 1, abgedruckt in: 18 ILM (1979), S. 1435. 279  So Durner, Common Goods, S. 224. 272 273

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

des Mondes zu erwerben.280 Darüber bestand auch in den Verhandlungen zum Mondvertrag recht früh Einigkeit.281 Somit enthält Art. 11 Abs. 3 MV kein Aneignungsverbot, sondern ein Aneignungsrecht, das erst über die zuvor genannte Pflicht zur Gewinnausschüttung an alle anderen Staaten zur Förderung des Gemeinwohls verteilungspolitisch korrigiert wird. Festzuhalten bleibt somit, dass die Unzulässigkeit eines Eigentumserwerbs an Ressourcen durch Trennung weder gewohnheitsrechtlich anerkannt noch im Mondvertrag nachzuweisen ist, sondern ausschließlich in der Seerechtskonvention verankert wurde und daher reines Völkervertragsrecht darstellt. Ein strenges Aneignungsverbot kann somit nicht als Bestandteil eines universell geltenden allgemeinen Rechtsprinzips angesehen werden. (5) Zusammenfassung zum Element der wirtschaftlichen Nutzung Zusammenfassend bleibt folglich – mit Durner – festzuhalten, dass im Hinblick auf das Element der wirtschaftlichen Nutzung des gemeinsamen Erbes der Menschheit drei Unterelemente anerkannt sind: (1) der gleichberechtigte Zugang zum gemeinsamen Erbe sowie seine gleichberechtigte Nutzung durch alle Staaten, (2) die Verpflichtung der nutzenden Staaten, ihre erbeuteten Nutzungsvorteile durch eine faire Gewinnverteilung allen anderen Staaten ebenfalls zugute kommen zu lassen sowie (3) die grundsätzliche Notwendigkeit, zu diesem Zweck unter universeller Beteiligung aller Staaten eine internationale Organisation zu schaffen.282 cc) Forschungsfreiheit Zwar ist das Element der Forschungsfreiheit weniger umstritten als das Nutzungselement; doch ist es dafür auch von deutlich geringerer praktischer Relevanz. Ihren historischen Ursprung hat die Gewährleistung der Forschungsfreiheit in staatsfreien Räumen im Antarktisvertrag. Dort wurde die allgemeine Zugangs- und Nutzungsfreiheit durch ein Sonderregime ersetzt, sodass die Forschungsfreiheit grundlegend und eigenständig gewährleistet ist.283 Von dort wurde sie auf das Seerecht übertragen, wo zwar die Freiheit der Forschung traditionell vom Grundsatz der Meeresfreiheit mit umfasst wurde, die Freiheit der Meeresforschung aber infolge der Ausdehnung der Souveränität der Küstenstaaten mittlerweile eigenständige Bedeutung erlangt hat.284 Auch im Rahmen des gemeinsamen Erbes galt die Freiheit der Forschung stets als eigenständiges Element, zumal Pardo sie in seiner Verbalnote unmittelbar nach  Diese Konsequenz zieht Reijnen, Space Treaties, S. 308 f.  Siehe etwa Galloway, Agreement Governing the Activities of States, S. 498. 282  Diesen Konsens stellt am deutlichsten Durner, Common Goods, S. 224 f. heraus. 283  Siehe Durner, Common Goods, S. 225. 284  So Durner, Common Goods, S. 225. 280 281

2. Überblick über den gegenwärtigen Diskussionsstand zur völkerrechtlichen Bedeutung … 151

Einführung des common heritage-Begriffs ausdrücklich aufführte.285 Gelegentlich wird allerdings die Frage aufgeworfen, ob die Forschungsfreiheit bereits von dem Grundsatz der Zugangsfreiheit zum gemeinsamen Erbe als Teil des Nutzungselements umfasst ist und deshalb kein eigenständiges Element des common heritage-­ Grundsatzes darstellt.286 Allerdings enthält das Gebot der Forschungsfreiheit einen Schwerpunkt, der diese vom allgemeinen Grundsatz der Zugangsfreiheit abhebt: Sowohl die Seerechtskonvention als auch der Mondvertrag enthalten Ermahnungen, auch die Forschung dem Gemeinnützigkeitspostulat des gemeinsamen Erbes zu unterstellen und sie „im Geiste weltweiter Zusammenarbeit durchzuführen“.287 So erklärt Art. 256 SRK den elften Abschnitt über die Meeresforschung – der mit zahlreichen Ermahnungen zur Zusammenarbeit und zum Technologietransfer durchsetzt ist  – auch für den Tiefseeboden für anwendbar.288 Darüber hinaus werden allgemeine Selbstverpflichtungen der Staaten zur Zusammenarbeit aufgestellt, die allerdings eher programmatisch formuliert sind.289 Art. 11 MV statuiert ein subjektives Recht der Staaten auf Erforschung des Mondes290 und Art. 6 MV formuliert die Forschungsfreiheit als objektive Gewährleistung.291 Außerdem enthält Art.  6 MV einige Kooperationsvorschriften, die allerdings unverbindlich sind.292 So ruft etwa Art. 6 Abs. 2 MV alle Vertragsstaaten auf abzuwägen, ob sie Gesteinsproben vom Mond anderen Vertragsstaaten zur Verfügung stellen.293 Sowohl in der Seerechtskonvention als auch im Mondvertrag wurde demnach ausschließlich die Forschungsfreiheit völkerrechtlich verbindlich festgeschrieben; nicht verankert wurden dagegen ihre Beschränkungen, sodass die eigenständige

 Siehe Durner, Common Goods, S. 225.  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 225. 287  Siehe zu dieser Abgrenzung bereits Durner, Common Goods, S. 225. 288  Zur Forschungsfreiheit auf dem Tiefseeboden und deren Schranken siehe Borrmann/Weber/ Kopp/Schwarz, Meeresforschung, S. 76 ff. 289  Siehe etwa in Section 2 SRK die Art. 242 (Promotion of International Cooperation), Art. 243 (Creation of favourable conditions), und Art. 244 (Publication and dissemination of information and knowledge). 290  Art.  11 Abs.  4 MV lautet: „States Parties have the right to exploration and use of the moon ­without discrimination of any kind, on the basis of equality and in accordance with international law and the terms of this Agreement.“ 291  Art. 6 Abs. 1 MV lautet: „There shall be freedom of scientific investigation on the moon by all States Parties without discrimination of any kind, on the basis of equality and in accordance with international law.“ 292  Daher entsprechen diese Regelungen bloß der allgemeinen Kooperationspflicht aller Staaten nach universellem Völkerrecht. So Durner, Common Goods, S. 226, Fn. 240. 293  Art. 6 Abs. 2 Satz 3 MV lautet: „States Parties shall have regard to the desirability of making a portion of such samples available to other interested States Parties and the international scientific community for scientific investigation.“ Dies entspricht der Praxis der Vereinigten Staaten, die auf Anfrage allen Staaten Proben des Mondgesteins zur Verfügung stellten. Siehe zum Ganzen ausführlich Durner, Common Goods, S. 226. 285 286

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VIII. Common heritage als „Vorläufermodell“ des common concern

­ edeutung der Forschungsfreiheit neben dem allgemeinen Zugangsrecht aller StaaB ten zum gemeinsamen Erbe eher gering sein dürfte.294 dd) Demilitarisierungsgebot und Umweltschutz Die grundsätzliche Freiheit aller Staaten, sich Zugang zum gemeinsamen Erbe zu verschaffen und es wirtschaftlich zu nutzen, wird schließlich – neben dem Okkupationsverbot und der Verpflichtung der nutzenden Staaten zur Gewinnverteilung  – ferner durch die Gebote der Demilitarisierung und des Umweltschutzes beschränkt oder hat sich, anders gewendet, an diesen übergreifenden Gemeinwohlaspekten auszurichten. Beide Elemente folgten historisch aus einer Reaktion der Entwicklungsländer auf zum Teil exzessive militärische Nutzungen staatsfreier Räume durch die Industrienationen sowie die daraus resultierenden Umweltverschmutzungen.295 Gemäß Art.  141 SRK darf das Gebiet der Area ausschließlich zu friedlichen Zwecken genutzt werden.296 Außerdem sind die Staaten nach Art. 145 SRK bei ihren Nutzungen der Hohen See zum Schutz der Meeresumwelt verpflichtet.297 In ähnlicher Weise sind die Gebote der Demilitarisierung und des Umweltschutzes im Mondvertrag niedergelegt: Art. 3 Abs. 1 MV gestattet – wie bereits Art. IV Satz 2 des Weltraumvertrages298- nur die Nutzung des Mondes zu friedlichen Zwecken299 und Art. 7 MV statuiert eine Schutzpflicht für die Umwelt des Mondes.300

 Ähnlich für den Mondvertrag Durner, Common Goods, S. 226.  Siehe Cheng, The Legal Regime of Airspace and Outer Space: The Bounder Problem, V AASL 1980, S. 323 (337); Durner, Common Gods, S. 227. 296  Art. 141 SRK (Use of the Area exclusively for peaceful purposes): „The Area shall be open to use exclusively for peaceful purposes by all States (…)“. Dies gilt gemäß Art. 143 Abs. 1 SRK auch für Forschungsarbeiten. 297  Art. 145 SRK (Protection of the marine environment): „Necessary measures shall be taken in accordance with this Convention with respect to activities in the Area to ensure effective protection of the marine environment from harmful effects which may arise from such activities. To this end the Authority shall adopt appropriate rules, regulations and procedures (…)“. 298  Art. IV Satz 2 WRV lautet: „The Moon and other celestial bodies shall be used by all States Parties to the Treaty exclusively for peaceful purposes.“ 299  Art. 3 Abs. 1 MV: „The moon shall be used by all States Parties exclusively for peaceful purposes.“ 300  Art. 7 MV lautet: „In exploring and using the moon, States Parties shall take measures to prevent the disruption of the existing balance of its environment whether by introducing adverse changes in that environment, by its harmful contamination through the introduction of extra-environmental matter or otherwise.“ 294 295

2. Überblick über den gegenwärtigen Diskussionsstand zur völkerrechtlichen Bedeutung … 153

b) Zusammenfassung Das common heritage of mankind-Prinzip unterwirft die bislang von ihm erfassten staatsfreien Räume des Tiefseebodens und des Mondes im Interesse der gesamten Staatengemeinschaft einem globalen Nutzungs- und Verteilungsregime, das nach der sogenannten „Elementenlehre“ aus fünf Bausteinen besteht und nach überwiegender Auffassung eine Rechtswirkung erga omnes entfaltet. Erstens verbietet es allen Staaten, in jenen staatsfreien Räumen eigene Souveränitätsrechte über den jeweiligen Raum und die dortigen Ressourcen geltend zu machen. Zweitens zielt es über ein wirtschaftliches Nutzungselement darauf ab, die Freiheit aller Staaten zur Nutzung des jeweiligen gemeinsamen Erbes und zur Aneignung ihrer abtrennbaren Ressourcen verteilungspolitisch zu korrigieren, indem es im Wesentlichen eine billige Aufteilung der Vorteile vorsieht, die aus der Nutzung des gemeinsamen Erbes gezogen werden. Drittens gewährleistet es die Freiheit aller Staaten, die staatsfreien Räume des Tiefseebodens und des Mondes zum Nutzen der gesamten Menschheit zu erforschen, sie viertens nur zu friedlichen Zwecken zu nutzen und schließlich – fünftens – bei allen Nutzungen ihre natürliche Umwelt zu erhalten. Gerade das zuletzt genannte Umweltschutzelement als Ausprägung des common heritage of mankind-­Prinzips hat die Meeresbodenkammer des in Hamburg ansässigen Internationalen Seegerichtshofes (International Tribunal of the Law of the Sea – ITLOS) in einem grundlegenden Rechtsgutachten aus dem Jahr 2011 bekräftigt, konkretisiert und erweitert: Im Kern drehte sich der zugrunde liegende Rechtsstreit um die Frage, welche rechtlichen Konsequenzen für Mitgliedsstaaten des UN-­Seerechtsübereinkommens entstehen, wenn von ihnen „gesponserte“ Privatunternehmen beim Tiefseebergbau Umweltschäden verursachen. Der Seegerichtshof hat nochmals den Status des Tiefseebodens als common heritage of mankind bestätigt und ihn im Hinblick auf den zukünftigen Tiefseebergbau inhaltlich präzisiert und weiterentwickelt:301 Aus dem Tiefseebodenregime folge eine Verpflichtung der SRK-Vertragsstaaten, sicherzustellen („to ensure“), dass eine von ihnen finanziell geförderte juristische (oder natürliche) Person alle einschlägigen seevölkerrechtlichen Umweltschutzvorschriften einhalte. Diese Pflicht könnten die „Sponsorstaaten“ nur hinreichend erfüllen, indem sie die Tätigkeiten ihres privaten Vertragspartners („contractor“) kontinuierlich und aktiv überwachen. Wo die Konventionsstaaten dies versäumten und dies kausal zu einem Umweltschaden führe, müsse der jeweilige Staat für diesen Schaden haften.302

 Das Rechtsgutachten ist das erste dieser Art in der Geschichte des Internationalen Seegerichtshof und ist abrufbar unter http://www.itlos.org/case-17/Dossier%20No%207.pdf (zuletzt besucht am 15. Juli 2019. Siehe dazu außerdem Jessen, ZUR 2012, S. 71 ff. 302  Siehe zum Ganzen vor allem die Zusammenfassung von Jessen, ZUR 2012, S. 71 ff. 301

IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des modernen Umweltvölkerrechts

Die weitere eigenständige Entwicklung des common concern of humankind-­ Prinzips lässt sich besonders deutlich anhand der Vertragspraxis des modernen Umweltvölkerrechts nachweisen.1 Zunächst wird hierbei die Abkehr vom common heritage of mankind-Prinzip im Klimaschutz durch die UN-Generalversammlung im Jahre 1988 dargestellt und die parallele Entwicklung des common concern of (hu)mankind zum Leitbegriff des internationalen Klimaschutzes2 nachgezeichnet, die schließlich zur Verankerung des CCM-Prinzips in der Klimarahmenkonvention und zu seiner Erstreckung auf das Kyoto-Protokoll führte (1). Anschließend wird auf die Herausbildung des common concern of humankind-Grundsatzes im völkerrechtlichen Schutz der Biodiversität durch die Biodiversitätskonvention eingegangen (2). Im Anschluss an die Darstellung der beiden bisher völkerrechtlich verbindlich verankerten Anwendungsfälle des common concern-Prinzips werden die gescheiterten Versuche einer Übertragung des CCM-Prinzips auf den Waldschutz und die Bekämpfung der Wüstenbildung skizziert (3), woraufhin noch kurz auf die vergeblichen Versuche innerhalb der Literatur eingegangen wird, den Schutz der Ozonschicht durch die Vienna Ozone Convention aus dem Jahre 1985 nachträglich als Anwendungsfall des CCM-Prinzips zu deuten (4).

 Siehe zu diesen Nachweisen bereits Durner, Common Goods, S. 239.  Von einem „Leitmotiv des internationalen Klimaschutzes“ spricht Durner, Common Goods, S. 239. 1 2

© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_9

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IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des …

1. Klimawandel als erster Anwendungsfall des CCM Der modernere Sprachgebrauch des common concern of humankind-Begriffs geht auf den letztlich gescheiterten Antrag Maltas aus dem Jahr 1988 zurück, das Weltklima von der UN-Generalversammlung zu einem common heritage of mankind erklären zu lassen.3 Dieser Vorstoß Maltas knüpfte an die oben erwähnten Überlegungen von Kiss an, den common heritage-Grundsatz über seinen bisherigen K ­ ontext hinaus allgemein auf den Schutz der gesamten Umwelt zu übertragen.4 So hatte Kiss bereits im Jahre 1982 vorgeschlagen, das common heritage-Prinzip auf den Schutz des Klimas auszuweiten. Bis dahin unterfiel das Klima keinem völkerrechtlichen Sonderstatus,5 sondern gehörte zu den sogenannten „Gemeingütern“ (global commons, common goods),6 das heißt zu jenen Umweltgütern und Ressourcen, die außerhalb jeglicher nationaler Souveränität liegen und von der „Weltgemeinschaft“ als Ganzer genutzt werden, weil ein besonderes internationales Interesse an ihnen besteht.7 Sowohl Kiss als auch die maltesische Regierung schienen allerdings zu vernachlässigen, dass der umweltschutzrechtliche Aspekt nur eines der insgesamt fünf Elemente des gemeinsamen Erbes der Menschheit ausmacht und die übrigen Bausteine jenes Prinzips nur schwerlich zur Lösung der spezifischen Probleme im Bereich des Klimaschutzes geeignet sein dürften.8 Dementsprechend hielten die meisten Länder es für unangebracht, das common heritage of mankind-Prinzip im Klimakontext zu verankern.9 Derer maltesische Vorstoß wurde in der Generalversammlung abgelehnt, war aber letztlich insofern in modifizierter Form erfolgreich, als er in die common concern-Kompromissformel mündete.

a ) UN-Resolution 43/53 – Abkehr vom common heritage im Klimaschutz Statt dem Antrag Maltas zu entsprechen und das Klima zum „gemeinsamen Erbe der Menschheit“ (common heritage of mankind) zu erklären, klassifizierte die Generalversammlung in ihrer Resolution 43/53 den Klimawandel als eine „gemeinsame

3  UN-Doc. A/6695 v. 18. August 1967, GAOR, 22 Session, Annexes, Agenda Item 92. Siehe ferner die Nachweise bei Pardo, Common Heritage, S. 1 ff. sowie bei Wolfrum, Internationalisierung, S. 332 ff. und Durner, Common Goods, S. 235. 4  Kiss, 175 RdC (1982 II), S. 109 (189 ff.). Siehe dazu außerdem Durner, Common Goods, S. 235. 5  Siehe Arsanjani, International Regulation of Internal Resources, S. 113 ff., der auf S. 115 die noch im Jahre 1981 geltende Aufspaltung des Klimas in verschiedene räumliche Souveränitätsbereiche als „woefully anachronistic“ bezeichnet. Ausführlicher dazu auch Vogler, The Global Commons, S. 122 ff. 6  Siehe zu diesem Begriff Durner, Common Goods. 7  Siehe die Definitionsansätze von Nanda, International Environmental Law & Politics, S. 11 und Leigh, 14 AYIL (1992), S. 129 (143). 8  So ausdrücklich Durner, Common Goods, S.  240. Siehe hierzu außerdem die Nachweise bei Mercure, 41 McGill Law Journal (1996), S. 595 ff. 9  Siehe Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (465).

1. Klimawandel als erster Anwendungsfall des CCM

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Sorge der Menschheit“ (common concern of mankind).10 Die für den Nachweis des common concern of humankind-Prinzips entscheidende Textstelle findet sich im letzten Satz der Präambel sowie in den beiden darauffolgenden Sätzen der UN-Resolution 43/53 („Protection of global climate for present and future generations“). Dort heißt es: „The General Assembly, (…) Convinced that climate change affects humanity and should be confronted within a global framework so as to take into account the vital interests of all mankind, 1. Recognizes that climate change is a common concern of mankind, since climate is an essential condition which sustains life on earth; 2. Determines that necessary and timely action should be taken to deal with climate change within a global framework; (…)“.11

Mit dieser Abkehr vom bislang häufig vertretenen „weiten“ Verständnis des common heritage of mankind-Begriffs schuf die Generalversammlung mit ihrer Resolution 43/53 den neuen Rechtsbegriff des common concern of mankind. In den darauffolgenden Jahren bekräftigte die UN-Generalversammlung ihre Qualifizierung des Klimawandels als common concern of mankind in einer Reihe von weiteren Resolutionen. So berief sich die UN-Generalversammlung in ihren drei ebenfalls mit „Protection of global climate for present and future generations“ überschriebenen Resolutionen 44/207, 45/212 und 46/169 auf die UN-Resolution 43/53 und bezeichnete den Klimawandel erneut ausdrücklich als „common concern of mankind“.12 Exemplarisch sei nachfolgend Absatz 1 der Präambel von Resolution 46/169 zitiert, wo es heißt: „Recalling its resolutions 43/53 of 6 December 1988 and 44/207 of 22 December 1989, in which it recognized that climate change is a common concern of mankind, and resolution 45/212 of 21 December 1990, by which it established a single intergovernmental negotiating process for the preparation of a framework convention of climate change, (…)“.13

10  Siehe den ersten Absatz der nachfolgenden UNGA-Resolution 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326: „Welcoming with appreciation the initiative taken by the Government of Malta in proposing for consideration by the Assembly the item entitled ‚Conservation of climate as part of the common heritage of mankind‘“. Siehe dazu Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (465) und Durner, Common Goods, S. 240. 11  UNGA Res. 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326 (Hervorhebung z. T. vom Verfasser). 12  UNGA Res. 44/207 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind; UNGA Res. 45/207 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind; UNGA Res. 46/169 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326. Alle drei Resolutionen finden sich abgedruckt bei Churchill/Freestone, International Law, S. 243 ff. 13  Siehe erneut UNGA Res. 46/169 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326, abgedruckt bei Churchill/Freestone, International Law, S. 243 ff.

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IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des …

Auch in ihrer Resolution 44/206 zu den nachteiligen Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs14 berief sich die UN-Generalversammlung auf jene bahnbrechende Resolution 43/53 aus dem Jahre 1989 und unterstrich damit die Bedeutung des common concern-Begriffs bei der Bekämpfung globaler Umweltprobleme. Allerdings wich die UN-Generalversammlung auch insoweit vom Antrag des maltesischen Botschafters Pardo ab, als sie nicht das Umweltgut „Klima“ als solches, sondern den Klimawandel (climate change) zum Gegenstand gemeinsamer Sorge erklärte. Auf diese Weise hat sie die Schutzrichtung des neuen Prinzips zwar enger eingegrenzt, möglicherweise aber zugleich seinen Anwendungsbereich ausgedehnt.15 In der völkerrechtlichen Literatur stieß die Einführung des common concern-­ Begriffs durch die UN-Generalversammlung rasch auf reges Interesse. Die größte Zustimmung erhielt hierbei der Völkerrechtler Kirgis mit seiner Stellungnahme, das Prinzip des common concern of mankind verleihe umweltbezogenen Rechtspflichten den Charakter von erga omnes-Verpflichtungen und allen Staaten komme deshalb die rechtliche Befugnis zu, die Erfüllung dieser Pflichten einzufordern.16 Noch im gleichen Jahr veranstaltete das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme, nachstehend UNEP) auf Malta einen dreitägigen Workshop, um – gerade im Hinblick auf die Vorbereitungen zum Umweltgipfel von Rio de Janeiro im Jahre 1992 – die völkerrechtliche Bedeutung des neuen Prinzips zu präzisieren.17 Die UNEP-Expertengruppe gelangte zunächst zu der Einschätzung, der common concern of mankind-Begriff stelle keine Regel des allgemeinen Völkerrechts dar, könne sich aber in Zukunft zu einem Prinzip des Völkergewohnheitsrechts entwickeln.18 Die common concern-Idee sei ferner eng verwandt mit anderen Konzepten, insbesondere mit den Konzepten des common heritage, der erga omnes-Verpflichtungen, des ius cogens und der „global commons“.19 Die  UNGA Res. 44/206 v. 22. Dezember 1989, Possible adverse effects of sea-level rise on islands and coastal areas, particularly low-lying areas, ebenfalls abgedruckt bei Churchill/Freestone, International Law, S. 243 ff. 15  Dazu unten Vierter Teil, Kap. XI und XII. Siehe dazu ebenfalls Durner, Common Goods, S. 241. 16  Dies ist die „bottom line“ von Kirgis, Standing, S. 525 ff., dessen Auffassung weiter unten noch zu erörtern sein wird. 17  Der UNEP-Workshop fand in der Zeit vom 13. bis zum 15. Dezember 1990 auf Malta statt. Unter den Teilnehmern befanden sich Regierungsvertreter, Experten von UNEP und Wissenschaftler sowie der IGH-Richter Manfred Lachs. Siehe zu diesem Workshop ausführlich Trindade/Allard, Implications of the CCM-Principle, in Iwama, Policies and Laws, S. 7 ff. und Durner, Common Goods, S. 241, Fn. 39. 18  Eine Zusammenfassung der Ergebnisse, zu denen die UNEP-Expertengruppe gelangt ist, findet sich bei Barbosa, Conclusions of the Meeting, in: Attard (Hrsg.), The Meeting of the Group of Legal Experts to Examine the Concept of the Common concern of humankind in Relation to Global Environmental Issues (1990) 24 (27–32); siehe auch Report of the Expert Group Meeting on Identification of Principles of International Law for Sustainable Development, Geneva, Switzerland, 26–28 September 1995 prepared by the Division for Sustainable Development for the Commission on Sustainable Development Fourth session, abrufbar unter https://www.un.org/ documents/ecosoc/cn17/1996/background/ecn171996-bp3.htm (zuletzt abgerufen am 21.07.2019) para 88; siehe dazu ferner Horn, 1 MqJICEL (2004), S. 233, (247). 19  Barbosa, Conclusions of the Meeting, in: Attard (Hrsg.), The Meeting of the Group of Legal 14

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UN-Generalversammlung habe sich in ihren Resolutionen vor allem deshalb auf die common concern-Formel geeinigt, um jene heftigen Kontroversen zu vermeiden, welche der Vorschlag Maltas ausgelöst hatte, das Klima zum common heritage of mankind zu erklären.20 Ferner sei das Völkerrecht im Zeitalter der Globalisierung in einem Wandel begriffen, in dessen Verlauf die unzähligen bilateralen und reziproken internationalen Beziehungen zunehmend von Interessen der internationalen Gemeinschaft als Ganzer überlagert würden.21 Das common concern-Konzept genauer zu definieren, erweise sich insbesondere deshalb als schwierige Aufgabe, da sich die „gemeinsame Sorge der Menschheit“ sowohl auf die Ursachen eines globalen Umweltproblems als auch auf die Reaktionen der Staatengemeinschaft auf das entsprechende Umweltproblem beziehen könne.22 Schließlich impliziere die „mankind“-Terminologie einerseits, zukünftige Generationen könnten entsprechende Rechte gegenüber der gegenwärtigen Menschheitsgeneration geltend machen; andererseits sei eine Menschheitsgeneration als Völkerrechtssubjekt schwerlich vorstellbar.23 Was die historische Entwicklung des common concern-Prinzips betrifft, gab die Resolution 34/53 insgesamt drei wichtige Impulse: Erstens sah man weit überwiegend in der Zurückweisung des maltesischen Antrags eine Abkehr von dem bislang häufig vertretenen weiten Verständnis des common heritage-Begriffs. Zweitens schuf die Resolution damit zugleich einen neuen Rechtsbe-griff, dessen Funktion im Kern darin bestehen sollte, dem Staatengemeinschaftsinteresse am Klimaschutz Ausdruck zu verleihen. Drittens wurde die UN-Generalversammlung mit ihrer Aufforderung in Absatz 1 ihrer UN-Resolution 34/53 aus dem Jahre 1988, mit den Instrumenten des Völkerrechts auf die Herausforderung des Klimawandels zu ­reagieren,24 schließlich zur Impulsgeberin für die Erarbeitung eines internationalen Klimaschutzregimes;25 denn noch im gleichen Jahr gründeten UNEP und die Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization, nachstehend Experts to Examine the Concept of the Common concern of humankind in Relation to Global Environmental Issues (1990) S. 24 (27 f.); siehe erneut zudem Horn, 1 MqJICEL (2004), S. 233, (247). 20  Siehe Horn, 1 MqJICEL (2004), S. 233, (247). 21  Siehe Horn, 1 MqJICEL (2004), S. 233, (247); Barbosa, Conclusions of the Meeting, in: Attard (Hrsg.), The Meeting of the Group of Legal Experts to Examine the Concept of the Common concern of humankind in Relation to Global Environmental Issues (1990) S. 24 (29). 22  Siehe Barbosa, Conclusions of the Meeting, in: Attard (Hrsg.), The Meeting of the Group of Legal Experts to Examine the Concept of the Common concern of humankind in Relation to Global Environmental Issues (1990) S. 24 (29); Horn, 1 MqJICEL (2004), S. 233, (248). 23  Diese Aspekte werden im späteren Verlauf der Arbeit noch ausführlicher aufgegriffen, wenn die positiv-völkerrechtliche Bedeutung des common concern of humankind erörtert wird, siehe Vierter Teil, Kap. XIV. Siehe außerdem Horn, 1 MqJICEL (2004), S. 233, (248). Siehe zum moralischen Postulat intergenerationeller Gerechtigkeit die obigen Ausführungen, Zweiter Teil, V. 4. Siehe zur Frage nach positiv-völkerrechtlichen Rechten zukünftiger Generationen die Ausführungen weiter unten im Dritten Teil, Kap. III. und IV. 24  Siehe erneut UNGA Res. 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326. 25  So Durner, Common Goods, S. 241.

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WMO) in Reaktion auf die Resolutionen der UN-Generalversammlung einen Sachverständigenrat zum Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change, nachstehend IPCC). Im Dezember 1989 forderte die UN-Generalversammlung in ihrer zuvor bereits erwähnten Resolution 44/207 die Staaten wiederum eindringlich dazu auf, eine Rahmenkonvention zum Klimaschutz vorzubereiten und diese anschließend durch Protokolle mit konkreten Verpflichtungen auszufüllen.26 Die vom IPCC veranstaltete zweite Weltklimakonferenz in Genf Ende 1990 brachte schließlich den entscheidenden Durchbruch zur Verhandlung einer globalen Klimakonvention.27

b ) Klimarahmenkonvention – common concern of mankind als neuer Leitbegriff des internationalen Klimaschutzes Auf der Genfer Konferenz wurde zunächst eine Ministerialerklärung verabschiedet,28 die in Punkt 4 der Präambel den Klimawandel ebenfalls als common concern of mankind bezeichnete und unter Punkt 28 sofortige Verhandlungen für eine Rahmenkonvention zum Klimawandel forderte.29 Diesem Beispiel folgte anschließend eine Vielzahl weiterer internationaler, zunächst rechtlich unverbindlicher Erklärungen und Beschlüsse zum Thema Erderwärmung, indem sie den Klimawandel als common concern bezeichneten.30 Zuvor war auf den Alternativvorschlag von ­Kanada hin diskutiert worden, als Parallele zur UN-Seerechtskonvention in einem ersten Schritt ein allgemeines Rahmenübereinkommen zum Schutz der gesamten  UNGA-Resolution 44/207 v. 6. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326, para. 12: „Urges Governments, intergovernmental and non-governmental organizations, to prepare as a matter of urgency a framework convention on climate, and associated protocols containing concrete commitments in the light of priorities that may be authoritatively identified on the basis of sound scientific knowledge, and taking into account the specific development needs of developing countries“. 27  Siehe Durner, Common Goods, S. 241. 28  Abgedruckt bei Churchill/Freestone, International, S. 356 ff. 29  Siehe Durner, Common Goods, S. 241. 30  So etwa die Entscheidung 15/36 on Global Climate Change des Governing Councel der UNEP v. 25. Mai 1989 in Abs. 6 der Präambel; die Nordische Deklaration zu atmosphärischer Verschmutzung und Klimawandel der Ministerial Conference on Atmospheric Pollution and Climate Change, 5.–7. November 1989 unter Punkt 7. Diese beiden Dokumente finden sich jeweils mit den offiziellen Fund- und Belegstellen bei Churchill/Freestone, International Law, S. 255 ff., 334 ff., 341 ff. Malé Declaration on Global Warming and Sea Level Rise v. 18. November 1989, abgedruckt in: 5 AJIL (1990), S. 602 ff., insb. Ziff. 1; Ministerial Declaration of the Second World Climate Conference v. 7. November 1990, Ziff. 4 der Präambel, abgedruckt bei Rüster/Simma, unter VI/B/07-1190; ähnlich Ziffer 3 des Abschlussdokuments eines Treffens von Rechts- und Politikexperten zum Thema Klimaschutz, worin das Klima als „common resource of vital interest“ angesehen wurde: Protection of the Atmosphere: International Meeting of Legal and Policy Experts: Statement v. 22. Februar 1989, abgedruckt bei Rüster/Simma, unter VI/B/22-02-89. Siehe zum Ganzen nochmals Durner, Common Goods, S. 241. 26

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Atmosphäre zu schließen und dann in einem zweiten Schritt einzelne Umweltpro­ bleme innerhalb der Atmosphäre wie etwa den Klimawandel, den sauren Regen und die Ozonschichtzerstörung in späteren Protokollen gesondert anzugehen.31 Diesen Ansatz verwarf die UNEP letztendlich aber als politisch unrealistisch und plädierte stattdessen für eine Konvention, die enger auf das spezielle Problem des Klimawandels zugeschnitten ist.32 Dementsprechend wurde der zuvor ebenfalls rege diskutierte alternative Vorschlag, die gesamte Atmosphäre zum „common resource of ­vital interest to mankind“ zu erklären,33 in den jeweiligen Verhandlungen auch überhaupt nicht mehr aufgegriffen.34 aa) Der Framework-Protocol-Ansatz Sodann wurde ein Intergovernmental Negotiating Committee (Internationales Verhandlungskomitee, nachstehend INC) gegründet, das überwiegend aus Regierungsvertretern bestand und seine Arbeit im Februar 1991 aufnahm. Die Verhandlungen zur Klimarahmenkonvention basierten von Anfang an auf dem sogenannten framework-protocol-approach, wie ihn auch bereits die Generalversammlung in ihrer mehrfach erwähnten UN-Resolution 44/20735 empfohlen hatte, als sie die Staaten eindringlich dazu aufforderte, eine Rahmenkonvention zum Klimaschutz vorzubereiten und diese anschließend durch Protokolle mit konkreten Verpflichtungen auszufüllen: „The General Assembly, (…) Urges Governments, intergovernmental and non-governmental organizations, to prepare as a matter of urgency a framework convention on climate, and associated protocols containing concrete commitments in the light of priorities that may be authoritatively identified on the basis of sound scientific knowledge (…)“.

 Eine Diskussion eines solchen ambitionierten und umfassenderen „law of the atmosphere“-Modells findet sich bei Zaelke/Cameron, 5 AmJILPol (1990), S. 249 (276 ff.). Siehe auch Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (472). 32  Siehe die Ausführungen des damaligen Direktors der UNEP, Tolba, a step-by-step approach to protection of the atmosphere, 1 IEA (1989), S. 304 (304). 33  Statement of the Meeting of Legal and Policy Experts in Ottawa, Ontario, Canada, 22 February 1989, in: Churchill/Freestone (Hrsg.), International Law, S. 373 ff., Art. 3 der Elemente für eine Klimarahmenkonvention. 34  Siehe Durner, Common Goods, S. 241 f. Ein erneuter Vorstoß, die Atmosphäre nunmehr zum „common concern of humankind“ zu erklären, wurde vorerst abgelehnt: Im Jahr 2015 hat die International Law Commission (ILC) bewusst entschieden, den Begriff des common concern of humankind – vor allem wegen bestehender Unklarheiten über dessen rechtliche Bedeutung – nicht auf die Erdatmosphäre anzuwenden und den ursprünglich vorgesehenen Passus, wonach deren Schutz vor Verschmutzung und Verschlechterung eine „gemeinsame Sorge der Menschheit“ sei, aus den Draft Guidelines on the Protection of the Atmosphere zu streichen. ILC Report on the Work of its Sixty-Seventh Session, UN Doc. A/70/10, para. 54 (2015). Siehe zum Aussagegehalt dieser ILC-Entscheidung an anderer Stelle, Zweiter Teil, Kap. IV. und Vierter Teil, Kap. XII, Ziff. 3 d). 35  UNGA-Resolution 44/207 v. 6. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326, para. 12. 31

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Nach diesem Ansatz wird in einem ersten Schritt ein Rahmenübereinkommen geschlossen, in dem übergeordnete Ziele und völkerrechtliche Prinzipien, unter Umständen auch bereits sehr allgemein gehaltene Verpflichtungen der Vertragsparteien und der institutionelle Rahmen zur Durchführung des Übereinkommens niedergelegt werden. In einem zweiten Schritt werden sodann Protokolle verabschiedet, in denen konkrete und detaillierte Vertragspflichten verankert werden, welche das Rahmenübereinkommen ausfüllen und durch deren Erfüllung jene übergeordneten Konventionsziele angestrebt und erreicht werden sollen.36 Diese Vorgehensweise hatte sich zudem bereits zuvor in den völkerrechtlichen Vertragsverhandlungen zum Schutz der Ozonschicht und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Luftverschmutzung bewährt.37 So war zunächst im Jahre 1979 die Konvention über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigungen (Convention on Long-Range Transboundary Air Pollution, nachstehend CLRTAP) geschlossen worden,38 auf deren Grundlage seither bereits acht Protokolle zustande gekommen sind, in denen jeweils zur Bekämpfung unterschiedlicher spezieller Luftverschmutzungsarten konkrete Pflichten und Reduktionsziele festgeschrieben wurden.39 In ähnlicher Weise war im Jahre 1985 zum Schutz der Ozonschicht zunächst die Vienna Convention for the Protection of the Ozone Layer (nachstehend Vienna Ozone Convention)40 geschlossen worden, die einen institutionellen Rahmen für die Bekämpfung der Ozonschichtzerstörung setzte, welcher bereits im Jahre 1987 durch die Verabschiedung des Montreal Protocol on Substances that Deplete the Ozone Layer (nachstehend Montreal Protocol) ausgefüllt wurde, in dem sich die Vertragsparteien konkret zur stufenweisen Reduzierung von chemischen Produkten verpflichtet haben, die wesentlich zum Abbau der Ozonschicht beitragen.41  Siehe allgemein zum framework-protocol-approach die Ausführungen von Handl, 1 YIEL (1990), S. 1 (5). Siehe außerdem die exzellente Darstellung von Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (494). 37  So auch Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (493 f.); Durner, 37 AVR (1999), S. 357 (365). 38  Convention on Long-Range Transboundary Air Pollution, 13. November 1979, abgedruckt in: 18 ILM (1979), S. 1442. 39  Sämtliche bisherigen Protokolle sind abrufbar unter www.unece.org/env/lrtap/status/lrtap_s.htm (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). Im Einzelnen: Nr. 1: Protocol on Long-term Financing of the Co-operative Programme for Monitoring and Evaluation of the Long-range Transmission of Air Pollutants in Europe (EMEP), 28. September 1984, UNTS 1491, S. 167; Nr. 2: Protocol on the Reduction of Sulphur Emissions or their Transboundary Fluxes by at least 30 per cent, 1985, UNTS 1480, S. 215; Nr. 3: Protocol concerning the control of emissions of nitrogen oxides or their transboundary fluxes, 31. October 1988, UNTS 1593, S. 287; Nr. 4: Protocol concerning the Control of Emissions of Volatile Organic Compounds or their Transboundary Fluxes, 18. November 1991, UNTS 2001, S. 187; Nr. 5: Protocol on Further Reduction of Sulphur Emissions, 14. Juni 1994, UNTS 2030, S. 122; Nr. 6: Protocol on Heavy Metals, 24. Juni 1998, UNTS 2237, S. 4; Nr. 7: Protocol on Persistent Organic Pollutants, 24. Juni 1998, UNTS 2230, S. 79; Nr. 8: Protocol to Abate Acidification, Eutrophication and Ground-level Ozone, 30. November 1999, UNTS 2319, S. 81. 40  Vienna Convention for the Protection of the Ozone Layer, 22. März 1985, abgedruckt in: 26 ILM (1985), S. 1529. 41  Montreal Protocol on Substances that Deplete the Ozone Layer, 16. September 1987, abgedruckt in: 26 ILM (1987), S. 1550. 36

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Der framework-protocol-approach erfüllt eine wichtige praktische Funktion, die sowohl mit der komplexen und vielschichtigen Natur globaler Umweltprobleme als auch mit der praktischen Bedeutung allgemeiner Prinzipien im Allgemeinen und des common concern of humankind-Prinzips im Besonderen für die Lösung jener Probleme durch das Umweltvölkerrecht verwoben ist. Der framework-protocol-­ Ansatz erlaubt den Staaten nämlich, sich schrittweise an die erfolgreiche Bekämpfung eines globalen Umweltproblems heranzutasten und erhöht dadurch wiederum die Chancen auf einen globalen Konsens der Staatengemeinschaft und den Abschluss eines entsprechenden völkerrechtlichen Vertrages.42 Je allgemeiner der Inhalt einer Rahmenkonvention formuliert ist, desto leichter lässt sich eine Vielzahl von Staaten zu einer Einigung über die Bekämpfung eines Umweltproblems bewegen. So können sich die Staaten mit dem Abschluss einer Rahmenkonvention in einem ersten Schritt zumindest darauf einigen, dass es ein bestimmtes globales Umweltproblem gibt und es im Interesse aller Staaten liegt, dieses gemeinsam zu bekämpfen, ohne auf eine Einigung über die wesentlich schwierigere und naturgemäß komplexere Frage warten zu müssen, wie sämtliche Vertragsstaaten jenes Umweltproblem bekämpfen und zu welchen Maßnahmen sie sich verpflichten wollen.43 Der mehrstufige framework-protocol-approach bietet die Möglichkeit, inmitten großer Ungewissheit über die komplexen Kausalzusammenhänge eines globalen Umweltproblems, über seine Wechselwirkungen mit anderen globalen Umweltproblemen sowie angemessene Lösungsstrategien trotzdem schrittweise völkerrechtliche In­ strumente zur Bekämpfung des jeweiligen Problems zu entwickeln.44 Zugleich können Rahmenkonventionen unter Umständen eine Basis schaffen, auf welcher die Verabschiedung nachfolgender Protokolle mit konkreten Verpflichtungen aller Staaten zumindest wahrscheinlicher wird.45 Die unter der Rahmenkonvention ins Leben gerufenen Institutionen können durch wissenschaftliche Untersuchungen jene ­Ungewissheiten über das entsprechende globale Umweltproblem unter Umständen reduzieren oder gar beseitigen helfen und somit die fortschreitende Konkretisierung von Maßnahmen der Staatengemeinschaft beschleunigen.46 Zum besseren Verständnis sei im Vorgriff auf spätere Ausführungen bereits an dieser Stelle Folgendes angemerkt: Bei der stufenweisen Bewältigung globaler Umweltprobleme mittels der geschilderten praktischen Vorzüge des framework-­  Ähnlich Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (495) und Bothe, 63 ZaöRV (2003), S. 239 (240); siehe zudem Kiss, Environmental Interests, in: Wolfrum (Hrsg.), Enforcing Environmental Standards, S. 8. 43  Siehe Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (494). 44  Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (494): „The framework convention/protocol model (…) allows work to proceed in an incremental manner. (…) Lawmaking can thus proceed amidst great uncertainty.“; siehe außerdem Bothe, 63 ZaöRV (2003), S. 239 (240). 45  Siehe Bodansky, 18 YJIL (1993), S.  451 (495). Siehe auch Bothe, 63 ZaöRV (2003), S.  239 (240): „(…) a framework convention, which contains only general commitments, thus leaving obligations which really hurt to a later phase.“; siehe ferner die Ausführungen des Executive Director der UNEP, Mostafa Tolba, 1 IEA (1989), S. 304 (305): „By aiming in 1987 for what we could get the nations to sign (…) we aquired a flexible instrument for action (…). If we had reached too far at Montreal, we would have almost certainly have come away empty-handed.“ 46  Siehe Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (495). 42

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protocol-­Ansatzes kommt nunmehr neben anderen allgemeinen Prinzipien des Umweltvölkerrechts insbesondere auch dem common concern of humankind-Prinzip eine Schlüsselfunktion zu. Die unentbehrliche praktische Bedeutung allgemeiner Prinzipien für die Entwicklung des Umweltvölkerrechts erschließt sich, wenn man die Lösung globaler Umweltprobleme durch völkerrechtliche Instrumente als „mehrstufigen Lernprozess“47 begreift, in dessen Verlauf fortwährend neue naturwis­ senschaftliche Erkenntnisse einfließen können.48 Allgemeine Prinzipien werden meistens bereits an der Spitze umweltvölkerrechtlicher Rahmenkonventionen niedergelegt, wo sie gleichsam als „Fixstern am Horizont“ den nachfolgenden Konkretisierungsprozess durch Protokolle leiten. Orientiert an den jeweiligen allgemeinen Prinzipien, werden die völkerrechtlichen Regelungsinstrumente sodann meistens in mehreren Protokollen schrittweise angepasst, konkretisiert und präzisiert.49 bb) Verhandlungsschwierigkeiten Von Anfang an gestalteten sich die Vertragsverhandlungen zur Klimarahmenkonvention allerdings äußerst schwierig, weil sie durch zahlreiche wiederum miteinander verknüpfte Faktoren verkompliziert wurden.50 Erstens stand in den Verhandlungen für alle Vertragsstaaten viel auf dem Spiel, zumal die Weltwirtschaft auch damals bereits stark von fossilen Brennstoffen abhing.51 In den Worten von Sebenius: „[t]he causes of the greenhouse problem are deeply embedded in the central aspects of the world’s economic and social activity: across transportation, industrial, agricultural, and forestry practices; from the developed to the developing world; and in the very growth of populations and economies“.52

Früh war daher unter den Vertragsstaaten klar, dass eine Klimarahmenkonvention das Potenzial haben würde, wirtschaftliche und soziale Aktivitäten rund um den Globus grundlegend zu beeinflussen, viel mehr noch als andere umweltvölkerrechtliche Verträge über Umweltprobleme wie die Ozonschichtzerstörung oder den sauren Regen, deren Ursachen sich naturgemäß leichter eingrenzen und bekämpfen lassen.53 Zweitens wohnt dem Problem des Klimawandels ein langfristiges und  So Vitzthum, in: Ders. (Hrsg), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 461, Rn. 111.  Siehe zu dieser eminent wichtigen praktischen Funktion allgemeiner Prinzipien im Umweltvölkerrecht auch die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XI. Siehe außerdem Bodansky, 18 YJIL (1993), S.  451 (494f.); Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S.  45 und Vitzthum, in: Ders. (Hrsg), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 460 f., Rn. 111. 49  Siehe auch Vitzthum, in: Ders. (Hrsg), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 460 f., Rn. 111. 50  Siehe Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (475). Siehe außerdem Grubb, 66 ILAff (1990), S. 67 (71 f.) und Sebenius, The Case of Global Warming, S. 118–122. 51  Siehe Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (475). 52  Siehe Sebenius, The Case of Global Warming, S. 121. 53  Siehe Bodansky, 18 YJIL (1993), S.  451 (476); siehe auch bereits Sands, 1 RECIEL (1992), S. 270 (271): „(…) it is difficult to identify any type of human activity which falls beyond its [the Convention’s] scope“. 47 48

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spekulatives Moment inne.54 Zu Beginn der Verhandlungen war beinahe jeder Aspekt der Erderwärmung mit großen Unsicherheiten behaftet.55 Dieser „Schleier des Nicht-(genau)-Wissens“56 beschleunigte aber nicht etwa die Einigung über eine ­Klimakonvention, sondern verzögerte sie stattdessen.57 Drittens nahmen nahezu alle Staaten der Welt an den Verhandlungen zur Klimarahmenkonvention teil.58 ­Angesichts der globalen Natur des Klimawandels war dies zwar einerseits wünschenswert; andererseits realisierte sich in den Verhandlungen zur Klimarahmenkonvention die allgemeine Erfahrungsregel, wonach mit zunehmender Anzahl von Vertragsstaaten eine Einigung zunehmend schwerer zu erzielen ist.59 Schließlich waren die Verhandlungen von weit auseinandergehenden Interessengegensätzen zwischen allen Staaten – insbesondere zwischen Industrie- und Entwicklungsländern – geprägt, die sich schwerlich zum Ausgleich bringen ließen.60 Nach zähen und langwierigen Verhandlungen wurde schließlich auf dem Umweltgipfel von Rio im Sommer 1992 der Entwurf einer Klimarahmenkonvention vorgelegt, die dort zunächst von 155 Staaten sowie von der Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet wurde, im Jahre 1994  in Kraft getreten und mittlerweile von 195 und hierbei von allen völkerrechtlich (von der UN als solche) anerkannten61 194 Staaten der Welt ratifiziert worden ist.62

 So zu Recht Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (476).  Ähnlich Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (475). 56  Diese Formulierung ist offensichtlich angelehnt an das berühmte philosophische Rawls’sche Gedankenexperiment mit einem „Schleier des Nichtwissens“ (veil of ignorance), vgl. Rawls, A Theory of Justice (1971), S.  136  ff., dessen Gerechtigkeitstheorie bereits weiter oben skizziert wurde, siehe Zweiter Teil, V. 4. b). 57  Ähnlich bereits Skolnikoff, 79 Foreign Policy (1990), S.  77 (78) und wiederum Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (476). 58  An den diversen Verhandlungsrunden nahmen insgesamt zwischen 102 und 151 Staaten teil. Demgegenüber nahmen – zum Vergleich – an den Verhandlungen zur Vienna Convention for the Protection of the Ozone Layer (1985) nur 43 Staaten und an den Verhandlungen zum dazugehörigen Montreal Protocol on Substances that Deplete the Ozone Layer (1989) lediglich ca. 60 Staaten teil. Siehe dazu Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (477) unter Fn. 169. 59  Siehe dazu Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (477); siehe zu dieser allgemeinen Problematik in Bezug auf Verhandlungen zu umweltvölkerrechtlichen Verträgen Hahn/Richards, 30 Harvard ILR (1989), S. 421 (437). 60  Siehe erneut Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (477). 61  Die UN erkennt gegenwärtig die volle völkerrechtliche Staatsqualität von 194 Staaten an, darunter die 193 Mitglieder der UN sowie die Vatikanstadt. (Noch) nicht völkerrechtlich als Staat anerkannt dürfte Palästina sein. Zwar hat die UN-Vollversammlung am 29.11.2012 mehrheitlich (Unterstützt von 138 der 193 UN-Mitglieder, neun votierten dagegen, 41 enthielten sich der Stimme, darunter Deutschland) Palästina als Beobachterstaat („non member state“) anerkannt. Diese Anerkennung ist allerdings nur innerhalb der UN wirksam. Ob Palästina die Kriterien der Staatlichkeit – insbesondere das Kriterium der Staatsgewalt – erfüllt, bleibt umstritten. 62  Siehe zu der an dieser Stelle nur skizzierten Entstehung der Klimarahmenkonvention die ausführlichen Beiträge in dem Sammelband von Mintzer/Leonard, Negotiating Climate Change. 54 55

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c c) Präambel der Klimarahmenkonvention: Klimawandel und seine nachteiligen Auswirkungen als common concern of mankind An der Spitze der Klimarahmenkonvention, in Abs. 1 ihrer Präambel, erklärten die Vertragsstaaten nunmehr feierlich: „The Parties to this Convention, Acknowledging that change in the Earth’s climate and its adverse effects are a common concern of humankind (…)“.63

Damit war der Status des Klimawandels als common concern of humankind innerhalb von vier Jahren in einem völkerrechtlich verbindlichen Dokument verankert worden, und aus einer im Kompromiss geborenen Kurzformel entstand ein völkerrechtlicher Leitbegriff des Klimaschutzes. Im Hinblick auf den räumlich-funktionalen Anwendungsbereich des common concern-Prinzips64 ist zu beachten, dass die Klimarahmenkonvention nach dem Wortlaut ihrer Präambel nicht nur den „Klimawandel“, sondern auch „seine nachteiligen Auswirkungen“ zum common concern of humankind erklärt und insofern erheblich weiter gefasst ist als die vorangegangenen Resolutionen der UN-Generalversammlung. Mit Blick auf die spätere Auslegung des Begriffs common concern of humankind65 ist bereits an dieser Stelle der Umstand hervorzuheben, dass der Schlüsselbegriff nicht im eigentlichen Vertragstext, das heißt im operativen Teil der Klimarahmenkonvention, sondern lediglich in der rechtlich unverbindlichen Präambel niedergelegt wurde. Eigenständige Verpflichtungen der beteiligten Vertragsstaaten zum Schutz der globalen Umwelt vermag das common concern of humankind-­ Prinzip demnach nicht zu begründen. Nach Art.  31 WVK sind völkerrechtliche Übereinkommen nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch im Lichte ihrer Umstände, Ziele und Zwecke auszulegen. Diese allgemeine Auslegungsregel statuiert Art. 31 Absatz 1 WVK, wo es heißt: „A treaty shall be interpreted in good faith in accordance with the ordinary meaning to be given to the terms of the treaty in their context, and in the light of their object and purpose.“66

Wie sich außerdem aus Art. 31 Abs. 2 WVK ergibt, werden Hintergründe, Kontext und Zwecke eines völkerrechtlichen Übereinkommens üblicherweise in ihrer Präambel niedergelegt.67 Kraft seiner Stellung an der Spitze der Präambel zur Klimarahmenkonvention dürfte dem Begriff des common concern of humankind daher

 UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 1 der Präambel.  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 65  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 66  Vienna Convention on the Law of Treaties, 23. Mai 1969, abgedruckt in: 8 ILM (1969), S. 691–692. 67  So auch bereits Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (497). Siehe dazu auch grundlegend Haraszti, Some Fundamental Problems of the Law of Treaties, S. 106 f. 63 64

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eine entscheidende Rolle für die Auslegung der nachfolgenden Umweltschutzpflichten des operativen Vertragsteils zukommen.68 Neben der Charakterisierung des Klimawandels als common concern beriefen sich die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention noch auf eine Vielzahl von anderen bereits existierenden oder sich entwickelnden Prinzipien und Ansätzen des Umweltvölkerrechts, von denen einige für den Hintergrund und damit auch für die Auslegung des CCM-Begriffs bedeutsam sein könnten. So bringen die Vertragsstaaten in Abs. 2 der Präambel ihre „Sorge“ („Concerned that(…)“) über die vom Menschen durch den Ausstoß von Treibhausgasen verursachte Erwärmung der Erdoberfläche sowie der Erdatmosphäre zum Ausdruck, die sich sowohl auf die natürlichen Ökosysteme als auch auf die Menschheit nachteilig auswirken könne: „Concerned that human activities have been substantially increasing the atmospheric concentrations of greenhouse gases, that these increases enhance the natural greenhouse effect, and that this will result on average in an additional warming on the Earth’s surface and atmosphere and may adversely affect natural ecosystems and humankind (…)“.69

Zugleich wird allerdings in Abs. 5 hervorgehoben, dass Vorhersagen zum Klimawandel mit vielen Unsicherheiten behaftet seien: „Noting that there are many uncertainties in predictions of climate change, particularly with regard to the timing, magnitude and regional patterns thereof (…)“.70

Für den ebenfalls später zu erörternden völkerrechtlichen Status des common concern-­Prinzips ist darüber hinaus der Umstand erwähnenswert, dass die Vertragsstaaten in Abs. 8 der Präambel zur Klimarahmenkonvention wörtlich die Stockholmer Grundregel des Völkergewohnheitsrechts in der Fassung von Grundsatz 21 der Rio-Erklärung wiederholt haben,71 wo es heißt: „Recalling also that States have, in accordance with the Charter of the United Nations and the principles of international law, the sovereign right to exploit their own resources pursuant to their own environmental and developmental policies, and the responsibility to ensure that activities within their jurisdiction or control do not cause damage to the environment of other States or of areas beyond the limits of national jurisdiction (…)“.72

Nach diesem Prinzip 21 haben die Nationalstaaten zwar einerseits das Recht, die in ihrem Territorium befindlichen Ressourcen auszubeuten; andererseits trifft sie aber auch die Verantwortung, grenzüberschreitende Umweltbelastungen und solche in staatsfreien Räumen zu unterlassen.73 Obwohl jenes durch die Rio-Erklärung  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. c) und 5. a).  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 2 der Präambel. 70  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 5 der Präambel. 71  Rio Declaration on Environment and Development, Prinzip 2, UN-Doc. A/Conf. 151/5/Rev.1 (1992), ebenfalls abgedruckt in: 31 ILM (1992), S. 876 („States have (…) the sovereign right to exploit their own resources pursuant to their own environmental and developmental policies“) (Hervorhebung vom Verfasser). 72  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 8 der Präambel. 73  Die Begriffe der grenzüberschreitenden, raumüberschreitenden und globalen Umweltbelastungen werden weiter unten ausführlicher erörtert, wenn es um die räumlich-funktionale Einordnung 68 69

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auch auf Nichtstaatsgebiete erweiterte Prinzip 21 noch nicht globale Umweltbelastungen erfasst, das heißt noch nicht auf solche Umweltbelastungen zugeschnitten ist, welche die Erde in ihrer Gesamtheit betreffen,74 bringt es einen Dreh- und Angelpunkt der Klimarahmenkonvention zum Ausdruck, der auch für den Inhalt des common concern-Prinzips von Bedeutung ist, nämlich den Konflikt zwischen der ­Souveränität von Staaten über ihre natürlichen Ressourcen einerseits und ihrer (gemeinsamen) Verantwortung für den globalen Umweltschutz andererseits. Gerade vor diesem Hintergrund verdient der nachfolgend zitierte Abs. 9 der Klimarahmenkonvention besondere Aufmerksamkeit, in welchem die Vertragsparteien nochmals bestätigen, dass das Prinzip der staatlichen Souveränität auch im Zusammenhang mit ihrer internationalen Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Klimawandels unangetastet bleibt. Dort heißt es: „Reaffirming the principle of sovereignty of States in international cooperation to address climate change (…)“.75

Wie ein roter Faden durchzog der Nord-Süd-Dauerkonflikt zwischen den aufeinanderprallenden Interessen der Industrieländer am Umweltschutz einerseits und denen der Entwicklungsländer an ihrer eigenen Weiter-Entwicklung andererseits die Verhandlungen zur Klimarahmenkonvention. Die Industriestaaten waren an der Lösung globaler Umweltprobleme unter Einbindung der Entwicklungsländer inte­ ressiert, waren überwiegend jedoch selbst nicht zu einer entscheidenden Senkung ihres hohen Produktions-Konsum- und Emissionsniveaus bereit. Umgekehrt befürchteten die unterindustrialisierten Entwicklungsländer ihrerseits einmal mehr, sich durch verbindliche Verpflichtungen zum Umweltschutz in ihrer Entwicklungsfähigkeit zu sehr einzuschränken. So forderten sie, der „Norden“ solle dem „Süden“ dessen etwaige Kooperationsbereitschaft mit Schuldenerlässen sowie mit Finanzund Technologietransfers honorieren. Diesen letztlich ungelösten Konflikt zwischen Umweltschutz und Entwicklung spiegeln sämtliche auf der Rio-Konferenz verabschiedeten Dokumente wider.76 Für ein vertieftes Verständnis von der geschichtlichen Herkunft des common concern-Prinzips ist jener Nord-Süd-­Dauerkonflikt77 von großer Bedeutung. Er wird uns daher noch des Öfteren im Zusammenhang mit dem Arten- und Waldschutz sowie der Bekämpfung der Wüstenbildung begegnen.78 In der Klimarahmenkonvention schlug sich dieser Interessenkonflikt gleich in mehreren Absätzen quer durch die Präambel hindurch nieder. So wird gleich in Abs. 3 der Präambel das Fundament für die spätere Differenzierung zwischen den Umweltschutzverpflichtungen von Industrieländern und Entwicklungsländern gelegt, wo es heißt: des common concern-Prinzips in den Bestand der allgemeinen Prinzipien des Umweltvölkerrechts geht, siehe Vierter Teil, Kap. XII. 74  Siehe zum Begriff der globalen Umweltbelastung Vierter Teil, Kap. XII. 75  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 9 der Präambel. 76  Siehe Proelß, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg), Völkerrecht, 7. Aufl., S. 420. 77  So Hunter/Salzman/Zaelke, IEL, S. 296 ff. 78  Siehe dazu die Ausführungen weiter unten, Dritter Teil, Kap. IX. 2. und 3.

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„Noting that the largest share of historical and current global emissions of greenhouse gases has originated in developed countries, that per capita emissions in developing countries are still relatively low and that the share of global emissions originating in developing countries will grow to meet their social and development needs, (…)“ (Abs. 3).79

Obgleich diese Vorschrift an und für sich den Interessen der Entwicklungsländer dient, stellt sie letztlich doch einen erheblichen Kompromiss aufseiten der Entwicklungsländer dar, wenn man berücksichtigt, mit welchen Vorstellungen sie in die Verhandlungen zur Klimarahmenkonvention gegangen waren.80 In Anlehnung an das Verursacherprinzip („polluter pays“ principle)81 hatten die Entwicklungsländer vorgeschlagen, ein sogenanntes „main responsibility“ principle zu verankern, wonach die Industrieländer die Hauptverantwortlichkeit für die Bekämpfung des Klimawandels tragen müssen, weil sie das Klimaproblem auch durch ihren „hoch konsumtiven und verschwenderischen Lebensstil“ verursacht haben.82 In stark abgeschwächter Form taucht dieser Gedanke später im operativen Teil der Konvention auf, wo festgeschrieben wurde, dass „developed countries should take the lead in combating climate change“.83 Letztlich mussten die Entwicklungsländer auch im letzten Teil von Abs. 3 einen Kompromiss eingehen, wo sie ursprünglich eine Klausel vorgeschlagen hatten, wonach die zukünftigen Emissionen in Entwicklungsländern infolge ihrer Entwicklung nicht wachsen „werden“, sondern wachsen „müssen“.84 Von großer Bedeutung ist ferner Abs. 6 der Präambel, wonach der globale Charakter des Klimawandels zunächst eine weitestmögliche Kooperation aller Staaten erfordert. Allerdings wird der jeweilige Beitrag der Vertragsparteien zur Bekämpfung des Klimawandels unter Berücksichtigung des Nord-Süd-Gefälles von ihren jeweiligen sozio-ökonomischen Kapazitäten abhängig gemacht. Industrie- und Entwicklungsländer haben daher zwar „gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortlichkeiten“ („common but differentiated responsibilities“):85 „Acknowledging that the global nature of climate change calls for the widest possible cooperation by all countries and their participation in an effective and appropriate international response, in accordance with their common but differentiated responsibilities and respective capabilities and their social and economic conditions, (…)“ (Abs. 6).86  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 3 der Präambel.  Ähnlich Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (498). 81  Dieses Prinzip findet sich auch in „principle 16“ der Rio Declaration, wo es heißt: „the polluter should, in principle, bear the cost of pollution“, vgl. Rio Declaration on Environment and Development, principle 16, UN-Doc. A/Conf. 151/5/Rev.1 (1992), auch abgedruckt in: 31 ILM (1992), S. 876. 82  Ähnlich Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (498): „Developing countries had sought inclusion of the ‚main responsibility’ principle, which posits that since the climate change problem results primarily from the overconsumptive and profligate lifestyles of developed countries, developed countries bear the main responsibility for combating it.“ 83  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 a), Operativer Teil. 84  Hierauf weist Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (498), Fn. 284 hin. 85  Siehe zu diesem Prinzip Dunoff, 19 HELR (1995), S. 241 (292). 86  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 6 der Präambel. 79 80

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Hieran anknüpfend finden sich, verstreut über die Präambel, noch weitere Klauseln, die allesamt darauf abzielen, die Entwicklungsländer zu Umweltschutzmaßnahmen zu verpflichten, ohne sie dadurch zugleich an ihrer sozio-ökonomischen Entwicklung zu hindern, sondern vielmehr Umweltschutz und Entwicklung mitei­ nander in Einklang zu bringen: „Recognizing (…) that environmental standards (…) applied by some countries may be inappropriate and of unwarranted economic and social cost to other countries, in particular developing countries, (…)“(Abs. 10).87 „Recognizing also the need for developing countries to take immediate action in a flexible manner on the basis of clear priorities, as a first step towards comprehensive response strategies at the global, national and, where agreed, regional levels (…)“ (Abs. 18).88 „Recognizing the special difficulties of those countries, especially developing countries, whose economies are particularly dependent on fossil fuel production, use and exportation, as a consequence of action taken on limiting greenhouse gas emissions, (…)“ (Abs. 20).89 „Affirming that responses to climate change should be coordinated with social and economic development in an integrated manner with a view to avoiding adverse impacts on the latter, taking into full account the legitimate priority needs of developing countries for the achievement of sustained economic growth and the eradication of poverty, (…)“ (Abs. 21).90 „Recognizing that all countries, especially developing countries, need access to resources required to achieve sustainable development and that, in order for developing countries to progress towards that goal, their energy consumption will need to grow taking into account the possibilities for achieving greater energy efficiency and for controlling greenhouse gas emissions in general, including through the application of new technologies on terms which make such an application economically and socially beneficial, (…)“ (Abs. 22).91

Schließlich bekennen sich die Vertragsparteien im letzten Absatz der Präambel zum Schutz des Klimas nicht nur für gegenwärtige, sondern auch für zukünftige Generationen („Determined to protect the climate system for present and future generations (…)“)92und damit zum gemäßigt anthropozentrischen Postulat intergenerationeller Gerechtigkeit.93

 UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 10 der Präambel. 88  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 18 der Präambel. 89  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 20 der Präambel. 90  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 21 der Präambel. 91  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 22 der Präambel. 92  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 23 der Präambel. 93  Siehe dazu Zweiter Teil, Kap. V. 4. 87

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dd) Operativer Teil der Klimarahmenkonvention Obgleich das CCM-Prinzip nur in der Präambel der Klimarahmenkonvention, nicht aber in ihrem operativen Teil niedergelegt wurde, sind auch einige operative Vorschriften für die geschichtliche Entwicklung des common concern of humankind-­ Prinzips relevant. Dies gilt umso mehr, als jenes Prinzip ein Interesse der Staatengemeinschaft an der Bekämpfung des Klimawandels und seiner nachteiligen Auswirkungen zum Ausdruck bringt und daher die im operativen Teil der Klimarahmenkonvention niedergelegten konkreten Umweltschutzpflichten der Staaten zu erga omnes-Verpflichtungen transformiert.94 Zu Beginn des operativen Konventionsteils haben die Vertragsstaaten in Art. 1 zunächst einige Begriffe definiert, unter denen insbesondere die Begriffe des „Klimawandels“ (climate change) und der „nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels“ (adverse effects of climate change) besondere Aufmerksamkeit verdienen, weil sie es schließlich sind, die zur „gemeinsamer Sorge der Menschheit“ erklärt wurden. In Art.  1 Abs.  2 der Klimarahmenkonvention wurde der „Klimawandel“ nach zähen Diskussionen als anthropogen, d. h. als „durch menschliches Verhalten verursachter“ Wandel des Klimas definiert, der in Abgrenzung zum „natürlichen“ Klimawandel über einen längeren Zeitraum festgestellt worden sein muss: „ ‚climate change‘ means a change of climate which is attributed directly or indirectly to human activity that alters the composition of the global atmosphere and which is in addition to natural climate variability observed over comparable time periods.“95

Die vom common concern of humankind ebenfalls mit umfassten „nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels“ (adverse effects of climate change) wurden in Art. 1 Absatz 1 definiert als „(…) changes in the physical environment or biota resulting from climate change which have significant deleterious effects on the composition, resilience or productivity of natural and managed ecosystems or on the operation of socio-economic systems or on human health and welfare.“96

„Oberstes Ziel“ (ultimate objective) der Klimarahmenkonvention ist nach Art. 2 die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf einer Stufe, auf der eine gefährliche anthropogene Beeinflussung des Klimasystems verhindert wird: „The ultimate objective of this convention and any related legal instruments that the Conference of the Parties may adopt is to achieve, in accordance with the relevant provisions to the Convention, stabilization of greenhouse gas concentrations in the atmosphere at a level that would prevent dangerous anthropogenic interference with the climate system. Such a level should be achieved within a time-frame sufficient to allow ecosystems to adapt ­naturally to climate change, to ensure that food production is not threatened and to enable economic development to proceed in a sustainable manner.“97  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. und XIV.  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 1 Abs. 2, Operativer Teil. 96  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 1 Abs. 1, Operativer Teil. 97  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 2, Operativer Teil. 94 95

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Art.  2 KRK postuliert zunächst nur ein übergeordnetes „Stabilisierungsziel“, ohne aber den Vertragsstaaten weiterreichende substanzielle Verpflichtungen aufzuerlegen.98 Der genauere rechtliche Charakter von Art. 2 KRK war von Anfang an umstritten.99 Bereits in den Verhandlungen des Intergovernmental Negotiating Committee (INC) gab es Bestrebungen, Art.  2 KRK als materielle Verpflichtung aller Vertragsstaaten zur Ergreifung von konkreten Maßnahmen zu fassen.100 Auch in der Folgezeit gab es zahlreiche Versuche, aus dem „ultimate objective“ des Art. 2 wenigstens substanzielle Verpflichtungen abzuleiten.101 Ein Blick auf den Wortlaut von Art. 2, der das Konventionsziel lediglich umschreibt und keine verpflichtende Terminologie enthält,102 legt allerdings offen, dass diese Ansätze wohl eher von Wunschdenken getragen waren als von präziser juristischer Auslegung.103 Fasst man die „ultimate objective“-Formulierung des Art. 2 unter die Kategorie der „objective and purpose“-Vorschriften im Sinne der Wiener Vertragsrechtskonvention, so ergäbe sich daraus immerhin nach den Artt. 18, 31 Abs. 1 WVK eine Verpflichtung aller Vertragsstaaten, das Stabilisierungsziel des Art. 2 nicht zu gefährden.104 Allerdings gibt Bodansky zu Recht zu bedenken, dass die INC in den Verhandlungen womöglich bewusst die Formulierung „object and purpose“ vermied, um gerade nicht die Rechtsfolge der Artt. 18, 31 Abs. 1 WVK herbeizuführen.105 Auf jeden Fall verlangt das „Stabilisierungsziel“ aus Art. 2 KRK von den Vertragsparteien, nach Treu und Glauben auf seine Verwirklichung hinzuarbeiten. Als Auslegungsregel und Fixstern am Horizont, an dem sich die Vertragsstaaten bei der Umsetzung der Klimarahmenkonvention zu orientieren haben, kommt ihm daher – ähnlich wie dem CCM-Prinzip – in jedem Fall eine hohe Bedeutung zu.106 Sodann wurden in Art. 3 Klimarahmenkonvention „Prinzipien“ (principles) niedergelegt, an denen sich die Vertragsparteien bei ihren Maßnahmen zur Erreichung des Konventionsziels sowie bei der Durchführung der Klimarahmenkonvention leiten lassen sollen. Diese „operativen Prinzipien“ lassen sich folgendermaßen ­skizzieren: Erstens haben die Vertragsstaaten in Art.  3 Abs.  1 einige Konzepte aufgegriffen, die bereits in der Präambel verankert wurden, nämlich das Postulat intergenerationeller Gerechtigkeit, das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten sowie das damit verwandte principle of equity.107 Überdies wurde in Abs.  1 auch jene bereits oben angeklungene Klausel niedergelegt,  Siehe Durner, 37 AVR (1999), S. 357 (366).  Siehe zum Ganzen Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (500). 100  Siehe zu diesen Bestrebungen Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (500); Verheyen, Beitrag des Völkerrechts, in: Koch/Caspar (Hrsg.), Klimaschutz im Recht, S. 29 (40). 101  Siehe zu jenen Ansätzen Durner, 37 AVR (1999), S. 357 (366). 102  Siehe Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (500). 103  So zu Recht bereits Durner, 37 AVR (1999), S. 357 (366). 104  So Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (500). 105  Siehe Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (500). 106  Ähnlich Durner, 37 AVR (1999), S. 357 (366). 107  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 3, Abs. 1, Operativer Teil. 98 99

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wonach die Industrieländer bei der Bekämpfung des Klimawandels die Führung übernehmen sollen. Zweitens werden in Abs. 2 die speziellen Bedürfnisse derjenigen Entwicklungsländer hervorgehoben, die von den klimatischen Veränderungen besonders betroffen sind oder zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus der Klimarahmenkonvention unverhältnismäßige Belastungen zu tragen haben.108 Drittens wurde in Abs. 3 das sogenannte Vorsorgeprinzip niedergelegt, wonach die Vertragsstaaten aufgefordert sind, Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, um die Ursachen des Klimawandels zu antizipieren, zu verhindern oder zu minimieren und seine nachteiligen Auswirkungen abzumildern. Insbesondere sollen die Vertragsstaaten das Aufschieben solcher Vorsorgemaßnahmen nicht mit etwaigen Ungewissheiten in der Klimaforschung begründen, wenn anderenfalls gefährliche oder gar irreparable Schäden drohen.109 Viertens schreibt Abs.  4 ein Recht aller Vertragsparteien auf nachhaltige Entwicklung fest. Fünftens bekennen sich die Vertragsparteien in Abs. 5 zu der Notwendigkeit eines offenen und tragfähigen internationalen Wirtschaftssystems als Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung insbesondere der Entwicklungsländer.110 Der Begriff des common concern of humankind taucht allerdings in Art. 3 der Klimarahmenkonvention, der von ihren „Prinzipien“ handelt, kein einziges Mal auf. Hieraus kann allerdings keinesfalls der Umkehrschluss gezogen werden, die Vertragsstaaten hätten an der Prinzipienqualität des common concern of humankind-­ Begriffs gezweifelt. Vielmehr haben die Vertragsparteien im Einleitungssatz von Art. 3 die Worte „unter anderem“ (inter alia) eingefügt und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie den dort aufgelisteten Prinzipienkatalog keinesfalls als abschließend betrachten und sich daher bei der Durchführung der Klimarahmenkonvention auch von anderen nicht in Art.  3 angeführten Prinzipien leiten lassen werden.111 Dabei wollten die Vertragsparteien zudem tunlichst den Eindruck vermeiden, die in Art.  3 aufgelisteten Prinzipien seien Teil des Völkergewohnheitsrechts und daher von allen Staaten zu beachten. Stattdessen sollten die Prinzipien von Art. 3 nach dem dokumentierten Willen der Vertragsparteien zunächst nur als völkervertragliche Prinzipien für die Unterzeichnerstaaten und auch nur im Zusammenhang mit der Klimarahmenkonvention gelten und nicht als allgemeines Völkerrecht.112 Vor diesem Hintergrund könnte der Umstand, dass die Vertragsparteien den Begriff des common concern of humankind nicht im Prinzipienkatalog von Art. 3 der Klimarahmenkonvention verankerten, eher darauf hindeuten, dass sie es womöglich gar als universell gültiges Prinzip betrachteten.113  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 3, Abs. 2, Operativer Teil. 109  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 3, Abs. 3, Operativer Teil. 110  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 3, Abs. 4, Operativer Teil. 111  Siehe Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (502). 112  Siehe die umfangreichen Nachweise bei Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (502), Fn. 308. 113  Auf diesen Aspekt wird allerdings später noch zurückzukommen sein, wenn es um die Frage 108

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Schließlich enthält die Klimarahmenkonvention trotz ihres „Rahmencharakters“ auch konkrete materielle Verpflichtungen. Im Lichte des Prinzips der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten differenziert die Klimarahmenkonvention  – wie zuvor auch andere umweltvölkerrechtliche Verträge114  – grundsätzlich zwischen den Verpflichtungen der Industrieländer einerseits und denen der Entwicklungsländer andererseits. Die materiellen Verpflichtungen der Klimarahmenkonvention sind komplex strukturiert: Sie bestehen zunächst aus allgemeinen Verpflichtungen, die sämtliche Vertragsparteien, das heißt sowohl Industrie- als auch Entwicklungsländer zu erfüllen haben. Sodann gibt es im Hinblick auf „Treibhausgasquellen und -senken“ (sources and sinks) spezifische Verpflichtungen für jene Vertragsstaaten, die in Annex I aufgelistet sind, das heißt für die OECD-Staaten und die Länder des früheren Ostblocks. Schließlich finden sich spezifische Verpflichtungen zum Finanz- und Technologietransfer, welche ausschließlich die in Annex II aufgelisteten OECD-Staaten treffen. Zunächst schaffen die in Art. 4 Abs. 1, Art. 5 und 6 sowie Art. 12 Abs. 1 KRK niedergelegten allgemeinen Verpflichtungen aller Vertragsstaaten eine Grundlage für die Koordinierung internationaler Klimaschutzmaßnahmen. Besondere Aufmerksamkeit verdient hierbei Art. 4 Abs. 1 lit. (a)–(d) KRK, ein erster Schritt zur Erfüllung des obersten Konventionsziels, gewissermaßen ein „implementation treaty in a nutshell“.115 Dort heißt es wörtlich:

1. „All Parties, taking into account their common but differentiated responsibilities and their specific national and regional development priorities, objectives and circumstances, shall: (a) Develop, periodically update, publish and make available to the Conference of the Parties, in accordance with Article 12, national inventories of anthropogenic emissions by sources and removals by sinks of all greenhouse gases not ­controlled by the Montreal Protocol, using comparable methodologies to be agreed upon by the Conference of the Parties; (b) Formulate, implement, publish and regularly update national and, where appropriate, regional programmes containing measures to mitigate climate change by addressing anthropogenic emissions by sources and removals by sinks of all greenhouse gases not controlled by the Montreal Protocol, and measures to facilitate adequate adaptation to climate change;

nach einer völkergewohnheitsrechtlichen Geltung des common concern-Prinzips geht, siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. a). 114  Eine Differenzierung zwischen den Verpflichtungen von Industrie- und Entwicklungsländern findet sich ferner bereits in der Vienna Ozone Convention sowie im Montreal Protocol: vgl. Vienna Convention for the Protection of the Ozone Layer, 22. März 1985, abgedruckt in: 26 ILM (1985), S. 1529, Art. 2: (providing that parties undertake measures „in accordance with the means at their disposal and their capabilities“). Vgl. außerdem Montreal Protocol on Substances that Deplete the Ozone Layer, 16. September 1987, abgedruckt in: 26 ILM (1987), S. 1550, Art. 5 (granting developing countries 10-year grace period to comply with control measures and allowing them to meet future targets „with due regard to their development requirements and within the limits of their financial and technical capabilities“). Eine gründliche Auseinandersetzung mit solchen „Differenzierungsnormen“ in umweltvölkerrechtlichen Übereinkommen liefert Magraw, 1 CJIELP (1990), S. 69 (89–98). 115  Diese anschauliche Bezeichnung stammt von Durner, 37 AVR (1999), S. 357 (367).

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(c) Promote and cooperate in the development, application and diffusion, including transfer, of technologies, practices and processes that control, reduce or prevent anthropogenic emissions of greenhouse gases not controlled by the Montreal Protocol in all relevant sectors, including the energy, transport, industry, agriculture, forestry and waste management sectors; (d) Promote sustainable management, (…)“.116 Zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 KRK haben sich die Vertragsstaaten sodann in Art. 5 KRK zur Zusammenarbeit bei der systematischen Beobachtung und Erforschung des Klimawandels und in Art. 6 zur Schärfung des „öffentlichen Bewusstseins“ (public awareness) für den Klimawandel und seine nachteiligen Auswirkungen verpflichtet.117 Sämtliche dieser allgemeinen Verpflichtungen sind ihrem Wesen nach abstrakt und generell gehalten.118 Ihr praktischer Wert wird als relativ gering eingestuft, zumal sie so unspezifisch formuliert sind, dass sie sich schwerlich durchsetzen lassen.119 Allerdings haben die Vertragsstaaten in Art. 4 Abs. 2 KRK – „im Herzen der Klimarahmenkonvention“120  – ferner spezifische Verpflichtungen der Industriestaaten niedergelegt. Mit höchst komplizierten Formulierungen, die bereits mehrfach als „die undurchschaubarste Vertragssprache aller Zeiten“ („the most impenetrable treaty language ever drafted“)121 charakterisiert wurden, haben sich die Vertragsparteien nach zähen Verhandlungen letztendlich zu folgendem Wortlaut durchgerungen:

2. „The developed country Parties and other Parties included in Annex I commit themselves specifically as provided for in the following: (a) Each of these Parties shall adopt national policies and take corresponding measures on the mitigation of climate change, by limiting its anthropogenic emissions of greenhouse gases and protecting and enhancing its greenhouse gas sinks and reservoirs. These policies and measures will demonstrate that developed countries are taking the lead in modifying longer-term trends in anthropogenic emissions consistent with the objective of the Convention, recognizing that the return by the end of the present decade to earlier levels of anthropogenic emissions of carbon dioxide and other greenhouse gases not controlled by the Montreal Protocol would contribute to such modification, and taking into account the differences in these Parties’ starting points and approaches, economic structures and resource bases, the need to maintain strong and sustainable economic growth, available technologies and other individual circumstances, as well as the need for equitable and appropriate contributions by each of these Parties to the global effort regarding that objective. These Parties may implement such policies and measures jointly with other Parties and may assist other Parties in contributing to the achievement of the objective of the Convention and, in particular, that of this subparagraph; this includes policies and measures adopted by regional economic integration organizations. (b) In order to promote progress to this end, each of these Parties shall communicate, within six months of the entry into force of the Convention for it and periodically

 UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 4 Abs. 1 lit. (a)–(d), Operativer Teil. 117  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 5 und 6, Operativer Teil. 118  So Durner, 37 AVR (1999), S. 357 (367). 119  Siehe Verheyen, Beitrag des Völkerrechts, in: Koch/Caspar (Hrsg.), Klimaschutz im Recht, S. 29 (43 f.), die zutreffend darauf hinweist, dass gerade an den allgemein gehaltenen Verpflichtungen von Art. 4 der Rahmencharakter der Klimarahmenkonvention deutlich sichtbar wird. 120  Sands, 1 RECIEL (1992), S. 270 (273). 121  Siehe erneut wie gewohnt griffig Sands, 1 RECIEL (1992), S. 270 (273). 116

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IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des … thereafter, and in accordance with Article 12, detailed information on its policies and measures referred to in subparagraph (a) above, as well as on its resulting projected anthropogenic emissions by sources and removals by sinks of greenhouse gases not controlled by the Montreal Protocol for the period referred to in subparagraph (a), with the aim of returning individually or jointly to their 1990 levels these anthropogenic emissions of carbon dioxide and other greenhouse gases not controlled by the Montreal Protocol. This information will be reviewed by the Conference of the Parties, at its first session and periodically thereafter, in accordance with Article 7; (c) Calculations of emissions by sources and removals by sinks of greenhouse gases for the purposes of subparagraph (b) above should take into account the best available scientific knowledge, including of the effective capacity of sinks and the respective contributions of such gases to climate change. The Conference of the Parties shall consider and agree on methodologies for these calculations at its first session and review them regularly thereafter; (d) The Conference of the Parties shall, at its first session, review the adequacy of subparagraphs (a) and (b) above. Such review shall be carried out in the light of the best available scientific information and assessment on climate change and its impacts, as well as relevant technical, social and economic information. Based on this review, the Conference of the Parties shall take appropriate action, which may include the adoption of amendments to the commitments in subparagraphs (a) and (b) above. The Conference of the Parties, at its first session, shall also take decisions regarding criteria for joint implementation as indicated in subparagraph (a) above. A second review of subparagraphs (a) and (b) shall take place not later than 31 December 1998, and thereafter at regular intervals determined by the Conference of the Parties, until the objective of the Convention is met; (e) Each of these Parties shall: (i) coordinate as appropriate with other such Parties, relevant economic and administrative instruments developed to achieve the objective of the Convention; and (ii) identify and periodically review its own policies and practices which encourage activities that lead to greater levels of anthropogenic emissions of greenhouse gases not controlled by the Montreal Protocol than would otherwise occur; (…)“.122

Schlägt man eine Schneise in das Dickicht von Art. 4 Abs. 2 KRK, so haben sich die OECD-Staaten im Wesentlichen drei spezifische Verpflichtungen auferlegt: Erstens haben sie nationale Maßnahmen zu ergreifen, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren und Treibhausgassenken und -speicher zu schützen. Zweitens treffen die OECD-Länder strengere Berichterstattungspflichten, und drittens sind sie verpflichtet, zur Stabilisierung der Treibhausgasemissionen die nötigen Finanzierungs- und Verwaltungsinstrumente zu koordinieren. Im Zusammenhang mit den spezifischen Verpflichtungen der Industriestaaten zur Reduzierung ihrer CO2-Emissionen aus Art. 4 Abs. 2 lit. (a) KRK wurde im darauf folgenden Art.  4 Abs.  2 lit. (b) KRK im Wege eines Kompromisses immerhin ein „quasi-Ziel“ und ein „quasi-Zeitrahmen“ niedergelegt.123 Danach sollen die Industriestaaten ihre Treibhausgas-Reduktionsverpflichtungen „mit dem Ziel“ erfüllen, „(…)  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 4 Abs. 2 lit. (a)–(e), Operativer Teil. 123  So Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (516). 122

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die anthropogenen Emissionen von Kohlendioxid und anderen (…) Treibhausgasen auf das Niveau von 1990 zurück zu führen (…)“.124 Angesichts dieser schwammigen und mehrdeutigen Formulierung wurde bereits kurz nach Verabschiedung der Klimarahmenkonvention diskutiert, ob das „Reduktionsziel“ von Art. 4 Abs. 2 lit. (b) KRK überhaupt eine völkerrechtlich verbindliche Verpflichtung begründet, und die weit überwiegende Mehrheit der Völkerrechtler verneinte dies.125 Bestätigt wurde diese Sichtweise von der Staatenpraxis, als kurz nach Verabschiedung der Konvention verschiedene Staaten weit auseinandergehende Interpretationen von Art. 4 Abs. 2 lit. (b) KRK kundgaben. So verkündete einerseits ein Berater der US-Administration, dass „(…) there is nothing in any of the language which constitutes a commitment to any specific level of emissions at any time.“126 Andererseits war ein Sprecher des britischen Außenministeriums der festen Überzeugung, das Reduktionsziel aus Art. 4 Abs. 2 lit. (b) KRK sei deckungsgleich mit einer Garantiezusage.127 Vor diesem Hintergrund haben Umweltschutzverbände wie der World Wide Fund for Nature (WWF) die Internationale Staatengemeinschaft mehrfach aufgefordert, die lediglich „moralische“ Verpflichtung von Art. 4 Abs. 2 KRK in eine „rechtsverbindliche Verpflichtung“ zu verwandeln.128 In der Tat war eine Verankerung von hinreichend quantifizierbaren und völkerrechtlich verbindlichen Verpflichtungen zur Reduzierung von CO2-Emissionen die zentrale Streitfrage auf dem Weg zum Kyoto-Protokoll im Jahre 1997.

c) Kyoto-Protokoll (1997) Im Kern sollte das Kyoto-Protokoll die in der Klimarahmenkonvention verankerten allgemeinen Zielsetzungen und Strategien mit konkreten Handlungsverpflichtungen der Vertragsstaaten ausfüllen.129 Erwartungsgemäß waren jedoch auch die Verhand UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 4 Abs. 2 lit. (b), Operativer Teil („with the aim of returning individually or jointly to their 1990 levels“). 125  Siehe etwa Sands, 1 RECIEL (1992), S. 270 (274): „The most that can be reasonably said of these provisions is that they establish soft targets and timetables with a large number of loopholes“; Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (516 f.); siehe auch Dolzer, The Legal Status of the Commitments in the FCCC, in: Harnisch (Hrsg.), Climate Change and the Agenda for Research; Durner, 37 AVR (1999), S.  357 (368); Ott, Völkerrechtliche Aspekte der Klimarahmenkonvention, in: Brauch (Hrsg.), Klimapolitik, S. 61 (67). 126  Nachweis bei Gutfield, How Bush Achieved Global Warming Pact with Modest Goals, in: Wall Street Journal v. 27. Mai 1992, A1. 127  Nachweis bei Erlichman, Howard Defends Emission Treaty, The Guardian v. 12. Mai 1992, 2. Siehe dazu außerdem Durner, 37 AVR (1999), S. 357 (415 ff.). 128  Ähnlich Krägenow/Singer (für den World Wide Fund), Andauernde Fluten in der Klimadiplomatie, S. 7. 129  Allgemein zum Inhalt des Kyoto-Protokolls etwa Bail, EuZW (1998), S. 457 ff.; Oberthür/Ott, Das Kyoto-Protokoll; Scheyli, 40 AVR (2002), S. 303 ff.; siehe auch Breidenich/Magraw/Rowley/ Rubin, 92 AJIL (1998), S.  315  ff.; Chazournes, 43 AFDI (1997), S.  700  ff.; Durner, 37 AVR (1999), S. 357 (415 ff.). 124

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lungen zum Kyoto-Protokoll außerordentlich schwierig und bis zur Abschluss­ konferenz in Kyoto im Jahre 1997 klafften die Positionen in einer Vielzahl von grundlegenden Fragen weit auseinander.130 Um eine Einigung über verbindliche Emissionsreduktionsziele herbeiführen zu können, versuchte man in den Verhandlungen, die unterschiedlichen Interessen von Industriestaaten und Entwicklungsländern mittels flexibler ökonomischer Instrumente zum Ausgleich zu bringen.131 Letztendlich wurde ein Protokoll ausgearbeitet, wonach der Ausstoß von sechs Treibhausgasen132 im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 gegenüber dem Referenzjahr 1990 um durchschnittlich 5,2 % verringert werden soll.133 Mittlerweile ist das Protokoll von 192 Staaten ratifiziert worden.134 Die Vereinigten Staaten haben das Protokoll zwar unterzeichnet, haben allerdings in der Folgezeit wegen der befürchteten negativen Auswirkungen auf ihre heimische Industrie eine Ratifikation beharrlich verweigert. Kanada hat Ende 2011 – zur Vermeidung von empfindlichen Strafzahlungen in Höhe von mehreren Billionen Dollar – seinen Austritt aus dem Kyoto-Protokoll bekannt gegeben, der schließlich ein Jahr später Ende 2012 wirksam wurde. Für die geschichtliche Entwicklung und den bisherigen Anwendungsbereich des common concern of humankind-Prinzips ist das Kyoto-Protokoll vor allem relevant, weil sich die Vertragsstaaten in Abs. 3 seiner Präambel ausdrücklich auf die Vorschriften der Klimarahmenkonvention berufen.135 Somit erfasst das in der Präambel zur Klimarahmenkonvention niedergelegte common concern of humankind-Prinzip nicht nur die im operativen Teil der Klimarahmenkonvention verankerten spezifischenVerpflichtungen, sondern dient auch den im Kyoto-Protokoll niedergelegten konkreten Verhaltenspflichten als Leitlinie und Auslegungstopos. Das von den ­Vertragsstaaten in der Klimarahmenkonvention im common concern-Begriff zum Ausdruck gebrachte und später im Einzelnen näher zu begründende Staatengemeinschaftsinteresse an der Bekämpfung des Klimawandels und seiner nachteiligen Auswirkungen für das globale Ökosystem strahlt folglich auch auf die konkreten Verpflichtungen zur Emissionsreduzierung aus und transformiert sie zu Verpflichtungen erga omnes (partes).136 Aus diesem Grund sind für die Zwecke der vorliegenden Arbeit zumindest einige zentrale Bestandteile des Kyoto-Protokolls von Interesse: 130  Siehe hierzu Bail, EuZW 1998, S. 457 (459); Ehrmann, NuR 1997, S. 229; Merkel, in: Umwelt – Eine Information des Bundesumweltministeriums (1996), S. 269 ff. 131  Siehe Vitzthum, in: Ders. (Hrsg), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 481. 132  Das Kyoto-Protokoll erfasst gemäß Anlage A sechs Treibhausgase: Neben CO2, dem wichtigsten Treibhausgas, sind dies Methan CH4), Lachgas (NO2), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW), wasserstoffhaltige Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW) und Schwefelhexafluorid (SF6). Dabei handelt es sich um jene sechs Gase, die nicht bereits durch das Montreal-Protokoll (siehe 26 ILM [1987], S. 1550 ff.) entsprechenden Regelungen unterworfen sind. 133  Kyoto Protocol to the FCCC, ILM 37 (1998), S. 32 ff. 134  http://unfccc.int/kyoto_protocol/status_of_ratification/items/2613.php (zuletzt besucht am 21. Juli 2019). 135  Kyoto Protocol to the FCCC, ILM 37 (1998), S. 32, Präambel, Abs. 3. 136  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIV.

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Den Kern des Kyoto-Protokolls bilden zunächst vor allem die Verpflichtungen der Industriestaaten zur Reduktion bestimmter Treibhausgasemissionen nach Art. 3 Abs. 1 Kyoto-Protokoll.137 Nach dieser Zentralvorschrift müssen die in Anlage I der Klimarahmenkonvention genannten Industriestaaten einzeln oder gemeinsam dafür sorgen, dass die von ihnen emittierten Mengen bestimmter Treibhausgase nicht jene Mengenvorgabe überschreiten, die in Anlage B des Protokolls für jeden der verpflichteten Industriestaaten spezifisch festgelegt ist. Dies impliziert, wie bereits erwähnt, zugleich eine Reduktion der emittierten Mengen für den Zeitraum 2008 und 2012 um insgesamt mindestens fünf Prozent gegenüber dem Stand von 1990. Dagegen begründet das Kyoto-Protokoll – nota bene – für die Entwicklungsländer keinerlei über die Klimarahmenkonvention hinausgehenden materiellen Verpflichtungen.138 Genauso wichtig wie umstritten war in Kyoto die Frage, mit welchen Mitteln die Industrieländer ihre Verpflichtungen zur Reduktion ihrer Emissionen umsetzen sollen bzw. dürfen. Diesbezüglich sah bereits die Klimarahmenkonvention – jedenfalls im Grundsatz  – das Instrument der gemeinsamen Umsetzung und Erfüllung von Klimaschutzmaßnahmen unter Industrieländern (Joint Implementation und Joint Fulfilment) vor,139 die vom Kyoto-Protokoll in Art. 4 aufgegriffen und konkretisiert wird.140 Über den Mechanismus der gemeinsamen Umsetzung (Joint Implementation) soll den Industriestaaten ermöglicht werden, ihren Verpflichtungen in möglichst kosteneffizienter Weise nachzukommen.141 Gemäß Art. 3 Abs. 10 und 11 iVm. Art. 6 Abs. 1 Kyoto-Protokoll sollen die in Anlage I genannten Industriestaaten untereinander Emissionsreduktionseinheiten transferieren können. Führt ein Staat Projekte zur Reduzierung anthropogener Emissionsquellen oder zur Erweiterung von Treibhausgassenken durch, so erhält er sogenannte Emissionsreduktionseinheiten. Finanziert ein Industriestaat in einem anderen Anlage-I-Staat derartige Projekte, so erwirbt er dessen Emissionsreduktionseinheiten und kann sich diese unter bestimmten Kriterien142 auf seine eigenen Reduktionsverpflichtungen anrechnen lassen. Eine weitere Form des Zusammenwirkens von Industriestaaten bei der Verwirklichung ihrer Reduktions- und Begrenzungsverpflichtungen stellt die gemeinsame Erfüllung (Joint Fulfilment) nach Art. 3 Abs. 1 iVm. Art. 4 Kyoto-Protokoll dar. Die in Art.  3 Abs.  1 Kyoto-Protokoll enthaltene Aussage, Anlage-I-Parteien könnten ihre Reduktionsverpflichtungen „einzeln oder gemeinsam“ erfüllen, wird in Art. 4 durch die Möglichkeit der gemeinsamen Erfüllung jener Verpflichtungen durch ganze Gruppen von Industriestaaten konkretisiert. Nach dieser Regelung gelten die in Anlage B des Protokolls festgelegten quantitativen Verpflichtungen bestimmter, in einer Gruppe zusammengeschlossener Industriestaaten als erfüllt,  Kyoto Protocol to the FCCC, ILM 37 (1998), S. 33, Operativer Teil, Art. 3.  So auch Scheyli, 40 AVR (2002), S. 304. 139  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S.  849  ff., Operativer Teil, Art. 4 Abs. 2 lit. (a) letzter Satz. 140  Kyoto Protocol to the FCCC, ILM 37 (1998), S. 33, Operativer Teil, Art. 4. 141  Siehe Scheyli, 40 AVR (2002), S. 273 (305). 142  Siehe Art. 6 Abs. 1 Kyoto-Protokoll. 137 138

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wenn ihre Emissionen insgesamt die Summe aller auf sie entfallenden individuellen Reduktionsverpflichtungen nicht übersteigen.143 Neben der Joint Implementation und Joint Fulfilment hat das Kyoto-Protokoll allerdings noch zwei weitere sogenannte Flexibilisierungsmechanismen eingeführt, die ebenfalls vom Gedanken der Kosteneffizienz klimapolitischer Maßnahmen getragen sind und entsprechende Anreize setzen.144 Zum einen soll gemäß Art.  3 Abs. 12 iVm. Art. 12 Kyoto-Protokoll ein sogenannter Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism) auch die Einbeziehung von Entwicklungsländern ermöglichen. Nach diesem Anreizinstrument können Anlage-­I-Parteien, indem sie Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern unterstützen, Emissionsreduktionseinheiten erwerben und sich diese anschließend auf ihre eigenen Verpflichtungen anrechnen lassen.145 Schließlich erlauben die Vorschriften der Art.  3 Abs.  10 und 11 iVm. Art.  17 Kyoto-Protokoll den durch Anlage B des Protokolls verpflichteten Industriestaaten, untereinander mit ihren Emissionsreduktionseinheiten zu handeln. Diesem sogenannten Emissionshandel (Emissions trading) liegt der Gedanke zugrunde, man könne die Verpflichtung zu einer quantitativen Reduktion der Treibhausgasemission auch umgekehrt als einen Anspruch darauf betrachten, in einem Ausmaß Emissionen zu produzieren, welches die erlaubte Menge nicht übersteigt. Übererfüllt ein Industriestaat sein individuelles Reduktionsziel und emittiert so weniger als die ihm an sich zustehende (erlaubte) Menge, so kann er diese Einsparungen an einen anderen Industriestaat „verkaufen“, der durch diesen Emissionsrechtehandel wiederum seinerseits seinen eigenen Emissionsanspruch vergrößert, sodass insgesamt die Summe der Reduktionsverpflichtungen aller Industriestaaten erfüllt wird.146 Allerdings blieben nach Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls noch einige Fragen unbeantwortet, die sich in der Folgezeit als überaus strittig erwiesen.147 Zwar hat das Kyoto-Protokoll die Klimarahmenkonvention durch völkerrechtlich verbindliche Verpflichtungen der Vertragsstaaten zur Emissionsreduzierung durchaus konkretisiert. In vielen wichtigen Fragen beschränkt das Protokoll sich aber selbst wiederum darauf, einen stark gestaltungs- und ausfüllungsbedürftigen Rahmen zu setzen. An mehreren Stellen des Protokolls wird lediglich die Grundlage einer rechtlichen Regelung skizzenhaft umrissen und die weitere Ausgestaltung ausdrücklich späteren Klimaschutzkonferenzen übertragen. Dies gilt insbesondere für Instrumente, die Anreize zur Emissionsreduktion setzen und eine flexible Verwirklichung der festgehaltenen Reduktionsverpflichtungen ermöglichen sollen. Alle Klimaschutzverhandlungen seit Kyoto haben offengelegt, dass sich gerade in diesen  Siehe erneut Scheyli, 40 AVR (2002), S. 273 (305).  Allgemein zu den verschiedenen Flexibilisierungsmechanismen etwa Bail, EuZW (1998), S. 457 (461 f.). Ein sehr anschauliches Schema zur Wirkung der Flexibilisierungsmechanismen des Kyoto-Protokolls findet sich bei Oberthür/Ott, Das Kyoto-Protokoll, S. 187 ff. 145  Siehe Scheyli, 40 AVR (2002), S. 273, (305 f.) 146  Siehe zum Emissionshandel etwa Bail, EuZW (1998), S. 457 (462); Oberthür/Ott, Das Kyoto-Protokoll, S. 187 ff.; Grubb, 7 RECIEL (1998), S. 140 ff. 147  Siehe dazu insbesondere Scheyli, 40 AVR (2002), S. 273 (307 ff.). 143 144

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Bereichen selbst in grundlegenden Fragen ein Konsens nur äußerst schwierig erreichen lässt.148 Die weitere Entwicklung nach Kyoto ist für die geschichtliche Entwicklung und den (zukünftigen) Anwendungsbereich des common concern-­Prinzips insofern von Bedeutung, als sich aus ihr ergibt, ob und inwieweit sich die Vertragsstaaten in ihrem Verlauf weitere Verpflichtungen zum Klimaschutz auferlegt haben, die von der Rechtswirkung des CCM-Prinzips erfasst werden.

d) Kopenhagen-Konferenz (2009) Mehr als zehn Jahre nach Kyoto fand – erneut unter dem Schirm der Klimarahmenkonvention – im Dezember 2009 der Klimagipfel von Kopenhagen statt, an dem 194 Staaten teilnahmen und von dem man sich Klarheit für den zukünftigen völkerrechtlichen Klimaschutz nach 2012 erhoffte.149 Es war die 15. Vertragsstaatenkonferenz zur Klimarahmenkonvention und zugleich das fünfte Treffen im Rahmen des Kyoto-­ Protokolls. Die Kopenhagen-Konferenz wurde von großen Hoffnungen begleitet und war in vielerlei Hinsicht einzigartig. Beinahe 115 Regierungschefs waren der Einladung nach Kopenhagen gefolgt, so viele wie noch nie in der Geschichte multilateraler umweltvölkerrechtlicher Übereinkommen. Neben den Delegationen von 194 souveränen Staaten wurde der Klimagipfel außerdem von ca. 40.000 Individuen begleitet, die als Vertreter von Universitäten, Unternehmen, Medien, NGO’s und Internationalen Organisationen aufmerksam verfolgen wollten, was im Bella Center von Kopenhagen passieren würde.150 Seit Kyoto 1997 war das öffentliche Bewusstsein für die Gefährdung des globalen Ökosystems durch den Klimawandel weltweit geschärft worden. Alarmierend wirkten auch die neuesten Erkenntnisse des IPCC über die globale Erwärmung. Während im dritten Sachstandsbericht des IPCC aus dem Jahre 2001151 noch vorsichtig formuliert wurde, es sei bloß „wahrscheinlich“ (likely), dass die festgestellte Erwärmung auf anthropogene Einflüsse zurückgeführt werden könne, hat der IPCC seine Aussage im vierten Sachstandsbericht von 2007152 nunmehr korrigiert und verschärft. Dort heißt es, „der größte Teil des globalen Temperaturanstiegs seit Mitte des 20. Jahrhunderts“ sei „sehr wahrscheinlich“ (very likely) durch menschliche Treibhausgasemissionen „verursacht“ worden. Dem aktuellen fünften Sachstandsbericht des IPCC aus dem Jahre  Siehe wiederum Scheyli, 40 AVR (2002), S. 273 (307 ff.).  Ähnlich Massai, 19 RECIEL (2010), S. 104 (104). 150  Siehe Massai, 19 RECIEL (2010), S. 104 (104). 151  IPCC, 2001: Climate Change 2001: The Scientific Basis. Contribution of Working Group I to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Houghton, J. T., Y. Ding, D. J. Griggs, M. Noguer, P. J. van der Linden, X. Dai, K. Maskell and C. A. Johnson (Hrsg.)], Cambridge 2001, S. 99 ff. 152  IPCC, 2007: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Solomon S., D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K. B. Averyt, M. Tiguerad, H. C. Miller (Hrsg.)], Cambridge 2007, S. 35 ff. 148 149

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2013153 zufolge ist es sogar „äußerst wahrscheinlich“ (extremely likely), dass der menschliche Einfluss die Hauptursache für die seit 1950 beobachtete globale Erwärmung war. Der in den IPCC-Berichten zum Ausdruck gebrachte wissenschaftliche Konsens wurde zudem von den wichtigsten nationalen Wissenschaftsakademien unter anderem aller G8-Länder ausdrücklich unterstützt und gilt daher als wissenschaftlicher Beleg für den Klimawandel. Nach dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, das auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert, kann das oberste Ziel der Klimarahmenkonvention, „eine gefährliche Störung des Klimasystems zu verhindern“,154 nur dann erreicht werden, wenn die Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Niveau auf zwei Grad Celsius begrenzt wird.155 Dies setzt wiederum voraus, dass die Treibhausgasemissionen in den entwickelten Industrieländern bis zum Jahr 2050 im Vergleich zu 1990 um 80 bis 95 Prozent vermindert werden müssen.156 Vor diesem Hintergrund hatten auch kurz vor dem Klimagipfel im November 2009 unter anderem rund 60 Nobelpreisträger eindringlich an die Regierungschefs appelliert, sich in Kopenhagen auf ein tragfähiges Klimaabkommen zu verständigen und die mit dem Klimawandel einhergehenden Probleme zu bekämpfen.157 Die „globale Weltöffentlichkeit“ erwartete in Kopenhagen von den Regierungschefs, endlich die vertrackte Blockade aufzulösen, die sich im Verlauf der bisherigen Verhandlungen seit Kyoto entwickelt hatte, und – wie im Jahre 2007 von der sogenannten Bali roadmap vorgesehen158 – ein wirksames Nachfolgeprotokoll für das im Jahr 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll zu verabschieden.159 Schließlich schienen die Zeichen für ein wirksames Nachfolgeprotokoll gerade auch deshalb günstig zu stehen, weil die Vereinigten Staaten als der mit Abstand größte CO2-Emittent seit dem 4. November 2008 von einem neuen amerikanischen Präsidenten, dem Hoffnungsträger Barack Obama regiert wurde. Obama  IPCC, 2013: Climate Change 2013: Summary for Policymakers. The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Stocker, T. F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S. K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (Hrsg.)], Cambridge 2013, S. 15: „Human influence has been detected in warming of the atmosphere and the ocean, in changes in the global water cycle, in reductions in snow and ice, in global mean sea level rise, and in changes in some climate extremes. (…) It is extremely likely that human influence has been the dominant cause of the observed warming since the mid-20th century“. 154  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 2, Operativer Teil; siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) dd). 155  UNEP, Climate Change Science Compendium 2009, S. 15 ff. 156  UNEP, Climate Change Science Compendium 2009, S. 20 ff. 157  „Nobelpreisträger drängen auf Handeln im Klimaschutz, zum Abschluss des Nobelpreisträger-Symposiums im Mai 2009 des Potsdam Institute for Climate Impact Research“, PIK-Pressemitteilung v. 28. Mai 2009, abrufbar unter https://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/archiv/2009/nobelpreistraeger-draengen-auf-handeln-im-klimaschutz (zuletzt besucht am 21. Juli 2019). 158  The Bali Roadmap, closing statement of Joint High-Level Segment by the President of the COP, Rachmat Witoelar (Bali, 15 December 2007), abrufbar unter https://unfccc.int/files/meetings/ cop_13/application/pdf/close_stat_cop13_president.pdf (zuletzt besucht am 21. Juli 2019). 159  Siehe Massai, 19 RECIEL (2010), S. 104 (104). 153

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hatte bei seinem Amtsantritt am 20. Januar 2009 die Bekämpfung des globalen Klimawandels als eines seiner wichtigsten außenpolitischen Aufgaben hervorgehoben.160 Nach mehr als einem Jahrzehnt der Klimaschutzblockade unter der Bush Regierung gab es nun berechtigte Hoffnung auf ein neues völkerrechtlich verbindliches Klimaschutzabkommen. Wie alle vorherigen Klimaschutzkonferenzen war allerdings auch der Gipfel von Kopenhagen zunächst vom Nord-Süd-Dauerkonflikt zwischen Industrie- und Entwicklungsländern geprägt. Noch weiter verkompliziert wurden die Verhandlungen durch den Umstand, dass in der Zeit nach Kyoto neben Indien vor allen Dingen mit der Volksrepublik China ein zuvor schlafender Wirtschaftsriese erwacht war.161 Aufgrund ihrer Einstufung als Entwicklungsländer hatten sich weder China noch Indien im Kyoto-Protokoll zu Emissionsreduktionen verpflichtet. Infolge ihres exponentiell ansteigenden Wirtschaftswachstums waren aber nun auch die CO2-Emissionen China’s rapide angestiegen und würden in Zukunft noch weiter ansteigen. Ohne eine verbindliche Selbstverpflichtung der Volksrepublik China rückte eine Erreichung des überaus ehrgeizigen Reduktionsziels einer Emissionshalbierung bis zum Jahr 2050 in weite Ferne. Zwar befürworteten Indien und China offiziell durchaus eine ehrgeizige Fortschreibung des Kyoto-Protokolls, wollten aber selbst keine verbindlichen Zugeständnisse machen.162 Die hohen Erwartungen, die viele in die Kopenhagen-Konferenz gesetzt hatten, wurden weitestgehend enttäuscht. Die Staatenvertreter konnten sich im Abschlussdokument der Konferenz nur auf einen „Minimalkonsens“ einigen. In einem rein politischen, völkerrechtlich unverbindlichen Papier, dem sogenannten Copenhagen Accord, wird das Ziel, die Erderwärmung auf weniger als 2 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen, lediglich „zur Kenntnis genommen“.163 Zwar bekennt sich die Staatenkonferenz in Abs. 1 der Präambel zum Stabilisierungsziel aus Art. 2 der Klimarahmenkonvention: „In pursuit of the ultimate objective of the Convention as stated in its Article 2 (…).“164

Auch heben die Unterzeichnerstaaten in Abs. 2 der Präambel zum Copenhagen Accord hervor, sich an den Prinzipien und Vorschriften der Klimarahmenkonvention zu orientieren, indem sie ausführen: „Being guided by the principles and provisions of the Convention (…).“165

 „Obama verkündet seinen amerikanischen Traum“, Spiegel-Online v. 20. Januar 2009, abrufbar unter https://www.spiegel.de/politik/ausland/antrittsrede-obama-verkuendet-seinen-amerikanischen-traum-a-602489.html (zuletzt besucht am 21. Juli 2019). 161  De Waye Wickham, China: 21st Century sleeping giant, in: USA Today v. 1. April 2010, S. 3. 162  „Kopenhagener Klüngel“, in: Zeit-Online v. 24. Mai 2010, abrufbar unter https://www.zeit. de/2010/21/Klimaschutz-China-Indien (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). 163  Copenhagen Accord, 49 ILM (2010), S. 210. 164  Copenhagen Accord, 49 ILM (2010), S. 210. 165  Copenhagen Accord, 49 ILM (2010), S. 211. 160

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Daraus wird zumindest ersichtlich, dass neben den anderen Prinzipien der Klimarahmenkonvention auch das common concern of humankind-Prinzip für den Copenhagen Accord gilt. Schließlich unterstrichen die Staatsvertreter in Ziffer 1, der Klimawandel sei eine der größten Aufgaben der Menschheit: „1. We underline that climate change is one of the greatest challenges of our time.“166

Zu konkreten völkerrechtlich verbindlichen Reduktionsverpflichtungen konnten sie sich in ihrem Abschlussdokument allerdings nicht durchringen. Auch findet sich dort keine einzige Referenz zum Kyoto-Protokoll und den dort niedergelegten Reduktionsverpflichtungen. Vielen galt der Post-Kyoto-Prozess damit vorerst als g­ escheitert.167

e ) Die UN-Klimakonferenzen von Cancùn (2010), Durban (2011) und Doha (2012) Auf der 16. Vertragsstaatenkonferenz in Cancún im Dezember 2010 wurde allerdings die Verabschiedung eines wirksamen Nachfolgeabkommens für das im Jahre 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll nachgeholt. Neben der überfälligen Fortschreibung des Kyoto-Protokolls wurde ein Maßnahmenpaket verabschiedet, das vor allem ein Waldschutzprogramm, einen globalen Klimafonds, Maßnahmen der Industrie- und Entwicklungsländer zur Emissionsreduzierung sowie zur Technologiekooperation umfasst.168 Außerdem bekannten sich die Teilnehmerstaaten zu dem Ziel einer „substanziellen Verringerung“ der weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2050 und bekannten sich – hierin liegt immerhin ein Fortschritt gegenüber dem Copenhagen Accord169 – zur vielfach beschworenen 2°C-Leitplanke.170 Cancún war jedoch von vorneherein als „Zwischenkonferenz“ gedacht, die den Weg zu einem neuen globalen Klimavertrag bereiten sollte.171 In der Folgezeit mehrten sich Zweifel, ob eine zusätzliche Konkretisierung der Klimarahmenkonvention durch das Kyoto-Protokoll aussichtsreich sein würde.172 Daher war unter den Vertragsstaaten lange Zeit umstritten, ob es ein Kyoto-­ Nachfolge-­Protokoll oder einen neuen eigenständigen Klimavertrag oder beides geben solle.173 Der tiefere Grund für diese breite Debatte lag vor allem in der Sorge  Copenhagen Accord, 49 ILM (2010), S. 211.  Prins/Gwyn, The Hartwell Paper – A new direction for climate change policy after the crash of 2009. veröffentlicht von der London School of Economics in Zusammenarbeit mit der University of Oxford, abrufbar unter https://eprints.lse.ac.uk/27939/1/HartwellPaper_English_version.pdf (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). 168  Siehe Erbguth/Schlacke, Umweltrecht, S. 442. 169  Siehe dazu weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. d). 170  Siehe Schlacke, ZUR 2012, S. 69 f. 171  Siehe http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-12/klimagipfel-cancun-bolivien. 172  Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 314. 173  Bodansky, 104 AJIL (2010), S. 230 ff.; Markus, 76 ZaöRV (2016), S. 715 (744). 166 167

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der Entwicklungsländer, ihre zuvor im Rahmen des Kyoto-Protokolls errungenen Vorteile zu verlieren.174 Schließlich einigten sich die Vertragsstaaten darauf, im Jahr 2015 ein neues verbindliches Übereinkommen unter dem Dach der Klimarahmenkonvention zu verabschieden, das ab 2020 für alle Vertragsstaaten gelten und höhere Schutzziele formulieren sollte.175 Daher wurde im Dezember 2011 auf der Vertragsstaatenkonferenz von Durban eine Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung eines „Protokolls oder eines anderen Rechtsinstrumentes unter der Klimarahmenkonvention“ („protocol, another legal instrument or an agreed outcome with legal force under the Convention applicable to all Parties“) beauftragt.176 Damit war die Tür zur Entwicklung eines anderen internationalen Schutzinstruments geöffnet,177 die einige Jahre später in den Abschluss eines weiteren Klimaschutzabkommens in Gestalt des Pariser Abkommens münden sollte.178 Auf der sich im Dezember 2012 anschließenden Klimakonferenz in Doha verlängerten indes zunächst beinahe 200 Staaten in einem „Mini-Kompromiss“ das Kyoto-Protokoll immerhin bis Ende 2020. Nach langen Verhandlungen wurde ein Kompromiss angenommen, demzufolge das Kyoto-Protokoll ohne schärfere Verpflichtungen ab 2013 gelten soll. In Doha wurde auch ein grober Fahrplan für das weitere Vorgehen festgelegt: 2014 sollte es eine Überprüfung der zugesagten Ziele für die Minderung des CO2-Ausstoßes geben. Dann könnte auch die EU ihr bisheriges Emissionsziel auf minus 30 Prozent bis 2020 verschärfen – was in Doha am Widerstand Polens scheiterte. Um auch die großen CO2-Emittenten USA und China sowie langfristig alle Staaten in eine Klimaschutzvereinbarung einzubeziehen, sollte nun spätestens bis 2015 ein neues Abkommen ausgehandelt werden und dann bis 2020 in Kraft treten. Bei den Verhandlungen hatten erst Polen und dann Russland und die Ukraine die Verlängerung des Protokolls blockiert. Sie wollten keine zu strengen Auflagen für den Handel mit überschüssigen CO2-Verschmutzungsrechten. Teilweise entwertet wird die neue Vereinbarung daher auch durch eine Regelung, wonach vor allem in Osteuropa reichlich vorhandene überschüssige Emissionsrechte aus der ersten Periode, sogenannte „Hot Air“ weiter genutzt werden können. Mit bestimmten Einschränkungen dürfen diese Staaten die Zertifikate auch verkaufen, sogar noch über 2020 hinaus. In dem Beschluss von Doha haben die Teilnehmerstaaten ihre „tiefe Besorgnis“ ausgedrückt, die bisherigen Anstrengungen zur Emissionsminderung könnten nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf 1,5 bis zwei Grad zu begrenzen.179  Markus, 76 ZaöRV (2016), S. 715 (744).  UN Doc FCCC/CP/2011/9/Add.1 v. 15.04.2012, Decision 1/ CP.17: Establishment of an Ad Hoc Working Group on the Durban Platform for Enhanced Action (ADP); Markus, 76 ZaöRV (2016), S. 715 (745). 176  UN Doc FCCC/CP/2011/9/Add.1 v. 15.04.2012, Decision 1/ CP.17: Establishment of an Ad Hoc Working Group on the Durban Platform for Enhanced Action (ADP); Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 314; Markus, 76 ZaöRV (2016), S. 715 (745). 177  Ähnlich Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 314. 178  Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 1. f). 179  Siehe zum Ganzen nur http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-12/klimagipfel-doha-beschluss. 174 175

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f) Das Pariser Abkommen (2015) Nach jahrelangen zähen Verhandlungen über grundsätzliche Fragen zu politischen Zielvorgaben sowie zur inhaltlichen Ausgestaltung und Rechtsnatur einigten sich die 195 Vertragsstaaten auf der Vertragsstaatenkonferenz am 12. Dezember 2015 mit dem Pariser Abkommen auf einen neuen Weltklimavertrag.180 Das Abkommen wurde von vielen Staatenvertretern als „historischer Wendepunkt“ in der globalen Klimapolitik bewertet181 und in der Literatur als „game changer“.182 aa) Entstehungsgeschichte Die Verhandlungen des Pariser Abkommens waren stark geprägt von einem Ringen um die Zielvorgaben zur Begrenzung des Temperaturanstiegs und die daraus abzuleitenden CO2-Reduktionsverpflichtungen der Vertragsstaaten sowie deren konkrete rechtliche Ausgestaltung.183 Anders als im Kyoto-Protokoll wurde im Pariser Abkommen keine verbindliche Verteilung konkreter Reduktionsverpflichtungen der Vertragsstaaten vereinbart. Stattdessen geht das Pariser Abkommen von einem gemeinsamen Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung aus und verpflichtet die Parteien rechtsverbindlich dazu, sich selbst individuelle  – jedoch unverbindliche  – Minderungsziele in Gestalt sogenannter nationally determined contributions (NDC’s) aufzuerlegen, die in festgelegten Zeitabständen ansteigen müssen und überprüft werden.184 Schließlich spielten in den Verhandlungen zum Pariser Abkommen erstmals Vereinbarungen zur Anpassung an den bereits stattfindenden Klimawandel sowie zur Frage von Verlust und Schaden als dessen nachteilige Folgen eine Rolle.185 Eine wichtige Weichenstellung besteht überdies darin, dass das Pariser Abkommen die bisherige pauschale Unterscheidung zwischen Industriestaaten („Anlage I-Staaten“) und Entwicklungsländern („anderen Staaten“) aufgibt und nur noch all Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.).  Dröge, The Paris Agreement 2015: turning point for the international climate regime, S.  5.; Bojanowsky, Historischer Weltklimavertrag – Zehn Gründe für das Wunder von Paris, Spiegel Online, 13.12.2015. 182  Carazo/Klein, in: Klein/Carazo/Doelle/Bulmer/Higham (Hrsg), The Paris Agreement on climate change. Analysis and commentary, S. 410. 183  Siehe zur Frage des Rechtscharakters vor allem Bodansky, 25 RECIEL, S. 142 ff.; siehe ferner Bodle/Oberthür, in: Klein/Carazo/Doelle/Bulmer/Higham (Hrsg), The Paris Agreement on climate change. Analysis and commentary, S. 91 ff.; Bodansky/Brunnée/Rajamani, International Climate Change Law, S. 210 ff. 184  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. f) cc). Siehe zudem Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 315 unter Verweis auf den Gesetzentwurf des Deutschen Bundestages zum Übereinkommen von Paris, BT-Ds. 18/9650 v. 20.09.2016, 32 (Erl. Zu Art. 4 Abs. 2): „Die national festgelegten Beiträge werden selbst nicht Vertragsbestandteil und erlangen auch keine Rechtsverbindlichkeit“. 185  Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 315. 180 181

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gemein zwischen entwickelten Staaten und Entwicklungsstaaten unterscheidet.186 Einerseits war es in den Verhandlungen für die entwickelten Staaten von entscheidender Bedeutung, dass die gestiegene Wirtschaftskraft und der wachsende Beitrag der Transformationsstaaten zum Klimawandel nunmehr zu berücksichtigen ist, wenn es um deren Emissionsreduktions- und Kostentragungspflichten geht.187 Andererseits war es für die Entwicklungsländer eine zentrale Voraussetzung, dass die entwickelten Staaten sich verpflichteten, den Entwicklungsländern Gelder für deren Vermeidungs- und Anpassungskosten zur Verfügung zu stellen.188 Vor diesem Hintergrund dürfte bereits der Umstand, dass überhaupt ein neues rechtsverbindliches Klimaschutzabkommen abgeschlossen wurde, als Erfolg zu bewerten sein.189 Zwar ist das Pariser Abkommen nicht ausdrücklich als Zusatzprotokoll zur Klimarahmenkonvention nach deren Art.  17 bezeichnet und beschlossen worden.190 Dennoch steht das Abkommen unter dem Dach der Konvention, wie dies Abs. 1 bis 3 der Präambel und Art. 2 Abs. 1 des Abkommens klarstellen.191 Zu seinem Verhältnis zum Kyoto-Protokoll schweigt das Pariser Abkommen, was jedoch unschädlich ist, zumal beide Abkommen unterschiedliche Ansätze verfolgen.192 Derartige verbleibenden Unklarheiten mögen indes Anlass dazu gegeben haben, kritisch zu hinterfragen, ob und inwieweit das Pariser Abkommen überhaupt ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen darstellt.193 In der Tat waren von Anfang bis Ende der Verhandlungen sowohl Rechtscharakter als auch Form des Pariser Abkommens ein zentraler Gesichtspunkt.194 Die ­anfänglichen Zweifel an der Rechtsnatur des Abkommens dürften indes eher auf seinen vergleichsweise geringen materiellen „Verrechtlichungsgrad“, das heißt auf den freiwilligen Charakter der konkreten, selbstauferlegten Emissionsreduktionsverpflichtungen der Vertragsstaaten zurück zu führen sein. Die formelle Rechtsgeltung des Pariser Abkommens als völkerrechtlicher Vertrag bleibt davon jedoch unberührt.195 Zu Recht wird jedoch strikt unterschieden zwischen der Frage, ob bestimmte Vereinbarungen eine Geltung als Vertragsvölkerrecht beanspruchen können und der Frage, ob und inwieweit die betreffenden Regelungen die Vertragsparteien materiell verpflichten.196  Siehe Markus, 76 ZaöRV (2016), S. 715 (746).  Dazu Markus, 76 ZaöRV (2016), S. 715 (746). 188  Siehe dazu erneut Markus, 76 ZaöRV (2016), S. 715 (746). 189  So etwa Proelß, 39 ZfU (2016 Sonderausgabe), S. 59 (67). 190  Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 315. 191  Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 315. 192  Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 315. 193  Ähnlich bereits Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S.  315 unter Verweis auf Proelß, 39 ZfU (2016 Sonderausgabe), S. 59 (69) m. w. N. 194  Bodansky, 25 RECIEL, S. 142 (142); So Bodle/Oberthür, in: Klein/Carazo/Doelle/Bulmer/Higham (Hrsg), The Paris Agreement on climate change. Analysis and commentary, S. 91; Bodansky/ Brunnée/Rajamani, International Climate Change Law, S. 210. 195  Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 318. 196  So präzise Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 318 mit einer ausführlichen Zusammenfassung. 186 187

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Trotz seiner mehrdeutigen Bezeichnung als „agreement“ ist das Pariser Abkommen als völkerrechtlicher Vertrag im Sinne von Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 lit. a) WVK zu qualifizieren.197 Denn für den Rechtscharakter als völkerrechtlicher Vertrag ist nicht die konkrete Bezeichnung des Abkommens maßgeblich, sondern der erklärte Rechtsbindungswillen der vertragsschließenden Parteien.198 Diesen Rechtsbindungswillen haben die 195 Staaten als Parteien des Pariser Abkommens auf zweierlei Weise kundgetan: Erstens, indem die Parteien im Zusammenhang mit ihren Verpflichtungen häufig – wenn auch nicht durchgängig – den Begriff „shall“ statt des rechtlich unverbindlichen Begriffs „should“ verwenden.199 Zweitens, indem sie sich auf eine Regelung – nämlich Art. 21 Abs. 1 des Pariser Abkommens – geeinigt haben, wonach das Abkommen unterzeichnet und ratifiziert bzw. angenommen und demnach in Kraft gesetzt werden muss.200 Bei Abschluss des Abkommens einigten sich die Vertragsstaaten darauf, dass es erst in Kraft tritt, wenn es von mindestens 55 Staaten ratifiziert wurde, auf welche mindestens 55  % der globalen Treibhausgasemissionen entfallen.201 Zugleich erklärten die Vertragsparteien, das Inkrafttreten des Pariser Abkommens bis zum Jahr 2020 erreichen zu wollen. Dieses Ziel wurde von einzelnen Stimmen als sehr ambitioniert eingeschätzt.202 Es wurde jedoch bereits weniger als ein Jahr nach Abschluss des Pariser Abkommens erreicht: Am 22. Juni 2016 wurde das Abkommen in New  York zur Unterzeichnung aufgelegt. Bereits am 4. November 2016 trat das Pariser Abkommen in Kraft und ist seither unterwegs zu universeller Geltung.203  b) Präambel des Pariser Abkommens: Klimawandel als common concern b of humankind An der Spitze des Pariser Abkommens, in Abs. 11 der Präambel, erklären die Vertragsstaaten: „The Parties to this Convention, Acknowledging that climate change is a common concern of humankind (…)“.204  Siehe dazu vor allem Bodansky, 25 RECIEL, S. 142 (142 ff.); Proelß, 39 ZfU (2016), S. 59 (62 f.); Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 315. 198  Proelß, 39 ZfU (2016  Sonderausgabe), S.  59 (62 f.) unter Verweis auf Art.  2 Abs.  1 lit. a) WVRK, wonach „Vertrag“ eine „in Schriftform geschlossene und vom Völkerrecht bestimmte internationale Übereinkunft zwischen Staaten (ist), gleichviel ob sie in einer oder in mehreren zusammengehörigen Urkunden enthalten ist und welche besondere Bezeichnung sie hat“. 199  Proelß, 39 ZfU (2016 Sonderausgabe), S. 59 (63). 200  Proelß, 39 ZfU (2016 Sonderausgabe), S. 59 (63). 201  Art. 21 Abs. 1 Pariser Abkommen: „This Agreement shall enter into force on the thirtieth day after the date on which at least 55 Parties to the Convention accounting in total for at least an estimated 55 percent of the total global greenhouse gas emissions have deposited their instruments of ratification, acceptance, approval or accession.“ 202  So etwa von Proelß, 39 ZfU (2016 Sonderausgabe), S. 59 (63). 203  So ausdrücklich etwa Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 315; Stand der Ratifizierungen unter: http://unfcc.int/paris_agreement/items/9444.php. 204  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Abs. 11 der Präambel. 197

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Mit dieser erneuten und konsistenten Verwendung des common concern-Begriffs haben 23 Jahre nach Abschluss der Klimarahmenkonvention nunmehr erstmals alle von der UN als solche anerkannten Staaten dieser Welt den Status des Klimawandels als common concern of humankind bestätigt und als völkerrechtlichen Leitbegriff des globalen Klimaschutzes untermauert. Im Hinblick auf den räumlich-funktionalen Anwendungsbereich des common concern-Prinzips205 ist zu beachten, dass dieser nach dem Pariser Abkommen – anders als noch im Falle der Klimarahmenkonvention206  – nach dem Wortlaut ihrer Präambel ausschließlich den „Klimawandel“, nicht aber auch „seine nachteiligen Auswirkungen“ zum common concern of humankind erklärt, das heißt insofern e­ twas enger gefasst ist und anknüpft an die Resolutionen der UN-­Generalversammlung.207 Mit Blick auf die spätere Auslegung des Begriffs common concern of humankind208 ist  – wie bereits im Zusammenhang mit der Klimarahmenkonvention209  – hervorzuheben, dass der Schlüsselbegriff nicht im eigentlichen Vertragstext, das heißt im operativen Teil des Pariser Abkommens, sondern lediglich in der rechtlich unverbindlichen Präambel niedergelegt wurde. Eigenständige Verpflichtungen der beteiligten Vertragsstaaten zum Schutz der globalen Umwelt vermag das common concern of humankind-Prinzip demnach nicht zu begründen. Nach Art. 31 WVK sind völkerrechtliche Übereinkommen nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch im Lichte ihrer Umstände, Ziele und Zwecke auszulegen. Diese allgemeine Auslegungsregel statuiert Art. 31 Absatz 1 WVK, wo es heißt: „A treaty shall be interpreted in good faith in accordance with the ordinary meaning to be given to the terms of the treaty in their context, and in the light of their object and purpose.“210

Wie sich außerdem aus Art. 31 Abs. 2 WVK ergibt, werden Hintergründe, Kontext und Zwecke eines völkerrechtlichen Übereinkommens üblicherweise in ihrer Präambel niedergelegt.211 Kraft seiner Stellung an der Spitze der Präambel zum Pariser Abkommen dürfte dem Begriff des common concern of humankind daher eine entscheidende Rolle für die Auslegung der nachfolgenden Pflichten des operativen Vertragsteils zukommen.212 Hatte noch die Klimarahmenkonvention an ähnlicher Stelle hervorgehoben, dass Vorhersagen zum Klimawandel mit vielen Unsicherheiten behaftet seien213 und zugleich  Siehe Vierter Teil, Kap. XII.  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) cc). 207  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. a). 208  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 209  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) cc). 210  Vienna Convention on the Law of Treaties, 23. Mai 1969, abgedruckt in: 8 ILM (1969), S. 691– 692. 211  So auch bereits Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (497). Siehe dazu auch grundlegend Haraszti, Some Fundamental Problems of the Law of Treaties, S. 106 f. 212  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. c) und 5. a). 213  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 5 der Präambel: „Noting that there are many uncertainties in predictions of climate change, particularly with regard to the timing, magnitude and regional patterns thereof (…)“. 205 206

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klargestellt, von einem anthropogenen Klimawandel auszugehen,214 spielen derartige Debatten im Rahmen des Pariser Abkommens keine eigenständige Rolle mehr. Stattdessen wiederholen die Vertragsstaaten in Abs. 4 der Präambel lediglich nochmals die Dringlichkeit, den Klimawandel auf der Basis des neuesten Stands der Wissenschaft zu bekämpfen: „Recognizing the need for an effective and progressive response to the urgent threat of climate change on the basis of the best available scientific knowledge (…)“.215

Für den ebenfalls später zu erörternden völkerrechtlichen Status des common concern-­Prinzips ist darüber hinaus folgender Umstand erwähnenswert: Zwar stellen die Vertragsstaaten in Abs. 3 der Präambel klar, dass sie sich bei der Bekämpfung des Klimawandels leiten lassen von den bereits in der Klimarahmenkonvention niedergelegten Prinzipien, das heißt auch vom Prinzip der staatlichen Souveränität: „In pursuit of the objective of the Convention, and being guided by its principles, including the principle of equity and common but different responsibilities and respective capabilities, in the light of different national circumstances (…)“.216

Während sich in der Klimarahmenkonvention indes noch der Konflikt zwischen der Souveränität von Staaten über ihre natürlichen Ressourcen einerseits und ihrer (gemeinsamen) Verantwortung für den globalen Umweltschutz andererseits niederschlug und die Vertragsstaaten doppelt klarstellten, dass das Prinzip der staatlichen Souveränität auch im Zusammenhang mit ihrer internationalen Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Klimawandels unangetastet bleibt,217 ist dieser Konflikt zwischen der Souveränität von Staaten über ihre natürlichen Ressourcen einerseits und ihrer (gemeinsamen) Verantwortung für den globalen Umweltschutz andererseits in der Präambel des Pariser Abkommens kaum sichtbar. Er wird höchstens angedeutet, wenn es heißt, der Kampf gegen den Klimawandel müsse „im Lichte der unterschiedlichen nationalen Umstände“ („different national circumstances“) stattfinden. Diese Veränderung in der Betonung und Behauptung der nationalstaatlichen Souveränität mag als Beleg dienen für einen Wandel des Souveränitätsbegriffs im

 UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 2 der Präambel: Concerned that human activities have been substantially increasing the atmospheric concentrations of greenhouse gases, that these increases enhance the natural greenhouse effect, and that this will result on average in an additional warming on the Earth’s surface and atmosphere and may adversely affect natural ecosystems and humankind. 215  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Abs. 4 der Präambel. 216  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Abs. 3 der Präambel. 217  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 8 der Präambel: „Recalling also that States have, in accordance with the Charter of the United Nations and the principles of international law, the sovereign right to exploit their own resources pursuant to their own environmental and developmental policies, and the responsibility to ensure that activities within their jurisdiction or control do not cause damage to the environment of other States or of areas beyond the limits of national jurisdiction (…)“. In Abs. 9 der Präambel (UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff.) heißt es sodann nochmals klarstellend: „Reaffirming the principle of sovereignty of States in international cooperation to address climate change (…)“. 214

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modernen Kooperationsvölkerrecht hin zu einem modernen und genmeinnützigen Souveränitätsverständnis im Umweltvölkerrecht.218 Er kommt schließlich darin zum Ausdruck, dass die Vertragsstaaten rechtsverbindlich verpflichtet sind, ihre eigenen „national festgelegten Beiträge“ festzulegen, bekannt zu geben und sukzessive zu erhöhen, im Umfang und in der Art ihrer jeweiligen konkreten Beiträge sowie in ihren Zielen und Anstrengungen jedoch frei sind.219 Zwar gelang es in den Verhandlungen zum Pariser Abkommen, den bereits in der Klimarahmenkonvention schwelenden Nord-Süd-Dauerkonflikt zwischen den aufeinanderprallenden Interessen der entwickelten Länder am Umweltschutz einerseits und denen der Entwicklungsländer an ihrer eigenen Weiter-Entwicklung andererseits etwas zu entschärfen und die Entwicklungsländer in Anbetracht ihrer seither gestiegenen Wirtschaftskraft stärker mit eigenen CO2-Reduktionsverpflichtungen in die Verantwortung zu nehmen und die entwickelten Staaten umgekehrt zu beträchtlichen Finanz- und Technologietransfers zu bewegen. Auch im Pariser Abkommen schlug sich dieser Interessenkonflikt immer noch in mehreren Absätzen quer durch die Präambel hindurch nieder: Das Fundament für die Auflösung dieses Interessenskonflikts wird gleich in Abs. 3 der Präambel gelegt, indem bei der Bezugnahme auf in der Klimarahmenkonvention verankerte Prinzipien nochmals explizit das Prinzip der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“ („common but differentiated responsibilities“) hervorgehoben wird.220 Hieran anknüpfend finden sich, verstreut über die Präambel, noch weitere Klauseln, die allesamt darauf abzielen, die Entwicklungsländer zu Umweltschutzmaßnahmen zu verpflichten, ohne sie dadurch zugleich an ihrer sozio-ökonomischen Entwicklung zu hindern, sondern vielmehr Umweltschutz und Entwicklung miteinander in Einklang zu bringen: „Also recognizing the specific needs and special circumstances of developing country Parties, especially those that are particularly vulnerable to the adverse effects of climate change, as provided for in the Convention (…)“ (Abs. 5).221 „Taking full account of the specific needs and special situations of the least developed countries with regard to funding and transfer of technology (…)“ (Abs. 6).222 „Recognizing that Parties may be affected not only by climate change, but also by the impacts of the measures taken in response to it (…)“ (Abs. 7).223

 Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 4.  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Operativer Teil, Art. 3 und Art. 4 Abs. 2. 220  Siehe zu diesem Prinzip Dunoff, 19 HELR (1995), S. 241 (292). 221  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Abs. 5 der Präambel. 222  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Abs. 6 der Präambel. 223  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Abs. 7 der Präambel. 218 219

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„Emphasizing the intrinsic relationship that climate change actions, responses and impacts have with equitable access to sustainable development and eradication of poverty (…)“ (Abs. 8).224 „Recognizing the fundamental priority of safeguarding food security and ending hunger, and the particular vulnerabilities of food production systems to the adverse impacts of climate change (…)“ (Abs. 9).225 „Taking into account the imperatives of a just transition of the workforce and the creation of decent work and quality jobs in accordance with nationally defined development priorities (…)“ (Abs. 10).226

Nicht zuletzt wurde festgeschrieben, dass „developed country Parties taking the lead (…) in adressing climate change“.227 Schließlich bekennen sich die Vertragsparteien in Absatz 11 der Präambel zum Schutz des Klimas nicht nur für gegenwärtige, sondern auch für zukünftige Generationen und damit zum gemäßigt anthropozentrischen Postulat intergenerationeller Gerechtigkeit („intergenerational justice“).228 cc) Operativer Teil des Pariser Abkommens Obwohl das CCM-Prinzip nur in der Präambel des Pariser Abkommens, nicht aber in ihrem operativen Teil niedergelegt wurde, sind auch einige operative Vorschriften für die geschichtliche Entwicklung des common concern of humankind-Prinzips relevant. Dies gilt umso mehr, als jenes Prinzip ein Interesse der Staatengemeinschaft an der Bekämpfung des Klimawandels und seiner nachteiligen Auswirkungen zum Ausdruck bringt und daher die im operativen Teil des Pariser Abkommens niedergelegten konkreten Umweltschutzpflichten der Staaten zu erga omnes-­ Verpflichtungen zu transformieren vermag.229 In Art. 2 Abs. 1 des Pariser Abkommens erklären die Vertragsstaaten ihren ausdrücklichen Willen, die Klimarahmenkonvention von Rio aus dem Jahr 1992, deren Vertragsstaaten den Klimawandel erstmals zur „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ erklärten, effektiver umzusetzen („in enhancing the implementation of the Convention, including its objective“), um deren „oberstes Ziel“ zu erreichen, das heißt „die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf einer Stufe, auf der eine gefährliche anthropogene Beeinflussung des Klimasystems verhindert wird“.230  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Abs. 8 der Präambel.  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Abs. 9 der Präambel. 226  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Abs. 10 der Präambel. 227  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Abs. 16 der Präambel. 228  Siehe dazu Zweiter Teil, Kap. V. 4. 229  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. und XIV. 230  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 2, Operativer Teil: „The ultimate objective of this convention and any related legal instruments that the Confe224 225

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Erstmals haben sich alle von der UN als solche anerkannten Staaten dieser Welt rechtsverbindlich dem Ziel verpflichtet, durch konkrete Maßnahmen den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter („well below“) zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, ihn gar auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, in dem Bewußtsein, dass dies die Risiken und Folgen des Klimawandels signifikant senken werde (Art. 2 Abs. 1 lit. a) der Präambel). Dieses Ziel verlangt von den Vertragsparteien, nach Treu und Glauben auf seine Verwirklichung hinzuarbeiten. Als Auslegungsregel und Fixstern am Horizont, an dem sich die Vertragsstaaten bei der Umsetzung der Klimarahmenkonvention zu orientieren haben, kommt ihm daher  – ähnlich wie dem CCM-­ Prinzip – in jedem Fall eine hohe Bedeutung zu.231 Zur Erreichung dieses Ziels wollen die Vertragsstaaten nach Art. 4 Abs. 1 des Pariser Abkommens so schnell wie möglich den Scheitelpunkt der globalen Treibhausgasemissionen („reach global peaking of greenhouse gas emissions“) erreichen. Die Parteien erklären außerdem, die Treibhausgasemissionen rasch r­ eduzieren zu wollen, damit sich bis zum Jahr 2050 Emissionen, einerseits, und die Bindung von Treibhausgasen durch Senken, andererseits, die Waage halten.232 Wörtlich heißt es in Art. 4 Abs. 1: „In order to achieve the long-term temperature goal set out in Article 2, Parties aim to reach global peaking of greenhouse gas emissions as soon as possible, recognizing that peaking will take longer for developing country Parties, and to undertake rapid reductions thereafter in accordance with best available science, so as to achieve a balance between anthropogenic emissions by sources and removals by sinks of greenhouse gases in the second half of this century, on the basis of equity, and in the context of sustainable development and efforts to eradicate poverty.“233

An dieses hochgesteckte Ziel knüpfen die in Art. 4 Abs. 2 und Art. 3 des Pariser Abkommens niedergelegten konkreten Verpflichtungen der Vertragsparteien an, „nationally determined contributions“ (NDCs), das heißt „national festgelegte Beiträge“ zu bestimmen, mitzuteilen und aufrechtzuerhalten, welche sie im Rahmen der globalen Bekämpfung des Klimawandels zur Erreichung der in Art. 2 des Pariser Abkommens niedergelegten Klimaschutzziele erbringen und durch konkrete nationale Emissionsminderungsmaßnahmen erreichen wollen:

rence of the Parties may adopt is to achieve, in accordance with the relevant provisions to the Convention, stabilization of greenhouse gas concentrations in the atmosphere at a level that would prevent dangerous anthropogenic interference with the climate system. Such a level should be achieved within a time-frame sufficient to allow ecosystems to adapt naturally to climate change, to ensure that food production is not threatened and to enable economic development to proceed in a sustainable manner.“ 231  Siehe zur ähnlich gelagerten Bedeutung des Stabilisierungsziels als „obersten Ziels“ (ultimate objective) der Klimarahmenkonvention die Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) cc). 232  Ähnlich bereits Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 315. 233  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Operativer Teil, Art. 3 und Art. 4 Abs. 1.

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„Each Party shall prepare, communicate and maintain successive nationally determined contributions that it intends to chieve. Parties shall pursue domestic mitigation measures, with the aim of achieving the pbjectives of such contributions.“ (Abs. 3)234 „Each Party’s successive nationally determined contribution will represent a progression beyond the Party’s then current nationally determined contribution and reflect its highest possible ambition, reflecting its common but differentiated responsibilities and respective capabilities, in the light of different national circumstances.“ (Abs. 4)235

Im Hinblick auf ihre selbst gesetzten Emissionsreduktionsziele schulden die Vertragsstaaten „zwar kein verbindliches Ergebnis, aber die Ergreifung darauf gerichteter Maßnahmen“.236 „Freiwillig“ sind alleine Umfang und Art ihrer jeweiligen konkreten Beiträge sowie ihre Ziele und Anstrengungen.237 Hierbei haben die Vertragsstaaten ihre Beiträge so ambitioniert wie möglich auszugestalten und sie sukzessive zu steigern (Art. 4 Abs. 3). Dabei sollen die entwickelten Länder – entsprechend dem Grundsatz der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten (Abs. 3 der Präambel) – mit absoluten Emissionsreduktionszielen vorangehen, die für die gesamte Wirtschaft verbindlich sind (Art.  4 Abs.  4). Die Entwicklungsländer sollen nach der gleichen Vorschrift ihre Minderungsbemühungen sukzessive steigern, um mit der Zeit nach ihren individuellen Umständen („national circumstances“) ebenfalls solche absoluten Emissionsreduktionsziele zu erreichen. Hierfür steht ihnen (finanzielle und technologische) Unterstützung zu (Art. 4 Abs. 5). Im Rahmen der vertragsinternen Erfüllungskontrolle knüpft das Pariser Abkommen an die Berichterstattung der Vertragsstaaten über ihre selbstauferlegten „national festgelegten Beiträge“ (NDCs) zur Emissionsreduzierung (Art.  2 Abs.  3) ein Überprüfungsverfahren, das von einem Expertengremium durchgeführt wird (Art. 13 Abs. 11 und 12).238 Dieses Überprüfungsverfahren berechtigt das Expertengremium dazu, die Vertragsparteien durch „naming and shaming“ zur Erfüllung ihrer freiwillig übernommenen nationalen Emissionsreduktionspflichten zu bewegen.239 Das Expertengremium hat die Aufgabe, unter besonderer Berücksichtigung der Kapazitäten und Umstände der einzelnen Vertragsstaaten nach Lösungen zu suchen, um ihnen die Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu erleichtern (Art. 15 Abs. 2). Zwar haben die Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention nach alledem ihre Absicht, ein neues rechtsverbindliches Klimaschutzinstrument zu erschaffen, mit dem Abschluss des Pariser Abkommens in die Tat umgesetzt.240 Dennoch darf nicht  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Operativer Teil, Art. 3 und Art. 4 Abs. 3. 235  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Operativer Teil, Art. 3 und Art. 4 Abs. 4. 236  BT-Ds. 18/9650 v. 20.09.2016, 32 (Erl. Zu Art. 4 Abs. 3). 237  So ausdrücklich Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 318. 238  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Operativer Teil, Art. 13 Abs. 11 und 12. 239  So etwa Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 316. 240  Proelß, 39 ZfU (2016 Sonderausgabe), S. 59 (64). 234

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übersehen werden, dass nicht notwendigerweise alle im Abkommen verankerte Normen konkrete Pflichten begründen, die durch die Rechtswirkung des common concern of humankind-Prinzip zu erga omnes-Pflichten transformiert werden und – selbst ohne eigene Rechtsverletzung des sie geltend machenden (Vertrags)Staates – vor dem IGH einklagbar sind. So dürfte etwa die Norm des Art. 5, die sich der Erhaltung und Erweiterung von Speichern und Senken durch die Vertragsstaaten widmet, bloß eine politische Aufforderung zum Handeln („should (…) as appropriate“) darstellen.241 Demgegenüber begründet Art. 4 Abs. 2 des Pariser Abkommens bereits seinem klaren Wortlaut nach („shall“) eine Pflicht aller Vertragsstaaten, zur Erreichung des globalen Emissionsreduktionsziels ihre „nationally determined contributions“ (NDCs) aufzustellen, zu melden und sukzessive zu steigern.242 Diese konkreten umweltschutzbezogenen Rechtspflichten sind daher geeignet, von der erga omnes-Rechtswirkung des CCM-Prinzips erfasst zu werden.

g) Fazit Als die UN-Generalversammlung im Jahre 1988 in ihrer wegweisenden Resolution 43/53 die Entscheidung fällte, nicht das Klima zum „gemeinsamen Erbe der Menschheit“, sondern den Klimawandel zur „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ zu erklären, schuf sie den eigenständigen Begriff des common concern of (hu)mankind für die Vertragspraxis des modernen Umweltvölkerrechts. Aus dieser Kompromissformel entstand bereits vier Jahre später ein Schlüsselbegriff des Klimaschutzes, als 155 Staaten im Jahre 1992 nach zähen Verhandlungen in der völkerrechtlich verbindlichen Klimarahmenkonvention, einem Meilenstein des globalen Umweltschutzes, in ihrer Präambel den Klimawandel und seine nachteiligen Auswirkungen zum common concern of (hu)mankind erklärten. In der Präambel der Klimarahmenkonvention legten die Vertragsstaaten allerdings auch das Spannungsverhältnis nieder, das zwischen der kollektiven Verpflichtung aller Staaten zur Bekämpfung des Klimawandels einerseits und ihrer jeweiligen Souveränität über ihre natürlichen Ressourcen andererseits existiert. So verankerten die Vertragsstaaten erstens im unmittelbaren Zusammenhang mit dem common concern-Begriff das Prinzip 21, wonach die Nationalstaaten zwar einerseits das Recht haben, die auf ihrem Territorium befindlichen Ressourcen auszubeuten, andererseits sie allerdings auch die Verantwortung trifft, grenzüberschreitende Umweltbelastungen zu unterlassen. Zweitens haben die Vertragsstaaten ausdrücklich betont, dass das Prinzip der staatlichen Souveränität im Rahmen der internationalen Bekämpfung des Klimawandels unangetastet bleibt. Schließlich haben sämtliche Vertragsstaaten in ihrer Präambel die Verantwortung übernommen, das Klimasystem nicht nur für gegenwärtige, sondern auch für zukünftige 241 242

 Proelß, 39 ZfU (2016 Sonderausgabe), S. 59 (64).  Proelß, 39 ZfU (2016 Sonderausgabe), S. 59 (64).

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IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des …

Generationen zu schützen, und sich somit zum gemäßigt anthropozentrischen Postulat intergenerationeller Gerechtigkeit bekannt. Im operativen Teil der Klimarahmenkonvention haben sich die Industriestaaten in Art. 4 Abs. 2 KRK nochmals spezifisch zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen verpflichtet. Zwar werden diese Verpflichtungen, wie im späteren Verlauf der Arbeit noch zu zeigen sein wird, ebenfalls von der Rechtswirkung des common concern of humankind-Prinzips erfasst, doch sind sie noch nicht hinreichend quantifizierbar, um das oberste Ziel der Klimarahmenkonvention, durch eine „­ Stabilisierung der Treibhausgasemissionen (…) eine gefährliche Störung des Klimasystems zu verhindern“,243 auch nur annähernd erreichen zu können. Vor diesem Hintergrund haben die Vertragsstaaten  – unter Durchführung des framework-­protocol-Ansatzes – im Kyoto-Protokoll aus dem Jahre 1997 die noch sehr allgemein gehaltenen Verpflichtungen der Industriestaaten zur Emissionsreduktion aus der Klimarahmenkonvention durch weiterreichende und völkerrechtlich verbindliche Reduktionsverpflichtungen durchaus konkretisiert, auf welche sich das common concern of (hu)mankind-Prinzip ebenfalls erstreckt. Letztlich stellt das Kyoto-­Protokoll an vielen Stellen allerdings auch nur einen gestaltungs- und ausfüllungsbedürftigen Rahmen auf, der durch nachfolgende Klimaschutzkonferenzen ausgefüllt werden muss. So erhoffte sich die „Weltöffentlichkeit“ vom Kopenhagener Klimagipfel im Jahre 2010 die Verabschiedung eines wirksamen Nachfolgeprotokolls für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll und somit Klarheit für den zukünftigen völkerrechtlichen Klimaschutz. Diese Hoffnungen wurden allerdings enttäuscht, weil sich die Staatenvertreter im rein politischen, völkerrechtlich unverbindlichen Copenhagen Accord nur auf einen „Minimalkonsens“ einigen konnten, wonach alle Vertragsparteien das 2-Grad-Reduktionsziel lediglich „zur Kenntnis genommen“ haben. Auf den UN-Klimakonferenzen in Cancún und Doha wurde in einem „Mini-Kompromiss“ lediglich eine Weitergeltung des Kyoto-Protokolls bis 2020 beschlossen. Um auch die großen CO2-Emittenten USA und China sowie langfristig alle Staaten in eine Klimaschutzvereinbarung einzubeziehen, sollte spätestens bis 2015 ein neues Abkommen ausgehandelt werden und bis 2020 in Kraft treten.244 Nach jahrelangen zähen Verhandlungen über grundsätzliche Fragen zu politischen Zielvorgaben sowie zur inhaltlichen Ausgestaltung und Rechtsnatur einigten sich die 195 Vertragsstaaten schließlich auf der Vertragsstaatenkonferenz am 12. Dezember 2015 mit dem Pariser Abkommen auf einen neuen Weltklimavertrag.245 Das Abkommen wurde anschließend von vielen Staatenvertretern als „historischer Wendepunkt“ in der globalen Klimapolitik bewertet.246  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 2, Operativer Teil. Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) dd). 244  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. e). 245  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.). 246  Dröge, The Paris Agreement 2015: turning point for the international climate regime, S.  5.; Bojanowsky, Historischer Weltklimavertrag – Zehn Gründe für das Wunder von Paris, Spiegel Online, 13.12.2015. 243

1. Klimawandel als erster Anwendungsfall des CCM

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An der Spitze des Pariser Abkommens, in Abs. 11 der Präambel, haben die Vertragsstaaten nochmals den Klimawandel zur „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ erklärt („climate change is a common concern of humankind“).247 Mit dieser erneuten und konsistenten Verwendung des common concern-Begriffs haben 23 Jahre nach Abschluss der Klimarahmenkonvention nunmehr erstmals alle von der UN als solche anerkannten Staaten dieser Welt den Status des Klimawandels als common concern of humankind bestätigt und als völkerrechtlichen Leitbegriff des globalen Klimaschutzes untermauert. Kraft seiner Stellung an der Spitze der Präambel zum Pariser Abkommen kommt dem Begriff des common concern of humankind daher eine entscheidende Rolle für die Auslegung der nachfolgenden Pflichten des operativen Vertragsteils zu.248 Im operativen Teil des Pariser Abkommens haben sich erstmals alle von der UN als solche anerkannten Staaten dieser Welt rechtsverbindlich dem Ziel verpflichtet, durch konkrete Maßnahmen den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter („well below“) zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, ihn gar auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, in dem Bewußtsein, dass dies die Risiken und Folgen des Klimawandels signifikant senken werde (Art. 2 Abs. 1 lit. a) der Präambel). Dieses Ziel verlangt von den Vertragsparteien, nach Treu und Glauben auf seine Verwirklichung hinzuarbeiten. Zur Erreichung dieses Ziels wollen die Vertragsstaaten nach Art. 4 Abs. 1 des Pariser Abkommens so schnell wie möglich den Scheitelpunkt der globalen Treibhausgasemissionen („reach global peaking of greenhouse gas emissions“) erreichen. Die Parteien erklären außerdem, die Treibhausgasemissionen rasch reduzieren zu wollen, damit sich bis zur zweiten Hälfte des Jahrhunderts die Emissionen, einerseits, und die Bindung von Treibhausgasen durch Senken, andererseits, die Waage halten.249 An dieses hochgesteckte Ziel knüpfen die in Art. 4 Abs. 2 und Art. 3 des Pariser Abkommens niedergelegten konkreten Verpflichtungen der Vertragsparteien an, „nationally determined contributions“ (NDCs), das heißt „national festgelegte Beiträge“ zu bestimmen, mitzuteilen und aufrechtzuerhalten, welche sie im Rahmen der globalen Bekämpfung des Klimawandels zur Erreichung der in Art. 2 des Pariser Abkommens niedergelegten Klimaschutzziele erbringen und durch konkrete nationale Emissionsminderungsmaßnahmen erreichen wollen. Anders als im Kyoto-Protokoll wurde im Pariser Abkommen keine verbindliche Verteilung konkreter Reduktionsverpflichtungen der Vertragsstaaten vereinbart. Stattdessen geht das Pariser Abkommen von einem gemeinsamen Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung aus und verpflichtet die Parteien rechtsverbindlich dazu, sich selbst individuelle – jedoch unverbindliche – Minderungsziele in Gestalt sogenannter nationally determined contributions (NDC’s) aufzuerlegen, die in festgelegten Zeitabständen ansteigen müssen und überprüft werden.250  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Abs. 11 der Präambel.  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. c) und 5. a). 249  Ähnlich bereits Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 315. 250  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. f) cc). Siehe zudem Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Inter247 248

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IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des …

Zwar haben die Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention nach alledem ihre Absicht, ein neues rechtsverbindliches Klimaschutzinstrument zu erschaffen, mit dem Abschluss des Pariser Abkommens in die Tat umgesetzt.251 Dennoch darf nicht übersehen werden, dass nicht notwendigerweise alle im Abkommen verankerte Normen konkrete Pflichten begründen, die durch die Rechtswirkung des common concern of humankind-Prinzip zu erga omnes-Pflichten transformiert werden und – selbst ohne eigene Rechtsverletzung des sie geltend machenden (Vertrags)Staates – vor dem IGH einklagbar sind. So dürfte etwa die Norm des Art. 5, die sich der Erhaltung und Erweiterung von Speichern und Senken durch die Vertragsstaaten widmet, bloß eine politische Aufforderung zum Handeln („should (…) as appropriate“) darstellen.252 Demgegenüber begründet Art. 4 Abs. 2 des Pariser Abkommens bereits seinem klaren Wortlaut nach („shall“) eine Pflicht aller Vertragsstaaten, zur Erreichung des globalen Emissionsreduktionsziels ihre „nationally determined contributions“ (NDCs) aufzustellen, zu melden und sukzessive zu steigern.253 Diese konkreten umweltschutzbezogenen Rechtspflichten sind daher geeignet, von der erga omnes-Rechtswirkung des CCM-Prinzips erfasst zu werden.

2 . Schutz der Biodiversität als zweiter Anwendungsfall des CCM Auf der Rio-Konferenz wurde des Weiteren auf dem Problemfeld der genetischen Biodiversität die Einführung des common concern-Prinzips diskutiert. Allerdings wurde die Verhandlungen dadurch erheblich erschwert, dass die Entwicklungsländer vor allem das Prinzip des common heritage als Bedrohung ihrer Souveränität empfanden.254 Offenbar wurde manchen Staaten erst im Vorfeld der Rio-­Konferenz die bestehende und vor allen Dingen potenzielle rechtliche Bedeutung umweltvölkerrechtlicher Prinzipien so recht bewusst.255 So wurde die Frage nach der nationales Umweltrecht, S. 315 unter Verweis auf den Gesetzentwurf des Deutschen Bundestages zum Übereinkommen von Paris, BT-Ds. 18/9650 v. 20.09.2016, 32 (Erl. Zu Art. 4 Abs. 2): „Die national festgelegten Beiträge werden selbst nicht Vertragsbestandteil und erlangen auch keine Rechtsverbindlichkeit“. 251  Proelß, 39 ZfU (2016 Sonderausgabe), S. 59 (64). 252  Proelß, 39 ZfU (2016 Sonderausgabe), S. 59 (64). 253  Proelß, 39 ZfU (2016 Sonderausgabe), S. 59 (64). 254  Siehe Durner, Common Goods, S. 243; Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (176, 189); French, Common concern and common heritage, in: Bowman/Davies/Goodwin (Hrsg.), Biodiversity and Law, S. 334 (342) und Taylor, Common heritage, in: Krämer (Hrsg.), Principles, S. 303 (305, 317). 255  So zu Recht Durner, Common Goods, S. 243, demzufolge sich dies an einer Reihe von Dokumenten ablesen lässt: So bezeichnete der Titel der sog. Waldgrundsatzerklärung die darin enthaltenen Prinzipien ausdrücklich als nicht rechtsverbindlich (Non-Legally Binding Authoritative Statement of Principles for a Global Consensus on the Management, Conservation and Sustainable

2. Schutz der Biodiversität als zweiter Anwendungsfall des CCM

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­ erfügungsgewalt über Ressourcen zum Dreh- und Angelpunkt des zweiten, wähV rend der Rio-Konferenz verabschiedeten Übereinkommens, der UN-Konvention über die biologische Biodiversität (nachstehend Biodiversitätskonvention).256

a ) Biodiversitätskonvention – common concern statt common heritage Die Anerkennung des voranschreitenden Artensterbens als common concern of humankind ging – ähnlich wie bereits beim Klimawandel – auf die Erkenntnis zurück, dass der Biodiversitätsverlust für alle Staaten der Erde nachteilige Folgen mit sich bringt und daher ein genuin globales Umweltproblem darstellt.257 Zunächst war vorgesehen, den common concern-Grundsatz in den Prinzipienkatalog im Operativen Teil der Konvention aufzunehmen.258 So führte die Expertengruppe für die Ausarbeitung der Biodiversitätskonvention im November 1990 aus: „The Working Group agreed that the heritage of mankind should not be reflected in the convention. It agreed that the concept of common concern of humankind in relation to biological diversity should be introduced into the fundamental principles.“259

Die vereinzelt angestrebte Verankerung eines Prinzipienkatalogs in der Biodiversitätskonvention ließ sich in den Verhandlungen indes nicht durchsetzen.260 Daher wurde der Gedanke des common concern nicht in den eigentlichen Vertragstext, sondern in die Präambel aufgenommen.

Development of all Types of Forests, 31 ILM 1992, S. 881 ff.). Eine Fußnote zu Art. 1 der Klimarahmenkonvention stellt hinsichtlich der Überschrift fest: „Titles of Articles are included solely to assist the reader“ (United Nations Framework Convention on Climate Change, 31 ILM 1992, S. 849 ff.). Diese auf Drängen der Vereinigten Staaten eingefügte Formulierung sollte die juristische Bedeutung der in Art. 3 enthaltenen Prinzipien einschränken. Siehe hierzu Bodansky, 18 Yale JIL 1993, S. 451 ff. Dieses „Bedrohungsgefühl“ wurde zum Teil gerade durch unbedachte Stellungnahmen der westlichen Staatenwelt verursacht, die etwa die Tropenwälder als „gemeinsame Ressource“ bezeichneten; siehe hierzu Durner, Common Goods, S.  243; siehe außerdem die Nachweise bei Sand, UNCED and the Development of International Environmental Law, 3 YIEL 1992, S. 3 (9), der einen besonders vollmundigen Beitrag des niederländischen Ministers für Entwicklungszusammenarbeit zitiert. 256  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff. Ähnlich Durner, Common Goods, S. 244. 257  Siehe nur den Vorschlag des UNEP-Verwaltungsdirektors, in: Rationalization of an International Convention on Biodiversity, Note by the Executive Director, 3. October 1988, UNEP/Bio. Div.1/2, Ziffern 8 und 9, dort zitiert in Fn. 64. 258  Siehe Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 280. 259  Siehe den Report of the Ad Hoc Working Group of Legal and Technical Experts on Biological Diversity on the Work of its First Session v. 28. November 1990, UNEP/Bio.Div./WG.2/1/4, Ziffer 30. 260  Siehe Art. 3 Biodiversitätskonvention. Siehe dazu auch Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 281.

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IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des …

aa) Präambel der Biodiversitätskonvention In der Präambel schlug sich außerdem der Konflikt zwischen dem Interesse der Internationalen Staatengemeinschaft an der Bewahrung der Biodiversität einerseits und den Interessen vieler Entwicklungsländer andererseits nieder, die jegliche ­Internationalisierung ihrer Ressourcen kategorisch zurückwiesen.261 Die Biodiversitätskonvention enthielt nämlich in ihrer Präambel – wie bereits die Klimarahmenkonvention – sowohl den Grundsatz der staatlichen Souveränität über nationale Ressourcen als auch das Prinzip des common concern of humankind.262 So bestätigten die Vertragsstaaten in Abs. 3 der Präambel zunächst, dass die Bewahrung der Biodiversität eine „gemeinsame Sorge der Menschheit“ sei: „Affirming that the conservation of biological diversity is a common concern of humankind, (…).“263

Unmittelbar im Anschluss daran bekräftigen sie in Abs.  4 der Präambel allerdings genauso nachdrücklich die souveränen Rechte aller Staaten über ihre eigenen natürlichen Ressourcen: „Reaffirming also that States have sovereign rights over their own biological resources, (…).“264

Anschließend wird in Abs. 5 der Präambel nochmals besonders die Verantwortlichkeit aller Staaten für den Schutz ihrer Biodiversität sowie ihre Pflicht zur nachhaltigen Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen besonders betont: „Reaffirming also that States are responsible for conserving their biological diversity and for using their biological resources in a sustainable manner, (…).“265

Das Spannungsverhältnis zwischen dem common concern of humankind-Prinzip und der Souveränität der Staaten wird noch dadurch hervorgehoben, dass beide Grundsätze unmittelbar hintereinander zitiert werden.266 Bereits diese Zitierweise sowie insbesondere die Erwähnung einer Schutzpflicht im unmittelbaren Anschluss an die Erwähnung des Souveränitätsprinzips spiegeln den Kompromisscharakter der Biodiversitätskonvention und deren äußerst schwierige Verhandlungsgeschichte wider,267 die  – ähnlich wie zuvor bei der Klimarahmenkonvention  – durch eine

 Siehe Durner, Common Goods, S. 243.  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 3 bis 5 der Präambel. 263  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 3 der Präambel. 264  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 4 der Präambel. 265  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 3 und 5 der Präambel. 266  Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 244. Siehe zum Ganzen Stoll, Die CBD, Genetische Ressourcen und traditionelles Wissen, in: FS Bothe, S. 769 (770 ff). 267  Ebenso Durner, Common Goods, S. 244. Siehe auch Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 180 f. 261 262

2. Schutz der Biodiversität als zweiter Anwendungsfall des CCM

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starke Nord-Süd-Polarisierung gekennzeichnet war.268 Dieser bereits längere Zeit schwelende Konflikt zwischen Industrie- und Entwicklungsländern war letzten ­Endes entscheidend für die Abkehr vom common heritage of mankind-Prinzip und die Verankerung des common concern of humankind-Prinzips in der Biodiversitätskonvention: In den ersten Vorschlägen zur Ausarbeitung eines Übereinkommens zum Schutz der Biodiversität hatte die International Union for the Conservation of Nature (IUCN), dem damals herrschenden Sprachgebrauch entsprechend, Arten und Biodiversität selbst als common heritage of mankind qualifiziert.269 Diesem Ansatz folgten auch die jeweiligen Vertreter von IUCN und UNEP und befürworteten daher in den frühen Verhandlungsstadien das common heritage-Prinzip, ohne damit allerdings die Souveränität der Staaten über ihre genetischen Ressourcen infrage stellen zu wollen.270 Aufgrund anders gelagerter Überlegungen fand das Prinzip später die Unterstützung einiger westlicher Staaten, die vor allen Dingen aus wirtschafts- und machtstrategischem Kalkül heraus das Ziel verfolgten, ein allgemeines Zugangsrecht zu genetischen Ressourcen in der Konvention zu verankern.271 Ein solches Zugangsrecht aller Staaten lag in der Konsequenz des common heritage-Prinzips, das fortan als Kurzformel für den von den westlichen Staaten propagierten freien Zugang zu genetischen Ressourcen galt.272 Als dieses ursprünglich noch auf Drängen der Entwicklungsländer hin begründete Zugangsprinzip nun auf der Rio-­Konferenz gegen sie selbst vorgetragen wurde,273 wehrten sich die Entwicklungsländer aus naheliegenden Gründen gegen einen solchen Sprachgebrauch und zogen sich auf den zuvor bereits in der Klimarahmenkonvention verwendeten common concern-Begriff zurück.274 Schließlich einigten sich beide Lager auf diese For So Durner, Common Goods, S. 244. Die Bezüge zwischen diesen Begriffen und der Zugangsfrage arbeitet am klarsten heraus Henne, Genetische Vielfalt als Ressource: Die Regelung ihrer Nutzung (1998), S. 119 ff. 269  Siehe Durner, Common Goods, S. 244. Siehe dazu auch Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 275 f. 270  Siehe Durner, Common Goods, S. 244. 271  Siehe ausführlich zu diesem Streitpunkt und zu dem umstrittenen Prinzip des freien Zugangs zu genetischen Ressourcen Burhenne-Guilmin/Casey-Lefkowitz, The Convention on Biological Diversity: A hard won Global Achievement, 3 YIEL 1992, S. 43 ff.; siehe ferner Durner, Common Goods, S. 244 und Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 275; Schweizer, Biodiversitätskonvention, S. 137 ff.; Stoll, Die CBD, Genetische Ressourcen und traditionelles Wissen, in: FS Bothe, S. 769 (770 f.). 272  Siehe die anschauliche Formulierung von Durner, Common Goods, S. 244 f. sowie bei Burhenne-Guilmin/Casey-Lefkowitz, The Convention on Biological Diversity: A hard won Global Achievement, 3 YIEL 1992, S. 47 Fn. 14: „In this case, common heritage is understood as implying a common right to access to resources and benefits deriving from the use of the resources.“ 273  Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 245; Baslar, Concept, S. 277 spricht in einem anderen Zusammenhang bildlich von einem „Bumerang-Effekt“ des Prinzips. 274  Siehe Durner, Common Goods, S. 245; vgl. zudem die Nachweise bei Maffei, Evolving Trends in the International Protection of Species, 36 GYIL 1993, S. 131 (162 ff.): Neben den genannten Begriffen wurden zeitweilig auch die jeweils unterschiedliche Aspekte akzentuierenden Formulierungen „common responsibility“ und „common interest“ diskutiert. Siehe ferner Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 275 ff. und Taylor, Common heritage, in: Krämer (Hrsg.), Principles, S. 303 (315). 268

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IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des …

mulierung, die seither als „Grundprinzip der Biodiversitätskonvention“ gilt.275 Insgesamt trug der Konflikt zwischen Industrie- und Entwicklungsländern entscheidend dazu bei, dass auch in der Biodiversitätskonvention – wie bereits zuvor im Rahmen der UN-Resolution 43/53 sowie der Klimarahmenkonvention  – statt des common heritage of mankind-Prinzips das common concern-Prinzip verankert wurde. Durch die Gestalt, in welcher das CCM-Prinzip in der Biodiversitätskonvention seinen Niederschlag gefunden hat, wurden gerade im Vergleich mit der Klimarahmenkonvention einige wichtige Aspekte nochmals klarer herausgestellt: So ist zum einen wie im Fall des Klimawandels nicht die Ressource „Biodiversität“ als solche Gegenstand des common concern, sondern vielmehr deren Bewahrung („the conservation of biological diversity“).276 Zum anderen führt die Biodiversitätskonvention eine „Verantwortlichkeit“ der verfügungsberechtigten Staaten auf, ihre eigene Biodiversität zu erhalten und nachhaltig zu nutzen.277 Insgesamt ist daher festzuhalten, dass im Rahmen der Biodiversitätskonvention eine gewisse Konkretisierung des common concern-Prinzips stattgefunden haben dürfte. Für das Verhältnis zwischen dem common concern-Begriff und den Vorschriften des operativen Konventionsteils gilt das Gleiche wie im Zusammenhang mit der Klimarahmenkonvention: Obwohl das common concern-Prinzip nur in der Präambel, nicht aber im Operativen Teil niedergelegt wurde, sind auch einige operative Vorschriften für die geschichtliche Entwicklung des common concern of humankind-Prinzips relevant, zumal es ein Staatengemeinschaftsinteresse am Artenschutz ausdrückt und somit einige im operativen Teil der Biodiversitätskonvention niedergelegte konkrete Pflichten der Staaten zu erga omnes-Verpflichtungen transformiert.278 bb) Operativer Teil der Biodiversitätskonvention Zunächst definiert Art. 1 das oberste Ziel der Biodiversitätskonvention: „The objectives of this Convention, to be pursued in accordance with its relevant provisions, are the conservation of biological diversity, the sustainable use of its components and the fair and equitable sharing of the benefits arising out of the utilization of genetic resources, including by appropriate access to genetic resources and by appropriate transfer of relevant technologies, taking into account all rights over those resources and to technologies, and by appropriate funding.“279

 So Durner, Common Goods, S.  245. Ähnlich Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 280 ff. 276  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 3 der Präambel. Hierauf weist auch bereits Durner, Common Goods, S. 245 hin. 277  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 6, 8 und 10 der Präambel. Auf den Aspekt einer solchen grundsätzlich denkbaren „materiellen Schutzpflicht“ wird weiter unten im Rahmen der rechtlichen Analyse einzugehen sein, vgl. Vierter Teil, Kap. XIII. 1. und 2. 278  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIV. 279  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Operativer Teil, Art. 1. 275

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Sodann definiert Art.  2 für die Zwecke der Konvention den Begriff der ­Biodiversität: „ ‚Biological diversity‘ means the variability among living organisms from all sources including, inter alia, terrestrial, marine and other aquatic ecosystems and the ecological complexes of which they are part; this includes diversity within species, between species and of ecosystems.“280

Überdies finden sich im Operativen Teil der Biodiversitätskonvention viele Einzelaspekte wieder, die bereits in deren Präambel angedeutet und bereits in der Klimarahmenkonvention verankert wurden: eine Verpflichtung aller Vertragsstaaten zur internationalen Kooperation in einem globalen Rahmen.281 Eine gemeinsame, aber unterschiedlich hohe Verantwortung der Vertragsstaaten für die Erhaltung der Biodiversität282 und die Bereitstellung finanzieller und technologischer Unterstützung für die Entwicklungsländer.283 Ferner kommt in den Verpflichtungen zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung von natürlichen Ressourcen der Aspekt der intergenerationellen Gerechtigkeit zum Ausdruck.284 Schließlich sind zum besseren Verständnis, aber in der gebotenen Kürze, noch drei weitere Vorschriften aus dem operativen Teil der Biodiversitätskonvention in den Blick zu nehmen: Zunächst wiederholt Art.  3 der Biodiversitätskonvention  – wie auch bereits die Präambel zur Klimarahmenkonvention – wörtlich die Stockholmer Grundregel des Völkergewohnheitsrechts in der Fassung von Grundsatz 2 der Rio-Erklärung.285 Nach diesem auch sogenannten Prinzip 21 haben die Nationalstaaten zwar einerseits das Recht, die in ihrem Territorium befindlichen Ressourcen auszubeuten; andererseits trifft sie allerdings auch die Verantwortung, grenzüberschreitende Umweltbelastungen und solche in staatsfreien Räumen zu unterlassen. Art. 3 bringt damit wiederum jenen Konflikt zum Ausdruck, der bereits Dreh- und Angelpunkt der Klimarahmenkonvention war und der zudem für das Verständnis des common concern-Prinzips im Rahmen der Biodiversitätskonvention von entscheidender Bedeutung ist, nämlich den Konflikt zwischen der Souveränität von Staaten über ihre natürlichen Ressourcen einerseits und ihrer (gemeinsamen) Verantwortung für den globalen Umweltschutz andererseits.

 UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Operativer Teil, Art. 2. 281  Siehe die Art. 22 ff. Biodiversitätskonvention; zuvor angedeutet in Abs. 14 der Präambel. 282  Insbesondere Art. 8 und 10 Biodiversitätskonvention; vgl. außerdem Abs. 5 der Präambel. 283  Art. 16, Art. 20 und 21 Biodiversitätskonvention; zuvor bereits niedergelegt in Abs. 15 der Präambel. 284  Der Aspekt der intergenerationellen Gerechtigkeit zeigt sich vor allem in der Verpflichtung zur nachhaltigen Ressourcennutzung (Art. 1, Art. 6 und Art. 10) und steht ausdrücklich im letzten Absatz der Präambel. 285  Rio Declaration on Environment and Development, Prinzip 2, UN-Doc. A/Conf. 151/5/Rev.1 (1992), ebenfalls abgedruckt in: 31 ILM (1992), S. 876 („States have (…) the sovereign right to exploit their own resources pursuant to their own environmental and developmental policies“) (Hervorhebung vom Verfasser). 280

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IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des …

Hieran anknüpfend, stellt sodann Art. 15 Abs. 1 und 2 klar, dass die Kurzformel des common concern keinesfalls Zugangsrechte zu genetischen Ressourcen gewährt, sondern die Verfügungsgewalt der Staaten über selbige vielmehr unangetastet bleibt. Art. 15 enthält damit einen vorsichtigen Kompromiss zwischen den Interessen der zumeist artenreicheren Entwicklungsländer einerseits und den im Regelfall technologiestärkeren Industrieländern andererseits.286 Wörtlich heißt es in Art. 15 Abs. 1 und 2: 1. „Recognizing the sovereign rights of States over their national resources, the authority to determine access to genetic resources rests with the national governments and is subject to national legislation. 2. Each Contracting Party shall endeavour to create conditions to facilitate access to genetic resources for environmentally sound uses by other Contracting Parties and not to impose restrictions that run counter to the objectives of this Convention.“287

Schließlich enthält Art.  16 Biodiversitätskonvention noch Vorschriften für den Finanz- und Technologietransfer von den Industrie- an die Entwicklungsländer, um Letztere in die Lage zu versetzen, ihre Verpflichtungen aus der Biodiversitätskonvention zu erfüllen und auf diese Weise den Schutz der Biodiversität als oberstes Konventionsziel sicherzustellen.

b ) Cartagena-Protokoll über biologische Sicherheit (2003) und Nagoya-Protokoll (2010) Sodann wurde im Jahre 2000 im Rahmen der Biodiversitätskonvention das sogenannte Cartagena Protocol on Biosafety to the Convention on Biological Diversity (nachfolgend Cartagena-Protokoll) ausgehandelt, das am 11. September 2003  in Kraft getreten ist.288 Dieses Protokoll zielt ausweislich seines Art. 1 in erster Linie im Lichte des in Art. 15 der Biodiversitätskonvention verankerten Vorsorgeprinzips darauf ab, die aus dem Umgang mit biotechnologisch modifizierten Organismen drohenden „nachteiligen Auswirkungen auf den Schutz der Biodiversität“ zu verhindern und damit letztlich auch befürchtete Risiken für die menschliche Gesundheit zu bekämpfen.289 Somit kann sich die später genauer zu erörternde Rechtswirkung des common concern of humankind-Prinzips grundsätzlich ebenfalls auf einige der im

 Siehe Maffei, 36 GYIL (1993), S. 131 (166).  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Operativer Teil, Art. 15. 288  Cartagena Protocol on Biosafety to the Convention on Biological Diversity, 39 ILM (2002), S. 1027; 2226 UNTS, S. 208, Ratifikationsstand: 171 Staaten, abrufbar unter https://treaties.un. org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=XXVII-8-a&chapter=27&lang=en (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). Siehe dazu Böckenförde, 63 ZaöRV (2003), S. 313 ff.; Weiß/ Herrmann, Welthandelsrecht, § 12 Rn. 599 f. 289  Cartagena Protokoll, 39 ILM (2002), S. 1028; 2226 UNTS, S. 208. 286 287

2. Schutz der Biodiversität als zweiter Anwendungsfall des CCM

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Cartagena-Protokoll niedergelegten sehr spezifischen Pflichten der Vertragsstaaten erstrecken, ohne allerdings durch jenes Protokoll näher konkretisiert zu werden. Schließlich wurde Ende 2010 auf der 10. Vertragsstaatenkonferenz der UN-­ Biodiversitätskonvention das Nagoya-Protokoll angenommen.290 Es setzt einen völkerrechtlichen Rahmen für den Zugang zu genetischen Ressourcen und für einen gerechten Vorteilsausgleich. Auf der Basis gegenseitiger Zustimmung soll ein Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen der Ursprungsländer genetischer Ressourcen und derjenigen Länder erfolgen, in denen die genetischen Ressourcen genutzt werden. Bislang haben 92 Staaten das Protokoll unterzeichnet. Deutschland und die EU unterzeichneten das Protokoll am 23. Juni 2011. Nachdem 50 Staaten und die EU das Abkommen am 14. Juli 2014 formell ratifiziert hatten, trat es 90 Tage später, am 12. Oktober 2014 in Kraft.291 Allerdings zielt das Nagoya-Protokoll ausweislich Ziffer 2 seiner Präambel auf eine „ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile“. Diesem übergeordneten Zweck dienen auch die meisten der im Protokoll verankerten Pflichten. Konkrete völkerrechtliche Verpflichtungen, die dem Erhalt der Biodiversität als Gegenstand des common concern of humankind dienen und daher von der erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips erfasst werden könnten, erlegt das Nagoya-Protokoll den Vertragsparteien nicht auf. 292

c) Resümee Nach seiner erstmaligen Verankerung in der Klimarahmenkonvention wurde das common concern of humankind-Prinzip auf der Rio-Konferenz im Jahre 1994 auch auf den Schutz der Biodiversität übertragen. Vergleicht man die Verhandlungsgeschichte der Biodiversitätskonvention, die genauere Ausgestaltung des common concern of humankind-Prinzips in jener Konvention sowie den systematischen Zusammenhang, in welchem es im Gesamtkontext der Biodiversistätskonvention steht mit der Gestalt, in welcher es sich in der vorangegangenen Klimarahmenkonvention niedergeschlagen hat, so weisen beide bisherigen Anwendungsfälle in der Staatenpraxis des modernen Umweltvölkerrechts eine beträchtliche gemeinsame Schnittmenge auf: Auch der voranschreitende Verlust an Biodiversität wurde – wie zuvor der Klimawandel – als genuin globales Umweltproblem eingestuft, weil es mit seinen Auswirkungen auf das globale Ökosystem und seinen Wechselwirkungen mit anderen Bestandteilen des Naturhaushalts für alle Staaten der Welt nachteilige Folgen nach sich zieht. Ähnlich wie im Fall  Nagoya Protocol on Access to Genetic Resources and the Fair and Equitable Sharing of Benefits Arising from their Utilization to the Convention on Biological Diversity, UN Doc. UNEP/CBD/ COP/DEC//X/1, 29. Oktober 2010, Ratifikationsstand: 92 Staaten, abrufbar unter https://treaties. un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=XXVII-8-b&chapter=27&lang=en (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). 291  Aktueller Ratifikationsstand: 119 Staaten. Siehe zum aktuellen Stand der Unterzeichnungen und Ratifizierungen: http://www.cbd.int/abs/nagoya-protocol/signatories/. (zuletzt besucht am 21. Juli 2019). 292  Siehe dazu auch Vierter Teil, Kap. XIV. 3. b). 290

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IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des …

der Klimarahmenkonvention waren auch die Verhandlungen zur Biodiversitätskonvention vom bereits länger schwelenden Nord-Süd-Konflikt zwischen Industrie- und Entwicklungsländern geprägt. Letztendlich war es der Konflikt zwischen den Interessen der Industrieländer an einem möglichst ungehinderten Zugang zu den in bestimmten Entwicklungsländern belegenen genetischen Ressourcen einerseits und den Interessen der betroffenen Entwicklungsländer an deren Souveränität über die betreffenden genetischen Ressourcen andererseits, die zu einer Abkehr vom zunächst vorgeschlagenen common heritage of mankind-Prinzip und zur Verankerung des common concern of humankind-­Prinzip führte. Ähnlich wie bereits im ersten Anwendungsfall der Klimarahmenkonvention erwies sich demnach erneut der common heritage of mankind-­ Grundsatz aufgrund seiner völkerrechtlichen Implikationen als nicht geeignet zur Lösung eines globalen Umweltproblems und wurde daher vom common concern of humankind als Leitprinzip abgelöst. Aus dem gleichen Grund wurde sowohl in der Klimarahmenkonvention als auch in der Biodiversitätskonvention von den Vertragsstaaten klargestellt, dass einerseits ihre Staatssouveränität vom common concern of humankind-Prinzip unangetastet bleibt, sie aber andererseits im Sinne des Prinzips 21 auch mit ihren Ressourcen auf eine Art und Weise verfahren werden, die sich mit der Bekämpfung des Klimawandels bzw. mit dem Schutz der Biodiversität verträgt. Des Weiteren basierte auch die Biodiversitätskonvention auf dem framework-­protocol-­ approach und sollte daher einen Rahmen für den globalen Artenschutz setzen, in dessen Präambel unter anderem der common concern-Grundsatz verankert wurde, der ferner die nachfolgenden konkreten Artenschutzverpflichtungen erfasst; dieser Rahmen sollte wiederum fortwährend durch nachfolgende Protokolle – wie etwa das Cartagena- und das Nagoya-Protokoll – ausgefüllt werden. Auch für die Erhaltung der Biodiversität tragen die Vertragsstaaten – wie für die Bekämpfung des Klimawandels – eine gemeinsame, aber unterschiedlich hohe Verantwortung. Gegenstand des common concern ist schließlich – wie im Fall des Klimawandels – nicht die Ressource „Biodiversität“ als solche, sondern vielmehr deren Bewahrung nicht nur für gegenwärtige, sondern auch für zukünftige Generationen der Menschheit. Insgesamt haben sich folglich die wesentlichen Aspekte des CCM-Prinzips durch seine erneute Verankerung in der Biodiversitätskonvention nochmals deutlicher herauskristallisiert und verfestigt.

3 . Die gescheiterte Übertragung des CCM-Prinzips auf den Waldschutz und die Bekämpfung der Wüstenbildung Während das CCM-Prinzip zunächst noch recht erfolgreich und mit einiger juristischer Relevanz aus dem Klimakontext herausgelöst und auf den Schutz der Biodiversität übertragen werden konnte, dürfte seine Übertragung auf den Schutz der Wälder und die Bekämpfung der voranschreitenden Wüstenbildung (Desertifikation) zumindest vorerst gescheitert sein.293  Siehe zur gescheiterten Übertragung des common concern of humankind auf den Waldschutz insbesondere Durner, Common Goods, S.  246; Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 292 ff. und Brunnée, Conceptual Framework, S. 58. 293

3. Die gescheiterte Übertragung des CCM-Prinzips auf den Waldschutz und die …

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a) Waldgrundsatzerklärung Obwohl die voranschreitende Zerstörung der weltweiten Waldbestände und hierbei insbesondere der tropischen Regenwälder eines der dringlichsten welt-­ umweltpolitischen Probleme darstellt, ist der Waldschutz auf völkerrechtlicher Ebene nur fragmentarisch geregelt.294 Zwar wurde im Jahre 1983 ein internationales Tropenholzabkommen geschlossen;295 doch zielt dieses in erster Linie auf eine Förderung des Tropenholzhandels und hindert daher gerade nicht die fortschreitende Zerstörung der tropischen Regenwälder,296 sondern forciert sie unter Umständen sogar. Daher wurde jenes Übereinkommen im Jahre 1994 durch einen neuen völkerrechtlichen Vertrag ersetzt, der allerdings nur spärlich von einer nachhaltigen globalen Waldpolitik handelt.297 Gerade vor diesem Hintergrund hatte die UNEP bereits seit vielen Jahren an einem globalen Waldschutzabkommen (Global Forest Convention) gearbeitet.298 Zu den Schlüsselelementen eines solchen Übereinkommens, dessen Abschluss man sich durchaus von der Rio-Konferenz versprach, sollte erklärtermaßen auch das common concern of humankind-Prinzip zählen.299 Im Vorfeld der Rio-Konferenz wurde in der völkerrechtlichen Literatur außerdem mehrfach gefordert, das common concern-Prinzip neben anderen modernen umweltvölkerrechtlichen Konzepten wie den zuvor bereits erwähnten „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“, der intergenerationellen Gerechtigkeit, der nachhaltigen Entwicklung sowie dem Vorsorgeprinzip in einem konzeptionellen Rahmen für ein globales Waldschutzabkommen zu verankern, an welchem sich die konkreten Verhaltensvorgaben der Vertragsstaaten orientieren sollten.300 Das Prinzip des common concern of humankind sei eng verknüpft mit der Idee eines Staatengemeinschaftsinteresses.301 Weiterreichend als „gemeinsame Interessen“, welche die treibenden Kräfte bei der Entwicklung des modernen Völkerrechts seien, könne ein common  Siehe Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S.  292  ff. und Durner, Common Goods, S. 246. Siehe zu der ganzen Problematik Shally, Towards an International Legal Regime?, 4 YIEL 1993, S. 30 ff. Siehe außerdem Tarasofsky, 59 ZaöRV (1996), S. 668; Schulte zu Sodingen, Der völkerrechtliche Schutz der Wälder, S. 10 ff. 295  International Tropical Timber Agreement (1983), abgedruckt in: Rummel-Buska/Osafo (Hrsg.), Selected Multilateral Treaties in the Field of the Environment, Bd. 2, 1983, S. 273 ff.; siehe dazu auch Sands, Principles, 1. Aufl., S. 407 f. 296  Siehe Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 293 f.; Durner, Common Goods, S. 246. 297  International Tropical Timber Agreement (1994), 33 ILM (1994), S.  1014  ff., am 1. Januar 1997 in Kraft getreten; siehe dazu Shally, 4 YIEL (1993), S. 30 ff. Siehe außerdem König, New Approaches, in: Wolfrum (Hrsg.), Enforcing Environmental Standards, S. 337 ff. 298  Siehe UNEP Programme for the Development and Periodic Review of Environmental Law of the 1990s (sog. Montevideo II.  Programm), in: Sun Lin/Kurukulasurija (Hrsg.), Unep’s New Way Forward: Environmental Law and Sustainable Development (1995), S. 317 (331 ff.). 299  Siehe Durner, Common Goods, S.  247; Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S.  293. Siehe dazu insbesondere die Ausführungen von Brunnée, Conceptual Framework, S. 56. 300  Siehe Brunnée, Conceptual Framework, S. 56. 301  Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791. 294

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IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des …

concern zusätzliche normative Wirkungen entfalten. Der common concern-­Gedanke beschreibe Bedrohungen für das Wohlergehen der Internationalen Gemeinschaft als Ganzer. Konsequenterweise hätten dann allerdings alle Staaten ein „rechtliches Interesse“ an jenen globalen Umweltproblemen und unter bestimmten Umständen sogar eine Verpflichtung, zu ihrer Lösung beizutragen.302 Im Interesse der Internationalen Gemeinschaft würden common concerns gar die Souveränität einzelner Staaten einschränken, wo die Ursache der „gemeinsamen Sorge“ sich innerhalb der Jurisdiktion eines bestimmten Nationalstaates befinde.303 Angesichts der Unsicherheiten im Hinblick auf den Anwendungsbereich und den Einfluss des common concern-­Prinzips auf die Souveränität von Staaten über ihre natürlichen Ressourcen müsse seine Verankerung allerdings mit großer Vorsicht vonstatten gehen.304 Aufgrund seines bisherigen Anwendungsbereichs und seiner völkerrechtlichen Implikationen sei das common concern of humankind-Prinzip besser auf die Entwicklung eines effektiven Waldschutzregimes zugeschnitten als das althergebrachte common heritage of mankind-Prinzip.305 Während das common heritage-Konzept bislang nur auf Territorien und Ressourcen außerhalb staatlicher Jurisdiktion Anwendung gefunden habe, sei das common concern-Prinzip nicht auf den traditionellen Kontext der „global commons“ beschränkt, sodass sein potenzieller Anwendungsbereich weiter gefasst sei.306 Außerdem liege sein Fokus nicht, wie im Falle des common heritage-Prinzips, auf einer Bewahrung von Ressourcen als bloßer Voraussetzung für die anschließende Güter(um-) verteilung.307 Schließlich sei es schwer vorstellbar, dass Vorschläge, nationale Waldbestände – wie die tropischen Regenwälder – zum „gemeinsamen Erbe der Menschheit“ zu erklären, auf Zustimmung stoßen würden. Weil demgegenüber aber das common concern-Prinzip gerade nicht auf die „Internationalisierung“ einer Ressource abziele, passe es wesentlich besser in den Kontext des globalen Waldschutzes als das common heritage-Konzept. Diese Einschätzung sei durch die Verhandlungen zur Biodiversitätskonvention bestätigt worden, in denen vor allem die Entwicklungsländer die Qualifizierung ihrer genetischen Ressourcen als common heritage of mankind abgelehnt, zugleich auf die Bekräftigung des Prinzips der Permanent Sovereignty over natural resources bestanden hätten und daher nur das common concern-Prinzip zu akzeptieren bereit gewesen seien.308 Um das Spannungsverhältnis zwischen common concern-Prinzip und der staatlichen Souveränität abzumildern, wurde überdies in der völkerrechtlichen Literatur vorgeschlagen, in Anlehnung an die Klimarahmenkonvention nicht die Ressource Wald als solche, sondern die Waldzerstörung sowie die daraus resultierenden nachteiligen Auswirkungen für das globale  Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 85 und S. 154 f. Siehe außerdem wiederum Brunnée, Conceptual Framework, S. 55. 303  Brunnée, Conceptual Framework, S. 56. 304  Brunnée, Conceptual Framework, S. 56. 305  Brunnée, Conceptual Framework, S. 56. 306  Brunnée, Conceptual Framework, S. 56. 307  Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 120–122. 308  Brunnée, Conceptual Framework, S. 56 f. 302

3. Die gescheiterte Übertragung des CCM-Prinzips auf den Waldschutz und die …

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­Ökosystem zum common concern of humankind erklären zu lassen.309 Den Anwendungsbereich auf diese Weise einzugrenzen, würde besser verdeutlichen, dass es nicht die Waldressourcen bestimmter Staaten als solche, sondern vielmehr die globalen Auswirkungen ihrer Zerstörung seien, welche eine „gemeinsame Sorge der gesamten Menschheit“ darstellen würden.310 In der völkerrechtlichen Literatur versuchte man, im Vorfeld der Rio-Konferenz durch eine solche Präzisierung des common concern-Begriffs nunmehr im Kontext des Waldschutzes die Verankerung des common concern-Prinzips konsensfähig zu machen. Allerdings wurde dieses Ziel auf der Rio-Konferenz nicht erreicht, da einige Länder mit großen Waldbeständen erneut einen drohenden Souveränitätsverlust durch eine solche Verrechtlichung des Waldschutzes fürchteten und daher bereits aus grundsätzlichen Erwägungen heraus ein bindendes globales Waldschutzabkommen auch weiterhin ablehnten.311 So wurde schließlich auf der Rio-Konferenz lediglich eine Grundsatzerklärung zum Waldschutz („Waldprinzipien“) verabschiedet, die eindeutig Züge eines Kompromisses trägt und lediglich in knapper, völkerrechtlich nicht verbindlicher Form Grundsätze einer nachhaltigen Waldwirtschaft definiert.312 In erster Linie bestätigt diese Grundsatzerklärung die Souveränität der Waldeigentümerstaaten und betont die Funktion der Wälder als deren ökonomische Ressource.313 Ein Staatengemeinschaftsinteresse am globalen Umweltschutz, wie es der Begriff des common concern of humankind zum Ausdruck bringt, erkennt die Erklärung dagegen für die globalen Waldbestände gerade nicht an.314 Vielmehr wurden umgekehrt alle in den vorherigen Entwürfen enthaltenen leisen Anklänge an das common concern-Prinzip letztendlich entfernt.315 So wurde etwa in Abs. f) der Präambel der ursprünglich vorgesehene Wortlaut „are of value to the global environment“ durch die Formulierung „are of value to local communities and to the environment as a whole“ ersetzt.316 In der völkerrechtlichen Literatur wurde diese Entwicklung ausdrücklich bedauert.317 Dass die Entwicklungsländer das common concern-Prinzip im Rahmen des Waldschutzes – anders als bei der Biodiversitätskonvention – ablehnten, erklärt sich 309  Brunnée, Conceptual Framework, S. 59. Siehe zu der entsprechenden Eingrenzung des common concern-Begriffs im Klimaschutzkontext die Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) cc). 310  Brunnée, Conceptual Framework, S. 59. 311  So eindeutig etwa der Vertreter des indischen Umweltministeriums Sanwal, 1 RECIEL 1992, S. 289 ff. Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 247. 312  So Durner, Common Goods, S. 247. 313  Non-Legally Binding Authoritative Statement of Principles for a Global Consensus on the Management, Conservation and Sustainable Development of all Types of Forests, 31 ILM 1992, S. 881 ff. 314  Siehe Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 292 ff.; Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 215; Durner, Common Goods, S. 247; Sands, Principles, 1. Aufl., S. 408; Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 633. 315  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 247. 316  Siehe die Nachweise bei Johnson (Hrsg.), The Earth Summit, S. 109 f. 317  So etwa von Sands, Principles, 1. Aufl., S. 409.

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IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des …

jedoch bei genauerem Hinsehen aus den unterschiedlich gelagerten Problemfeldern jener beiden Umweltschutzbereiche: Schlüsselproblem des Waldschutzes ist – im Gegensatz zur Biodiversität  – nicht die Frage des Zugangs oder der Verfügungsmacht über diese Ressource, deren Zugehörigkeit zu den jeweiligen Staaten bislang ohnehin nie zweifelhaft war, sondern vielmehr ihre Zerstörung im Verantwortungsbereich der Waldeigentümer selbst.318 Daher ging es den Entwicklungsländern im Rahmen der Verhandlungen über den Waldschutz vor allen Dingen darum, ihre eigene internationale Verantwortlichkeit auszuschließen, sich Exportmöglichkeiten offenzuhalten und jegliche umweltschutzpolitisch begründeten Handelssanktionen abzuwehren.319 Dies gilt umso mehr, als einige westliche Staaten in der Vergangenheit eine Reihe letztendlich gescheiterter Versuche unternommen hatten, mittels unilateraler Importverbote für Tropenhölzer einer anhaltenden Rodung der tropischen Regenwälder entgegenzuwirken.320 Anders als im Fall der genetischen Ressourcen ging es daher den Entwicklungsländern nicht nur darum, ihre Eigentümerstellung im Hinblick auf ihre Waldbestände innerhalb ihres Territoriums zu behaupten, sondern vielmehr darum, überhaupt jegliches rechtliches Interesse anderer Staaten an ihrer Waldpolitik auszuschließen.321 Zusammenfassend lässt sich daher hinsichtlich des Waldschutzes festhalten: Die Waldprinzipien gelten trotz ihres unverbindlichen Charakters in der völkerrechtlichen Praxis als Leitlinien einer künftigen Waldschutzpolitik.322 Manches deutet darauf hin, dass für die Entwicklungsländer nur eine Formulierung akzeptabel wäre, die eine „gemeinsame Verantwortung“, nicht aber ein „Recht oder Interessen der Staatengemeinschaft“ für die Wälder festschreibt.323 Bislang ist der völkerrechtliche Waldschutz daher kein Anwendungsfall des common concern of humankind-­ Prinzips.

b) Wüstenkonvention Auch ein Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (Desertifikation) kam im Rahmen der Rio-Konferenz nicht zustande. Allerdings wurde ein Komitee bestehend aus Regierungsvertretern zur Ausarbeitung einer Wüstenkonvention

 Ähnlich Durner, Common Goods, S. 248.  Siehe Durner, Common Goods, S. 248 f. Siehe ferner zu den kontroversen Verhandlungen zur Waldgrundsatzerklärung die Darstellung bei Shally, 4 YIEL (1993), S. 30 ff. 320  Siehe dazu König, New Approaches, in: Wolfrum (Hrsg.), Enforcing Environmental Standards, S. 337 ff. 321  So vor allem Brunnée, Conceptual Framework, S. 59 und Durner, Common Goods, S. 248. 322  Siehe dazu das International Tropical Timber Agreement aus dem Jahr 1994, ILM 1994, S. 1014 ff., das in der Präambel sowie in Art. 1 die Verbindlichkeit der Grundsatzerklärung ausdrücklich anerkennt. 323  So insbesondere Brunnée, Conceptual Framework, S. 59 und Durner, Common Goods, S. 248. 318 319

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e­ ingesetzt, das im Jahr 1993  in Nairobi seine Verhandlungen aufnahm.324 Wenngleich die Wüstenkonvention als Ganzes letztlich scheiterte, sind die travaux préparatoires für die Entstehungsgeschichte des common concern aufschlussreich: In der zweiten Verhandlungsrunde schlugen mehrere Entwicklungsländer vor, die Wüstenbildung in der Präambel der geplanten Wüstenkonvention zum common concern zu deklarieren. So führte das Internationale Verhandlungskomitee zur Erarbeitung einer Wüstenkonvention in Ziffer 8 (a) der Präambel aus: „(…) adverse effects, because so widespread are an issue of common concern to all countries. In this sense, desertification, like climate change and biodiversity, is a global pro­ blem.“325

Angesichts der soeben geschilderten Widerstände der Dritten Welt gegen die Verankerung des common concern-Prinzips im Rahmen des Waldschutzes war dies zwar auf den ersten Blick bemerkenswert, entpuppt sich beim zweiten, genaueren Blick auf die politischen Hintergründe aber erneut bloß als Resultat des oben geschilderten Interessenkonflikts zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.326 Offenbar sahen die von der Wüstenbildung besonders betroffenen Staaten in dem CCM-Prinzip ein Vehikel für eine stärkere finanzielle Beteiligung der westlichen Staaten an der Bekämpfung der Wüstenbildung, zumal jene Staaten in der ersten Verhandlungssitzung verschiedene Forderungen nach höheren Finanztransfers vehement abgewehrt hatten.327 Letztendlich scheint allerdings die Mehrheit der Vertragsstaaten eine Verankerung des common concern-Prinzips kaum ernsthaft erwogen zu haben.328 In den Absätzen 1 und 2 der Präambel heißt es wörtlich: „Affirming that human beings in affected or threatened areas are at the centre of concerns to combat desertification and mitigate the effects of drought, Reflecting the urgent concern of the international community, including States and international organizations, about the adverse impacts of desertification and drought (…)“.329

Zwar bleibt diese Textpassage, was die Dringlichkeit des Anliegens „Wüstenbildung“ betrifft, von ihren Formulierungen her kaum hinter den bislang zitierten 324  Siehe die entsprechenden Nachweise bei Johnson, The Earth Summit, S. 243 und 252 und Durner, Common Goods, S. 248. 325  Intergovernmental Negotiating Committee to Elaborate a Convention to Combat Desertification in those Countries Experiencing Serious Drought and/or Desertification, Particularly in Africa, Second Session, 13–14 September 1993, Compilation of Government Views, UN Doc. A/AC. 241/12, 23. August 1993, S. 6 ff. (Hervorhebung vom Verfasser). 326  Siehe dazu bereits Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) und 2. a). 327  Siehe Durner, Common Goods, S. 249. Vgl. dazu sowie zu den weiteren Problemen bei den Verhandlungen des Übereinkommens Kassas, Negotiations for the International Convention to Combat Desertification (1993–1994), 7 IEA 1995, S. 176 (179); Kjellén, 40 EPL (2008), S. 146 ff.; Fuchs, 12 MPYbUNL (2008), S. 287–280. 328  Siehe  Durner, Common Goods, S. 249 und Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 281 ff. 329  Convention to Combat Desertification in those Countries Experiencing Serious Drought and/or Desertification, Particularly in Africa, 33 ILM 1994, S. 1332, Abs. 1 und 2 der Präambel. Siehe allgemein zur Rolle der Wüstenkonvention bei der Bekämpfung der Desertifikation, Kjellén, 40 EPL (2008), S. 146 ff.

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­Anwendungsfällen des common concern-Prinzips zurück. Doch vermied man es offensichtlich bewusst, den common concern of humankind-Begriff wörtlich zu nennen, zumal sich ansonsten das Wort „concern“ selbst mehrfach in der Konvention findet. Bei genauerer Betrachtung des nackten Wortlauts fällt zudem auf, dass an vielen Stellen der Konvention das Problem der Desertifikation einen regionalen Anstrich erhält.330 Deutlich wird dies bereits im offiziellen Titel der Wüstenkonvention, die sich nicht einer „globalen Wüstenbildung“ widmet, sondern der „Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere in Afrika“ („to Combat Desertification in those Countries Experiencing Serious Drought and/or Desertification, particularly in Africa“).331 „Im Zentrum der Sorge“ stehen nur „Menschen in betroffenen oder bedrohten Regionen“, nicht gesamte Menschheit.332 Die Vermeidung des Begriffs common concern springt förmlich ins Auge. Diese sorgfältige Vermeidung eines ausdrücklichen Zitats macht ein weiteres Mal deutlich, dass die verhandelnden Staaten selbst davon ausgingen, es handele sich bei dem Begriff common concern eben nicht bloß um eine rein politische Floskel, sondern um ein juristisches Prinzip.333 Dass die Vertragsstaaten sich letztendlich wohl „bewusst“ dafür entschieden, das common concern of humankind-Prinzip nicht in der Wüstenkonvention zu verankern, legt zudem ihre Verhandlungsgeschichte nahe: Der Versuch, die Bekämpfung der Wüstenbildung als common concern of humankind zu qualifizieren, scheiterte nämlich in erster Linie an kontroversen Auseinandersetzungen über die Frage nach dem globalen Charakter des Umweltproblems der Desertifikation.334 So wurde in den Verhandlungen seitens der Vertragsstaaten vielfach vorgebracht, die voranschreitende Wüstenbildung sei kein weltweites Anliegen wie der Klimawandel oder der Biodiversitätsverlust; denn weder beeinträchtige die Wüstenbildung alle Staaten der Erde in vergleichbarer Art und Weise noch schädige sie globale ökologische Zusammenhänge in ähnlichem Umfang wie dies beim Klimawandel und beim Verlust der Biodiversität der Fall sei.335 So heißt es zu dieser Frage in der Zusammenfassung der Verhandlungen zur Wüstenkonvention in Ziffer 9 (b) recht deutlich: „Desertification is not a ‚global issue‘ in the same sense as climate change and biodiversity are. It does not affect all countries nor influence global systems in the same way that they do. Neither, in the strictest sense, is it a ‚common concern‘, since the perspectives of affected and unaffected countries are different.“336  Siehe dazu auch French, Common concern and common heritage, in: Bowman/Davies/Goodwin (Hrsg.), Biodiversity and Law, S. 334 (346). 331  Siehe French, Common concern and common heritage, in: Bowman/Davies/Goodwin (Hrsg.), Biodiversity and Law, S. 334 (346). 332  Siehe French, Common concern and common heritage, in: Bowman/Davies/Goodwin (Hrsg.), Biodiversity and Law, S. 334 (346). 333  Diese überzeugende Argumentation stammt von Durner, Common Goods, S. 249. 334  Siehe ferner die Ausführungen von Johnston, Earth Summit, S. 243 f. zur entsprechenden Auseinandersetzung bei der Formulierung des 12. Kapitels der Agenda 21. 335  Ähnlich bereits Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 282. 336  Siehe die Aussagen im Dokument Elaboration of a Convention to Combat Desertification in those Countries Experiencing Serious Drought and/or Desertification, Particularly in Africa, Se330

4. Schutz der Ozonschicht – nachträglich auch ein common concern of humankind?

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Somit haben die Vertragsstaaten der Wüstenkonvention den Anwendungsbereich des common concern-Prinzips vor dem Hintergrund seiner beiden bisherigen Anwendungsfälle anhand der beiden Kriterien der vergleichbaren Betroffenheit aller Staaten der Welt von den Folgen des Umweltproblems sowie der Schwere der ökologischen Problematik definiert und die Wüstenbildung nicht unter ihn „subsumiert“.337 Dieser Rückschluss von der Verhandlungshistorie der Wüstenkonvention auf das Verständnis in der Staatenpraxis vom räumlich-funktionalen Anwendungsbereich des common concern of humankind-Prinzips wird an späterer Stelle wieder aufgegriffen.338 An dieser Stelle lässt sich vorerst festhalten, dass die Bekämpfung der Wüstenbildung bisher wohl keinen Anwendungsfall des common concern of humankind-­Prinzips darstellt.

c) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis zur Analyse der bisherigen Anwendungsfälle des CCM-­ Prinzips ist festzuhalten: Nach seiner „Entdeckung“ für den globalen Klimaschutz wurde das CCM-Prinzip in den Bereichen des Artenschutzes, des Waldschutzes und der Wüstenbildung trotz vergleichbarer Interessenlagen vor allen Dingen aufgrund diverser Interessenkonflikte zwischen Entwicklungs- und Industrieländern unterschiedlich rezipiert. Neben der Klimarahmenkonvention fand eine ausdrückliche Verankerung und Konkretisierung des Prinzips daher nur im Rahmen der Biodiversitätskonvention statt. Gleichwohl zeigen die zähen Verhandlungen zu den übrigen Konventionen, dass der Grundsatz des CCM von den Staaten nicht etwa bloß als „politischer Slogan“, sondern vielmehr als völkerrechtliches Prinzip wahrgenommen und behandelt wurde.

4 . Schutz der Ozonschicht – nachträglich auch ein common concern of humankind? Schließlich wird in der Literatur vereinzelt der Standpunkt vertreten, der Schutz der Ozonschicht sei vor dem Hintergrund der soeben ausführlich dargestellten jüngeren Entwicklungen im modernen Umweltvölkerrecht nunmehr gewissermaßen nachträglich ebenfalls als Anwendungsfall des common concern of humankind-Prinzips zu qualifizieren.339 Diese Auffassung greift auf die recht weitverbreitete Spekulation cond Session, 13–14 September 1993, Compilation of Government Views, Statements and Drafting Proposals, 12. August 1993, UN Doc. A/AC. 241/12, Ziffer 9 (b). 337  Siehe dazu auch Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 282. 338  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 339  Siehe Biermann, 34 AVR (1996), S. 158, (164); ders., Emergence of a New Concept, S. 426 (433); siehe auch Durner, Common Goods, S. 273 f.; Horn, 1 MqJICEL (2004), S. 233, (247)

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IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des …

zurück, das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht aus dem Jahre 1985340 würde – käme es heutzutage zustande – den Schutz der Ozonschicht ebenfalls zum common concern of humankind erklären.341 Unterblieben sei dies im Jahre 1985 nur, weil es das common concern of humankind-Prinzip damals noch nicht gegeben habe.342 Dass der common concern-Grundsatz sich nach der Staatenpraxis des modernen Umweltvölkerrechts auch auf das globale Problem der Ozonschichtzerstörung erstrecke, werde insbesondere von dem Umstand untermauert, dass die UN-Generalversammlung in der Präambel ihrer Resolution 43/53 aus dem Jahre 1988 ausdrücklich auf die Gefahren der voranschreitenden Ozonschichtzerstörung Bezug genommen habe, als sie in derselben Präambel den Rechtsbegriff des common concern of humankind geschaffen habe.343 Für diese Sichtweise spreche außerdem die Tatsache, dass auch die Klimarahmenkonvention in ihrer Präambel den Aspekt der Ozonschichtzerstörung nochmals ausdrücklich hervorhebe.344 Wenn folglich die Klimarahmenkonvention in Übereinstimmung mit den vorangegangenen UN-Resolutionen den Klimawandel als solchen zu einem common concern of (hu)mankind erklärt und dabei den Aspekt der Ozonschichtzerstörung gesondert hervorgehoben habe, so müssten konsequenterweise auch die klimarelevanten Pflichten des Montrealer Protokolls von diesem Rechtsstatus erfasst werden und erga omnes gelten.345 Die Erstreckung des common concern-Prinzips auf den Schutz der Ozonschicht erscheint in der Tat sinnvoll und wünschenswert, zumal es zwischen den Problemfeldern des Klimawandels und der Ozonschichtzerstörung vielfältige Wechselwirkungen gibt. So sind die meisten ozonschichtzerstörenden Gase gleichzeitig auch Treibhausgase und zählen mit rund 13 % zu den entscheidenden Ursachen des Treibhauseffekts; denn die Ausdünnung der Ozonschicht erlaubt zugleich verstärkte Einstrahlungen auf die Erdoberfläche und trägt auf diese Weise zur

Fn. 106; Werksman, 6 YIEL (1995), S. 27 (41); Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 215. 340  Vienna Convention for the Protection of the Ozone Layer, in Kraft getreten am 22. September 1988; UNTS Bd. 1513, S. 293; BGBl. 1988 II, S. 902. 341  So Brunnée, Conceptual Framework, S. 57 Fn. 98; siehe ferner Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S.  158 (164); Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 215; Yoshida, Régime for the Protection of the Stratospheric Ozone Layer, S. 60 f. 342  So etwa Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164); siehe zudem Brunnée, a conceptual framework, S. 57 Fn. 98. 343  UNGA-Resolution 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326; vgl. zum Zusammenhang zwischen der Erklärung des Klimawandels zum common concern und der Bezugnahme auf die Ozonschichtzerstörung in ein und derselben Resolution die Ausführungen von Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164). Ähnlich Durner, Common Goods, S. 273 f. 344  So Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164). Ähnlich Durner, Common Goods, S. 273 f. 345  Siehe Durner, Common Goods, S. 274; siehe ferner Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164).

4. Schutz der Ozonschicht – nachträglich auch ein common concern of humankind?

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voranschreitenden Erderwärmung bei. Ein wirksamer Schutz der Ozonschicht ist daher ohne Zweifel integraler Bestandteil einer effektiven Klimaschutzstrategie.346 So notwendig und wünschenswert eine Erstreckung des common concern of humankind-­Prinzips auf den Schutz der Ozonschicht für einen effektiven globalen Umweltschutz auch erscheinen mag – hinreichend nachweisen lässt sie sich anhand der Vertragspraxis des modernen Umweltvölkerrechts nicht. So fehlt es zunächst – ganz offensichtlich – an einer ausdrücklichen Erklärung seitens der internationalen Staatengemeinschaft, dass auch der Ozonschichtschutz ein common concern of humankind ist. Eine „nachträgliche“ Anwendung des common concern-Prinzips auf die Vienna Ozone Convention und das später verabschiedete Montrealer Protokoll lässt sich daher schwerlich mit der Vertragspraxis zum common heritage- und zum common concern-Prinzip vereinbaren, in welcher sich durchweg ein förmlicher völkerrechtlicher Zuweisungsakt nachweisen ließ.347 Gemessen an diesem Maßstab erscheint jene Auffassung als eine fragwürdige Rechtsbehauptung, die entweder sämtlichen Vertragsstaaten der Vienna Ozone Convention aus dem Jahre 1985 kurzerhand unterstellt, sie hätten  – bei entsprechender Kenntnis des common concern-­Prinzips – auch den Schutz der Ozonschicht zur „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ erklärt, oder zumindest davon ausgeht, die Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention hätten nachträglich klarstellen wollen, dass der Status des common concern of humankind sich auch auf den Schutz der Ozonschicht erstreckt. Gerade die zuletzt genannte Annahme lässt sich bei einem genaueren Blick in die operativen Vorschriften der Klimarahmenkonvention nicht aufrechterhalten. Zwar fallen ozonschichtzerstörende Gase einerseits unter die Definition der Treibhausgase nach Art. 1 Nr. 5 Klimarahmenkonvention; doch ist andererseits zu beachten, dass in den meisten Spezialvorschriften der Klimarahmenkonvention nur von „Emissionen aller nicht durch das Montrealer Protokoll geregelten Treibhausgase“ die Rede ist.348 Die Dringlichkeit eines wirksamen Schutzes der Ozonschicht sowie der ausdrückliche Verweis auf jene Problematik in der Präambel der Klimarahmenkonvention genügen für sich genommen nicht, um den common concern of humankind-­Grundsatz zur Anwendung zu bringen. Die Auffassung von der Erstreckung des Prinzips auf den Ozonschichtschutz ist vielmehr ein Beispiel für Beiträge aus dem völkerrechtlichen Schrifttum, welche die tatsächliche Existenz von Prinzipien allein mit dem Argument begründen, sie seien zur Lösung von internationalen Umweltproblemen politisch unerlässlich oder ethisch wünschenswert und bei denen daher der politische oder philosophische Wunsch zum Vater des völkerrechtlichen Gedankens wird. Doch selbst als rechtspolitische Forderung erscheint es allzu undifferenziert, Umweltschutzfragen allein ihrer Dringlichkeit wegen in den Rang  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 274. Ausführlicher zu diesen komplexen Wechselwirkungen etwa der Schlußbericht der Enquéte-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ zum Thema: Mehr Zukunft für die Erde  – Nachhaltige Energiepolitik für dauerhaften Klimaschutz, BT-Ds. 12/8600 v. 31. Oktober 1994, S. 43 ff. 347  Siehe oben Dritter Teil, Kap. VIII. 1. a) und b) sowie III. 1. und 2. 348  So etwa in Art. 4 Abs. 2 b) (Reduktionsziel), nicht aber in Art. 4 Abs. 2 a) Satz 1 (Politiken und Maßnahmen) Klimarahmenkonvention, 31 ILM (1992), S. 850 f. 346

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IX. Entwicklung des common concern of humankind in der Vertragspraxis des …

eines Staatengemeinschaftsinteresses mit entsprechender erga omnes-Wirkung erheben zu wollen, zumal solche Vorschläge angesichts der bisherigen Staatenpraxis ohnehin wenig Aussicht auf Verwirklichung haben dürften. Nach alledem ist der Schutz der Ozonschicht bisher kein Schutzgegenstand des common concern of humankind-­Prinzips.

5 . Die „Umwelt als Ganzes“ als common concern of humankind? Schließlich zielen vereinzelt politische Erklärungen aus den letzten 30 Jahren darauf ab, das CCM-Prinzip auf die „Umwelt als Ganzes“ zu übertragen.349 So bezeichnet eine Erklärung der Commonwealth-Staaten aus dem Jahr 1989 die „Bedrohung der Umwelt“ als Ganzes als eine gemeinsame Sorge der Menschheit.350 Ein ähnlicher Ansatz liegt einer im Vorfeld der Rio-Konferenz abgegebenen Pekinger Ministerialerklärung der Entwicklungsländer zugrunde.351 Weiterhin findet sich dieser Ansatz in den Haager Empfehlungen zum Umweltvölkerrecht352 und wird gelegentlich durch einzelne Beiträge aus dem völkerrechtlichen Schrifttum unterstützt.353 Vorschläge in der Literatur, das common concern-Prinzip völkerrechtlich verbindlich auf die „gesamte Umwelt“ zu übertragen, stützen sich oftmals auf Art. 3 eines im Jahre 1995 von der International Union for the Conservation of Nature (IUCN) vorgelegten und zuletzt im Jahr 2010 überarbeiteten Entwurfs für den sogenannten „International Covenant on Environment and Development“, wo es kurz und bündig heißt: „The global environment is a common concern of humanity.“354

 Dieser Aspekt wurde bereits oben, Erster Teil, Kap. I. angerissen. Siehe zum Ganzen auch bereits Durner, Common Goods, S. 250 ff. 350  Commonwealth Heads of Government v. 21. Oktober 1989, abgedruckt in: Churchill/Freestone, International Law, S. 331 ff., Punkt 2: „The current threat to the environment which is a common concern of humankind, stems essentially from past neglect in managing the natural environment and resources (…)“. 351  Beijing Ministerial Declaration on Environment and Development, Beijing v. 19  June 1991, abgedruckt in: Churchill/Freestone, International Law, S. 362 ff., Punkt 2: „We affirm that environmental protection and sustainable development is a matter of common concern of humankind, which requires effective actions by the international community and provides an opportunity for global cooperation.“ 352  Hague Recommendations on International Environmental Law v. 16. August 1991, abgedruckt in: Bilderbeck, Biodiversity, S. 194 ff., Abs. 3 der Präambel lautet: „ (…) it should be accepted that the preservation of the environment is a common concern of humankind.“ 353  So etwa Davis, Areas of Common Concern, S. 63 ff. und neuerdings auch Stocker, Common Heritage, S. 140 ff., 211 ff. Aus dem älteren Schrifttum Schachter, 178 RdC (1982 V), S. 9 (201), der die gesamte „shared environment“ als Fall eines „common concern“ betrachtet, dies freilich Jahre vor der begrifflichen Verselbstständigung des CCM-Prinzips. 354  IUCN Environmental Law Programme (2010), Draft International Covenant on Environment and Development, Fourth Edition, S. 3, Art. 3. 349

5. Die „Umwelt als Ganzes“ als common concern of humankind?

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Zwar illustriert der soeben erwähnte Vorschlag seitens der IUCN als einer der wichtigsten nichtstaatlichen Organisationen im Umweltbereich das beachtliche Weiterentwicklungspotenzial des CCM-Prinzips. Allerdings spricht bereits der Wortlaut des IUCN-Entwurfs, der eben nicht von mankind spricht, sondern von humanity gegen die Annahme, die Vertragsstaaten hätten das CCM-Prinzip auf die „Umwelt als Ganzes“ erstrecken wollen. Ansichts des Umstands, dass der IUCN-Entwurf zeitlich nach der Verankerung des common concern-Prinzips in der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention verhandelt wurde und der Wortlaut von Artikel 3 auch in späteren Entwürfen unverändert geblieben ist, obwohl den Vertragsstaaten der common concern of humankind-Begriff geläufig war, scheidet mangels „planwidriger Regelungslücke“ auch eine Analogie von vornherein aus. Zudem dürfte eine derartig weit gefasste Anwendung des CCM-Prinzips nicht dazu beitragen, diesem Grundsatz Konturen zu verleihen und dadurch seine juristische Relevanz zu stärken. Als warnendes Beispiel dient der Begriff des common heritage of mankind, dessen inflationärer Gebrauch in der Vergangenheit eher dazu beigetragen hat, die juristische Bedeutung des common heritage-Prinzips zu verwässern, auch wenn er es popularisiert haben mag.355 Alle oben erwähnten Beiträge, die unreflektiert eine Übertragung des common concern-Prinzips auf die ökologische Frage im Allgemeinen fordern, greifen auf die oben im Rahmen der Einleitung bereits dargestellte deduktive Methode der Völkerrechtswissenschaft356 zurück. Das Gleiche gilt für die weiter unten im Rahmen der Diskussion über die rechtliche Bedeutung des common concern of humankind-Prinzips noch näher zu erläuternde Auffassung,357 nach welcher Inhalt und Anwendungsbereich des CHM-Prinzips weit zu fassen sein und daher auch das CCM-Prinzip als unselbstständiges „ökologisches Element“ des common heritage of mankind-Prinzips einschließen soll. Wer den Anwendungsbereich des common concern of humankind-Prinzips derartig weit fasst, setzt dieses für den Umweltschutz so wichtige Prinzip jedoch der Gefahr juristischer Beliebigkeit aus und nimmt ihm sein Potenzial, zu einem Schlüsselbegriff des Umweltvölkerrechts zu werden. Durch ein Leitprinzip mit einem allgemein konsentierten, klar umrissenen Anwendungsbereich und wohl definierten Rechtswirkungen kann die Staatengemeinschaft ihr Gemeinschaftsinteresse artikulieren, um eine Bekämpfung von globalen Umweltproblemen völkerrechtlich wirksam durchzusetzen.

 So deutlich für das common heritage of mankind-Prinzip Durner, Common Goods, S. 252.  Siehe Erster Teil, Kap. II. 357  Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a) dd) [Auffassung 3]. 355 356

X. Ergebnis zu Teil 3: Die geschichtliche Entwicklung und der bisherige Anwendungsbereich des common concern of humankind-Prinzips

Der Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des common concern of humankind-­ Prinzips hat zunächst einmal gezeigt, dass dieses Prinzip über eigenständige historische Wurzeln verfügt, die weit bis in die frühen Anfänge des Umweltvölkerrechts zurück reichen. In jenem frühen Entwicklungsstadium wird allerdings erstens der Begriff des common concern nicht terminologisch einheitlich verwendet. Zweitens zielt sein Inhalt nicht ausschließlich auf den Schutz verschiedener Umweltgüter ab, sondern erfasst daneben teilweise auch deren gerechte Verteilung und weist somit vereinzelt noch Überschneidungen mit der späteren common heritage-Idee auf. Drittens zielen sämtliche einschlägigen Übereinkommen des frühen Umweltvölkerrechts nur auf die Bewahrung bestimmter regionaler Umweltgüter ab, zumal sie lediglich zwischen den unmittelbar betroffenen Staaten der jeweiligen Region abgeschlossen wurden. Schließlich weist der common concern-Gedanke des frühen Umweltvölkerrechts auch insofern noch Gemeinsamkeiten mit dem späteren common heritage-Ansatz auf, als es in fast allen frühen Umweltschutzverträgen um die Bewahrung von Fischereibeständen geht, die sich außerhalb staatlicher Hoheitsgebiete und somit in den staatsfreien Räumen befinden. Soweit es um den Umweltschutz geht, soll das common concern auch im frühen Umweltvölkerrecht nicht nur für die gegenwärtige, sondern auch für die zukünftigen Menschheitsgenerationen bewahrt werden und dient daher ebenfalls einer Herstellung intergenerationeller Gerechtigkeit. Blickt man auf die frühen Wurzeln des CCM-Prinzips zurück, so weist dieses daher insgesamt noch recht uneinheitliche und unscharfe Konturen auf.1

 Siehe zu den älteren Wurzeln des common concern die Auführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. VII. 1

© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_10

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X. Ergebnis zu Teil 3: Die geschichtliche Entwicklung und der bisherige …

Die begriffliche Herkunft des common concern of humankind-Prinzips steht auch in der Folgezeit in einem engen Zusammenhang mit dem Prinzip des common heritage of mankind. Wie der Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des common heritage-Ansatzes gezeigt hat, sollte dieser von Anfang an dazu dienen, zur Herstellung intragenerationeller Gerechtigkeit eine gerechte Verteilung von Ressourcen sicherzustellen, die sich in bestimmten staatsfreien Räumen befinden. Es wurde bislang im Seerechtsübereinkommen und im Mondvertrag verankert, wo es jeweils den Rahmen für ein Nutzungs- und Verteilungsreime setzt, der aus fünf Kernelementen besteht: Aneignungsverbot, Demilitarisierungsgebot, Freiheit der wissenschaftlichen Forschung, Umweltschutz und wirtschaftliche Nutzung des entsprechenden Gebietes.2 Allerdings hat schließlich die Rückschau auf die historische Entwicklung beider Prinzipien ergeben, dass der common heritage-Gedanke, soweit es um den Schutz der Menschheit vor globalen Umweltproblemen geht, in der Staatenpraxis des modernen Umweltvölkerrechts vom common concern of humankind-Prinzip abgelöst worden ist, das letztendlich auf eine intergenerationelle Gerechtigkeit abzielt. Nach seiner erstmaligen Verankerung in der Klimarahmenkonvention im Jahre 1992 wurde das common concern of humankind-Prinzip auf der Rio-Konferenz im Jahre 1994 auch auf den Schutz der Biodiversität übertragen und in der Biodiversitätskonvention verankert. Sowohl der Klimawandel als auch der voranschreitende Verlust an Biodiversität wurden als genuin globale Umweltprobleme eingestuft, weil sie mit ihren Auswirkungen auf das globale Ökosystem und ihren Wechselwirkungen mit anderen Bestandteilen des Naturhaushalts für alle Staaten der Welt nachteilige Folgen nach sich ziehen. In beiden Fällen erwies sich der common heritage of mankind-­Grundsatz aufgrund seiner völkerrechtlichen Implikationen für die Souveränität vieler Vertragsstaaten als ungeeignet zur Lösung des jeweiligen globalen Umweltproblems und wurde daher vom common concern of humankind als Leitprinzip abgelöst. Zugleich wurde sowohl in der Klimarahmenkonvention als auch in der Biodiversitätskonvention von den Vertragsstaaten klargestellt, dass einerseits ihre Staatssouveränität vom common concern of humankind-Prinzip unangetastet bleibt, sie aber andererseits im Sinne des Prinzips 21 auch mit ihren Ressourcen auf eine Art und Weise verfahren werden, die sich mit der Bekämpfung des Klimawandels bzw. mit dem Schutz der Biodiversität verträgt. Bisherige Versuche, das common concern of humankind-Prinzip auf den Waldschutz und die Bekämpfung der Wüstenbildung zu übertragen, sind vorerst gescheitert. Auch lässt sich der Schutz der Ozonschicht durch die Vienna Ozone Convention nicht im Lichte der späteren Entwicklung des CCM-Prinzips nachträglich als common concern of humankind qualifizieren. Genausowenig stellt die „Umwelt als Ganzes“ einen Anwendungsfall des common concern-Prinzips dar. Stattdessen sollte  Siehe zur Entwicklungsgeschichte des common heritage of mankind und seinen bisherigen Anwendungsfällen die Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. VIII.

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X. Ergebnis zu Teil 3: Die geschichtliche Entwicklung und der bisherige …

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anhand der induktiven Methode des Völkerrechts das CCM-Prinzip auch in Zukunft weiterhin behutsam auf einzelne Problemfelder  – wie etwa die Bekämpfung des voranschreitenden Ozonschichtabbaus, den Anstieg des Meeresspiegels sowie die Erhaltung von Waldbeständen, Süßwasserressourcen und M ­ eeressäugetieren – ausgedehnt werden,3 um auf diese Weise die juristische Relevanz des common concern of humankind-Prinzips zu stärken.4

3  Ähnlich für den Waldschutz, die Süßwasserressourcen und den Schutz der Meeressäugetiere bereits Durner, Common Goods, S. 275 und insbesondere in Fn. 202. 4  Siehe zur Entwicklungsgeschichte des common concern of humankind und seinen bisherigen Anwendungsfällen in der Staatenpraxis des modernen Umweltvölkerrechts die Ausführgungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX.

Vierter Teil

Völkerrechtliche Bedeutung des common concern of humankind

Nachdem im ersten Teil zunächst der philosophische Hintergrund der common concern of humankind-Idee herausgearbeitet und im zweiten Teil seine Entstehungsgeschichte beschrieben worden ist, wenden wir uns vor diesem Hintergrund nunmehr im dritten Teil der Frage zu, welchen Inhalt das common concern of humankind im geltenden, „positiven“ Völkerrecht hat. Dabei wird die Antwort unter fünf verschiedenen Aspekten eingekreist: Zunächst wird der Blick auf die internationale Umweltschutzordnung erweitert und untersucht, wie der common concern-Grundsatz räumlich und funktional in den größeren Rahmen der völkerrechtlichen Umweltschutzprinzipien einzuordnen ist und in welchem Verhältnis er zum Souveränitätsprinzip steht (Kapitel XI.). Anschließend wird das common concern of humankind-Prinzip zur weiteren Konturierung von seinem „Vorläufermodell“, dem common heritage of mankind-Prinzip abgegrenzt (Kapitel XII.). Aus einer völkerrechtstheoretischen Perspektive wird sodann dargelegt, weshalb die „gemeinsame Sorge der Menschheit“ (common concern of humankind) als ein jüngeres Prinzip des Umweltvölkerrechts zu qualifizieren ist und wie es als Prinzip innerhalb und außerhalb der von ihm erfassten Regime wirkt. (Kapitel XIII.). Anschließend wird ausführlich auf die Diskussion über die Auslegung des CCM-­Begriffs eingegangen, um anhand klassischer Auslegungsmethoden seine genaue völkerrechtliche Bedeutung herauszupräparieren (Kapitel XIV. 1.). An dieser Stelle gelangt die Arbeit zu dem Ergebnis, dass das common concern of humankind-Prinzip bereits vorhandene Verpflichtungen zum Schutz einzelner „globaler“ Umweltgüter in den Rang einer erga omnes-Verpflichtung hebt und daher alle Staaten eine Verletzung derartiger Rechtspflichten geltend machen können. Auf dieser Grundlage wird anschließend unter Rückgriff auf das Recht der Staatenverantwortlichkeit sowie den Begriff des Staatengemeinschaftsinteresses die Eigenschaft des CCM-Prinzips als Staatengemeinschaftsnorm untermauert (Kapitel XIV. 2.) und dargelegt, welche vertraglichen Verpflichtungen im globalen Klimaund Artenschutz auf der Primärebene von der erga omnes-Wirkung erfasst werden (Kapitel XIV. 3.), um schließlich seine sekundärrechtlichen Rechtsfolgen aufzuzeigen (Kapitel XV.)

XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand völkerrechtlicher Umweltschutzprinzipien

Zunächst wird versucht, das common concern of humankind-Prinzip vor dem Hintergrund seiner Entwicklungsgeschichte1 gleichsam „aus der Vogelperspektive“ in den „Kanon“ der bislang anerkannten Umweltschutzprinzipien des Völkerrechts2 räumlich-funktional einzuordnen. Hierbei wird zum einen in Abgrenzung zu anderen Schutzprinzipien der räumliche Anwendungsbereich des CCM-Prinzips skizziert. Zum anderen wird zugleich eine Aussage darüber getroffen, welche funktionale Rolle dem common concern-Prinzip im größeren Ordnungsrahmen3 der bisherigen Umweltschutzprinzipien zukommt. Mit dieser „Verortung“ des CCM-Prinzips im Umweltvölkerrecht soll vor allen Dingen aufgezeigt werden, dass jenes Prinzip nicht nur notwendig, sondern auch geeignet ist, eine an Bedeutung gewinnende Rechtsschutzlücke im internationalen Umweltschutz zu schließen. Zugleich sollen mit Blick auf das später zu skizzierende Weiterentwicklungspotenzial des CCM-Prinzips4 die räumlich-funktionalen Grenzen für seine Übertragung auf weitere Anwendungsfälle in der Zukunft abgesteckt werden.  Siehe Dritter Teil.  Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, werden hierbei nur die wichtigsten bisherigen Prinzipien in ihrem Verhältnis zum common concern of humankind-Prinzip systematisch aufgearbeitet. 3  Von einem solchen „Ordnungsrahmen“ bestehender Umweltschutzprinzipien scheinen z. B. Kiss, Riphagen, Wolfrum, Brunnée, Patronos, Schneider und Rublack auszugehen. So hat Kiss, International Protection, in: Macdonald/Johnston, Structure and Process, S. 1069 ff. einen besonders illustrativen Ordnungsrahmen entwickelt. Ähnliche Vorstellungen finden sich bei: Riphagen, International Concern, in: Bothe, Trends, S. 343 ff.; Wolfrum, 33 GYIL (1990), S. 308 ff.; Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 ff.; Schneider, World Public Order, S. 19-74, der grundsätzlich zwischen Prinzipien der Verfügungsberechtigung über die Ressourcen, Regelung der Ressourcennutzung und dem Ressourcenzugang differenziert; sehr weitgehend Patronos, Der konzeptionelle Ansatz, S. 253 ff.; Rublack, Transfer, S. 120 ff. 4  Siehe Zusammenfassung in Thesen. 1 2

© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_11

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

Die meisten Umweltbeeinträchtigungen sind grenzenlos, und dass internationale Umweltprobleme auf nationalstaatlicher Ebene alleine nicht bewältigt werden können, sondern sich nur auf globaler Ebene effektiv bekämpfen lassen, gilt mittlerweile als Binsenweisheit der internationalen Umweltschutzpolitik.5 Das historisch gewachsene Prinzip der staatlichen Souveränität6 räumt den einzelnen Staaten die ausschließliche Zuständigkeit für einen bestimmten Raum auf der Erde ein.7 Nach wie vor sind souveräne Staaten die dominierenden Akteure in den internationalen Beziehungen, die „Herren der Völkerrechtsordnung“.8 Als originäre Völkerrechtssubjekte bilden Nationalstaaten daher für Umweltbeeinträchtigungen die zentrale und oberste „Zurechnungseinheit“ und sind somit die primären Adressaten eines globalen Umweltschutzes durch Völkerrecht. Während es im Zeitalter des herkömmlichen Koexistenzvölkerrechts zunächst noch darum ging, rein zwischenstaatliche Souveränitätskonflikte zu bewältigen, die aus grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen resultieren, ist das moderne Umweltvölkerrecht der Kooperation bis heute von dem Versuch getragen, die gemeinnützigen Erfordernisse des globalen Umweltschutzes gegen egoistische Sonderinteressen der einzelnen Staaten durchzusetzen und daher die nationalstaatliche Souveränität im Interesse eines internationalen Umweltschutzes sukzessive einzuschränken. Von jeher diente das Umweltvölkerrecht als Instrument, um den Souveränitätspanzer der Nationalstaaten – so wenig wie möglich, aber so weit wie nötig – zugunsten eines nachbarrechtlichen oder internationalen Umweltschutzes zu „durchlöchern“. Sämtliche bisherige Prinzipien des Umweltvölkerrechts haben sich somit als jeweils unterschiedlich ausgeprägte Beschränkungen der territorialen Souveränität nationaler Staaten herausgebildet. Für eine verständige und verständliche räumlich-­funktionale Einordnung des common concern of humankind-Prinzips in den Bestand der bisherigen Umweltschutzprinzipien markiert das Prinzip der territorialen Souveränität daher den zentralen Ausgangspunkt.

1 . Das Prinzip der territorialen Souveränität als Ausgangspunkt Die Existenz staatlicher Souveränität teilt die globale Umwelt in unterschiedliche Rechtsräume auf.9 Will man den bisherigen Bestand der anerkannten Umweltschutzprinzipien strukturieren und das common concern of humankind-Prinzip  Siehe etwa Kloepfer, Umweltrecht, S. 811 ff.  Zur geschichtlichen Entwicklung des Souveränitätsbegriffs siehe u. a. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 31 ff.; Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 96 ff., 130, 197 ff., 201, 211 ff., 381, 487 f., 592 f., 623 ff., 639 ff., 763 ff.; ausführlich zur Souveränitätstheorie Jean Bodins: von der Heydte, Die Geburtsstunde des souveränen Staates. 7  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 25. 8  Ähnlich Vitzthum, in: Ders. (Hrsg), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 8: „Nach wie vor sind die Staaten die Herren der Völkerrechtsordnung“;  siehe auch Hunter/Salzman/Zaelke, IEL, S. 326; Verdross/ Simma, 31 f.; Kloepfer, Umweltrecht, S. 628. 9  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 69. 5 6

1. Das Prinzip der territorialen Souveränität als Ausgangspunkt

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räumlich-funktional einordnen, so ist diese Parzellierung der Umwelt in verschiedene Rechtsräume von entscheidender Bedeutung, weil sie den r­äumlich-funktionalen Anwendungsbereich aller bisherigen Schutzprinzipien und damit auch jenen des CCM-Prinzips in gewisser Weise determiniert.10

a) Aufteilung der Umwelt in unterschiedliche Rechtsräume Das Umweltvölkerrecht arbeitet mit der Fiktion, die Umwelt lasse sich in verschiedene Räume aufteilen, die voneinander abgrenzbar und daher auch rechtlich unterschiedlich zu behandeln seien.11 Die Umwelt – eine natürlich zusammenhängende und komplexe Einheit vielfältiger biotischer und klimatischer Faktoren, die ein interdependentes Ökosystem bilden und auf einzelne Organismen und deren ökologische Gemeinschaft einwirken12 – wird demnach rechtlich gerade nicht als Einheit, sondern als eine Zusammenfassung verschiedener Rechtsräume betrachtet, sodass Wirklichkeit und Recht auseinanderfallen.13 Eine einheitliche rechtliche Behandlung der Umwelt findet eben gerade nicht statt.14 Vielmehr führt die Existenz territorialer Souveränitätsrechte der Staaten über „ihre“ Umweltsegmente zu einer „Departementalisierung der Umwelt“15 in verschiedene Rechtsräume.16 Von Brownlie als In den Worten von Alan James ist Souveränität  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XI. 1. a) und 2.  So prägnant Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 69, die an anderer Stelle zutreffend darauf hinweist, das (Völker-) Recht arbeite „im Bereich der Umwelt mit der Fiktion der Aufteilbarkeit einer“ an sich „nicht aufteilbaren Einheit. Recht und Wirklichkeit fallen auseinander“, siehe dies., Umweltpflichtigkeit, S. 23. Wolfrum bezeichnet das gleiche Phänomen als „Widerspruch zwischen der territorialen Abgrenzung der einzelstaatlichen Hoheitsbereiche und der Tatsache, dass sich wichtige Umweltmedien national weder schützen noch verwalten lassen“, siehe ders., in: Dahm/Delbrück/ Wolfrum, Völkerrecht, 2. Aufl., S. 442. Bezogen auf das Umweltmedium Luft weist Wolfrum darauf hin, „dass das Phänomen der grenzüberschreitenden Luftverschmutzung erst durch die Existenz von Staatsgrenzen zum juristischen Problem wird“, siehe ders., DVBl. 1984, S. 493 (493). 12  Diese Definition stammt aus der Literatur: Handl, 69 AJIL (1975), S. 50 (53), Brunnée, Entwicklungen, S. 1, Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 97 und Proelß, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg), Völkerrecht, 8. Aufl., S. 532. In den wesentlichen völkerrechtlichen Übereinkommen und Dokumenten hat sich bislang keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Umwelt“ herausgebildet. Vielmehr umgehen die meisten Konventionen das Definitionsproblem, zumal es sich bei dem Begriff der „Umwelt“ in den Worten von Caldwell (International Environmental Policy and Law, 1. Aufl. 1980, S. 170) um einen Terminus handelt, „(…) that everyone understands and no one is able to define“. Nur vereinzelt finden sich Definitionsansätze. Siehe dazu ausführlich Birnie/ Boyle, International Law and the Environment, S. 2 f. 13  Siehe Brunnée, Entwicklungen, S.  4; Zehetner, Verfahrenspflichten, in: Bothe/Prieur/Ress, Rechtsfragen grenzüberschreitender Umweltbelastungen, S. 43 (47); Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 97. 14  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 97. 15  Der Ausdruck „Departementalisierung“ der Umwelt stammt von Picht, ZRP 1971, S. 152 (157). 16  Streng genommen geht die Parzellierung der Umwelt in verschiedene Rechtsräume über die oben skizzierte Dreiteilung hinaus; denn in jedem Hoheitsgebiet herrschen unterschiedliche Um10 11

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

„the one and only organising principle in respect in respect of the dry surface of the globe, all that surface now (…) being divided among single entities of a sovereign or (...) kind“.17

Im Ausgangspunkt stehen jedem Staat seine territorialen Souveränitätsrechte über seine Umwelt zunächst einmal zweckfrei zu. Wie er seine Handlungs- und Entscheidungsrechte über „sein Umweltsegment“ ausübt, bleibt jedem Staat selbst überlassen.18 In jedem Raum, der territorialen Souveränitätsrechten unterworfen ist, können daher unterschiedliche Umweltstandards herrschen, je nachdem, wie der jeweilige Staat seine territorialen Souveränitätsrechte ausübt. Überspitzt formuliert wird die globale Umwelt infolge der territorialen Souveränitätsrechte aller Nationalstaaten in mindestens so viele Rechts- und damit Schutzräume aufgespalten, wie es Staaten auf der Erde gibt.19 Für das Völkerrecht als dezentrale Rechtsordnung der zwischenstaatlichen Beziehungen20 sind alle gegenwärtig 194 Rechtsräume21 mit ihren unterschiedlichen nationalen Umweltrechtsordnungen allerdings nur relevant, soweit diese auch tatsächlich vom Völkerrecht beeinflusst werden, weil die betreffenden Nationalstaaten jeweils ihre internationalen Verpflichtungen aus bilateralen oder multilateralen Übereinkommen zu erfüllen suchen. Betrachtet man die völkervertraglichen und völkergewohnheitsrechtlichen Schutzprinzipien des Umweltvölkerrechts, die sich durch eine breite Staatenpraxis entwickelt haben und daher von allen Staaten bei der Auslegung und Anwendung völkerrechtlicher Übereinkommen zu beachten sind, so sind etwaige Unterschiede zwischen den einzelnen nationalen Umweltrechtsordnungen ohnehin von untergeordnetem Interesse. Für die Zwecke der vorliegenden Einordnung des common concern of humankind-Prinzips in den Bestand der bisherigen Umweltschutzprinzipien können deshalb alle Räume, die sich innerhalb staatlicher Territorien befinden, zu einer „völkerrechtlichen Raumkategorie“ zusammengefasst werden. Somit ergibt sich im Hinblick auf die Ausübung von Souveränitätsrechten in räumlicher Hinsicht insgesamt eine (grobe) Aufteilung in drei unterschiedliche Kategorien von Rechtsräumen22 auf der Erde: Zunächst fallen – erstens – jene Umweltsegmente, die sich innerhalb der Hoheitsgebiete der jeweiligen Staaten befinden, unter deren territoriale Souveränität.23 Sodann weltschutzstandards, je nachdem, auf welche Weise der jeweilige Staat seine territorialen Souveränitätsrechte ausübt. Überspitzt ausgedrückt wird die Umwelt mithin durch die Existenz territorialer Souveränitätsrechte in mindestens so viele Rechts- und Umweltschutzräume aufgeteilt, wie es Staaten gibt; ähnlich bereits Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 69. 17  James, Sovereign Statehood. The Basis of International Society, S. 34. 18  So Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 69. 19  Siehe zum Ganzen ausführlich Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 69 und 96 f. 20  Vitzthum, in: Ders. (Hrsg), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 7. 21  Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (21. Juli 2019) gibt es 194 souveräne Staaten, darunter alle Mitgliedsstaaten der UN sowie den Vatikan. 22  Diese grobe Aufteilung in drei unterschiedliche völkerrechtliche Rechtsräume in Bezug auf die Ausübung von Souveränitätsrechten wird am klarsten vorgenommen von Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 69 ff. 23  Siehe zum Prinzip der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen als Ausprägung der territorialen Souveränität sogleich weiter unten, Vierter Teil, Kap. XI. 1. b).

1. Das Prinzip der territorialen Souveränität als Ausgangspunkt

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sind – zweitens – die sogenannten „staatsfreien Räume“ frei von staatlicher Souveränität und damit zugleich frei von territorialen Souveränitätsrechten einzelner Staaten über die Umwelt.24 Sie stehen kraft Natur der Sache grundsätzlich allen Staaten zur Ausbeutung offen, sodass die nationalen Rechtssysteme dort gleichberechtigt mitei­ nander konkurrieren.25 Dazwischen anzusiedeln sind – drittens – jene Räume bzw. Umweltgüter, die weder gänzlich frei von territorialen Souveränitätsrechten einzelner Staaten noch eindeutig der Souveränität eines einzelnen Staates zuzuordnen sind. Zu dieser dritten Raumkategorie zählen zum einen die Räume im Bereich der maritimen Gewässer (Festlandsockel und ausschließliche Wirtschaftszone), in denen Staaten zwar ebenfalls Souveränitätsrechte über die Natur innehaben, die jedoch nicht allumfassend zu verstehen, sondern partiell auf die Ausbeutung der entsprechenden Ressourcen begrenzt sind.26 Zum anderen fallen darunter die sogenannten „gemeinsamen Ressourcen“ (shared resources), die sich zwar einerseits nicht oder jedenfalls nicht ohne Weiteres der Souveränität eines einzelnen Staates zuordnen lassen, andererseits jedoch wegen der begrenzten Anzahl zugriffsberechtigter Staaten auch nicht als hoheitsfrei angesehen werden können.27 Für diese drei Kategorien von Räumen auf der Erde gelten somit grundsätzlich jeweils unterschiedliche umweltvölkerrechtliche Prinzipien.28

b ) Das Prinzip der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen Für die erste Kategorie von Räumen, die sich im Hoheitsgebiet eines Staates befinden, gilt zunächst einmal das älteste und anerkannteste Prinzip der territorialen Souveränität.29 Im Umweltkontext firmiert dieser Rechtssatz gewöhnlich als Prinzip der „nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen“ (permanent sovereignty over natural resources),30 welches der Völkerrechtler Schwarzenberger als „primitivste Form der  Siehe zum Begriff der „staatsfreien Räume“ die grundlegenden Ausführungen von Wolfrum, Internationalisierung, S. 4 ff. Siehe zu den Prinzipien als Instrumente gegen Umweltbelastungen in den staatsfreien Räumen die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XI. 2. d). 25  Wolfrum, Internationalisierung, S. 8 f. 26  Siehe hierzu eingehend Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 46 ff. und 56 ff. Siehe dazu die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) bb) (2) am Ende. 27  Siehe Durner, Common Goods, S. 74. Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XI. 2. c). 28  In ähnlicher Form findet sich diese Aufteilung in eine Prinzipientrias bei Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 46 ff. und 56 ff.; Barberis, International Groundwater Resources Law, S. 23 f.; Durner, Common Goods, S. 75; Cano, Trends, in: Dupuy (Hrsg.), L’Avenir du droit international de l’environment, S. 401, 403 m.w.N. 29  Aus der reichhaltigen Literatur zur Souveränität sind hervorzuheben Bleckmann, 23 AVR (1985), S. 450 ff.; Wildhaber, Sovereignty and International Law, in: Macdonald/Johnston (Hrsg.), The Structure and Process of International Law, S. 425 ff. 30  Siehe zu den umweltschutzrelevanten Aspekten jenes Prinzips insbesondere die Untersuchungen von Schrijver, Sovereignty over Natural Resources; Odendahl, Umweltpflichtigkeit der Souveränität; Hinds, Umweltrechtliche Einschränkungen der Souveränität; Perrez, 26 Environmental Law 24

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

Betätigung politischer Souveränität“ bezeichnet hat.31 Wenn im Folgenden überwiegend die Bezeichnung „nationale Verfügung über natürliche Ressourcen“ verwendet wird, so liegt darin erstens ein Zugeständnis an den „nahezu einhelligen S ­ prachgebrauch in der Praxis und Wissenschaft des Umweltvölkerrechts“.32 Zweitens verdeutlicht diese Formulierung den besonderen gegenständlichen Bezug zur natürlichen Umwelt klarer als der relativ konturenlose traditionelle Souveränitätsbegriff und drittens ist sie gerade für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung besser geeignet, die ohnehin nicht sämtliche Aspekte der Souveränität, sondern allein jene Aussagen aufgreift, „die das Prinzip im Hinblick auf die Verfügungsgewalt von Staaten über ihre Ressourcen trifft“.33 Trotz seiner tiefen Verwurzelung im Kernbestand des Völkerrechts wird das Prinzip der territorialen Souveränität angesichts der globalisierten Umweltproblematik zunehmend als Hindernis für einen effektiven internationalen Umweltschutz empfunden und daher eine sukzessiven Abkehr vom Prinzip der nationalstaatlichen Souveränität zu einem System kollektiver Interessen befürwortet.34 In dieser allgemeinen Haupttendenz des Umweltvölkerrechts werden gerade die neueren Konzeptionen des common heritage und des common concern of humankind sowohl in der internationalen Politik als auch im völkerrechtlichen Schrifttum als Vehikel angesehen, mittels derer aus verteilungs- oder umweltpolitischen Motiven heraus stärkere völkerrechtliche Einflussmöglichkeiten der internationalen Staatengemeinschaft abgeleitet werden.35 Dies vermag allerdings nichts daran zu ändern, dass der Grundsatz der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen weiterhin die Regel bleibt, zu welcher die meisten Prinzipien des Umweltvölkerrechts  – darunter insbesondere das common concern-Prinzip – bloße Ausnahmen begründen. aa) Historische Entwicklung Seine maßgebliche Ausprägung im Umweltvölkerrecht erhielt das Prinzip der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen durch seine Formulierung in Prinzip 21 der Stockholm-Declaration36 aus dem Jahr 1972. Dort heißt es: (1996), S. 1187 ff. Siehe zudem Durner, Common Goods, S. 38 ff.; Schrijver, „Natural Resources, Permanent Sovereignty over“, in: MPEPIL online (2008), abrufbar unter: www.mpepil.com 31  Schwarzenberger, 17 Current Legal Problems (1964), S. 184 (194): „They are evidence of the reassertion of political sovereignty in its most primitive form: the supremacy of politics irrespective of, and if necessary against, the law.“ 32  Diese terminologische Vorgehensweise ist angelehnt an Durner, Common Goods, S. 38. 33  So ausdrücklich Durner, Common Goods, S. 38 f.; Wolfrum, Internationalisierung, S. 8 f. 34  Ähnlich vor allem bereits Durner, Common Goods, S. 39; Siehe Kiss/Shelton, International Environmental Law, S.  18; Bragdon, 33 Harvard ILJ (1992), 381  ff.. Siehe dazu auch bereits die Ausführungen zum Begriff der „Staatengemeinschaftsinteressen“, Vierter Teil, Kap. XIV. 35  So Durner, Common Goods, S.  39; ähnlich Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 18. Siehe zum Schlüsselbegriff des „Staatengemeinschaftsinteresses“, Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b) aa). 36  Durner, Common Goods, S. 39. Siehe zur Stockholm-Konferenz Sohn, 14 Harvard ILJ (1973), S. 423 ff.; Hohmann, Präventive Rechtspflichten, S. 59 ff.; Schrijver, Sovereignty, S. 120 ff.; Ki-

1. Das Prinzip der territorialen Souveränität als Ausgangspunkt

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„States have, in accordance with the Charter of the United Nations and the principles of international law, the sovereign right to exploit their own resources pursuant to their own environmental policies, and the responsibility to ensure that activities within their jurisdiction or control do not cause damage to the environment of other States or of areas beyond the limits of national jurisdiction.“37

Während der erste Halbsatz das eigentliche Prinzip der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen enthält, formuliert der zweite Halbsatz seine immanente Schranke und „Kehrseite“, das sogenannte „Verbot erheblicher grenzüberscheitender Umweltbeeinträchtigungen“.38 Zwar ist auch die Stockholm-Declaration selbst als bloße Rechtsbekundung jedenfalls völkerrechtlich nicht bindend. Doch gilt Prinzip 21 nach mittlerweile nahezu einhelliger Auffassung als Ausprägung eines völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatzes,39 weshalb es in der Literatur auch oftmals als Stockholmer Grundregel des Völkergewohnheitsrechts bezeichnet wird.40 Seither ist diese Formulierung so selbstverständlich geworden, dass die Ursprünge beider in ihr enthaltenen Rechtssätze oftmals in Vergessenheit geraten.41 So wird bisweilen in Teilen der Literatur zur Herkunft des Prinzips der nationalen Verfügung bzw. der territorialen Souveränität über natürliche Ressourcen ausgeführt, die Verfügungsgewalt sei unter der Bezeichnung permanent sovereignty over natural resources erst im Zuge der weiter oben skizzierten Debatte über eine neue Weltwirtschaftsordnung42 auf die Bühne des Völkerrechts getreten und habe sodann auf der UN-Umweltkonferenz im Jahre 1972 im Prinzip 21 der Stockholm-Declaration seinen wesentlichen Inhalt und seine maßgebliche Gestalt verliehen bekommen.43 Hierbei wird das Recht souveräner Staaten, ihre eigene Umwelt auszubeuten und gegebenenfalls sogar zu zerstören, etwa im Zusammenhang mit dem Schutz ­tropischer Regenwälder  – je nach Blickwinkel und Interessenlage  – als mühsam lian, Umweltschutz durch IO, S. 234 ff. Siehe allgemein zur historischen Entwicklung des Prinzips Schrijver, „Natural Resources, Permanent Sovereignty over“, in: MPEPIL online (2008), Rn. 5–19, abrufbar unter: www.mpepil.com 37  Stockholm Declaration, 11 ILM (1972), S. 1614 ff. 38  Siehe dazu weiter unten, Vierter Teil, Kap. XV. 1. b) cc) und 2. b). Siehe dazu etwa Durner, Common Goods, S. 40, Fn. 8: Dieses Verbot wird oftmals (z. B. von Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), 1. Aufl., Völkerrecht, S. 459) aus der sogenannten Regel „sic utere tuo ut alienum non laedas“ hergeleitet, deren genauere völkerrechtliche Bedeutung allerdings sehr umstritten ist. Hinds, 30 AVR (1992), S.  298 (324), hat mit überzeugenden Argumenten dargelegt, dass diese Regel und der Nachbarschaftsgrundsatz identisch sind. Anders aber etwa Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 208 ff. 39  Vgl. Kiss/Shelton, International Environmental Law, S.  129; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S.  44;  deutlich zurückhaltender Brownlie, 162 RdC I (1979), S.  245 (261  ff.); Hyde, 50 AJIL (1956), S. 854 (862). Siehe zur mittlerweile völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) aa) (3) am Ende. 40  Ähnlich vor allem bereits Durner, Common Goods, S. 40 unter Bezugnahme auf Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., § 9 Rn. 71. 41  Siehe dazu und zum Ganzen bereits umfassend Durner, Common Goods, S. 40. 42  Siehe weiter oben, Dritter Teil, Kap. VIII. 1. 43  So insbesondere Perrez, 26 Environmental Law (1996), S.  1187  ff. und ihm folgend Durner, Common Goods, S. 40.

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

erkämpftes Privileg der Entwicklungsländer44 oder umgekehrt als umweltpolitischer Sündenfall45 dargestellt.46 Wie Durner überzeugend dargelegt hat, ist diese Sichtweise auf die Ursprünge jenes Prinzips im völkerrechtlichen Schrifttum genauso weitverbreitet wie historisch irreführend, überschätzt sie doch den eigenständigen originären Inhalt des Prinzips der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen und übersieht, dass es sich im Grunde um „alten Wein in neuen Schläuchen“ handelt.47 Die entscheidenden völkerrechtlichen Implikationen des Prinzips der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen waren, jedenfalls soweit es um den internationalen Umweltschutz geht, bereits vor der Wirtschaftsordnungsdebatte der 1970er-Jahre fest im traditionellen Konzept der territorialen Souveränität verankert.48 (1) Das ursprüngliche (traditionelle) Konzept der territorialen Souveränität Staatensouveränität ist die grundlegendste und älteste Maxime des geltenden Völkerrechts. Schon lange vor der Herausbildung des Umweltvölkerrechts war es eine weitverbreitete Rechtsüberzeugung, dass Umweltgüter innerhalb nationaler Grenzen unter die territoriale Souveränität der jeweiligen Staaten fallen und diese daher berechtigt sind, ihre Ressourcen zu nutzen, zu verschmutzen und auszubeuten.49 Stellvertretend für viele Völkerrechtler erklärte von Martens bereits im Jahre 1883 bei seinem Versuch, den Umfang der territorialen Souveränität zu umschreiben, der Staat sei gleichsam „Eigentümer seines Staatsgebiets“.50 Im traditionellen Völkerrecht gaben allerdings Ressourcen selten Anlass zu Rechtsstreitigkeiten; daher wurde die Verfügungsgewalt der Nationalstaaten über ihre eigenen Ressourcen als selbstverständliche Konsequenz ihrer Souveränität damals wohl auch nicht eigenständig in völkerrechtlichen Verträgen verankert.51 Erstmals ausdrücklich erwähnt wurde dieser Souveränitätsaspekt erst im Zusammenhang mit dem internationalen Umweltschutz, das heißt gerade in einem Teilbereich des Völkerrechts, in welchem „erstmalig vertraglich Ausnahmen von der ungeschriebenen Regel der unbegrenzten territorialen Souveränität über Umweltgüter vereinbart wurden“.52 Zu Recht  Siehe statt vieler nur Mickelson, in: Canadian Council on International Law (Hrsg.), Global Forests and International Law (1996), S. 239, 242 ff. sowie Sands, Principles, 1. Aufl., S. 187. 45  So Durner, Common Goods, S. 40 unter Rückgriff auf Bragdon, 33 Harvard ILJ (1992), S. 387.  46  Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 40. 47  So bildlich Durner, Common Goods, S. 38. 48  Siehe zum Ganzen erneut Durner, Common Goods, S. 40 f. 49  Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 41. 50  Von Martens, Traité de Droit International, S. 452: „(…) on peut dire qu´il est propriétaire de son territoire“). Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 41 Fn. 15. 51  Näheres dazu bei Brownlie, 162 RdC (1979 I), S. 245 (253) und Durner, Common Goods, S. 41. 52  So ausdrücklich und zum Ganzen Durner, Common Goods, S. 41. So heißt es in der bereits 1933 abgeschlossenen Convention Relative to the Preservation of Fauna and Flora in their Natural State (London, 8 November 1933), 172 LNTS (1936), S. 241 ff., in Art. 9 Abs. 6: „(…) all trophies 44

1. Das Prinzip der territorialen Souveränität als Ausgangspunkt

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wird in der Literatur darauf hingewiesen, auch in der völkerrechtlichen Praxis hätten die Staaten stets „das Recht für sich in Anspruch genommen, selbst und ohne internationale Einmischung darüber zu befinden, ob und auf welchem Niveau sie ‚ihre‘ nationale Umwelt zerstören oder erhalten“.53 Von jeher ist das souveräne Recht der Nationalstaaten zur Verfügung über die eigene Umwelt daher ein traditioneller Bestandteil des geltenden Völkerrechts, dessen Gültigkeit als grundlegendes Prinzip außer Frage steht. Erst neuere Entwicklungen – wie der common concern of humankind-Ansatz – werfen ein anderes Licht auf die umweltbezogenen Aspekte der territorialen Souveränität, das noch genauer zu untersuchen sein wird.54 Doch auch der zweite Teil der Stockholmer Grundregel des Völkergewohnheitsrechts – das nachbarrechtliche Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen – ist letztlich eine Konsequenz des traditionellen völkerrechtlichen Souveränitätsbegriffs.55 Als wichtigste Schranke der territorialen Souveränität folgt sie selbst aus der Souveränität aller Nachbarstaaten, deren territoriale Integrität durch erhebliche Umweltbeeinträchtigungen verletzt zu werden droht.56 Mit ­dieser Argumentation erkannte bereits im Jahre 1939 erstmalig ein internationales Schiedsgericht in der Trail Smelter Arbitration das Verbot grenzüberschreitender Umweltbelastungen als einen Bestandteil des geltenden Völkerrechts an.57 Verworfen wurde damit der ursprüngliche absolute Souveränitätsbegriff des 19. Jahrhunderts, wonach territoriale Souveränität stets ohne jedwede Rücksicht auf die Integrität anderer Nationalstaaten ausgeübt werden konnte.58 Somit waren die of animals found dead, or accidentally killed, or killed in defence of any person, shall, in principle, be the property of the Government of the territory concerned, and shall be disposed of according to regulations introduced by that Government (…)“. Die Konvention war eines der ersten umweltvölkerrechtlichen Übereinkommen überhaupt, weshalb die beteiligten Vertragsstaaten die dort vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit bei der Errichtung und Verwaltung von Nationalparks zum Anlass nahmen, diese damals bereits selbstverständliche Eigentumszuordnung noch einmal rechtsverbindlich klarzustellen. Siehe zum Ganzen Durner, Common Goods, S. 41. 53  So Durner, Common Goods, S. 41 unter Bezugnahme auf einen früheren Beitrag von Brown Weiss, 81 Georgetown Law Review (1993), S. 675 (705): „(…) states have traditionally asserted the right to pollute at self-determined levels“. 54  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 4. 55  Ähnlich bereuts Durner, Common Goods, S. 42. 56  Siehe zur nachbarlichen Integrität als immanente Schranke der territorialen Souveränität die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) cc). Siehe dazu vor allem Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 508 f. und Durner, Common Goods, S. 42. 57  Trail Smelter Arbitration, 33 AJIL (1939), S. 182 ff. sowie 35 AJIL (1941), S. 684 ff. Allerdings ist die vom Schiedsgericht gelieferte Begründung im Einzelnen durchaus umstritten in der Literatur. So gelangt Rubin, 50 Oregon LR (1971), S. 259 (281) zu der Einschätzung, inhaltlich sei die Entscheidung „founded on a mistaken analogy to constitutional law practice in the United States“, obwohl auch er die mittlerweile eingetretene gewohnheitsrechtliche Verfestigung anerkennt. Anders aber etwa Bryde, 31 AVR (1993), S. 1 (3) („Die souveräne Handlungsfreiheit endete also schon immer an der Grenze“); näher zu dieser Entscheidung Miller, „Trail Smelter Arbitration“, in: MPEPIL online (2007), abrufbar unter: www.mpepil.com m.w.N. Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 42. 58  Siehe dazu vor allem Durner, Common Goods, S. 42; siehe ferner Klein, Umweltschutz im völkerrechtlichen Nachbarrecht, S. 119 ff. mit vielen Nachweisen des allerdings sehr uneinheitlichen älteren Schrifttums.

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entscheidenden Elemente des Prinzips der territorialen Souveränität über die Umwelt durchaus bereits im traditionellen Souveränitätsverständnis enthalten, ehe der Begriff der permanent sovereignty over natural resources im Verlauf der späteren Debatte über eine neue Weltwirtschaftsordnung seinen Siegeszug antrat.59 (2) Die Ausprägung des Prinzips in der neuen Weltwirtschaftsordnung Als Prinzip der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen erstmals ausdrücklich ausformuliert wurden die umweltbezogenen Aspekte der territorialen Souveränität erst während der ersten Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Zuge der voranschreitenden Entkolonialisierung.60 Unter dem Leitbild einer neuen Weltwirtschaftsordnung (New Economic Order)61 versuchten viele heutige Entwicklungsländer Anfang der 1950er-Jahre eine neue Verteilungsgerechtigkeit zu schaffen und forderten „Souveränität über die natürlichen Ressourcen“ („permanent souvereignty over natural resources“).62 Diese Forderung lässt sich vor allen Dingen mit den zeitgeschichtlichen Hintergründen der Dekolonisierung und der wirtschaftlichen Situation der ehemaligen Kolonien am Ende der Kolonialzeit erklären.63 Auch nachdem die ehemaligen Kolonien die nationale Unabhängigkeit erlangt hatten, lag die wirtschaftliche Nutzung der in den Kolonien befindlichen natürlichen Ressourcen größtenteils noch immer in den Händen ausländischer Unternehmen. Dieser Umstand beruhte einerseits auf einem Mangel an einheimischem Kapital und inländischen Fachkräften, andererseits an den vielversprechenden Investitionsmöglichkeiten für ausländische Unternehmen, und dies änderte sich auch im Zuge der Dekolonisierung nicht.64 Die Forderung nach permanenter Souveränität über ihre natürlichen Ressourcen stellte somit einen Versuch der Entwicklungsländer dar, nach der im Zuge der Dekolonialisierung erlangten politischen Unabhängigkeit nun auch wirtschaftlich autonom zu werden.65 Im Kern ging es in der Debatte über eine neue Weltwirtschaftsordnung um die Überwindung des Wohl-

59  So Durner, Common Goods, S. 42 unter Verweis auf Brownlie, 162 RdC (1979 I), S. 245 (269), der beobachtet, die Debatte über den Begriff „permanent sovereignty“ hinterlasse „(…) the impression that little has changed since traditional international law accepted the principle of expropriation“. 60  Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 43; Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 138; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 39 ff.; Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 114; Stocker, Common Heritage, S. 127 ff.; Brownlie, 162 RdC (1979 I), S. 245 (253 ff.). 61  Siehe dazu bereits oben, Dritter Teil, Kap. VIII. 1. 62  Siehe Durner, Common Goods, S. 43. 63  Siehe Kemper, Nationale Verfügung über natürliche Ressourcen und die Neue Weltwirtschaftsordnung der Vereinten Nationen, S. 21 ff.; Brownlie, 162 RdC (1979 I), S. 245 (253 ff.); Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 40; Stocker, Common Heritage, S. 127 ff. 64  So vor allem Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 40. 65  Siehe Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 114; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 40; siehe zum Ganzen Eejima, UCLA 18 JEnvtlL&P (1999/2000), 99 (109 f.).

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standsgefälles zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten.66 Dieses Ziel konkretisierte sich in Forderungen der Entwicklungsländer nach dauernder Souveränität in wirtschaftlicher Hinsicht, nach einer Internationalisierung von Ressourcen außerhalb nationaler Hoheitsbereiche, nach einer gerechteren Handelspolitik und nach einem verbesserten Zugang zu modernen Technologien.67 Daher nutzten die noch jungen Entwicklungsstaaten ihre zahlenmäßige Überlegenheit in der UN-­ Generalversammlung und verliehen ihren Forderungen in einer Vielzahl von oftmals als Deklarationen bezeichneten Resolutionen Nachdruck, die insbesondere im Fall der umstrittenen Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten68 rein äußerlich oft den Eindruck erwecken, völkerrechtlich verbindliche Regeln zu sein.69 Einen völkerrechtlich relevanten Ausdruck fand das Prinzip der permanent sovereignty over natural resources dann ab dem Jahr 1952 in mehreren Resolutionen der UN-Generalversammlung.70 Im Jahre 1962 definierte schließlich erstmals eine UN-Resolution71 das neu entstehende Prinzip und bekräftigte in seiner Präambel das unveräußerliche Recht aller Staaten, über ihre nationalen Ressourcen nach eigenem Gutdünken und im nationalen Interesse zu verfügen.72 Zwar wurde dem Grundsatz permanenter Souveränität über die natürlichen Ressourcen wegen fehlender Konsistenz immer wieder die völkerrechtliche Geltung abgesprochen.73 Allerdings wird bei genauerer Betrachtung deutlich, dass nicht allen Bestandteilen des Konzepts die Anerkennung verweigert wurde.74 Zwar war insbesondere die Frage nach den genauen Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Enteignungen stets höchst umstritten, die deshalb von den Industrieländern in dieser Form auch abge Ähnlich Durner, Common Goods, S. 43. Siehe Dritter Teil, Kap. VIII. 1.  Siehe Durner, Common Goods, S. 43; siehe ferner Matthies, Die neue Weltwirtschaftsordnung, S. 10; Bedjaoui, Towards a New International Economic Order, S. 232 f. 68  Charter of Economic Rights and Duties of States, UNGA Res. 3281 (XXXIX), v. 12. Dezember 1974, abgedruckt in: 96 AJIL (1975), S.  484  ff. Siehe dazu u.  a. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, Rn. 1223 und insbesondere Tomuschat, 36 ZaöRV (1976), S. 444 ff. 69  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 43 f. 70  Siehe vor allem die ersten beiden UN-Resolutionen mit Bezug auf das Prinzip der permanent sovereignty: Integrated economic development and commercial agreements, UNGA Res. 523 (IV) v. 12. Januar 1952; Right to exploit freely the natural wealth and resources, UNGA Res. 626 (VII), v. 21. Dezember 1952. Die bedeutendsten UN-Resolutionen für den Zeitraum bis 1974 finden sich in der Sammlung von Krakau/v. Wedel/Goehmann (Hrsg.), UN-General Assembly Resolutions: A Selection of the Most Important Resolutions During the Period 1949 through 1974, S. 158 ff. 71  Permanent Sovereignty over Natural Resources, UNGA Res. 1803 (XVII), v. 14 Oktober 1962, abgedruckt in: 2 ILM (1963), S. 223 ff. Siehe dazu auch Schrijver, Sovereignty, S. 33 ff.; Kemper, Nationale Verfügung, S. 21 ff. 72  Permanent Sovereignty over Natural Resources, UNGA Res. 1803 (XVII), v. 14 Oktober 1962, 2 ILM (1963), S. 223 ff., Abs. 4 der Präambel: „Considering that any measure in this respect must be based on the recognition of the inalienable right of all States freely to dispose of their natural wealth and resources in accordance with their national interests, and on respect for the economic independence of States.“ 73  So beispielsweise von Tomuschat, 36 ZaöRV (1976), S. 444 (450) und Bleckmann, 37 ZaöRV (1977), S. 504 (510). 74  Siehe dazu und zum Folgenden Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 42 f. 66 67

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lehnt wurden. Doch ist das ebenfalls im Rahmen der Souveränitätsforderungen von den Entwicklungsländern reklamierte Recht der Staaten auf freie Ausbeutung ihrer natürlichen Ressourcen als solches bislang ohne Widerspruch geblieben.75 So war der Terminus „right to freely exploit the natural resources“ bereits vor der oben erwähnten weiter und allgemeiner formulierten Forderung nach permanenter Souveränität aus dem Jahre 196276 eigenständiger Gegenstand zweier UN-Resolutionen aus dem Jahre 195277 und kann somit als deren Vorläufer bezeichnet werden.78 Während die Forderung nach permanenter Souveränität letztlich in vielen ihrer Bestandteile umstritten geblieben ist, wurde die freie Verfügungsgewalt der Staaten über ihre natürlichen Ressourcen in verbindlichen völkerrechtlichen Verträgen,79 Erklärungen80 und zahlreichen Resolutionen internationaler Organisationen81 wiederholt und gilt heutzutage in Literatur und Staatenpraxis als anerkanntes Prinzip des Völkergewohnheitsrechts.82 Dies hat der Internationale Gerichtshof zuletzt im Jahr 2005 im Armed Activities-Fall ausdrücklich klargestellt.83 Somit hat sich im Zuge der Debatte über eine neue Weltwirtschaftsordnung mit dem Begriff der permanent sovereignty over natural resources eine neue, ressourcenbezogene Definition herausgebildet, welche dem Begriff der territorialen ­Souveränität zumindest in einem Teilbereich ein etwas klareres Profil verliehen hat. Insbesondere  Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 129; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 43.  Permanent Sovereignty over Natural Resources, UNGA Res. 1803 (XVII), v. 14 Oktober 1962, 2 ILM (1963), S. 223 ff. 77  Integrated economic development and commercial agreements, UNGA Res. 523 (IV) v. 12. Januar 1952; Right to exploit freely the natural wealth and resources, UNGA Res. 626 (VII), v. 21. Dezember 1952. 78  So auch Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 43. 79  Siehe z. B. International Covenant on Civil and Political Rights, v. 19. Dezember 1966, Art. 1 Abs. 2; International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, ebenfalls v. 19. Dezember 1966, Art. 1 Abs. 2; beide abgedruckt in: BGBl. 1973 II, S. 1534 ff. bzw. S. 1570 ff.; UN-Seerechtsübereinkommen, v. 10. Dezember 1982, abgedruckt in: XXX, Art. 193; UN Convention on Biological Diversity, v. 5. Juni 1992, abgedruckt in: 31 ILM (1992), S. 822 ff., Art. 3. 80  Rio Declaration on Environment and Development, Prinzip 2, UN-Doc. A/Conf. 151/5/Rev.1 (1992), ebenfalls abgedruckt in: 31 ILM (1992), S. 876 ff. 81  Siehe z. B. Permanent Sovereignty over Natural Resources, UNGA Res. 3016, v. 18. Dezember 1972; UNEP Draft Principles of Conduct in the Field of the Environment for the Guidance of States in the Conservation and Harmonious Utilization of Natural Resources Shared by Two or More States, v. 19. Mai 1978, Prinzip 3 Abs. 1; beide finden sich abgedruckt bei Hohmann, Basic Documents, Band I, S. 53 bzw. S. 58 ff. 82  Siehe statt Vieler Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 129; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 44; deutlich zurückhaltender Brownlie, 162 RdC I (1979), S. 245 (261 f.); Hyde, 50 AJIL (1956), S. 854 (862). 83  Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), Judgment, ICJ Reports 2005, Z. 222: „(…) the Republic of Uganda (…) has violated the following principles of conventional and customary law: (…) – respect for the sovereignty of States, including over their natural resources“. Unter Z. 244 stellt der IGH den gewohnheitsrechtlichen Status nochmals ausdrücklich klar: „The Court recalls that the principle of permanent sovereignty over natural resources (…). While recognizing the importance of this principle, which is a principle of customary international law (…)“. 75 76

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das darin enthaltene, gewohnheitsrechtlich anerkannte Recht auf freie Ausbeutung der natürlichen Ressourcen („right to freely exploit the natural resources“) verdeutlicht den besonderen gegenständlichen Bezug der territorialen Souveränität. Dieser Aspekt des traditionellen Souveränitätsbegriffs ist bis heute für die sogleich zu erörternden bisherigen Umweltschutzprinzipien als Ausgangspunkt größtenteils maßgeblich. Mit dieser begrifflichen Selbstständigkeit wurde das Souveränitätskonzept im Jahre 1972 sodann in den Kontext des Umweltvölkerrechts übernommen.84 (3) Die Einfügung in das Prinzip 21 der Stockholm-Declaration Mit seiner Integration in das eingangs zitierte Prinzip 21 der Stockholm-Declaration wurde das Prinzip der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen über den Wortlaut der Erklärung derartig eng mit dem Verbot von grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen verknüpft, dass man beide Prinzipien – so Sands – nun nicht mehr trennen könne, ohne ihren Sinn und ihre Wirkung grundlegend zu verändern.85 Hatte die UN-Generalversammlung im Jahr vor der Stockholm-Konferenz noch vorsorglich erklärt, jeder Staat habe kraft seiner Souveränität das Recht, seine eigene Umweltpolitik zu formulieren,86 so wurde diese sehr allgemein gehaltene Formulierung durch das im zweiten Halbsatz von Prinzip 21 verankerte Schädigungsverbot für die Umwelt aller benachbarter Staaten zumindest relativiert.87 Obgleich diese zumindest potenziell souveränitätsbegrenzende Rolle des internationalen Umweltschutzes den beteiligten Nationalstaaten durchaus bewusst war, erklärten viele von ihnen sowohl während als auch nach der Stockholm-Konferenz, das Prinzip 21 spiegele geltendes Völkerrecht wider,88 und auch die UN-Vollversammlung vertrat immer wieder einstimmig diese Position.89 Doch lag das Verdienst der neuartigen Formulierung von Prinzip 21 weniger in einer inhaltlichen Weiterentwicklung des bestehenden Völkerrechts. Sein eigentliches Novum bestand vielmehr darin, dass es den Schutz der Umwelt als bereits immanente Schranke des Prinzips der nationalen Verfügungsgewalt nochmals ausdrücklich bekräftigte und auf diese Weise die enge Verknüpfung beider Konzepte tief im Bewusstsein der Staatengemeinschaft verankerte.90

 Siehe hierzu und zum Ganzen u. a. die Darstellung bei Durner, Common Goods, S. 48.  Sands, Principles, 1. Aufl., S. 186, so auch zitiert bei Durner, Common Goods, S. 48. 86  UNGA Res. 2849 (XXVI) 1971, zitiert nach Sands, Principles, 1. Aufl., S. 187: „Each country has the right to formulate, in accordance with ist own particular situation and in full enjoyment of its national sovereignty, its own national policies on human environment.“ 87  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 48. 88  Siehe dazu Sohn, 14 Harvard ILJ (1973), S. 423 ff. 89  Siehe die entsprechenden Nachweise zur Verwendung des permanent sovereignty-Prinzips bei Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §  1029 Fn.  6; Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 90 f. Fn. 41 und 43. Nachweise in internationalen Deklarationen finden sich bei Sands, Principles, 1. Aufl., S. 190 ff. Siehe zum Ganzen Durner, Common Goods, S. 49. 90  So sinngemäß Durner, Common Goods, S. 49. 84 85

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Diese Formulierung untermauerte zugleich, dass der Grundsatz der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen entgegen so mancher Diskussionsbeiträge in der Literatur keinesfalls jenen „absoluten“ Souveränitätsbegriff aufgreift, „der jede Bindung an das Völkerrecht verneint“.91 In dieser Fassung und mit diesem „relativen“ Souveränitätsverständnis wurde das Prinzip 21 letztlich zum Fundament, ja zur „Keimzelle“ des gesamten modernen Umweltvölkerrechts.92 Bereits kurze Zeit nach der Stockholm-Konferenz zitierte ein beträchtlicher Teil der Übereinkommen auf dem Gebiet des Umweltschutzes das Prinzip 21 wörtlich und meistens in der Präambel93  – „eine klassische Form der Anerkennung von Völkergewohnheitsrecht“.94 Unzählige weitere Umweltschutzverträge beruhen zumindest stillschweigend auf jenem Prinzip.95 Sodann erfuhr das Prinzip 21 im Jahre 1994 auf der Konferenz von Rio de Janeiro eine nahezu universelle Bestätigung, als es beinahe wörtlich in Prinzip 2 der Rio Declaration niedergelegt wurde.96 Schließlich haben auch die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention sowie der Biodiversitätskonvention und der Wüstenkonvention diese Fassung der Stockholmer Grundregel in die entsprechenden Präambeln aufgenommen und somit ebenfalls bestätigt.97 Nach mittlerweile nahezu einhelliger Auffassung in der Literatur ist dieser Grundsatz daher geltendes Völkergewohnheitsrecht.98

 So etwa Durner, Common Goods, S. 49 und Kemper, Nationale Verfügung, S. 73 ff. m.w.N.; siehe außerdem Schwarzenberger, 17 Current Legal Studies, S. 184 (194). 92  Siehe Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 532 und Durner, Common Goods, S. 49. 93  Siehe z. B. die Convention for the Prevention of Marine Pollution by Dumping of Wastes and Other Matters (London Dumping Convention 1971), 11 ILM (1972), S. 1294 ff., Abs. 3 der Präambel; siehe ferner Convention on Long-Range Transboundary Air Pollution (Genf 1979), 18 ILM (1979), S. 1442 ff., Abs. 5 der Präambel. 94  So Durner, Common Goods, S.  49. Zu dieser gerade auch für die vorliegende Untersuchung eminent wichtigen Funktion der Präambel als Beleg für eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung durch die Staatenpraxis siehe die Ausführungen von Mbengue, „Preamble“, in: MPEPIL online (2006), Rn. 9, abrufbar unter: www.mpepil.com 95  So auch bereits Durner, Common Goods, S. 49, der zu Recht auf folgendes hinweist: So hat die UN-Seerechtskonvention aus dem Jahre 1982 den Grundsatz der nationalen Verfügungsgewalt mit etwas modifizierter Formulierung in Art. 183 SRK inkorporiert, wo es heißt: „States have the sovereign right to exploit their natural ressources pursuant to their environmental policies and in accordance with their duty to protect and preserve the marine environment.“ Vgl. United Nations Convention on the Law of the Sea, 21 ILM (1982), S. 1261 ff. 96  Rio Declaration on Environment and Development, Prinzip 2, UN-Doc. A/Conf. 151/5/Rev.1 (1992), ebenfalls abgedruckt in: 31 ILM (1992), S. 876 („States have (…) the sovereign right to exploit their own resources pursuant to their own environmental and developmental policies“). Ähnlich Durner, Common Goods, S. 49. 97  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 8 der Präambel; UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Operativer Teil, Art. 3; Convention to Combat Desertification in those Countries Experiencing Serious Drought and/or Desertification, Particularly in Africa, 33 ILM 1994, S. 1332, Abs. 5 der Präambel. 98  Vgl. statt vieler z. B. Sohn, 14 Harvard ILJ (1973), S. 491 ff.; Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 89 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, S. 828. Siehe zum Ganzen die Darstellung bei Durner, Common Goods, S. 48 ff. 91

1. Das Prinzip der territorialen Souveränität als Ausgangspunkt

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bb) Der positive Bedeutungsgehalt der nationalen Verfügung Die genauere positive Bedeutung der nationalen Verfügungsgewalt und seine Reichweite lassen sich allerdings nur schwer umreißen. Nach traditionellem Völkerrecht wird der Umfang der territorialen Souveränität eines Staates über seine natürlichen Ressourcen als „unbegrenzt“ bezeichnet, „soweit nicht Verträge, Gewohnheitsrecht oder die allgemeinen Rechtsgrundsätze Schranken aufstellen“.99 Unmittelbar nach der Stockholm-Konferenz resümierte Sohn resigniert, Prinzip 21 schreibe zwar nicht ausdrücklich die unbegrenzte Souveränität der Staaten über ihre Umwelt fest, komme dem aber letztlich doch sehr nahe.100 Grundsätzlich können folglich die Nationalstaaten ihre Umwelt „nach eigenem Ermessen nutzen, ausbeuten, schützen und schädigen“.101 Noch immer zeichnet daher die Definition des berühmten Völkerrechtlers Martens aus dem 19. Jahrhundert, wonach der Staat gleichsam „Eigentümer seines Staatsgebietes“ sei, ein recht plastisches Bild von der Reichweite des Prinzips der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen.102 Zwar ist die Brauchbarkeit derartiger Analogien letztlich begrenzt und auch in der umweltvölkerrechtlichen Literatur ist ein gewisses Unbehagen erkennbar, die weitreichende Freiheit der Staaten im Umgang mit „ihrer“ Umwelt so zu formulieren, wie § 903 Satz BGB dies etwa für den Eigentümer im deutschen Zivilrecht tut.103 Bei genauerem Hinsehen zeigen sich allerdings zumindest dem Rechtsgedanken nach durchaus Ähnlichkeiten zwischen den Befugnissen eines Eigentümers im deutschen Zivilrecht und dem Wesensgehalt der territorialen Souveränität im modernen Umweltvölkerrecht. Nach § 903 Satz 1 BGB kann „(d)er Eigentümer einer Sache (…), soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen“. Damit beschreibt die Vorschrift die Befugnisse eines Eigentümers mit Merkmalen, die im Kern mit jenen Elementen korrespondieren, welche in der völkerrechtlichen Literatur herausgearbeitet wurden, um territoriale Staatssouveränität und ihre Schranken zu umschreiben: Über denjenigen Ausschnitt der Umwelt, der unter ihre Gebietsho-

99  So Durner, Common Goods, S. 51 unter Bezugnahme auf Jennings/Watts, Oppenheim´s International Law Volume I, S. 391 ff. Siehe außerdem Wolfrum, Internationalisierung, S. 8 f.; Bleckmann, 29 ÖZöRV (1978), S.  173  ff.; Schwarzenberger/Brown, A Manual of International Law, S. 76. 100  Siehe Sohn, 14 Harvard ILJ (1973), S. 423 ff., 492: „While this provision does not go as far as to assert that a state has unlimited sovereignty over its environment, it comes quite close to such an assertion.“ Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 51. 101  Durner, Common Goods, S.  51; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S.  37  ff. bezeichnet diese grundsätzlichen Handlungsfreiheiten der Nationalstaaten als „territoriale Souveränitätsrechte“ über die jeweiligen Umweltgüter; ähnlich Wolfrum, Internationalisierung, S. 8 f.; anschaulich de Klemm, Biological Diversity Conservation and the Law, S. 1: „(…) they may conserve, exploit or destroy them, or allow them to be destroyed as they wish“. 102  Auf von Martens verweist auch Durner, Common Goods, S. 51; von Martens, Traité de Droit International, S. 452: „(…) on peut dire qu´il est propriétaire de son territoire“. 103  So Durner, Common Goods, S. 51.

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

heit fällt,104 dürfen die jeweiligen Staaten grundsätzlich frei verfügen, das heißt ihn nutzen, ausbeuten, schützen oder schädigen, und alle anderen Nationalstaaten von jeglicher Einmischung ausschließen, soweit nicht völkerrechtliche Verträge, Gewohnheitsrecht oder die allgemeinen Rechtsgrundsätze entgegenstehen.105 Ähnlich der deutschen Grundrechtsdogmatik lässt sich nach Durner die Reichweite der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen – positiv – durch einen Freiheitsbereich und – negativ – durch seine Schranken definieren.106 Soweit ihre Gebietshoheit reicht, genießen die Nationalstaaten demnach eine räumlich begrenzte Handlungs- und Entscheidungsfreiheit, können andere Nationalstaaten von jeglicher Einwirkung ausschließen und dürfen die auf ihrem Territorium befindlichen natürlichen Ressourcen frei ausbeuten. Wie jeder andere Aspekt der Souveränität hat jedoch auch die nationale Verfügung über natürliche Ressourcen rechtliche Schranken, „nämlich das gesamte Völkerrecht und insbesondere die Rechte anderer Staaten“.107 Hierbei werden die wichtigsten Schranken im Kontext des Umweltschutzes von den Schädigungsverboten aufgestellt, die in den völkervertraglich verankerten und gewohnheitsrechtlich anerkannten Prinzipien des Umweltvölkerrechts enthalten sind. Bevor auf die bisherigen Umweltschutzprinzipien näher eingegangen wird, soll zunächst ein Überblick über die Ausprägungen geliefert werden, mit deren Hilfe sich der positive Bedeutungsgehalt der territorialen Souveränität bzw. der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen charakterisieren lässt. Im Ausgangspunkt entscheiden nach traditionellem Völkerrecht die jeweiligen Staaten kraft ihrer Souveränität grundsätzlich darüber, wie mit der Umwelt innerhalb ihres Hoheitsgebietes umgegangen wird.108 Differenzierter betrachtet sind diese räumlich begrenzten Handlungs- und Entscheidungsfreiheiten der Staaten in Bezug auf die Umweltnutzung Ausfluss dreier Ausprägungen ihrer territorialen Souveränität:109 Sie ergeben sich aus ihrer Gebietshoheit, ihrem Recht auf freie Ausbeutung der auf ihrem Territorium befindlichen natürlichen Ressourcen und aus ihrem Recht auf Nichteinmischung anderer Staaten.

 Hierbei wird nachfolgend von dem Regelfall ausgegangen, dass territoriale Souveränität und Gebietshoheit zusammenfallen, sodass sich die Gebietshoheit des jeweiligen Staates auf den Raum erstreckt, den das Völkerrecht seiner territorialen Souveränität unterstellt. Anerkanntermaßen ist darunter das Staatsgebiet zu verstehen, das durch Grenzen gegenüber den Gebieten jeweils anderer Staaten bzw. den staatsfreien Räumen definiert ist, siehe Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I, 2, S. 380 ff. 105  Ähnlich Wolfrum, Internationalisierung, S.  8  f. Siehe auch Durner, Common Goods, S.  51; Hunter/Salzman/Zaelke, IEL, S. 526. 106  Durner, Common Goods, S. 50. 107  So erneut Durner, Common Goods, S. 51. 108  Kiss/Shelton, Environmental Law, S. 11; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 25. 109  Die Formulierung „Territoriale Souveränitätsrechte über die Umwelt“ stammt von Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 25 ff. Beyerlin verwendet für den gleichen Rechtsbegriff den Ausdruck „Umweltnutzungsrechte“, vgl. ders., FS Bernhardt, S. 973 (948). 104

1. Das Prinzip der territorialen Souveränität als Ausgangspunkt

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(1) Die Gebietshoheit als Grundlage territorialer Souveränitätsrechte über die Umwelt Als eine der wichtigsten Ausprägungen staatlicher Souveränität wird unter Gebietshoheit zunächst das Innehaben der faktischen Herrschaft innerhalb eines bestimmten räumlichen Gebietes verstanden.110 „Aus der Gebietshoheit folgt“ wiederum „das Recht des Staates, innerhalb seines eigenen Territoriums Akte der Staatsgewalt zu setzen“.111 „Gebietshoheit verleiht dem Staat die höchste und ausschließliche Rechtssetzungs-, Kontroll- und Durchsetzungsgewalt innerhalb seines Staatsgebiets“.112 Vereinfacht ausgedrückt, hat der Staat in diesem und über diesen Raum sämtliche Handlungs- und Entscheidungsrechte inne, und zwar sowohl in Bezug auf staatliches als auch auf privates Handeln.113 Wie das Staatsgebiet genutzt wird und welche menschlichen Aktivitäten in jenem Raum erlaubt oder verboten sind, entscheidet allein der Staat.114 Geht man vom Regelfall aus, dass territoriale Souveränität und Gebietshoheit zusammenfallen, so erstreckt sich die Gebietshoheit auf denjenigen Raum, über den einem Staat nach dem Völkerrecht die territoriale Souveränität zukommt. Somit wird dieser Raum in der Regel mittels des Staatsgebiets definiert, das durch die Grenzen gegenüber den Gebieten anderer Staaten sowie den staatsfreien Räumen markiert ist.115 Das Staatsgebiet existiert aber nicht bloß als „abstrakte Größe“. Daher wird das Staatsgebiet oftmals unter „dreidimensionalen“ Gesichtspunkten in Land- und Wasserflächen einerseits und der darüberliegenden Luftsäule andererseits aufgeteilt.116 Untersucht man allerdings aus dem Blickwinkel der Umwelt, worauf sich das Staatsgebiet erstreckt und was daher der Gebietshoheit des jeweiligen Staates unterworfen ist, so empfiehlt es sich, das erfasste Staatsgebiet nach den verschiedenen Umweltmedien Boden, Wasser und Luft aufzuteilen.117 Diese Medien sind zwar selber unbelebt, sie stellen aber den auf der Erde vorhandenen Raum für Lebewesen dar. Zunächst folgt aus den Entscheidungsrechten des Staates über seine Umweltmedien, dass er über die konkrete Nutzung  Grundlegend zur ursprünglich von Verdross entwickelten, im Einzelnen umstrittenen, aber sehr überzeugenden Unterscheidung von territorialer Souveränität und Gebietshoheit Simma, Die Unterscheidung zwischen territorialer Souveränität und Gebietshoheit, in: Reden zu Deutschland (1981), S. 115 f.; Verdross/Simma/Geiger, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit, in: ÖZöRV (1980), S. 223 (243) und Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1039. 111  Odendahl, Umweltpflichtigkeit der Souveränität, S. 26; Simma, Die Unterscheidung zwischen territorialer Souveränität und Gebietshoheit, in: Reden zu Deutschland (1981), S. 115 f.; Verdross/ Simma/Geiger, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit, in: ÖZöRV (1980), S.  223 (243); Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht, Rn. 1113; Hunter/Salzman/Zaelke, IEL, S. 526. 112  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 37. 113  Ähnlich bereits Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 37. 114  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 37. Bragdon HILJ (1992), S. 381 f.; Epiney, 33 AVR (1995), S. 309 (321). 115  Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Teil I/1, S. 380; Hunter/Salzman/Zaelke, IEL, S. 326 f.; Brownlie, Principles, 4. Aufl., S. 107 ff. 116  Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Teil I/1, S. 380; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 27. 117  So überzeugend Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 27. 110

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des Bodens entscheiden darf, solange dieser unter sein Hoheitsgebiet fällt, wobei beim Boden wiederum aus systematischen Gründen zwischen Erdoberfläche und Untergrund unterschieden wird.118 Zum einen umfasst das Staatsgebiet die gesamte Erdoberfläche auf dem Landgebiet eines Staates, dessen Grenzen heutzutage – von wenigen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch Grenzverträge zwischen den Staaten geregelt und daher unumstritten festgelegt sind.119 Das Hoheitsgebiet eines Staates erfasst allerdings nicht nur den jeweiligen Teil der Erdoberfläche, sondern „erstreckt sich auch auf die darunterliegende Bodensäule, das heißt auf den Raum unterhalb der Erdoberfläche, jedenfalls soweit er faktischer Beherrschung zugänglich ist“.120 Überdies hat der Staat Entscheidungsrechte über das Wasser inne, solange dieses seine Binnen- und maritimen Eigengewässer oder sein Grundwasser bildet. Auch darf er letztendlich über die Nutzung der Luft entscheiden, solange diese sich im Luftraum oberhalb seines Staatsgebiets bis hinauf in eine Höhe von 90–100 km befindet. Der Staat entscheidet folglich kraft seiner Gebietshoheit über den Umgang mit den Umweltmedien Boden, Wasser und Luft, solange diese sein Staatsgebiet ausmachen.121 Die Alleinzuständigkeit des Territorialstaates erstreckt sich auf alle Naturgüter, die sich „auf der Landoberfläche innerhalb seiner Staatsgrenzen, in dem Luftraum darüber, dem Untergrund darunter sowie innerhalb seines Aquitoriums befinden“.122 Dass Umweltmedien infolge natürlicher Luft- und Wasserbewegungen rein tatsächlich nur zeitlich begrenzt einem Staatsgebiet zuzuordnen sind, vermag an der Existenz umfassender staatlicher Entscheidungsrechte über die Umwelt nichts zu ändern.123 Die Gebietshoheit eines Nationalstaates erstreckt sich nicht bloß auf einen festgelegten Raum als solchen, sondern auch auf alle Personen und Sachen, die sich in dem betreffenden Gebiet befinden und erfasst daher auch die innerhalb seines Staatsgebiets befindliche Fauna und Flora.124 Sie bilden das Leben auf der Erde und füllen den durch die Umweltmedien geschaffenen Lebensraum aus. Wie die Umweltmedien so lassen sich auch Fauna und Flora nicht dauerhaft einem bestimmten Staatsgebiet zuordnen. Tiere und hierbei insbesondere wandernde Arten halten sich nicht nur innerhalb der Grenzen eines Staatsgebietes auf. Auch die Pflanzenwelt bildet infolge der mittels Samen- und Pollenflugs sowie Insektenaktivität ablaufenden Fortpflanzungsmechanismen keine Einheit, die sich auf ein Staatsgebiet begrenzen ließe. Wie bei den Umweltmedien hat diese rein tat Siehe wiederum Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 27 sowie Hunter/Salzman/Zaelke, Principles, S. 326 f. 119  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 27; Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 82; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Teil I/1, S. 381 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1055. 120  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 34 f. Siehe dazu außerdem Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rn. 1289. 121  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 37; Hunter/Salzman/Zaelke, IEL, S. 326 f. 122  Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 114; Siehe ferner Hinds, Umweltrechtliche Einschränkungen der Souveränität, S. 309; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht, Rn. 1289. 123  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 37 f. 124  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 37 f. Siehe auch Hunter/Salzman/Zaelke, IEL, S. 326. 118

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sächliche Beschaffenheit keine Auswirkungen auf die rechtliche Zuordnung von Fauna und Flora zur betreffenden Gebietshoheit sowie den daraus folgenden territorialen Souveränitätsrechten des jeweiligen Staates.125 (2) Das Recht auf freie Ausbeutung der natürlichen Ressourcen Das Recht eines Nationalstaates auf freie Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen („right to freely exploit the natural resources“) erfasst in erster Linie solche Ressourcen, die sich innerhalb seines Staatsgebiets befinden,126 und stellt insoweit einen Unterfall der Gebietshoheit dar.127 Die entscheidenden völkerrechtlichen Implikationen der nationalen Verfügungsgewalt über natürliche Ressourcen waren bereits vor der Wirtschaftsordnungsdebatte der 1970er-Jahre fest im traditionellen Konzept der territorialen Souveränität verankert.128 Das Prinzip der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen geht daher inhaltlich kaum über jene Befugnisse hinaus, die das herkömmliche Prinzip der territorialen Souveränität dem souveränen Staat gewährt. Als Ausfluss seiner territorialen Souveränität gibt die Gebietshoheit dem jeweiligen Staat das Recht, das eigene Territorium nach Belieben zu nutzen, und beinhaltet daher auch das Recht, die einzelnen Bestandteile ihres Umweltsegments wirtschaftlich zu nutzen und auszubeuten.129 Innerhalb seines Staatsgebietes ergibt sich folglich das Recht des Staates auf freie Ausbeutung der natürlichen Ressourcen bereits aus seiner Gebietshoheit und lässt sich daher auch ohne Rekurs auf das Prinzip der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen begründen.130 Dies gilt umso mehr, als beide Konzepte ohnehin vom gleichen Begriff der „natürlichen Ressourcen“ ausgehen. Unter Ressourcen werden alle Hilfsmittel und Hilfsquellen verstanden, die für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen sowie für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Landes geeignet sind, das heißt alle Produktionsfaktoren.131 „Natürliche Ressourcen“ werden als Synonym für Rohstoffe verwendet, gelegentlich auch mit „Naturschätze“132

 Siehe zum Ganzen vor allem die Darstellung von Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 37 f.  Schneider, World Public Order of the Environment: Towards an International Ecological Law and Organization, S. 21; Bilder, 20 Natural Resources Journal 1980, S. 451 (453 ff.); Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 45. 127  Ausdrücklich als Bestandteil der staatlichen Souveränität bzw. der daraus folgenden Gebietshoheit eingestuft wird die freie Ausbeutung der natürlichen Ressourcen von Elian, 149 RdC (1976 I), S. 1 (9); Schneider, World Public Order, S. 30; Bilder, 20 Natural Resources Journal 1980, S. 451 (452, 454); Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 45. 128  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) aa). 129  So auch Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 45 f. 130  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 45. 131  Nohlen, Lexikon Dritte Welt, 1991, Stichwort „Ressource“, S.  572, wonach Boden, Wasser, Kapital und Arbeitskraft unter jenen Begriff der „Produktionsfaktoren“ fallen. Siehe ferner Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 39. 132  So etwa Stocker, Common Heritage, S. 128. 125 126

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

übersetzt und bilden begrifflich eine Untergruppe der Ressourcen.133 Wiederum zu unterscheiden sind die natürlichen Ressourcen von dem umfassenderen Begriff der Umwelt als solcher; denn natürliche Ressourcen sind diejenigen Bestandteile der Umwelt, die wirtschaftlich nutzbar sind. Zu diesem wirtschaftlich nutzbaren Ausschnitt der Umwelt gehören fast die gesamte Fauna und Flora und teilweise auch die Umweltmedien. Sobald ein Umweltmedium nämlich wirtschaftlich genutzt wird, wie das etwa bei der Nutzung von Wasser zur Elektrizitätsgewinnung der Fall ist, stellt es zugleich eine natürliche Ressource dar. Somit umfasst der Begriff der „natürlichen Ressourcen“ all jene Elemente der Umwelt, das heißt sowohl Umweltmedien als auch Fauna und Flora, die vom Menschen wirtschaftlich genutzt werden können.134 Innerhalb staatlicher Territorien entfaltet das aus dem Prinzip der nationalen Verfügung abgeleitete Recht der Staaten auf freie Ausbeutung ihrer natürlichen Ressourcen folglich keine eigenständige Bedeutung.135 Etwas anderes gilt allerdings im Hinblick auf die Umwelt in jenen Meeresräumen, in denen die Staaten nur funktional begrenzte souveräne Nutzungsrechte innehaben. In den Meereszonen außerhalb des Küstenmeeres haben die Nationalstaaten keine Gebietshoheit mehr.136 Doch war das Recht auf ausschließliche Ausbeutung nie auf die natürlichen Ressourcen innerhalb des jeweiligen Staatsgebietes beschränkt. Bereits lange Zeit vor der ausdrücklichen Erwähnung eines Rechtes auf freie Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in internationalen Dokumenten beanspruchten Küstenstaaten Nutzungsrechte an solchen natürlichen Ressourcen, welche sich in den Meereszonen jenseits ihrer Hoheitsgewässer befanden.137 Zunächst gewährt das geltende Völkerrecht den Küstenstaaten derartige souveräne Nutzungsrechte an den natürlichen Ressourcen des Festlandsockels, welche ihnen nach Auffassung des IGH ipso facto und ab initio zustehen138 und außerdem auch mit nahezu universeller Reichweite völkervertraglich verankert sind: Nach Art. 77 Abs. 1 SRÜ darf der jeweilige Küstenstaat über den Festlandsockel sowie die in seinem Boden befindlichen Rohstoffe souveräne Rechte ausüben, um sie erforschen und ausbeuten zu können. Zwar ähneln diese küstenstaatlichen Nutzungsrechte einerseits der Gebietshoheit eines Staates innerhalb seines Staatsge So Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 39.  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 39. 135  Siehe zum Ganzen Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 56. 136  Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 1. Aufl., S. 189. 137  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 46; Siehe ferner Cassese, International Law in a Divided World, S. 377 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 1113 ff. In einigen UN-Resolutionen wurde das Recht auf freie Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ausdrücklich auch auf Meereszonen außerhalb der Hoheitsgewässer erstreckt, vgl. etwa Permanent Sovereignty over Natural Resources, UNGA-Res. 3016 (XXVII) v. 18. Dezember 1972, abgedruckt in: 26 UNYB (1972), S. 351 f.; Permanent Sovereignty over Natural Resources, UNGA-Res. 3171 (XXVIII) v. 17. Dezember 1973, abgedruckt in: 68 AJIL (1974), S. 381 ff. 138  In seinem Festlandsockel-Fall führte der IGH aus: „[T]he rights of the coastal State in respect of the area of continental shelf that constitutes a natural prolongation of ist land territory into and under sea exist ipso facto and ab initio, by virtue of ist sovereignty over the land, and as an extension of it, in exercise of sovereign rights for the purpose of exploring the seabed and exploiting ist natural resources.“, ICJ Rep. 1969, S. 22, Ziff. 19. 133 134

1. Das Prinzip der territorialen Souveränität als Ausgangspunkt

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bietes insoweit, als sie ebenfalls ausschließlich sind.139 Doch sind sie andererseits funktional auf die bloße Nutzung der in dem entsprechenden Raum befindlichen Naturgüter beschränkt und verleihen dem jeweiligen Staat gerade keine umfassende Regelungskompetenz.140 Der Festlandsockel unterfällt gebietsrechtlich nicht dem Staatsgebiet des Küstenstaates, und auch die Substanz der jeweiligen Ressource als solche unterliegt in situ weder staatlicher Souveränität noch Eigentum. Die funktionellen souveränen Rechte am Festlandsockel beinhalten vielmehr lediglich die ausschließliche Nutzungsbefugnis, welche jedoch den quasi-völkerrechtlich-sachenrechtlichen Status der Naturgüter im Festlandsockel unberührt lässt.141 Ähnliches gilt für die mittlerweile völkergewohnheitsrechtlich anerkannte ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), hinsichtlich derer den Küstenstaaten nach Art. 56 Abs. 1 lit. a) SRÜ ebenfalls souveräne Rechte zwecks Erforschung und Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der dortigen natürlichen Ressourcen zustehen.142 Die ausschließliche Wirtschaftzone ist genauso wenig ein Gebietsteil des küstenstaatlichen Staatsgebiets wie der Festlandsockel, sondern vielmehr eine „raumbezogene Akkumulation ausschließlicher, jedoch funktionell beschränkter Nutzungsrechte“.143 (3) Das Recht auf Nichteinmischung anderer Staaten Schließlich wird der positive Bedeutungsgehalt der territorialen Souveränität auch über seine Ausschlussfunktion definiert, das heißt über das Recht eines Staates auf Nichteinmischung anderer Staaten in seine internen Angelegenheiten.144 Bereits im Jahre 1928 stellte Max Huber im Island of Palmas-Fall fest: „Sovereignty in the relations between States signifies independence. Independence in regard to a portion of the globe is the right to exercise, to the exclusion of any other State, the functions of a State.“145  Siehe Art. 77 Abs. 2 SRÜ. So stellte der IGH im bereits erwähnten Festlandsockel-Fall aus: „[I] f. the coastal state does not choose to explore or exploit the areas of shelf appertaining to it, that is its own affair, but no one else may do so without its express consent.“, siehe ICJ Rep. 1969, S. 22, Ziff. 19. 140  Siehe Art. 78 Abs. 2 SRÜ. Siehe dazu Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 117; Ong, 93 AJIL (1999), 771 (777). 141  So Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 117; Ruiz Fabri, 36 AFDI (1990), 818, 819 f.; Higgins, Problems and Process, S. 138. 142  Siehe Gündling, Stichwort „Wirtschaftszone“, in: Seidl-Hohenveldern (Hrsg.), LdR  Völkerrecht, S. 544, 544; Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 1. Aufl., Rn. 55. 143  So Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 118. 144  Siehe dazu statt vieler Kunig, Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, S. 193 ff., der einerseits konstatiert, völkerrechtlich sei die Souveränität „als Sammelbegriff von geringem Erkenntniswert“. Um das Souveränitätskonzept operabel zu machen, bedürfe es konkretisierender Komplementärnormen wie des Nichteinmischungsprinzips. Allerdings betont Kunig zugleich die Vagheit jenes Prinzips; siehe auch Conforti, The principle of Non-Intervention, in: Bedjaoui (Hrsg.), International Law: Achievements and Prospects, S. 467 ff.; siehe außerdem Durner, Common Goods, S. 51. 145  Max Huber, Island of Palmas case, RIAA, Vol. II, S. 838. 139

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

Dieses „völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip“ besagt, dass infolge der Autonomie eines jeden souveränen Staates nur dieser selbst für seine Umwelt und grundsätzlich kein anderes Völkerrechtssubjekt zuständig ist und auch kein rechtliches Interesse an deren Schutz geltend machen kann.146 Gerade weil nach dem Grundsatz der territorialen Souveränität das Gebiet eines Staates ausschließlich der Gebietshoheit dieses Staates unterliege, seien Einwirkungen von außen, insbesondere die Ausübung von Staatsgewalt durch andere Staaten, in diesem ausschließlichen Hoheitsbereich grundsätzlich unzulässig.147 Zum Gegenstand des Völkerrechts würden die natürlichen Ressourcen eines Staates nur, soweit der betreffende Staat sie zuvor selber durch völkerrechtliche Verträge preisgegeben habe.148 c c) Das nachbarrechtliche Schädigungsverbot als immanente Schranke der territorialen Souveränität Auch die nationale Verfügungsgewalt über natürliche Ressourcen findet jedoch – wie jeder andere Aspekt der Souveränität – ihre Schranken im gesamten Völkerrecht und insbesondere in den Rechten anderer Staaten.149 Die wichtigsten Schranken werden im Kontext des Umweltschutzes von jenen Schädigungsverboten aufgestellt, die in den völkervertraglich verankerten und gewohnheitsrechtlich anerkannten Prinzipien des Umweltvölkerrechts enthalten sind.150 Diese Idee einer Begrenzung staatlicher Souveränität durch völkerrechtliche Bindungen liegt der Konzeption der Souveränität selbst als einem „Strukturprinzip des Koexistenzvölkerrechts“ zugrunde und kann von diesem nicht getrennt werden – beide Aspekte bilden gleichsam „zwei Seiten einer Medaille“.151 Zusammen mit dem Verfügungsrecht der Nationalstaaten normiert die Stockholmer Grundregel des Völkergewohnheitsrechts daher auch „eine Pflicht der Staaten, dafür zu sorgen, dass durch Tätigkeiten inner Kunig, Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, S.  193  ff.; Durner, Common Goods, S. 51. 147  So Epiney, 39 AVR (2001), S. 1 (9); siehe ferner Reszat, gemeinsame Naturgüter, S. 508; Zedalis, International Energy Law, S. 65. 148  Durner, Common Goods, S. 51; ähnlich Kunig, Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, S. 193 ff. 149  Siehe Durner, Common Goods, S. 51 f.; Wolfrum, Internationalisierung, S. 8 f.; Bleckmann, 29 ÖZöRV (1978), S. 173 ff.; Jennings/Watts, Oppenheim´s International Law Volume I, S. 391 ff.; Schwarzenberger/Brown, A Manual of International Law, S. 76. Siehe auch bereits die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) bb). 150  Siehe dazu die Ausführungen sogleich, Vierter Teil, Kap. XI. 2. 151  Durner, Common Goods, S. 52. So führt Max Huber in seinem Schiedsspruch aus dem Jahre 1928 im Island of Palmas Case (Netherlands vs. USA), II RIAA (1949), S. 829 (838) aus: „territorial sovereignty (…) involves the exclusive right to display the activities of a state. This right has as corollary right a duty: the obligation to protect within the territory the rights of other States.“ Siehe zu diesem engen Zusammenhang zwischen dem Ausbeutungsrecht und dem korrespondierenden nachbarrechtlichen Schädigungsverbot die Literaturbeiträge von Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1022 ff.; Bleckmann, 23 AVR (1985), S. 464 ff.; Perrez, 26 Environmental Law (1996), S. 1204 ff. 146

1. Das Prinzip der territorialen Souveränität als Ausgangspunkt

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halb ihres Umwelt- und Kontrollbereichs der Umwelt in anderen Staaten oder in Gebieten außerhalb ihres nationalen Hoheitsbereichs kein Schaden zugefügt wird“.152 Dieses nachbarrechtliche Schädigungsverbot ist – so Kunig pointiert – bereits seiner Natur nach ein Versuch zur Bewältigung von Souveränitätskonflikten: „Der Souveränität des Emissionsstaates, im Rahmen seiner territorialen Souveränität zu tun und zu lassen, was er will, steht der Grundsatz der territorialen Integrität des Immissionsstaates als Ausprägung von dessen territorialer Souveränität gegenüber“.153 Beide komplementären Extrempositionen, absolute territoriale Souveränität einerseits, absolute territoriale Integrität andererseits, wurden zwar in der völkerrechtlichen Lehre und Praxis gelegentlich in Anspruch genommen, haben sich aber letztlich nie durchsetzen können.154 Stattdessen mündeten sie in das Konzept der „beschränkten territorialen Souveränität und Integrität“.155 Diese Kompromissformel zwischen beiden Verabsolutierungen, zielt auf einen schonenden Souveränitätsausgleich156 ab und bildet somit die dogmatische Basis für das nachbarrechtliche Schädigungsverbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen.157 Als souveräne Territorialgemeinschaften sind die Nationalstaaten zwar grundsätzlich innerhalb der Grenzen ihres Hoheitsgebiets in ihren Handlungen frei. Allerdings ist diese Freiheit nicht schrankenlos, weil jeder Staat mit anderen Staaten räumlich koexistiert und deren territoriale Integrität selbst genauso respektieren muss, wie er diese Achtung umgekehrt von seinen Nachbarn erwartet.158 Die territoriale Souveränität eines jeden Staates findet ihre Schranke in der territorialen Inte­ grität eines jeden anderen Staates. Aufgrund der faktischen Interdependenz aller Grenznachbarn korrelieren territoriale Souveränität und Integrität begriffsnotwendig und beschränken einander.159 Die komplementären territorialen Souveränitätsansprüche aller Nationalstaaten begrenzen sich folglich gegenseitig.160 Die territo Stockholm Declaration, 11 ILM (1972), S. 1614 ff.  Kunig, Nachbarrechtliche Staatenverpflichtungen bei Gefährdungen und Schädigungen der Umwelt, in: Umweltschutz im Völkerrecht und Kollisionsrecht, S.  9  ff. zitiert bei Durner, Common Goods, S. 61 f. Siehe außerdem die darauf folgenden Diskussionsbeiträge von Rauschning und Wolfrum auf S. 160 ff. und 172 f. Siehe außerdem Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 456 ff. 154  Siehe dazu auch Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 511 f. Siehe dazu die umfassenden Nachweise von Klein, Umweltschutz im völkerrechtlichen Nachbarrecht, S. 119 ff., der die sukzessive Abschwächung vor allem des absoluten Souveränitätsgedankens in der völkerrechtlichen Praxis belegt. 155  Siehe dazu Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I, S. 446; Rauschning, 27 EA (1972), S. 560 und 567; Wolfrum, 33 GYIL (1990), S. 308 (310 f.); Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 117. 156  Dieser sehr treffende Begriff wurde geprägt von Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rn. 44, S. 822 unter Bezugnahme auf Kloepfer/Kohler, Kernkraftwerk, S. 36 ff. 157  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XI. 2. b). Umfassend dargestellt wird jenes Prinzip etwa von Epiney, 33 AVR (1995), S. 309 ff. Siehe außerdem Sands, Principles, 1. Aufl., S. 186 ff. und Birnie/ Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 89 ff. 158  So Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1029, S. 644. 159  Siehe Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 512; Bryde, 31 AVR (1992), 1 (4). 160  Ähnlich Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 26. 152 153

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

riale Integrität aller übrigen Nationalstaaten ist gleichsam die immanente Schranke der territorialen Souveränität eines jeden Nationalstaates. Die souveränen Nutzungsrechte aller Staaten können nur so weit reichen, wie die territoriale Souveränität anderer Staaten, in Gestalt ihrer territorialen Integrität, nicht erheblich berührt wird.161 Dieses nachbarrechtliche Schädigungsverbot bildet im Kontext des Umweltschutzes die wichtigste immanente Beschränkung der nationalen Verfügung und wird weiter unten wieder aufgegriffen, wenn es um das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen und die Schädigungsverbote anderer Umweltschutzprinzipien geht, welche als Schranken die nationale Verfügungsgewalt über natürliche Ressourcen begrenzen.162 Territoriale Souveränität hat demnach eine janusköpfige Doppelnatur:163 neben der positiven Befugnis eines jeden Staates, in seinem Hoheitsbereich frei über die Nutzung natürlicher Ressourcen zu entscheiden, hat jeder Nationalstaat grundsätzlich auch einen negativen Abwehranspruch gegenüber jeglicher Beeinträchtigung seiner territorialen Integrität durch Emissionen oder andere Eingriffe von außen.164

2. Bisherige Umweltschutzprinzipien des Völkerrechts Nach traditionellem Völkerrecht entscheiden die Nationalstaaten kraft ihrer terri­ torialen Souveränität grundsätzlich autonom darüber, wie mit Umweltgütern umgegangen wird, die unter ihre Gebietshoheit fallen.165 Insbesondere können sie grundsätzlich entscheiden, ob und inwieweit sie „ihre“ Umwelt schützen wollen. Umweltschutz ist somit im Ausgangspunkt Angelegenheit der einzelnen Nationalstaaten, deren nationales Umweltrecht potenziell all jene Umweltbeeinträchtigungen zu erfassen vermag, die auf ihre eigenen Territorien beschränkt sind.166 Doch das Umweltproblem ist grenzenlos.167 Die Natur kennt keine von Menschenhand gezogenen Grenzen.168 Umweltbelastungen machen auch an künstlichen Grenzen hoheitlicher Staatsgewalt nicht halt.169 So banal diese Feststellung aufgrund zuneh161  Siehe Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937, 949; Epiney, 39 AVR (2001), 1, 9; Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 512 f. 162  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 2. 163  Siehe etwa Andrassy, Nachbarrecht und Wassernutzung, FS Verdross, S.  55, 63; Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 508 f.; Bornheim, Haftung für grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen, S. 126 f. 164  Siehe Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 508; Epiney, 63 ZaöRV (2003), S. 377 (393 f.). 165  Siehe oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) bb). Vgl. auch Kiss/Shelton, Environmental Law, S. 11; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 25. 166  Siehe statt vieler nur Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 23. 167  Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rn. 1., S. 811. 168  Ähnlich Daillier/Pellet, Droit International Public, S. 1260: „(...) les pollutions ne connaissent pas de frontiéres“; Odendahl, Umweltpflichtigkeit der Souveränität, S. 23; Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 1; Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rn. 1., S. 811. 169  Ähnlich Odendahl, Umweltpflichtigkeit der Souveränität, S. 23.

2. Bisherige Umweltschutzprinzipien des Völkerrechts

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mend genauerer Kenntnisse von ökologischen Zusammenhängen mittlerweile auch sein mag, so grundlegend war sie für die Herausbildung und die Struktur aller bisherigen Prinzipien des modernen Umweltvölkerrechts.170 Zwar hat die Mehrzahl der Umweltbelastungen ihren Ursprung in den Hoheitsgebieten einzelner Staaten. Über die naturgemäß grenzenlosen Umweltmedien Wasser und Luft werden die Schadstoffe allerdings über die Staatsgrenzen hinweg in die Nachbarstaaten ebenso wie in die souveränitätsfreien Räume wie etwa die Hohe See oder gar in die globale Atmosphäre transportiert.171 Überdies hat sich der räumliche Wirkungsradius menschlicher Tätigkeiten infolge des galoppierenden technischen Fortschritts permanent ausgeweitet.172 Die intensive Nutzung der Umwelt durch den Menschen führt zu Umweltbelastungen, die sich nicht mehr nur lokal bzw. innerstaatlich ­auswirken, sondern auch andere Staaten, die hoheitsfreien Räume oder gar die Erde in ihrer Gesamtheit betreffen.173 Weiträumige Luftverschmutzungen, der Austritt radioaktiver Strahlung aus Nuklearanlagen, saurer Regen, die Verseuchung von Gewässern durch industrielle und landwirtschaftliche Nutzungen oder die Verunreinigung des Meeres durch Tankerunfälle sind nur einige Beispiele für Umweltbelastungen, die auch über die Grenzen einzelner Staaten hinausreichen.174 Aufgrund der komplexen Zusammenhänge des globalen ökologischen Systems können an sich nicht unmittelbar fern wirkende Aktivitäten dennoch globale Umweltprobleme nach sich ziehen.175 So kann neben dem weltweiten Ausstoß von CO2 auch die lokale Abholzung tropischer Regenwälder oder die auf Überweidung beruhende örtliche Versteppung letztendlich zu globalen klimatischen Veränderungen führen.176 Diese nicht mehr nur lokale, sondern darüber hinaus regionale und sogar globale Zerstörung der Grundlagen allen Lebens wird zunehmend als „Schicksalsaufgabe“177 der Internationalen Gemeinschaft wahrgenommen und hat letztlich zur Entstehung des modernen Umweltvölkerrechts geführt.178 Sobald ­Umweltbelastungen die juristisch-künstlichen Staatsgrenzen überschreiten, reicht ihr Wirkbereich weiter als der Kompetenz- und Verantwortungsbereich der einzelnen Nationalstaaten  Allgemein zur Entwicklung des modernen Umweltschutzgedankens und seiner Folgen, insbesondere für die internationale Umweltpolitik sowie die entsprechende Fortentwicklung des Völkerrechts, siehe UNEP (Hrsg.), Global Environment Outlook 3, S. 2 ff. Siehe zur Entwicklung des Umweltvölkerrechts Beyerlin, 54 ZaöRV (1994), S. 125 ff. 171  Siehe Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rn. 1, S. 811; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 1124 ff. und §§ 1150 ff. 172  Siehe Lester, AJIL (1963), S. 828 (828); Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 3. 173  Siehe dazu Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 23; Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 1 f. Siehe zu den verschiedenen raumbezogenen Begriffen von Umweltbelastungen weiter unten, Teil 3, Kap. XI. 2. a). 174  Diese Beispiele werden angeführt von Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 1 f.; Kloepfer, Umweltrecht, §  9 Rn.  1; Wildhaber, Rechtsfragen des internationalen Umweltschutzes, in: Karl (Hrsg.), Gedächtnisvorlesungen Miehsler, S. 1, 8. 175  Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rn. 1. 176  Siehe dazu Bothe, 32 ZaöRV (1972), S. 483 (485). 177  Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 1, 3. 178  Ähnlich bereits Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 2. 170

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

und sie werden zum völkerrechtlichen Problem.179 Es liegt „in der Natur der Sache“, dass Umweltbelastungen einen transnationalen, ja globalen Charakter haben. Wegen der grundsätzlich territorialen Bezogenheit nationaler Regelungen harmonisiert deren Reichweite nicht mit der örtlichen Reichweite des Sachproblems „Umweltbelastung“,180 oder anders gewendet: Diejenigen Gebiete, in denen sich umweltrelevante Tätigkeiten (potenziell) auswirken, decken sich nicht mit denjenigen, für welche den betroffenen Staaten Regelungskompetenzen zustehen.181 Kernproblem des internationalen Umweltschutzes ist die fehlende Koinzidenz von örtlicher Reichweite des Sachproblems „Umweltbelastung“ und räumlicher Regelungskompetenz.182 Es besteht somit eine Diskrepanz zwischen der örtlichen Reichweite der nationalstaatlichen Regelungen und der örtlichen Reichweite des Sachproblems „globale Umweltbelastung“.183 Aus der Perspektive des völkerrechtlichen Prinzipienbestandes stellt sich das Problem der globalen Umweltbelastung demnach als Problem einer „Rechtslücke“ dar, die nur durch das Umweltvölkerrecht geschlossen werden kann.184 Die bisherigen Prinzipien des modernen Umweltvölkerrechts sind daher aus der Herausforderung entstanden, Lösungen für Fälle zu schaffen, in denen Tätigkeiten im Hoheitsbereich eines Staates auch zu Umweltbeeinträchtigungen außerhalb seines Territoriums führen.185 Sie zielen somit gewissermaßen darauf ab, jene „Rechtslücke“ zu schließen, die sich aus der Diskrepanz zwischen den jeweils örtlich begrenzten nationalstaatlichen Rechtsordnungen und dem örtlich unbegrenzten Phänomen der internationalen Umweltbeeinträchtigung ergibt. Die verschiedenen völkervertraglich verankerten und völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Prinzipien des Umweltvölkerrechts erlegen den Nationalstaaten Schutzpflichten bzw. Schädigungsverbote auf, die – aufgrund der oben bereits dargelegten Aufteilung der Umwelt in unterschiedliche Rechtsräume186 – jeweils Umweltgüter in anderen Staaten, in den staatsfreien Räumen, die geteilten Ressourcen oder womöglich gar ihre eigenen Umweltgüter erfassen.187 Mit diesen Schädigungsverboten korrespondieren jeweils unterschiedliche Begriffe von Umweltbelastun So Wolfrum, 11 DVBl. (1984), S. 493, der im Hinblick auf das Element „Luft“ ausführt, „dass das Phänomen der grenzüberschreitenden Luftverschmutzung erst durch die Existenz von Staatsgrenzen zum juristischen Problem wird“. 180  Siehe erneut Wolfrum, 11 DVBl. (1984), S. 493. 181  Siehe Epiney, 33 AVR (1995), S.  309 (310); Wolfrum, 11 DVBl. (1984), S.  493; siehe auch Kloepfer, 25 AVR (1987), S. 277 (279 f.). 182  Siehe Bothe, 102 AöR (1977), S. 68 (68); Kloepfer, DVBl. 1984, S. 245 (252); Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 2. 183  Siehe insoweit die Ausführungen von Wolfrum, DVBl. 1984, S.  493 (493) in Bezug auf das Problem der grenzüberschreitenden Umweltbelastung. 184  Siehe Wolfrum, DVBl. 1984, S. 493 (493) unter Rückgriff auf die Ausführungen von Bothe, 102 AöR (1977), S. 68 ff. (68). 185  Siehe Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 2; siehe zu historischen Entwicklungen O’Brien, International Law, S. 550 ff.; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 61 ff. 186  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 1. a). 187  Welchen Inhalt und welche Reichweite die Schädigungsverbote in den jeweiligen „Rechtsräumen“ haben, werden wir weiter unten sehen, siehe Vierter Teil, Kap. XI. 2. b)–d) und 3. 179

2. Bisherige Umweltschutzprinzipien des Völkerrechts

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gen, die sich als „Ordnungskriterien“ für eine räumlich-funktionale Einordnung des common concern of humankind-Prinzips in den Bestand der bisherigen Umweltschutzprinzipien anbieten und daher im Folgenden zunächst dargestellt werden.188 Anschließend sollen jene Prinzipien skizziert werden, die sich – auf der Grundlage der modifizierten Begriffe von Umweltbelastungen – als Instrumente gegen grenzüberschreitende Umweltbelastungen, Umweltschäden an gemeinsamen Ressourcen und Verschmutzungen in den staatsfreien Räumen herausgebildet haben.189 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Teilbereich des Internationalen Umweltrechts keinesfalls organisch oder gar systematisch entstanden ist, sondern die einzelnen Prinzipien sich stattdessen ad hoc durch fortlaufende „Reaktionen“ des Völkerrechts auf spezifische Umweltprobleme entwickelt haben.190

a) Begriffe der Umweltbelastungen als Ordnungskriterien Ausgehend von der Parzellierung der Umwelt in verschiedene Rechtsräume191 haben sich im Umweltvölkerrecht in den letzten Jahrzehnten unterschiedliche Begriffe von Umweltbelastungen herauskristallisiert, die räumliche Reichweite und Funktion sämtlicher bisher entwickelter Umweltschutzprinzipien abstecken. Gemeinsamer Ausgangspunkt sämtlicher Umweltschutzprinzipien ist zunächst der Grundbegriff der Umweltbelastung. aa) „Grundbegriff“ der Umweltbelastung Einen rechtlich verbindlichen Grundbegriff einer Umweltbelastung oder  – verschmutzung192 gibt es auf internationaler Ebene nicht und einen solchen zu ermitteln bereitet Schwierigkeiten, zumal bereits im Ausgangspunkt der Begriff der „Umwelt“ und erst recht derjenige der „Verschmutzung“ bzw. der „Belastung“ durchaus unterschiedlichen Interpretationen zugänglich ist.193 Seit der Stockholmer  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 2. a).  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 2. b). 190  So etwa statt vieler Hunter/Salzman/Zaelke, IEL, S. 318. 191  Siehe dazu bereits weiter oben, Vierter Teil, Kap.  XI. 1. a). Siehe zu diesem Begriff bereits Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 23, 69 und 96 f. 192  In der umweltvölkerrechtlichen Literatur werden die Begrifflichkeiten der Umweltbelastung sowie der Umweltverschmutzung weitgehend synonym verwendet. Nachfolgend wird stets der Begriff der Umweltbelastung verwandt, weil er bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch darauf hindeutet, dass nicht lediglich „Verunreinigungen“ wie etwa Luft- oder Wasserverschmutzungen, sondern auch andere abträgliche Umwelteinwirkungen physikalischer, chemischer, biologischer und thermischer Natur einzuschließen sind. 193  So auch Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 71. Auf die Schwierigkeiten, den Begriff der „Umwelt“ zu definieren, geht zudem Lagoni, Umweltvölkerrecht, in: Thieme, Umweltschutz im Recht, S. 233 (240 f.) näher ein; vgl. zu ähnlich gelagerten Definitionsschwierigkeiten im Zusammenhang 188 189

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Umweltkonferenz im Jahre 1972 hat sich allerdings ein Konsens herauskristallisiert, demzufolge unter „Umwelt“ „sowohl die natürliche als auch die vom Menschen geschaffene Umwelt zu verstehen ist, die sich aus den Umweltmedien Wasser, Luft (einschließlich des Klimas) und Boden, der Fauna und Flora sowie dem Weltraum zusammensetzt“.194 Auch hinsichtlich des Begriffs der Belastung einer so verstandenen Umwelt lässt sich auf die vom Rat der OECD im Jahre 1974195 und im Jahre 1977196 sowie auf den von der ILA im Jahre 1982197 entwickelten Begriffe rekurrieren. Nach deren gemeinsamer Schnittmenge198 ist „Umweltbelastung oder -verschmutzung“ („pollution“) „(…) die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von Stoffen oder Energie durch den Menschen in die Umwelt, aus der sich abträgliche Wirkungen wie die Gefährdung der menschlichen Gesundheit, eine Schädigung der lebenden Naturschätze und der Ökosysteme sowie von Sachwerten und eine Beeinträchtigung der Annehmlichkeiten oder sonstiger rechtmäßiger Umweltnutzungen ergeben“.199 Die Mehrzahl solcher menschlich erzeugten Umweltbelastungen hat ihren Ursprung in den Hoheitsgebieten der Staaten. Solange die Umweltbelastungen sich auch in ihren Auswirkungen auf das Hoheitsgebiet des jeweiligen Staates beschränken, bleiben sie als „national begrenzte Umweltbelastungen“ eine interne Angelegenheit des Herkunftsstaates.200 Die meisten Umweltbelastungen machen aber an den künstlich gezogenen Staatsgrenzen nicht halt.201 Aufgrund natürlicher Wassermit dem Begriff der „Verschmutzung“ ausführlicher Kiss, International Protection, in: Macdonald/ Johnston, Structure and Process, S. 1069 (1072). 194  Von Lersner, Umwelt, in: HdUR 1994, II. Bd., Sp. 2107 (2111); Lagoni, Umweltvölkerrecht, in: Thieme, Umweltschutz im Recht, S. 233 (240); Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 71. 195  Principles concerning Transfrontier Pollution, OECD-Rec. C (74) 224, 1974, in: ILM 14 (1975), S. 242 ff. Von dieser Definition gehen Kiss, International Protection, in: Macdonald, Structure and Process, S. 1069 (1072) und Kiss/Shelton, Environmental Law, S. 116 aus. 196  Implementation of a Regime of Equal Right of Access and Non-Discrimination in Relation to Transfrontier Pollution, OECD-Rec. C (77) 28, 1977, in: Hohmann, Basic Documents, Bd.  1, S. 415 ff. 197  ILA Montreal Rules of International Law Applicable to Transfrontier Pollution, in: Hohmann, Basic Documents, Bd. 1, S. 249 ff. Auf diese Definition rekurriert u. a. Gündling, Environment, International Protection, in: EPIL IX (1986), S. 119 (121). 198  Alle drei Definitionen sind vom Wortlaut her fast identisch und tauchen in dieser oder ähnlicher Form noch in zahlreichen weiteren internationalen Dokumenten auf, siehe u. a. die Nachweise bei Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 72 Fn. 192. 199  Siehe Heintschel von Heinegg, Die außervertraglichen (gewohnheitsrechtlichen) Rechtsbeziehungen im Umweltvölkerrecht, in: 30. Assistententagung Öffentliches Recht, S. 110 (111). 200  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 96. Als rein national begrenzte Umweltbelastungen werden zumeist solche verstanden, die nach Quantität und Qualität nur einen geringen Wirkungsgrad entfalten. Als Beispiele werden Trockenlegungen kleinerer Seen oder national begrenzter Wasserläufe angeführt, außerdem Bodenbelastungen, die nicht in den Wasserkreislauf gelangen und daher auf das entsprechende Gebiet begrenzt bleiben. Insgesamt ist die Anzahl solcher national begrenzten Umweltbelastungen eher gering. Siehe hierauf insbesondere eingehend Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 96. 201  Siehe dazu bereits Vierter Teil, Kap. XI. 2 am Anfang. Ähnlich zudem Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S.  23 („Umweltbelastungen machen an Grenzen nicht halt“), die zutreffend darauf hinweist, dass diese „mittlerweile oft als banal bezeichnete Feststellung“ bisher auf die Entwicklung des Umweltvölkerrechts einen begrenzten Einfluss hatte.

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und Luftbewegungen sowie der steten Veränderung der natürlichen Umweltelemente „wandern“ Umweltbelastungen vielmehr über die Staatsgrenzen und betreffen die Hoheitsgebiete anderer Staaten, staatsfreie Räume oder wirken sich gar „auf die Erde in ihrer Gesamtheit“ aus.202 Verschärft wird diese Entwicklung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht zum einen durch die fortschreitende technische Entwicklung in den Industrieländern und zum anderen durch die armutsbedingte Ausbeutung der Umwelt in den Entwicklungsländern.203 Um diese rein tatsächliche räumliche Ausweitung der Umweltbelastungen auch auf der umweltvölkerrechtlichen Ebene zu erfassen, haben sich – gewissermaßen „nachregelnd“ – räumliche Modifikationen des Grundbegriffs herausgebildet, die danach unterscheiden, ob die Umweltbelastung auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates oder in den staatsfreien Räumen eintritt.204 bb) Grenzüberschreitende Umweltbelastungen Unter den Begriff der grenzüberschreitenden Umweltbelastung werden nach allgemein anerkannter Definition all jene Umweltbelastungen gefasst, deren Ursprung sich im Hoheitsgebiet eines Staates befindet und die sich im Hoheitsgebiet eines anderen, nicht notwendig direkt angrenzenden Staates auswirken.205 Umweltbelastungen grenzüberschreitender Art treten typischerweise in Umweltmedien auf, die sich aufgrund ihrer physikalischen und chemischen Zusammensetzung als effektives Transportmedium eignen, sodass sich grenzüberschreitende Luft- und Wasserverschmutzungen als häufige Beispielsfälle festhalten lassen.206 Einen klassischen Fall der grenzüberschreitenden Umweltverschmutzung stellt etwa die Tschernobylkatastrophe aus dem Jahre 1986 dar, bei welcher – grob vereinfacht – eine durch die Explosion eines Kernreaktors freigesetzte radioaktive Wolke durch die natürlichen Windbewegungen halb Europa überquerte und Luft, Gewässer, Boden und Lebensmittel auf den Hoheitsgebieten der entsprechenden Länder mittels Strahlen verseuchte.207  Siehe dazu bereits oben, Vierter Teil, Kap. XI. 2.  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 23 und 71. 204  Siehe hierzu Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S.  71. Ausgeklammert werden nachfolgend die oben ebenfalls angeführten Räume im Bereich der maritimen Gewässer, da sich dort – soweit ersichtlich – keine allgemein anerkannten Umweltschutzprinzipien herausgeblidet haben. 205  Siehe statt diverser völkerrechtlicher Dokumente nur ILA Montreal Rules of International Law Applicable to Transfrontier Pollution (Art. II), 1982, abgedruckt bei Hohmann, Basic Documents, Bd. 1, S. 249 ff. Vgl. dazu u. a. die Beiträge aus der Literatur von Kiss, International Protection, in: Macdonald/Johnston, Structure and Process, S.  1069 ff.  (1071  f.) sowie Kiss/Shelton, Environmental Law, S. 118 f. 206  Zu den unterschiedlichen Arten von Luft- und Wasserbeeinträchtigungen ausführlich Fröhler/ Zehetner, Rechtsschutzprobleme bei grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen, Bd.  1, S. 31 ff. und 40 ff. 207  Siehe zur Haftung bei grenzüberschreitenden Umweltverschmutzungen am Beispiel Tschernobyl die Ausführungen von Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S.  334–337 und  402  f. 202 203

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cc) Umweltbelastungen in den staatsfreien Räumen Davon unterschieden werden Umweltbelastungen in den staatsfreien Räumen, deren Ursprung im Hoheitsgebiet eines Staates liegt und die anschließend in die staatsfreien Räumen gewandert (raumüberschreitende Umweltbelastung) oder unter der Kontrolle eines Staates „vor Ort“, das heißt in den staatsfreien Räumen selbst entstanden sind.208 Exemplarisch sei auf Verschmutzungen der Hohen See mit Schadstoffen verwiesen (sogenannte „Verklappung“), die bedingt durch Schifffahrt entweder raumüberschreitend vom Lande aus oder seegestützt erst auf Hoher See eingeleitet werden.209 Beispielhaft für Umweltbelastungen des Weltraums lassen sich die sogenannten „Weltraumabfälle“ (space debris) anführen, die raumfahrtbedingt in den Weltraum gelangen und sich dann – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – der menschlichen Kontrolle entziehen.210

b ) Das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen Als Reaktion auf das Phänomen der grenzüberschreitenden Umweltbelastungen hat sich im völkerrechtlichen Nachbarrecht im Wesentlichen das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen entwickelt, das dogmatisch überwiegend aus dem oben bereits dargelegten „Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität“211 hergeleitet wird.212 Das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltschädigungen, die wichtigste Schranke der territorialen Souveränität, ist selbst eine Konsequenz der Souveränität jener von Umweltverschmutzungen betroffenen Nachbarstaaten, deren territoriale Integrität durch erhebliche Schädigungen verletzt wird.213

Siehe außerdem Zehetner, Tschernobyl – Zur völkerrechtlichen Problematik grenzüberschreitender technisch-industrieller Umweltkatastrophen, UPR 1986, S. 201 ff. 208  Hohmann, NuR 1990, S. 49 ff. Ähnlich Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 79. 209  Ramphal, Umweltprotokoll, S. 89 ff.; Hohmann, NuR 1990, S. 53 ff. 210  Siehe hierzu Frantzen, Umweltbelastungen, in: Böckstiegel, Handbuch des Weltraumrechts, S. 597 (607 ff.). 211  Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I, S. 446; Rauschning, 27 EA (1972), S. 567; Wolfrum, 33 GYIL (1990), S. 308 (310 f.); Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 117. 212  Ausgeklammert bleiben an dieser Stelle andere dogmatische Herleitungen. Siehe dazu vor allem Epiney, 33 AVR (1995), S. 309 (319 ff.), die überzeugend darlegt, dass aus dogmatischer Sicht der Schutz der territorialen Integrität als Bestandteil der Souveränität im Vordergrund steht, auch wenn bei der praktischen Geltendmachung wirtschaftliche Interessen oder der Schutz von Rechten Einzelner eine wichtige Rolle spielen mögen. 213  Siehe zur nachbarlichen Integrität als immanente Schranke der territorialen Souveränität die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1 b) cc). Brunnée, „ Sic utere tuo ut alienum non laedas“, in: MPEPIL online (2010), Rn. 9 f., abrufbar unter: www.mpepil.com

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Zum ersten Mal ausdrücklich formuliert wurde das Verbot grenzüberschreitender Umweltbelastungen im bereits erwähnten Trail Smelter-Fall214 aus dem Jahre 1939, in welchem das Schiedsgericht ausführte, dass „under the principles of international law (…) no State has the right to use or permit the use of its territory in such a manner as to cause injury by fumes in or to the territory of another or the properties or the persons therein, when the case is of serious consequence and the injury is established by clear and convincing evidence“.215

Dieser „oberste und allgemeinste Grundsatz des internationalen Nachbarrechts“216 wurde von der nachfolgenden Völkerrechtspraxis, insbesondere durch weitere internationale Schiedssprüche217 und die Vertragspraxis der Staaten218 bestätigt.219 Unbeschadet mancher Widersprüchlichkeiten in der Staatenpraxis und obwohl bis heute über die genauen Voraussetzungen dieses Verbotes Streit herrscht, sodass seine Reichweite im Einzelnen unklar ist,220 gilt das Verbot erheblicher ­grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen heute unbestritten als allgemein anerkanntes Prinzip des Völkergewohnheitsrechts.221  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) aa) (1).  RIAA, Vol. III, S. 1938 (1965). Siehe auch die Veröffentlichungen des Schiedsspruchs zur Trail Smelter Arbitration in 33 AJIL (1939), S. 182 ff. sowie in 35 AJIL (1941), S. 684 ff. 216  So ausdrücklich Randelzhofer/Simma, Das Kernkraftwerk an der Grenze, in: Blumenwitz/Randelzhofer (Hrsg.), FS Berber, S. 389 (408). 217  Im Lac Lanoux-Fall (RIAA XII, S. 281 ff.), der im Wesentlichen um Wasserentnahmen Frankreichs aus dem in Frankreich gelegenen Lac Lanoux kreiste, welche Auswirkungen auf die Wasserversorgung Spaniens hatte, betonte das Schiedsgericht, ein Staat dürfe von seinem ihm grundsätzlich zustehenden Wassernutzungsrecht nur insoweit Gebrauch machen, als dadurch keine ernsthaften Schädigungen eines anderen Staates verursacht werden (vgl. S. 303), wobei im konkreten Fall das Vorliegen eines erheblichen Schadens letztlich verneint wurde. Vgl. auch den Fall Gut Dam, ILM (1969), S. 133 ff. sowie den Fall Cosmos, ILM (1981), S. 689. Im Kern bestätigt wurde das nachbarrechtliche Prinzip ferner im Korfu Kanal-Fall, ICJ Rep. 1949, S. 4 (22), dem zwar kein umweltschutzrechtlicher Sachverhalt zugrunde lag, in welchem der IGH aber ganz allgemein betonte, jeder Staat sei verpflichtet, nicht wissentlich Maßnahmen im eigenen Hoheitsgebiet zu dulden, welche die Rechte anderer Staaten beeinträchtigen könnten; ähnlich äußerte sich der IGH in den Fisheries Cases, ICJ Rep. 1974, S. 31. Grundlegend für die Anerkennung dieses Grundsatzes in der Praxis der Schiedsgerichte war wohl schon der Fall Palmas, RIAA II, S. 829 (839). Siehe dazu bereits oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) cc). 218  Hinzuweisen ist an dieser Stelle insbesondere auf seine Verankerung in Prinzip 21 der Stockholm Declaration, 11 ILM (1972), S. 1614 ff. sowie in Grundsatz 2 der Rio Declaration on Environment and Development, UN-Doc. A/Conf. 151/5/Rev.1 (1992), ebenfalls abgedruckt in: 31 ILM (1992), S. 876. Siehe dazu bereits oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) aa). Allgemein zu seiner Verankerung in völkerrechtlichen Verträgen Beyerlin, FS Doehring, S. 45 sowie Dupuy, in: Rechtsfragen grenzüberschreitender Umweltbelastungen, S. 29 f. 219  Vgl. die entsprechenden Überblicke von Klein, Umweltschutz im völkerrechtlichen Nachbarrecht, S. 161 ff., 216 ff., 308 ff.; Rauschning, FS Schlochauer, S. 562 ff.; Wolfrum, GYIL (1990), S. 309 ff. 220  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 117. Ähnlich Epiney, 33 AVR (1995), S. 309 (319). So auch bereits Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 335 f. 221  Siehe Brunnée, Entwicklungen, S. 67; Wolfrum, 33 GYIL (1990), S. 308 (310); Epiney, 33 AVR (1995), S. 309 (318); Rauschning, FS Schlochauer, S. 562 f.; Beyerlin, FS Doehring, S 46; Dupuy, 214 215

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In der völkerrechtlichen Literatur wurden, ausgehend von der bisherigen Staatenpraxis und einigen einschlägigen Schiedsgerichtssprüchen, dem Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen einzelne Tatbestandsmerkmale entnommen, näher umschrieben und konkretisiert.222 Erstens muss eine irgendwie geartete Einwirkung auf die Umwelt eines Staates vorliegen, wobei „jede Beeinträchtigung der Umwelt ausreicht, und zwar unabhängig davon, ob sie (nur) ‚als solche‘ oder auch in ihrer Eigenschaft und Funktion als Lebensgrundlage des Menschen betroffen ist“.223 Zweitens muss diese Umweltbeeinträchtigung auch grenzüberschreitend sein, kann doch erst dann die territoriale Integrität eines ­anderen Staates überhaupt betroffen sein.224 Die zu überschreitende Grenze muss allerdings nicht zwingend eine gemeinsame sein; denn die territoriale Integrität eines Staates kann unabhängig davon betroffen sein, ob der einwirkende Staat unmittelbarer Nachbar des gegebenenfalls geschädigten Staates ist, sodass nicht nur „Nachbarn“ im engeren Sinne durch das Verbot grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen geschützt werden, sondern potenziell alle Staaten.225 Erfasst sind somit alle Umweltbelastungen, deren Ursprung im Hoheitsgebiet eines Staates liegt und die sich im Hoheitsgebiet eines anderen, nicht notwendig direkt angrenzenden, Staates auswirken.226 Drittens muss die grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigung auch erheblich sein, wobei die Erheblichkeitsschwelle sich nicht an mathematisch genauen Grenzwerten orientiert, sondern vielmehr wertend mit Blick auf das Immissionsniveau des belasteten Staates, sein innerstaatliches Immissionsschutzrecht, außerdem auch auf die Quantität der emittierten Stoffe sowie deren Qualität, das heißt ihre etwaige besondere Gefährlichkeit zu bestimmen ist.227 Umgekehrt sind die wirtschaftlichen, technischen und politischen Entwicklungen in dem belasteten Staat wegen der Immissionsbezogenheit des Erheblichkeitsbegriffs grundsätzlich irrelevant.228 Insbesondere bei diesem Merkmal geht es um das „Grunddilemma einer Regelung aller grenzüberschreitenden Sachverhalte“,229 die souveränen in: Rechtsfragen grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, S.  27  ff.; Hinds, 30  AVR (1992), S. 320; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 124; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1029; Bryde, 31 AVR (1993), S. 1 (3). geht mit überzeugender Begründung davon aus, dass diese Beschränkung der territorialen Souveränität schon immer gegolten hat. 222  Siehe dazu und zum Folgenden vor allem Epiney, 33 AVR (1995), S. 326 ff. 223  So Epiney, 33 AVR (1995), S. 309 (326). 224  Siehe Epiney, 33 AVR (1995), S. 309 (331). Siehe ferner Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 336. 225  Ebenso Gündling, ZaöRV (1985), S. 267 ff. und Epiney, 33 AVR (1995), S. 309 (332); Beyerlin, FS Doehring, S. 46 f.; Hinds, 30 AVR (1992), S. 310 f. 226  Siehe dazu die obigen Ausführungen, Vierter Teil, Kap. XI. 2. a) bb). Siehe erneut statt diverser völkerrechtlicher Dokumente nur ILA Montreal Rules of International Law Applicable to Transfrontier Pollution (Art. II), 1982, abgedruckt bei Hohmann, Basic Documents, Bd. 1, S. 249 ff. Vgl. dazu u. a. die Beiträge aus der Literatur von Kiss, International Protection, in: Macdonald/Johnston, Structure and Process, S. 1069 ff. (1071 f.) sowie Kiss/Shelton, Environmental Law, S. 118 f. 227  Siehe zum Ganzen wiederum Epiney, 33 AVR (1995), S. 309 (334 ff.). 228  Siehe Epiney, 33 AVR (1995), S. 309 (357). 229  Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 336.

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Interessen des „Verschmutzerstaates“ an der Nutzung seines eigenen Staatsgebiets mit dem gegenläufigen Interesse des Nachbarstaates an der Integrität seines Staatsgebiets und deren Bevölkerung miteinander in Einklang zu bringen.230 Mit Blick auf die später zu erörternde Frage nach einem Schutz vor globalen Umweltbelastungen durch die herkömmlichen nachbarrechtlichen Umweltschutzprinzipien ist außerdem – viertens – besonderes Augenmerk auf das Erfordernis der Kausalität zu legen. Nur wenn einem Staat – in der Terminologie der Trail Smelter Arbitration – „klar und überzeugend“ („clear and convincing“231) nachgewiesen werden kann, dass sein Verhalten zu einer erheblichen grenzüberschreitenden Umweltbelastung auf dem Gebiet eines anderen Staates geführt hat, entsteht eine Pflicht des Ursprungsstaates, die entsprechende Umweltbeeinträchtigung abzustellen.232 Dieser Kausalitätsnachweis ist besonders schwierig zu erbringen im Falle der sogenannten „Summierungs- und Kumulationseffekte“, bei welchen sich die betreffenden Umweltbeeinträchtigungen in einem Staat gerade nicht nur auf das Verhalten eines anderen Staates zurückführen lassen, sondern die maßgeblichen Ursachen von einer Vielzahl von Staaten gesetzt werden und die Umweltbelastung daher einen globalen Charakter annimmt.233 Darüber hinaus wird von der herrschenden Ansicht aus dem grundlegenden Trail Smelter-Fall234 sowie aus der Korfu Kanal-­Entscheidung235 eine präventive Pflicht der Staaten hergeleitet, das Entstehen grenzüberschreitender Umweltbelastungen von vornherein zu vermeiden.236 Flankiert werden diese Verbote von formellen Verfahrensregeln, die in Gestalt von Warn-, Informations- und Konsultationspflichten der Durchsetzung des materiellen Verbots grenzüberschreitender Umweltbelastungen dienen.237

c) Das Konzept der gemeinsamen natürlichen Ressourcen Sodann hat sich im Hinblick auf solche Ressourcen, „die sich nicht oder jedenfalls nicht ohne Weiteres der Souveränität eines einzelnen Staates zuordnen lassen“,238 das sogenannte „Prinzip der angemessenen Nutzung gemeinsamer Ressourcen“  Ähnlich bereits Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 336.  RIAA, Vol. III, S.  1938 (1965). Siehe auch die Veröffentlichungen des legendären Schiedsspruchs zur Trail Smelter Arbitration in 33 AJIL (1939), S.  182  ff. sowie in 35 AJIL (1941), S. 684 ff. 232  So etwa Randelzhofer/Simma, Kernkraftwerk, in: FS Berber, S. 389 (409); Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 124. 233  Siehe dazu Wolfrum, DVBl. 1984, S. 493 (495); Epiney, 33 AVR (1995), S. 309 (353 f.). Hierauf wird weiter unten noch näher einzugehen sein, siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 3. 234  RIAA, Vol. III, S. 1905 (1966). 235  RIAA, Vol. III, S. 1938 (1965). 236  Wolfrum, DVBl. 1984, S.  493 (495); Brunnée, Entwicklungen, S.  76  ff.; siehe insbesondere Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 337 zu der Problematik, welche Anforderungen an die Sicherheitsstandards gefährlicher Anlagen und deren Überwachung zu stellen sind. 237  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 228. 238  So Durner, Common Goods, S. 74. 230 231

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(equitable utilization of shared resources) herausgebildet, das ebenfalls auf einen Ausgleich verschiedener souveräner Rechtspositionen abzielt.239 Sowohl historisch als auch inhaltlich werden das Verbot der erheblichen grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigung und das Prinzip der equitable utilization oftmals als derartig eng miteinander verwoben betrachtet, dass sie bisweilen insbesondere in der älteren Literatur allzu oft miteinander vermengt werden.240 Dieser Umstand ist letztlich wohl vor allem darauf zurückzuführen, dass die Problematik der Nutzung gemeinsamer Umweltgüter für gewöhnlich ebenfalls zwischen Nachbarstaaten auftaucht. Auch Konflikte über geteilte Ressourcen dürften daher meistens Nachbarschaftskonflikte sein; keinesfalls aber werden alle Nachbarschaftskonflikte um shared resources ausgefochten. Sowohl Voraussetzungen als auch Rechtsfolgen beider Prinzipien sind „im Interesse dogmatischer Klarheit“ strikt voneinander zu trennen.241 Zwar lassen sich aus der ökonomischen Perspektive viele Fragen des Umweltschutzes durchaus auch als reine Verteilungsfragen darstellen; doch sind die jeweils anwendbaren Völkerrechtsprinzipien „so unterschiedlich, dass eine Vermischung unweigerlich zu fragwürdigen und wenig sachgerechten Ergebnissen führt“.242 Bei der Verteilung und Nutzung gemeinsamer Güter stellen sich andere Rechtsfragen als bei grenzüberschreitenden Schädigungen: Anders als bei dem vom Verbot grenzüberschreitender Umweltbelastungen erfassten Souveränitätskonflikt geht es bei den shared resources zunächst „nicht um die jeweils betroffenen staatlichen Territorien, sondern unmittelbar um solche Ressourcen, die sich nicht oder jedenfalls nicht ohne Weiteres der Souveränität eines einzelnen Staates zuordnen lassen, zugleich wegen der begrenzten Anzahl zugriffsberechtigter Staaten aber auch nicht als hoheitsfrei angesehen werden können“.243 In den Worten von Reszat geht es bei der Lehre der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität streng genommen um die qualifizierende Beschreibung eines Rechtstitels, letztlich also um die abstrakte Reichweite des Instituts Souveränität, während der equitable utilization-­ Ansatz ein materielles Prinzip zur Lösung konkreter Konflikte zwischen solchen Souveränitätstiteln darstellt.244 Der Grundsatz der angemessenen Nutzung gemeinsamer Naturgüter einerseits, und das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Um-

 Epiney, AVR (1995), S. 389 (389); Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 164; Durner, Common Goods, S.  74. Siehe allgemein zum Konzept der gemeinsamen natürlichen Ressourcen Reszat, Gemeinsame Naturgüter; Barberis, Los recursos naturales compartidos entre estados y el Derecho Internacional; Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter; Riphagen, The International Concern for the Environment, in: Bothe (Hrsg.), Trends in Environmental Policy and Law, S. 343 ff.; Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 514. 240  Hierauf weisen Durner, Common Goods, S. 74 und Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 514 zu Recht hin. Siehe auch Rothenberger, Angemessene Nutzung, S. 15; Caponera, 25 Nat.R.J. (1985), 563, 568 f.; Bruhács, International Watercourses, S. 157; Dickstein, 12 CJTL (1973), 487, 492. 241  So Durner, Common Goods, S. 62. Ähnlich Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 514. 242  Siehe auch Brunnée, 34 AVR (1996), S. 254 f.; Biermann, 34 AVR (1996), S. 426, 428 f.; Durner, Common Goods, S. 63. 243  So Durner, Common Goods, S. 74. 244  Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 514. 239

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weltbeeinträchtigungen andererseits, sind daher letztlich auf verschiedenen juristischen Ebenen angesiedelt.245 Das Problem der Nutzung und Aufteilung von Umweltgütern, die weder staatsfrei noch eindeutig der Souveränität eines einzelnen Staates zugehörig sind, stellt sich für viele Staaten in den unterschiedlichsten Konstellationen.246 Im Idealfall kommt es zu einer einvernehmlichen oder gar gemeinsamen Nutzung der jeweiligen Ressource.247 Seine historischen und konzeptionellen Wurzeln hat das Prinzip der angemessenen Nutzung gemeinsamer Ressourcen im Recht der internationalen Binnengewässer, welches mit großem Abstand seinen wichtigsten Anwendungsbereich ausmacht.248 In der Staatenpraxis findet sich eine breite Palette an weiteren Beispielen für die gemeinsame Verwaltung und Nutzung von Ressourcen, darunter so unterschiedliche Formen der Kooperation wie etwa gemeinsame Projekte zu Fischereizonen, Öl-, Gas- und andere Rohstoffvorkommen, zu Erschließungen des Kontinentalschelfs sowie zur Verwaltung gemeinsamer Verkehrszonen und wandernder Tierherden.249 Gemeinsamer Nenner all dieser verschiedenen Anwendungsfälle in der Staatenpraxis ist die Idee einer ressourcenbezogenen Kooperation, welche den Kern des equitable utilization-Prinzips ausmacht. Durch die vielfachen Konkretisierungen des Grundsatzes in älteren Übereinkommen hat sich das Prinzip inzwischen als völkerrechtliches Standardmodell für alle weiteren Anwendungsfälle gemeinsamer Umweltgüter etabliert.250 Bei diesen Beispielen aus der Vertragspraxis handelt es sich allerdings durchweg um „bilaterale oder zumindest ­geografisch begrenzte Vereinbarungen zwischen zwei oder mehreren Anliegerstaaten einer Wasserressource“.251 Eine erste multilaterale Verallgemeinerung des Grundsatzes findet sich in Art. IV. der im Jahre 1966 von der International Law Association (ILA) beschlossenen Helsinki Rules on the Uses of the Waters of International Rivers (Helsinki Rules), wo es heißt: „Each basin State is entitled, within its territory, to a reasonable and equitable share in the beneficial uses of the waters of an international drainage basin.“252

 So Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S.  514. Siehe auch Székely, 26 Nat.Res.J. (1986), 733 (735); Lee, Effiziente Nutzung, S. 63. 246  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 75. 247  Siehe Durner, Common Goods, S. 75. 248  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 75. 249  Siehe Durner, Common Goods, S. 75. Eine gute Zusammenstellung der unterschiedlichen Kooperationsformen liefert Brownlie, 162 RdC (1979 I), 245 (289 ff.). Siehe außerdem Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 104 ff. 250  So Durner, Common Goods, S. 75 f., 79. 251  Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 82; ähnlich auch Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 171 f. 252  Helsinki Rules on the Uses of the Waters of International Rivers, International Law Association, report of the 52nd Conference, Helsinki 1966, S. 478 ff., Art. IV, abgedruckt in Manner/Metsälampi (Hrsg.), The Work of the International Law Association on the Law of International Watercourses, S. 19 ff. 245

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Hervorzuheben ist daneben vor allen Dingen Art. X der Helsinki Rules, der für neue Nutzungsformen der internationalen Binnengewässer ein absolutes Verbot aufstellt, erhebliche Schäden zu verursachen, und zugleich die Pflicht statuiert, bereits existierende Verschmutzungen zu minimieren: „Consistent with the principle of equitable utilization of the waters of an international drainage basin, a State:

(a) Must prevent any new form of water pollution or any increase in the degree of existing water pollution in an international drainage basin which would cause substantial injury in the territory of a co-basin State; (b) Should take all reasonable measures to abate existing water pollution in an international drainage basin to such an extent that no substantial damage is caused in the territory of a co-basin State.“253

Allerdings bilden die Helsinki Rules keine Staatenpraxis ab, sondern sind bloße Vorarbeiten für den von der International Law Commission (ILC) in mehr als 20-jährigen Verhandlungen erarbeiteten und im Jahre 1994 vorgelegten Entwurf zum Recht der internationalen Binnengewässer.254 Diese Arbeiten der ILC führten im Jahre 1996 zur Aufnahme multilateraler Verhandlungen innerhalb der UN-­ Vollversammlung und mündeten schließlich ein Jahr später in die Verabschiedung der United Nations Convention on the Law of Non-Navigational Uses of International Watercourses.255 In Art. 5 dieses Übereinkommens verankern die Vertragsstaaten das Prinzip der angemessenen Nutzung als konzeptionelle Grundlage: „1. Watercourse States shall in their respective territories utilize an international watercourse in an equitable and reasonable manner. In particular, an international watercourse shall be used and developed by watercourse States with a view to attaining optimal and sustainable utilization thereof and benefits therefrom, taking into account the interests of the watercourse States concerned, consistent with adequate protection of the watercourse. 2. Watercourse States shall participate in the use, development and protection of an international watercourse in an equitable and reasonable manner. Such participation includes both the right to utilize the watercourse and the duty to cooperate in the protection and development thereof, as provided in the present Convention.“256  Helsinki Rules on the Uses of the Waters of International Rivers, International Law Association, report of the 52nd Conference, Helsinki 1966, S. 478 ff., Art. IV, abgedruckt in Manner/Metsälampi (Hrsg.), The Work of the International Law Association on the Law of International Watercourses, S. 19 ff., Art. X. 254  United Nations Draft Articles on the Law of the Non-Navigational Uses of International Watercourses adopted on Second Reading by the International Law Commission at its Forty-sixth Session, ILC Yearbook II/1994, Part Two, S.  88  ff. Näher dazu McCaffrey/Rosenstock, 5 RECIEL (1996), 89 ff. 255  United Nations Convention on the Law of Non-Navigational Uses of International Watercourses, 36 ILM (1997), 700 ff., die am 17. August 2014 in Kraft getreten ist. Ratifikationsstand: 36 Staaten, abrufbar unter https://treaties.un.org/pages/viewdetails.aspx?src=ind&mtdsg_no=xxvii12&chapter=27&lang=en (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). Siehe zur Verhandlungsgeschichte den Report of the Sixth Committee Convening as the Working Group of the Whole, UN-Doc. A/51/869 vom 11. April 1997. Siehe zudem Islam, The Law of Non-Navigational Uses of International Watercourses, S. 99 ff. Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 85. 256  United Nations Convention on the Law of Non-Navigational Uses of International Watercourses, 36 ILM (1997), 700 ff., Art. V. 253

2. Bisherige Umweltschutzprinzipien des Völkerrechts

261

Auch das UN-Rahmenübereinkommen verleiht dem Umweltschutzaspekt („adequate protection of the watercourse“) demnach einen besonderen Stellenwert und nach dem Verständnis der ILC kodifiziert die Vorschrift bereits existierendes Völkergewohnheitsrecht.257 Nachdem ein internationales Schiedsgericht im Jahre 1957 zunächst im Lac Lanoux-Schiedsspruch258 einen wichtigen Präzedenzfall für die Geltung des equitable utilization-Grundsatzes im Wasserrecht schuf, hat der IGH in seinem Gabicikovo-Nagymaros-Urteil aus dem Jahre 1997 das Prinzip der angemessenen Nutzung gemeinsamer Naturgüter nachdrücklich bestätigt und klargestellt, dass es jedenfalls im Recht der internationalen Binnengewässer geltendes Völkergewohnheitsrecht darstellt.259 Sowohl die für die Entwicklung des Umweltvölkerrechts immens einflussreiche Brundtland-Kommission260 als auch weite Teile des Schrifttums261 sind der Auffassung, der Grundsatz der angemessenen Nutzung sei darüber hinaus „allgemeines“ Gewohnheitsrecht. In diese Richtung deutet letztendlich auch das bereits erwähnte Gabicikovo-Nagymaros-Urteil, in welchem der IGH die Donau als Anwendungsfall einer „gemeinsamen Ressource“ („shared resource“) bezeichnete.262 Dies legt zumindest nahe, dass das Gericht „gemeinsame Ressourcen“ als einen weiten Oberbegriff ansieht, für den die gemeinsamen Wasserressourcen zwar einen besonders wichtigen, aber dennoch nur einen unter mehreren denkbaren Anwendungsfällen darstellen.263 Unklar bleibt allerdings, wie der – für die räumliche Einordnung und Abgrenzung des common concern-Prinzips wichtige – räumliche Anwendungsbereich des  Siehe statt Vieler nur Durner, Common Goods, S. 86.  Sentence du Tribunal Arbitral Franco-Espagnol dans l´Affaire de l´Utilisation des Eaux du Lac Lanoux, Schiedsspruch v. 16. November 1957, VII RIAA, 281 ff.; ausführlicher zu jenem Schiedsspruch Stoll, Das völkerrechtliche Prinzip der angemessenen Nutzung, S. 85 ff.; Reinicke, Die angemessene Nutzung, S. 103. 259  Case Concerning The Gabicikovo-Nagymaros Project (Hungary vs. Slowakia), Urteil v. 25. September 1997, 37 ILM (1998), 162 ff. 260  Bericht der Brundtland-Kommission, abgedruckt bei Munro/Lammers (Hrsg.), Environmental Protection and Sustainable Development: Legal Principles and Recommendations Adopted by the Experts Group on Environmental Law of the World Commission on Environment and Development (1987), S. 11 ff. (Principles, Rights and Obligations Specifically concerning Transboundary Natural Resources and Environmental Interferences, Art. 9–20) sowie insbesondere die dazugehörigen Erläuterungen auf S. 72 ff. Die Brundtlandt-Kommission erklärt auf S. 73: „The principle of equitable use of a transboundary natural resource must be regarded as a well-established principle of international law“. 261  In der Literatur wird diese Auffassung vor allem vertreten von Barberis, Los recursos naturales, S. 145, 154 ff.; Reinicke, Die angemessene Nutzung, S. 186; Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 103, 116 ff.; Hinds, Einschränkungen der Souveränität, S. 105 f.; Schrijver, Sovereignty, S. 243 f., 336 ff.; Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 112 f., 131 ff. und 204 ff.; Rauschning, Allgemeine Völkerrechtsregeln, S.  570; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, S. 447 f. 262  Case Concerning the Gabicikovo-Nagymaros Project (Hungary vs. Slowakia), Urteil vom 25. September 1997, 37 ILM (1998), 162 ff., para 85 a.E.: „The Court considers that Czechoslovakia, by unilaterally assuming control of a shared resource, and thereby depriving Hungary of its right to an equitable and reasonable share of the natural resources of the Danube (…)“. 263  So etwa Durner, Common Goods, S. 135. 257 258

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

equitable utilization-Prinzips zu bestimmen ist. Dies gilt umso mehr, als es kein völkerrechtlich verbindliches Dokument gibt, das den Begriff der „gemeinsamen Naturgüter“ definiert. Eine UNEP-Expertengruppe hat im Rahmen ihrer Arbeiten zum Grundsatzentwurf für die Erhaltung und harmonische Nutzung gemeinsamer Naturgüter aus dem Jahre 1978 diesen Begriff definiert als „ein vom Menschen genutztes Element der natürlichen Umwelt, das eine bio-geophysikalische Einheit bildet und auf dem Territorium eines oder mehrerer Staaten belegen ist“.264 In der Literatur kommen nach weit überwiegender Auffassung als „gemeinsame Güter“ grundsätzlich nur solche Ressourcen in Betracht, die eine begrenzte Zahl von ­Staaten betreffen.265 Abgesehen von diesem Kriterium fehlt es allerdings an einer allgemein anerkannten Definition gemeinsamer Ressourcen. Epiney versteht darunter solche natürliche Ressourcen, die „bestimmte umweltbezogene Abhängigkeiten zwischen mindestens zwei Staaten“ begründen, wobei diese nach geografischen Gegebenheiten beurteilt werden sollen.266 Ihr folgend nennt Krohn „besondere umweltbezogene Abhängigkeiten zwischen einer kleineren Zahl von Staaten“ als maßgebliches Abgrenzungskriterium.267 Reichlich vage lässt Dupuy bereits eine über den einzelstaatlichen Hoheitsbereich hinausreichende „ökologische Einheit“ ausreichen.268 Ähnlich unbestimmt soll es nach Kiss auf ein gemeinsames Interesse einer kleineren Anzahl von Staaten an einem bestimmten Naturgut ankommen.269 Vielversprechender erscheint indes ein Definitionsansatz von Reszat, demzufolge gemeinsame Naturgüter „all diejenigen Umweltgüter“ sind, „hinsichtlich derer eine Nutzungsberechtigung mehrerer Staaten besteht, und aufgrund deren untrennbarer Einheit und naturgesetzlich vorgegebener Eigenschaften zwischen einem beschränkten Kreis nutzungsbefugter Staaten ein faktisches Verhältnis besonderer Nähe und gegenseitiger Abhängigkeit besteht“.270 Darüber hinaus verlangt insbesondere Barberis einen Souveränitätskonflikt, der aus dem Wesen der geteilten Ressource erwächst: Um gemeinsame Ressource soll es sich handeln, wenn ein Souveränitätskonflikt vorliegt, bei dem aufgrund realer Gegebenheiten die Nutzung durch  UNEP Draft Principles of Conduct in the Field of the Environment for the Guidance of States in the Conservation and Harmonious Utilization of Natural Resources Shared by two or more States, abgedruckt in: 17 ILM (1978), S.  1091 (1097). Ähnliche Übersetzungen verwenden Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 161 und Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 109. 265  Dieses Ausgangskriterium stammt von Barberis und ist mittlerweile gemeinhin anerkannt. Siehe dazu vor allem Durner, Common Goods, S. 133; siehe ferner Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S.  162; Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S.  109  ff. und  171; Hinds, Einschränkungen der Souveränität, S. 76 f. und 311 f.; Reinicke, Die angemessene Nutzung, S. 21; Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 198; Kiss, Protection of the Environment, S. 1069, 1082. 266  Epiney, 39 AVR (2001), S. 1 (29). 267  Krohn, Bewahrung tropische Regenwälder, S. 198, die außerdem zu Recht darauf hinweist, dass „Art und Umfang dieser Abhängigkeiten“ bislang noch kaum geklärt sind. Siehe ferner Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 42. 268  Dupuy, Droit International Public, S. 100 Rn. 105. Siehe zudem die berechtigte Kritik von Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 109. 269  Kiss, International Protection, in: Macdonald/Johnston (Hrsg.), Structure and Process, S. 1069 (1080). 270  Reszat, Gemeinsame Ressourcen, S. 112. 264

2. Bisherige Umweltschutzprinzipien des Völkerrechts

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den einen Staat notwendigerweise das Recht des anderen Staates beeinträchtigt und mangels Teilbarkeit der Ressource entlang der Staatsgrenzen eine andere Verteilungsregel gefragt ist – nämlich der equitable utilization-Grundsatz.271 Dogmatisch lässt sich auch das Prinzip der angemessenen Nutzung gemeinsamer Ressourcen  – positiv  – durch einen Freiheitsbereich und  – negativ  – durch seine Schranken definieren. Auch bei den geteilten Ressourcen sind die Staaten ähnlich wie unter dem Prinzip der nationalen Verfügung über eigene natürliche Ressourcen zunächst einmal grundsätzlich zur Nutzung des jeweiligen gemeinsamen Gutes ­berechtigt.272 Die Nationalstaaten sind demnach befugt, grenzüberschreitende Flüsse zu nutzen, Grundwasser zu entnehmen, grenzüberschreitende mineralische Vorkommen zu erschließen und auf ihrem Staatsgebiet Jagd auf wandernde Tierherden zu machen oder zu erlauben.273 Diese Nutzungsrechte der Nationalstaaten sind nach überwiegender Ansicht unmittelbarer Ausdruck ihrer territorialen Souveränität, welche durch das Konzept der gemeinsamen Ressourcen nicht etwa vollständig beseitigt, sondern bloß modifiziert wird.274 Nach diesem Verständnis enthält der Grundsatz der angemessenen Nutzung gemeinsamer Ressourcen, ähnlich wie das nachbarrechtliche Schädigungsverbot, nicht etwa eine positive Befugnisnorm, sondern errichtet eine völkerrechtliche Schranke für die grundsätzlich bereits vorhandenen Freiheitsrechte der Nationalstaaten.275 Doch stellt das Prinzip der angemessenen Nutzung gemeinsamer Ressourcen auch ein allgemeines Schädigungsverbot für jene gemeinsamen Ressourcen auf? Bereits seinem Namen nach handelt es sich bei dem equitable utilization-Prinzip in erster Linie um ein Nutzungskonzept, das vorrangig der Koordination potenziell konkurrierender Nutzungen „gemeinsamer natürlichen Ressourcen“ durch die anliegenden Nationalstaaten dient.276 Es zielt in der Sache lediglich darauf ab, die entsprechenden Nutzungsmöglichkeiten so zwischen den jeweiligen Staaten aufzuteilen, dass die Ressource optimale Verwendung findet und die wirtschaftlichen Interessen der Anliegerstaaten miteinander in Einklang gebracht werden.277 Es erlegt den Anliegerstaaten keine konkreten materiellen Umweltpflichten auf.278 Es geht folglich primär um die wirtschaftliche Nutzung und Ausbeutbarkeit und nicht um  Siehe Barberis, International Groundwater Resources Law, S.  24: „Such shared natural resources consist of elements which by their very nature cannot be portioned between States simply by drawing a demarcation line.“; daran anknüpfend Reinicke, Die angemessene Nutzung, S. 22. Ähnlich Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., § 9 Rn. 76, der ebenfalls tatsächliche und rechtliche Interdependenzen verlangt. Siehe zum Ganzen Durner, Common Goods, S. 133. 272  Vgl. Durner, Common Goods, S. 117. 273  So insbesondere Durner, Common Goods, S. 117. 274  So erneut Durner, Common Goods, S. 117. 275  Siehe Durner, Common Goods, S. 117; siehe ferner Barberis, International Groundwater Resources Law, S. 23 f.; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 28 ff. Siehe zu diesem Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis bereits die Ausführungen oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) cc) und 2. Siehe außerdem dazu Bleckmann, 29 ÖZöRV (1978), 173 ff. 276  Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I, S. 447. 277  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 187 f. 278  Ebenso Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 187. 271

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

den Schutz der natürlichen Ressource vor Verschmutzungen.279 „Im Zentrum stehen nicht die Ressource(n) als Bestandteil der natürlichen Umwelt, sondern die wirtschaftlichen Interessen der Anliegerstaaten“.280 Das equitable utilization-Prinzip enthält keine umweltpolitische Zielrichtung. Es ist kein genuines Umweltschutzkonzept. Von seiner Zweckrichtung her handelt es sich vielmehr in erster Linie um ein Verteilungsprinzip.281 Die den Staaten durch das Prinzip der angemessenen Nutzung auferlegten Pflichten schränken die Staaten grundsätzlich nur in ihrer wirtschaftlichen Ausbeutungsfreiheit, nicht aber in ihrer umweltrechtlichen Jurisdiktion über die teilweise auf ihren Hoheitsgebieten befindlichen natürlichen Ressourcen ein.282 Es stellt sich allerdings die Frage, ob aus diesem ressourcenbezogenen Prinzip nicht auch, sozusagen als „Nebeneffekt“, ein Schädigungsverbot fließt, welches die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der jeweiligen Anliegerstaaten auch in Umweltschutzfragen einzuschränken vermag.283 Ein solches allgemeines Schädigungsverbot für gemeinsame Ressourcen, wie es im Hinblick auf die Umwelt anderer Staaten gilt, ließe sich aus verschiedenen Erwägungen herleiten.284 Zunächst liegt der Gedanke nahe, geteilte Güter seien von dem gewohnheitsrechtlich geltenden Schädigungsverbot in Prinzip 21 der Stockholm-Declaration erfasst, das seinem Wortlaut nach eine Schutzpflicht nicht nur im Hinblick auf die Umwelt in anderen Staaten normiert, sondern auch in Gebieten außerhalb des nationalen Hoheitsbereichs der Staaten.285 Davon geht jedenfalls die UNEP-Expertenkommission laut Grundsatz 3 Abs. 2 ihrer Prinzipienerklärung ausdrücklich aus.286 Ob und inwieweit auch gemeinsame Ressourcen vom Wortlaut der Stockholmer Grundregel des Umweltvölkerrechts eingeschlossen werden, ist indes höchst zweifelhaft; denn solange sich die Schädigung der geteilten Ressource nicht auch in der Umwelt des anderen Staates selbst niederschlägt, ist das nachbarliche Schädigungsverbot nicht anwend Siehe Riphagen, The International Concern, in: Bothe (Hrsg.), Trends, S. 343 (350); Wolfrum, 30 GYIL (1990), S. 308 (321); Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 188, 196; Reinicke, Die angemessene Nutzung, S. 29. 280  Barberis, International Rivers, in: EPIL XI (1986), S. 212 (215); Nettesheim, 34 AVR (1996), S. 168 (200); Kunig, BerDGVR 1992, S. 9 (18); Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 188. 281  So etwa Wolfrum, 30 GYIL (1990), S. 308 (321) und ihm folgend Durner, Common Goods, S. 122; Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 249 f. 282  So Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 188. 283  Zur Frage, ob das Konzept der gemeinsamen Ressourcen auf bloße Nutzungsregeln beschränkt bleibt oder auch die Umweltschutzproblematik erfasst, äußern sich insbesondere Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 188 ff., Reinicke, Die angemessene Nutzung, S. 149 ff. und Durner, Common Goods, S. 122 ff. 284  Siehe Durner, Common Goods, S. 122. 285  Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 122. Siehe dazu einerseits im Zusammenhang mit dem Verbot grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 2. b) und andererseits mit Umweltbelastungen in staatsfreien Räumen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XI. 2. d) aa). 286  Report of the Intergovernmental Working Group of Experts on Natural Resources Shared by Two or More States on the Work of ist Fifth Session Held at Nairobi, 17 ILM (1978), S. 1094 ff., Grundsatz 3 Abs. 2. Siehe dazu erneut Durner, Common Goods, S. 122. 279

2. Bisherige Umweltschutzprinzipien des Völkerrechts

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bar.287 Verbraucht demnach ein Staat übermäßig das Wasser eines gemeinsamen Flusses, so greift das nachbarliche Schädigungsverbot selbst dann nicht, wenn dem anderen Staat dadurch insofern  ein wirtschaftlicher Schaden entsteht, als dessen Nutzungen beeinträchtigt werden.288 In derartigen Fällen wird die Nutzungsfreiheit der Staaten ausschließlich durch den Grundsatz der angemessenen Nutzung begrenzt.289 Etwas vielversprechender erscheint der Ansatz, eine Schutzpflicht für gemeinsame Güter aus dem equitable utilization-Prinzip selbst herzuleiten.290 Zwar ist man sich in der Literatur weitestgehend einig darüber, dass diese Maxime nicht unmittelbar auf den Schutz der Umwelt gerichtet ist.291 Allerdings würde die Verschmutzung gemeinsamer Ressourcen ab einem gewissen Verschmutzungsgrad von der Angemessenheitsklausel erfasst, da bei der Bestimmung einer „angemessenen Nutzung“ unter anderem auch „saubere“ gegen „schmutzige“ Nutzungen abgewogen werden müssten.292 Doch eine Nutzung, die auf eine vollständige Verschmutzung der gemeinsamen Ressource abziele, sei in jedem Fall nicht mehr angemessen.293 Nur eine noch nicht zu stark verschmutzte Ressource könne noch optimal genutzt werden.294 Überdies zeichne sich in der Staatenpraxis ein Trend ab, wonach bei der erwähnten Interessenabwägung auch die Nutzungen künftiger Generationen zu berücksichtigen seien, sodass etwa eine „Übernutzung“ oder gar Ausrottung von Tierarten oder Ökosystemen verboten sei.295 Auch dieser Ansatz vermag allerdings letztlich nicht zu überzeugen. Der Grundsatz der angemessenen Nutzung statuiert eine Verteilungsnorm, die im Interesse der jeweiligen Staaten vorhanden ist und daher auch zwischen den Staaten jederzeit abdingbar ist.296 Zwar gilt dies auch für das nachbarliche Schädigungsverbot, doch werden Nationalstaaten in einem nachbarlichen Kontext wohl höchst selten auf ihre völkerrechtlichen Abwehransprüche verzichten.297 Außerdem gebührt keiner Nutzungsart ein etwaiger „Vorrang“ und auch Verschmutzungen werden nach dem Konzept der gemeinsamen Ressourcen  Ebenso Durner, Common Goods, S. 122 f.  Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 123. 289  Siehe zum Ganzen sowie zum Vorstehenden Durner, Common Goods, S. 123. 290  Dafür plädiert vor allem Durner, Common Goods, S. 123. 291  Siehe Durner, Common Goods, S. 122. Siehe erneut Riphagen, The International Concern, in: Bothe (Hrsg.), Trends, S. 343 (350); Wolfrum, 30 GYIL (1990), S. 308 (321); Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 188, 196; Reinicke, Die angemessene Nutzung, S. 29; Barberis, International Rivers, in: EPIL XI (1986), S. 212 (215); Nettesheim, 34 AVR (1996), S. 168 (200); Kunig, BerDGVR 1992, S. 9 (18); Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 249 f. 292  Siehe nur Durner, Common Goods, S.  123  f.; ferner Reinicke, Die angemessene Nutzung, S.  158  ff.; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S.  189; Hinds, Einschränkungen der Souveränität, S. 82. 293  So bereits Durner, Common Goods, S. 124; siehe ferner Stoll, Das völkerrechtliche Prinzip der angemessenen Nutzung internationaler Binnengewässer, S.  145  f.; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 189, 195; Rauschning, FS Schlochauer, S. 557 (568). 294  Vgl. Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 195. 295  Siehe erneut Reinicke, Die angemessene Nutzung, S. 171 ff.; Durner, Common Goods, S. 124. 296  So Durner, Common Goods, S. 124. 297  Hierauf weist Durner, Common Goods, S. 124 Fn. 223 zu Recht hin. 287 288

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

wie alle anderen Nutzungen eingestuft und „saubere“ Nutzungen nicht etwa generell bevorzugt.298 Schließlich gilt der equitable utilization-Grundsatz auch für Ressourcen wie etwa Öl- und Gasvorkommen sowie für Fischbestände, die vollständig verbraucht werden können.299 Mangels ausdrücklicher Regelungen in der Staatenpraxis lässt sich auch für solche Ressourcen ein entsprechendes gewohnheitsrechtliches Verbrauchsverbot schwerlich begründen.300 Schließlich ist nicht ersichtlich, dass es unabhängig vom Prinzip der angemessenen Nutzung eine völkergewohnheitsrechtliche Pflicht zum Schutz gemeinsamer Ressourcen gibt.301 Zwar deutet Grundsatz 3 der UNEP-Prinzipienerklärung in diese Richtung, wo es in Abs. 2 und 3 heißt: „(…) it is necessary for each State to avoid to the maximum extent possible and to reduce to the maximum extent possible the adverse environmental effects beyond its jurisdiction of the utilization of a shared natural resource so as to protect the environment, in particular when such utilization might:

(a) cause damage to the environment which could have repercussions on the utilization of the resource by another sharing state; (b) threaten the conservation of a shared renewable resource;“302

Allerdings stehen zum einen auch in dieser Deklaration erneut vor allem wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund. Zum anderen ist die Prinzipienerklärung selbst nach eigener ausdrücklich erklärter Auffassung der UNEP weder Grundlage noch Ausdruck existierenden Völkerrechts.303 Die soeben zitierte Vorschrift gibt zwar vor, auf dem gesicherten Prinzip 21 der Stockholm-Declaration zu beruhen, geht dann allerdings in Abs. 3 lit. a) und b) eindeutig über jenes Prinzip hinaus.304 Dass ein Staat ohne Einverständnis des jeweils mitberechtigten Nachbarstaates nicht einen geteilten Tierbestand ausrotten darf, folgt „allein aus der Regel der angemessenen Nutzung, mangels Verletzung der territorialen Integrität jenes anderen Staates aber gerade nicht aus dem allgemeinen nachbarrechtlichen Schädigungsverbot“.305 Auch aus der Staatenpraxis ist nicht ersichtlich, dass die Staaten über die Verpflichtung zur angemessenen Nutzung hinaus eine Pflicht zum Schutz der gemeinsamen Res-

 So dezidiert Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 195. Anders dagegen Reinicke, Die angemessene Nutzung, S. 161. 299  Siehe Durner, Common Goods, S. 124. 300  Siehe Durner, Common Goods, S. 124. 301  So Durner, Common Goods, S. 124. 302  Report of the Intergovernmental Working Group of Experts on Natural Resources Shared by Two or More States on the Work of its Fifth Session Held at Nairobi, 17 ILM (1978), S. 1094 ff., Grundsatz 3 Abs. 2 und 3. 303  Report of the Intergovernmental Working Group of Experts on Natural Resources Shared by Two or More States on the Work of its Fifth Session Held at Nairobi, 17 ILM (1978), S. 1095, Explanatory Note, Draft Principles, Abs. 3 Satz 1: „(…) The language used throughout does not seek to prejudice whether or to what extent the conduct envisaged in the principles is already prescribed by existing rules of general international law.“ 304  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 125 und Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 234. 305  So zu Recht Durner, Common Goods, S. 125. 298

2. Bisherige Umweltschutzprinzipien des Völkerrechts

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source anerkennen würden.306 Zwar macht das bereits angeführte UN-Rahmenübereinkommen zum Recht der internationalen Binnengewässer einige Schutzvorgaben und stellt einen umweltpolitischen Rahmen für die angemessene Nutzung der Gewässer auf.307 Doch ist die bereits im Jahre 1997 verabschiedete Konvention bis zum heutigen Tage nicht in Kraft getreten.308 Aus alledem ergibt sich, dass aus dem Prinzip der equitable utilization bislang kein gewohnheitsrechtlich anerkanntes allgemeines Schädigungsverbot folgt und daher eine allgemeine Schutzpflicht für gemeinsame Ressourcen wohl eher Zukunftsmusik sein dürfte.

d ) Prinzipien als Instrumente gegen Umweltbelastungen in den staatsfreien Räumen Schließlich haben sich zur Bewältigung von Umweltbelastungen in den staatsfreien Räumen als übergreifende Prinzipien zum einen das allgemeine Schädigungsverbot für hoheitsfreie Räume aus Prinzip 21 der Stockholm-Declaration und zum anderen die Umweltschutzkomponenten der Gemeinschaftssachen (res communes) sowie des common heritage of mankind-Prinzips herausgebildet.309 aa) Prinzip 21 Stockholm-Declaration Zunächst werden Umweltbeeinträchtigungen in den hoheitsfreien Räumen von dem allgemeinen Schädigungsverbot aus Prinzip 21 der Stockholm-Declaration erfasst, das seinem Wortlaut nach eine Schutzpflicht nicht nur im Hinblick auf die Umwelt in anderen Staaten normiert, sondern auch in Gebieten außerhalb des nationalen Hoheitsbereichs der Staaten ein Schädigungsverbot aufstellt.310 Während sich die herkömmliche Pflicht souveräner Staaten, grenzüberschreitende Umweltschädigungen zu unterlassen, als Kehrseite des Abwehranspruchs souveräner Staaten auf das Territorium aller anderen Staaten beschränkt, ist der Schutzbereich von Prinzip 21  Siehe Durner, Common Goods, S. 125.  Siehe Durner, Common Goods, S. 125. 308  United Nations Convention on the Law of Non-Navigational Uses of International Watercourses, 36 ILM (1997), 700 ff., Ratifikationsstand: 36 Staaten, abrufbar unter https://treaties.un.org/ pages/viewdetails.aspx?src=ind&mtdsg_no=xxvii-12&chapter=27&lang=en (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). Siehe zur Verhandlungsgeschichte den Report of the Sixth Committee Convening as the Working Group of the Whole, UN-Doc. A/51/869 vom 11. April 1997. Siehe zudem Islam, The Law of Non-Navigational Uses of International Watercourses, S. 99 ff. 309  Außer Betracht bleiben die zahlreichen Regeln, welche für die Hohe See, die Antarktis und den Weltraum spezielle Verschmutzungsverbote und Nutzungseinschränkungen aufstellen. Vgl. für die Hohe See Art. 192 SRÜ, für die Antarktis das Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag und für den Weltraum Art. VII. WRV. Siehe zum Ganzen Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 234–251. 310  Siehe den ursprünglichen Text von Prinzip 21 weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. b). Siehe dazu außerdem Siehe Durner, Common Goods, S. 122 f. 306 307

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

weiter gefasst und erstreckt sich auch auf die staatsfreien Räume.311 In unzähligen völkerrechtlichen Übereinkommen und Deklarationen wurde dieses Schädigungsverbot für die staatsfreien Räume zumeist wörtlich zitiert und als Bestandteil des universellen Völkerrechts qualifiziert.312 Überdies haben bereits vor der Stockholm-­ Konferenz ältere Gerichtsurteile und Schiedsgerichtssprüche eine allgemeine Schutzpflicht der Staaten für Umweltgüter in hoheitsfreien Räumen ausdrücklich anerkannt.313 Damit ist nach weit überwiegender Auffassung in der Literatur das Schädigungsverbot für die hoheitsfreien Räume – genauso wie das nachbarrechtliche Schädigungsverbot  – inzwischen ebenfalls zu Gewohnheitsrecht erstarkt.314 Diese Auffassung hat der IGH im Jahre 1996 erstmals bestätigt, als er in seinem Gutachten zum Nukleartestfall ausführte: „The existence of the general obligation of States to ensure that activities within their jurisdiction and control respect the environment of other States or of areas beyond national control is now part of the corpus of international law relating to the environment.“315

Von seiner Reichweite her erstreckt sich das allgemeine Schädigungsverbot aus Prinzip 21 daher auf alle staatsfreien Räume, das heißt auf die Hohe See, die Antarktis316 und den Weltraum.317 Es untersagt den Staaten sowohl Umweltbelastungen, die unter ihrer Kontrolle in den staatsfreien Räumen selbst entstehen, als auch raumüberschreitende Umweltbelastungen, das heißt solche, die ihren Ursprung zwar im Hoheitsgebiet eines Staates haben, dann aber die Grenzen überschreiten und in die staatsfreien Räumen wandern.318

 Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) aa) (3).  Siehe zur gewohnheitsrechtlichen Geltung von Prinzip 21 die Ausführungen und Nachweise weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) aa) (3). 313  So etwa der bereits oben, Zweiter Teil, Kap. IV. 1., dargestellte Schiedsspruch in der sogenannten Pacific Fur Seal Arbitration, v. 15. August 1893, in: Moore, History and Digest of the International Arbitrations to which the United States has been a Party, Bd. 1 (1898), S. 775 ff. Diese Darstellung wurde außerdem in jüngerer Zeit reproduziert in: 1 IELR (2000), S. 43. Siehe ebenfalls den Englisch-Isländischen Fischereidisput, ICJ Reports 1974, 3 ff.; näher zu beiden Schiedssprüchen Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 112 ff. und 493 ff. 314   Exemplarisch aus jener weit überwiegenden Literaturströmung Sands, Principles, 1. Aufl., S. 190 ff., 194: „(…) establishes a compelling basis for the view that it now reflects a general rule of customary law“; Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 89: „(…) beyond serious argument (…)“; Handl, Environmental Security, in: Lang/Neuhold/Zemanek (Hrsg.), Environmental Protection, S. 59, 86 Fn. 181: „(…) a universally accepted expression of customary international law“. 315  Advisory Opinion on the Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports 1996, S. 241 f., para 29. Das Gericht bekräftigte seine Aussage ein Jahr später, vgl. Case Concerning The Gabicikovo-Nagymaros Project (Hungary vs. Slovakia), Urteil v. 25. September 1997, abgedruckt in: 37 ILM (1998), 162 ff. para 53. 316  Siehe Kämmerer, Die Antarktis, S. 345 ff. 317  Dies entspricht der weit überwiegenden Auffassung, vgl. etwa Qizhi, Space Law and the Environment, in: Jasentuliyana (Hrsg.), Space Law, S. 159 (168); Frantzen, Umweltbelastungen, in: Böckstiegel, Handbuch des Weltraumrechts, S. 597 (623 ff). 318  Siehe zu diesen beiden Komponenten des Begriffs der Umweltbelastung in den staatsfreien Räumen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 2. a) cc). 311 312

2. Bisherige Umweltschutzprinzipien des Völkerrechts

269

bb) Das ökologische Element des common heritage of mankind-Prinzips Flankiert wird Prinzip 21 von dem ökologischen Element des bereits oben ausführlich dargestellten common heritage-Prinzips, das bislang im Hinblick auf den Mond und den Tiefseeboden vertraglich verankert worden ist.319 Daraus folgern einzelne Stimmen in der Literatur, zumindest das ökologische Element des common heritage-­Prinzips gelte nunmehr völkergewohnheitsrechtlich in jenen staatsfreien Räumen.320 Allerdings ist das ökologische Element des gemeinsamen Erbes wesentlich enger gefasst als das allgemeine Schädigungsverbot bzw. die allgemeine Schutzpflicht aller Staaten für die hoheitsfreien Räume.321 Das ökologische Element des common heritage of mankind untersagt – seinem primär nutzungsbezogenen Ansatz entsprechend – nur jene Umweltbelastungen, die bei der Nutzung der natürlichen Ressourcen vor Ort in den staatsfreien Räumen selbst entstehen. Erfasst werden demnach von vornherein nur umweltbelastende Tätigkeiten, die in dem jeweiligen hoheitsfreien Raum selbst ausgeübt werden, und außerdem nur solche, die gerade bei der Ausbeutung der dortigen natürlichen Ressourcen vorgenommen werden.322 Dies macht die jeweilige Formulierung des ökologischen Elements in allen drei staatsfreien Räumen unmissverständlich deutlich. So heißt es exemplarisch in Art. 145 SRÜ: „Necessary measures shall be taken in accordance with this Convention with respect to activities in the Area to ensure effective protection for the marine environment from harmful effects which may arise from such activities.“323

Nicht erfasst sind alle Tätigkeiten, die unter der territorialen Souveränität eines Staates stattfinden, das heißt Tätigkeiten innerhalb seines Staatsgebietes, des Festlandsockels oder der ausschließlichen Wirtschaftszone. Im Gegensatz zum allgemeinen Schädigungsverbot aus Prinzip 21 der Stockholm-Declaration erfasst das ökologische Element des common heritage – selbst wenn es gewohnheitsrechtlich gelten sollte – folglich nicht auch jene Umweltbelastungen, die ihren Ursprung im Hoheitsgebiet eines Nationalstaates haben, sich aber letztlich in den staatsfreien Räumen auswirken und somit raumüberschreitende Umweltbelastungen darstellen.324

 Art. 145 SRÜ; Art. 7 MV; Art. 5 und 9 Abs. 1 Antarktisvertrag.  Siehe etwa Hobe, Nutzung des Weltraums, S. 114 m.w.N.; für eine gewohnheitsrechtliche Geltung des CHM-Prinzips als Ganzes Wolfrum, Common Heritage of Mankind, in: EPIL XI (1989), S. 65 (68). 321  Auf diesen wichtigen Aspekt im Hinblick auf das ökologische Element des CHM-Konzepts weist insbesondere Rauschning, Gemeinsames Erbe der Menschheit, in: HdUR 1994, Band I., Sp. 853 (855 ff.) zu Recht hin. Siehe dazu auch Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 256. 322  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 256. 323  United Nations Convention on the Law of the Sea, 21 ILM 1982, S. 1261 ff., Art. 145. 324  Siehe zu dieser „raumüberschreitenden“ Komponente des Begriffs der Umwelbelastung in den staatsfreien Räumen die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 2. a) cc). 319 320

270

XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

cc) Das ökologische Element der Gemeinschaftssachen (Res Communes) Ähnliches gilt für diejenigen staatsfreien Räume wie die Antarktis und den Weltraum, welche den Status einer Gemeinschaftssache (res communes) genießen.325 Sowohl der Antarktisvertrag als auch der Weltraumvertrag enthalten jeweils ein ökologisches Element. So heißt es in Art. 9 Abs. 2 WRV: „States Parties to the Treaty shall pursue studies of outer space including the moon and other celestial bodies, and conduct exploration of them so as to avoid their harmful contamination (…).“326

In ähnlichen Worten formuliert auch Art. 3 Abs. 2 des Umweltschutzprotokolls zum Antarktisvertrag eine ökologische Komponente: „Activities in the Antarctic Treaty Area shall be planned and conducted so as to limit adverse impacts to the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems.“327

In beiden Fällen stellt der eindeutige Wortlaut allerdings klar, dass die allgemeine ökologische Schutzpflicht der Staaten sich nur auf Aktivitäten in den staatsfreien Räumen selbst bezieht, nicht aber auf Tätigkeiten innerhalb ihres Staats­ gebietes. Anders als das allgemeine Schädigungsverbot aus Prinzip 21 der Stockholm-­Declaration erfasst demnach auch hier das ökologische Element der Gemeinschaftssache nur Umweltbeeinträchtigungen, die durch Tätigkeiten „vor Ort“ in den ­staatsfreien Räumen selbst zustande kommen, und keine raumüberschreitenden Umweltbelastungen.

3 . Das jüngere Phänomen der globalen Umweltbelastungen – eine neue „Rechtsschutzlücke“ im Umweltvölkerrecht? Von entscheidender Bedeutung für den räumlichen Anwendungsbereich und die funktionale Bedeutung des common concern of humankind-Prinzips im Ordnungsrahmen des Umweltvölkerrechts ist schließlich das Phänomen der sogenannten „globalen Umweltbelastung“, das infolge zeitlich verzögerter naturwissenschaftlicher Erkenntnisse erst seit den 1980er-Jahren völkerrechtliche Fragen aufwarf. Wie die Untersuchung der Völkerrechtspraxis im Zweiten Teil der Arbeit gezeigt hat, wurde eine Verankerung des common concern of humankind-Begriffs in völkerrechtlichen Dokumenten von vornherein nur im Hinblick auf solche Umweltpro­ bleme diskutiert, denen ein globaler Charakter beigemessen und deren Bekämpfung

 Siehe zum res communes-Status des Weltraums und der Antarktis die Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. VIII. 1 b) aa) bzw. c). 326  Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies (Moon Agreement, New York 1979), abgedruckt in: 18 ILM 1979, S. 1434 ff., Art. 9 Abs. 2. 327  Protocol on Environmental Protection to the Antarctic Treaty v. 4. Oktober 1991, abgedruckt in: 30 ILM (1991), S. 1461 ff. 325

3. Das jüngere Phänomen der globalen Umweltbelastungen – eine neue …

271

daher als „gemeinsames Anliegen der Menschheit“ eingestuft wurde.328 Während im Falle des Klimawandels sowie des Arten- und Waldsterbens die globalen Auswirkungen des jeweiligen Umweltproblems in der Staatenpraxis nicht näher diskutiert wurden, belegt die Verhandlungsgeschichte zur Wüstenkonvention, dass eine Einstufung der voranschreitenden Wüstenbildung als common concern of humankind unter anderem mit der Begründung abgelehnt wurde, sie sei nur ein regionales, nicht aber ein globales Phänomen.329 Mit Blick auf diese Völkerrechtspraxis zum CCM wird nunmehr zur räumlich-funktionalen Einordnung des common condern of mankind-Prinzips in den Bestand der bisherigen Umweltschutzprinzipien in einem ersten Schritt der Begriff der globalen Umweltbelastung definiert (a). Anschließend werden in einem zweiten Schritt die bisher in der weiter oben dargestellten Praxis zum common concern-Prinzip diskutierten Umweltprobleme des Klimawandels, des Arten- und Waldsterbens sowie der Wüstenbildung daraufhin untersucht, ob und inwieweit sie sich unter den zuvor definierten Begriff der „globalen Umweltbelastung“ fassen lassen (b). Hierdurch soll geklärt werden, ob der Begriff der „globalen Umweltbelastung“ grundsätzlich den abstrakten räumlich-funktionalen Anwendungsbereich des CCM-Prinzips umreißt und sich daher als Kriterium sowohl für die Abgrenzung von anderen Schutzprinzipien als auch für die Anwendung jenes Prinzips auf zukünftige Problemfelder eignet. Mit dieser „Verortung“ des common concern of humankind im Umweltvölkerrecht soll aufgezeigt werden, dass das Prinzip eine an Bedeutung gewinnende „Rechtsschutzlücke“ im internationalen Umweltschutz zu schließen vermag.

a) Begriff der globalen Umweltbelastung Obgleich der Begriff der globalen Umweltbelastung in der Literatur häufig verwendet wird, fehlt es an einer allgemeinen oder gar rechtlich verbindlichen Definition dieses neuartigen Phänomens.330 Diese Tatsache ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass es keine völkerrechtlichen Dokumente gibt, in denen der Begriff der globalen Umweltbelastung als solches thematisiert wurde.331 Nicht bloß grenzüberschreitend oder raumüberschreitend, sondern genuin „global“ wirkt eine Umweltbelastung nach einem Definitionsansatz von Odendahl, wenn sie „ihren Ursprung zwar in einem oder in mehreren Staaten hat, deren Folgen sich aber nicht nur in ei-

 Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1.–4.  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 3. b). 330  Dies bemängeln außerdem Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 30 und Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 84. Siehe zu den verschiedenen theoretischen Ansätzen für die Identifizierung eines globalen Umweltproblems die Ausführungen von Zimmermann, ZAU 1992, S. 310 ff. (310 f.). 331  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 84. Eine umfangreiche Sammlung umweltvölkerrechtlicher Dokumente findet sich bei Rüster/Simma/Bock, International Protection of the Environment, S. 1975 ff. (30 Bände). 328 329

272

XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

nem anderen Staat oder in einem staatsfreien Raum bemerkbar machen, sondern die Erde in ihrer Gesamtheit betreffen“.332 Charakteristisch für die Mehrzahl der globalen Umweltbelastungen sei zudem „der Umstand, dass ihre Quellen nicht punktuell, sondern diffus sind und ihre Zuordnung zu einem bestimmten Verursacher damit praktisch unmöglich“ werde.333 Manche globalen Umweltbelastungen scheinen auf den ersten Blick lokal begrenzte Phänomene zu sein.334 Erst bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass sie außerdem (mittelbar) globale Auswirkungen zeitigen können.335

b ) Untersuchung der in der Staatenpraxis zum CCM-Prinzip diskutierten bzw. verankerten Umweltprobleme unter dem Gesichtspunkt der „globalen Umweltbelastung“ Vor diesem Hintergrund sind nunmehr die bisher in der oben dargestellten Vertragspraxis zum common concern of humankind-Prinzip diskutierten Umweltprobleme des Klimawandels, des Ozonschichtabbaus, des Arten- und Waldsterbens sowie der Wüstenbildung unter Hinzuziehung gesicherter naturwissenschaftlicher Erkenntnisse genauer in den Blick zu nehmen und auf ihre „Globalität“ hin zu untersuchen.336 aa) Klimawandel Das Klima beschreibt die Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen, die den durchschnittlichen Zustand der Atmosphäre an einem Ort charakterisieren. Das globale Klima ist nicht konstant, sondern unterliegt seit ersten meteorologischen Aufzeichnungen durch den Menschen ständigen Schwankungen, die durch mehrere Antriebsmechanismen verursacht werden.337 Einer dieser Mechanismen ist der „Treibhauseffekt“, der sich unmittelbar auf den Wärme- und Strahlungshaushalt der Erde auswirkt. Er bezeichnet den Erwärmungseffekt der Atmosphäre und stellt im 332  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 84. Ähnlich zuvor bereits Amelung, ZfU 1991, S. 159. Übernommen wurde diese Definition außerdem neuerdings von Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 30. 333  So Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 85 unter Bezugnahme auf die Vorarbeiten von Springer, The International Law of Pollution, S. 6 ff.; 334  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 85. 335  Dies gilt vor allem für das Waldsterben und die Wüstenbildung, siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. b) dd) und ee). 336  Selbstverständlich kann in einer juristischen Arbeit keine präzise naturwissenschaftliche Analyse erfolgen. Vielmehr wird „aus Laienperspektive“ das jeweilige Umweltproblem vor dem Hintergrund des Begriffs einer „globalen Umweltbelastung“ auf seine „Globalität“ hin untersucht. 337  Germanwatch, Globaler Klimawandel, S. 4.

3. Das jüngere Phänomen der globalen Umweltbelastungen – eine neue …

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Ausgangspunkt ein natürliches Phänomen dar, das unabdingbare Voraussetzung für menschliches Leben auf der Erde ist.338 Zunächst wird der Wärme- und Strahlungshaushalt der Erde dadurch beeinflusst, „dass die Sonnenstrahlung als energiereiche kurzwellige Strahlung auf die Erdoberfläche trifft, dort in Wärme umgesetzt und als langwellige Wärmestrahlung in das Weltall reflektiert wird“.339 In diesen Verlauf greift nunmehr – mit entscheidenden Folgen für die durchschnittliche Temperatur auf Erden – der „natürliche Treibhauseffekt“ ein: In der unteren Atmosphäre befinden sich zahlreiche „klimawirksame Spurengase“, die zwar die kurzwelligen Sonnenstrahlen zunächst fast ungehindert durch die Atmosphäre bis zum Erdboden passieren lassen, anschließend jedoch ein Rückstrahlen der langwelligen Sonnenstrahlen in die Atmosphäre verhindern.340 Ähnlich wie im Glasgehäuse eines Treibhauses341 wird auf diese Weise die von der Erdoberfläche reflektierte langwellige Wärmestrahlung in den unteren Luftschichten absorbiert und in der Atmosphäre gehalten, wodurch die durchschnittliche globale Temperatur, die sonst −18 °C betrüge, um 33 °C auf 15 °C angehoben wird.342 Von diesem lebensnotwendigen „natürlichen Treibhauseffekt“ zu unterscheiden ist nunmehr der „zusätzliche“ bzw. „menschlich verursachte (anthropogene) Treibhauseffekt“,343 der erstmals im Jahre 1897 vom schwedischen Chemiker Arrhenius beschrieben worden344 und gleichwohl bis in die 1980er-Jahre hinein der breiten Öffentlichkeit zunächst verborgen geblieben ist.345 Verursacht wird der anthropogene Treibhauseffekt durch Emissionen als Folge menschlicher Aktivitäten im Zuge der voranschreitenden Industrialisierung vor allem in der westlichen Hemisphäre, die seit dem Jahre 1750 zu einem markanten Anstieg der Konzentration bestimmter Treibhausgase (Kohlendioxid, Methan, Stickstoffoxid und Fluorchlorkohlenwasserstoffe) in der Atmosphäre geführt und den oben beschriebenen natürlichen Treibhauseffekt zusätzlich künstlich verstärkt haben.346 Während der weltweite Anstieg  So Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 44.  So anschaulich Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 44. 340  Germanwatch, Globaler Klimawandel, S. 4; Roth, Globale Umweltprobleme, S. 20 ff.; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 94. 341  So Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 94 unter Bezugnahme auf Homey/Wahl, Vereinte Nationen und Umwelt, S. 1. 342  Siehe Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 44 f.; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 94; Germanwatch, Globaler Klimawandel, S. 4; Roth, Globale Umweltprobleme, S. 21. 343  Dieser Begriff stammt von dem schwedischen Naturwissenschaftler Svante Arrhenius, der bereits im Jahre 1897 unter Rückgriff auf den Wissenschaftler J. Fourier auf das Problem eines zusätzlichen Treibhauseffektes aufmerksam machte, vgl. Ramphal, Umweltprotokoll, S.  125  f. m.w.N. 344  Obgleich die Klimaforschung als Wissenschaftsdisziplin erst Mitte des 19. Jahrhunderts anerkannt wurde, beschrieb der schwedische Chemiker Svante Arrhenius bereits im Jahre 1897 die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge des Treibhauseffekts und gilt daher als dessen „Entdecker“, siehe Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S.  25 und  45 sowie Stehr/von Storch, Klima, Wetter, Mensch, S. 104. 345  So Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 25 und 45. 346  IPCC, 2007: Summary for Policymakers: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. 338 339

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

der atmosphärischen Kohlendioxidkonzentration primär auf den verstärkten Verbrauch fossiler Brennstoffe zurückzuführen ist, wird die höhere Methan- und Lachgaskonzentration im Wesentlichen durch die Landwirtschaft verursacht.347 Die neuesten Erkenntnisse des für die Beurteilung des globalen Klimawandels zuständigen Sachverständigenrats IPCC sind alarmierend: Während im dritten Sachstandsbericht des IPCC aus dem Jahre 2001348 noch vorsichtig formuliert worden war, es sei bloß „wahrscheinlich“ (likely), dass die festgestellte Erwärmung auf anthropogene Einflüsse zurückgeführt werden könne, hat der IPCC seine Aussage im vierten Sachstandsbericht von 2007349 nunmehr korrigiert und verschärft. Dort heißt es, „der größte Teil des globalen Temperaturanstiegs seit Mitte des 20. Jahrhunderts“ sei „sehr wahrscheinlich“ (very likely) durch menschliche Treibhausgasemissionen „verursacht“ worden. Dem aktuellen fünften Sachstandsbericht des IPCC aus dem Jahre 2013350 zufolge ist es gar „äußerst wahrscheinlich“ (extremely likely), dass der menschliche Einfluss die Hauptursache für die seit 1950 beobachtete globale Erwärmung war: „Human influence has been detected in warming of the atmosphere and the ocean, in changes in the global water cycle, in reductions in snow and ice, in global mean sea level rise, and in changes in some climate extremes. (…) It is extremely likely that human influence has been the dominant cause of the observed warming since the mid-20th century“.351

Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Solomon S., D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K. B. Averyt, M. Tiguerad, H. C. Miller (Hrsg.)], Cambridge 2007, S. 2–5. Siehe außerdem Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 94 f.; Germanwatch, Globaler Klimawandel, S. 4 f. 347  IPCC, 2007: Summary for Policymakers: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Solomon S., D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K. B. Averyt, M. Tiguerad, H. C. Miller (Hrsg.)], Cambridge 2007, S. 2–5. 348  IPCC, 2001: Climate Change 2001: The Scientific Basis. Contribution of Working Group I to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Houghton, J. T., Y. Ding, D. J. Griggs, M. Noguer, P. J. van der Linden, X. Dai, K. Maskell and C. A. Johnson (Hrsg.)], Cambridge 2001, S. 99 ff. 349  IPCC, 2007: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Solomon S., D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K. B. Averyt, M. Tiguerad, H. C. Miller (Hrsg.)], Cambridge 2007, S. 35 ff. 350  IPCC, 2013: Climate Change 2013: Summary for Policymakers. The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Stocker, T. F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S. K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (Hrsg.)], Cambridge 2013, S. 15: „Human influence has been detected in warming of the atmosphere and the ocean, in changes in the global water cycle, in reductions in snow and ice, in global mean sea level rise, and in changes in some climate extremes. (…) It is extremely likely that human influence has been the dominant cause of the observed warming since the mid-20th century“. 351  IPCC, 2013: Climate Change 2013: Summary for Policymakers. The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Stocker, T. F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S. K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (Hrsg.)], Cambridge 2013, S. 15.

3. Das jüngere Phänomen der globalen Umweltbelastungen – eine neue …

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Dieser in den IPCC-Berichten zum Ausdruck gebrachte wissenschaftliche Konsens wurde zudem von den wichtigsten nationalen Wissenschaftsakademien aller G8-Länder ausdrücklich unterstützt und gilt seither als wissenschaftlicher Beleg für den Klimawandel.352 Wie stark die Temperaturen in den nächsten Jahrzehnten ansteigen werden, ist schwierig zu prognostizieren, zumal die zugrunde liegenden Prozesse komplex und mit vielen Variablen versehen sind.353 Obgleich der IPCC insgesamt vorsichtiger mit Prognosen geworden ist, sind die Zahlen nicht minder alarmierend: Im günstigsten Szenario prognostiziert der IPCC einen Anstieg der durchschnittlichen Temperatur um 1,5 °C bis zum Jahre 2100, in ihrem ungünstigsten gar einen Temperaturanstieg um 4 °C.354 Mit einer derartigen weltweiten Temperaturerhöhung werden in verschiedenen Szenarien mannigfaltige Folgen ­verbunden. Sie reichen vom teilweisen Abschmelzen der Polarkappen über den Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 82 cm bis hin zur Desertifikation des Mittelmeerraumes und des mittleren Westens der Vereinigten Staaten und zögen wiederum unabsehbare Folgen für das Ökosystem Erde als Ganzes nach sich.355 Vor allen Dingen werden Klimaverschärfungen und –destabilisierungen, eine Zunahme von Wetter-­Extremsituationen (Wirbelstürme, Dürren, Hochwasser), das Versinken ganzer Landstriche im Meer sowie ein Rückgang der biologischen Vielfalt befürchtet.356 Ohne eine erhebliche und nachhaltige Reduktion von CO2-Emissionen werde der Klimawandel sich weiter verschärfen.357  IPCC, 2007: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Solomon S., D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K. B. Averyt, M. Tiguerad, H. C. Miller (Hrsg.)], Cambridge 2007, S. 35 ff. 353  Die Klimaforschung bedient sich bei der Erfassung der Klimaänderung sogenannter „Klimamodelle“, die „quasi-realistisch“ in mathematischer Form das physikalische Wissen über das Klima abzubilden und sich dadurch der Wirklichkeit anzunähern versuchen (diagnostische Klimamodelle) bzw. Aussagen über die künftige Entwicklung treffen (prognostische Klimamodelle). Als prozessbasierte Modelle berücksichtigen die Klimamodelle allerdings nur jene Erkenntnisse, die zum Zeitpunkt der Modellierung vorliegen. Sie sind somit unvollständig, d. h. „semi-empirisch und im schlimmsten Fall spekulativ“ [so Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut]. Siehe allgemein zu den Problemen einer Umweltprognose Wahl/Appel, Prävention und Vorsorge, S. 1 (4 ff.). Siehe ferner zu den Unwägbarkeiten einer Klimaprognose Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 95. Siehe zur Rolle des IPCC im Völkerrecht Bolle, Das Intergovernmental Panel on Climate Change. 354  IPCC, 2013: Climate Change 2013: Summary for Policymakers. The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Stocker, T. F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S. K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (Hrsg.)], Cambridge 2013, S. 18. 355  IPCC, 2013: Climate Change 2013: Summary for Policymakers. The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Stocker, T. F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S. K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (Hrsg.)], Cambridge 2013, S. 17 f. Siehe auch Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 95; Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 50. 356  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 95; Oberthür/Ott, Kyoto-Protokoll, S. 50; Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 50. 357  IPCC, 2013: Climate Change 2013: Summary for Policymakers. The Physical Science Basis. 352

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

Laut dem aktuellen Sonderbericht des IPCC zum Klimawandel vom 6. Oktober 2018358  – veröffentlicht nur kurze Zeit nach dem „Jahrtausendsommer“ 2018  – ­erwärmt sich die Erde schneller und mit noch ernsteren Folgen als befürchtet.359 Der Weltklimarat hat daher ein rasches und entschlossenes Handeln angemahnt, um die Erderwärmung noch auf 1,5 °C zu begrenzen. Dies sei „technisch und wirtschaftlich möglich“, jedoch nur mit „schnellen, weitreichenden und beispiellosen Änderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen“.360 Sollte dieses 1,5 °C-Ziel verfehlt werden, drohen den Wissenschaftlern zufolge dramatische Konsequenzen für sämtliches Leben auf der Erde. Der Weltklimarat geht in seinem Sonderbericht davon aus, dass bereits heutzutage eine Erwärmung von ca. 1 °C im Vergleich zum vorindustriellen Nieveau eingetreten ist – mit gravierenden Folgen wie häufigerem Ex­ tremwetter, steigendem Meeresspiegel und dem Verschwinden arktischen Meereises.361 Bei ungebremster Erwärmung könne die 1,5 °C-Marke bereits 2013 erreicht werden. Laut Wissenschaftlern des IPCC sind die kommenden Jahre daher vermutlich die wichtigsten in der Geschichte der Menschheit.362 Der Klimawandel stellt somit einen klassischen „Summations“- bzw. „Akkumulationsschaden“ dar, der nicht durch einzelne Staaten separat verursacht, sondern nur durch Summation der Schadensbeiträge aller Staaten entsteht.363 Zu klein sind die einzelnen Emissionsbeiträge, um den Klimawandel „messbar hervorrufen oder verschärfen zu können, und zugleich sind sie ununterscheidbar vermischt, sodass der einmal eingetretene Schaden nicht einem oder mehreren bestimmten Emittenten

Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Stocker, T. F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S. K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (Hrsg.)], Cambridge 2013, S. 17. 358  IPCC, 2018: Summary for Policymakers. In: Global warming of 1,5 °C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1,5 °C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty [V. Masson-Delmotte, P. Zhai, H. O. Pörtner, Dr. Roberts, J. Skea, P. R. Shukla, A. Pirani, W. Moufouma-Okia, C. Péan, R. Pidcock, S. Connors, J. B. R. Matthews, Y. Chen, X. Zhou, M. I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, M. Tignor, T. Waterfield (Hrsg.)]. World Meteorological Organization, Geneva, Switzerland, S. 32. Siehe dazu auch bereits die Ausführungen weiter oben, Erster Teil, Kap. I. 359  Sonderbericht zum Klimawandel  – Klimarat fordert raschen Umbau der Weltwirtschaft, Zeit Online, 08.10.2018. 360  Sonderbericht zum Klimawandel  – Klimarat fordert raschen Umbau der Weltwirtschaft, Zeit Online, 08.10.2018. 361  IPCC, 2018: Summary for Policymakers. In: Global warming of 1,5 °C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1,5 °C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty [V. Masson-Delmotte, P. Zhai, H. O. Pörtner, Dr. Roberts, J. Skea, P. R. Shukla, A. Pirani, W. Moufouma-Okia, C. Péan, R. Pidcock, S. Connors, J. B. R. Matthews, Y. Chen, X. Zhou, M. I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, M. Tignor, T. Waterfield (Hrsg.)]. World Meteorological Organization, Geneva, Switzerland, S. 9. 362  Sonderbericht zum Klimawandel  – Klimarat fordert raschen Umbau der Weltwirtschaft, Zeit Online, 08.10.2018. 363  So Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 52.

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zugerechnet werden kann“.364 Ausgelöst durch menschliches Verhalten auf den staatlichen Hoheitsgebieten dieser Erde, betrifft der durch den „zusätzlichen Treibhauseffekt“ beschleunigte Klimawandel folglich die Erde als Ganzes und dient als Paradebeispiel für Umweltbelastungen, deren Ursprung zwar rein national lokalisiert ist, deren Folgen aber den gesamten Globus betreffen.365 bb) Ozonschichtabbau Mit dem Klimawandel durch zahlreiche Wechselwirkungen verknüpft ist der schleichende Abbau der Ozonschicht, der auf eine langwierige physikalisch-chemische Entwicklung zurückzuführen ist. Dieser Abbauprozess wurde erstmals im Jahre 1975 von den beiden amerikanischen Nobelpreisträgern Molina und Rowland beschrieben und gilt spätestens seit dem ersten tatsächlichen Nachweis des Ozonschichtabbaus im Jahre 1985 als wissenschaftlich anerkannt.366 Bei dem Gas Ozon handelt es sich um ein Molekül, das sich aus drei Sauerstoffatomen zusammensetzt (O3) und daher sehr reaktionsfähig ist. Es kommt in der Atmosphäre in unterschiedlichen Konzentrationen vor. In der Stratosphäre (ca. 15–20 km Höhe) konzentriert es sich in einem Bereich von ca. 10  km Durchmesser und bildet dort die Ozonschicht.367 Für das Leben auf der Erde ist die Ozonschicht von fundamentaler Bedeutung; denn sie vermag die ultraviolette Strahlung der Sonne im Wellenlängenbereich von 200–320  nm und damit zugleich die für den Menschen besonders gefährliche UV-B-Strahlung (im Wellenlängenbereich von 280–320 nm) größtenteils zu absorbieren und wirkt daher wie ein „Schutzfilter“ für den Menschen und die übrige belebte Natur auf Erden.368 Ausgelöst wird der Ozonschichtabbau von zahlreichen künstlich produzierten Spurengasen (z. B. Fluorchlorkohlenwasserstoff, Halone und Chlorkohlenwasserstoff), die infolge menschlicher Aktivitäten in die Atmosphäre emittiert werden. Diese Spurengase sind äußerst langlebig und gelangen erst 10–15 Jahre nach ihrem Ausstoß in die Stratosphäre. Dort werden sie zu Chlor- und Bromverbindungen abgebaut und reagieren mit dem Ozon. Bei dieser Reaktion wird das Ozon (O3) zu Sauerstoff (O2) abgebaut, die Ozonschicht dünnt infolgedessen aus und absorbiert

 So Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 52 f.; allgemein dazu außerdem Zimmermann, ZAU 1992, S. 310 (310). 365  Ähnlich Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 95; siehe außerdem die ausführliche Darstellung bei Roth, Globale Umweltprobleme, S. 18 ff. Siehe ferner Scheyli, 40 AVR (2002), S. 273 (289) und Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 53. 366  Molina/Rowland, Nature 1974, S. 810–814. Ausführlich zur geschichtlichen Entwicklung der Ozonschichtzerstörung Caron, AFDI 1990, S.  704 (705  ff.). Siehe insgesamt zum Problem des Ozonschichtabbaus Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 43 ff. und Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 91 ff. 367  Siehe zum Ganzen ausführlich Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 92. 368  Siehe Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 43 f.; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 92. 364

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weniger UV-B-Strahlen.369 Welche genauen Auswirkungen die verstärkte UV-B-­ Strahlung auf den Menschen und die Biosphäre hat, lässt sich nur schwer abschätzen. In jedem Fall können UV-B-Strahlen beim Menschen Biomoleküle (DNA und Proteine) zerstören und auf diese Weise das Immunsystem nachhaltig schädigen, die Fotosynthese von Pflanzen und somit deren Wachstum beeinträchtigen und in den Ozeanen das für die Sauerstoffproduktion auf der Erde besonders wichtige Phytoplankton vernichten.370 Der zum Ozonschichtabbau führende Ausstoß der genannten Spurengase entfaltet keine räumliche Nahwirkung in der unmittelbaren Umgebung der jeweiligen Emissionsquelle (hot spots), sondern wirkt sich vielmehr weiträumig aus.371 Aufgrund ihrer Langlebigkeit gelangen die Spurengase in die horizontale und vertikale Durchmischung und verteilen sich relativ gleichmäßig über die gesamte Atmosphäre.372 Ähnlich wie im Falle des Klimawandels gilt daher auch für den Ozonschichtabbau der Satz „Pollution anywhere in the stratosphere is pollution everywhere“.373 Unabhängig von der Höhe ihres eigenen Schadensbeitrages sind grundsätzlich alle Staaten von den Folgen betroffen, die sich aus der veränderten stofflichen Zusammensetzung der Atmosphäre ergeben, sodass der Ozonschichtabbau ebenfalls eine genuin globale Umweltbelastung darstellt. cc) Zerstörung der genetischen Vielfalt – Artensterben Die genaue Anzahl der auf Erden vorhandenen Pflanzen- und Tierarten ist bislang unerforscht geblieben. Grobe Schätzungen schwanken zwischen 10 und 100 Millionen verschiedener Arten, von denen bisher nur etwas mehr als eine Million entdeckt und benannt wurden.374 Im Ausgangspunkt ist Artenschwund ein notwendiger Bestandteil der natürlichen Ordnung und hat seit jeher stattgefunden. Ein neues Phänomen ist allerdings die hohe Geschwindigkeit, mit der mittlerweile die Zerstörung der Biodiversität voranschreitet.375 Es sterben heutzutage im Durchschnitt etwa acht

 So Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 44.  Brunnée, Entwicklungen, S. 38 ff.; Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 44; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 93 f.; Scheyli, 40 AVR (2002), S. 273 (288 f.). 371  Siehe dazu Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 51, 53. 372  So Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 53. 373  Kindt/Menefee, 24 TILJ (1989), S. 261 ff. (268); ebenfalls zitiert bei Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 53. 374  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 87; Homey/Wahl, Vereinte Nationen und Umwelt, S. 6; Wilson, Jede Art ein Meisterwerk, in: Die Zeit, Nr. 26, v. 23. Juni 1995, S. 33. 375  Ähnlich Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 87; Schütze/Kohout, Artenschutz als internationales Problem, in: Mayer-Tasch, Die Luft hat keine Grenzen, S. 231. Siehe UNEP, Global Biodiversity Outlook III, Executive Summary, veröffentlicht im Jahr 2010 (Montreal, Kanada), S. 15–18, abrufbar unter https://www.cbd.int/doc/publications/gbo/gbo3-final-en.pdf (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019), wonach pro Tag bis zu 150 Arten aussterben. 369 370

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verschiedene Tier- und Pflanzenarten pro Stunde aus.376, 377 Hierbei nimmt nicht nur die Biodiversität als solche permanent ab, sondern es findet auch ein Verlust von Rassen und Arten innerhalb einer Spezies, mithin ein Verlust globaler genetischer Ressourcen insgesamt statt, sodass genau genommen nicht bloß von Artensterben, sondern vielmehr von „genetischem Schwund auf der Erde“ gesprochen werden muss.378 Nach dem dritten Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme, UNEP) zur globalen Biodiversität aus dem Jahre 2010 hat sich der Verlust an Biodiversität im letzten Jahrzehnt in allen Bereichen beinahe unvermindert fortgesetzt.379 Laut dem jüngsten Bericht des Weltbiodiversitätsrat (Intergovernmental Science-­ Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services, IPBES) vom 6. Mai 2019 zur globalen Artenvielfalt380 als wissenschaftliche Grundlage für ein neues UN-­ Rahmenübereinkommen zur Bewahrung der Biodiversität im Jahr 2020 sind sogar eine Million Arten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vom Aussterben bedroht, wenn nicht sofort auf allen politischen Ebenen grundlegende Änderungen

 Siehe Schütze/Kohout, Artenschutz als internationales Problem, in: Mayer-Tasch, Die Luft hat keine Grenzen, S. 231; ausführlicheres Zahlenmaterial liefern Hauff, Unsere gemeinsame Zukunft, S. 151 und Wilson, Jede Art ein Meisterwerk, in: Die Zeit, Nr. 26, v. 23. Juni 1995, S. 33. 377  Siehe UNEP, Global Biodiversity Outlook III, Executive Summary, veröffentlicht im Jahr 2010 (Montreal, Kanada), S. 15–18, abrufbar unter https://www.cbd.int/doc/publications/gbo/gbo3-final-en.pdf (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019), wonach pro Tag bis zu 150 Arten aussterben; siehe zudem Schweizer, Biodiversitätskonvention, S. 24; Schütze/Kohout, Artenschutz als internationales Problem, in: Mayer-Tasch, Die Luft hat keine Grenzen, S.  231; Hauff, Unsere gemeinsame Zukunft, S. 151 und Wilson, Jede Art ein Meisterwerk, in: Die Zeit, Nr. 26, v. 23. Juni 1995, S. 33. 378  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 87 f.; siehe außerdem UNEP, Global Biodiversity Outlook III, Summary, veröffentlicht im Jahr 2010 (Montreal, Kanada), S. 10, abrufbar unter https:// www.cbd.int/doc/publications/gbo/gbo3-final-en.pdf (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019); Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.), Biodiversität und Klima, S. 16; Schweizer, Biodiversitätskonvention, S.  24; Hauff, Unsere gemeinsame Zukunft, S.  151. Für die Erhaltung dieser Artenvielfalt sprechen neben ethischen, ästhetischen und wissenschaftlichen Gründen nicht zuletzt auch anthropozentrisch motivierte Erwägungen. So ist die Vielfalt an unterschiedlichen Pflanzen- und Tierarten bei der Erforschung neuer Medikamente sowie bei der Entwicklung neuer Rohstoffe und Nahrungsmittel von entscheidender Bedeutung. 379  UNEP, Global Biodiversity Outlook III, Summary, veröffentlicht im Jahr 2010 (Montreal, Kanada), S. 5, abrufbar unter https://www.cbd.int/doc/publications/gbo/gbo3-final-en.pdf (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). Dieser globale Bericht bewertet nach eigenen Angaben der UNEP den gegenwärtigen Status der Artenvielfalt sowie ihre Ursachen und aktuellen Entwicklungen, um einen Anhaltspunkt für eine Umsetzung der in der Biodiversitätskonvention und ihren Protokollen verankerten Ziele zu liefern. Siehe außerdem Schweizer, Biodiversitätskonvention, S. 24. 380  IPBES, 2019: Summary for Policymakers of the global assessment report on biodiversity and ecosystem services of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services [S. Diaz, J. Settele, E. Brondizio, H. T. Ngo, M. Guezé, J. Agard, A. Arneth, P. BBalvanera, K.  Brauman, S.  Butchard, K.  Chan, L.  Garibaldi, K.  Ichii, J.  Liu, S.  M. Subramanian, G.  Midgley, P.  Miloslavich, Z.  Molnár, D.  Obura, A.  Pfaff, S.  Polasky, A.  Purvis, J.  Razzaque, B. Reyers, R. R. Chowdhury, Y.-J. Shin, I. Visseren-Hamakers, K. Willis, C. Zayas (Hrsg.)], 6. Mai 2019,, S. 39. Siehe dazu auch bereits die Ausführungen weiter oben, Erster Teil, Kap. I. 376

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beim Umweltschutz, bei der Landnutzung und bei der Bekämpfung des Klimawandels ergriffen werden.381 Verursacht wird der Verlust an Biodiversität primär durch den Klimawandel sowie die mit ihm verbundene Zerstörung der Ökosysteme, die den Lebensraum für die unterschiedlichen Pflanzen- und Tierarten bilden. Vor allen Dingen die voranschreitende Zerstörung der Tropenwälder und Korallenriffe sind ebenfalls Hauptursachen für das Artensterben.382 Biodiversität und Ökosysteme sind zwei aufei­ nander angewiesene und komplex miteinander verbundene Systeme, die sich gegenseitig ergänzen und erhalten.383 Einer Bewahrung genetischer Biodiversität kommt daher – umgekehrt – eine Schlüsselrolle für die Erhaltung der Ökosysteme zu, die wiederum für den Klima-, Wasser- und Bodenschutz bedeutsam ist.384 Der zunächst nur lokal auftretende Schwund der genetischen Biodiversität hat folglich insofern schwerwiegende globale Auswirkungen, als er zu einer Destabilisierung der Ökosysteme führt, deren Folgen für das globale Klima, den Wasserhaushalt und die Qualität der Böden heutzutage noch nicht quantifizierbar sind.385 dd) Waldsterben Beim Waldsterben durch übermäßiges Abholzen der Wälder handelt es sich zwar um ein Phänomen, das seit Beginn der Landwirtschaft, das heißt seit rund 10.000 Jahren stattfindet. Doch hat das Ausmaß der Rodungen in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen, wobei die Tropenwälder hiervon besonders stark betroffen sind.386 Ursachen für die Abholzungen liegen vor allen Dingen in der (oftmals armutsbedingt nicht nachhaltig betriebenen) Land- und Forstwirtschaft und der Viehzucht sowie der teilweise exzessiv betriebenen Gewinnung von Bodenschätzen in bestimmten Regionen der Erde.387 Sollten die Rodungen im bisherigen Umfang vo Schwägerl, Dramatischer Uno-Bericht – Eine Million Arten vom Aussterben bedroht, Spiegel Online, 06.05.2019. 382  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 88. Zudem führen intensiv betriebene Landwirtschaft, Anbau von Monokulturen und die Ausbreitung der Menschen in vorher unberührte Gebiete zu unwiederbringlichen genetischen Verlusten in der Tier- und Pflanzenwelt. 383  So Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 87. 384  Ramphal, Umweltprotokoll, S.  113; Hauff, Unsere gemeinsame Zukunft, S.  149; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 87. 385  Schütze/Kohout, Artenschutz als internationales Problem, in: Mayer-Tasch, Die Luft hat keine Grenzen, S. 231; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 88; Bragdon, 33 Harvard ILJ (1992), S. 381 (382 f.). 386  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 85; Ramphal, Umweltprotokoll, S. 107 ff.; Churchill/Freestone, Climate Change, S. 57 (59 f.); zu den „Entwaldungsraten“ ausführlich Krohn, Die Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 35 ff.; siehe ferner Abate/Wright, 20 Duke ELPF (2010), S. 87 (87–90); Farris, 20 Fordham ELR (2010), S. 515 (515–518). 387  Zu den Ursachen des Waldsterbens ausführlich Krohn, Die Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 35 ff.; Farris, 20 Fordham ELR (2010), S. 515 (515–518); Abate/Wright, 20 Duke ELPF (2010), S.  87 (87–90); Hauff, Unsere gemeinsame Zukunft, S.  154  ff.; Churchill/Freestone, Climate Change, S. 57 (60 ff.); Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 85. 381

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ranschreiten, so werden nach Schätzungen von Experten in etwa 50 Jahren keine Tropenwälder mehr existieren.388 Auch in den gemäßigten Klimazonen kommt es zu weitreichenden Waldrodungen. Zwar werden diese größtenteils durch Wiederaufforstungen kompensiert; doch führt gerade in diesen Gebieten der ebenfalls durch Umweltbelastungen ausgelöste „saure Regen“ zu solch weitflächigen Zerstörungen der Wälder, dass teilweise „in der Bilanz“ von einem noch gravierenderen Waldsterben ausgegangen wird als bei der Zerstörung der Tropenwälder.389 Das Waldsterben wirkt sich sowohl regional als auch auf die Erde in ihrer Gesamtheit und somit global aus: Auf regionaler Ebene führt die Vernichtung insbesondere der Tropenwälder zu Bodenerosionen sowie zu Störungen der Wasserversorgung, die wiederum Austrocknungen in der Trockenzeit und Überschwemmungen in der Regenzeit zur Folge haben.390 Doch hat das Waldsterben außerdem – zumindest mittelbar – globale Folgen: Zum einen verschwindet durch das Waldsterben der Lebensraum für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren, was nicht unerheblich zur Verringerung der Biodiversität beiträgt, zumal Wälder das größte Gen-Reservoir der Erde darstellen.391 Dies gilt insbesondere für die voranschreitenden Rodungen der tropischen Regenwälder, die zwar nur etwa 6 Prozent bis 7 Prozent der Erdoberfläche bedecken, aber Lebensraum für 50 Prozent bis 60 Prozent aller Pflanzen- und Tierarten auf Erden bieten.392 Als geschlossenes Vegetationssystem bieten Wälder außerdem den besten natürlichen Schutz vor Bodenerosionen und vermögen auf diese Weise eine Wüstenbildung zu verhindern, die wiederum ebenfalls zum Verlust der Biodiversität beiträgt, sodass Waldrodungen auf diese Weise nochmals – mittelbar – den Artenschwund verstärken.393  Ramphal, Umweltprotokoll, S.  108. Ausführlicheres Zahlenmaterial über den Umfang der Waldrodungen und entsprechende Zukunftsprognosen finden sich bei Hauff, Unsere gemeinsame Zukunft, S. 152 ff.; Farris, 20 Fordham ELR (2010), S. 515 (515–518); Krohn, Die Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 35 ff.; Abate/Wright, 20 Duke ELPF (2010), S. 87 (87–90). 389  Bach, Anthropogene globale Klimaänderungen, in: Mayer-Tasch, Die Luft hat keine Grenzen, S. 96 (104 ff.).; Abate/Wright, 20 Duke ELPF (2010), S. 87 (87–90). 390  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 86; siehe außerdem Engelhardt, UNCED: Konsequenzen, in: ders./Weinzierl, Der Erdgipfel, S. 107 (113); vgl. zu den regionalen Auswirkungen des Waldsterbens Fremuth, Tropische Regenwälder, in: Bundesvorstand des DGB, Gewerkschaftliche Monatshefte 1988, S. 755 (759 ff.).; Farris, 20 Fordham ELR (2010), S. 515 (515–518); Krohn, Die Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 35 ff.; Abate/Wright, 20 Duke ELPF (2010), S. 87 (87–90). 391  Eingehend hierzu Palm-Risse, Noch eine Chance für den blauen Planeten?, VN 1992, S. 122 (124); Engelhardt, UNCED: Konsequenzen, in: ders./Weinzierl, Der Erdgipfel, S.  107 (113); Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 86 ff.; Farris, 20 Fordham ELR (2010), S. 515 (515–518); Krohn, Die Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 35 ff.; Abate/Wright, 20 Duke ELPF (2010), S. 87 (87–90). 392  Palm-Risse, Noch eine Chance für den blauen Planeten?, VN 1992, S. 122 (124). Vgl. zu Aufbau und Verbreitung des Tropenwaldes Fremuth, Tropische Regenwälder, in: Bundesvorstand des DGB, Gewerkschaftliche Monatshefte 1988, S.  755 (757  ff.).; siehe ferner Farris, 20 Fordham ELR (2010), S. 515 (515–518); Krohn, Die Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 35 ff.; Abate/ Wright, 20 Duke ELPF (2010), S. 87 (87–90). 393  Engelhardt, UNCED: Konsequenzen, in: ders./Weinzierl, Der Erdgipfel, S. 107 (113).; Farris, 20 Fordham ELR (2010), S.  515 (515–518); Krohn, Die Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 35 ff.; Abate/Wright, 20 Duke ELPF (2010), S. 87 (87–90). 388

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Zum anderen verstärkt das Waldsterben den Klimawandel, da es die Funktion der Wälder bei der CO2-Fixierung beeinträchtigt. Wälder sind nach den Ozeanen die wichtigsten Kohlendioxidsenken der Erde. Dieser Umstand in Verbindung mit der Freisetzung großer Mengen Kohlendioxid bei der Brandrodung lässt den CO2-­ Gehalt in der Atmosphäre ansteigen. Durch diese Verstärkung sowohl des Klimawandels als auch des weltweiten Artensterbens haben lokale Zerstörungen der Wälder zumindest mittelbar globale Auswirkungen.394 ee) Wüstenbildung als Folge der Bodenzerstörung Ein fruchtbarer Boden ist für die Ernährung der Menschen und Tiere von existenzieller Bedeutung und bildet die Basis für den Stoffwechsel der meisten Pflanzen. Er bedeckt etwa 23 Prozent der Erdoberfläche und besteht aus einer dünnen Schicht von bis zu 50  cm Dicke, die sich über den Zeitraum von Hunderttausenden von Jahren gebildet hat und dementsprechend nur schwer regenerierbar ist.395 Wie das Artensterben396 ist auch die Bodenzerstörung an sich ein natürlicher Prozess, der allerdings in den letzten Jahrzehnten deutlich größere Ausmaße angenommen hat.397 Zu unterscheiden ist hierbei zwischen der quantitativen und der qualitativen398 Abnahme des Bodens, wobei die quantitative Abnahme des Bodens (Erosion) in den trockenen Regionen der Erde  – somit in erster Linie in den Ländern der Dritten Welt  – zur Wüstenausbreitung (Desertifikation) führt.399 Hauptgründe für Bodenerosionen sind die Zerstörung der Wälder,400 die übermäßige Beanspruchung des Bodens etwa in Form der Überweidung sowie ein zu hoher Flächenverbrauch und unangemessene Bearbeitungs- und Bewässerungstechniken.401 Was die Folgen der voranschreitenden Wüstenbildung anbelangt, so überschneiden sich – in ähnlicher Weise wie im Falle des Waldsterbens – regionale und globale Aspekte:402 Auf regionaler Ebene führen Bodenerosion und Wüstenbildung mittelbis langfristig zu Missernten, Fehlernährung und Hunger und schaffen damit tiefere Ursachen für die meisten Umweltprobleme in der Dritten Welt wie etwa die syste Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 86.  Heringer/Schuhmacher, Gefährdung, in: Mayer-Tasch, Die Luft hat keine Grenzen, S. 121. 396  Vierter Teil, Kap. XI. 3. b) cc). 397  So Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 89. 398  Die qualitative Abnahme des Bodens ist ein vorrangig in den Industrieländern lokalisiertes Phänomen, als deren Auslöser hauptsächlich die Anreicherung der Böden mit Nähr- und Giftstoffen angesehen wird, die wiederum auf den übermäßigen und falschen Einsatz von Düngern und Pflanzenschutzmitteln zurückzuführen ist (siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 89). 399  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 89. 400  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. b) dd). 401  Homey/Wahl, Vereinte Nationen und Umwelt, S. 6; Hohmann, NuR 1993, S. 474 (475). 402  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. b) dd). Ähnlich für die Wüstenbildung bereits Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, S. 219. 394 395

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matische Rodung der Tropenwälder, die wiederum zur Verschärfung des globalen Klimawandels beiträgt.403 Außerdem werden der Desertifikation nachteilige Auswirkungen auf das globale Klima sowie auf den Wasserhaushalt der gesamten Erde beigemessen. Das auf den ersten Blick jeweils lokal begrenzte Problem der Bodenzerstörung hätte demnach auch globale Auswirkungen.404 Während die unmittelbaren regionalen Folgen der Wüstenbildung unbestritten sind, gelten ihre (mittelbaren) globalen Auswirkungen bislang als nicht wissenschaftlich gesichert.405 Diese Ungewissheit über die „Globalität“ der Wüstenbildung hat sich offenbar in den Verhandlungen zur Wüstenkonvention niedergeschlagen: Während einerseits die Entwicklungsländer die Wüstenbildung gerade aufgrund ihrer (behaupteten) weiträumigen globalen Auswirkungen zum common concern of humankind erklären lassen wollten,406 wurde dies andererseits vom internationalen Verhandlungskommittee vor dem Hintergrund der bisherigen Praxis mit der Begründung abgelehnt, anders als der Klimawandel und die Biodiversität sei die Desertifikation eben gerade kein Umweltproblem mit vergleichbaren globalen Auswirkungen.407 Für den räumlich-­ funktionalen Anwendungsbereich des common concern-Begriffs lässt sich jedenfalls festhalten, dass der Begriff der „globalen Umweltbelastung“ in den zähen ­Verhandlungsrunden der Wüstenkonvention zum ausschlaggebenden (juristischen) Abgrenzungskriterium avancierte. ff) Resümee Mit Ausnahme der Wüstenbildung haben alle anderen im Rahmen der Staatenpraxis zum common concern of humankind diskutierten Umweltbelastungen ihren Ursprung zwar in einem oder in mehreren Staaten; ihre Folgen machen sich aber nicht nur in einem anderen Staat oder in einem staatsfreien Raum bemerkbar, sondern  Siehe Vierter Teil, Kap.  XI. 3. b) dd). Siehe ferner Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S.  89  f.; Homey/Wahl, Vereinte Nationen und Umwelt, S. 6. 404  So auch Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 90. 405  Siehe zudem Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, S. 219. 406  „(…) adverse effects, because so widespread are an issue of common concern to all countries. In this sense, desertification, like climate change and biodiversity, is a global problem“, vgl. Intergovernmental Negotiating Committee to Elaborate a Convention to Combat Desertification in those Countries Experiencing Serious Drought and/or Desertification, Particularly in Africa, Second Session, 13–14 September 1993, Compilation of Government Views, UN Doc. A/AC. 241/12, 23. August 1993, Ziff.  8 (a) der Präambel, S.  6  ff. (Hervorhebung vom Verfasser). Siehe dazu weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 3. b). 407  „Desertification is not a ‚global issue‘ in the same sense as climate change and biodiversity are. It does not affect all countries nor influence global systems in the same way that they do. Neither, in the strictest sense, is it a ‚common concern‘, since the perspectives of affected and unaffected countries are different“, vgl. die Aussagen im Dokument Elaboration of a Convention to Combat Desertification in those Countries Experiencing Serious Drought and/or Desertification, Particularly in Africa, Second Session, 13–14 September 1993, Compilation of Government Views, Statements and Drafting Proposals, 12. August 1993, UN Doc. A/AC. 241/12, Ziffer 9 (b) der Präambel. Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 3. b). 403

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betreffen die Erde in ihrer Gesamtheit. Klimawandel, Ozonschichtabbau, Artenund Waldsterben lassen sich somit ohne Schwierigkeiten unter den Begriff der globalen Umweltbelastung subsumieren. Überdies sind insbesondere Klimawandel, Ozonschichtabbau und Artensterben wiederum in einem komplexen Kreislauf von Ursachen und Wirkungen miteinander verwoben, sodass sie sich wechselseitig verstärken. Außerdem wird infolgedessen ihre genaue Zuordnung zu einem bestimmten Verursacherstaat so gut wie unmöglich macht, zumal ihre Verschmutzungsquellen sich nicht punktuell identifizieren lassen, sondern diffuser Art sind. Durch das jüngere Phänomen der globalen Umweltbelastungen ist eine Lücke im Bestand der bisherigen Umweltschutzprinzipien entstanden, die das common concern of humankind-­Prinzip womöglich zu schließen vermag. Allerdings besteht zwischen jenen Umweltproblemen offenbar eine „gestufte Globalität“: Nur der Klimawandel und das Artensterben haben unmittelbare globale Auswirkungen, sind demnach genuin globale Umweltbelastungen, und ihre Bekämpfung wurde konsequenterweise als gemeinsame Sorge der Menschheit eingestuft, während dem Waldsterben und der Wüstenbildung höchstens mittelbar globale Folgen beigemessen werden, weshalb sich womöglich ein entsprechendes „Staatengemeinschaftsinteresse“ bislang nicht herausgebildet hat. Dies zeigt sich insbesondere an der Vertragspraxis zur Wüstenbildung. Aus alledem ergibt sich, dass der Begriff der globalen Umweltbelastung grundsätzlich geeignet ist, den räumlich-funktionalen Anwendungsbereich des common concern of humankind-Prinzips insbesondere mit Blick auf zukünftige Anwendungsfelder zu umreißen und das CCM-Prinzip außerdem von anderen Schutzprinzipien abzugrenzen.

c ) Kein globaler Umweltschutz durch herkömmliche Prinzipien des Umweltvölkerrechts (Rechtsschutzlücke) Entscheidend für die räumlich-funktionale Einordnung des common concern of humankind-­Prinzips in den soeben dargelegten Bestand umweltvölkerrechtlicher Prinzipien408 ist schließlich, ob und inwieweit „globale Umweltbelastungen“ bereits von den herkömmlichen Umweltschutzprinzipien erfasst werden oder ob es diesbezüglich gewissermaßen eine „Rechtsschutzlücke“ gibt, die möglicherweise durch das CCM-Prinzip geschlossen wird. Daher sollen nachfolgend die bisherigen Prinzipien des Umweltvölkerrechts – abgesehen vom common concern of humankind-­ Prinzip – daraufhin untersucht werden, ob sie womöglich räumlich-funktional auf „globale Umweltbelastungen“ Anwendung finden.

408

 Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 2.

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a a) Kein allgemeines Verbot globaler Umweltbelastungen nach traditionellem Völkerrecht Im Ausgangspunkt stellt sich zunächst die Frage, ob es nach traditionellem Völkerrecht ein allgemeines Verbot globaler Umweltbelastungen gibt. Weiter oben wurden globale Umweltbelastungen bereits als Umweltbeeinträchtigungen definiert, die ihren Ursprung zwar in einem oder in mehreren Staaten haben, deren Folgen sich aber nicht nur in einem anderen Staat oder in einem staatsfreien Raum bemerkbar machen, sondern die Erde in ihrer Gesamtheit betreffen.409 Als Anknüpfungspunkte eines allgemeinen Verbots globaler Umweltbelastungen kommen folglich per ­definitionem einerseits ihr lokaler Ursprung und andererseits ihre globalen Auswirkungen in Betracht. Wer den Blick über die bisherigen Prinzipien des Umweltvölkerrechts schweifen lässt, stößt zunächst erneut auf den „Urkeim (...)  des modernen Umweltvölkerrechts“410 – das bereits weiter oben ausführlich erörterte Prinzip 21 der Stockholm-­ Declaration.411 Dort heißt es im zweiten Halbsatz: „States have […] the responsibility to ensure that the activities within their jurisdiction or control do not cause damage to the environment of other States or of areas beyond the limits of national jurisdiction.“412

Bei unbefangener Betrachtung erscheint der Gedanke nicht von vornherein a­ bwegig, dass das Schädigungsverbot nicht nur grenzüberschreitende und raumüberschreitende, sondern auch globale Auswirkungen lokaler Tätigkeiten erfassen könnte. Wenn Nationalstaaten dafür zu sorgen haben, dass durch Tätigkeiten innerhalb ihres Hoheits- und Kontrollbereichs keine Schäden in Gebieten außerhalb ihrer nationalen Jurisdiktion entstehen, so könnten mit solchen Schäden gerade auch globale Umweltbelastungen gemeint sein, die sich überall und somit auch außerhalb staatlicher Hoheitsbereiche auswirken. Bei genauerer Betrachtung ist Prinzip 21 allerdings auf globale Umweltbelastungen nicht räumlich-funktional anwendbar. Zunächst einmal ist Grundsatz 21 als ursprünglich rein nachbarrechtlicher Ansatz seit jeher sektoraler Natur und daher nicht auf globale Umweltprobleme zugeschnitten.413 Für das nachbarrechtliche Schädigungsverbot ergibt sich dies bereits aus dem Umstand, dass die „Umwelt der  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. a). Wie bereits aufgezeigt werden konnte, lassen sich die oben diskutierten Phänomene des Klimawandels, des Artensterbens, des Waldsterbens und der Wüstenbildung unter jene Definition einer „globalen Umweltbelastung“ subsumieren. Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. b) aa)-ee). 410  Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 532. 411  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) und 2. b). 412  Declaration of the UN Conference on the Human Environment, 11 ILM (1972), S. 14 6. 413  So Epiney, 33 AVR (1995), S. 309 (312 ff.); ähnlich außerdem Vitzthum, in: ders. (Hrsg), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 457, 489; Kilian, in: Bothe/Prieur/Ress (Hrsg.), Rechtsfragen grenzüberschreitender Umweltbelastungen, S. 57, 58 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1032; Wolfrum, 33 GYIL (1990), S. 308 (317 f.); Wolfrum, DVBl. 1984, S. 493 (495); siehe auch bereits früh Bothe, 102 AöR (1977), S. 68 ff. (68). 409

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Nachbarstaaten“ durch die jeweiligen Staatsgrenzen gebietsmäßig konkretisiert ist. Doch wie sich dem Wortlaut von Prinzip 21 unschwer entnehmen lässt, sind auch die entsprechenden „Umweltbeeinträchtigungen außerhalb nationalstaatlicher Jurisdiktion“ nur erfasst, wenn sie sich letztlich auf konkreten Gebieten (areas) der Erde auswirken.414 Die entscheidende Passage in Grundsatz 21 („areas beyond the limits of national jurisdiction“) wurde auf der Stockholmer Umweltkonferenz bewusst eingefügt. Man wollte den räumlich-funktionellen Anwendungsbereich des bis dato nur auf Umweltbelastungen in Nachbarstaaten zugeschnittenen Schädigungsverbotes nunmehr auf raumüberschreitende Umweltbelastungen ausdehnen, die sich ebenfalls auf konkreten Gebieten der Erde, nämlich in den staatsfreien Räumen niederschlagen. Globale Umweltbelastungen wirken sich aber gerade nicht auf bestimmte, klar abgrenzbare Gebiete oder Räume auf der Erde aus, sondern stattdessen auf die Erdumwelt in ihrer Gesamtheit.415 Des Weiteren wird bei globalen Umweltbelastungen typischerweise das zwingende Kausalitätserfordernis von Prinzip 21 gerade nicht erfüllt sein. Selbst wenn sich die Verschlechterung des Weltklimas in irgendeiner Art und Weise – etwa in Gestalt von Überschwemmungen – mittelbar auf dem Territorium einzelner Staaten niederschlagen sollte, so würde die globale Klimaverschlechterung nicht von Grundsatz 21 erfasst. Für die weit überwiegende Mehrzahl globaler Umweltbelastungen ist charakteristisch, dass ihre Verschmutzungsquellen gerade „nicht punktuell, sondern diffus sind und ihre Zuordnung zu einem bestimmten Verursacher damit praktisch unmöglich wird“.416 Umweltbelastungen globalen Charakters zeichnen sich oftmals gerade dadurch aus, dass sich die betreffenden Umweltbeeinträchtigungen in einem Staat nicht nur auf das Verhalten eines anderen Staates z­ urückführen lassen, sondern die maßgeblichen Ursachen von einer Vielzahl von Staaten gesetzt werden.417 Bei derartigen „Summierungsund Kumulationseffekten“ lässt sich der zwingende Kausalitätsnachweis im Sinne von Prinzip 21 schwerlich führen. In den Worten von Schrijver: „The mere existence of obligations under treaties and customary law demanding specific conduct with regard to preventing and combating climate change, however, is not sufficient to establish the responsibility of a State for damages caused by climate change. There also needs to be a causal link between the relevant conduct of a State and the occurring damage. (…) The problem is (…) in fact that because of the complex linkages between different pollutants, the timescale associated with climate processes and feedbacks, and non-linearity of climate change, it is almost impossible to attribute greenhouse gas emissions from one territory to specific damage occurring elsewhere in the world. Moreover, climate change is not attributable to a single event, but results from long-term accumulation of greenhouse gases. Obviously, this cannot be attributed to just one specific State, but to the actions of many industrialized States over a longer period.“418

 So Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 264. Ähnlich Durner, Common Goods, S. 167 f.  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. a). 416  So Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 85 unter Bezugnahme auf die Vorarbeiten von Springer, The International Law of Pollution, S. 6 ff. Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. a). 417  Siehe dazu Wolfrum, DVBl. 1984, S. 493 (495); Schröder, DVBl. 1986, S. 1173 (1175); Epiney, 33 AVR (1995), S. 3 9 (353 f.). 418  Schrijver, Impact of Climate Change, FS Simma, S. 1278 (1295). 414 415

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Selbst wenn auf dem Territorium eines Nationalstaates identifizierbare Schäden als Folgen globaler Umweltprobleme entstünden, könnte der betroffene Staat wohl kaum – in der Terminologie der Trail Smelter Arbitration – „klar und überzeugend“ („clear and convincing“419) nachweisen, dass die Umweltschäden auf seinem Gebiet letztlich durch das Fehlverhalten eines anderen Staates verursacht wurden. Gelegentlich wird daher eine gewohnheitsrechtliche Pflicht zum Schutz der globalen Umwelt unabhängig von der Betroffenheit eines bestimmten räumlichen ­Gebietes aus einer mit World Charter for Nature betitelten Resolution der UN-Ge­ neralversammlung aus dem Jahre 1982 hergeleitet.420 Gegen die gewohnheitsrechtliche Verfestigung einer derartigen Pflicht zum Schutz der globalen Umwelt spricht allerdings bereits, dass es sich bei jener „Weltcharta für die Natur“ um eine völkerrechtlich unverbindliche Resolution handelt, die außerdem von den Vereinigten Staaten sowie der Hälfte aller lateinamerikanischer Staaten abgelehnt wurde.421 Auch in der völkerrechtlichen Literatur wird die Frage, ob es unabhängig von der unmittelbaren und eindeutig zuzuordnenden Betroffenheit eines Staates oder Raumes ein völkergewohnheitsrechtliches Verbot globaler Umweltbelastungen gibt, durchgängig verneint.422 Vereinzelt wird in der Literatur allerdings vorgetragen, das auf hoheitsfreie Räume erweiterte Stockholmer Schädigungsverbot erfasse ebenfalls nur teilweise hoheitsfreie Umweltschutzgüter wie das Weltklima.423 Obwohl die globale Atmosphäre nicht vollumfänglich außerhalb der staatlichen Hoheitsbereiche liege, falle sie doch gewissermaßen als „Summe einzelstaatlicher Integritätsinteressen“ in den Anwendungsbereich von Prinzip 21.424 Bereits nach geltendem Völkergewohnheitsrecht seien den Nationalstaaten daher Verhaltensweisen untersagt, welche den Klimawandel verursachen würden.425 So spekuliert etwa Palmer, die Grundsätze der  RIAA, Vol. III, S.  1938 (1965). Siehe auch die Veröffentlichungen des legendären Schiedsspruchs zur Trail Smelter Arbitration in 33 AJIL (1939), S.  182  ff. sowie in 35 AJIL (1941), S. 684 ff. 420  The World Charter for Nature, UNGA Res. 37/7 v. 28. Oktober 1982, UN GAOR Supp. (No. 51), 17; UN Doc. A/37/51 (1982); 22 ILM (1983), S. 455 ff.; Siehe zu diesem Ansatz etwa Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S.  262  f.; siehe zudem Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 49 f.; Proelß, in: Vitzthum (Ders.), Völkerrecht, 5. Aufl., Rn. 103. 421  UN GAOR Supp. (No. 51), 17; UN Doc. A/37/51 (1982); 22 ILM (1983), S. 455 ff.; VN 1983, S.  29. Die oben angeführten ablehnenden Erklärungen der betreffenden Staaten finden sich bei Burhenne/Irwin, The World Charter for Nature, S. 17 ff. Siehe dazu wiederum Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 263. 422  Siehe statt vieler exemplarisch Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (950), demzufolge das heutige Völkergewohnheitsrecht (noch) sehr wenig zur Regelung globaler Umweltprobeme beiträgt; Wolfrum, 33 GYIL (1990), S. 308 (328), der die Zeit für die Geltung einer solchen Grundnorm trotzdem generell für reif erachtet; vgl. auch Rauschning, FS Schlochauer, S.  557 (570); siehe zum Ganzen auch bereits Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 263. 423  Siehe Durner, Common Goods, S. 167. 424  Patronos, Der konzeptionelle Ansatz, S. 377; Boyle, International Law, in: Churchill/Freestone (Hrsg.), International Law, S 7 (13); Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 411 f.; Hohmann, Präventive Rechtspflichten, S. 247 ff. Siehe dazu kritisch Durner, Common Goods, S. 167. 425  Boyle, International Law, in: Churchill/Freestone (Hrsg.), International Law, S 7 (13); Palmer, 419

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Trail Smelter arbitration würden über jenen Fall hinausreichen und könnten daher auf die Zerstörung der Ozonschicht und den Klimawandel ausgeweitet werden.426 Soweit der Trail Smelter-Schiedsspruch ein Prinzip der guten Nachbarschaft statuiere, sei dieses auch auf globale Umweltprobleme analog anwendbar.427 Übertragen auf das Weltklima spreche Prinzip 21 daher allen Staaten das Recht ab, auf ihren jeweiligen Territorien Emissionen zu verursachen oder zu dulden, die geeignet seien, die Atmosphäre mit nachteiligen Folgen zu schädigen.428 Zwar ist die Analogie im Völkerrecht sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur grundsätzlich anerkannt.429 Doch würde eine analoge Geltung des Schädigungsverbotes aus Prinzip 21 für das Weltklima der Staatenpraxis zuwiderlaufen und sämtliche Vertragsstaatenkonferenzen in den zwanzig Jahren nach der Stockholm-Konferenz auf dem Weg zur Klimarahmenkonvention im Jahre 1992 außer Acht lassen.430 Obgleich durchaus von einer „vergleichbaren Interessenlage“ die Rede sein kann, fehlt es in der Staatenpraxis jedenfalls an einer „planwidrigen Regelungslücke“, sodass ein derartiger Analogieschluss letztlich unzulässig sein dürfte. Auch die weiter oben bereits angesprochene Wald-Grundsatzerklärung kommt als Ausgangsbasis für ein allgemeines völkergewohnheitsrechtliches Verbot globaler Umweltbelastungen nicht in Betracht.431 Zunächst einmal liegt ihr Schwerpunkt nicht im Bereich des Schutzes der Wälder vor Abholzung oder sonstiger Schädigungen, sondern in der Sicherung des wirtschaftlichen Nutzungsrechtes, das den betreffenden Staaten in Bezug auf ihre Wälder zusteht.432 Der Waldschutz ist daher letztlich nur ein „Nebenprodukt“ dieser primär nutzungsorientierten Deklaration, woran auch die Vorgabe einer „nachhaltigen Nutzung“ der Ressource Wald nichts 86 AJIL (1992), S. 259 ff. (265); Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 411 f.; Hohmann, Präventive Rechtspflichten, S. 247 ff.; Patronos, Der konzeptionelle Ansatz, S. 377. 426  Palmer, 86 AJIL (1992), S. 259 ff. (265): „The Trail Smelter arbitration, which dealt with transboundary air pollution, also has potential application to ozone and climate change.“ „Indeed, the principle established by the case may go further than this and is certainly capable of extension.“ 427  Palmer, 86 AJIL (1992), S. 259 ff. (265): „To the extent that the case establishes a principle of good neighborliness, it may be applied to global environmental problems.“ 428  Palmer, 86 AJIL (1992), S. 259 ff. (265). „The principle would be that no state has the right to use its territory in such a manner as to cause injury to the atmosphere by emissions when serious consequences are involved and the injury to the atmosphere (…)“. 429  In einigen internationalen Verträgen ist die analoge Anwendung völkerrechtlicher Regeln sogar ausdrücklich vorgeschrieben, vgl. etwa Art. 68 IGH-Statut; Art. 58 S. 2 der Verfahrensordnung des EGMR; Art. 12 UNESCO-Satzung. Siehe die entsprechenden Entscheidungen des StIGH und des IGH: PCIJ Muscat Dhows, abgedruckt bei: Scott, Les travaux de la Cour Permanente, S. 97 (103); PCIJ Indemnité russe, RIAA XI, S. 421 (441); PCIJ SS Wimbledon, Series A, No. 1; PCIJ German Settlers in Poland, Series B, No. 6, S. 38; IGH International Status of South West Africa (1950), ICJ Reports 1950, S. 128 (141 f.). Siehe für die Literatur vor allem Bleckmann, 17 AVR (1977/1978), 161 ff.; Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 138; Verdross, Verfassung, S. 70 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/1, S.  81; Schwarzenberger, International Law I, S.  63  f.; Lauterpacht, Function, S. 111 ff.; Dominicé, Solidarity, in: EPIL VII, S. 334 (338). 430  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 431  Siehe dazu insgesamt Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 265–268. 432  Siehe Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 266.

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zu ändern vermag.433 Auch handelt es sich bei dieser Grundsatzerklärung um ein völkerrechtlich unverbindliches Dokument. Schließlich ist die Wald-Grundsatzerklärung ohnehin lediglich für das besonders drängende globale Umweltproblem des Waldsterbens konzipiert und wird daher folgerichtig höchstens als Ausgangsbasis für eine noch näher auszuarbeitende weltweite Waldkonvention eingestuft, in welcher dann wiederum die Bewahrung aller Wälder der Erde als „gemeinsame Sorge der Menschheit“ rechtsverbindlich festgeschrieben werden könnte.434 Des Weiteren scheidet mangels räumlich-funktionaler Anwendbarkeit auch das Konzept der gemeinsamen Ressourcen als Grundlage für ein allgemeines Verbot globaler Umweltbelastungen aus, da es sich nur auf Umweltgüter bezieht, die weder staatsfrei noch eindeutig der Souveränität eines einzelnen Staates zuzuordnen sind.435 Schließlich sind auch die allgemeinen Umweltschutzpflichten der Res Communes und des common heritage of mankind-Prinzips räumlich-funktional nicht auf globale Umweltbelastungen anwendbar. In ihren räumlichen Anwendungsbereich fallen von vornherein ausschließlich Umweltbelastungen in den staatsfreien Räumen und ihre „ökologischen Elemente“ untersagen daher nur jene Umweltbelastungen, die bei der Nutzung der natürlichen Ressourcen vor Ort in den staatsfreien Räumen selbst entstehen.436 Nach alledem ist festzuhalten, dass sich den herkömmlichen Prinzipien des Umweltvölkerrechts kein allgemeines Verbot globaler Umweltbelastungen entnehmen lässt. bb) Keine allgemeine Schutzpflicht für die eigene Umwelt Alle globalen Umweltbeeinträchtigungen, die bislang im Zusammenhang mit dem common concern of humankind-Prinzip diskutiert wurden, haben gemeinsam, dass ihre Folgen zwar die Erde in ihrer Gesamtheit betreffen, ihr Ursprung allerdings in einem oder mehreren Nationalstaaten liegt.437 Soweit es um die globalen Folgen umweltbelastender Tätigkeiten geht, stellt das traditionelle Umweltvölkerrecht zwar – wie soeben dargelegt wurde – kein allgemeines Verbot auf.438 Soweit allerdings herkömmliche umweltvölkerrechtliche Prinzipien möglicherweise eine allgemeine Schutzpflicht der Staaten für ihre eigene Umwelt begründen und daher an  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 267.  Siehe vor allem Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 292–294; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S.  267; siehe außerdem den Bericht der Bundesregierung über die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), S. 17; siehe zudem Corcelle, 20 ans aprés Stockholm, RMC 993, S. 107 (118). 435  Siehe zum Konzept gemeinsamer Ressourcen die Ausführungen im Dritten Teil, Kap. XI. 2. c). 436  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XI. 2. d) bb) und cc). 437  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. a) und b), wo aufgezeigt werden konnte, dass sich sämtliche bislang im Zusammenhang mit dem CCM-Prinzip diskutierten Phänomene des Klimawandels, des Artensterbens, des Waldsterbens und der Wüstenbildung unter jene Definition einer „globalen Umweltbelastung“ subsumieren lassen. 438  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. c) aa). 433 434

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den lokalen Ursprung globaler Umweltbelastungen anknüpfen, könnten sie gewissermaßen mittelbar einen globalen Umweltschutz gewährleisten. Wenn Nationalstaaten allgemein in der Pflicht stehen, ihre eigene Umwelt zu schützen und somit auch ihre Wälder und Böden sowie ihre Biodiversität zu erhalten, so ergibt sich daraus mittelbar auch ein Schutz des Ökosystems vor den beschriebenen globalen Umweltproblemen des Wald- und Artensterbens sowie der Wüstenbildung mit ihren jeweiligen negativen Auswirkungen auf das Klima. (1) Eine Schutzpflicht für die eigene Umwelt aus der Stockholmer Grundregel? Auch hier richtet sich der Blick zunächst wieder auf die traditionelle Umweltschutzpflicht aus Prinzip 21 der Stockholm-Declaration.439 Nimmt man die dort verankerte allgemeine Schutzpflicht wörtlich, so erfasst diese nicht die eigene Umwelt der jeweiligen Nationalstaaten. Gegen diese texttreue Lesart hat der Völkerrechtler Sohn bereits kurze Zeit nach der Stockholm-Konferenz eingewandt, kein Staat könne für sich das Recht in Anspruch nehmen, seine eigene Umwelt nachhaltig zu vernichten, um kurzfristige wirtschaftliche Vorteile zu erlangen.440 Vielmehr seien Staaten dazu angehalten, bei ihren umweltpolitischen Entscheidungen nicht nur potenzielle ­Auswirkungen auf andere benachbarte Territorien, sondern auch die Zukunft ihres eigenen Staatsvolkes in den Blick zu nehmen.441 Außer auf den „Geist“ der Stockholm-­Declaration vermag sich Sohn – wie Durner zu Recht kritisiert442 – allerdings auf kein juristisches Argument zu stützen, um eine etwaige Schutzpflicht der Nationalstaaten für ihre eigene Umwelt als Bestandteil des geltenden Völkerrechts nachzuweisen.443 Seine Ausführungen haben daher eher den Charakter eines umweltpolitischen Appells. Bei rein juristischer Auslegung der Stockholmer Grundregel lässt sich die Ansicht, die einzelnen Nationalstaaten seien auch zum Schutz ihrer eigenen Umwelt verpflichtet, wohl schwerlich aufrechterhalten. Zunächst einmal spricht bereits der Wortlaut der Stockholm-Declaration eindeutig gegen eine Schutzpflicht für die eigene Umwelt und lässt daher an sich keinen Raum für eine andere Aus Diese Herangehensweise ist angelehnt an die Ausführungen von Durner, Common Goods, S. 57 ff. 440  Sohn, 14 HILJ (1973), S.  492. Siehe dazu bereits die kritischen Ausführungen von Durner, Common Goods, S. 57. 441  Sohn, 14 HILJ (1973), S. 492: „(…) While this provision does not go as far as to assert that a state has unlimited sovereignty over its environment, it comes quite close to such an assertion. An overbroad interpretation of this sovereign right would be inconsistent with the rest of the Declaration which emphasizes the fact that no part of the global environment can be separated from the rest and that it has to to be preserved and improved for the benefit of all people of both the present and the future generations. No state can claim an absolute right to ruin its environment in order to obtain some transient benefits. It should think not only of the effect on other peoples but also about the future of its own people. It should not ruin the soil of its country in order to get a few extra crops or to sell more wood or pulp.“ Siehe zum Ganzen auch bereits Durner, Common Goods, S. 57. 442  Durner, Common Goods, S. 57. 443  Dazu und zum Folgenden Durner, Common Goods, S. 57. 439

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legungsvariante. Unabhängig davon sprechen allerdings auch entstehungsgeschichtliche Gründe gegen eine derartige Erweiterung des Verbotes grenzüberschreitender Umweltbelastungen; denn im Vorfeld der Stockholm-Konferenz wurden derartige Vorschläge, den Schutz der gesamten, das heißt auch der jeweils eigenen Umwelt aller Staaten als allgemeine Schranke der permanent sovereignty zu verankern, von der Mehrzahl der Vertragsstaaten ebengerade abgelehnt.444 Laut der Staatenpraxis zu Prinzip 21 genießen die Nationalstaaten folglich, soweit es um ihre eigene Umwelt geht, auch weiterhin ihre traditionell unbeschränkte Souveränität.445 Ob und inwieweit sich die Nationalstaaten im Zusammenhang mit der neueren common concern of humankind-Debatte vertraglich dazu verpflichtet haben, unter ihren eigenen Umweltgütern besonders wichtige zu schützen oder ob eine solche spezifische Schutzpflicht sich mittlerweile gewohnheitsrechtlich nachweisen lässt, steht auf einem anderen Blatt und bleibt der späteren Erörterung vorbehalten.446 Eine allgemeine Schutzpflicht der Staaten für ihre eigene gesamte Umwelt als solche lässt sich dem herkömmlichen Prinzip 21 jedenfalls nicht entnehmen. (2) Erweiterung von Prinzip 21 auf die eigene Umwelt der Staaten? In jüngerer Zeit wird allerdings auch das traditionelle Recht der Staaten zur grundsätzlich unbeschränkten Verfügung über ihre nationalen Ressourcen zunehmend relativiert und vorgeschlagen, die in Prinzip 21 der Stockholm-Declaration niedergelegte Schutzpflicht nunmehr auch auf die eigene Umwelt der Nationalstaaten zu erstrecken.447 Der wohl am weitesten gehende Vorschlag findet sich im Draft International Covenant on Environment and Development der International Union for Conservation of Nature (IUCN) aus dem Jahre 1995.448 Art. 11 des Entwurfs ergänzt die Stockholmer Grundregel insoweit, als er die Staaten zusätzlich dazu verpflichtet, auch die Umwelt in ihrem eigenen Territorium zu schützen und zu bewahren.449 In Art. 11 heißt es wörtlich: „States have, in accordance with the Charter of the United Nations and the principles of international law, the sovereign right to utilize their resources to meet their environmental and sustainable developmental need, and the obligations: (a) to protect and preserve the environment within the limits of their national jurisdiction (b) to ensure that activities within their jurisdiction or control do not cause potential or actual harm to the environment of other States or of areas beyond the limits of national jurisdiction.“

 Siehe die Nachweise bei Sohn, 14 HILJ (1973), S. 488, 490 und 492 sowie bei Schrijver, Sove­ reignty, S. 124 ff. Siehe zum Ganzen bereits Durner, Common Goods, S. 57. 445  Siehe Durner, Common Goods, S. 57. 446  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 4. 447  Siehe zu diesen „Erweiterungsversuchen“ bereits Durner, Common Goods, S. 58. 448  So Durner, Common Goods, S. 58. 449  IUCN, International Covenant on Environment and Development, abgedruckt bei: Bocken/ Ryckbost, Codification of Environmental Law, S. 183 (186). Art. 11. Siehe dazu erneut Durner, Common Goods, S. 58 f. 444

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Kurze Zeit später hat Kiss als drafting member des ersten Entwurfs die Auffassung vertreten, diese Regelung entspreche geltendem Recht und aus der Summe all jener Bemühungen der Staatengemeinschaft für den Schutz der Umwelt ergebe sich gar eine gewohnheitsrechtliche Schutzpflicht aller Nationalstaaten für die eigene Umwelt.450 Demnach würde der IUCN-Entwurf, soweit er eine Pflicht aller Staaten zum Schutz auch ihrer eigenen Umwelt statuiert, nur ohnehin bereits geltendes Völkerrecht kodifizieren. Dieser Ansicht ist inzwischen eine wachsende Literaturströmung, die mit divergierenden Begründungen im Einzelnen eine solche Pflicht bereits als Teil des universellen Völkergewohnheitsrechts betrachtet.451 Eine solche allgemeine Erweiterung staatlicher Umweltschutzpflichten auf die eigene Umwelt geht allerdings über das geltende Völkerrecht hinaus, wie es in der bisherigen Staatenpraxis zum Ausdruck kommt.452 Dafür könnte es kaum einen klareren Beleg geben, als die Tatsache, dass im vierten und neuesten Draft International Covenant on Environment and Development der IUCN aus dem Jahre 2010 gerade jene Textpassage, nach welcher die Staaten ausdrücklich dazu verpflichtet sein sollen, auch die Umwelt in ihrem eigenen Territorium zu schützen und zu bewahren („States have (…) the obligation (…) to protect and preserve the environment within the limits of their national jurisdiction“), im nunmehr einschlägigen Art. 13 Ziff. 1 gestrichen wurde.453 Damit sind die Vertragsstaaten letztlich wieder auf die räumliche Fassung von Prinzip 21 zurückgefallen, wie es bereits im Jahre 1972  in der Stockholm-Declaration verankert wurde.454 Die Nationalstaaten sind nach dem aktuellen IUCN-Entwurf nunmehr nur noch verpflichtet, sicherzustellen, dass Aktivitäten innerhalb ihrer Hoheitsgebiete und Kontrolle die Umwelt anderer Staaten oder anderen Gebieten außerhalb staatlicher Hoheitsbereiche, das heißt in den staatsfreien Räumen, „respektieren“.455 Dass der in Teil III mit „allgemeine Verpflichtun Kiss, Towards the Codification, S. 174. Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 58 f.  Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 59. Siehe ferner Glennon, 84 AJIL (1990), S. 1 (30) („it is now possible to conclude that customary international law requires states to take appropriate steps to protect endangered species“) und ihm folgend Hohmann, Environmental Implications of the Principle of Sustainable Development, in: Chowdhury/Denters/de Waart (Hrsg.), The Right to Development in International Law, S. 273 (278); Wolfrum, The Convention on Biological Diversity, in: ders. (Hrsg.), Enforcing Environmental Standards, S. 373 (379) m.w.N.; ähnlich wohl auch Brunnée, 49 ZaöRV (1988), S. 791 ff.; Kiss, 59 Revista Juridica University Puerto Rico (1990), S. 773 (776), allerdings unter Bezugnahme auf den Gedanken eines gemeinsamen Erbes; Schrijver, Sovereignty, S.  241, allerdings mit etwas abweichender Begründung (allgemeiner Rechtsgrundsatz mit ius cogens-Charakter); Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, S. 451 f. 452  Ähnlich Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 292 ff.; Patronos, Der konzeptionelle Ansatz, S. 57, 59, 77; Durner, Common Goods, S. 59; Schröder, 34 AVR (1996), S. 251 (272); Smith, State Responsibility and the Marine Environment, S. 101, 106 ff. 453  IUCN Environmental Law Programme (2010), Draft International Covenant on Environment and Development, Fourth Edition, S. 4, Art. 13 Ziff. 1. 454  Siehe Vierter Teil, Kap. XI 1. b). 455  IUCN Environmental Law Programme (2010), Draft International Covenant on Environment and Development, Fourth Edition, S. 4, Art. 13 Ziff. 1, woe s heißt: „States have, in accordance with the Charter of the United Nations and the principles of international law, the sovereign right to utilize their resources to meet their environmental and developmental needs, and the duty to 450 451

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gen der Staaten“ (General Obligations – States) überschriebene Art. 13 des neuesten Entwurfs das herkömmliche Prinzip 21 ebengerade nicht mehr auf die eigene Umwelt der jeweiligen Nationalstaaten erstreckt, wird besonders deutlich, wenn man im Wege einer systematischen Auslegung die nachfolgenden Ziffern 2 und 3 genauer in den Blick nimmt, wo es heißt: 2. States have the right and the duty, in accordance with the Charter of the United Nations and the principles of international law, to take lawful action to protect the environment under their jurisdiction from significant harm caused by activities outside their national jurisdiction. If such damage occurs, they are entitled to appropriate and effective remedies. 3. States shall take all appropriate measures to avoid wasteful use of natural resources and ensure the sustainable use of renewable resources.456 Nach diesem neuesten Entwurf sind die Nationalstaaten mithin nur verpflichtet, die Umwelt innerhalb ihres eigenen Territoriums vor solchen Verletzungen zu schützen, die durch Tätigkeiten außerhalb ihrer Hoheitsgebiete drohen. Die Staaten sind somit nur noch dazu angehalten, Umweltverschmutzungen „von außen“ abzuwehren. Umweltbeeinträchtigungen „von innen“, das heißt solche, deren Ursachen auf ihrem eigenen Territorium liegen bzw. solche, für welche die jeweiligen Nationalstaaten selbst verantwortlich sind, haben die Staaten nach Maßgabe der Ziff. 2 nicht zu verhindern. Mit einer signifikant abgeschwächten Formulierung sind die Staaten nach Ziff. 3 lediglich allgemein dazu angehalten, „die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen“ den verschwenderischen Umgang mit natürlichen Ressourcen zu vermeiden und erneuerbare Ressourcen nachhaltig zu nutzen. Von einer allgemeinen Pflicht der Nationalstaaten zum Schutz ihrer eigenen Umwelt auszugehen, hieße zudem die Ausnahme zur Regel zu erheben und somit das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen nationalstaatlicher Handlungsfreiheit und völkerrechtlichen Handlungsbeschränkungen auf den Kopf zu stellen, welches der StIGH bereits im Jahre 1927 mit einer mittlerweile legendären Formulierung prägte: „Le droit international régit les rapports entre des Ètats indépendants. Les règles de droit liant les États procèdent donc de la volonté de ceux-ci, volonté manifestée dans des conventions ou dans des usages acceptés gé-néralement comme consacrant des principes de droit (…) Les limitations de l´indépendance des États ne se pré-sument donc pas.“457

Wie der StIGH im Lotus-Fall klargestellt hat, ist einem souveränen Staat nach dem Völkerrecht grundsätzlich alles erlaubt, was ihm nicht durch anerkannte völker­ rechtliche Regeln und Prinzipien untersagt ist. Auch das moderne Völkerrecht geht nach wie vor von dem Grundsatz völkerrechtlich nur ausnahmsweise eingeschränkter souveräner Handlungsfreiheit aus. Zwar spricht etwa die Biodiversitätskonvention aus dem Jahre 1992 in ihrer Präambel von einer Verantwortung der Staaten, ensure that activities within their jurisdiction or control respect the environment of other States or of areas beyond the limits of national jurisdiction.“ (Hervorhebung vom Verfasser). 456  IUCN Environmental Law Programme (2010), Draft International Covenant on Environment and Development, Fourth Edition, S. 4, Art. 13 Ziff. 2 und 3. 457  PCIJ Rep. Ser. A, Nr. 9, S. 18.

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ihre (eigene) biologische Biodiversität zu bewahren und nachhaltig zu nutzen.458 Wie jede andere umweltvölkerrechtliche Vereinbarung begründet allerdings auch die Biodiversitätskonvention nur eine eng eingegrenzte Ausnahme von der grundsätzlich unbeschränkten Befugnis aller Nationalstaaten, als territoriale Souveräne ihre eigenen natürlichen Ressourcen auszubeuten.459 Dass in der Realität der Staatenpraxis diese territoriale Souveränität als Grundsatz neben der vertraglich vereinbarten Ausnahme auch weiterhin gilt, haben die Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention durch ihre zahlreichen Verweise auf Prinzip 21 sowie auf das Prinzip der permanent sovereignty over natural resources zweifelsfrei bestätigt.460 Eine Verpflichtung der Nationalstaaten zum Schutz der eigenen Umwelt ist daher nur ausnahmsweise denkbar, soweit die Staaten derartige Pflichten vertraglich verankern oder sich solche Pflichten gewohnheitsrechtlich nachweisen lassen. Wie allerdings die Vertragspraxis der letzten zwanzig Jahre belegt, haben sich die Nationalstaaten bislang nicht zu einer pauschalen Selbstverpflichtung zum Schutz ihrer gesamten Umwelt durchringen können. Stattdessen haben sich die Staaten in völkerrechtlich verbindlichen Übereinkommen nur verpflichtet, zum Schutz der Menschheit vor spezifischen, besonders gravierenden globalen Umweltbelastungen einzelne Umweltgüter – wie etwa die Biodiversität und die Fruchtbarkeit der Böden – zu bewahren, die unter ihre territoriale Souveränität fallen. Der common concern of humankind-­ Grundsatz ist nicht pauschal auf die „Umwelt als Ganzes“ übertragbar.461 Zwar lässt sich an der gesamten Entwicklung des modernen Umweltvölkerrechts und insbesondere an der bereits beschriebenen Herausbildung des common concern of humankind-Prinzips ein eindeutiger Trend ablesen, wonach Nationalstaaten zunehmend in der Verantwortung stehen, auch Umweltgüter innerhalb ihrer Gebietshoheit nicht zu verbrauchen, sondern im Interesse des internationalen Gemeinwohls zu bewahren. Die bisherige Staatenpraxis erweist sich allerdings (noch) als zu uneinheitlich, als dass sich daraus eine prinzipielle Pflicht der Staaten zum Schutz ihrer eigenen Umwelt verallgemeinernd abstrahieren ließe.462 Anders als auf dem Gebiet des Artenschutzes haben die Entwicklungsländer etwa, als es um den Schutz der tropischen Regenwälder ging, in der Waldgrundsatzerklärung aus dem Jahre 1992 jegliche Einschränkung ihrer territorialen Souveränität vehement abgelehnt.463 Gegen die Annahme einer gewohnheitsrechtlich verfestigten Pflicht der Nationalstaaten zum Schutz ihrer Umwelt als solcher spricht neben der völkervertraglichen Praxis der meisten Staaten auch ihr faktisches Handeln innerhalb ihrer nationalen  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S.  818  ff., Präambel, Abs. 5: „Reaffirming also that States are responsible for conserving their biological diversity and for using their biological resources in a sustainable manner (…)“. Siehe zur Biodiversitätskonvention die Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 2. 459  Ähnlich Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 508 f. und Durner, Common Goods, S. 60. 460  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 60. 461  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 5. 462  Siehe zu diesem Vorgang der „verallgemeinernden Abstraktion“ aus der Staatenpraxis zur „Prinzipiengewinnung“ die Ausführungen zum Begriff des allgemeinen Prinzips im Umweltvölkerrechts weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 463  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 3. a). Siehe dazu außerdem Durner, Common Goods, S. 60. 458

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Grenzen. So bezeugt etwa der Bericht des renommierten Worldwatch Institute über den Zustand der Umwelt aus dem Jahre 2010, dass die Staaten von ihrer grundsätzlichen Befugnis zur Ausbeutung und Zerstörung ihrer eigenen Umwelt auch weiterhin rege Gebrauch machen.464 Eine wie auch immer geartete Pflicht der Staaten zum Schutz ihrer eigenen Umwelt lässt sich auch nicht etwa aus dem Umstand herleiten, dass viele Staaten dieser Welt „eine nationale Umweltschutzpolitik betreiben und ihre eigene Umwelt – leider oftmals mit allzu geringem Erfolg – zu bewahren versuchen“.465 Zum einen ist die Staatenpraxis noch uneinheitlich, weshalb umweltpolitische Bemühungen gerade darauf abzielen, die fortwährende Zerstörung der weltweiten Umweltgüter durch völkerrechtliche Verpflichtungen aller Staaten zum Schutz ihrer eigenen Umwelt aufzuhalten. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die Staaten ihren nationalen Umweltschutz über das geltende ­Völkervertragsrecht hinaus gerade als Erfüllung einer internationalen Umweltschutzpflicht betrachten.466 Schließlich spricht auch gegen eine allgemeine Erweiterung der staatlichen Schutzpflicht auf ihre innerstaatliche Umwelt, dass sie praktisch nicht durchsetzbar wäre; denn eine solche Pflicht zum Schutz der eigenen nationalen Umwelt wäre nach derzeitigem Stand des Völkerrechts eine bloße Verpflichtung der Staaten gegen sich selbst.467 Kein anderer Staat wäre berechtigt, eine entsprechende Pflichtverletzung geltend zu machen, es sei denn, die Verpflichtung würde erga omnes gelten, sodass ihre Erfüllung von jedem anderen Staat eingefordert werden könnte.468 Gegenüber allen verpflichtet sind die Staaten jeweils aber nur, wenn es um den Schutz solcher nationalen Umweltgüter geht, die völkervertraglich oder gewohnheitsrechtlich bereits in den Rang eines common concern of humankind emporgehoben worden sind.469 Im nach wie vor staatenzentrierten Völkerrecht werden globale Umweltgüter bislang allenfalls fragmentarisch geschützt. Gegenwärtig 194 souveräne und zumindest formal auch gleichberechtigte Nationalstaaten mit ihren jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen ringen in zumeist langwierigen Vertragsverhandlungen um mühsame Kompromisse. Nur soweit es um einzelne herausgehobene Umweltgüter geht, die für das globale Ökosystem von entscheidender Bedeutung sind und deren Schutz daher im überragenden Interesse aller Staaten liegt, sind die Nationalstaaten bereit, ihre Souveränität über ihre nationalen Umweltgüter zugunsten eines globalen Umweltschutzes und im Interesse der Staatengemeinschaft zumindest rudimentär einzubüßen. Diesem fragmentarischen Charakter des globalen Umweltgüterschutzes widerspräche eine allgemeine Schutzpflicht der Staaten im Hinblick auf ihre eigene Umwelt.  Worldwatch Institute (Hrsg.), Zur Lage der Welt 2010.  So Durner, Common Goods, S. 60. 466  Siehe hierzu Durner, Common Goods, S. 60. 467  Siehe Durner, Common Goods, S. 60. 468  Ähnlich argumentiert Durner, siehe ders., Common Goods, S. 60. Siehe zur völkerrechtlichen Bedeutung von Verpflichtungen erga omnes die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIV. 469  Zur Auslegung des common concern of humankind-Begriffs weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIV. 1. Zur Begründung der erga omnes-Wirkung des CCM-Prinzips weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIV. 2. 464 465

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cc) Zwischenergebnis Ähnlich den grenzüberschreitenden und raumüberschreitenden Umweltbelastungen wird auch das jüngere Phänomen der globalen Umweltbelastung erst durch die Existenz der künstlichen Staatsgrenzen zum völkerrechtlichen Problem.470 Wie oben dargestellt wurde, ist Umweltschutz aufgrund der mit der staatlichen Souveränität einhergehenden Parzellierung der natürlichen Einheit „Umwelt“471 im Ausgangspunkt Angelegenheit der einzelnen Nationalstaaten, deren nationale ­Regelungen jedoch lediglich auf ihr eigenes Territorium beschränkte Umweltbelastungen erfassen.472 Es besteht somit eine Diskrepanz zwischen der örtlichen Reichweite der nationalstaatlichen Regelungen und der örtlichen Reichweite des Sachproblems „globale Umweltbelastung“.473 Aus der Perspektive des völkerrechtlichen Prinzipienbestandes entsteht bei Umweltbelastungen demnach das Problem einer „Rechtslücke“, die nur durch das Umweltvölkerrecht geschlossen werden kann.474 Zwar haben sich im Völkerrecht unter anderem mit dem Verbot grenzüberschreitender Belastungen und dem Konzept gemeinsamer Ressourcen zwei Prinzipien herausgebildet, die diese Rechtslücke hinsichtlich grenzüberschreitender Umweltbelastungen zumindest teilweise schließen.475 Ähnliches lässt sich etwa für das Prinzip des common heritage of mankind mit Blick auf Umweltbelastungen in den staatsfreien Räumen konstatieren.476 Wie die Untersuchung gezeigt hat, wird das jüngere Phänomen der „globalen Umweltbelastungen“ allerdings von den herkömmlichen Prinzipien nicht erfasst, sodass insoweit eine Rechtschutzlücke bleibt.477

d ) Zusammenfassung: Das CCM-Prinzip als Instrument zur Bekämpfung globaler Umweltbelastungen mit großem Übertragungs- und Ausdehnungspotenzial Der Blick auf die bisherigen Prinzipien des Umweltvölkerrechts hat gezeigt, dass sie räumlich-funktional zu kurz greifen, um globale Umweltbeeinträchtigungen zu erfassen. Das souveränitätszentrierte Völkerrecht der Gegenwart erweist sich ­insoweit  Siehe die ähnlich gelagerten Ausführungen von Wolfrum, DVBl. 1984, S. 493 (493) zum Problem der grenzüberschreitenden Luftverschmutzung. 471  Siehe hierzu Vierter Teil, Kap. XI. 1. a). 472  Siehe statt vieler nur Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 23. 473  Siehe insoweit nur die Ausführungen von Wolfrum, DVBl. 1984, S. 493 (493) in Bezug auf das Problem der grenzüberschreitenden Umweltbelastung. 474  So Wolfrum, DVBl. 1984, S. 493 (493) unter Rückgriff auf die Ausführungen von Bothe, 102 AöR (1977), S. 68 ff. (68). 475  Siehe die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 2. b) und c). 476  Siehe hierzu Vierter Teil, Kap. XI. 2. d) bb). 477  Die Verwendung des Begriffs einer „Rechtsschutzlücke“ soll nicht ausblenden, dass diese „Lücke“ auch auf den schwer zu erzielenden internationalen Konsens in globalen Umweltschutzfragen zurück zu führen ist. 470

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als defizitär, als es ungeeignet ist, der naturgesetzlichen Einheit des globalen Ökosystems, ja der „ökologischen Wirklichkeit“ gerecht zu werden. Einerseits stellt sich die Umwelt bei natürlicher Betrachtung als Einheit miteinander verwobener und voneinander abhängiger Naturelemente dar;478 denn viele Ressourcensysteme stehen infolge ihrer homogenen bio-geophysikalischen Eigenschaften zueinander in einer wechselseitigen und engen naturgesetzlichen Interdependenz. Naturgüter lassen sich daher nicht isoliert, sondern nur als integrale Bestandteile innerhalb ihres jeweiligen ökologischen und biophysikalischen Systems begreifen.479 ­Andererseits basiert das souveränitätszentrierte Völkerrecht auf dem Gedanken der Teilbarkeit der Umwelt.480 Politische Grenzen zerschneiden den globalen Raum ohne Rücksicht auf jene realen biologisch-physikalisch-geologischen Zusammenhänge globaler Ökosysteme.481 Das Kernproblem des internationalen Umweltschutzes besteht daher in der fehlenden Konvergenz zwischen naturgesetzlicher Einheit von Raum, Umwelt und Naturgütern in der ökologischen Wirklichkeit einerseits und rechtlich definierten Kompetenzräumen andererseits.482 Zwar hat sich das moderne Umweltvölkerrecht gerade die Überwindung jener sachwidrigen Spaltung von Recht und Wirklichkeit auf die Fahnen geschrieben.483 Angetrieben war es stets von der Erkenntnis, dass sich die Interdependenz aller globalen Umweltbestandteile durch das Völkerrecht „weder beseitigen noch in territoriale Segmente pressen lässt“.484 Trotz vieler Fortschritte ist es ihm aber bislang nicht gelungen, sein konzeptionelles Souveränitätskorsett abzustreifen.485 Noch immer „ist der völkerrechtliche Umweltschutz (...) in das Prokrustesbett des Nachbarrechts eingespannt“,486 das nicht auf die „Durchsetzung genuin ökologischer Belange“ zielt, sondern in erster Linie die „Zuordnung und Sicherung territorialer Souveränität und Prosperität bezweckt.“487 Infolge des permanenten Gerangels unter den Nationalstaaten um Souveränität, geostrategische Vorteile, wirtschaftlichen Einfluss und Wohlstand bleibt der globale Umweltschutz fragmenta So Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 516.  Ähnlich zum Ganzen Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 516; Benvenisti, Sharing Transboundary Resources, S. 22 f. 480  Siehe zur Aufteilung der Umwelt in unterschiedliche Rechtsräume die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. a). Siehe zur Fiktion der „Teilbarkeit der Umwelt“ Benvenisti, Sharing Transboundary Resources, S. 23; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 69; Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 516. 481  Ähnlich Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 516; siehe dazu ferner Brunnée, 49 ZaöRV (1989), 791 (794 f.); Riphagen, International Concern, in: Bothe (Hrsg.), Trends, S. 343 (344); Rothenberger, Angemessene Nutzung, S. 11. 482  So ausdrücklich Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 516 f.; siehe ferner Alland, Droit International Public, S. 730 f.; Wolfrum, DVBl. 1984, S. 493, 493. Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XI. 1. a) und 2. 483  Siehe Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791, 795 und Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 516 f. 484  So Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 517. 485  Siehe auch bereits Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 517. 486  So metaphorisch mit Blick auf die Gemeinschaftsinteressen im Völkerrecht insgesamt vor allem Simma, in: Delbrück (Hrsg.), Future of International Law Enforcement, S. 132. Siehe dazu neuerdings außerdem Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 428. 487  So Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 1. Aufl., 5. Abschn. Rn. 98. 478 479

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risch. Nur vereinzelte globale Naturgüter kommen daher Schritt für Schritt in den Genuss eines völkerrechtlichen Umweltschutzes. In diesem sukzessiven „Globalisierungsprozess“ des Umweltschutzes könnte dem common concern of humankind-Prinzip indes eine Schrittmacherfunktion zukommen. Fast alle jener in der Vertragspraxis zum common concern of humankind-­ Prinzip diskutierten Umweltprobleme lassen sich unter den Begriff der globalen Umweltbelastung subsumieren. Demnach dürften globale Umweltbelastungen potenziell in den räumlichen Anwendungsbereich des CCM-Prinzips fallen. Im ­größeren Ordnungsrahmen der umweltvölkerrechtlichen Schutzprinzipien kommt somit dem common concern-Prinzip die funktionale Bedeutung zu, gewissermaßen „nachregelnd“ die Diskrepanz zwischen der räumlichen Reichweite des Sachproblems „globale Umweltbelastung“ und der bereits begrifflich bedingten Beschränktheit nationalstaatlicher Umweltschutzvorschriften zu harmonisieren und damit eine umweltvölkerrechtliche Rechtslücke zu schließen. Aus den weiter oben bereits geschilderten Versuchen, die „Umwelt als Ganzes“ zum common concern of humankind zu erklären, ergibt sich ebenfalls kein allgemeines Verbot globaler Umweltbelastungen.488 Bei ihnen handelt es sich ausschließlich um rein politische, völkerrechtlich unverbindliche Erklärungen, die über das geltende Völkerrecht hinausgehen. Wie außerdem bereits dargelegt wurde, lässt sich das common concern-Prinzip nicht ohne Weiteres auf die gesamte globale Umwelt übertragen.489 Eine umfassende Pflicht zum Schutz der Umwelt als Ganzer besäße wohl kaum Durchschlagskraft. Konsequenterweise beschränkt sich das Völkervertragsrecht daher auf den Schutz einzelner Umweltgüter.490 Für die Zukunft schlummert ein gewaltiges Potenzial darin, das common concern of humankind-Prinzip für einen globalen Umweltschutz behutsam Schritt für Schritt durch verbindliche internationale Abkommen auf weitere einzelne Problemfelder zu übertragen und auszudehnen, um auf diese Weise seine juristische Relevanz zu stärken. Gelingen kann dies jedoch nur, wenn der CCM-Grundsatz konsequent und konsistent nur auf solche Umweltprobleme übertragen wird, die in dessen bereits abstrakt skizzierten potenziellen räumlich-funktionalen Anwendungsbereich491 fallen, wie er bereits im Wege der Induktion anhand aller bisher von den jeweiligen Vertragsstaaten in ihren Verhandlungen zu den betreffenden Internationalen Übereinkommen diskutierten oder anerkannten Anwendungsfällen ermittelt wurde. Zwingende Voraussetzung für eine Übertragung des CCM auf ein weiteres bzw. neues Umweltproblem – auch im Wege der Deduktion – muss daher stets sein, dass ein Staatengemeinschaftsinteresse an seiner Bekämpfung vorhanden ist, weil es sich um eine globale Umweltbelastung (Globalitätskriterium) handelt, deren Auswirkungen die Erde als Ganzes betreffen und derartig gravierend (Schwerekriterium) sind, dass sie für gegenwärtige und künftige Generationen der Menschheit eine existenzielle Bedrohung sind. Wie die Verhandlungshistorie aller bisher  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 5.  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 5. 490  Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 489. 491  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. a). 488 489

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v­ ölkervertraglich diskutierten oder verankerten Anwendungsfälle des common concern of humankind-Grundsatzes belegt, nehmen es die Vertragsstaaten mit den drei genannten Kriterien – Globalität und Schwere der Umweltbelastung sowie daraus folgendes Staatengemeinschaftsinteresse  – sehr genau.492 Besonders deutlich demonstriert wurde dies in den Verhandlungen zur Wüstenkonvention, als der common concern of humankind-Begriff mit der Begründung abgelehnt wurde, es handele sich bei der Desertifikation nicht um ein globales Umweltproblem.493 Auch für die Zukunft dürfte damit eine Übertragung und Anwendung des common concern-Prinzips auf das Problem der Wüstenbildung vorerst ausgeschlossen sein. Jüngere Vorstöße, die Desertifikation dennoch als Anwendungsfall des common concern of humankind zu betrachten, sind daher wenig zielführend. Derartige Versuche sind strikt abzulehnen, zumal sie die Historie des einschlägigen Völkervertragsrechts als Rechtsquelle ignorieren, den auch in der Vertragspraxis mühsam abgesteckten räumlich-­funktionalen Anwendungsbereich des common concern-Prinzips verwässern und dadurch seine juristische Relevanz und Durchschlagskraft schwächen. Anders ist eine künftige Übertragung und Anwendung des CCM auf den globalen Waldschutz zu beurteilen: Die lokale Zerstörung der Wälder wirkt sich zumindest mittelbar auf die Erde in ihrer Gesamtheit aus und hat globale Auswirkungen, da sie das weltweite Artensterben und den Klimawandel verstärken.494 Dies war auch unter den Vertragsstaaten der Waldgrundsatzerklärung genauso wenig bestritten wie die gravierenden langfristigen Auswirkungen des voranschreitenden Waldsterbens.495 Bereits in den vergangenen Jahren wurden die Auswirkungen des bereits stattfindenden Klimawandels immer mehr sichtbar. Dass der Klimawandel zu einem beträchtlichen Anteil vom Menschen durch zu hohe CO2-Emissionen verursacht wurde, gilt bereits seit dem letzten Sachstandsbericht des IPCC im Jahr 2013 als „äußerst wahrscheinlich“ („extremely likely“).496 In Anbetracht dieser Entwicklung sowie der Tatsache, dass die weltweiten Waldbestände und hierbei insbesondere die tropischen Regenwälder als elementare Kohlendioxidsenken eine Schlüsselressource bei der Bekämpfung des Klimawandels sind, wäre es konsequent, wenn die Staatengemeinschaft ihr Interesse an einem globalen Waldschutz zum common concern of humankind erklärt. In ähnlicher Weise erscheint nach wie vor eine Übertragung des common concern-­Grundsatzes auf den Schutz der Ozonschicht möglich und wünschenswert.  Dritter Teil, Kap. IX.  Dritter Teil, Kap. IX. 3. b). 494  Vierter Teil, Kap. XI. 3. b) dd). 495  Dritter Teil, Kap. IX. 3. a) und Vierter Teil, Kap. XI. 3. b) dd). 496  IPCC, 2013: Climate Change 2013: Summary for Policymakers. The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), [Stocker, T. F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S. K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (Hrsg.)], Cambridge 2013, S. 15: „Human influence has been detected in warming of the atmosphere and the ocean, in changes in the global water cycle, in reductions in snow and ice, in global mean sea level rise, and in changes in some climate extremes. (…) It is extremely likely that human influence has been the dominant cause of the observed warming since the mid-20th century“. 492 493

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Im Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht aus dem Jahre 1985497 haben die Vertragsparteien den Schutz der Ozonschicht nicht zum common concern of humankind erklärt. Wie bereits ausführlich dargelegt wurde, sind sämtliche Versuche, angesichts der anschließenden Entwicklungen im modernen Umweltvölkerrecht gewissermaßen nachträglich ebenfalls als Anwendungsfall des common concern of humankind-Prinzips zu qualifizieren, abzulehnen.498 Die weit verbreitete Annahme, das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht aus dem Jahre 1985499 würde – käme es heutzutage zustande – den Schutz der Ozonschicht ebenfalls zum common concern of humankind erklären und unterblieben sei dies im Jahre 1985 nur, weil es das common concern of humankind -Prinzip damals noch nicht gegeben habe,500 ist reine Spekulation. Eine „nachträgliche“ Anwendung des common concern-Prinzips auf die Vienna Ozone Convention und das später verabschiedete Montrealer Protokoll lässt sich daher schwerlich mit der Vertragspraxis zum common heritage- und zum common concern-Prinzip vereinbaren, in welcher sich durchweg ein förmlicher völkerrechtlicher Zuweisungsakt nachweisen ließ.501 In der Tat nähren jedoch eine Reihe von Umständen die Hoffnung darauf, dass die Staatengemeinschaft diesen Zuweisungsakt nachholt, indem sie den Schutz der Ozonschicht zum common concern of humankind erklärt: Der Ozonschichtabbau ist als globales Umweltproblem einzustufen; denn der zum Ozonschichtabbau führende Ausstoß der genannten Spurengase entfaltet keine räumliche Nahwirkung in der unmittelbaren Umgebung der jeweiligen Emissionsquelle (hot spots), sondern wirkt sich vielmehr weiträumig aus.502 Aufgrund ihrer Langlebigkeit gelangen die Spurengase in die horizontale und vertikale Durchmischung und verteilen sich relativ gleichmäßig über die gesamte Atmosphäre.503 Ähnlich wie im Falle des Klimawandels gilt daher auch für den Ozonschichtabbau der Satz „Pollution anywhere in the stratosphere is pollution everywhere“.504 Unabhängig von der Höhe ihres eigenen Schadensbeitrages sind grundsätzlich alle Staaten von den Folgen betroffen, die sich aus der veränderten stofflichen Z ­ usammensetzung  Vienna Convention for the Protection of the Ozone Layer, in Kraft getreten am 22. September 1988; UNTS Bd. 1513, S. 293; BGBl. 1988 II, S. 902. 498  Siehe Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158, (164); ders., 34 AVR (1996), S. 426 (433); siehe auch Durner, Common Goods, S. 273 f.; Horn, 1 MqJICEL (2004), S. 233, (247) Fn. 106; Werksman, 6 YIEL (1995), S. 27 (41); Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 215. 499  Vienna Convention for the Protection of the Ozone Layer, in Kraft getreten am 22. September 1988; UNTS Bd. 1513, S. 293; BGBl. 1988 II, S. 902. 500  So etwa Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164); siehe zudem Brunnée, Conceptual Framework, S.  57 Fn.  98; siehe ferner Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 215; Yoshida, Régime for the Protection of the Stratospheric Ozone Layer, S. 60 f. 501  Siehe oben Dritter Teil, Kap. VIII. 1. a) und b) sowie VI. 1. und 2. 502  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. b) bb). Siehe dazu außerdem Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 51, 53. 503  So Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 53. 504  Kindt/Menefee, 24 TILJ (1989), S. 261 ff. (268). 497

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der Atmosphäre ergeben, sodass der Ozonschichtabbau ebenfalls eine globale Umweltbelastung darstellt. Die UN-Generalversammlung hat in der Präambel ihrer Klimaschutz-Resolution 43/53 aus dem Jahre 1988 ausdrücklich auf die Gefahren der voranschreitenden Ozonschichtzerstörung Bezug genommen, als sie in derselben Präambel den Rechtsbegriff des common concern of (hu)mankind geschaffen hat.505 Auch die Klimarahmenkonvention hebt in ihrer Präambel den Aspekt der Ozonschichtzerstörung nochmals ausdrücklich hervor.506 Auch die jüngeren Debatten innerhalb der ILC zum Schutz der Erdatmosphäre sprechen mitnichten per se weder gegen eine künftige Übertragung des common concern-Grundsatzes auf den Schutz der Ozonschicht oder der Erdatmosphäre. Zwar hat die ILC im Jahr 2015 bewusst entschieden, den Begriff des common concern of humankind nicht auf die Erdatmosphäre anzuwenden und den ursprünglich vorgesehenen Passus, wonach deren Schutz vor Verschmutzung und Verschlechterung eine „gemeinsame Sorge der Menschheit“ sei, aus den Draft Guidelines on the Protection of the Atmosphere zu streichen.507 Die ILC traf diese Entscheidung jedoch nicht etwa aus Zweifeln an den faktischen globalen Auswirkungen des Ozonschichtabbaus und seiner gravierenden Folgen, sondern letztlich vor allem wegen bestehender Unklarheiten über die rechtliche Bedeutung des Begriffs common concern of humankind,508 zu deren Beseitigung die vorliegende Arbeit einen Beitrag zu leisten versucht. Stattdessen wurde der Schutz der Erdatmosphäre als „pressing concern of the international community as a whole“ qualifiziert, was nach der Begründung der ILC als rein faktische, nicht jedoch als rechtliche Erklärung („as a matter of a factual statement, and not as a normative statement“) zu verstehen ist.509 Demnach stuft die ILC eine  UNGA-Resolution 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326; vgl. zum Zusammenhang zwischen der Erklärung des Klimawandels zum common concern und der Bezugnahme auf die Ozonschichtzerstörung in ein und derselben Resolution die Ausführungen von Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164). Ähnlich Durner, Common Goods, S. 273 f. 506  So Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164). Ähnlich Durner, Common Goods, S. 273 f. 507  ILC Report on the Work of its Sixty-Seventh Session, UN Doc. A/70/10, para. 54 (2015). Siehe dazu außerdem Castillo-Winckels, 29 Georgetown Environmental Law Review (2017), S. 131. 508  ILC Report on the Work of its Sixty-Seventh Session, UN Doc. A/70/10, para. 46–47, 54 (2015): „(…) While a number of treaties and literature demonstrate some support for the ‚common concern of humankind’, the Commission decided not to adopt this language for the characterization of the problem, as the legal consequences of the concept of common concern of humankind remain unclear at the present stage of development of international law relatin to the atmosphere. It was considered appropriate to express the concern of the international community as a matter of a factual statement, and not as a normative statement, as such, of the gravity of the atmospheric problems. In this context, therefore, the expression ‚a pressing concern of the international community as a whole’ has been employed. This is an expression that the Commission has frequently employed as one of the criteria for the selection of new topics for inclusion in its long-term programme of work“. 509  ILC Report on the Work of its Sixty-Seventh Session, UN Doc. A/70/10, para. 54 (2015). Siehe 505

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­ erschlechterung der Erdatmosphäre inklusive eines Ozonschichtabbaus als gravieV rendes globales Umweltproblem ein, das in seinen Auswirkungen die ganze Menschheit betrifft, sodass die Staatengemeinschaft ein entsprechendes Schutzinteresse hat. Dementsprechend hielt die ILC den räumlich-funktionalen Anwendungsbereich des CCM grundsätzlich für eröffnet, entschied sich indes mangels hinreichender Klarheit über die Rechtsfolgen bewusst dafür, den common concern-Begriff nicht zu verwenden. Diese Entscheidung belegt außerdem, dass auch die ILC die Erklärung eines globalen Umweltproblems bzw. seiner Bekämpfung zum common concern of humankind als förmlichen völkerrechtlichen Zuweisungsakt voraussetzt, um das Prinzip zur Anwendung zu bringen. Die Entscheidung der ILC ist bei genauerer Betrachtung der historischen510 Entwicklung des räumlich-funktionalen511 Anwendungsbereichs des common concern of humankind-Prinzips konsequent: Schon während der Verhandlungen zur Klimarahmenkonvention war auf den Alternativvorschlag von Kanada hin diskutiert worden, als Parallele zur UN-Seerechtskonvention in einem ersten Schritt ein allgemeines Rahmenübereinkommen zum Schutz der gesamten Atmosphäre zu schließen und dann in einem zweiten Schritt einzelne Umweltprobleme innerhalb der Atmosphäre wie etwa den Klimawandel, den sauren Regen und die Ozonschichtzerstörung in späteren Protokollen gesondert anzugehen.512 Diesen Ansatz verwarf die UNEP letztendlich aber als politisch unrealistisch und plädierte stattdessen für eine Konvention, die enger auf das spezielle Problem des Klimawandels zugeschnitten ist.513 Dementsprechend wurde der zuvor ebenfalls rege diskutierte alternative Vorschlag, die gesamte Atmosphäre zum „common resource of vital interest to mankind“ zu erklären,514 in den jeweiligen Verhandlungen nicht mehr aufgegriffen.515

dazu außerdem Castillo-Winckels, 29 Georgetown Environmental Law Review (2017), S. 131. 510  Dritter Teil, Kap. IX. 511  Vierter Teil, Kap. XI. 512  Eine Diskussion eines solchen ambitionierten und umfassenderen „law of the atmosphere“-Modells findet sich bei Zaelke/Cameron, 5 AmJILPol (1990), S. 249 (276 ff.). Siehe auch Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (472). 513  Siehe die Ausführungen des damaligen Direktors der UNEP, Tolba, a step-by-step approach to protection of the atmosphere, 1 IEA (1989), S. 304 (304). 514  Statement of the Meeting of Legal and Policy Experts in Ottawa, Ontario, Canada, 22 February 1989, in: Churchill/Freestone (Hrsg.), International Law, S. 373 ff., Art. 3 der Elemente für eine Klimarahmenkonvention. 515  Siehe Durner, Common Goods, S. 241 f. Ein erneuter Vorstoß, die Atmosphäre nunmehr zum „common concern of humankind“ zu erklären, wurde vorerst abgelehnt: Im Jahr 2015 hat die International Law Commission (ILC) bewusst entschieden, den Begriff des common concern of humankind – vor allem wegen bestehender Unklarheiten über dessen rechtliche Bedeutung – nicht auf die Erdatmosphäre anzuwenden und den ursprünglich vorgesehenen Passus, wonach deren Schutz vor Verschmutzung und Verschlechterung eine „gemeinsame Sorge der Menschheit“ sei, aus den Draft Guidelines on the Protection of the Atmosphere zu streichen. ILC Report on the Work of its Sixty-Seventh Session, UN Doc. A/70/10, para. 54 (2015). Siehe zum Aussagegehalt dieser ILC-Entscheidung an anderer Stelle, Zweiter Teil, Kap. IV. und Vierter Teil, Kap. XII, Ziff. 3 d).

3. Das jüngere Phänomen der globalen Umweltbelastungen – eine neue …

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Um die Konturen des CCM durch eine sorgfältige Anwendung und behutsame Übertragung auf weitere globale Umweltprobleme zu schärfen,516 gilt es bei künftigen Überlegungen, die Erdatmosphäre zum common concern zu erklären, folgendes zu berücksichtigen: Im Gegensatz zum common heritage konzentriert sich das common concern-­ Prinzip in erster Linie auf die Schutzpflichten im Hinblick auf bestimmte Umweltgüter und bezieht sich nur indirekt auf die Ressourcen selbst.517 Bereits terminologisch stellt der Begriff „Anliegen“ im Gegensatz zu dem des „Erbes“ zwischen Umweltgut und Menschheit bzw. internationaler Staatengemeinschaft keinen unmittelbaren Objektbezug her.518 Der common concern-Grundsatz „verfügt von vornherein nicht über den das Konzept des gemeinsamen Menschheitserbes prägenden ressourcenspezifischen Bezug“.519 Gegenstand des common concern sind – im Gegensatz zum common heritage-Prinzip – nicht die Ressourcen als solche. Vielmehr zielt das CCM-Prinzip – enger gefasst – auf den Schutz vor spezifischen ökologischen Prozessen und deren menschheitsbedrohenden globalen Auswirkungen.520 In der Präambel der Klimarahmenkonvention wurden daher weder die Erdatmosphäre noch das Klima als solches zum „Gegenstand gemeinsamer Sorge“ erklärt, sondern der Wandel des Klimas und seine nachteiligen Auswirkungen („change in the Earth´s climate and its adverse effects“).521 Sinngemäß erklärten die Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention in deren Präambel nicht etwa die Biodiversität als solche zum common concern of humankind, sondern den Schutz der Biodiversität („conservation of biological diversity“). Gleiches gilt für die Präambel des Pariser Abkommens, in welchem die Vertragsstaaten den Klimawandel („climate change“) zum common concern erklären. Das Umweltgut Erdatmosphäre zur „gemeinsamen Sorge“ zu erklären, würde somit die Konturen des bisherigen räumlich-funktionalen Anwendungsbereichs des common concern of humankind in Anbetracht der historischen Entwicklung des CCM verwischen. Gegenstand des common concern of humankind darf daher zur Schärfung seiner Konturen und zwecks Stärkung seiner juristischen Relevanz lediglich der Schutz der Erdatmosphäre sein. Das common concern-Prinzip – um einiges zielgerichteter – auf den Schutz der Ozonschicht zu erstrecken, wie dies immer wieder gefordert wird,522 erscheint  Siehe Einleitung, Kap. III., siehe ferner Dritter Teil, Kap. IX. 5. und siehe schließlich Vierter Teil, Kap. XI. 3. d. 517  Siehe Durner, Common Goods, S. 295. 518  Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (191). 519  So wörtlich Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (191). 520  So auch Special Rapporteur Murase, Second Report on the Protection of the atmosphere, A/ CN.4/667, Ziff. 33: „This narrow application of the concept of ‚common concern’ is in line with existing applications of the concept in international law (…) and reflects the understanding that it is not a particular resource that is common, but rather that threats to that resource are of common concern, since States both jointly contribute to the problem and share in its effects“. 521  Siehe dazu bereits weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) cc). 522  Brunnée, Conceptual Framework, S. 57 Fn. 98; siehe ferner Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164); Wustlich, Die Atmosphäre als globales Um516

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

s­innvoll und wünschenswert, zumal es zwischen den Problemfeldern des Klimawandels und der Ozonschichtzerstörung vielfältige Wechselwirkungen gibt. So sind die meisten ozonschichtzerstörenden Gase gleichzeitig auch Treibhausgase und zählen mit rund 13 % zu den entscheidenden Ursachen des Treibhauseffekts; denn die Ausdünnung der Ozonschicht erlaubt zugleich verstärkte Einstrahlungen auf die Erdoberfläche und trägt auf diese Weise zur voranschreitenden Erderwärmung bei. Ein wirksamer Schutz der Ozonschicht ist daher ohne Zweifel integraler Bestandteil einer effektiven Klimaschutzstrategie.523 Würden die Vertragsparteien auf einer der künftigen Vertragsstaatenkonferenzen den Schutz der Ozonschicht zur „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ erklären, so würden auch die klimarelevanten Pflichten des Montrealer Protokolls von diesem Rechtsstatus erfasst werden und erga omnes (partes) gelten.524 Als weiterer künftiger Anwendungsfall kommt die Verbreitung von (Mikro-) Plastik in den Weltmeeren sowie deren gravierende Auswirkungen sowohl auf die gesamte Meeresumwelt als auch auf die menschliche Nahrungskette in Betracht.525 Hierbei dürfte es sich um eine globale Umweltbelastung handeln, die ihren Ursprung zwar in mehreren Staaten hat, deren Folgen sich aber nicht nur in einem anderen Staat oder in einem staatsfreien Raum bemerkbar machen, sondern die Erde in ihrer Gesamtheit betrifft.526 Erfüllt sein dürfte außerdem der für die Mehrzahl der globalen Umweltbelastungen charakteristische Umstand, dass die Quellen der Mikro-Plastik-Artkel nicht punktuell, sondern diffus sind und ihre Zuordnung zu einem bestimmten Verursacher damit praktisch unmöglich wird.527 Daher erscheint es denkbar, dass die Parteien eines künftigen internationalen Abkommens gegen die von den Territorien der Nationalstaaten ausgehenden Vermüllung der Weltmeere deren Schutz zum common concern of humankind erklären. Wie der Blick auf die bisherige Staatenpraxis gezeigt hat,528 gilt es jedoch in der noch immer staatenzentrierten internationalen Ordnung, von der Einsicht globaler Umweltrelevanz zu universellen und verbindlichen völkervertraglichen weltgut, S. 215; Yoshida, Régime for the Protection of the Stratospheric Ozone Layer, S. 60 f. 523  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 274. Ausführlicher zu diesen komplexen Wechselwirkungen etwa der Schlußbericht der Enquéte-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ zum Thema: Mehr Zukunft für die Erde  – Nachhaltige Energiepolitik für dauerhaften Klimaschutz, BT-Ds. 12/8600 v. 31. Oktober 1994, S. 43 ff. 524  Siehe Durner, Common Goods, S. 274; Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164). 525  Hey, Advanced Introduction to International Environmental Law, S. 64. 526  Siehe zum Begriff der „globalen Umweltbelastung“ bereits weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 3. a) sowie die dort bereits zitierte Definition von Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 84. Ähnlich zuvor bereits Amelung, ZfU 1991, S.  159. Übernommen wurde diese Definition außerdem von Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 30. 527  Siehe auch insofern zum Begriff der „globalen Umweltbelastung“ bereits weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 3. a) sowie die dort bereits zitierte Definition von Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 85 unter Bezugnahme auf die Vorarbeiten von Springer, The International Law of Pollution, S. 6 ff. 528  Siehe Dritter Teil, Kap. IX.

4. Das common concern of humankind-Prinzip als Ausdruck eines modernen und …

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­Schutzregelungen noch einen weiten Weg zurückzulegen.529 Auf diesem Weg zu einem globalen Umweltschutz markiert das common concern of humankind-Prinzip ein hoffnungsvolles Wegzeichen. Doch zielt es bislang ebenfalls nur auf einen Schutz der Menschheit vor spezifischen, besonders gravierenden globalen Umweltbelastungen ab. Ob und inwieweit der Begriff des common concern of humankind in Zukunft behutsam Schritt für Schritt auf weitere globale Umweltprobleme  – wie etwa die voranschreitende Abholzung der tropischen Regenwälder oder die Erhaltung von Süßwasserressourcen  – übertragen wird oder gar als universell gültiges „Schlüsselprinzip“ des Umweltvölkerrechts alle Arten von globalen Umweltbelastungen zu erfassen vermag, wird die künftige Staatenpraxis zeigen.

4. Das common concern of humankind-Prinzip als Ausdruck eines modernen und „gemeinnützigen“ Souveränitätsverständnisses im Umweltvölkerrecht Nachdem das common concern of humankind-Prinzip als Instrument für die Bekämpfung globaler Umweltprobleme räumlich-funktional in den Bestand bisheriger Umweltschutzprinzipien eingeordnet wurde,530 soll nunmehr am Ende des vierten Kapitels zur Abrundung des Gesamtbildes nochmals zum Ausgangspunkt der Betrachtung zurückgekehrt werden – zum Prinzip der territorialen Souveränität, um zu untersuchen, ob und inwieweit das CCM-Prinzip Ausdruck eines modernen und „gemeinnützigen“ Souveränitätsverständnisses ist.531 Nach ursprünglichem Souveränitätsverständnis waren die Nationalstaaten als territoriale Souveräne gleichsam „Eigentümer ihres Staatsgebiets“532 und hatten daher das „absolute“ Recht, ihre Ressourcen nach Belieben zu nutzen, zu verschmutzen oder auszubeuten.533 Daher nahmen die Staaten in der traditionellen völkerrechtlichen Praxis stets das Recht für sich in Anspruch, ohne jegliche internationale Einmischung, das heißt autonom darüber zu befinden, ob und in welchem Umfang sie „ihre“ Umwelt zerstören oder erhalten.534 Wie an anderer Stelle bereits ausgeführt wurde,535 gelten diese  So zu Recht Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), 4. Aufl., Völkerrecht, S. 489.  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 1.–3. 531  Zum Prinzip der territorialen Souveränität als Grundlage und Ausgangspunkt der umweltvölkerrechtlichen Prinzipien siehe weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. a) und b). 532  von Martens, Traité de Droit International, S. 452: „(…) on peut dire qu’il est propriétaire de son territoire“). Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 41 Fn. 15. Siehe dazu weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. b). 533  Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S.  41. Siehe dazu ferner bereits die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. a) und b). 534  So Durner, Common Goods, S. 41 unter Bezugnahme auf einen früheren Beitrag von Brown Weiss, 81 Georgetown Law Review (1993), S. 675 (705): „(…) states have traditionally asserted the right to pollute at self-determined levels“. 535  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) cc). 529 530

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

f­ unktionellen Parallelen zum Eigentumsbegriff allerdings ebenso für die Schranken der territorialen Souveränität: Die Verfügungsrechte der Staaten aus ihrer völkerrechtlichen Souveränität haben „keinen absoluten und ewigen Wert“.536 Sie sind weder vorgegeben noch unveränderlich, sondern hängen in ihrem Umfang von politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen ab, die in einen historischen Kontext eingebettet sind und sich daher mit der Zeit ändern können.537 In ähnlicher Weise wie das Eigentum im nationalen Rahmen der verfassungsrechtlich verankerten Sozialbindung und somit gewissen Allgemeininteressen unterworfen ist,538 werden Bedeutung und Tragweite des völkerrechtlichen Souveränitätsbegriffs durch internationale Gemeinwohlüberlegungen beeinflusst.539 Trotz seiner tiefen Verwurzelung im Kernbestand des Völkerrechts wird das Prinzip der territorialen Souveränität angesichts der globalisierten Umweltproblematik zunehmend als Hindernis für einen effektiven internationalen Umweltschutz empfunden und daher eine sukzessiven Abkehr vom Prinzip der nationalstaatlichen Souveränität zu einem System kollektiver Interessen befürwortet.540 Als Teil einer jüngeren Entwicklung des Umweltvölkerrechts, das ein neues Licht auf die umweltbezogenen Aspekte der territorialen Souveränität wirft, nimmt der common concern of humankind-Gedanke die Nationalstaaten nunmehr stärker in die Verantwortung für das Menschheitsanliegen des globalen Umweltschutzes. Als Norm eines allmählich heranwachsenden „Staatengemeinschaftsrechts“ zielt das common concern of humankind-Prinzip auf den Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsinteressen ab, die sich nur befriedigen lassen, wenn einzelne Staaten oder Staatengruppen ihre eigenen nationalen Interessen hintanstellen.541 Als „Ausgeburt“ des modernen Kooperationsvölkerrechts ist der common concern-Grundsatz von dem Geist beseelt, die gemeinnützigen Erfordernisse des globalen Umweltschutzes gegen egoistische Sonderinteressen der einzelnen Staaten durchzusetzen und daher die nationalstaatliche Souveränität im Interesse eines internationalen Umweltschutzes sukzessive einzuschränken.  Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, S. 492, dort insb. Fn. 102 mit Verweis auf Schücking, in: FS Laband, S. 533 (612). Nach Schücking ist der Gedanke einzelstaatlicher Souveränität „heute noch ein politisches Dogma. Aber die Wissenschaft weiß, dass er zeitlich unter ganz besonderen Verhältnissen entstanden ist und deshalb mit einem gänzlichen Umschwung dieser Verhältnisse auch wieder verschwinden kann“, siehe ders., FS Laband, S. 533 (612). 537  Siehe zur „Geschichtlichkeit“ des Souveränitätsbegriffs erneut Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, S. 492, dort insb. Fn. 102. Siehe dazu ferner Delbrück, Souveränität, S. 192 (192), der (unter Berufung auf Friedrich August von der Heydte) Souveränität nicht als „Funktionsbegriff“, sondern als „Substanzbegriff“ versteht: „Souveränität ist nicht Wesensgrund oder Gestaltungsprinzip des Staates, sondern nur Ausdruck für eine bestimmte Position des Staates im dynamischen Prozess der Geschichte.“ 538  Siehe Art. 14 Abs. 2 des Deutschen Grundgesetzes, wo es heißt: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ 539  So vor allem Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, S. 492 f. 540  Siehe Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 18; Durner, Common Goods, S. 39; Bragdon, 33 Harvard ILJ (1992), 381 ff. Siehe dazu auch die Ausführungen zum Begriff der „Staatengemeinschaftsinteressen“ Vierter Teil, Kap. XIV. 2. 541  Ähnlich bereits Beyerlin für die „internationale Umweltschutzkooperation“ insgesamt; vgl. ders., FS Bernhardt, S. 937 (937). 536

4. Das common concern of humankind-Prinzip als Ausdruck eines modernen und …

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Von Anfang an geriet der common concern-Ansatz daher in Konflikt mit dem Prinzip der nationalen Souveränität über natürliche Ressourcen.542 Einerseits versucht die am globalen Gemeinwohl orientierte common concern-Idee den Umfang nationalstaatlicher Souveränitätsrechte einzuschränken bzw. die Nationalstaaten in einem gewissen Umfang zu einem Verzicht auf ihre Verfügungsrechte zu bewegen. Andererseits wird diese sukzessive Einschränkung der Souveränität wiederum durch jene Souveränitätsrechte begrenzt, welche die Nationalstaaten (noch) nicht preisgeben wollen. Daher soll im letzten Abschnitt des vierten Kapitels das „Wechselwirkungsverhältnis“ zwischen common concern of humankind und der territorialen Souveränität der Nationalstaaten stärker beleuchtet werden. In ähnlicher Weise wie beim common concern of humankind handelt es sich bei der territorialen Souveränität jedoch um einen „schillernden“ Begriff, nach Steinberger gar um „the most glittering and controversial notion in the history, doctrine and practice of international law“.543 Es liegt auf der Hand, dass im Folgenden nicht eine Art umfassende „Bestandsaufnahme“ dessen geleistet werden kann, was im gegenwärtigen Völkerrecht vom Souveränitätspanzer übrig geblieben ist. Stattdessen wird vielmehr – auf der Grundlage des oben grob skizzierten Begriffs der territorialen Souveränität  – das CCM-Prinzip aus der „Souveränitätsperspektive“ in den Blick ­genommen, um zu beantworten, ob und inwieweit das common concern of humankind-Prinzip Ausdruck eines modernen Verständnisses von Souveränität ist. Zu diesem Zweck soll zunächst ein Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen common concern-Prinzip und territorialer Souveränität (a) sowie auf den allgemeinen Wandel des Souveränitätsbegriffs (b) geworfen werden. Anschließend werden jüngere Ansätze eines funktionalen Souveränitätsverständnisses im Umweltvölkerrecht dargestellt und ihr Widerhall in der völkervertraglichen Praxis untersucht (c), um schließlich die Bedeutung des common concern of humankind-Prinzips in diesen Souveränitätswandel einzuordnen und zu bewerten (d).

a ) Das Spannungsverhältnis zwischen CCM-Prinzip und territorialer Souveränität Dass der common concern-Grundsatz in ein Spannungsverhältnis mit dem Prinzip der territorialen Souveränität geraten würde, war sowohl in der Entwicklungsgeschichte als auch im räumlich-funktionalen Ansatz des common concern of humankind von vornherein angelegt.544 Wie wir gesehen haben, zielt der common concern-­Gedanke von seinem räumlich funktionalen Anwendungsbereich her auf die Bekämpfung globaler Umweltbelastungen ab, das heißt solcher Umweltbeeinträchtigungen, deren Fol Siehe dazu näher sogleich Vierter Teil, Kap. XI. 4. b).  Steinberger, Sovereignty, in: EPIL X (1987), S. 397. Siehe zum Wandel des Souveränitätsbegriffs vor allem Schrijver, 70 BYIL (1999), S. 65 (69 f.). 544  Hunter/Salzman/Zaelke, IEL, S. 344 sprechen gar von einem „kreativen Spannungsverhältnis“. 542 543

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gen die Erde in ihrer Gesamtheit betreffen, deren Ursprung jedoch in den Hoheits­ gebieten der einzelnen Nationalstaaten liegt.545 In den bisherigen common concern-Debatten ging es daher im Kern stets um die Frage, ob und inwieweit die Vertragsstaaten bereit sein würden, zum Wohle der gesamten Menschheit darauf zu verzichten, frei und unabhängig von potenziellen Auswirkungen auf das globale Ökosystem, das heißt „nach Belieben“ mit ihren Ressourcen zu ­verfahren. Sowohl in seinen beiden bisherigen Anwendungsbereichen – Bekämpfung des Klimawandels und Erhaltung der Biodiversität – als auch in jenen Bereichen, in denen eine Verankerung des CCM-Prinzips letztlich abgelehnt wurde – nämlich beim Wald- und Bodenschutz – war die internationale Debatte stets geprägt von einem zähen Ringen zwischen den nationalen Interessen einzelner Vertragsstaaten an der möglichst vollständigen Wahrung ihrer Verfügungsrechte über ihre nationalen Ressourcen einerseits und dem übergeordneten Interesse vieler (zumeist entwickelter) Staaten an der gemeinsamen Bekämpfung des jeweiligen globalen Umweltproblems andererseits.546 Gerade dieser Konflikt zwischen nationalen Souveränitätsinteressen und globalen Umweltschutzinteressen mündete schließlich in die common concern-„Kompromissformel“; denn wie im Rahmen der rechtsgeschichtlichen Erörterung dargelegt wurde, war es die Furcht vieler Entwicklungsländer vor einem drohenden Souveränitätsverlust, die letztlich zur Abkehr vom common heritage of mankind-Prinzip und zur Verankerung der im Hinblick auf ihre Souveränität „schonenderen“ Variante des common concern of humankind-Prinzips in der Klimarahmen- und in der Biodiversitätskonvention führte.547 Den Vorzug vor dem common heritage-Grundsatz erhielt das common concern-Prinzip vor allem, weil es nicht die auf dem Territorium des betreffenden Staates befindliche Ressource, sondern vielmehr die nachteiligen globalen Auswirkungen ihrer Nutzung zum Gegenstand einer „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ erklärt.548 Das common concern-Prinzip betrifft somit nicht die Eigentümer-, sondern vielmehr die Nutzungsdimension der geschützten Ressource.549 Im Gegensatz zum „Gemeinsamen Erbe“ lässt das common concern-Prinzip in seiner bisherigen Ausprägung die Eigentümerstellung der jeweiligen Nationalstaaten im Hinblick auf die betroffenen Ressourcen unangetastet, zielt allerdings auf eine Selbstbeschränkung der Nationalstaaten im Hinblick auf ihre Nutzungsrechte ab. Während der common concern-­Ansatz in der Klimarahmen Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. b) ff) und d). Siehe zum Begriff der „globalen Umweltbelastung“ die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 3. a). 546  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) und 2. a). 547  Brunnée, Conceptual Framework, S. 56 f.; Mgbeoji, 16 LJIL (2003); S. 821 ff.; Maffei, 36 GYIL (1993), S. 131 (165). Siehe zu diesem „Dauerkonflikt“ die Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, IX. 2. a) aa). 548  Brunnée, Conceptual Framework, S. 59; dies., common concern, S. 564 f. Auf diesen Gesichtspunkt wird weiter unten zurückzukommen sein, wenn es um die Abgrenzung zwischen common concern- und common heritage-Prinzip geht, siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. 549  So zu Recht Brunnée, Conceptual Framework, S. 59: „What is crucial then, particularly when comparing the concept of ‚common concern‘ to that of ‚common heritage‘, is that it does not purport to circumscribe the ‚ownership‘ dimension of state sovereignty of natural resources, but merely its ‚use‘ dimension.“ 545

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konvention und im Kyoto-Protokoll auf eine Selbstverpflichtung der Vertragsstaaten pocht, ihre CO2-Emissionen durch nationale Verhaltenssteuerung zu senken, drängt er die Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention  – noch weiter gehend  – dazu, die (Ab-) Nutzung ihrer genetischen Ressourcen einzudämmen. An den Präambeln zu beiden Konventionen lässt sich das Spannungsverhältnis zwischen dem herkömmlichen Prinzip der territorialen Souveränität und dem common concern-Prinzip – beinahe wortgleich – ablesen: Nachdem die Vertragsstaaten das jeweilige globale Umweltproblem zunächst zum common concern of humankind erklären,550 wird sodann Prinzip 21 zitiert, wonach die Nationalstaaten einerseits das Recht haben, die auf ihrem Territorium befindlichen Ressourcen auszubeuten, andererseits sie die Verantwortung trifft, grenzüberschreitende Umweltbelastungen und solche in staatsfreien Räumen zu unterlassen.551 Schließlich bestätigen die Vertragsparteien beider Konventionen weiter unten in der Präambel nochmals, dass das Prinzip der staatlichen Souveränität auch im Zusammenhang mit ihrer internationalen Zusammenarbeit zur Bekämpfung des jeweiligen globalen Umweltproblems unangetastet bleibt.552 Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention dem Spannungsverhältnis zwischen territorialer Souveränität und internationaler Klimaschutzkooperation ausdrücklich Rechnung trugen, indem sie die Interessen der Nationalstaaten und der Staatengemeinschaft miteinander verknüpften: „Reaffirming the principle of sovereignty of States in international cooperation to address climate change (…)“.553 (Hervorhebung vom Verfasser)

Die hohe Sensibilisierung für den Konflikt zwischen Souveränität und gemeinnützigen Umweltschutzerfordernissen spiegelt sich außerdem in der Biodiversitätskonvention und dort in Art.  15 Abs.  1 und  2 des operativen Teils wider, wo die  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 1 der Präambel: „that change in the Earth´s climate and its adverse effects are a common concern of humankind (…)“. UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 3 der Präambel: „Affirming that the conservation of biological diversity is a common concern of humankind, (…).“ 551  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 8 der Präambel: „Recalling also that States have, in accordance with the Charter of the United Nations and the principles of international law, the sovereign right to exploit their own resources pursuant to their own environmental and developmental policies, and the responsibility to ensure that activities within their jurisdiction or control do not cause damage to the environment of other States or of areas beyond the limits of national jurisdiction (…)“. In der Biodiversitätskonvention wurde Prinzip 21 gar im operativen Teil niedergelegt, vgl. UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Operativer Teil, Art. 3. 552  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 9 der Präambel: „Reaffirming the principle of sovereignty of States in international cooperation to address climate change (…)“ (Hervorhebung vom Verfasser); UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 4 der Präambel: „Reaffirming also that States have sovereign rights over their own biological resources, (…)“. 553  Siehe erneut: UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 9 der Präambel. 550

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­ ertragsstaaten klarstellen, dass die Kurzformel des common concern keinesfalls V Zugangsrechte zu genetischen Ressourcen gewährt, sondern die Verfügungsgewalt der Staaten vielmehr unangetastet bleibt.554 Welchen Aussagewert diese Passagen im Lichte des common concern of humankind-Ansatzes für das moderne Souveränitätsverständnis in der Staatenpraxis hat, wird noch zu bewerten sein.555

b ) Der Wandel des Souveränitätsbegriffs im modernen Kooperationsvölkerrecht Das common concern of humankind-Prinzip ist in die Entwicklung eines modernen, „gemeinschaftlichen“ Völkerrechts eingebettet, das zunehmend von Interessen der gesamten Staatengemeinschaft durchzogen wird, welche die Partikularinteressen der einzelnen Nationalstaaten zu überlagern vermögen.556 Der weit überwiegende Teil der völkerrechtlichen Literatur liest die viel zitierte Entwicklung des Völkerrechts von einem Recht der bloßen Koexistenz zu einem Kooperationsvölkerrecht daher zugleich als Wandel des herkömmlichen Souveränitätsbegriffs.557 Als oberstes „Ordnungsprinzip“ ist nationalstaatliche Souveränität nach wie vor Grundlage der gesamten Völkerrechtsordnung.558 Sie bezeichnet die grundsätzliche Freiheit und Unabhängigkeit eines jeden Staates, die nur begrenzt wird durch Prinzipien und Regeln des allgemeinen Völkerrechts, vor allem „durch jene Bindungen, die ein Staat jeweils kraft seiner Souveränität freiwillig eingeht, indem er mit

 UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Operativer Teil, Art. 15. Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 2. a) bb). 555  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 4. d). 556  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. Siehe etwa Cottier/Aerni/Karapinar/Matteotti/de Sépibus/Shingal, 52 AVR (2014), S. 293 (315): „The principle of Common Concern does not displace the fundamental precepts of sovereignty and territoriality of the nation state. It adds an additional layer defining additional and new responsibilities beyond the proper territorial realm of states“. Bowman, Environmental Protection and the concept of common concern of humankind, S. 511: „(…) common concern allows the shared interests of the international community to be superimposed onto state sovereignty“. Scholtz, Greening Permanent Sovereignty through the Common Concern in the Climate Change Regime, S. 201: „(…) common concern ‚greens‘ the exercising of permanent sovereignty over natural resources“. 557  Siehe statt vieler Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, S. 488: „(…), dass die Entwicklung des Völkerrechts zugleich als Geschichte eines Wandels des völkerrechtlichen Souveränitätsbegriffs zu lesen ist“; siehe außerdem Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (939): „Das Konzept staatlicher Souveränität hat im selben Maße einen Bedeutungswandel erfahren wie das Völkerrecht selbst“; siehe ferner Fassbender, 30 EuGRZ (2003), S. 1 (5), demzufolge die konstitutionelle Betrachtungsweise des Völkerrechts einhergeht mit einer „zeitgemäßen Definition der einzelstaatlichen Souveränität, die der verstärkten Gemeinschaftsbezogenheit des Staates Rechnung trägt“. 558  So vor allem Brownlie, Principles, 7. Aufl., S. 289: „(…) the basic constitutional doctrine of the law of nations“. Siehe ferner James, Sovereign Statehood, S. 34: „(…) the one and only organising principle in respect of the dry surface of the globe (…)“. Siehe zur Souveränität als Ausgangspunkt der verschiedenen Umweltschutzprinzipien die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. 554

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­anderen Staaten völkerrechtliche Verträge schließt“.559 Bereits nach diesem klassischen Verständnis einer Souveränität, die durch jene sich stetig weiterentwickelnden Prinzipien und Regeln des Völkerrechts sukzessive eingeschränkt wird, bleibt der S ­ ouveränitätspanzer der Nationalstaaten nicht für alle Zeiten gleich dick, sondern schrumpft „vielmehr im selben Maße, wie Regelungsumfang und -dichte des Völkerrechts wachsen“.560 Exemplarisch für viele andere Gebiete des Völkerrechts hat sich mittlerweile infolge der stetig „wachsenden globalen Kooperationsnotwendigkeiten“ ein engmaschiges Netz von internationalen Umweltschutzverpflichtungen gleichsam „auf die nationalen Rechtsordnungen gelegt“, das immer dichter zu werden scheint und in den Augen vieler Völkerrechtler tendenziell bereits zu einem Bedeutungsverlust staatlicher Souveränität geführt hat.561 Dieser Souveränitätswandel im Umweltvölkerrecht ist allerdings nur exemplarisch für viele weitere Gebiete des Völkerrechts, in denen „das Souveränitätsdogma zunehmend relativiert und funktionalisiert“ wird, „keineswegs aber schon durch Formen einer ‚Weltgesellschaft‘ überflüssig geworden ist“.562 Dieser Befund eines sich immer weiter öffnenden Souveränitätsverständnisses ist ebenso evident im Bereich des Menschenrechtsschutzes: So schützen regionale und internationale Menschenrechtsverträge nicht in erster Linie die beteiligten Vertragsstaaten, sondern „durchstoßen“ vielmehr deren Souveränitätspanzer und schützen unmittelbar die Individuen und Gruppen innerhalb dieser Staaten.563 Ähnliche Bestrebungen, das völkerrechtliche Souveränitätsverständnis weiterzuentwickeln, finden sich in den Bereichen des Friedensschutzes und des humanitären Völkerrechts: Unter dem Eindruck des Versagens der internationalen Gemeinschaft bei innerstaatlichen Konflikten in Ruanda und im ehemaligen Jugoslawien ist der hoch umstrittene Ansatz der „humanitären Intervention“ nach einer vordringenden Literaturansicht von einem neuen sicherheitspolitischen Konzept, der sogenannten „Responsibility to Protect“ abgelöst worden.564 Nach diesem Ansatz ist zwar in erster Linie jeder einzelne Nationalstaat selbst dafür verantwortlich, seine eigene Bevölkerung zu schützen; erfüllt ein Staat seine nationale Verantwortlichkeit allerdings nicht, sodass es etwa zu gravierenden Übergriffen auf seine Zivilbevölkerung (insbesondere zu Völkermord, ethnischer Säuberung und anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit) kommt, so entsteht eine ethische, letztlich womöglich gar eine positiv-völkerrechtliche  Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (938).  So anschaulich vor allem Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (938). 561  Siehe dazu Riedel, FS Roellecke, S.  245 (245); siehe ferner Beyerlin, FS Bernhardt, S.  937 (940); Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, S. 488 ff.; Schrijver, 70 BYIL (1999), S. 65 (71 f.). 562  Riedel, FS Roellecke, S. 245 (268). 563  So Riedel, FS Roellecke, S. 245 (268). 564  Siehe dazu vor allem Hilpold, in: Max Planck UNYB 2006, S. 35 ff.; Fröhlich, in: Reform der Vereinten, S. 167 ff.; Stahn, 101 AJIL (2007), S. 99 ff. Das Konzept der „Responsibility to Protect“ wurde etwa im Schlussdokument des UN-Reformgipfels im Jahre 2005 niedergelegt, siehe UNRes. 60/1 v. 16. September 2005 („Ergebnis des Weltgipfels“), Ziff. 138 f. Siehe zum Konzept „Responsibility to Protect“ als Gradmesser für einen Souveränitätswandel vor allem Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, S. 490. 559 560

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­Verantwortlichkeit der internationalen Staatengemeinschaft für den Schutz der jeweils betroffenen Bevölkerung.565 Demnach ist der Anspruch des einzelnen Staates auf Wahrung seiner Souveränität auch im Bereich des Friedensschutzes und des humanitären Völkerrechts begrenzt und weicht einem Interventionsrecht der internationalen Staatengemeinschaft, vertreten durch die Vereinten Nationen, sobald der betreffende Staat nicht mehr willens oder imstande ist, seine nationale Verantwortung für die eigene Bevölkerung zu erfüllen.566 Die zunehmende Relativierung der nationalstaatlichen Souveränität lässt sich an der weiter oben beschriebenen Herausbildung umweltvölkerrechtlicher Prinzipien – inklusive des common concern of humankind – ablesen, die in unterschiedlichem Maße den Souveränitätspanzer der Nationalstaaten zugunsten eines nachbarrechtlichen oder internationalen Umweltschutzes zu „durchlöchern“ versuchen.567 Noch ganz im System des Koexistenzvölkerrechts verhaftet, sind das herkömmliche Verbot grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen sowie das Konzept gemeinsamer Ressourcen lediglich darauf bedacht, die wechselseitigen Ansprüche der Nationalstaaten auf territoriale Souveränität und Integrität voneinander abzugrenzen und ihre Koexistenz über einen möglichst schonenden Souveränitätsausgleich abzusichern.568 Aufgrund faktischer Zwänge müssen die Nationalstaaten in einer globalisierten Welt zunehmend Abstriche von ihrer völkerrechtlich garantierten Unabhängigkeit machen und sehen sich in ein interdependentes Beziehungsgeflecht eingebunden, in welchem die staatlichen Eigeninteressen von den Interessen der „solidarischen Umweltgemeinschaft“ sukzessive überlagert werden und die klassische Vermutung zugunsten der staatlichen Handlungsfreiheit daher nicht mehr uneingeschränkt gilt.569 In den Worten von Shrijver: „(…) external sovereignty is to a certain extent a fiction in an increasingly interdependent world in which States have to co-operate closely and are constantly compelled to make compromises. We are thus confronted with (…) the remarkable paradox that, to remain sovereign, a State must give up portions of its sovereignty.“570  Siehe Hilpold, in: Max Planck UNYB 2006, S.  35  ff.; Fröhlich, in: Reform der Vereinten, S. 167 ff. 566  Siehe dazu erneut Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, S. 490. 567  Siehe dazu weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1.–3. Diese Relativierung der Souveränität, insbesondere im Bereich des Umweltvölkerrechts, wird außerdem von Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 407 hervorgehoben: „Souveränität und Gebietshoheit sind nicht ‚absolut‘. Staaten, selbst Großmächte, standen stets in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Immer mussten sie auch auf Gemeininteressen Rücksicht nehmen. Dieser Umstand, verkörpert in diversen rechtlichen Beschränkungen der Staatsmacht ‚nach außen‘, bereitet den Boden für eine Relativierung der Souveränität, einschließlich einer partiellen Funktionalisierung des Staatsgebietes, ggf. einschließlich seiner Ressourcen“; siehe dazu auch Schwarze/von Simson, 30 AVR (1992), S. 153 (166). 568  Siehe dazu weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 2. b) und c). 569  Ebenso Wolter, Grundlagen, S. 257; siehe dazu außerdem Beyerlin, FS Bernhardt, S. 940; Dupuy, La Communauté, S.  154; Simma/Paulus, 9 EJIL (1998), S.  266 (276); Abi-Saab, Road to Universality, S. 34; Tomuschat, 33 AVR (1995), S. 1 ff. Zu dieser Entwicklung aus dem Blickwinkel der Herausbildung von Staatengemeinschaftsinteressen siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b) aa). 570  So Schrijver, 70 BYIL (1999), S. 65 (71 f.) 565

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Als Bestandteil des Kooperationsvölkerrechts stellt nunmehr Prinzip 21 – in seiner „modernisierten“ Version – nicht lediglich ein nachbarliches Schädigungsverbot auf, sondern statuiert auch ein Verschmutzungsverbot für die hoheitsfreien Räume, um die dortigen Ressourcen im Interesse der Staatengemeinschaft zu bewahren.571 Auch hieran lässt sich wiederum die voranschreitende Relativierung nationalstaatlicher Souveränität durch Staatengemeinschaftswerte ablesen; denn das kooperationsvölkerrechtliche Prinzip 21 untersagt den Staaten nicht bloß Umweltbelastungen, die unter ihrer Kontrolle in den staatsfreien Räumen selbst entstehen, sondern auch sogenannte „raumüberschreitende“ Umweltbelastungen, das heißt solche, die ihren Ursprung im Hoheitsgebiet des „Verschmutzerstaates“ haben, dann aber dessen Grenzen überschreiten und in die staatsfreien Räumen wandern.572 Somit erlegt Prinzip 21 zum einen den Staaten nicht lediglich „vor Ort“ in den staatsfreien Räumen Handlungsverbote auf, in denen die territoriale Souveränität der anderen Nationalstaaten ohnehin von vornherein nicht tangiert ist. Zum anderen begrenzt es die souveräne Handlungsfreiheit der Nationalstaaten nicht lediglich, um die territoriale Integrität der jeweils anderen Nationalstaaten zu schützen, sondern um die Umwelt in den staatsfreien Räumen im Interesse des globalen Gemeinwohls und der zukünftigen Generationen zu bewahren.

c ) Der Ansatz eines gemeinnützigen Souveränitätsverständnisses im Umweltvölkerrecht Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, ob und inwieweit das common concern of humankind-Prinzip seinem Inhalt und seiner Funktion nach einen Ausgangspunkt bzw. Bestandteil einer sukzessiven Beschränkung nationaler Souveränitätsrechte über solche Ressourcen bildet, die in Hoheitsgebieten von Nationalstaaten lokalisiert sind und deren Bewahrung aus ökologischen Gründen im Interesse der Staatengemeinschaft liegt. Diese Überlegung knüpft insbesondere an die weiter oben dargelegte Beobachtung an, dass die bisherige künstliche Aufspaltung der Umwelt in drei Kategorien von Rechtsräumen ungeeignet ist, der naturgesetzlichen Einheit des globalen Ökosystems, ja der „ökologischen Wirklichkeit“ gerecht zu werden, und die bisherigen Prinzipien des Umweltvölkerrechts daher räumlich-funktional zu kurz greifen, um globale Umweltbeeinträchtigungen zu ­erfassen.573 Jahrhundertelang hat das Völkerrecht geradezu selbstverständlich zwischen den Bereichen der territorialen Souveränität einerseits und hoheitsfreien ­Räumen andererseits unterschieden. Für die Umweltprobleme der erstgenannten Gebiete war ausschließlich der jeweilige Staat, für die letztgenannten, damals noch  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) cc) sowie Kap. XI. 2. b) und d) aa).  Siehe zu diesen beiden Komponenten des Begriffs der Umweltbelastung in den staatsfreien Räumen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 2. a) cc). 573  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. d). Siehe insgesamt zur räumlich-funktionalen Einordnung des common concern-Prinzips die Ausführungen im Vierten Teil, Kap. XI. 1.–3. 571 572

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als „unerschöpflich“ geltenden hoheitsfreien Ressourcen niemand oder in gewisser Weise „jedermann“ zuständig.574 Dieser überkommene „Dualismus“ von staatlicher territorialer Souveränität einerseits und der Freiheit im Zugang zu und im Gebrauch von hoheitsfreien Räumen andererseits wird allerdings angesichts des jüngeren Phänomens der von einzelnen Hoheitsgebieten ausgehenden „globalen Umweltbelastungen“575 von vielen Völkerrechtlern „zunehmend als unzureichend empfunden, den Erfordernissen des Umweltschutzes Geltung zu verschaffen“.576 Diese Kritik am bestehenden Völkerrecht äußert sich in der Forderung, das traditionelle Souveränitätskonzept neu zu justieren. In dem Bestreben, die traditionellen völkerrechtlichen Regeln über den Status von Territorien, Ressourcen und Umweltgütern zu hinterfragen und gegebenenfalls zu modifizieren, hat sich im letzten Jahrzehnt ein neuer Ansatz herausgebildet, der darauf abzielt, den Begriff der staatlichen Souveränität derartig zu „funktionalisieren“, dass sich die gemeinnützigen Erfordernisse des Umweltschutzes gegen egoistische Sonderinteressen der einzelnen Staaten durchsetzen lassen. Nachfolgend wird dieser Ansatz unter dem Gesichtspunkt seiner bisherigen Verankerung in völkerrechtlicher Literatur und Staatenpraxis näher in den Blick genommen. aa) Diskussionsstand in der Literatur In der völkerrechtlichen Literatur wird der Ansatz eines funktionellen Souveränitätsverständnisses von einer wachsenden Anzahl von Stimmen befürwortet.577 Zur Begründung werden freilich variierende Grundgedanken wie etwa eine Treuhänderbzw. eine Sachwalterfunktion der Staatengemeinschaft oder wahlweise eine Umweltpflichtigkeit, Gemeinnützigkeit oder Sozialbindung der Souveränität herangezogen. Bisweilen werden diese Begriffe gar miteinander verknüpft, sodass die Grenzen fließend sind. Letztlich basieren allerdings alle Konzeptionen auf dem einheitlichen Grundgedanken, die Nationalstaaten gerade aufgrund ihrer völkerrechtlichen Souveränität zu einem gemeinnützigen Umgang mit ihren Umweltgütern zu verpflichten. Oftmals wird der gemeinnützige Souveränitätsansatz mit dem Grundgedanken der Treuhänderschaft begründet.578 Der größte Teil der zu schützenden Umwelt befinde sich innerhalb staatlicher Hoheitsbereiche und die völkerrechtliche Rolle des Staates habe sich gewandelt. Daher hätten die Nationalstaaten immer mehr Funktionen – unter anderem den Umweltschutz – nicht nur im eigenen, sondern im Interesse der gesamten Staatengemeinschaft auszuüben, um letztlich eine internationale  So anschaulich vor allem Durner, Common Goods, S. 18.  Siehe zum Begriff der „globalen Umweltbelastungen“ Vierter Teil, Kap. XI. 3. a). 576  Siehe wiederum Durner, Common Goods, S. 18. 577  Bragdon, 33 Harvard ILJ (1992), S. 383 ff.; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 360 ff.; Handl, 1 YIEL (1990), S. 32; Schrijver, Sovereignty, S. 306, 336, 391; Tarlock, 32 TILJ (1997), S. 37 (65); Glennon, 84 AJIL (1990), S. 29; Kilian, Umweltschutz durch IO, S. 414; Henne, genetische Vielfalt, S. 122. 578  Siehe statt Vieler nur Pardo/Christol, Common Interest, S. 648. 574 575

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Ressourcenpolitik zu ermöglichen.579 Wenn bedeutende Naturgüter unter staatlicher Jurisdiktion stünden und eine Aufhebung staatlicher Souveränitätsrechte womöglich nicht wünschenswert, in jedem Fall aber nicht durchsetzbar erscheine, so lasse sich eine Orientierung am Gemeinschaftsinteresse nur gewährleisten, wenn man Inhalt oder Ausübung der souveränen Nutzungsrechte des betroffenen Staates unter den Vorbehalt der Gemeinnützigkeit stelle.580 Hierdurch werde zwar die Rechtszuordnung nicht verändert, jedoch eine Verwirklichung des jeweiligen Nutzungsrechts in Übereinstimmung mit fremden Gemeinwohlinteressen verlangt.581 Vereinzelt wird hierbei  – insbesondere im Zusammenhang mit dem common concern-­ Prinzip582 – die Treuhänderschaft der Nationalstaaten gegenüber der gesamten Staatengemeinschaft zugleich als Abkehr vom traditionellen Souveränitätsbegriff verstanden.583 Souveränität könne nicht mehr als Recht des Staates aufgefasst werden, auf den Umweltschutz bezogene Entscheidungen autonom zu treffen, das heißt völlig frei und nach eigenen Vorstellungen mit den in seinem Hoheitsgebiet lokalisierten Umweltgütern zu verfahren. Des Weiteren wird in der Literatur mit der benachbarten Figur der „Sachwalterschaft“ (custodianship) argumentiert. Sofern ein gemeinsames Anliegen existiere, fungiere der betreffende Staat als „Sachwalter der Staatengemeinschaft“, der seine souveränen Rechte (auch) zum Wohl dieser Gemeinschaft auszuüben habe.584 Er solle mithin seine Hoheitsmacht nutzen, um ein rechtlich formuliertes Staatengemeinschaftsinteresse zu fördern und umzusetzen. Nach einem solchen „funktionalen Souveränitätsverständnis“585 könne Souveränität in Zukunft nicht mehr als ein „status negativus“ verstanden werden, der den einzelnen Staaten die Entscheidungen über Rechtswerte belasse und die Länder vor extrem formulierten Verhaltenserwartungen schütze. Stattdessen sei der Begriff der Souveränität vielmehr als ein „status positivus“ aufzufassen, der von vornherein mit Pflichten verbunden sei.586 Nach diesem Ansatz sind die Staaten gerade kraft ihrer Souveränität verpflichtet, für die Erhaltung bestimmter Ressourcen in ihren Staatsgebieten Sorge zu tragen. Daher könnten etwa Tropenwaldstaaten eine ressourcenvernichtende Ausbeutung ihrer Wälder nicht mehr ohne Weiteres mit ihrem Souveränitätsrecht legitimieren.587 Häufig wird hervorgehoben, das traditionelle Souveränitätsverständnis im Sinne einer rechtlichen Unabhängigkeit der Staaten werde den realen ökologischen Interdependenzen der Staaten innerhalb der globalen Biosphäre immer weniger  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 353.  Pardo/Christol, Common Interest, S. 648. 581  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 295. 582  Kiss, EP 27 (1997), S. 247; Glennon, 84 AJIL (1990), S. 1 (34 ff). 583  So ausdrücklich Hohmann, Präventive Rechtspflichten, S.  215. Kritisch hierzu Schröder, 21 Jahrbuch UTR (1993), S. 191 (198). 584  Handl, 1 YIEL (1990), S.32; Hohmann, Präventive Rechtspflichten, S. 215. 585  Siehe vor allem Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 294 ff.; Kiss, Droit International, S. 18; Kiss/Shelton, Environmental Law, S. 18 f. 586  So etwa Handl, 1 YIEL (1990), S. 32. 587  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 296. 579 580

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­gerecht.588 Aus der staatlichen Souveränität folge eine Aufspaltung der natürlichen Umwelt,589 die jene ökologischen Abhängigkeiten nicht angemessen zur Geltung bringen könne, solange die einzelnen Staaten unter Souveränität stets ein freies Recht auf Ausbeutung „ihrer“ Umwelt verstünden.590 Ein derartiges „Umweltausbeutungsrecht“ erlaube es den Staaten grundsätzlich, aus einer eigennützigen Motivation heraus Handlungen vorzunehmen, die sich negativ auf globale ökologische Wirkungszusammenhänge auswirken können.591 Zwar werde diese Freiheit der Staaten durch umweltvölkerrechtliche Regelungen eingeschränkt; sowohl Regelungsdichte als auch Regelungsinhalt des existierenden völkerrechtlichen Normenbestandes seien jedoch (noch) zu unausgereift, um die ökologischen Interdependenzen hinreichend zum Ausdruck zu bringen.592 Solange es einzelnen Staaten möglich sei, sich unter Berufung auf ihre souveränen Rechte der Entwicklung von wirksamen Umweltschutzstrategien zu  verschließen, sei der „notwendige Integrationsgrad“ des Umweltvölkerrechts nicht erreicht.593 Ausschließlich nationale Entscheidungskompetenzen seien zwar hinzunehmen, wenn ökologische Probleme auf nationaler Ebene lösbar seien; doch für die meisten der heutzutage drängenden Umweltprobleme „gelte dies aufgrund ihrer komplexen Struktur und Reichweite allerdings nur noch eingeschränkt“.594 Nach Odendahl ist dieses Intergrationsdefizit des Umweltvölkerrechts durch die Anerkennung einer „Umweltpflichtigkeit“ der Souveränität zu beheben.595 Diese habe zur Folge, dass die Verwirklichung von Umweltschutzzielen der internationalen Gemeinschaft und die Erhaltung souveräner Rechte sich nicht mehr als unvereinbar gegenüberstünden, sondern teilweise kongruent seien.596 Eine Verpflichtung der Staaten zu Umweltschutzzwecken als „Kehrseite“ ihrer Souveränität könne daher verhindern, dass Staaten eine internationale Zusammenarbeit in Umweltfragen unter bloßem Hinweis auf ihre souveränen Rechte blockieren würden.597 Mittels einer solchen materiellen Verantwortung der Staaten für die Erhaltung der entsprechenden Umweltgüter sei ein höherer Integrationsgrad des internationalen Umweltrechts erreichbar.598 Insbesondere solange es keine spezifischen Normen zur Erhaltung einer natürlichen Ressource geben würde, garantiere eine Verantwortung zum Erhalt der Umwelt zudem einen gewissen „ökologischen Mindeststandard“. Auf  Bragdon, 33 Harvard ILJ (1992), S. 383 ff.; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 360 ff.; Camilleri/ Falk, S. 185 ff. Siehe zum Ganzen vor allem Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 297. 589  Siehe hierzu Vierter Teil, Kap. XI. 1. a). 590  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 297. 591  Camilleri/Falk, S. 185. 592  Camilleri/Falk, S. 185. 593  Camilleri/Falk, S. 185. Siehe dazu außerdem Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 365 und Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 297. 594  Camilleri/Falk, S. 185; und vor allem Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 197. 595  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 363 f. 596  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 365. 597  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 363 f. 598  So ausdrücklich Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 380. 588

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diese Weise könne eine Umweltpflichtigkeit der Souveränität gegenwärtige und neu hinzutretende Lücken im Umweltvölkerrecht teilweise ausgleichen.599 Unter den Vertretern einer solchen Umweltverantwortlichkeit bestehen indes verschiedene Vorstellungen darüber, wie diese rechtlich zu konstruieren sein soll. Teile der Literatur wollen lediglich die Ausübung souveräner Rechte durch den Gedanken einer ökologischen Verantwortung begrenzen.600 Diese Konstruktion wird insbesondere von Autoren vorgeschlagen, die generell eine Treuhandschaft des Staates für seine Umweltgüter fordern, die kumulativ oder alternativ aufgrund des Interesses der Staatengemeinschaft,601 der Interessen der künftigen Generationen602 oder der Umwelt selbst603 bestehen soll. Andere Stimmen wollen hingegen am ­Inhalt des Souveränitätsrechts selbst ansetzen und es einer umweltbezogenen immanenten Schranke unterwerfen. So versteht etwa Perrez völkerrechtliche Souveränität als Ausdruck einer „Verantwortlichkeit im Rahmen der internationalen Gemeinschaft“.604 Der Schwerpunkt des gegenwärtigen Souveränitätsverständnisses habe sich von einer Betonung einzelstaatlicher Autonomie endgültig auf eine Verantwortlichkeit des Staates in Belangen der globalen Gemeinschaft verlagert.605 Diese globale Verantwortung sei allerdings mitnichten als von außerhalb auf das Konzept einwirkende Beschränkung zu verstehen, sondern vielmehr inhärenter Bestandteil eines modernen völkerrechtlichen Souveränitätsverständnisses. Demnach beziehe sich die souveränitätsimmanente Verantwortlichkeit eines jeden Staates zwar nach wie vor darauf, zunächst einmal das Wohlergehen des eigenen Volkes sicherzustellen. Überdies nehme sie die Staaten allerdings in die Pflicht, die gemeinsamen, alle Staaten berührenden Probleme der internationalen Gemeinschaft zu bewältigen und das „kollektive Wohlergehen aller“ zu sichern.606 bb) Verankerung in der Staatenpraxis bis zur Rio-Konferenz (1993) Die Verankerung eines gemeinnützigen Souveränitätsverständnisses lässt sich freilich nur der Gesamtvölkerrechtsordnung entnehmen, wie sie sich in der Staatenpraxis ausdrückt, der die Nationalstaaten unterliegen.607 Daher soll nachfolgend  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 363 f.  Schneider, World Public Order, S. 108 ff.; Schrijver, Sovereignty, S. 306, 336, 391; Tarlock, 32 TILJ (1997), S. 37 (65); Glennon, 84 AJIL (1990), S. 29; Kilian, Umweltschutz durch IO, S. 414; Henne, genetische Vielfalt, S. 122. 601  Kiss, Droit International, S. 19; Glennon, 84 AJIL (1990), S. 34. 602  Tarlock, 32 TILJ (1997), S. 37 (65); Kiss, Droit International, S. 19. 603  Gebel, S. 83 hält eine Treuhänderschaft zugunsten der Umwelt als solche für möglich. Kritisch dagegen Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 354 f. 604  Perrez, Cooperative Sovereignty, insb. S. 331 ff. 605  Perrez, Cooperative Sovereignty, insb. S. 335. 606  Perrez, Cooperative Sovereignty, insb. S. 338. 607  Siehe Wildhaber, Sovereignty, in: MacDonald/Johnston, Structure and Process, S. 425 (440 ff.). Der nachfolgende Aufbau ist systematisch angelehnt an die Ausführungen von Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 299 ff. 599 600

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c­ hronologisch beleuchtet werden, ob und inwieweit der oben skizzierte Ansatz einer souveränitätsbezogenen Verantwortlichkeit der Nationalstaaten für die Erhaltung der Umwelt auch Eingang in die völkerrechtliche Staatenpraxis gefunden hat.608 Hierbei werden neben anderen Umweltschutzdokumenten vor allem die für das common concern of humankind-Prinzip maßgeblichen Übereinkommen in den Blick genommen, um die Bedeutung jenes Prinzips für das Souveränitätsverständnis im Umweltvölkerrecht insgesamt einordnen und bewerten zu können. (1) Das Souveränitätsverständnis vor der Stockholm-Konferenz In den Jahren vor der Umweltkonferenz von Stockholm im Jahre 1972 sind in der Staatenpraxis kaum Ansätze erkennbar, eine gemeinnützige Umweltpflichtigkeit der staatlichen Souveränität zu verankern.609 Wie wir gesehen haben, reichen zwar umweltschutzrelevante völkerrechtliche Verträge vereinzelt bis weit ins 19. Jahrhundert zurück.610 In größerer Zahl kamen sie jedoch erst ab Mitte des 20. Jahrhunderts zustande, wurden weit überwiegend abgeschlossen, um rein nachbarstaatliche Umweltnutzungskonflikte zu lösen, und waren daher meist geprägt von einem strikt utilitaristischen Regelungszweck.611 Oftmals wurden natürliche Ressourcen wie etwa internationale Gewässer von den Anrainerstaaten nur insoweit unter vertraglichen Schutz gestellt, als dies damals im Hinblick auf ihre effektivere Nutzung als ratsam erschien. Rein ökologisch motivierte Übereinkommen bildeten somit die spärliche Ausnahme, und nur selten sahen sich die Staaten damals veranlasst, globale Umweltfragen zum Gegenstand multilateraler Übereinkommen zu machen.612 Nur vereinzelt wurde daher in umweltvölkerrechtlichen Vereinbarungen die Verantwortung der Staaten für die Bewahrung ihrer Umweltgüter im Interesse der gesamten Menschheit oder gar der Nachwelt festgeschrieben.613 Auch stellen einige im Vorfeld der Stockholm-Konferenz verabschiedeten UN-Resolutionen das Recht der „permanenten Souveränität über natürliche Ressourcen“ ansatzweise unter ökologische Vorbehalte.614 So verlangt insbesondere eine UN-Resolution aus dem Jahre 1970 eine „Ausübung souveräner Rechte zugunsten und zum Wohle der ­Bevölkerung sowie zur Er-

 Ähnlich vor allem Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 299.  Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 299. 610  Dritter Teil, Kap. VII. 611  So Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (941). 612  Siehe dazu näher Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (941). Siehe außerdem die Ausführungen zum Konzept „gemeinsamer Ressourcen“ weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 2. c). 613  Siehe etwa die Declaration of the Maritime Zone zum Agreement between Chile, Ecuador and Peru, Signed at the First Conference on the Exploitation of Marine Resources of the South Pacific v. 18. August 1952 (abgedruckt bei Rüster/Simma, Bd. VI, S. 2897), Ziff. 2. Siehe dazu Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 299. 614  Permanent Sovereignty over Natural Resources, GV-Res. 2158 (XXI) v. 29. November 1966 (abgedruckt im UN Yearbook 1966, S. 29 f.), Abs. 5 der Präambel. Siehe dazu Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 300. 608 609

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haltung der Umwelt“.615 In der Regel waren allerdings die völkerrechtlichen Übereinkommen zu jener Zeit ausschließlich auf einen Ausgleich der jeweiligen nationalen Eigeninteressen ihrer Vertragsstaaten gerichtet und verfolgten fast nie übergeordnete Staatengemeinschaftszwecke. Insgesamt spiegelt sich in der umweltschutzrelevanten Staatenpraxis vor der Stockholm-Konferenz recht deutlich jenes damals noch weitgehend ungebrochene Souveränitätsdenken der Nationalstaaten. (2) Umweltkonferenz von Stockholm im Jahre 1972: Ausarbeitung der „Declaration on Human Environment“ Dieses Bild wandelte sich allmählich in der Vorbereitungsphase zur Stockholm-­ Konferenz im Jahre 1972, als die Frage nach dem grundsätzlichen Verhältnis zwischen nationalstaatlicher Souveränität und allgemeiner Verantwortung für die Erhaltung der Umwelt zunehmend an Bedeutung gewann und die Regelungszwecke der Vertragsentwürfe für die Umweltkonferenz sich mehr und mehr vom rein grenznachbarlichen auf den globalen Umweltschutz verlagerten.616 Nach einem Entwurf des Zentraldokuments der Konferenz, der Stockholm-Deklaration, sollte die Präambel eine Passage beinhalten, derzufolge die Ausübung der staatlichen Souveränität über natürliche Ressourcen im Einklang mit der Bewahrung von Naturgütern erfolgen sollte: „Each State has the responsibility to exercise its sovereignty over its natural resources in a manner compatible with the need to ensure the preservation and enhancement of the human environment.“617

Außerdem enthielt Prinzip 3 jenes Deklarationsentwurfs erstmals eine allgemeine Begrenzung der Ausübung staatlicher Souveränität im Interesse der gegenwärtigen und zukünftigen Generationen an der Bewahrung natürlicher Ressourcen: „States shall carefully husband their natural resources and shall hold in trust for present and future generations the air, water, land and plants and animals on which all life depends.“

Bemerkenswert an diesem Entwurf ist der Umstand, dass er nicht bloß pauschal den globalen Umweltschutz als Deklarationsziel festschreibt, sondern die Staaten selbst unmittelbar in die Verantwortung nimmt. Während der Konferenz wurde dieser Entwurf von einigen Staaten insbesondere mit dem Hinweis abgelehnt, die ­Ausübung der nationalstaatlichen Souveränität lasse sich gerade nicht grundsätzlich

 Permanent Sovereignty over Natural Resources of Developing Countries and Expansion of Domestic Sources of Accumulation for Economic Development, GV-Res. 2692 (XXV) v. 11. Dezember 1970 (abgedruckt im UN Yearbook 1970, S. 63 f.), Abs. 9 der Präambel. Siehe zu dieser Resolution wiederum Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 300. 616  Ähnlich Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (943). 617  Draft of a Preamble and Fundamental Principles for the Draft Declaration on the Human Environment (abgedruckt im Report of the International Working Group on a Declaration on the Human Environment on its 1sr Session, 13.–14. September 1971, UN-Doc. A/Conf. 48/PC. 12, Annex I), Abs. 8 der Präambel. 615

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begrenzen.618 Letztlich erwies sich der Entwurf unter jenen Staaten, die allzu weitreichende Souveränitätsbeeinträchtigungen fürchteten, nicht als konsensfähig und fand sich deshalb auch nicht in der endgültigen Fassung der Stockholm-Deklaration wieder.619 Stattdessen wurde die Verantwortung für einen globalen Umweltschutz weitgehend abgeschwächt, und auch aus dem oben angeführten ursprünglichen Prinzip 3 wurde der „Staatenbezug“ gestrichen, sodass sich der Ansatz, die Ausübung staatlicher Souveränitätsrechte zugunsten eines globalen Umweltschutzes einzuschränken, in der Endfassung kaum wiederfindet,620 wo es nur noch heißt: „The natural resources of the earth, including air, water, flora and fauna (…) must be safeguarded for the benefit of present and future generations through careful planning and management, as appropriate.“ (Prinzip 2)

Nur Prinzip 21 nimmt ausdrücklich die „Staaten“ für die Vermeidung grenzüberschreitender Umweltbelastungen in die Verantwortung.621 Zwar verkoppelt dieses Prinzip die territoriale Souveränität erstmals ausdrücklich mit einer Verantwortung der Staaten für den Umweltschutz,622 doch lässt sich an seinem Wortlaut ablesen, dass beide Aspekte nicht „auf Augenhöhe“ miteinander stehen; denn das „right to exploit“ korrespondiert zunächst einmal lediglich mit den „environmental policies“, und durch den Hinweis auf die eigene Umweltschutzpolitik eines jeden Staates („their own environmental policies“) weisen die Vertragsstaaten eine externe Einflussnahme auf ihre nationale Umweltschutzpolitik ausdrücklich und grundsätzlich zurück.623 Somit ließ sich während der Stockholm-Konferenz eine allgemeine Umweltpflichtigkeit der Nationalstaaten bei der Ausübung ihrer souveränen Rechte nicht festschreiben. (3) Entwicklungen zwischen Stockholm-Konferenz (1972) und Rio-Konferenz (1993) Unmittelbar im Anschluss an die Stockholm-Konferenz verknüpfte die UN-­ Generalversammlung in zwei Resolutionen zur zwischenstaatlichen Kooperation erneut die Ausübung staatlicher Souveränität mit einer umweltbezogenen Verant-

 UN-Doc. A/Conf. 48/PC. 12, Annex II, Ziff. 19. Siehe dazu Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 301. 619  UN-Doc. A/Conf. 48/PC. 12, Annex II, Ziff. 19. 620  Siehe Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 301. 621  In Prinzip 21 der Stockholm-Declaration heißt es: „States have (…) the sovereign right to exploit their own resources pursuant to their own environmental policies, and the responsibility to ensure that activities within their jurisdiction or control do not cause damage to the environment of other States or of areas beyond the limits of national jurisdiction.“ Vgl. Stockholm Declaration, 11 ILM (1972), S. 1614 ff. Ähnlich Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 302. 622  Ähnlich Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S.  299-302. Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) aa) (3). 623  Ebenso Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 302. 618

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wortlichkeit.624 So heißt es in der Präambel zur UN-Resolution 2995 vom 15. Dezember 1972: „Bearing in mind that in exercising their sovereignty over natural resources, States must seek, through effective bilateral and multilateral cooperation (…) to preserve and to improve the environment.“625

Zwar enthält diese Passage einen ausdrücklichen „Staatenbezug“, doch werden die Nationalstaaten lediglich aufgefordert, eine Erhaltung der Umwelt „anzustreben“, und die ebenfalls am gleichen Tag noch verabschiedete Resolution 2997 nimmt wiederum nicht die Staaten als solche, sondern nur die Regierungen in eine Verantwortung zum Umweltschutz.626 Mit der Formulierung der Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten im Jahre 1974 gewann das Spannungsverhältnis zwischen der permanenten Souveränität über Naturgüter und Umweltschutzbelangen erneut an Bedeutung.627 So erkennt Art. 30 Satz 1 der Charta ausdrücklich eine Verantwortung aller Staaten zur Erhaltung und Verbesserung der Umwelt an, die zudem aufgrund der systematischen Verortung jener Vorschrift im Kapitel zu den „Common Responsibilities towards the International Community“ gegenüber der Staatengemeinschaft als Ganzes bestehen dürfte. Allerdings wird diese Verantwortung in den anschließenden Sätzen sogleich relativiert. Art. 30 Satz 2 der Charta verlangt von den Staaten lediglich, sich zu „bemühen“, auf der Grundlage dieser Verantwortung ihre eigenen Umweltschutz- und Entwicklungspolitiken aufzubauen, und Art. 30 Abs. 3 der Charta räumt gar Entwicklungsaspekten einen generellen Vorrang gegenüber Umweltschutzbelangen ein, indem er festschreibt, dass Umweltschutzstrategien das gegenwärtige und zukünftige Entwicklungspotenzial nicht negativ beeinträchtigen sollen.628 Auch Formulierungen in anderen umweltschutzbezogenen Resolutionen, die eine Verantwortung der Staaten für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen andeuten, wurden in den darauffolgenden Jahren durch Passagen ersetzt, die bloß die Notwendigkeit von Umweltschutzmaßnahmen unterstreichen.629 Erst im Jahre 1982 griff die UN-Generalversammlung den Ansatz einer Umweltpflichtigkeit der Souveränität wieder auf, indem sie in der sogenannten World Charter for Nature allgemeine, umfassende Vorgaben für den Umweltschutz machte, die von den Staaten jeweils unter Berücksichtigung ihrer Souveränität rechtspolitisch umgesetzt werden sollen.630 Auf diese Weise bemühte  Ähnlich Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 303 ff.  UNGA-Resolution 2995 v. 15. Dezember 1972, Co-operation between States and International Responsibility of States, abgedruckt im UN Yearbook 1972, S. 330 f., Abs. 3 der Präambel. 626  UNGA-Resolution 2997 v. 15. Dezember 1972, Institutional and Financial Arrangements for Environmental Co-operation, abgedruckt im UN Yearbook 1972, S. 331 f., Abs. 2 der Präambel. 627  Siehe dazu allgemein Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 303. 628  Siehe dazu Kilian, Umweltschutz durch IO, S. 409 und Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 304. 629  Siehe statt vieler nur Action Programme for Human Environment, GV-Res. 31/111 v. 16. Dezember 1976 (UN Yearbook 1976, S. 374 f.), Abs. 3 der Präambel. Siehe dazu erneut Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 304 f. 630  Ähnlich Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S.  305  f. UNGA-Resolution 37/7 v. 28. 624 625

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sich die UN-Generalversammlung zwar offenbar, aus nationalen Entscheidungskompetenzen eine Verantwortlichkeit für die Umwelt begründen, doch vermied sie es erneut, die Nationalstaaten als Adressaten von konkreten Umweltschutzpflichten benennen.631 Wenn überhaupt, so betrachten UN-Resolutionen der „Post-­Stockholm-­ Ära“ den Schutz natürlicher Ressourcen als moralische Verpflichtung der Menschheit.632 Ein bemerkenswerter Souveränitätsverzicht der Vertragsstaaten spiegelt sich allerdings bei genauerem Hinsehen im Montrealer Protokoll von 1991 wider. Während nach traditioneller „souveränitätsfreundlicher“ Völkervertragspraxis sowohl der Abschluss als auch die Änderung eines Vertrages das Einvernehmen aller Staaten voraussetzte, haben die Vertragsstaaten zum Montrealer Protokoll das Vertragsabschluss- und -änderungsverfahren flexibilisiert und dynamisiert. Demnach können alle Normen des Montrealer Protokolls im Konsens-Verfahren und, falls dieses nicht zum Abschluss führt, bereits mit einer Zwei-drittel-mehrheit und doch mit rechtlicher Bindungswirkung für alle Parteien angepasst werden. (4) Der Souveränitätsbegriff vor und während der Rio-Konferenz (1993) Im Vorbereitungsstadium der Rio-Konferenz wurde einer etwaigen Umweltpflichtigkeit der Staaten zur Erhaltung ihrer Umweltressourcen nochmals verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet.633 So schreiben einige UN-Resolutionen aus jener Zeit ausdrücklich eine „Verantwortung aller Staaten für die Bewahrung der Umwelt“634 fest oder sprechen gar im Zusammenhang mit der territorialen Souveränität über natürliche Ressourcen von einer „Verantwortlichkeit der Staaten“, „ihre Rolle bei der Bewahrung der globalen und regionalen Umwelt zu spielen“.635 Allerdings bleiben Versuche, solche allgemeinen Umweltpflichten in die Rio-Deklaration ­aufzunehmen, Oktober 1982, World Charter for Nature, Annex, abgedruckt im UN Yearbook 1982, S. 1024 ff. Siehe Ziff. 14 der Charter: „The principles set forth in the present charter shall be reflected in the law in practise of each State, as well as at the international level“; in Ziff. 22 der Charter heißt es: „Taking fully into account the sovereignty of States over their natural resources, each State shall give effect to the provisions of the present Charter through ist competent organs and in co-operation with other States.“ 631  Siehe Kilian, Umweltschutz durch IO, S. 419 und vor allem Krohn, Die Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 306. 632  Exemplarisch hierfür steht etwa UNGA-Resolution 42/186 v. 11. Dezember 1987, Evironmental Perspective of the Year 2000 and Beyond, Ziff.  3 (k), abgedruckt im UN Yearbook 1987, S. 661 ff., wo es heißt: „Safeguarding of Species is a moral obligation of humankind“ (Hervorhebung vom Verfasser). Ähnlich dazu auch bereits Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 306. 633  Siehe dazu insgesamt Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 307. 634  Responsibility of States for the Protection of the Environment, GV-Res. 43/212 v. 20. Dezember 1988 (UN Yearbook 1988, S. 461 f.), Abs. 4 der Präambel. 635  Ähnlich Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 308. International Co-operation in the Monitoring, Assessment and Anticipation of Environmental Threats and Assistance in Cases of Emergency, GV-Res. 44/224 v. 22. Dezember 1989 (UN Yearbook 1989, S. 436 ff.), Ziff. 4.

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ohne Erfolg. Zwar bestätigt Prinzip 2 der Rio-Deklaration zunächst das auf staatsfreie Räume erweiterte Prinzip 21 und bringt damit durchaus ein umweltschutzbezogenes Souveränitätsverständnis zum Ausdruck, wenngleich dieses letztlich vor allem der wechselseitigen Absicherung territorialer Souveränitäten dient; doch wird Prinzip 21 zugleich modifiziert, indem Prinzip 2 von den Nationalstaaten nicht nur verlangt, die Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen mit Umweltschutzzielen- sondern auch mit ihren eigenen Entwicklungszielen in Einklang zu bringen.636 Berücksichtigt man ferner den Umstand, dass die wirtschaftliche Weiterentwicklung in vielen Entwicklungsländern noch immer mit erheblichen Umweltverschmutzungen einhergeht, so wird der fortschrittliche Ansatz von Prinzip 21 – nämlich die Verkoppelung der territorialen Souveränität mit Umweltschutzaspekten  – bei genauerem Hinsehen durch die Anreicherung um Entwicklungsgesichtspunkte letztlich relativiert.637 Allerdings greifen weitere Prinzipien der Rio-Deklaration den Ansatz eines „Umweltschutzvorbehalts“ der Souveränität auf. So lässt etwa das weiter oben bereits erwähnte Prinzip 7 der Rio-Deklaration mit seinem Wortlaut der „common, but differentiated responsibilities“ eine umweltbezogene „Verantwortlichkeit“ der Unterzeichnerstaaten erkennen.638 Ferner verlangt Prinzip 3 der Rio-Deklaration von den Nationalstaaten, ihr „Recht auf Entwicklung“ in einer Weise auszuüben, die den Bedürfnissen heutiger und zukünftiger Generationen nach Entwicklung und Umweltschutz in einer gerechten Weise berücksichtigt.639 Wie bereits ausgeführt wurde, ergeben sich allerdings aus der Referenz zum intergenerationellen Gerechtigkeitsansatz640 für sich genommen mangels konkreter Verhaltensvorgaben ebenfalls noch keine allgemeine Einschränkungen territorialer Souveränitätsrechte. Obgleich die Rio-Deklaration zumindest Ansätze für ein derartiges funktionales Souveränitätsverständnis enthält, hat sich daher insgesamt der Gedanke einer allgemeinen Umweltpflichtigkeit der Staaten auch während der Rio-Konferenz nicht durchzusetzen vermocht.641 Zwar sahen sich die Nationalstaaten in den Jahren nach der Stockholm-­Konferenz, zumal angesichts sich zunehmend häufender Umweltkatastrophen größeren Ausmaßes, wie nie zuvor gezwungen, gemeinsam die globalen ökologischen Herausforderungen anzunehmen und ihre traditionellen nationalen Umweltnutzungsinteressen zurückzustellen. Allerdings waren die Staaten in jener Phase noch weit davon entfernt, sich regional oder global als eine Art „ökologische Notgemeinschaft“ zu solidarisieren oder zu diesem Zweck gar einer Institution einen Teil ihrer  Ähnlich Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 308 f. So heißt es in Prinzip 2: „States have (…) the sovereign right to exploit their own resources pursuant to their own environmental and developmental policies (…)“, vgl. Rio Declaration on Environment and Development, 31 ILM (1992), S. 874. 637  Ähnlich Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 308 f.; siehe außerdem Pallemarts, Back to the future, S. 5 f. 638  Ebenso Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 309. 639  So ebenfalls Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 309. 640  Siehe dazu bereits weiter oben, Zweiter Teil, Kap. V. 4. 641  Siehe zum Ganzen den Überblick von Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 307–309. 636

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­Entscheidungsmacht zu übertragen.642 Vielmehr bleiben die Staaten darauf bedacht, ihre souveräne Entscheidungsmacht nicht durch ein vorschnelles Eingehen völkerrechtlicher Bindungen von vornherein einzuengen und solche Einschränkungen somit „nur dann auf sich zu nehmen, wenn aus ihrer Sicht eine zwingende Sachnotwendigkeit zur rechtsförmigen Einigung besteht“.643

d ) Common concern of humankind – Ausdruck und Katalysator eines funktional-gemeinnützigen Souveränitätsbegriffs im modernen Umweltvölkerrecht Mit der Herausbildung und Entwicklung des common concern of humankind-­ Prinzips hat sich dieser Trend eines (jedoch nur mühsam) voranschreitenden „sukzessiven Souveränitätsverzichts“ der Nationalstaaten fortgesetzt und verstärkt. Dies spiegelt sich zunächst in den beiden für die Verankerung des common concern-­ Prinzips maßgeblichen Übereinkommen der Rio-Konferenz, namentlich in der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention wider. So kommt bereits in ihrer „Vertragsgestaltung“ ein „Beharrungsvermögen staatlichen Souveränitätsdenkens“644 zum Ausdruck, da beide Übereinkommen nach dem framework-protocol-Ansatz ausgestaltet sind und daher lediglich einen ausfüllungsbedürftigen „Rahmen“ für die Bekämpfung des jeweiligen globalen Umweltproblems setzen. Dementsprechend statuieren sie selbst in ihren operativen Bestandteilen bloß sehr allgemein gehaltene Verpflichtungen, deren Rechtsverbindlichkeit und Durchsetzbarkeit zumindest fraglich erscheinen.645 So haben die Vertragsstaaten in Art. 4 Abs. 2 lit. (b) der Klimarahmenkonvention in Gestalt des CO2-Reduktionsziels bloß eine „Zielvereinbarung“ getroffen, doch keine hinreichend quantifizierbaren und völkerrechtlich verbindlichen Verpflichtungen zur Reduzierung von CO2-Emissionen verankert. Ähnliches gilt für die Biodiversitätskonvention, in der die Vertragsstaaten ebenfalls nur „rahmenartig“ das übergeordnete Ziel des globalen Artenschutzes festlegen, sich zu allgemeinen Prinzipien – inklusive des common concern-Prinzips – bekennen und den institutionellen Rahmen zur Durchführung des Übereinkommens niederlegen. Soweit sich die Nationalstaaten in dieser Form allgemein verpflichtet haben, liegt darin allerdings – innerhalb enger Grenzen – ein gewisser Souveränitätsverzicht; denn sofern sich die Vertragsstaaten in der Klimarahmenkonvention allgemein zur CO2-Reduktion verpflichtet und in der Biodiversitätskonvention generell dem globalen Artenschutz verschrieben haben, sind sie nicht mehr vollkommen frei und unabhängig, sondern haben im Sinne der Lotus-­Rechtsprechung des Ständigen Gerichtshofs646  So zu Recht Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (944).  So ausdrücklich Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (945). 644  Ähnlich Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (945). 645  Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) cc) und dd). 646  Siehe dazu bereits oben, Vierter Teil, Kap. XI. 3. c) bb) (2). Siehe PCIJ Rep. Ser. A, Nr. 9, S. 18. 642 643

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jeweils eng umgrenzte Ausnahmen von dem Grundsatz geschaffen, innerhalb ihrer Staatsgrenzen tun und lassen zu können, was sie wollen, das heißt „nach Belieben“ CO2 zu emittieren und ihre Ressourcen unbegrenzt auszubeuten. Dass hierin gerade keine generelle Souveränitätseinschränkung in Form einer pauschalen Selbstverpflichtung zum Schutz ihrer gesamten Umwelt zu sehen ist, sondern die Staaten sich nur verpflichtet haben, einzelne Umweltgüter zum Schutz der Menschheit vor spezifischen, besonders gravierenden globalen Umweltbelastungen zu bewahren, belegen mehrere souveränitätswahrende Klauseln beider Übereinkommen, in denen die Vertragsstaaten – beinahe wortgleich – nochmals ausdrücklich klarstellen, dass das Prinzip der staatlichen Souveränität trotz internationaler Zusammenarbeit zur Bekämpfung des jeweiligen globalen Umweltproblems unangetastet bleiben soll.647 Die hohe Sensibilität für den Konflikt zwischen Souveränität und gemeinnützigen Umweltschutzerfordernissen spiegelt sich außerdem in der Biodiversitätskonvention und dort in Art. 15 Abs. 1 und 2 des operativen Teils wider, worin die Nationalstaaten klarstellen, dass die Kurzformel des common concern keinesfalls Zugangsrechte zu genetischen Ressourcen gewährt, sondern die Verfügungsgewalt der Staaten über selbige vielmehr unangetastet bleibt.648 Derartige „Beteuerungspassagen“ dürften freilich angesichts der selbst auferlegten Nutzungsbeschränkungen jeweils so zu lesen sein, dass die territoriale Souveränität lediglich „im Übrigen“, das heißt, soweit die Vertragsstaaten sich nicht freiwillig völkerrechtlich zum Klima- und Artenschutz verpflichtet haben, unberührt bleiben soll. Für diese Lesart spricht auch, dass die Vertragsstaaten in Abs. 5 der Präambel zur Biodiversitätskonvention nochmals die Verantwortlichkeit aller Staaten für den Schutz ihrer Biodiversität sowie ihre Pflicht zur nachhaltigen Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen gesondert hervorheben.649 Dass an jenem Changieren zwischen einem behutsamen Aufbau eines dichter werdenden Netzes an völkerrechtlichen Verpflichtungen einerseits und der wiederholten und vehementen Bekräftigung der Nationalstaaten, ihre Souveränität bleibe dennoch grundsätzlich „unangetastet“, andererseits, gerade der sukzessive Souveränitätsverzicht der Nationalstaaten sichtbar wird, bringt Schrijver besonders prägnant auf den Punkt, indem er ausführt: „(…) issues which concern sovereignty are addressed with the greatest care and often take the form of assurances that the international action will not infringe upon the ‚sovereignty‘ of the States concerned, even when in fact it does so.“650  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 9 der Präambel: „Reaffirming the principle of sovereignty of States in international cooperation to address climate change (…)“ (Hervorhebung vom Verfasser); UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 4 der Präambel: „Reaffirming also that States have sovereign rights over their own biological resources, (…)“. 648  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Operativer Teil, Art. 15. Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 2. a) bb); siehe ferner Stoll, Die CBD, Genetische Ressourcen und traditionelles Wissen, FS Bothe, S. 769 (770  f.); Schweizer, Biodiversitätskonvention, S. 106 ff. 649  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 3 und 5 der Präambel. Siehe dazu weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 2. a) aa). 650  Schrijver, 17 BYIL (2000), S. 85 (Hervorhebung vom Verfasser). 647

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Dieser sukzessive Souveränitätsverzicht im Zusammenhang mit dem common concern-­Prinzip lässt sich des Weiteren daran ablesen, dass sowohl Klimarahmenals auch Biodiversitätskonvention in ähnlicher Weise wie das Montrealer Protokoll aus dem Jahre 1991651 erleichterte Vertragsänderungsverfahren vorsehen. Nach Art. 15 Abs. 3 der Klimarahmenkonvention können deren Inhalte bereits mit einer Zwei-Drittel-mehrheit geändert und gemäß Art.  29 Abs.  3 der Biodiversitätskonvention mit einer Zwei-Drittel-mehrheit sowohl deren Bestimmungen als auch solche etwaiger Protokolle modifiziert werden. Allerdings gilt dies jeweils mit der souveränitätswahrenden Einschränkung, dass solchermaßen beschlossene Änderungen zuvor noch ratifiziert werden müssen, um völkerrechtlich wirksam werden zu können. In welchem Ausmaß die Vertragsstaaten tatsächlich einen Teil ihrer Souveränität aufgegeben haben, lässt sich des Weiteren daran ermessen, ob das jeweilige Übereinkommen selbst Mechanismen vorsieht, mit deren Hilfe sich die Erfüllung der Vertragspflichten durch die Parteien kontrollieren lässt und wie wirksam diese sind.652 In den erwähnten Übereinkommen lassen sich zum Teil durchaus Instrumente zur Erfüllungskontrolle auffinden, und zwar in Gestalt von sogenannten „Berichtspflichten“ gegenüber einer durch das jeweilige Übereinkommen geschaffenen Kontrollinstanz.653 Derartige Berichtspflichten sehen etwa Art.  5 Wiener Ozonschichtübereinkommen sowie Art. 7 Montrealer Protokoll ausdrücklich vor. Ebenso haben die Vertragsstaaten nach Art. 12 der Klimarahmenkonvention und Art. 26 der Biodiversitätskonvention in regelmäßigen Abständen jeweils den Stand ihrer Vertragserfüllung an die Vertragsstaatenkonferenz zu berichten. All jene Berichtspflichten der jeweiligen Vertragsstaaten sind allerdings nur begrenzt wirksam, solange ihnen nicht ein entsprechendes Prüfungsrecht derjenigen vertraglichen Instanz korrespondiert, an die jeweils zu berichten ist.654 Ein derartiges Berichtsprüfungsrecht statuiert nur die Biodiversitätskonvention (Art. 23 Abs. 4a), nicht dagegen die Klimarahmenkonvention, wie sich aus Art. 7 der Konvention ergibt. Weder die Klimarahmen- noch die Biodiversitätskonvention ermächtigt allerdings  – im Gegensatz zum Montrealer Protokoll  – die Vertragsstaatenkonferenz, auf etwaige Konventionsverstöße rechtserheblich zu reagieren, um auf ein vertragstreues Verhalten des jeweiligen Staates hinzuwirken.655 Somit institutionalisieren die Nationalstaaten zwar in zunehmendem Maße ständige vertragliche Instanzen, doch kommt deren Aufgabe nicht über eine Beratungs-, Initiativ- und Kontrollfunktion hinaus. Offenbar zögern die Vertragsstaaten (noch), einer von ihnen selbst geschaffenen Institution Instrumente zur Rechtsdurchsetzung zu übertragen, sodass deren Befugnisse bislang unterhalb der Schwelle zu einer juristischen Entscheidungsmacht stehen bleiben.656 Zusammenfassend hat sich zwar insgesamt vor und während der Rio-Konferenz ein Trend zu einem sukzessiven Souveränitätsverzicht zugunsten  Siehe dazu die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 4. c) bb) (3).  So Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (947). 653  Siehe Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (947). 654  So zu Recht Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (947). 655  Siehe dazu Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (947). 656  Siehe zum Ganzen Beyerlin, FS Bernhardt, S. 937 (947). 651 652

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eines internationalen Umweltschutzes abgezeichnet, doch halten sich die Souveränitätseinbußen, welche die Nationalstaaten zur gemeinsamen Bekämpfung globaler Umweltprobleme letztlich einzugehen bereit sind, nach wie vor in engen Grenzen. Seit der Rio-Konferenz wurde die Frage nach einer generellen „Neujustierung“ des Verhältnisses zwischen Souveränität und globalem Umweltschutz in der Staatenpraxis nicht näher thematisiert. Zwar tritt der Gedanke einer Umweltpflichtigkeit der souveränen Staaten vereinzelt in völkerrechtlichen Dokumenten hervor, bleibt hierbei jedoch auf Umweltbereiche begrenzt, die zuvor bereits in den Rio-­ Konventionen aufgegriffen wurden. Gleichwohl hat sich seit der Rio-Konferenz der Trend fortgesetzt, wonach die Nationalstaaten sich aufgrund zwingender Sachnotwendigkeiten in zunehmendem Maße völkerrechtlich zur Bekämpfung besonders gravierender globaler Umweltprobleme verpflichten und im selben Maße sukzessive Souveränitätsrechte abgeben. Im Zusammenhang mit dem common concern of humankind-Prinzip lässt sich diese Entwicklung deutlich an der Ausfüllung und Konkretisierung der Klimarahmenkonvention von 1992 durch das Kyoto-Protokoll aus dem Jahre 1997 ablesen.657 Während die Klimarahmenkonvention noch an vielen Stellen die territoriale Verfügungsgewalt der Nationalstaaten über ihre eigenen Ressourcen bekräftigt hatte,658 erwähnt nunmehr das Kyoto-Protokoll die Frage der territorialen Souveränität mit keinem einzigen Wort. Während sich in der Klimarahmenkonvention indes noch der Konflikt zwischen der Souveränität von Staaten über ihre natürlichen Ressourcen einerseits und ihrer (gemeinsamen) Verantwortung für den globalen Umweltschutz andererseits niederschlug und die Vertragsstaaten doppelt klarstellten, dass das Prinzip der staatlichen Souveränität auch im Zusammenhang mit ihrer internationalen Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Klimawandels unangetastet bleibt,659 ist dieser Konflikt zwischen der Souveränität von Staaten über ihre natürlichen Ressourcen einerseits und ihrer (gemeinsamen) Verantwortung für den globalen Umweltschutz andererseits in der Präambel des Pariser Abkommens kaum sichtbar. Er wird höchstens angedeutet, wenn es heißt, der Kampf gegen den Klimawandel müsse „im Lichte der unterschiedlichen nationalen Umstände“ („different national circumstances“) stattfinden. Diese Veränderung in der Betonung und Behauptung der nationalstaatlichen Souveränität mag als Beleg dienen für einen Wandel des Souveränitätsbegriffs im modernen Kooperationsvölkerrecht hin zu einem moder Siehe zur historischen Entwicklung beider Völkerrechtsdokumente und hierbei insbesondere zur jeweiligen Verhandlungsgeschichte Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) und c). 658  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 4. c) bb) (4). 659  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 8 der Präambel: „Recalling also that States have, in accordance with the Charter of the United Nations and the principles of international law, the sovereign right to exploit their own resources pursuant to their own environmental and developmental policies, and the responsibility to ensure that activities within their jurisdiction or control do not cause damage to the environment of other States or of areas beyond the limits of national jurisdiction (…)“. In Abs. 9 der Präambel (UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff.) heißt es sodann nochmals klarstellend: „Reaffirming the principle of sovereignty of States in international cooperation to address climate change (…)“.

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nen und genmeinnützigen Souveränitätsverständnis im Umweltvölkerrecht.660 Er kommt schließlich darin zum Ausdruck, dass die Vertragsstaaten rechtsverbindlich verpflichtet sind, ihre eigenen „national festgelegten Beiträge“ festzulegen, bekannt zu geben und sukzessive zu erhöhen, im Umfang und in der Art ihrer jeweiligen konkreten Beiträge sowie in ihren Zielen und Anstrengungen jedoch frei sind.661 Dieser „schleichende“ Souveränitätsverzicht wird zudem an der ungleich höheren Verbindlichkeit erkennbar, mit der sich die Vertragsstaaten des Kyoto-Protokolls im Vergleich mit der Klimarahmenkonvention wechselseitig verpflichten.662 Während die Klimarahmenkonvention lediglich ein Reduktionsziel festlegt, nämlich die Rückführung auf das Emissionsniveau von 1990, den Vertragsstaaten jedoch diesbezüglich keine konkreten Pflichten auferlegt, statuiert Art. 3 Abs. 1 Kyoto-­Protokoll nunmehr eine Pflicht der Nationalstaaten, dieses Reduktionsziel auch zu erreichen, wobei die Reduktionsziele für jeden Vertragsstaat jeweils konkret fixiert sind.663 Folglich sind die Verpflichtungen aus der Klimarahmenkonvention von 1992, einen Aufwand zur CO2-Emissionsreduzierung zu betreiben, fünf Jahre später im Kyoto-­ Protokoll von 1997 in eine konkrete Verpflichtung transformiert worden, bis zum Jahre 2012 entsprechende messbare Ergebnisse zu erreichen.664 Abgesehen von dieser Selbstverpflichtung, bestimmte Ergebnisse vorzulegen, verbleibt den Vertragsstaaten allerdings noch ein weiter Handlungs- und Entscheidungsspielraum im Hinblick auf die Frage, auf welchem Weg sie ihre individuellen Reduktionsziele erreichen wollen. Zwar führt Art. 2 Kyoto-Protokoll verschiedene Maßnahmen an, mittels derer die Staaten ihre Reduktionsverpflichtungen erfüllen können, doch belässt das Protokoll den Nationalstaaten letztlich die freie Wahl ihrer eigenen CO2-Reduktionsmittel. Außerdem hält das Kyoto-Protokoll letztlich doch eine  – freilich mangels ausdrücklicher Verwendung des Wortes „Souveränität“ stark abgeschwächte und etwas „versteckte“ – Möglichkeit für die Nationalstaaten bereit, sich im Zweifelsfall doch wieder ein Stück weit in ihren „Souveränitätspanzer“ zurückzuziehen; denn Art. 2 des Protokolls stellt klar, dass die Vertragsstaaten jeweils berechtigt sind, bei der Wahl ihrer politischen Instrumente zur CO2-Reduzierung ihre eigenen „nationalen Umstände“ zu berücksichtigen: „each industrialized country shall implement and/or further elaborate policies and measures in accordance with its national circumstances“665 (Hervorhebung vom Verfasser).

 Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 4.  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Operativer Teil, Art. 3 und Art. 4 Abs. 2. 662  Ähnlich Schrijver, 70 BYIL (1999), S. 65 (90): „The Climate Change Convention and the Kyoto Protocol differ significantly in the extent to which States commit themselves.“ 663  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) und c). 664  Siehe dazu nur Schrijver, 70 BYIL (1999), S. 65 (90): „The obligation to make an effort in 1992 was clearly transformed in the Protocol into an obligation to achieve a result, separately or jointly, no later than 2012.“ 665  Kyoto Protocol to the FCCC, ILM 37 (1998), S. 32, Präambel, Abs. 3. 660 661

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Insgesamt lässt sich festhalten, dass auch mit der Herausbildung des common concern of humankind-Prinzips mitnichten „das Ende der Souveränität“666 eingeläutet worden ist. Nur ansatzweise ist in der internationalen Staatenpraxis der Gedanke erkennbar, die staatliche Souveränität über natürliche Ressourcen unter einen allgemeinen „Vorbehalt einer Umweltpflichtigkeit“ zu stellen. Auf die common concern-­Kompromissformel einigten sich die Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention nicht etwa in der Absicht, ihre Souveränität aufzugeben, sondern um sie zu wahren und sie nur über eine Selbstverpflichtung zur Erhaltung der Biodiversität durch einen Verzicht auf die freie Ausübung ihrer Souveränitätsrechte ein klitzekleines Stückchen einzuschränken. Der Blick auf die dem CCM-Prinzip zugrunde liegenden völkerrechtlichen Dokumente zeigt vielmehr, dass die Staatenpraxis nach wie vor von der Gültigkeit des althergebrachten Lotus-Prinzips ausgeht, wonach souveränen Staaten nach dem Völkerrecht grundsätzlich alles erlaubt ist, was ihnen nicht durch jene anerkannten Regeln oder Prinzipien ausnahmsweise verboten ist, zu denen sich die Staaten selbst vertraglich verpflichtet haben oder die sich ihrer Gewohnheitsrecht begründenden Staatenpraxis entnehmen lassen.667 Indem die meisten Staaten der Welt sich (etwa) in der Biodiversitätskonvention selbst verpflichtet haben, ihre (eigene) Biodiversität zu bewahren und nachhaltig zu nutzen,668 haben sie eine weitere eng umgrenzte Ausnahme von ihrer grundsätzlichen Befugnis begründet, als territoriale Souveräne ihre eigenen natürlichen Ressourcen auszubeuten.669 Und dennoch ist das Lotus-Prinzip angesichts der sukzessiven Zunahme von derartigen „Ausnahmen von der grundsätzlichen staatlichen Souveränität“ mittlerweile in einem anderen, in einem „gemeinnützigeren“ Licht zu sehen. In den Worten von Simma und Paulus: „the world of the famous „Lotus principle“, according to which states are only bound by their express consent, seems to be gradually giving way to a more communitarian, more highly institutionalized international law, in which states „channel“ the pursuit of most of their individual interests through multilateral institutions.“670

Nach Scheyli und Hobe wohnt der Herausbildung von Staatengemeinschaftsinteressen am globalen Umweltschutz ein „aufgeklärtes Verständnis von Souveränität“ inne, „einer Souveränität also, die es als im Interesse des eigenen Staates stehend  Nach dem „Ende der Souveränität“ fragen Camilleri/Falk bereits ausweislich ihres Titels „The end of Sovereignty?“ 667  „Le droit international régit les rapports entre des Ètats indépendants. Les règles de droit liant les États procèdent donc de la volonté de ceux-ci, volonté manifestée dans des conventions ou dans des usages acceptés généralement comme consacrant des principes de droit (…) Les limitations de l´indépendance des États ne se présument donc pas.“ PCIJ Rep. Ser. A, Nr. 9, S. 18. Siehe dazu bereits weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 3. c) bb) (2) . 668  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S.  818  ff., Präambel, Abs. 5: „Reaffirming also that States are responsible for conserving their biological diversity and for using their biological resources in a sustainable manner (…)“. Siehe zur Biodiversitätskonvention die Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 2. 669  Ähnlich Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 508 f. und Durner, Common Goods, S. 60. Siehe dazu bereits weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 3. c) bb) (2). 670  Simma/Paulus, 9 EJIL (1998), S. 266 (276 f.). 666

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XI. Räumlich-funktionale Einordnung des CCM-Prinzips in den Bestand …

betrachtet, das Überleben der Menschheit mit den vielfältigen alten und neuen Akteuren in der globalen Verantwortungsgemeinschaft zu gewährleisten.“671 Indem das common concern-Konzept erga omnes-Verpflichtungen hervorbringt, weil es übergeordneten Gemeinschaftsinteressen Ausdruck verleiht, verabschiedet es sich allerdings ein Stück weit vom „zustimmungsabhängigen Völkerrecht“ und bringt damit eine weitere Abschwächung der einzelstaatlichen Souveränität mit sich; denn eine Verpflichtungswirkung erga omnes „setzt geradezu voraus, dass die Rechtsschöpfung der internationalen Gemeinschaft völkerrechtliche Formeln hervorbringt, die (selbst dann) für alle Staaten verbindlich werden, wenn einzelne unter ihnen opponieren“.672 Zu Recht hebt Scheyli hervor, dass es hierbei „nicht um Souveränitätsbeschränkungen geht, die den einzelnen Staaten von einer eigenständigen übergeordneten Instanz oktroyiert werden; vielmehr entstehen gerade völkerrechtliche Normen mit Wirkung erga omnes durch den Abschluss völkerrechtlicher Verträge und die Herausbildung von Gewohnheitsrecht, mithin durch eine konsensuale Anerkennung seitens der beteiligten Rechtssubjekte.“673 Daher bleibt abzuwarten, ob sich in Zukunft eine konsistente Vertrags- und Staatenpraxis entwickelt, die jenen vom common concern of humankind-Prinzip aufgegriffenen und beförderten funktional-gemeinnützigen Souveränitätsbegriff weiterführ

 Hobe, 37 AVR (1999), S. 253 (281 f.).  So Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, S. 491 unter Verweis auf Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 430 und Nettesheim, JZ 2002, S. 569 (576). 673  Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, S. 491. 671 672

XII. Abgrenzung des common concern of humankind vom common heritage of mankind-Prinzip

Wer bestrebt ist, die rechtliche Bedeutung eines Prinzips möglichst sauber herauszuarbeiten, muss einerseits positiv hervorheben, welcher Inhalt das Prinzip auszeichnet, andererseits jedoch negativ darlegen, welche Merkmale dieses Prinzip gerade eben nicht mit benachbarten Konzepten teilt. Trotz seiner eigenständigen philosophischen und historischen Wurzeln steht das common concern of humankind-­ Prinzip, zumindest was seine begriffliche Herkunft angeht, zweifellos in einem engen Zusammenhang mit der Idee eines gemeinsamen Erbes der Menschheit.1 Im bisherigen Verlauf der Arbeit sind an manchen Stellen en passant bereits dogmatische und strukturelle Unterschiede zwischen dem CHM-Prinzip und dem CCM-­ Prinzip zutage getreten.2 Auf dieser Grundlage soll nunmehr versucht werden, beide Prinzipien vergleichend einander gegenüber zu stellen, um auf diese Weise die Konturen des CCM-Prinzips in möglichst scharfer Abgrenzung zum CHM-Prinzip weiter herauszupräparieren. Zu diesem Zweck sollen zunächst die Gemeinsamkeiten beider Prinzipien (1.) und anschließend die Unterschiede herausgestellt werden (2.), um beide Prinzipien voneinander abzugrenzen.

1  Siehe zu den eigenständigen philosophischen Wurzeln des CCM-Prinzips die Ausführungen weiter oben, Zweiter Teil, zu seinen eigenständigen historischen Grundlagen in der Staatenpraxis die Ausführungen im Zweiten Teil, Kap. I. und III. Der enge entstehungsgeschichtliche Zusammenhang mit dem common heritage-Ansatz wurde im Zweiten Teil, Kap. II dargestellt. 2  Siehe Dritter Teil, Kap. VIII. und IX.

© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_12

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XII. Abgrenzung des common concern of humankind vom common heritage …

1 . Gemeinsamkeiten von common heritage und common concern Zunächst soll das Augenmerk auf die Gemeinsamkeiten gerichtet werden, die zwischen beiden Prinzipien bestehen. Sowohl das common heritage- als auch das common concern of humankind-Prinzip weisen mit Blick auf die bisherigen völkerrechtlichen Prinzipien einen relativ hohen Internationalisierungsgrad auf und stellen gewissermaßen die jüngsten Entwicklungsstufen eines voranschreitenden Internationalisierungstrends umweltvölkerrechtlicher Prinzipien dar (a). Sie sind außerdem beide jeweils Ausdruck eines Staatengemeinschaftsinteresses und entfalten daher erga omnes-Wirkung (b). Darüber hinaus sind beide Prizipien von einem generationsübergreifenden Ansatz3 geprägt (c) und gelten schließlich ohne weitere Zwischenschritte bereits unmittelbar kraft ihres jeweiligen völkerrechtlichen Zuweisungsaktes (d).

a) Hoher Internationalisierungsgrad Gemeinsam haben die Prinzipien des common heritage und des common concern zunächst, dass sie einen hohen Internationalisierungsgrad aufweisen und damit zugleich Ausdruck einer stetig voranschreitenden Internationalisierung umweltvölkerrechtlicher Prinzipien und ihrer Normierungszwecke sind. Zur besseren Verständlichkeit sei kurz umrissen, was in diesem Zusammenhang mit dem Begriff der Internationalisierung gemeint ist, um anschließend die Prinzipien des common heritage und common concern – auch im Lichte der bisherigen umweltvölkerrechtlichen Prinzipien – in diesen „Internationalisierungstrend“ einzuordnen.4 Entwickelt wurde der Internationalisierungsbegriff im Sprachgebrauch der völkerrechtlichen Literatur und Praxis nicht erst im Rahmen von Umweltschutzkonzepten. Vielmehr tauchte er bereits im 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit Fragen der Kriegsführung und der Lösung von Territorialproblemen vereinzelt in der Literatur auf5 und wurde auch im 20. Jahrhundert hin und wieder als ­völkerrechtlicher 3  Siehe zu generationsübergreifenden Ansätzen die Ausführungen weiter oben, Zweiter Teil, Kap. V. 2. und 4. d). 4  Im Ausgangspunkt basiert diese Einordnung auf den grundlegenden Vorarbeiten zur Internationalisierung von Wolfrum, Internationalisierung, S. 10 ff. 5  So wurde eine „Internationalisierung“ bereits im frühen 19. Jahrhundert von Webster im Zusammenhang mit Fragen der Kriegsführung definiert, vgl. Webster, An American Dictionary of the English Language, Stichwort: „Internationalize“: „To make international; to cause affect or pertain to the mutual relations of two or more nations; as to internationalize a war“. Im späten 19. Jahrhundert übertrug Murray den Internationalisierungsbegriff auf die Lösung von Territorialproblemen, vgl. Murray, A new English Dictionary on historical Principles, Stichwort „Internationalize“: „To bring (a country, territory etc.) under the combined government or protection of two or more different nations“. Siehe zu diesem frühen Stadium des Internationalisierungsbegriffs auch bereits Wolfrum, Internationalisierung, S. 10.

1. Gemeinsamkeiten von common heritage und common concern

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Terminus verwandt.6 Mit dem Begriff der Internationalisierung werden z­ umeist solche Sachverhalte charakterisiert, in denen die Alleinzuständigkeit eines Nationalstaates – aus unterschiedlichen Gründen – den Interessen und der Verantwortung einer größeren Gemeinschaft zu weichen hat.7 Das Gesamtkonzept der Internationalisierung lässt sich mit Wolfrum als „Inpflichtnahme der Staaten zum Wohle der Staatengemeinschaft unter gleichzeitiger international ausgerichteter institutioneller Absicherung“ umschreiben.8 Wie sich anhand der nachfolgenden Beispielsfälle aufzeigen lässt, werden mit derartigen Internationalisierungsbestrebungen naheliegenderweise stets übergreifende Ziele9 verfolgt, die letzten Endes das Gemeinwohl fördern sollen. Das Konzept der Internationalisierung beschreibt somit gewissermaßen in räumlicher Hinsicht den voranschreitenden „Vergemeinschaftsungstrend“, der mit der zunehmenden Herausbildung von Staatengemeinschaftsinteressen einhergeht und zur Entwicklung sowohl des common concern- als auch des common heritage of mankind-Prinzips geführt hat.10 Im Völkerrecht wurde der Begriff der Internationalisierung zunächst vornehmlich in seiner Ausprägung als „territoriale Internationalisierung“ gebraucht, womit jene Sachverhalte gemeint sind, bei denen versucht wurde, die infolge der beiden Weltkriege jeweils aufgeworfenen Territorialprobleme durch eine unmittelbare Einschaltung des Völkerbundes und der Vereinten Nationen zu lösen. Insofern diente der Internationalisierungsbegriff zur Charakterisierung bestimmter Gebiete, welche bei gleichzeitiger Herauslösung aus ihrem bisherigen Staatsverband, einer Verwaltung oder Kontrolle durch eine Internationale Organisation, durch ein anderes Staatengemeinschaftsorgan oder durch eine Staatengruppe unterstellt wurden.11 Exemplifizieren lässt sich dieser Sachverhaltstypus etwa an der Schaffung der freien Stadt 6  Beck, Die Internationalisierung von Territorien, S. 15 ff., 21 ff., 45 ff. versteht unter „Internationalisierung“ von Territorien die Aufhebung der Souveränität des ursprünglichen Territorialstaates mit anschließender Ausübung von Souveränitätsrechten durch eine Mehrheit von Staaten. Zur Internationalisierung von Tanger führt Tunis, Tangier: A Test in Internationalism, in: Current History, S. 676 aus: „Tangier has been internationalized, but what exactly does that mean? It means simply that the controlling authority is in the hands not of one but of a dozen nationalities.“ Herndl, Internationalisierung, in: Strupp/Schlochauer, WV II, S.  138, definiert eine Internalisierung als eine „Beschränkung der Gebietshoheit eines oder auch mehrerer Staaten zugunsten einer größeren Gemeinschaft, wenn nicht gar der ganzen Völkerrechtsgemeinschaft.“ Siehe zum Internationalisierungsbegriff auch von Liszt, Das Völkerrecht (10. Aufl. 1915), S. 291 f., der als Internationalisierung die Öffnung von Wasserstraßen auch für Kriegsführende bezeichnete, welche an das Verbot gekoppelt ist, dort kriegerische Operationen durchzuführen. Siehe ferner Wolfrum, Internationalisierung, S. 10; Marazzi, I Territori Internazionalizzati; Delbez, 71 RGDIP (1967), S. 5 f. 7  So Wolfrum, Internationalisierung, S. 10. Ähnlich Beck, Die Internationalisierung von Territorien, S. 15 ff. 8  Wolfrum, Internationalisierung, S. 25. Siehe zum Ganzen ders., Internationalisierung, S. 10–29. 9  Siehe Oppenheim/Lauterpacht, International Law, Bd. 1 (8. Aufl. 1955), S. 421; Herndl, Internationalisierung, in: Strupp/Schlochauer, WV II, S. 138; Wolfrum, Internationalisierung, S. 22. 10  Zur Herausbildung von Staatengemeinschaftsinteressen siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b) aa), zur Entwicklung des CHM- und CCM-Prinzips siehe Dritter Teil, Kap. VII.–IX. 11  Siehe dazu Wolfrum, Internationalisierung, S.  10; Herndl, Internationalisierung, in: Strupp/ Schlochauer, WV II, S. 138.

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XII. Abgrenzung des common concern of humankind vom common heritage …

Danzig und der Verwaltung des Saargebietes durch den Völkerbund sowie an den Bestrebungen nach dem Zweiten Weltkrieg, Jerusalem und Triest einer Kontrolle durch die Vereinten Nationen zu unterwerfen.12 Auslöser für die Einschaltung des Völkerbundes und der Vereinten Nationen war der Umstand, dass alle betroffenen Gebiete zugleich von mehreren Staaten beansprucht wurden und keine Einigung über deren territoriale Zugehörigkeit erzielt werden konnte.13 Somit dienten diese Fälle der territorialen Internationalisierung letztlich der Friedenssicherung im Interesse der Staatengemeinschaft. Davon unterschieden wird eine zweite Gruppe von Sachverhalten, bei denen im Wege einer „funktionalen Internationalisierung“ Gebietsteile eines Staates unter grundsätzlicher Aufrechterhaltung seiner bis dato existierenden nationalen Souveränität einer Nutzung durch alle Staaten geöffnet und zugleich zwecks Sicherung dieses Zustandes einer völkerrechtlichen Kontrolle unterworfen wurden.14 Bei diesem zweiten Internationalisierungstypus wird die territoriale Souveränität des betreffenden Staates demnach nicht aufgehoben, sondern beschränkt.15 Als Hauptbeispiele einer „funktionalen Internationalisierung“ lassen sich völkerrechtliche Regelungen zur Nutzung bestimmter Flüsse wie etwa des Ganges, der Donau oder des Amazonas oder Kanäle wie des Kiel-, Panama- oder Suez-Kanals anführen.16 In diesen Fällen erfolgt die Internationalisierung um der Freien Schifffahrt willen, die letztlich im Interesse aller Staaten der Förderung des Welthandels zu dienen bestimmt ist. Sodann werden mit dem Begriff der Internationalisierung gelegentlich Bestrebungen umschrieben, die darauf abzielen, bestimmte Aktivitäten einzelner Staaten einer internationalen Kontrolle zu unterwerfen.17 So wurde etwa mit dem sogenannten Baruch-Plan das Ziel verfolgt, durch Einsetzung der Atomic Energy Commission die friedliche Nutzung von Atomenergie durch einzelne Nationalstaaten auf internationaler Ebene zu kontrollieren.18 Von besonderer Bedeutung für das Verhältnis zwischen common heritage und common concern-Prinzip und für deren Einordnung in den Internationalisierungstrend sind schließlich die Fallgruppen der Internationalisierung mit übergeordnetem  So Wolfrum, Internationalisierung, S. 10. Siehe dazu allgemein Beck, Die Internationalisierung von Territorien, S. 15 ff., 21 ff., 45 ff.; Tunis, Tangier: A Test in Internationalism, in: Current History, S. 676; Herndl, Internationalisierung, in: Strupp/Schlochauer, WV II, S. 138; von Liszt, Das Völkerrecht (10. Aufl. 1915), S. 291 f.; Marazzi, I Territori Internazionalizzati; Delbez, 71 RGDIP (1967), S. 5 f. 13  Einen guten Überblick über die Einschaltung der Vereinten Nationen als Verwalterin von Krisengebieten liefert neuerdings Kiderlen, Von Triest nach Osttimor. 14  So Wolfrum, Internationalisierung, S. 10 f. 15  Siehe Wolfrum, Internationalisierung, in: EPIL II, S. 1395, 1397. 16  Siehe zum Begriff der internationalen Flüsse Barberis, International Rivers, in: EPIL II, S. 1364 ff. Zum Begriff des Kanals siehe Arcari, „Canals“, in: MPEPIL online (2007), abrufbar unter: www.mpepil.com. 17  Siehe Wolfum, Internationalisierung, S. 11. 18  Baruch, Atomic Energy Commission OR 1st year, 1st meeting. 14.6.1946, der auf S. 4 selbst den Begriff der „Internationalization“ verwendet. 12

1. Gemeinsamkeiten von common heritage und common concern

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Ausgleichs- oder Umweltschutzzweck. Internationalisierungsbestrebungen mit Ausgleichsfunktion beschränken sich nicht bloß darauf, die Nutzung zwischen bereits Berechtigten (wie etwa mehreren Flussanliegern) zu koordinieren. Vielmehr erfolgt die Internationalisierung – im Wege der Zuordnung eines staatsfreien Gebiets an die gesamte Staatengemeinschaft  – in solchen Fällen, um die jeweiligen Gebiete für eine Nutzung durch die gesamte Staatengemeinschaft zu öffnen, das bedeutet den Kreis der Nutzungsberechtigten zu erweitern.19 Darüber hinaus dient sie dem Zweck, durch Umverteilung einen Ausgleich zwischen Staaten mit unterschiedlicher geografischer und wirtschaftlicher Lage herbeizuführen; denn die zahlenmäßige Vermehrung der Nutzungsberechtigten führt zwangsläufig zu Einschränkungen aufseiten der bisher faktisch privilegierten Nutzer und deren Partikularinteressen an einer exklusiven Nutzung der entsprechenden Ressourcen weichen dem Interesse und Wohl einer größeren Gemeinschaft.20 Besonders deutlich kommt diese Ausgleichsfunktion des Internationalisierungskonzeptes bei der Internationalisierung staatsfreier Räume zum Ausdruck.21 In den Debatten zur Schaffung einer neuen Seerechtskonvention auf der 3. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen war sie „ein immer wiederkehrendes Moment“22 und schlug sich letztlich in der Verankerung des common heritage of mankind-Prinzips im Seerecht nieder. Demgegenüber lässt sich das common concern of humankind-Prinzip jenen Internationalisierungsbestrebungen des modernen (Umwelt-)Völkerrechts zuordnen, deren übergreifendes Ziel der globale Umweltschutz ist. Diesem Internationalisierungskonzept mit Umweltschutzfunktion liegen zunächst Sachverhalte zugrunde, bei denen es um Umweltgüter geht, die nach traditionellen völkerrechtlichen Kategorien unter die Souveränität einzelner Staaten fallen, deren Bewahrung jedoch im übergeordneten Interesse der internationalen Staatengemeinschaft liegt.23 Ein geradezu klassisches Beispiel hierfür liefern die tropischen Regenwälder, das „weltweit größte ­Reservoir genetischer Ressourcen und zugleich eines der Schlüsselelemente des globalen Klimasystems“:24 Die bereits seit Jahrzehnten voranschreitende Zerstörung dieser Waldgebiete und ihrer Biodiversität aufzuhalten, liegt zwar objektiv im Inte­ resse der gesamten Menschheit; völkerrechtlich fällt die gesamte Problematik jedoch  – jedenfalls nach traditionellem Verständnis  – in den Kompetenzbereich der jeweils verfügungsberechtigten Staaten.25 Daneben erfassen Internationalisierungsbestrebungen mit Umweltschutzzweck vor allen Dingen solche Sachverhalte, bei denen Aktivitäten auf den Territorien einzelner Nationalstaaten globale Umweltprobleme – wie etwa den Klimawandel – nach sich ziehen, welche die Erde als Ganzes  So Wolfum, Internationalisierung, S. 22.  Siehe vor allem Wolfrum, Internationalisierung, S.  23; Oppenheim/Lauterpacht, International Law, Bd. 1 (8. Aufl. 1955), S. 421; Herndl, Internationalisierung, in: Strupp/Schlochauer, WV II, S. 138; 21  Diesen Begriff hat Wolfrum, Internationalisierung, geprägt. 22  Wolfrum, Internationalisierung, S. 23. 23  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 18. 24  So anschaulich Durner, Common Goods, S. 18. 25  So Durner, Common Goods, S. 18. Siehe dazu Erster Teil, Kap. I. 19 20

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betreffen und deren Verhinderung daher ein Anliegen der gesamten Staatengemeinschaft ist. In diesen Fallgruppen der Internationalisierung mit Umweltschutzzweck werden zur Bewahrung der betreffenden Ressource (hier: Biodiversität) oder zur Bekämpfung eines globalen Umweltproblems (hier: Klimawandel) einem oder mehreren Staaten zugunsten der größeren Staatengemeinschaft gewisse Verhaltenspflichten auferlegt, um das Wohl der Staatengemeinschaft als Ganzes zu fördern. Gemeinsam haben common heritage und common concern of humankind-­Prinzip somit, dass sie beide  – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung und in unterschiedlichem Ausmaß – Teil eines voranschreitenden Internationalisierungstrends im Völkerrecht sind, indem sie unter Einschränkung einzelstaatlicher Nutzungsfreiheit eine gerechte Güterverteilung bezwecken (Ausgleichszweck) bzw. durch Inpflichtnahme aller Einzelstaaten auf einen globalen Umweltschutz abzielen und somit im Interesse des „globalen Gemeinwohls“ übergreifende Ziele fördern. Nimmt man die bisher vorhandenen Status- und Umweltschutzprinzipien des Völkerrechts in den Blick, so lässt sich an ihrer Entwicklung – vom Prinzip der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen und vom Konzept der gemeinsamen natürlichen Ressourcen bis hin zu den Prinzipien der res communis sowie des common heritage und common concern of humankind – ein voranschreitender Prozess der Internationalisierung ablesen. Angesprochen ist damit die viel zitierte Beobachtung, dass sich das moderne Umweltvölkerrecht Schritt für Schritt von seiner ursprünglichen Konzentration auf den Schutz nachbarlicher Interessen unmittelbar betroffener souveräner Staaten gelöst hat und nunmehr zusätzlich den Schutz und die Verwaltung natürlicher Ressourcen im Interesse der Staatengemeinschaft auf globaler Ebene anstrebt.26 So wird denn auch in der Literatur oftmals hervorgehoben, das Umweltvölkerrecht habe sich im Laufe der letzten 35 Jahre von einem Recht der bilateralen Konfliktbewältigung zu einem System entwickelt, das den Schutz kollektiver Interessen in den Vordergrund stelle, sodass es häufig nicht mehr sachgerecht sei, nur bei einer spezifischen Betroffenheit ­eines „verletzten“ Staates das internationale Umweltrecht anzuwenden.27 Wie an anderer Stelle bereits aufgezeigt wurde, ist diese Verlagerung von einer rein bilateralen Konfliktbewältigung zum übergreifenden kollektiven Interessenschutz ein allgemeiner völkerrechtlicher Trend, der sich nicht auf Umweltfragen beschränkt, jedoch im Rahmen des internationalen Umweltrechts besonders deutlich zum Tragen kommt.28 Dieser „Paradigmenwechsel im Umweltvölkerrecht“29 spiegelt sich im Grundsatz der  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b) aa); siehe auch Kiss, International Protection, S. 1080; siehe ebenfalls Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I 1, S. 442. 27  Durner, Common Goods, S. 281; siehe auch die zusammenfassende Darstellung bei Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, § 1032. 28  Siehe dazu bereits Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b) aa). Siehe zum Ganzen außerdem Bleckmann, Allgemeines Staats- und Völkerrecht, S. 54 f. und S. 737; Klein, Statusverträge, S. 54; Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 792 f. und 794; Simma, 250 RdC (1994), S. 244; ders., International Crimes, S. 285; Stocker, Common Heritage, S. 7–34; Kornicker, ius cogens, S. 36 f. und 43–45; Delbrück, Laws in the Public Interest, S. 28; Cassese, International Law in a Divided World, S. 28; Shaw, International Law, S. 36 ff.; vgl. schließlich auch die frühen Ausführungen zu diesem Thema von Simma, Das Reziprozitätselement in der Entstehung des Völkergewohnheitsrechts (1970), S. 51. 29  Kornicker, Ius Cogens, S. 132. 26

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res communis und insbesondere in den Prinzipien des common heritage und des common concern of humankind wider. Die Prinzipien der natürlichen Verfügung über natürliche Ressourcen sowie der angemessenen Nutzung gemeinsamer Güter sind noch ganz auf bilaterale Konfliktsituationen zugeschnitten, klammern Gemeinwohlaspekte aus und sind daher Ausdruck des herkömmlichen Koexistenzvölkerrechts, das auf einen „schonenden Souveränitätsausgleich“30 abzielt. Demgegenüber zeichnen sich die Prinzipien der res communis, des common heritage und des common concern of humankind einerseits durch eine Abkehr von der ausschließlichen Orientierung an grenzüberschreitenden Konfliktsituationen zwischen einzelnen Nationalstaaten und andererseits durch eine zunehmende Berücksichtigung von Staatengemeinschaftsinteressen und Gemeinwohlaspekten aus und sind daher Ausdruck des modernen Kooperationsvölkerrechts. So enthält das Konzept der res communis mit seinen Geboten zum Umweltschutz, zur Demilitarisierung und zur Forschungsfreiheit einige Rechtssätze, die nicht bloß dem Schutz einzelner, möglicherweise besonders betroffener Staaten, sondern in erster Linie den allgemeinen Interessen der gesamten Staatengemeinschaft und somit der Menschheit als Ganzer am Erhalt der jeweiligen Ressourcen zu dienen bestimmt sind.31 Die gleichen Gemeinwohlelemente lassen sich beim common heritage of mankind-­ Prinzip identifizieren. Allerdings fördert das CHM-Prinzip – durch die Begründung einer Pflicht zur Gewinnausschüttung an die übrige Staatengemeinschaft sowie durch den Handlungsauftrag zur Schaffung eines internationalen Verwaltungsmodells für die staatsfreien Räume – das Gemeinwohl in wesentlich größerem Ausmaß als das res communis-Prinzip.32 Schließlich handelt es sich beim common concern of humankind-Prinzip um einen Rechtssatz, der sich fast ausschließlich auf die Formulierung eines Staatengemeinschaftsinteresses beschränkt, dessen Hauptfunktion folglich darin besteht, bestimmte Umweltpflichten in den Rang von erga omnes-­ Verpflichtungen zu transformieren, die gegenüber der Staatengemeinschaft als Ganzer bestehen und daher von jedem einzelnen Staat geltend gemacht werden können.33 Ordnet man die bisherigen Prinzipien des Umweltvölkerrechts nach dem Gesichtspunkt voranschreitender Internationalisierung, so befindet sich das common concern-Prinzip am äußersten Rand der Skala, dicht gefolgt vom common heritage-­Prinzip. Beide Prinzipien haben gemeinsam, dass sie einen hohen Internationalisierungsgrad aufweisen und damit zugleich Ausdruck einer stetig voranschreitenden Internationalisierung umweltvölkerrechtlicher Prinzipien und ihrer Normierungszwecke sind.

 Dieser griffige Begriff wurde geprägt von Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rn. 44; Kloepfer/Kohler, Kernkraftwerk und Staatsgrenze, S. 36 ff.; siehe auch Klein, Umweltschutz im nachbarlichen Völkerrecht, S. 79. 31  Siehe Frowein, FS Mosler, S. 241 (246 ff.); Durner, Common Goods, S. 282; Klein, Gegenmaßnahmen, S. 30 (50 f.). 32  Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 282. 33  Siehe Vierter Teil, Kap. II. und III. Dazu Kloepfer, Umweltrecht, § 17 Rn. 39; Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 231 ff.; Durner, Common Goods, S. 234 ff.; Verheyen, in: Koch/Caspar (Hrsg.), Klimaschutz im Recht, S. 29 (32 f.); Hohmann, NVwZ 1993, S. 311 (313). 30

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b ) Ausdruck von Staatengemeinschaftsinteressen und erga omnes-Wirkung Überdies haben beide Prinzipien gemeinsam, dass sie ein Interesse der Staatengemeinschaft als Ganzes artikulieren und folglich erga omnes gelten. Im Hinblick auf das common concern of humankind-Prinzip wird dies an anderer Stelle noch ausführlich dargelegt.34 Was das common heritage-Prinzip betrifft, so entfaltet dieses nach weit überwiegender und gefestigter Auffassung in der Literatur in seinen beiden bisherigen Anwendungsfällen ebenfalls erga omnes-Wirkung.35 Bereits kurze Zeit nach Verankerung des „gemeinsamen Erbes“ in der UN-Seerechtskonvention hat die ILC klargestellt, dass es ein „kollektives Interesse“ ausdrückt, das alle Vertragsparteien unabhängig von einer Verletzung in eigenen subjektiven materiellen Rechten geltend machen können: „(…) [T]he concept of a ‚common heritage of mankind‘, as recently accepted in respect of the mineral resources of the sea-bed and subsoil beyond national jurisdiction, expresses such a collective interest.“36

Auch in weiten Teilen der Literatur wird die Entwicklung des common heritage-­ Prinzips als eminent wichtiger Schritt in der sukzessiven Herausbildung von community interests gesehen.37 Während sich das traditionelle „bilaterale“ Völkerrecht der bloßen Koexistenz noch darauf beschränkt hat, die territoriale Souveränität der Einzelstaaten abzusichern und ihnen nach dem Prinzip des „first come, first serve“ die Okkupation der terrae nullae zu gestatten, steht das common heritage of mankind-­ Prinzip – so etwa Simma – für die Anerkennung der Notwendigkeit, die Nutzung bestimmter staatsfreier Räume im Interesse und zum Wohle der gesamten Menschheit zu regulieren.38 Wie das common concern-Prinzip verkörpert daher auch der common heritage-Grundsatz ein Staatengemeinschaftsinteresse par ­excellence.39  Zum common concern of humankind als Ausdruck eines Staatengemeinschaftsinteresses siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b), zu seiner erga omnes-Wirkung Vierter Teil, Kap. XV. 35  Hannikainen, Peremptory Norms, S. 544 ff.; Kirgis, 84 AJIL (1990), S. 525, 529; Simma, 250 RdC (1994), S.  221 (240 f.); Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S.  791 (796); Wolter, Grundlagen, S. 193–198. 36  Siehe dazu Yearbook of the ILC II/1985, Part Two, S. 1, 27. Siehe dazu auch Kirgis, 84 AJIL (1990), S. 525 (529). 37  Siehe Simma, 250 RdC (1994), S. 221 (240 f.): „In this regard, the entry into force of the 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea has been an extremely significant step towards fostering community interests“ (Hervorhebung vom Verfasser). 38  Simma, 250 RdC (1994), S.  221 (240 f.): „With regard to territory and the use of natural resources, community interest has recently found a particular well-known expression in the concept of the ‚common heritage of mankind‘ (…) While classic bilateralist international law limited itself to demarcating established territorial sovereignty and awarded title to former terra nullius to occupying States according to the principle ‚first come first served‘, the developement of the principle of common heritage in modern international law stands for the recognition of the need to regulate the use of certain spaces beyond national jurisdiction in the interest of all“ (Hervorhebung vom Verfasser). 39  Siehe erneut Simma, 250 RdC (1994), S.  221 (241): „The purpose of the ‚common heritage‘ 34

1. Gemeinsamkeiten von common heritage und common concern

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René-Jean Dupuy sieht die Institutionalisierung des common heritage of mankind-Ansatzes in der UN-Seerechtskonvention gar als das bedeutendste Beispiel für „die Realisierung eines globalen Interesses der gesamten Menschheit“.40

c) Generationsübergreifender Ansatz Des Weiteren teilen das common concern- und das common heritage-Prinzip einen generationsübergreifenden Ansatz und weisen somit nicht nur eine räumliche, sondern auch eine zeitliche Dimension auf. Ähnlich dem common concern-Grundsatz41 besitzt auch das common heritage-Prinzip nach einhelliger Meinung42 eine „rechtliche Bewahrungsfunktion zu Gunsten künftiger Generationen“.43 Deutlich zum Ausdruck kommt dies bereits im natürlichen Sprachgebrauch des Wortes „Menschheitserbe“. Es impliziert, dass die von ihm erfassten Gebiete und Ressourcen von der jeweils gegenwärtigen Generation an die nachfolgenden Generationen der Menschheit in einem guten Zustand „vererbt“ werden sollen.44 Wie Wolfrum und andere hervorgehoben haben, lässt sich der generationsübergreifende Ansatz außerdem als Facette des Wortes „mankind“ ablesen, da dieses zumindest indiziere, dass die Interessen zukünftiger Menschheitsgenerationen als „Erben“ respektiert würden.45 In ähnlicher Weise wie das common concern of humankind-Prinzip richtet sich somit auch das common heritage-Prinzip gegen jegliche Art von „Raubbau“ an der Natur und fordert eine Selbstbeschränkung der gegenwärtigen Generation mit Rücksicht auf die Bedürfnisse künf-

principle (…) is to subject the ‚Area‘, that is, the sea-bed and ocean floor and subsoil thereof beyond the limits of any national jurisdiction, to a utilization regime designed for the benefit of the international community as a whole (…)“ (Hervorhebung vom Verfasser). 40  R-J. Dupuy, La communauté internationale, S. 160 („(…) mise en oeuvre des intérêts globaux de l’espèce humaine“). Siehe dazu auch Simma, 250 RdC (1994), S. 221 (247). 41  Siehe Zweiter Teil, Vorbemerkung zu Kap. IV. Siehe außerdem zur intergenerationellen Gerechtigkeit die Ausführungen weiter oben, Zweiter Teil, Kap. V. 4. 42  Wolfrum, Internationalisierung, S. 339 f.; ders., ZaöRV (1983), S. 312 (318); R.-J. Dupuy, La notion de patrimoine, S. 197, 201 ff.; Brown Weiss, in: Buergenthal (Hrsg.), Contemporary Issues, S.  270; Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl.,  S.  211; Stocker, Common Heritage, S.  157 m.w.N.; Durner, Common Goods, S. 258; Wolter, Grundlagen, S. 187. 43  So Wolter, Grundlagen, S. 187. Ähnlich Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (176, 178): „Ähnlich wie im Falle des ‚common heritage‘-Konzepts bringt der Begriff ‚(hu)mankind‘ eine intergenerationelle Komponente zum Ausdruck“. 44  Ähnlich Wolter, Grundlagen, S. 187 und Wolfrum, Internationalisierung, S. 339 f. 45  Wolfrum, ZaöRV (1983), S. 312 (318): „The adoption of the term mankind (…) at least indicates that the interests of future generations have to be respected (…)“; ders., Internationalisierung, S. 339; siehe außerdem Dupuy, La notion de patrimoine, S. 197, 201 ff.; Brown Weiss, in: Buergenthal (Hrsg.), Contemporary Issues, S. 270: „When the concept was first proposed for the seabed, the phrasing clearly implied consideration for future generations (...) that the common heritage of mankind carries an obligation for future generations“ (Hervorhebungen vom Verfasser); Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 211; Stocker, Common Heritage, S. 157 m.w.N.; Durner, Common Goods, S. 258.

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XII. Abgrenzung des common concern of humankind vom common heritage …

tiger Generationen.46 Dass der Gedanke einer Solidarität gegenüber zukünftigen Generationen auch im gemeinsamen Erbe stark ausgeprägt ist, lässt sich des Weiteren ablesen an der ausdrücklichen Verpflichtung aller Staaten nach Art. 4 des Mondvertrages, „to pay due regard to future generations“.47 Wie im Falle des common concern lässt sich allerdings auch an der Verwendung des Wortes „mankind“ im common heritage of mankind anstelle des Wortes „Staatengemeinschaft“ nicht etwa ablesen, dass die „Summe der Einzelmenschen“ als „Erben“ und Begünstigte anzusehen sind.48 Rechtsträgerin ist  – mangels einer entsprechenden Völkerrechtssubjektivität der „Menschheit“ – vielmehr in beiden Fällen die Staatengemeinschaft, an deren Stelle die einzelnen (Vertrags-)Staaten jeweils klagebefugt sind.49

d) Unmittelbare Geltung kraft völkerrechtlicher Widmung Schließlich haben die Prinzipien des common heritage und des common concern of humankind gemeinsam, dass sie im Rahmen ihres jeweiligen Anwendungsbereichs kraft völkerrechtlicher Widmung unmittelbar gelten und somit für ihre Anwendung keine zusätzlichen „tatbestandlichen Voraussetzungen“ erfüllt sein müssen. Was mit diesem gemeinsamen Merkmal der unmittelbaren Geltung kraft völkerrechtlicher Widmung gemeint ist, lässt sich am besten mit einem Blick auf die Voraussetzungen verdeutlichen, unter denen ein völkerrechtliches Prinzip auf eine bestimmte Sachmaterie zur Anwendung gelangt. Hierbei gilt es, zwischen zwei Arten von Prinzipien zu unterscheiden: Zum einen gibt es solche Prinzipien, die durch völkerrechtlichen Rechtsakt einer bestimmten Sachmaterie oder Ressource zugewiesen werden und bereits kraft dieses normativen Zuweisungsaktes unmittelbar gelten. Zum anderen gibt es allerdings auch solche Prinzipien, für deren Anwendung das Völkerrecht neben der Herausbildung des jeweiligen Rechtssatzes als solchem voraussetzt, dass zusätzlich noch bestimmte faktische Umstände eintreten. Diese Differenzierung weist durchaus strukturelle Ähnlichkeiten mit der Widmung im deutschen „Recht der öffentlichen Sachen“ auf, die zum einen bereits durch Rechtssatz, zum anderen auf der Grundlage eines Rechtssatzes per dinglichen Verwaltungsakt und faktische Indienststellung geschehen kann.50 In begrifflicher Analogie zum deutschen Recht der öffentlichen Sachen wird daher im Folgenden der Rechtsakt der Zuweisung ­einer bestimmten Sachmaterie zu einem völkerrechtlichen Prinzip als völkerrechtliche Widmung bezeichnet.51  So ausdrücklich Wolfrum, Internationalisierung, S. 339 f.  Siehe Franck, Fairness, S. 78; Wolter, Grundlagen, S. 187. 48  So für das common heritage-Prinzip Wolfrum, Internationalisierung, S. 339. Siehe zur parallel gelagerten Frage im Zusammenhang mit dem common concern-Prinzip die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIII. 49  Siehe Vierter Teil, Kap. XV. 50  Diese strukturelle Anlehnung der völkerrechtlichen Widmung an das deutsche Recht der öffentlichen Sachen stammt von Durner, Common Goods, S. 288 f. und greift letztlich zurück auf Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 39 ff. 51  So erneut Durner, Common Goods, S. 288 f. mit Verweis auf die umfangreichen Vorarbeiten von 46 47

1. Gemeinsamkeiten von common heritage und common concern

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Bei der Entstehung von Prinzipien mit Tatbeständen bildet sich zunächst der betreffende Rechtssatz als solcher abstrakt heraus und anschließend müssen noch weitere tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt werden, um den entsprechenden Rechtsstatus für ein bestimmtes Gebiet oder eine bestimmte Ressource zur Anwendung gelangen zu lassen.52 Prinzipien mit einer derartigen „tatbestandsähnlichen Struktur“ sind somit oftmals durch ein Zusammenspiel von normativen und faktischen Bausteinen charakterisiert. Treffend illustrieren lässt sich dieser „Prinzipientypus mit zwei-aktiger Struktur“ am jüngeren Beispiel der Ausschließlichen Wirtschaftszone (Exclusive Economic Zone).53 Sie entwickelte sich im Verlauf der 1970er-Jahre trotz massiver Widerstände vieler großer Seefahrernationen zu einem allgemein anerkannten völkerrechtlichen Konzept, das 1982 in der Seerechtskonvention verankert54 und 1985 vom IGH als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts anerkannt wurde.55 Anders als im Fall der vorliegend behandelten Prinzipien des common heritage und common concern genügt diese völkerrechtliche Verankerung für sich genommen allerdings noch nicht, um den Status der Ausschließlichen Wirtschaftszone sämtlichen Küstenbereichen zuzuweisen. Vielmehr muss der jeweilige Küstenanliegerstaat außerdem durch einseitigen staatlichen Hoheitsakt die entsprechende Zone ausdrücklich für sich in Anspruch nehmen.56 Erst wenn diese zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung erfüllt ist, findet das Institut der 200-Seemeilen-Wirtschaftszone Anwendung auf den betreffenden Küstenabschnitt.57 Auch das Prinzip der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen gelangt nur zur Anwendung, wenn normative und faktische Elemente kumulativ vorliegen, wie sich anhand des Erwerbes territorialer Souveränität aufzeigen lässt: Ein Staat erwirbt ein zuvor staatenloses Gebiet im Wege originärer Okkupation nur dann, wenn er zunächst seine Absicht ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, das entsprechende Gebiet zu erwerben (normatives Element) und es außerdem anschließend rein faktisch dauerhaft und effektiv besetzt (faktisches Element).58 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 39 ff. 52  So Durner, Common Goods, S. 287. 53  Auch das treffende Beispiel der Exclusive Economic Zone stammt von Durner, Common Goods, S. 287. Siehe zum EEZ-Konzept allgemein Proelß, ZUR 2010, 359 ff.; ders., in: Vitzthum (Hrsg.), Seerecht, Kap. III Rn. 203 ff.; Kwiatkowska, The 200 Mile Exclusive Economic Zone, S. 27 ff. 54  United Nations Convention on the Law of the Sea, Art. 55–75, abgedruckt in: 21 ILM 1982, S. 1261 ff. 55  Libya-Malta Continental Shelf Case, ICJ Reports 1985, 13 ff., para 34: „the institution of the EEZ with its rule on entitlement by reason of distance is shown by the practice of states to have become part of customary law.“ Siehe zur völkerrechtlichen Anerkennung der EEZ die Ausführungen von Attard, The Exclusive Economic Zone, S. 277 (301 ff.). 56  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 288. 57  Siehe Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I 1, S. 530; Attard, The Exclusive Economic Zone, S. 141; Durner, Common Goods, S. 288; Proelß, ZUR 2010, 364. 58  PCIJ Ostgrönland, Series A/B, no. 53, S. 45 f.: „(…) the intention and will to act as sovereign, and some actual exercise or display of such authority“. Siehe außerdem Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, Rn. 1154 ff.; Hailbronner, in: Vitzthum (Hrsg.), 5. Aufl., Völkerrecht, S. 147 (203 Rn. 136).

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XII. Abgrenzung des common concern of humankind vom common heritage …

Schließlich gibt es unter den Prinzipien mit Tatbeständen auch solche, die bereits dann unmittelbar zur Anwendung gelangen, sobald die jeweiligen realen Gegebenheiten vorliegen, ohne dass es zusätzlich noch einer wie auch immer gearteten normativen Widmung bedürfte. So ist das Konzept gemeinsamer Ressourcen bereits anwendbar, sobald aufgrund realer Umstände ein Souveränitätskonflikt zwischen mehreren Staaten entsteht, und nicht erst dann, wenn die betreffenden Anrainerstaaten sich gegenseitig als nutzungsberechtigt anerkennen und die betreffende Ressource normativ einer gemeinsamen Nutzung gewidmet wird. Wandernde Tierarten und grenzüberschreitende Gewässer werden bereits ihrer Natur nach von mehreren Staaten geteilt, sodass ein Staat mit der Nutzung der jeweiligen Ressource zwangsläufig ihre Nutzung durch andere Staaten einschränkt und somit Nutzungsinteressen unterschiedlicher Staaten miteinander konfligieren.59 Demgegenüber entfalten das common heritage und das common concern of humankind-­Prinzip zwar bereits dann, aber tatsächlich nur dann ihre Rechtswirkungen, wenn das Völkerrecht sie für eine bestimmte Ressource (common heritage) bzw. für ein bestimmtes globales Umweltproblem (common concern) für anwendbar erklärt. Hierbei richtet sich der jeweilige normative Zuweisungsakt nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen. Er kann demzufolge einerseits durch völkervertragliche Verankerung wie im Fall des Mondvertrags, der Klimarahmen- oder der Biodiversitätskonvention erfolgen, andererseits durch die Herausbildung eines entsprechenden Rechtssatzes des Völkergewohnheitsrechts wie im Fall der Hohen See geschehen. Doch müssen in beiden Entstehungsvarianten keine zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt werden, um das jeweilige Prinzip zur Anwendung kommen zu lassen; anders gewendet erschöpfen sich die faktischen Anwendungsvoraussetzungen beider Prinzipien in der bloßen Existenz des betreffenden globalen Umweltproblems bzw. der Ressource selbst, ohne dass etwa an weitergehende Geschehensabläufe angeknüpft werden müsste.60 So gilt das common concern of (hu)mankind-Prinzip bereits kraft seiner völkervertraglichen Verankerung in der Klimarahmenkonvention für die Erhaltung des Weltklimas und kraft seiner Niederlegung in der Biodiversitätskonvention in Bezug auf den Schutz der Biodiversität. Genauso ist das CHM-Prinzip bereits mit seiner Verankerung in der Seerechtskonvention unmittelbar auf den Tiefseeboden anwendbar, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssten. Beide Prinzipien haben sich zunächst direkt im Zusammenhang mit einer bestimmten Ressource (common heritage) oder einem bestimmten globalen Umweltproblem (common concern) herausgebildet und wurden anschließend auf ähnliche oder gar im Wesentlichen gleich gelagerte Sachverhalte übertragen. So wurde das common heritage of mankind-Prinzip unmittelbar zur Lösung der Frage nach dem Rechtsstatus des Tiefseebodens konzipiert und spä-

59  Siehe zu diesen beiden Fällen So Durner, Common Goods, S. 292 f. Siehe dazu insgesamt bereits ausführlicher Vierter Teil, Kap. XI. 2 c). 60  So Durner, Common Goods, S. 287, der als Beispiel das Weltall aufführt, das bereits mit der völkerrechtlichen Verankerung des Prinzips der Weltraumfreiheit zu einer Gemeinschaftssache geworden sei.

1. Gemeinsamkeiten von common heritage und common concern

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ter als Nutzungs- und Verteilungsmodell des Mondes gewählt.61 In ähnlicher Weise hat sich der common concern-Grundsatz zunächst als Leitprinzip der Klimarahmenkonvention entwickelt, wurde schon bald darauf zum Schutz der Biodiversität in der Präambel der Biodiversitätskonvention niedergelegt und könnte in Zukunft bei entsprechender Vertragspraxis auf ähnlich gelagerte globale Umweltprobleme übertragen werden.62 Obwohl demnach beide Prinzipien im Rahmen ihres jeweiligen Anwendungsbereichs bereits unmittelbar kraft völkerrechtlicher Widmung gelten, lassen sie doch zumindest gewisse tatbestandliche Umrisse erkennen. Dolzer ist in seiner Untersuchung zur rechtlichen Bedeutung des common heritage of mankind-Prinzips im internationalen Kulturgüterschutz gar zu der Schlussfolgerung gelangt, das Prinzip sei „eher Tatbestand als Rechtsfolge“.63 Zu Recht ist diese Extremposition in der Literatur auf starke Kritik gestoßen64 und dürfte wohl auch zu weit gehen; denn in Anbetracht der Vorschriften in der Seerechtskonvention und im Weltraumvertrag lässt sich schwerlich bezweifeln, dass die Anwendung des common heritage of mankind-Prinzips gewisse Rechtsfolgen nach sich zieht.65 Dennoch hat Dolzer mit seiner These die berechtigte Frage nach etwaigen Tatbestandselementen des common heritage-Prinzips aufgeworfen.66 Vereinzelt wird etwa vorgeschlagen, den Blick auf die Wichtigkeit des jeweiligen Umweltgutes für heutige und zukünftige Generationen zu richten und die Entscheidungsgewalt über das Vorliegen dieses Kriteriums einer internationalen Organisation zu übertragen, welche sodann gegebenenfalls die betreffende Ressource zum gemeinsamen Erbe der Menschheit ausrufen könne.67 Des Weiteren ziehen manche als tatbestandsähnliches Kriterium für die Anwendung des CHM-Prinzips das Freisein eines Territoriums von staatlichen Hoheitsansprüchen in Betracht. Bislang seien mit dem Tiefseeboden, dem Mond und letzten Endes auch im Fall der Antarktis nur solche Räume zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt worden, die frei von staatlicher Hoheitsgewalt seien oder bei denen, wie etwa im Fall der Antarktis, die zum Teil erhobenen Souveränitätsansprüche einzelner Staaten zumindest höchst zweifelhaft gewesen seien.68 ­Gelegentlich wird daraus sowohl von vereinzelten Lehrmeinungen als auch von vielen Entwicklungsländern gefolgert, das common heritage-Prinzip gelte schlechthin für sämtliche Umweltgüter jenseits nati-

 Siehe Dritter Teil, Kap. VIII. 1.  Siehe Dritter Teil, Kap.  IX. 1. und  2. Siehe zur gescheiterten Übertragung des common concern-Prinzips auf den Waldschutz und die Wüstenbildung Dritter Teil, Kap. IX. 3. Siehe insbesondere zur „Globalität“ der relevanten Umweltprobleme Vierter Teil, Kap. XI. 3. b). 63  Siehe Dolzer, Die Deklaration des Kulturguts zum „common heritage of mankind“, in: Dolzer/ Jayme/Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, S. 13 (15). Siehe zur „Tatbestandsseite von Strukturprinzipien“ ferner Durner, Common Goods, S. 287. 64  Stocker, Common Heritage, S. 201 f.; siehe dazu Durner, Common Goods, S. 287. 65  So argumentiert etwa Durner, Common Goods, S. 287. 66  Das konzediert auch Durner, Common Goods, S. 287. 67  Siehe Baslar, Concept, S. 111 und 374 ff.; siehe dazu ebenfalls Durner, Common Goods, S. 290 und Postychev, The Concept of the Common Heritage of Mankind, S. 61 ff. 68  So Durner, Common Goods, S. 290. 61 62

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XII. Abgrenzung des common concern of humankind vom common heritage …

onaler Souveränität.69 All diese Kriterien sind allerdings zu vage und unkonkret gefasst, um als objektive Tatbestandsvoraussetzungen qualifiziert zu werden, bei deren Vorliegen das common heritage-Prinzip den jeweiligen Umweltgütern zuzuweisen wäre. Vielmehr stellen sie Kriterien für eine Übertragung des CHM-Prinzips auf neue Problemlagen dar, umreißen auf diese Weise den potenziellen räumlich-funktionalen Anwendungsbereich jenes Prinzips und können somit als „grobe Indikatoren für künftige Rechtsentwicklungen“70 und das Weiterentwicklungspotenzial des common heritage-Prinzips dienen. Auch für das common concern-Prinzip konnten aus den bisher allgemein anerkannten Anwendungsfällen sowie den bislang gescheiterten Übertragungsversuchen durchaus Kriterien destilliert werden, die dessen räumlich-funktionalen Anwendungsbereich abzustecken und dessen künftiges Weiterentwicklungspotenzial zu skizzieren vermögen.71 Der common concern-Begriff wurde sowohl in der Klimarahmenkonvention als auch in der Biodiversitätskonvention als Ausdruck eines generationsübergreifenden Staatengemeinschaftsinteresses an der Bekämpfung eines gravierenden, die Existenz der gesamten Menschheit bedrohenden globalen Umweltproblems verankert.72 Umgekehrt scheiterte eine Übertragung des CCM-Prinzips auf das Umweltproblem der voranschreitenden Wüstenbildung gerade daran, dass ihr globaler Charakter in Zweifel stand.73 Auch jene beiden Kriterien einer potenziell menschheitsbedrohenden globalen Umweltbelastung sowie eines generationenübergreifenden Staatengemeinschaftsinteresses an ihrer Bekämpfung dürften allerdings wohl kaum als „echte“ Tatbestandsvoraussetzungen für die Anerkennung einer „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ zu qualifizieren sein. Vielmehr dürfte es sich bei ihnen um politisch-naturwissenschaftliche, das heißt außerjuristische Umstände handeln, bei deren Vorliegen ein Umweltproblem sich gewissermaßen als „objektiv geeignet“ erweist und daher zu einem aussichtsreichen „Kandidaten“ für eine ausdrückliche völkerrechtliche Widmung zum common concern of humankind-Prinzip wird. Diese Sichtweise bestätigt ferner ein Blick in die bisherige Vertragspraxis, im Zuge derer die Existenz allgemein anerkannter und somit „quasi-objektiver“ Bedrohungen der Menschheit durch globale Umweltprobleme sicherlich die rasche Entstehung des common concern-­Grundsatzes in hohem Maße gefördert hat.74 Zieht man die üblicherweise recht lange „Reaktionszeit“ des Völkerrechts – und des Rechts überhaupt – auf drängende faktische Problemlagen in Betracht, so hat das common concern of humankind-­Prinzip eine geradezu rasante Karriere hingelegt. Gerade im Falle des Klimawandels hat offenbar die „objektive“ naturwis So zunächst vor allem Wolfrum, ZaöRV (1993), 312 (314): „(…) a valid principle governing the use of areas which lie outside the limits of national jurisdiction (…)“; ihm folgend Postyshev, The Concept of the Common Heritage of Mankind, S. 17 f. 70  Durner, Common Goods, S. 291. 71  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 72  Siehe dazu ausführlich im Zweiten Teil, Kap. IX 1. und 2. 73  Siehe dazu die ausführliche Erörterung zur Verhandlungsgeschichte der Wüstenkonvention im Zweiten Teil, Kap. IX. 3. b). 74  So Durner, Common Goods, S. 291. 69

2. Unterschiede zwischen common heritage und common concern

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senschaftliche Erkenntnis, es handele sich dabei um ein Umweltproblem, das sowohl die Erde in ihrer Gesamtheit als auch alle gegenwärtigen und zukünftigen Generationen der Menschheit betrifft, die Chancen ungemein erhöht, dass eine ausreichende Anzahl an Staaten ein gemeinschaftliches Interesse an der Bekämpfung des Klimawandels artikulieren würde. In jedem Fall dürften die vereinzelten Stimmen in der Literatur, denen zufolge ein wie auch immer gelagertes Staatengemeinschaftsinteresse bereits für sich genommen ausreichen soll, um den Schutz eines bestimmten Umweltgutes völkerrechtlich als eine gemeinsame Sorge der Menschheit einzustufen, die Entstehungsvoraussetzungen eines common concern of humankind nur unzureichend umschreiben. Vielmehr scheint in der Realität der Vertragspraxis die faktische Bedrohung der gesamten Menschheit einen Konsens innerhalb der Staatengemeinschaft über die Dringlichkeit des entsprechenden Umweltproblems überhaupt erst möglich zu machen. Dies spiegelt sich zudem im jeweiligen Wortlaut der beiden bisher anerkannten Anwendungsfälle des common concern (Klima- und Artenschutz) wider, wonach ein bereits bestehendes Staatengemeinschaftsinteresse nur „anerkannt“ bzw. „bestätigt“ und nicht erst begründet wurde. 75 Demnach scheint bislang in der Realität der Vertragspraxis sowohl das „objektive“ Vorliegen eines gravierenden globalen Umweltproblems als auch der kollektive subjektive Willen einer ausreichenden Vielzahl von Staaten – als Artikulation eines Staatengemeinschaftsinteresses – erforderlich zu sein, um das common concern-Prinzip zur Anwendung zu bringen. In ähnlicher Weise wie das Prinzip des gemeinsamen Erbes der Menschheit lässt somit das common concern of humankind-Prinzip ebenfalls  – vorsichtig formuliert  – in Gestalt eines gravierenden globalen Umweltprobems sowie eines Staatengemeinschaftsinteresses an seiner Bekämpfung zumindest schemenhaft gewissermaßen tatbestandsähnliche Konturen erkennen.

2 . Unterschiede zwischen common heritage und common concern Nachdem bislang der Schwerpunkt auf den Gemeinsamkeiten von common heritage- und common concern of humankind-Prinzip ruhte, werden im Folgenden auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen deren mannigfaltigen Unterschiede betont, um auf diese Weise die Konturen beider Prinzipien stärker hervortreten zu lassen. Sie unterscheiden sich zunächst bei genauerer Betrachtung bereits nach ihrem Prinzipientypus (a). Des Weiteren haben sie einen unterschiedlichen r­ äumlichen Anwendungsbereich (b) und dementsprechend eine unterschiedliche räumlich-­ funktionale Bedeutung innerhalb der internationalen Umweltschutzordnung (c).  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 1 der Präambel: „Acknowledging that that Change in the Earth’s climate is a common concern of humankind.“ UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 3 der Präambel. „Affirming that the conservation of biological diversity is a common concern of humankind, (…).“

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XII. Abgrenzung des common concern of humankind vom common heritage …

Sodann unterscheiden sie sich im Hinblick auf ihren Normierungszweck und -umfang (d) sowie ihre Interessenausrichtung (e). Außerdem haben sie einen unterschiedlichen Schutzgüterbezug und sachlichen Anwendungsbereich (f) und unterscheiden sich schließlich in ihren materiellen Rechtswirkungen (g), ihrem Verhältnis zu anderen konkurrierenden Rechtssätzen (h) und in ihrem Bestimmtheitsgrad (i).

a) Prinzipientypus Zunächst lassen sich common heritage- und common concern-Grundsatz einem unterschiedlichen Prinzipientypus zuordnen.76 Während die common concern of humankind-­Maxime ein allgemeines Prinzip des Umweltvölkerrechts darstellt, handelt es sich beim common heritage of mankind-Grundsatz um ein Statusprinzip, das einen Unterfall des allgemeinen Prinzips darstellt, weil es sich von ihm durch einige Besonderheiten unterscheidet.77 Gemeinsam haben CCM- und CHM-Prinzip zunächst, dass sie – im Gegensatz zu den an anderer Stelle erwähnten, auf den Einzelfall zugeschnittenen besonderen Statusbegriffen78 – als verallgemeinerte Rechtssätze durchweg im Rahmen mehrerer völkerrechtlicher Instrumente auf verschiedene Umweltgüter bzw. zum Schutz verschiedener globaler Menschheitsbedrohungen Anwendung finden können und gerade deshalb Prinzipienqualität besitzen.79 So wurde das common concern of humankind-­Prinzip bislang zum Schutz des Weltklimas in der Klimarahmenkonvention verankert und zum Schutz der Biodiversität in der Biodiversitätskonvention niedergelegt.80 Darüber hinaus wurde seine Verankerung in völkerrechtlichen Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung sowie zum Waldschutz diskutiert.81 Außerdem wird gelegentlich spekuliert, das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht aus dem Jahre 198582 würde  – käme es heutzutage zustande – den Schutz der Ozonschicht ebenfalls zum common concern of humankind erklären.83 Unterblieben sei dies im Jahre 1985 lediglich deshalb, weil das CCM-Prinzip damals schlichtweg noch nicht existiert habe.84 Untermauert werde diese An Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 2. b). Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 276 ff.   Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 2. b). 78  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 2. a). 79  So zum Charakter von allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts Durner, Common Goods, S. 25, 27. 80  Siehe die Ausführungen zur (rechts-)geschichtlichen Entwicklung des Begriffs common concern weiter oben, Dritter Teil, Kap. VII.–IX. 81  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 3. a) und b). 82  Vienna Convention for the Protection of the Ozone Layer, in Kraft getreten am 22. September 1988; UNTS Bd. 1513, S. 293; BGBl. 1988 II, S. 902. 83  So Brunnée, a conceptual framework, S. 57 Fn. 98; siehe auch Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164). 84  So Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164). 76 77

2. Unterschiede zwischen common heritage und common concern

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nahme von dem Umstand, dass die UN-Generalversammlung in der Präambel ihrer Resolution 43/53 ausdrücklich auf die Gefahren der voranschreitenden Ozonschichtzerstörung Bezug genommen habe, als sie in derselben Präambel den Rechtsbegriff des common concern of humankind geschaffen habe.85 Neuerdings wird in zumeist rechtspolitischen Vorstößen etwa vorgeschlagen, die Bekämpfung von Waldbränden86 oder die Verhinderung des Meeresspiegelanstiegs87 zum common concern zu erklären. Schließlich wird der Terminus common concern neuerdings sogar außerhalb des Umweltschutzkontextes in Anspruch genommen, wenn dafür plädiert wird, den Schutz der Menschenrechte als common international concern besonders hervorzuheben.88 Entscheidend für die Prinzipienqualität der common concern-Idee spricht deren Verankerung in zweiverbindlichen Völkerrechtsdokumenten, namentlich in der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention. In beiden Übereinkommen hat der Begriff common concern of humankind verbindliche und einheitliche Rechtsfolgen und stellt daher ebenfalls ein allgemeines völkerrechtliches Prinzip dar.89 Das common heritage of mankind-Prinzip gilt seinerseits nach Auffassung zahlreicher Staatenvertreter und einiger Lehrmeinungen für die Hohe See, das Tiefseebett, für den Weltraum und den Mond sowie in gewissem Umfang auch für die Antarktis und wird darüber hinaus bisweilen sogar generell für sämtliche Gebiete außerhalb der Grenzen nationaler Souveränität in Anspruch genommen.90 Nach der dogmatisch engen Interpretation der sogenannten Elementenlehre  – welcher sich der Verfasser angeschlossen hat – liegt der common heritage-Gedanke als konzeptionelles Gerüst nur zwei völkerrechtlich verbindlichen Übereinkommen zugrunde, der Seerechtskonvention in der Fassung des Umsetzungsübereinkommens und dem Mondvertrag.91 Wie bereits dargelegt wurde, hat das common heritage-Prinzip indes in beiden Übereinkommen verbindliche und einheitliche Rechtsfolgen und stellt daher ein allgemeines völkerrechtliches Prinzip dar:92 Es macht zunächst einmal die übergreifende abstrakte Aussage, dass sich die Staatengemeinschaft im Hinblick auf die Nutzung staatsfreier Räume als Solidargemeinschaft versteht und alle Staaten  UNGA-Resolution 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326; vgl. zum Zusammenhang zwischen der Erklärung des Klimawandels zum common concern und der Bezugnahme auf die Ozonschichtzerstörung in ein und derselben Resolution die Ausführungen von Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164). 86  Robinson, 18 Pace Environmental Law Review (2001), S. 459 (460).  87  Malé Declaration on Global Warming and Sea Level Rise, 18. November 1989, u. a. abgedruckt in: 5 Am. U.J. Int’l L. & Pol’y (1990), S. 602, in deren Präambel es heißt, dass „climate change, global warming and sea level rise … have become a common concern of mankind“. 88  Diesen Vorschlag unterbreitet etwa Beitz, 95 American Political Science Review (2001), S. 269 (269). 89  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. 90  Siehe statt mancher etwa Wolfrum, 43 ZaöRV 1983, S. 314: „(…) a valid principle governing the use of areas which lie outside of the limits of national jurisdiction (…)“. 91  Siehe Dritter Teil, Kap. VIII. 1. a) und b) sowie 2. 92  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. 85

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XII. Abgrenzung des common concern of humankind vom common heritage …

grundsätzlich als gleichberechtigt gelten.93 Dieser Grundgedanke wird sodann über verstärkte Kooperations- und Solidarpflichten aller Staaten näher ausgestaltet.94 Doch diese im Vergleich mit dem common concern-Prinzip wesentlich stärker ausgeprägten Konkretisierungen des common heritage-Gedankens vermögen rechtstechnisch nichts an seinem Prinzipiencharakter zu ändern; denn obwohl der common heritage-Ansatz materielle Rechte und Pflichten begründet, weisen diese, insbesondere soweit es um Schranken für allgemeine Freiheitsrechte geht, einen noch immer vergleichsweise hohen Abstraktionsgrad auf. Das common heritage-­Prinzip begründet zwar generelle, aber nicht spezifische Rechtspflichten.95 Seine Aussagen bleiben abstrakt und seine allgemeinen Leitlinien erreichen keinesfalls die Regelungsdichte eines völkerrechtlichen Vertrages.96 Es steckt lediglich einen Rahmen ab, welcher den Staaten zwar sehr allgemein gehaltene Ergebnisverpflichtungen,97 aber keine konkreten Handlungs- oder Unterlassungspflichten auferlegt und insoweit letztlich ausfüllungsbedürftig bleibt.98 Genauso wie das common concern-­Prinzip lässt das common heritage-Konzept daher eine Vielzahl von praktischen Konkretisierungsfragen offen und ist somit ohne weitere Präzisierungen in völkerrechtlichen Verträgen weder operationalisierbar noch justitiabel.99 Während das common concern-Prinzip keinerlei Konkretisierungen enthält, wird der common heritage-Grundsatz über seine unterschiedlichen materiellen Rechtssätze konkretisiert, ohne hierdurch allerdings die Konkretisierungsschwelle zu einer völkerrechtlichen Regel zu über­ schreiten. Beide Prinzipien weisen somit lediglich einen ­ unterschiedlichen ­Abstraktions-bzw. Konkretisierungsgrad auf. Im Hinblick auf die Frage nach der Prinzipienqualität beider Rechtssätze lässt sich daher zunächst festhalten: Sowohl das common heritage- als auch das common concern-Prinzip sind allgemeine Sätze des Völkervertrags- oder gewohnheitsrechts, die gegenüber ihren speziellen Anwen Siehe Wolfrum, Internationalisierung, S. 393.  Zu diesen etwas konkreteren Umschreibungen des common heritage-Grundsatzes in den verschiedenen völkerrechtlichen Übereinkommen siehe Wolfrum, Internationalisierung, S. 389 f. 95  So Wolfrum, common heritage of mankind, in: EPIL I, S.  692 (694): „The common heritage principle (…) constitutes a distinct basic principle providing general but not specific legal obligations with respect to the utilization of areas beyond national jurisdiction.“ (Hervorhebungen vom Verfasser). 96  Ähnlich Wolfrum, Internationalisierung, S. 393. 97  Den Begriff der „Ergebnisverpflichtungen“ im Zusammenhang mit Prinzipien verwenden etwa Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 82. Ursprünglich entstammt er wohl Art. 21 des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit, siehe Draft articles on State responsibility, provisionally adopted by the Commission on first reading, ILC Yearbook 1996 II/2, S. 62 Art. 21. 98  Ähnlich Wolfrum, Internationalisierung, S. 395. 99  Ähnlich für einige Statusprinzipien Durner, Common Goods, S. 284; siehe außerdem allgemein zum Charakter von Prinzipien Sands, in: Sustainable Develpment and International Law, 53 (54 ff.); Cheng, Principles of Law, S. 376; Kamto, 20 RJE (1993), 11 (12 ff.) und Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S.  82, denen zufolge „[v]ölkerrechtliche Prinzipien (…) als solche nur begrenzt operationell handhabbar sind, (…) aber gleichwohl Ausgangspunkt für rechtliche Überlegungen und die Formulierung verbindlicher Rechte und Pflichten sein können“. Siehe wiederum Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 123 und 126 im Zusammenhang mit dem Prinzipiencharakter des Vorsorgegrundsatzes. 93 94

2. Unterschiede zwischen common heritage und common concern

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dungsregeln einen höheren Generalitätsgrad aufweisen und sich daher als allgemeine völkerrechtliche Prinzipien qualifizieren lassen.100 Das common heritage of mankind-Prinzip hebt sich allerdings im Hinblick auf seinen Prinzipiencharakter insofern vom common concern of humankind-Prinzip ab, als es Umweltgütern bestimmter Territorien einen eigenen völkerrechtlichen Status zuweist.101 Für jene Umweltgüter und Territorien, auf welche das common heritage-Prinzip anwendbar ist, normiert es jeweils bestimmte Rechtsfolgen.102 Wie die meisten anderen Statusprinzipien beschränkt sich auch das CHM-Prinzip – im Gegensatz zum CCM-Prinzip – nicht auf eine einzige Rechtsfolge, sondern umfasst gleichsam als Prinzipienbündel eine Mehrzahl von Untersätzen.103 Demgegenüber lässt sich das common heritage-Prinzip nach der überwiegend vertretenen „Elementenlehre“ in mehrere einzelne Rechtsfolgenelemente untergliedern, ohne dass dadurch dessen Prinzipiencharakter als solcher infrage gestellt würde.104 Während das common concern-Prinzip von Anfang an gleichsam als umweltvölkerrechtliches Korrektiv bereits bestehender Regelungsmodelle konzipiert war und daher insofern funktionell begrenzt ist, enthält das common heritage-­ Statusprinzip selbst ein umfassendes Nutzungs-, Umweltschutz- und Verteilungsmodell für Umweltgüter der jeweiligen Territorien, für die es gilt. Es legt – stark verkürzt  – die Zugangs- und Nutzungsberechtigung einzelner Staaten fest, gewährleistet den Schutz der Rechte der jeweils anderen Staaten durch Regelungen über einen schonenden Souveränitätsausgleich und berücksichtigt punktuell über eine Verankerung von Gemeinwohlpflichten die Interessen der gesamten Staatengemeinschaft. Mithin enthält das CHM-Prinzip ein zwar hoch abstraktes, aber umfassendes Rahmenmodell, das auf die Regelung der wesentlichen völkerrechtlichen Fragen der Ressourcenverteilung abzielt. Funktionell ähnelt es daher etwa dem Recht der öffentlichen Sachen im deutschen Verwaltungsrecht, sodass man das CHM-Prinzip auch durchaus als Bestandteil eines Völkerrechts der internationalen Sachen bezeichnen könnte.105 Diese grundlegende prinzipientypische Unterscheidung zwischen dem allgemeinen Prinzip des common concern of humankind einerseits und dem Statusprinzip des common heritage of mankind andererseits, wird sich gleichsam leitmotivisch wie ein roter Faden durch die nachfolgende Betrachtung ziehen und daher  – mit ­gewissen unvermeidlichen Überschneidungen – an mehreren Abgrenzungsmerkmalen erneut auftauchen.

100  Siehe zu dieser Definition eines völkerrechtlichen Prinzips die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIII. 1. a) cc). 101  Durner, Common Goods, S. 20. 102  Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 20. 103  So überzeugend Durner, Common Goods, S. 277. 104  Siehe Dritter Teil, Kap. VIII. 2. Siehe zum Rechtscharakter des common heritage-Prinzips auch die Ausführungen von Wolfrum, Internationalisierung, S. 393 ff. 105  Siehe zu diesen Merkmalen von Statusprinzipien Durner, Common Goods, S. 303 f.

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XII. Abgrenzung des common concern of humankind vom common heritage …

b) Räumlicher Anwendungsbereich Ein besonders wichtiges Merkmal für die Abgrenzung zwischen common heritageund common concern-Prinzip ergibt sich überdies aus ihrem unterschiedlichen räumlichen Anwendungsbereich. Bislang hat sich kein einziger völkerrechtlicher Vertrag, in dem das CHM-Prinzip verankert wurde, auf Räume bezogen, welche der Hoheitsgewalt eines Nationalstaates unterliegen.106 Nach der bisherigen völkerrechtlichen Staatenpraxis ist das CHM-Prinzip somit nicht auf jene Ressourcen anwendbar, die in staatlichen Hoheitsbereichen belegen sind. Vielmehr unterwirft es nur diejenigen Ressourcen einem Nutzungs- und Verteilungsregime, die sich in bestimmten staatsfreien Räumen befinden.107 Diesem Befund liegt eine Ursache zugrunde, die zugleich unmittelbar mit der Entstehung des common concern of humankind-­Prinzips verknüpft ist: Das common heritage-Prinzip zielt letztlich auf die internationale Verwaltung der jeweiligen Ressourcen ab.108 Dass diejenigen Nationalstaaten, in deren Territorium sich die betreffenden Ressourcen befinden, einer solchen Vergemeinschaftung ihrer Naturgüter zustimmen würden, ist angesichts der enormen wirtschaftlichen Bedeutung vieler Rohstoffe für die jeweiligen Staaten schwer vorstellbar.109 Daher war es letztlich die Furcht der betroffenen Entwicklungsländer vor einem drohenden Souveränitätsverlust durch die Verankerung eines allgemeinen Zugangsrechts zu ihren genetischen Ressourcen, die in den Verhandlungen zur Biodiversitätskonvention letztlich zur Ablehnung des common heritage of mankind-Prinzips führte.110 Stattdessen wurde daher das common concern of humankind-­Prinzip verankert; denn im Gegensatz zum CHM-Prinzip lässt das common concern-Prinzip in seiner bisherigen Ausprägung die Eigentümerstellung der jeweiligen Nationalstaaten im Hinblick auf die betroffenen Ressourcen ­unangetastet und konfligiert – jedenfalls auf den ersten Blick – auch ansonsten nicht mit der Souveränität der betroffenen Staaten.111 In den anschaulichen Worten von Brunnée „(…) the [CCM-] concept (…) treads gingerly around (both common property regimes and) the territorial sovereignty of individual states“.112

 So in einem anderen Zusammenhang auch bereits Mgbeoji, 16 LJIL (2003); S. 821 ff. Siehe ferner Taylor, Common heritage, in: Krämer (Hrsg.), Principles, S. 303 (305). Siehe zur Staatenpraxis in Bezug auf das common heritage-Prinzip die Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. VIII. 107  Siehe zu den staatsfreien Räumen die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. a) und 2. d). 108  Ähnlich Wolfrum, common heritage of mankind, in: EPIL II, S. 692 (692) und Sand, Accountability for the Commons, S. 15. Siehe ferner Taylor, Common heritage, in: Krämer (Hrsg.), Principles, S. 303 (305): „It is considered to be the most developed form of international environmental trust“. 109  So Brunnée, Conceptual Framework, S. 56. 110  Siehe dazu Brunnée, Conceptual Framework, S.  56 f.; Mgbeoji, 16 LJIL (2003); S.  821 ff.; Maffei, 36 GYIL (1993), S. 131 (165). Durner, Common Goods, S. 245 f. Siehe dazu Dritter Teil, IX. 2. a) aa). 111  Siehe zum genaueren Verhältnis zwischen CCM-Prinzip und Souveränität weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 4. 112  So Brunnée, common concern, S. 564 f. 106

2. Unterschiede zwischen common heritage und common concern

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Den Vorzug vor dem CHM-Prinzip erhielt das CCM-Prinzip vor allem, weil es nicht die auf dem Territorium des betreffenden Staates befindliche Ressource, sondern vielmehr die nachteiligen globalen Auswirkungen ihrer Abnutzung zum ­Gegenstand einer „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ erklärt.113 Das common concern-­Prinzip betrifft somit jedenfalls nicht die Eigentümer-, sondern  – wenn überhaupt – vielmehr die Nutzungsdimension der geschützten Ressource.114 Im Gegensatz dazu schließt das common heritage of mankind-Prinzip – ähnlich wie das Konzept der Gemeinschaftssache (res communes) – die Ausübung oder Beanspruchung von staatlicher Souveränität über das jeweilige Territorium und die in ihm belegenen Ressourcen aus. So schreibt Art. 137 Abs. 1 SRK vor, dass „[n]o State shall claim or exercise sovereignty or sovereign rights over any part of the Area or its resources (…)“.115

Eine entsprechende Regelung findet sich in Art. 11 des Mondvertrags.116 Im Hinblick auf ein und dasselbe Territorium schließen sich daher das Prinzip der staatlichen Souveränität über natürliche Ressourcen und der common heritage-Grundsatz wechselseitig aus und beanspruchen als Statusprinzipien exklusive Anwendung.117 Auch würde ansonsten das nach herrschender Auffassung im CHM-Prinzip enthaltene Okkupationsverbot hinsichtlich solcher Ressourcen, die sich ohnehin bereits unter der Verfügungsgewalt eines Staates befinden, keinen Sinn ergeben und leerlaufen. Festzuhalten bleibt somit, dass globale Umweltprobleme, deren Ursachen in staatlichen Territorien liegen, sowohl nach der Vertragspraxis als auch nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen nicht in den (potenziellen) räumlichen Anwendungsbereich des common heritage-Grundsatzes fallen, sondern stattdessen vielmehr vom common concern-Prinzip erfasst werden können, das mit dem Grundsatz der staatlichen Souveränität in einem Spannungsverhältnis steht.118 Demnach ist das CCM-Prinzip grundsätzlich hinsichtlich solcher Umweltbelastungen ­anwendbar, die aus der Abnutzung von Ressourcen resultieren, die sich innerhalb von Hoheitsgebieten befinden. Daneben kann es jedoch grundsätzlich auch solche globalen Umweltbelastungen erfassen, die sich aus dem Verbrauch von Ressourcen ergeben, die in den staatsfreien Räumen lokalisiert sind.119 Somit hat das CCM-­Prinzip einen weiter gefassten räumlichen Anwendungsbereich als das CHM-­Prinzip, dessen Anwendung vorerst auf solche Räume begrenzt bleibt, die außerhalb staatlicher Jurisdiktion liegen.  Brunnée, Conceptual Framework, S. 59; dies., common concern, S. 564 f.  So zu Recht Brunnée, Conceptual Framework, S. 59: „What is crucial then, particularly when comparing the concept of ‚common concern‘ to that of ‚common heritage‘, is that it does not purport to circumscribe the ‚ownership‘ dimension of state sovereignty of natural resources, but merely its ‚use‘ dimension.“ 115  United Nations Convention on the Law of the Sea, 21 ILM 1982, S. 1261 ff., Art. 137. 116  Art. 11 Moon Agreement, abgedruckt in: 18 ILM 1979, S. 1434 ff. 117  Siehe zur Exklusivität von Statusprinzipien die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XII. 2. f). 118  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 4. a). 119  Ähnlich Brunnée, common concern, S. 564 f. und French, Common concern and common heritage, in: Bowman/Davies/Goodwin (Hrsg.), Biodiversity and Law, S. 334 (343). 113 114

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XII. Abgrenzung des common concern of humankind vom common heritage …

c) Räumlich-funktionale Bedeutung Hieran anknüpfend lassen sich beide Prinzipien außerdem nach der räumlich-­ funktionalen Bedeutung unterscheiden, die ihnen innerhalb der internationalen Umweltschutzordnung zukommt. Gemeinsam ist beiden Prinzipien zunächst, dass sie – wie allerdings auch einige andere völkerrechtliche Konzepte – in die Rechtslücke zielen, die aus der Diskrepanz zwischen der örtlichen Reichweite einzelstaatlicher Handlungen und ihrer jeweiligen Regelungskompetenz resultiert,120 die infolge der künstlichen Aufteilung der globalen Umwelt in unterschiedliche Rechtsräume auf ihr eigenes Territorium beschränkt ist.121 Anders ausgedrückt: Beide Prinzipien dienen dazu, nachträglich Problembereiche zu regeln, die in der dezentralen Rechtsordnung des Völkerrechts, die den einzelnen Staaten grundsätzlich alles erlaubt, was nicht ausnahmsweise von völkerrechtlichen Verboten erfasst wird, gerade deshalb ungeregelt geblieben ist, weil die einzelnen Nationalstaaten zunächst einmal ihre egoistischen Interessen verfolgen und eine Selbstbeschränkung auf der völkerrechtlichen Ebene stets einen internationalen Konsens erfordert, der oftmals nur schwer zu erzielen ist. Sowohl common heritage- als auch common concern-Prinzip zielen mithin darauf ab, entsprechende Regelungskompetenzen auf der Ebene des Völkerrechts zu schaffen und die einzelstaatliche Souveränität insoweit zu begrenzen.122 Doch schließen beide Prinzipien in sachlicher Hinsicht unterschiedliche „Rechtslücken“:123 Auf der einen Seite schließt das common concern-Prinzip jene Schutzlücke, die daraus entsteht, dass globale Umweltprobleme nicht vom traditionellen völkerrechtlichen Nachbarschutz erfasst werden und daher die jeweiligen „Verschmutzerstaaten“ für ihr Verhalten nicht völkerrechtlich zur Verantwortung ­gezogen werden können.124 Auf der anderen Seite zielt das common heritage-Prinzip in eine als ungerecht empfundene völkerrechtliche Lücke, die entstanden ist, weil einige wenige Staaten sich technisch in die Lage versetzt haben, die hoheitsfreien Räume wie den Tiefseeboden, den Mond, die Antarktis und den Weltraum zu erkunden und die dortigen Ressourcen in zunehmendem Maße wirtschaftlich zu nutzen, zugleich aber aus völkerrechtlichen Gründen weder ein Staat noch eine supranationale Institution für die Verwaltung jener staatsfreien Räume befugt ist; denn die staatsfreien Räume zeichnen sich – zum Teil bis heute – dadurch aus, dass es ihnen an einem Ordnungsrahmen fehlt, anhand dessen sich die zum Teil gegenläufigen Interessen der einzelnen Staaten ausgleichen und ihre Nutzungen koordinieren lassen. Diese „administrative Lücke“ wird überdies als „Gerechtigkeitslücke“ empfunden, da zwar einerseits alle Staaten ein wirtschaftliches Interesse an der Nut Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 2. und Einleitung vor a). Siehe außerdem Bothe, 102 AöR (1977), 68 (68); Kloepfer, DVBl. 1984, 245 (252); ders., Umweltrecht, § 9 Rn. 3, S. 626. 121  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 1. a). 122  Siehe Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rn. 74; siehe auch Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 850. 123  Ob es im Völkerrecht tatsächlich überhaupt „Rechtslücken“ geben kann, ist umstritten. Siehe dazu statt vieler Fastenrath, Lücken im Völkerrecht. 124  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. c). 120

2. Unterschiede zwischen common heritage und common concern

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zung der staatsfreien Räume haben, doch andererseits nur eine Hand voll Staaten technisch und wirtschaftlich zur Erbeutung der dortigen Ressourcen in der Lage ist. Das common heritage-Prinzip ist somit das vorläufige Ergebnis einer Suche nach neuen völkerrechtlichen Ordnungsmodellen für die staatsfreien Räume, deren Antriebsfeder der Wunsch nach einer völkerrechtlich geregelten Erschließung und möglicherweise Verteilung solcher Ressourcen war, deren Nutzung technisch als möglich und unter dem Eindruck weltweit empfundener Verknappung von Rohstoffen auch als wünschenwert erschien.

d ) Normierungszweck und Normierungsumfang (materieller Norminhalt) Beide Prinzipien unterscheiden sich des Weiteren im Hinblick auf ihren Normierungszweck sowie auf den Umfang, in welchem sie den von ihnen erfassten Anwendungsfall völkerrechtlich normieren. Im Vergleich mit dem common heritage-­Prinzip verfügt der common concern-Grundsatz über einen stark eingeschränkten Normierungszweck und -umfang. Zunächst einmal unterscheiden sich beide Prinzipien hinsichtlich der von ihnen intendierten Rechtwirkungen und verfolgen somit einen unterschiedlichen Normierungszweck. Im Einzelnen ist damit Folgendes gemeint: Die Rechtssätze des common heritage of mankind sind eine Ausprägung der Forderung nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung mit einem Ruf nach globaler Verteilungsgerechtigkeit in Bezug auf die wirtschaftlichen Erträge, die technisch höher entwickelte Staaten bei der Ausbeutung staatsfreier Räume erzielen können.125 Demzufolge stellt das CHM kein genuin umweltschützendes Prinzip dar, sondern zielt stattdessen in erster Linie darauf ab, die Nutzung und Verteilung der in den staatsfreien Räumen befindlichen Ressourcen im Interesse der internationalen Staatengemeinschaft zu regeln. Demgegenüber handelt es sich beim CCM-Prinzip um einen Grundsatz, der sich im Kontext des internationalen Umweltschutzes entwickelt hat und daher einen ganz spezifischen und ausschließlichen Bezug zum Schutz vor globalen Umweltproblemen aufweist. Das CCM-Prinzip ist ganz und gar auf die Bewahrung bestimmter Ressourcen beschränkt, deren Erhalt im Interesse der Staatengemeinschaft liegt. Indem es spezifisch ausgewählte Umweltgüter als schutzbedürftig und schützenswert anerkennt und nicht darauf abzielt, die Verteilung von Ressourcen zu regeln, unterscheidet sich das Prinzip des common concern of humankind fundamental vom Prinzip des common heritage. Anders als das CHM begründet es selber keine materiellen Rechte bzw. Pflichten, sondern erhebt vielmehr bereits bestehende umweltbezogene Pflichten in den Rang einer erga omnes-Verpflichtung.126 Insbesondere ist das CCM  Siehe Dritter Teil, Kap. VIII. 1. Siehe ferner Wolfrum, common heritage of mankind, in: EPIL I, S. 692 (694 f.). 126  Siehe die Diskussion zum Begriff common concern of humankind weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIV. 1.

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hinsichtlich seiner Rechtswirkungen vom sogenannten ökologischen Element des CHM-Prinzips abzugrenzen, zumal es oftmals irrigerweise als mit diesem identisch eingestuft wird: Das ökologische Element des CHM ergänzt dieses lediglich insoweit um umweltschützende Aspekte, als es die Staaten dazu anhält, bei der Ausbeutung der in den staatsfreien Räumen befindlichen Ressourcen bestimmte Umweltschutzerfordernisse zu beachten.127 Im Unterschied zum CCM-Prinzip bezweckt das common heritage-Prinzip allerdings nicht primär die Bewahrung der betreffenden Ressource als solche. Es war vor allen Dingen diese unterschiedliche Zweckrichtung von common heritage- und common concern-­Prinzip, die im Kontext des Klima- und Biodiversitätsschutzes zur Abkehr vom CHM-Prinzip und zur Entwicklung des CCM-Prinzips führte. Der Vorschlag, das Klima und die Erhaltung der Biodiversität zum common heritage of mankind zu erklären, ist daher im Rückblick als gescheiterter Versuch anzusehen, dieses Prinzip auf Problemlagen zu übertragen, zu deren Lösung es wenig bis nichts beizutragen vermag.128 Mit seiner Beschränkung auf den Aspekt des globalen Umweltschutzes unter Ausklammerung jedweder Nutzungsund Verteilungsfragen erschien das common concern-Prinzip geradezu prädestiniert, die Verantwortlichkeit aller Staaten für die Vermeidung globaler Umweltbelastungen durch die Begründung von erga omnes-Verpflichtungen völkerrechtlich zu untermauern, ohne zugleich die Souveränität der betroffenen Nationalstaaten nach dem Vorbild des common heritage-­Prinzips abzuerkennen und die jeweiligen Ressourcen zu vergemeinschaften. Des Weiteren unterscheiden sich beide Prinzipien in Bezug auf den Umfang, in welchem sie den von ihnen erfassten Anwendungsfall völkerrechtlich zu normieren suchen. Während das common concern-Prinzip von Anfang an gleichsam als „rein umweltvölkerrechtliches Korrektiv bereits bestehender Regelungsmodelle“129 konzipiert war und daher insofern gewissermaßen funktionell begrenzt ist, liefert das common heritage-Statusprinzip selbst ein umfassendes Nutzungs-, Umweltschutzund Verteilungsmodell für Umweltgüter innerhalb der jeweiligen Territorien, für die es gilt.130 Das CHM-Prinzip zielt darauf ab, alle wesentlichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Nutzung von Ressourcen in den jeweiligen staatsfreien Räumen zu normieren und stellt somit ein vielgestaltiges Prinzip dar.131 Es legt – stark verkürzt – die Zugangs- und Nutzungsberechtigung einzelner Staaten fest, schützt die Rechte der jeweils anderen an einer Nutzung interessierten Staaten und hat daher einen wechselseitigen schonenden Souveränitätsausgleich im Sinn.132 Außerdem berücksichtigt es punktuell über eine Verankerung von Gemeinwohlpflichten die Interessen der gesamten Staatengemeinschaft.133 Indem es einerseits sachliche  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 2. d) cc).  Siehe auch Dritter Teil, Kap. IX. 1. a) und 2. a). 129  So Durner, Common Goods, S. 303. 130  So Durner, Common Goods, S. 303 allgemein zum Begriff der Statusprinzipien. 131  Siehe Durner, Common Goods, S. 282. 132  Die griffige Formulierung „wechselseitiger schonender Souveränitätsausgleich“ stammt von Kloepfer/Kohler, Kernkraftwerk und Staatsgrenze, S. 28 ff., insbesondere S. 36 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rn. 44. 133  Ebenso Durner, Common Goods, S. 303. 127 128

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Rechte (Zugangs- und Nutzungsfreiheiten) zubilligt und andererseits objektive Grenzen (Rücksichtnahmegebote) festlegt, formuliert das common heritage-Prinzip substanzielle Rechtsbeziehungen zwischen allen an einer Nutzung interessierten Nationalstaaten. In Gestalt seiner Gebote zum Umweltschutz, zur Demilitarisierung sowie zur Forschungsfreiheit stellt das common heritage weitere substanzielle Grundsätze der internationalen Zusammenarbeit auf. Schließlich zielt der CHM-­ Grundsatz über eine Pflicht zur Gewinnausschüttung an die Staatengemeinschaft sowie durch einen Handlungsauftrag an die Staaten zur Schaffung eines internationalen Verwaltungsmodells auf eine weitgehende Vergemeinschaftung der Ressourcen in staatsfreien Räumen. Neben diesen materiellen Normierungen enthält das common heritage-Prinzip eine Verfahrensdimension, indem es Kooperations- und Verfahrenspflichten aufstellt. Im Gegensatz zum common concern-­Grundsatz stellt das CHM-Prinzip folglich echte materielle Rechtssätze auf und enthält ein zwar ebenfalls hoch abstraktes, aber gleichwohl umfassendes Rahmenmodell, das auf die Regelung der wesentlichen völkerrechtlichen Fragen der Ressourcenverteilung in staatsfreien Räumen abzielt.134 Der common heritage-­Grundsatz macht zunächst einmal die übergreifende abstrakte Aussage, dass sich die Staatengemeinschaft im Hinblick auf die Nutzung staatsfreier Räume als Solidargemeinschaft versteht und alle Staaten grundsätzlich als gleichberechtigt gelten.135 Dieser Grundgedanke wird sodann über verstärkte Kooperations- und Solidarpflichten aller Staaten näher ausgestaltet.136 Doch diese im Vergleich mit dem common concern-Prinzip wesentlich stärker ausgeprägten Konkretisierungen des common heritage-Gedankens vermögen rechtstechnisch nichts an dessen Prinzipiencharakter zu ändern; denn obwohl es materielle Rechten und Pflichten begründet, weisen diese, insbesondere soweit es um Schranken für allgemeine Freiheitsrechte geht, einen noch immer vergleichsweise hohen Abstraktionsgrad auf. Das common heritage-Prinzip begründet zwar generelle, aber nicht spezifische Rechtspflichten.137 Seine Aussagen bleiben abstrakt und seine allgemeinen Leitlinien erreichen keinesfalls die Regelungsdichte eines völkerrechtlichen Vertrages.138 Es steckt lediglich einen Rahmen ab, welcher den Staaten zwar sehr allgemein gehaltene Ergebnisverpflichtungen,139 aber keine konkreten Handlungs- oder Unterlassungspflichten auferlegt und insoweit letztlich aus-

 So Durner, Common Goods, S. 303 allgemein für Statusprinzipien.  Siehe Wolfrum, Internationalisierung, S. 393. 136  Zu diesen etwas konkreteren Umschreibungen des common heritage-Grundsatzes in den verschiedenen völkerrechtlichen Übereinkommen Wolfrum, Internationalisierung, S. 389 f. 137  So Wolfrum, common heritage of mankind, in: EPIL I, S. 692 (694): „The common heritage principle (…) constitutes a distinct basic principle providing general but not specific legal obligations with respect to the utilization of areas beyond national jurisdiction.“ (Hervorhebungen vom Verfasser). 138  Siehe Wolfrum, Internationalisierung, S. 393. 139  Den Begriff der „Ergebnisverpflichtungen“ im Zusammenhang mit Prinzipien verwenden etwa Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 82. Ursprünglich entstammt er wohl Art. 21 des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit, siehe Draft articles on State responsibility, provisionally adopted by the Commission on first reading, ILC Yearbook 1996 II/2, S. 62 Art. 21. 134 135

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füllungsbedürftig bleibt.140 Genauso wie das common concern-Prinzip lässt es daher eine Vielzahl von praktischen Konkretisierungsfragen offen und ist somit ohne weitere Präzisierungen in völkerrechtlichen Verträgen weder operationalisierbar noch justitiabel.141 Während das common concern-Prinzip keinerlei Konkretisierungen enthält, wird der common heritage-Grundsatz über seine unterschiedlichen materiellen Rechtssätze konkretisiert, ohne hierdurch allerdings die Konkretisierungsschwelle zu einer völkerrechtlichen Regel zu überschreiten. Beide Prinzipien weisen somit lediglich einen unterschiedlichen Abstraktions- bzw. Konkretisierungsgrad auf.

e ) Unterscheidung nach der Interessenausrichtung/ Dimensionen des Interessensschutzes Voneinander abgrenzen lassen sich beide Prinzipien schließlich auch danach, ob und inwieweit sie Interessen unterschiedlicher Rechtsträger berücksichtigen. Während nämlich das common heritage-Prinzip einen Ausgleich zwischen den Interessen unterschiedlicher Rechtsträger herzustellen versucht, artikuliert das common concern-Prinzip ausschließlich ein Interesse der Staatengemeinschaft am Schutz vor globalen Umweltbelastungen. Das CHM-Prinzip normiert in erster Linie den völkerrechtlichen Status bestimmter Umweltgüter und bezieht sich daher zunächst einmal unmittelbar auf den betreffenden Gegenstand selbst. Zu diesem Zweck bündelt es allerdings zugleich rechtstechnisch eine Vielzahl von personalen Rechtsbeziehungen142 und zielt darauf ab, im Hinblick auf die betroffenen Ressourcen einen Ausgleich zwischen den Interessen einzelner Staaten und Staatengruppen sowie der Staatengemeinschaft als Ganzer zu schaffen.143 In seiner ersten Interessenausrichtung formuliert das com-

 Ähnlich Wolfrum, Internationalisierung, S. 395.  Ähnlich für einige Statusprinzipien Durner, Common Goods, S. 285 f.; siehe allgemein zum Charakter von Prinzipien außerdem Sands, in: Sustainable Develpment and International Law, 53 (54 ff.); Cheng, Principles of Law, S. 376; Kamto, 20 RJE (1993), 11 (12 ff.) und Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S.  82, denen zufolge „[v]ölkerrechtliche Prinzipien (…) als solche nur begrenzt operationell handhabbar sind, (…) aber gleichwohl Ausgangspunkt für rechtliche Überlegungen und die Formulierung verbindlicher Rechte und Pflichten sein können“. Siehe wiederum Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 123 und 126 im Zusammenhang mit dem Prinzipiencharakter des Vorsorgegrundsatzes. Siehe zudem Vierter Teil, Kap. XIII. 1. 142  Siehe zum Begriff der „personalen Rechtsbeziehungen“ Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 9 m.w.N. 143  So Durner, Common Goods, S. 288, der seinerseits zwischen drei Funktionen von Statusprinzipien unterscheidet, namentlich 1) Anerkennung der Zugangs-. Nutzungs- und Verfügungsberechtigung einzelner Staaten über bestimmte Naturgüter, 2) Schutz der Rechte anderer Staaten durch Regelungen über einen schonenden Souveränitätsausgleich und 3) Berücksichtigung der Interessen der Staatengemeinschaft insgesamt durch die Regelung von Gemeinwohlaspekten. 140 141

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mon heritage-Statusprinzip Verfügungsrechte aller Staaten über Ressourcen in bestimmten staatsfreien Räumen und schreibt im Ausgangspunkt grundsätzlich den freien Zugang aller Staaten zum gemeinsamen Erbe der Menschheit fest.144 Diese Zugangsberechtigung schließt grundsätzlich auch das Recht zur Nutzung der entsprechenden Ressource mit ein, und insofern ist das CHM-Prinzip zunächst Ausdruck der souveränen staatlichen Handlungsfreiheit.145 Allerdings besteht diese Zugangs- und Nutzungsberechtigung der einzelnen Staaten, das heißt das Recht, die jeweiligen Ressourcen in den betreffenden staatsfreien Räumen zu verwenden und zu bewirtschaften, nur insoweit, als keine völkerrechtlichen Schranken entgegenstehen.146 In seiner zweiten Interessenausrichtung schützt das common heritage-­ Prinzip deshalb die Interessen und Rechte einzelner Nationalstaaten, das heißt aller jeweils betroffenen anderen nutzenden Staaten, indem es ein Rücksichtnahmegebot verankert. Dem Rahmenmodell des CHM-Prinzips liegt somit der Gedanke zugrunde, zwischen allen jeweils betroffenen Staaten einen „schonenden Souveränitätsausgleich“147 herbeizuführen. Schließlich zielt das common heritage-Prinzip in seiner dritten Interessendimension darauf ab, auch die Interessen und Rechte der internationalen Staatengemeinschaft zu sichern, und dient somit zusätzlich dem Schutz des Gemeinwohls. In Gestalt seiner Gebote zur Demilitarisierung und zum Umweltschutz normiert das CHM-Prinzip Rechtssätze, die nicht bloß den Schutz einzelner, möglicherweise besonders betroffener Staaten bezwecken, sondern ­darüber hinaus dem allgemeinen Interesse der Menschheit bzw. der gesamten Staatengemeinschaft am Erhalt der jeweiligen Ressourcen zu dienen bestimmt sind.148 Mit der Pflicht zur Ausschüttung der Nutzungsgewinne an die Staatengemeinschaft sowie über einen Handlungsaufrag zur Schaffung eines internationalen Verwaltungsmodells für die jeweiligen staatsfreien Räume zielt das Prinzip des Gemeinsamen Erbes der Menschheit außerdem auf die Vergemeinschaftung der betroffenen Ressourcen ab und dient insofern letztlich einem Interesse der Staatengemeinschaft.149 Demgegenüber handelt es sich beim common concern-Prinzip um einen Rechtssatz, der keinen schonenden Ausgleich zwischen der Souveränität verschiedener Staaten herzustellen sucht. Stattdessen beschränkt sich das CCM-Prinzip vollkommen darauf, Staatengemeinschaftsinteressen in solchen Bereichen zu artikulieren, die ursprünglich ausschließlich in die Verantwortung der Nationalstaaten fielen. Unter anderem wird damit das Verhalten der jeweiligen Staaten auf ihrem eigenen  Siehe zum gleichberechtigten Zugang aller Staaten zum gemeinsamen Erbe der Menschheit die Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. VIII. 2. a) bb) (1). 145  So allgemein Durner, Common Goods, S. 280 für die Statusprinzipien. Ausführliche Erörterungen zur staatlichen Handlungsfreiheit finden sich etwa bei Bleckmann, 29 ÖZöRV (1978), S. 173 ff. 146  Zum Verhältnis zwischen der territorialen Souveränität aller Einzelstaaten und ihren Schranken siehe weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. b) cc) und II. 147  Die griffige Formulierung „wechselseitiger schonender Souveränitätsausgleich“ stammt von Kloepfer/Kohler, Kernkraftwerk und Staatsgrenze, S. 28 ff., insbesondere S. 36 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 22. 148  Durner, Common Goods, S. 281 f. 149  Durner, Common Goods, S. 282. 144

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Territorium verstärkt in den Blick des Völkerrechts genommen. Die einzige rechtliche Funktion dieses Prinzips besteht letztlich darin, bestimmte Umweltpflichten in den Rang von erga omnes-Verpflichtungen zu heben und auf diese Weise ein rechtliches Interesse der Staatengemeinschaft als Ganzes anzuerkennen, das von jedem einzelnen Staat geltend gemacht werden kann.150 Das common concern-Prinzip normiert weder Zugangs- oder Verfügungsrechte einzelner Staaten noch etwaige Nutzungsschranken, bezweckt folglich keinen schonenden Souveränitätsausgleich und ist daher in seiner Zielsetzung begrenzter als das common heritage-Prinzip. Dies liegt zunächst in der Natur globaler Umweltbelastungen, auf deren Bekämpfung das CCM-Prinzip abzielt und welche per definitionem nicht lediglich grenzüberschreitend einzelne Staaten, sondern vielmehr die Erde in ihrer Gesamtheit betreffen.151 Anders als das common heritage-Prinzip beschäftigt sich das common concern-­ Prinzip überhaupt nicht mit Fragen der Nutzung oder Verteilung von Ressourcen, sondern ist lediglich mit ihrer Erhaltung im Interesse der gegenwärtigen und zukünftigen Menschheit befasst. Anliegen des common concern-Grundsatzes steht „die gerechte Verteilung von Verantwortlichkeiten, nicht die von natürlichen Ressourcen“.152 Während das CHM-Prinzip demnach trotz seiner Gemeinwohlorientierung noch immer Züge des herkömmlichen Koexistenzvölkerrechts trägt, ist das common concern-Prinzip überhaupt nicht auf die Lösung bilateraler Konfliktsituationen zugeschnitten, sondern bringt ausschließlich ein staatenübergreifendes Gemeinschaftsinteresse zum Ausdruck. Dieser Unterschied hängt außerdem mit dem unterschiedlichen räumlichen Anwendungsbereich beider Prinzipien zusammen.153 Anders als das CHM-Prinzip ist der common concern-Grundsatz  – jedenfalls nach der bisherigen Staatenpraxis  – nicht auf die staatsfreien Räume anwendbar.154 Wie bereits dargelegt wurde, sind jene Räume frei von territorialen Souveränitätsrechten einzelner Staaten über die Umwelt und stehen kraft Natur der Sache grundsätzlich allen Staaten zur Ausbeutung offen, sodass mehrere Nationalstaaten dort gleichberechtigt miteinander konkurrieren.155 Stattdessen gilt das CCM-Prinzip bislang lediglich für bestimmte ­globale Umweltbelastungen, deren Ursachen in spezifischen Verhaltensweisen  – etwa in der Abnutzung bestimmter Umweltgüter – liegen, die in den Territorien von Nationalstaaten stattfinden. In beiden Konventionen, in denen das CCM-Prinzip bislang verankert wurde – also sowohl in der Klimarahmen- als auch in der Biodi-

 Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 1.  Zum Begriff der globalen Umweltbelastung weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIV. 3. a). Zu den in der Staatenpraxis bislang verankerten bzw. diskutierten globalen Umweltbelastungen (Klimawandel, Artensterben, Waldsterben, Wüstenbildung und Ozonschichtzerstörung) weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 3. b). 152  Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (176, 191). 153  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XI. 2. b). 154  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 155  Siehe zum Begriff der „staatsfreien Räume“ nur Wolfrum, Internationalisierung, S. 8 f. Siehe außerdem Vierter Teil, Kap. XI. 1. a). 150 151

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versitätskonvention  – haben die Vertragsstaaten die Souveränität der betroffenen Nationalstaaten über ihre natürlichen Ressourcen anerkannt.156 Im Gegensatz zu den vom CHM-Prinzip erfassten Sachverhalten stellt sich somit für die Gegenstände gemeinsamer Sorge nicht das Problem eines zwischen- oder mehrstaatlichen Souveränitätskonflikts. Stattdessen unterstreicht der common concern-Grundsatz jeweils die Verantwortlichkeit aller Staaten für den Umgang mit denjenigen Ressourcen unter ihrer Hoheitsgewalt, deren Nutzung global nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben. Im common concern-Kontext geht es somit im Kern um den Konflikt zwischen dem Interesse der Staatengemeinschaft am Schutz vor globalen Umweltproblemen einerseits und den jeweiligen Interessen der Nationalstaaten an der (unbegrenzten) Ausbeutung ihrer natürlichen Ressourcen andererseits. Während das CHM-Prinzip erstens Nutzungsrechte aller Staaten an der jeweiligen Ressource statuiert, zugleich zweitens diese Nutzungsrechte aller Staaten wechselseitig schützt und drittens ein Interesse der Staatengemeinschaft begründet, das heißt gewissermaßen auf einen „dreidimensionalen“ Ausgleich von Interessen abzielt, konzentriert sich das common concern-Prinzip lediglich „eindimensional“ auf die Interessen der Staatengemeinschaft und somit auf den Gemeinwohlaspekt. Während das CHM-Prinzip sowohl ein Völkerrecht der bilateralen Konfliktbewältigung im koexistenzvölkerrechtlichen Sinne darstellt als auch kollektive oder gar gemeinschaftliche Interessen schützt, sichert das CCM-Prinzip ausschließlich Interessen der Staatengemeinschaft und verkörpert somit gewissermaßen „in Reinform“ das moderne Umweltvölkerrecht der Kooperation.

f) Schutzgüterbezug und sachlicher Anwendungsbereich Weiterhin beziehen sich beide Prinzipien auf verschiedene Schutzgüter und besitzen daher strukturell einen unterschiedlichen sachlichen Anwendungsbereich. Wie bereits mehrfach ausgeführt wurde, ist der common heritage of mankind-Grundsatz ausschließlich in völkerrechtlichen Verträgen verankert bzw. diskutiert worden, die sich auf staatsfreie Räume (Hohe See, Tiefseebett, Weltraum, Mond, Antarktis) beziehen.157 Aufgrund seiner Funktion, als Statusprinzip den rechtlichen Zustand von Ressourcen in staatsfreien Räumen festzulegen, ist das common heritage of mankind-Prinzip zwangsläufig durch einen direkten räumlich-gegenständlichen Bezug gekennzeichnet.158 Ein Wesensmerkmal des CHM-Prinzips besteht demnach darin, dass es stets einen festgelegten Bezug zu Gegenständen hat, die sich in bestimmbaren Räumen befinden und damit räumlich klar fixierbare Umweltgüter erfasst.159 Das Statusprinzip des common heritage of mankind bezieht sich somit durchweg auf konkrete, räumlich lokalisierbare Gegenstände und – anders als das  Siehe dazu weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) cc) und 2. a) aa).  Siehe Dritter Teil, Kap. VIII. 1. 158  Zu diesem Merkmal von Statusprinzipien allgemein Durner, Common Goods, S. 294. 159  Siehe zu diesem Abgrenzungskriterium Durner, Common Goods, S. 294 f. 156 157

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CCM-Prinzip  – nicht auf die wesentlich abstrakter gefassten „globalen Umweltprobleme“ ohne unmittelbaren räumlich-gegenständlichen Bezug. Vielmehr haftet das common heritage-Prinzip „gleichsam wie ein „Rechtsfolgenbündel“ an dem Gegenstand, dessen völkerrechtlichen Zustand es determiniert“.160 Darin unterscheidet es sich vom allgemeinen Prinzip des common concern of humankind, das – bei entsprechender völkervertraglicher Verankerung oder völkergewohnheitsrechtlicher Anerkennung – grundsätzlich auf alle Menschheitsbedrohungen durch globale Umweltprobleme Anwendung finden kann.161 Das allgemeine Prinzip des common concern of humankind weist gerade keinen unmittelbaren räumlich-gegenständlichen Schutzgüterbezug auf, weil sich seine Schutzgüter  – das Klima und die Biodiversität  – räumlich nicht klar fixieren lassen: Das Klima beschreibt die Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen, die den durchschnittlichen Zustand der Atmosphäre an einem Ort charakterisieren.162 Ob sich die Atmosphäre oder gar das Klimasystem überhaupt räumlich abgrenzbar umschreiben lässt, dürfte daher zumindest zweifelhaft sein. Unter Artensterben ist der Verlust genetischer Ressourcen zu verstehen, welcher infolge der voranschreitenden Zerstörung der Ökosysteme auf der gesamten Erde stattfindet.163 Damit lässt sich der Schutz der Biodiversität keinem bestimmten Territorium zuordnen, sondern lediglich durch Bezugnahme auf bestimmte Gegenstände ausdrücken, die sich allerdings grundsätzlich überall im globalen Ökosystem befinden und im Einzelfall sogar „wandern“ können. Dass sich die bisherigen Regelungsgegenstände des common concern schwerlich räumlich fixieren lassen, bedeutet allerdings nicht, dass sich ein räumlicher Anwendungsbereich des CCM-Prinzips schlechthin nicht definieren ließe. Vielmehr lässt sich umgekehrt mithilfe des Begriffs der globalen Umweltbelastungen, der weiter oben als potenzieller räumlicher Anwendungsbereich des common concern of humankind-Prinzips herausgearbeitet wurde, zusätzlich verdeutlichen, dass das CCM im Gegensatz zum common heritage-Prinzip keinen unmittelbaren räumlich-gegenständlichen Schutzgüterbezug aufweist.164 Sämtliche in der Staatenpraxis zum common concern of humankind-Prinzip diskutierten Umweltprobleme lassen sich unter den Begriff der globalen Umweltbelastung subsumieren.165 Sie haben ihren Ursprung zwar in einem oder in mehreren Staaten; ihre Folgen machen sich aber nicht nur in  So anschaulich nur Durner, Common Goods, S. 294, der zu Recht eine Parallele zu den Statusverträgen oder territorialen Sonderregimen zieht, welche ebenfalls den völkerrechtlichen Status eines räumlich abgrenzbaren Bereichs, nämlich eines (nationalstaatlichen) Territoriums bestimmen. 161  Siehe zum räumlich-funktionalen Anwendungsbereich des common concern-Prinzips weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 3. und 4. 162  Umwelt-Lexikon, Stichwort „Klima“, http://www.enzyklo.de/Begriff/Klima (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019). 163  Umwelt-Lexikon, Stichwort „Artensterben“, http://www.enzyklo.de/Begriff/Artensterben (zuletzt abgerufen am 21 Juli 2019). 164  Ähnlich im Ergebnis auch Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (191), indes ohne weitere Begründung. 165  Siehe hierzu und zum Folgenden die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap.  XI. 3. a) und b). 160

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einem anderen Staat oder in einem staatsfreien Raum bemerkbar, sondern betreffen die Erde in ihrer Gesamtheit.166 Zudem sind einige dieser Umweltbelastungen wiederum in einem komplexen Kreislauf von Ursachen und Wirkungen miteinander verwoben, was ihre genaue Zuordnung zu einem bestimmten Verursacherstaat so gut wie unmöglich macht, zumal ihre Verschmutzungsquellen sich nicht punktuell identifizieren lassen, sondern diffuser Art sind.167 Somit liegt es geradezu in der Natur der vom Anwendungsbereich des CCM-Prinzips erfassten globalen Umweltbelastungen, dass sie sich nicht als konkreter Regelungsgegenstand räumlich fixieren lassen. Überdies konzentriert sich das common concern-Prinzip in erster Linie auf die Schutzpflichten im Hinblick auf bestimmte Umweltgüter und bezieht sich nur indirekt auf die Ressourcen selbst.168 Bereits terminologisch stellt der Begriff „Anliegen“ im Gegensatz zu dem des „Erbes“ zwischen Umweltgut und Menschheit bzw. internationaler Staatengemeinschaft keinen unmittelbaren Objektbezug her.169 Der common concern-Grundsatz „verfügt von vornherein nicht über den das Konzept des gemeinsamen Menschheitserbes prägenden ressourcenspezifischen Bezug“170 und vermag daher die rechtliche Zuordnung von Ressourcen zu einem bestimmten Belegenheitsstaat daher weder aufzuheben noch zu relativieren.171 Gegenstand des common concern sind – im Gegensatz zum common heritage-Prinzip – nicht etwa Territorien oder gegebenenfalls die dort belegenen Ressourcen als solche. Vielmehr zielt das CCM-Prinzip – enger gefasst – auf den Schutz vor spezifischen ökologischen Prozessen und deren menschheitsbedrohenden globalen Auswirkungen. In der Präambel der Klimarahmenkonvention wurden genau genommen weder die Erdatmosphäre noch das Klima als solches zum „Gegenstand gemeinsamer Sorge“ erklärt, sondern der Wandel des Klimas und seine nachteiligen Auswirkungen.172 Sinngemäß erklärten die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention in deren Präambel nicht etwa die Biodiversität als solche zum common concern of humankind, sondern den Schutz der Biodiversität. In den Worten von Brunnée „it is not areas or resources as such that are common concerns. Rather, the concept is targeted more narrowly at specific environmental processes or protective actions. In this manner, the [CCM-] concept focuses upon the essence of what renders a given concern ‚common‘, and treads gingerly around both common property regimes and the territorial sovereignty of individual states.“173 166  Siehe zum Begriff der globalen Umweltbelastung weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 3. a). Ähnliche Definitionen verwenden Amelung, ZfU 1991, S. 159 sowie Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 84. 167  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. a). Siehe außerdem vor allem Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 85. Springer, The International Law of Pollution, S. 6 ff. 168  Siehe Durner, Common Goods, S. 295. 169  Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (191). 170  So wörtlich Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (191). 171  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S.  277; Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (191). 172  Siehe dazu bereits weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) cc). 173  Brunnée, common concern, S. 564 f.

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Das common heritage of mankind-Prinzip legt als Statusprinzip den völkerrechtlichen Zustand der Ressourcen in bestimmten staatsfreien Räumen fest und bezieht sich daher direkt auf räumlich-gegenständlich fixierbare Schutzgüter.174 Demgegenüber erfasst das common concern of humankind-Prinzip nicht direkt bestimmte Ressourcen als solche, sondern diffuse, nicht lokalisierbare globale Belastungen von universalen Umweltgütern wie der Biodiversität und des Klimas und weist somit höchstens mittelbar einen räumlich-gegenständlichen Bezug auf.

g) Materielle Rechtswirkungen Beide Prinzipien unterscheiden sich außerdem insofern in ihren materiellen Rechtswirkungen, als sie zwar beide absolute Geltung beanspruchen, doch nur das common heritage-Prinzip darauf abzielt, auch dingliche Rechtswirkungen zu erzeugen. Diese Unterscheidung folgt letztlich auch aus dem unmittelbaren Schutzgüterbezug des common heritage-Prinzips175 und lässt sich mit Durner anhand der Analogie zum deutschen Recht der öffentlichen Sachen aufzeigen, die bereits weiter oben im Rahmen der unmittelbaren Geltung beider Prinzipien kraft völkerrechtlicher ­Widmung gebildet wurde.176 Die vom deutschen Recht getroffene Unterscheidung zwischen dinglichen und schuldrechtlichen Rechtsverhältnissen geht auf das römische Recht zurück, wonach dingliche Rechte eine spezielle Kategorie der absoluten, gegenüber allen wirkenden Rechte darstellt, die jedermann zu achten hat.177 Dem Völkerrecht ist eine solche dingliche Rechtswirkung nicht fremd, wie der Blick auf die Prinzipien der nationalen Verfügung und der res communis zeigt: Soweit diese Prinzipien anwendbar sind, begründen sie Rechte, die für und gegen alle Staaten gelten.178 Daher entfaltet etwa ein völkerrechtlicher Zessionsvertrag, mithilfe dessen ein Territorium – und somit jede aus dem Grundsatz der nationalen Verfügung fließende Rechtsposition – von einem Staat auf einen anderen übertragen wird, zumindest nach weit überwiegender Auffassung Rechtswirkung für und gegen alle anderen Völkerrechtssubjekte.179 Wie bereits ausführlich dargelegt wurde, ergeben sich sowohl aus dem common concern als auch aus dem common heritage-Prinzip

 Siehe auch Soltau, Common Concern of Humankind, in: Gray/Tarasofsky/Carlane (Hrsg.), S. 202 (205): „The concept of common heritage relates centrally to the status of a resource“. Siehe ferner bereits Brunnée, common concern, S. 552. 175  Vierter Teil, Kap. XII. 2 d). 176  Vierter Teil, Kap. XII. 1. d). Siehe dazu bereits Durner, Common Goods, S. 289. 177  Siehe Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 4 und Durner, Common Goods, S. 293. 178  So Durner, Common Goods, S. 293, 296. Siehe zur Unterscheidung von relativen und aboluten Völkerrechtsnormen nur Annacker, 46 AJPIL (1993/1994), 131 (135 f.). Siehe zur Relativität völkerrechtlicher Pflichten Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 49 ff. 179  Siehe statt vieler nur Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 1157 ff. m.w.N. und Durner, Common Goods, S. 296. 174

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Verpflichtungen, die gegenüber allen (erga omnes) gelten.180 Während das common concern-Prinzip sich dem Schutz der Menschheit vor der Abnutzung bestimmter Umweltgüter durch globale Umweltbelastungen widmet und daher die entsprechenden Umweltpflichten zu Verpflichtungen erga omnes transformiert,181 versucht das common heritage-Prinzip, die Nutzung und Verteilung der in den staatsfreien Räumen befindlichen Ressourcen im Interesse der internationalen Staatengemeinschaft zu normieren, und zielt daher ebenfalls auf einen rechtlichen Zustand, der erga omnes gelten und alle Staaten verpflichten soll.182 Eine solche völkerrechtliche Wirkung ist nach römisch-rechtlichen Maßstäben absolut und was das common heritage-­Prinzip betrifft, so ist diese absolute Rechtswirkung wegen ihres unmittelbaren gegenständlichen Bezugs zugleich dinglich.183 Allerdings entfaltet das CHM-­ Prinzip nicht etwa automatisch im Hinblick auf sämtliche seiner Anwendungsfälle dingliche Rechtswirkungen. Zu bejahen dürfte dies wohl nur für den Rechtsstatus des Tiefseebodens nach der Seerechtskonvention sein, der nach überwiegender Auffassung als Bestandteil des universellen Völkergewohnheitsrechts angesehen wird.184 Was den Mond betrifft, so lässt sich eine absolute Geltung des common heritage-Prinzips schwerlich begründen. Zwar erklärt auch der ­Mondvertrag den Mond und andere Gestirne zum gemeinsamen Erbe der Menschheit, doch wurde er bislang nur von acht Vertragsparteien ratifiziert. Für die restlichen Staaten bleibt im Hinblick auf den Mond und die Gestirne weiterhin der im Weltraumvertrag kodifizierte und gewohnheitsrechtlich anerkannte Grundsatz des res communis und mithin ein Regime der Zugangs- und Nutzungsfreiheit ohne verteilungspolitische Korrektur bestehen.185 Mangels universeller völkerrechtlicher Anerkennung kann folglich hinsichtlich des Mondes und der Gestirne von einer absolut-­dinglichen Wirkung des common heritage-Prinzips jedenfalls gegenwärtig nicht die Rede sein. Gleichwohl zielt das CHM-Prinzip als Statusprinzip jedenfalls seinem Sinn und Zweck nach darauf ab, als Teil des universellen Völkerrechts eine dingliche Wirkung zu entfalten und somit den Zustand bestimmter Gegenstände mit Wirkung für und gegen alle anderen Rechtssubjekte zu normieren. Auch das common concern of humankind-Prinzip vermag seine Rechtswirkungen nur im Hinblick auf diejenigen globalen Umweltbedrohungen zu entfalten, auf die es völkervertraglich Anwendung findet. Sowohl im Hinblick auf den Klimawandel als auch hinsichtlich des Schutzes der Biodiversität ist das common concern of humankind-Prinzips bislang nur völkervertraglich verankert worden, jedoch noch

 Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 1. und 2. sowie XII. 1. b).  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 1. und 2. 182  Siehe zur erga omnes-Wirkung des CHM-Prinzips insbesondere die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XII. 1 b). 183  So in Bezug auf das common heritage-Prinzip überzeugend Durner, Common Goods, S. 296; 184  Siehe statt vieler nur Wolfrum, Internationalisierung, S. 392–395; Wolter, Grundlagen, S. 208 m.w.N. 185  Siehe Baslar, Concept, S. 201 ff.; Jasentuliyana, Ensuring Equal Access, S. 207 ff.; Durner, Common Goods, S. 199 Fn. 89. 180 181

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nicht völkergewohnheitsrechtlich anerkannt186 und ist somit nicht Bestandteil des universellen Völkerrechts. Insoweit begründet es keine Rechte, die für und gegen alle Staaten gelten, und entfaltet nach römisch-rechtlichen Maßstäben keine absolute Rechtswirkung. Zudem scheitert eine dingliche Rechtswirkung des common concern-Prinzips von vornherein daran, dass es im Gegensatz zum common heritage-­Grundsatz gerade keinen unmittelbaren räumlich-gegenständlichen Schutzgüterbezug aufweist.187

h) Exklusive Anwendbarkeit Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Prinzipien besteht darin, dass das CCM-Prinzip als allgemeines Prinzip keinen Anspruch auf Ausschließlichkeit erhebt, während das CHM als sogenanntes „Statusprinzip“ den Ressourcen in bestimmten staatsfreien Räumen einen eigenen völkerrechtlichen Status zuweist und daher exklusiv und somit nur alternativ auf die jeweilige Ressource anwendbar ist.188 Eine kumulative Anwendung mehrerer Statusprinzipien auf ein und dieselbe Ressource ist ausgeschlossen; denn prinzipiell genießt ein Umweltgut nur einen allgemeinen Status.189 So unterliegt etwa ein bestimmter Teil des Meeresbodens entweder als Teil des Festlandsockels der nationalen Verfügung des jeweiligen Staates oder er zählt als Teil des Tiefseebodens zum common heritage of mankind und unterfällt dementsprechend dem oben beschriebenen globalen Nutzungs- und Verteilungsregime.190 Weder von ihrem Anwendungsbereich noch von ihren Rechtsfolgen her ist es möglich, beide Prinzipien gleichzeitig heranzuziehen und bei der völkerrechtlichen Regelung des Meeresbodens anzuwenden.191 Allgemeine Prinzipien wie die common concern of humankind-Maxime unterscheiden sich von Statusprinzipien wie dem common heritage of mankind-­Grundsatz darin, dass sie im Hinblick auf ein und dasselbe Umweltgut grundsätzlich auch kumulativ angewandt werden können. Dieser Unterschied ist gerade im Bereich des Umweltschutzes besonders häufig zu beobachten, da in den meisten jüngeren umweltvölkerrechtlichen Verträgen gleich eine ganze Reihe verschiedener allgemeine Prinzipien für anwendbar erklärt werden: So unterwerfen sich etwa die Vertragsstaaten des im Jahre 1992 von der UN-Wirtschaftskommission für Europa (ECE) beschlossenen Übereinkommens zum Schutz und zur Nutzung gemeinsamer Ge Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4 a).  Siehe VierterTeil, Kap. XII. 2. d). 188  Siehe zum Abgrenzungskriterium der Exklusivität von Statusprinzipien Durner, Common Goods, S. 297 ff. Siehe zur Abgrenzung von allgemeinen Prinzipien und Statusprinzipien weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIII. 2. b). 189  Siehe dazu nur Durner, Common Goods, S. 297. 190  Siehe erneut Durner, Common Goods, S. 297. 191  Siehe zum Rechtscharakter von Statusprinzipien in diesem Zusammenhang bereits Durner, Common Goods, S. 297. 186 187

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wässer in der Präambel auf einen Katalog von Prinzipien und erklären in den allgemeinen Vorschriften über Implementierungsmaßnahmen nochmals ausdrücklich das Verursacherprinzip, das Vorsorgeprinzip und das Prinzip des Schutzes künftiger Generationen für anwendbar.192 Gleichzeitig weist das Übereinkommen allerdings Gewässern den umweltvölkerrechtlichen Status einer „gemeinsamen Ressource“ zu und unterwirft sie damit dem Prinzip der angemessenen Nutzung gemeinsamer Güter (equitable utilization of shared resources). Soweit ersichtlich, gibt es bislang kein völkerrechtliches Dokument, in welchem die Vertragsstaaten mehrere Statusprinzipien im oben definierten Sinne gleichzeitig zur Anwendung gebracht haben. Im Gegensatz zu dem allgemeinen Prinzip des common concern of humankind handelt es sich beim Statusprinzip des common heritage of mankind somit um ein ­Prinzip mit einem exklusiven Anwendungsbereich, der sich mit jenem anderer Prinzipien nicht überschneidet.193 Dass es sich bei der exklusiven Anwendbarkeit um ein valides Unterscheidungsmerkmal handelt, bestätigt ein Blick auf die beiden umweltvölkerrechtlichen Dokumente, in denen das CCM-Prinzip bislang verankert wurde, nämlich auf die Klimarahmenkonvention aus dem Jahre 1992 und auf die im selben Jahr verabschiedete Biodiversitätskonvention: In Art. 3 Klimarahmenkonvention berufen sich die Vertragsstaaten gleichzeitig auf den Vorsorgegrundsatz, den Grundsatz der Gerechtigkeit gegenüber gegenwärtigen und zukünftigen Generationen sowie auf das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und erklären damit mehrere allgemeine umweltvölkerrechtliche Prinzipien nebeneinander für anwendbar.194 Eine kumulative Anwendbarkeit allgemeiner Prinzipien des Umweltvölkerrechts findet sich auch in der Präambel zur Klimarahmenkonvention; denn in Abs. 1 der Präambel erklären die Vertragsstaaten den Schutz des Weltklimas einerseits zum common concern of (hu)mankind;195 andererseits wird in Abs. 8 und 9 der Präambel die Souveränität der Staaten bei der Bewältigung der Klimaprobleme hervor Economic Commission for Europe (ECE), Convention on the Protection and Use of Transboundary Waercourses and International Lakes, abgedruckt in: 31 ILM (1992), S. 1312 ff., Art. 2 Abs. 5: „In taking the measures referred to in paragraphs 1 and 2 of this article, the Parties shall be guided by the following principles: (a) The precautionary principle, by virtue of which action to avoid the potential transboundary impact of the release of hazardous substances shall not be postponed on the ground that scientific research has not fully proved a causal link between those substances, on the one hand, and the potential transboundary impact, on the other hand; (b) The polluter-pays principle, by virtue of which costs of pollution prevention, control and reduction measures shall be borne by the polluter; (c) Water resources shall be managed so that the needs of the present generation are met without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“ Diese Konvention wird erstmals von Durner, Common Goods, S. 298 als Beispiel für eine kumulative Anwendung von algemeinen Prinzipien in umweltvölkerrechtlichen Dokumenten angeführt. 193  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 300. 194  United Nations Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 3. 195  United Nations Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 3 der Präambel: „The Parties to this Convention, Acknowledging that change in the Earth´s climate and its adverse effects are a common concern of humankind, (…)“. Siehe dazu näher Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) aa). 192

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gehoben.196 Den gleichen Dualismus weist die Biodiversitätskonvention auf: Deren Präambel erklärt zunächst in Abs. 3 den Schutz der Biodiversität zum common concern of humankind und bestätigt im unmittelbar darauffolgenden Abs. 4 mit Nachdruck die souveränen Rechte der Nationalstaaten an ihren eigenen biologischen Ressourcen.197 Sowohl im völkerrechtlichen Klima- als auch im Artenschutz finden somit das CCM-Prinzip und das Prinzip der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen nebeneinander Anwendung.198 Dass neben dem common concern-Prinzip noch weitere allgemeine Prinzipien des Völkerrechts kumulativ anwendbar sind, hängt mit einem bedeutsamen Wesenszug des Prinzips zusammen, welches zugleich seinen Charakter als allgemeines Prinzip begründet und seiner Qualifikation als Statusprinzip entgegensteht: Im Vergleich mit dem common heritage-Prinzip verfügt der common concern-Grundsatz über einen stark eingeschränkten Normierungszweck und -umfang.199 Im Gegensatz zur common heritage-Maxime erhebt das common concern-Prinzip von vornherein nicht den Anspruch, den völkerrechtlichen Zustand eines Umweltgutes umfassend zu normieren.200 Als genuin umweltschützendes Prinzip mit einem ganz spezifischen und ausschließlichen Bezug zum Schutz der Menschheit vor globalen Umweltproblemen beschränkt es sich ganz und gar auf die Bewahrung bestimmter Ressourcen, deren Erhalt im Interesse der Staatengemeinschaft liegt. Es fungiert als „rein umweltvölkerrechtliches Korrektiv bereits bestehender Regelungsmodelle“201 und ist insofern gewissermaßen „funktionell begrenzt“.202 Normierungszweck und -umfang des CCM-Prinzips sind demnach von vornherein derartig eng gefasst und auf reinen Umweltschutz zugespitzt, dass im Falle seiner Anwendung auf ein globales Umweltproblem noch viele wesentliche völkerrechtliche Fragen offen bleiben. Während etwa eine kumulative Anwendung des common heritage-Grundsatzes und des Prinzips der staatlichen Souveränität im Hinblick auf ein und dieselbe Ressource sich nicht verträgt, da ansonsten das im CHM-Prinzip enthaltene Okkupationsverbot konterkariert und seiner Geltung beraubt würde, bleibt neben dem funktionell limitierten common concern-Prinzip (jedenfalls bislang) stets noch genügend Raum für die Anwendung weiterer allgemeiner Prinzipien. Von vornherein vermag das common concern-Prinzip daher keine echte Alternative zu den Statusprinzipien  United Nations Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 8 und 9 der Präambel: „(…) Reaffirming the principle of souvereignty of States in international cooperation to address climate change (…)“. 197  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 3 und 4 der Präambel: „Affirming that the conservation of biological diversity is a common concern of humankind, (…) Reaffirming that States have sovereign rights over their biological resources (…)“. Siehe Durner, Common Goods, S. 299. 198  Zum Spannungsverhältnis zwischen common concern-Prinzip und nationaler Verfügung über natürliche Ressourcen siehe bereits Vierter Teil, Kap. XI. Siehe zum Ganzen ferner bereits Durner, Common Goods, S. 299. 199  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2 d). 200  Siehe erneut Vierter Teil, Kap. XII. 2. c) bb). 201  So Durner, Common Goods, S. 303. 202  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. c) bb). 196

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darzustellen und beansprucht daher auch keine exklusive Anwendung. Stattdessen gilt das CCM bislang nur für solche Umweltgüter, die funktional unteilbar sind, aber geografisch unterschiedlichen Statusprinzipien unterliegen, und modifiziert jene anderen Statusprinzipien, wie etwa dasjenige der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen, ohne es jedoch ersetzen zu können.203

i) Relative Bestimmbarkeit des common heritage of mankind-­ Prinzips Als weiteres Kriterium für die Abgrenzung zwischen CCM-Prinzip und CHM-­Prinzip kommt die „relative Bestimmbarkeit“ des CHM-Prinzips in Betracht,204 welche letztlich ebenfalls aus dem Charakter des common heritage als Statusprinzip resultiert. Wie soeben dargelegt wurde, beansprucht das common heritage of mankind-­Prinzip als Statusprinzip im Hinblick auf den Status der Umweltgüter in dem betreffenden staatsfreien Raum – wie etwa dem Meeresboden und dem ­Weltraum – exklusive Anwendung.205 Diese grundsätzliche Exklusivität des Statusprinzips common heritage of mankind hat zur Folge, dass sich seine Rechtsfolgen insgesamt genauer und zuverlässiger bestimmen lassen als die Rechtsfolgen vieler allgemeiner Prinzipien des Umweltvölkerrechts. Gerade weil das CHM-Prinzip nämlich als einziges Statusprinzip auf die Umweltgüter eines bestimmten staatsfreien Raums anwendbar ist, vermag es zudem seine Rechtsfolgen gewissermaßen „in Reinform“ zu entfalten, ohne dass diese durch eine Abwägung mit gegenläufigen Statusprinzipien in seiner Geltungskraft modifiziert zu werden drohen.206 Dadurch sind die Rechtsfolgen des common heritage of mankind-Prinzips relativ bestimmbar. Demgegenüber sind allgemeine Prinzipien anders als Statusprinzipien gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie keine Exklusivität beanspruchen und daher im Hinblick auf ein und dasselbe Umweltgut grundsätzlich auch mehrere allgemeine Prinzipien kumulativ zur Anwendung gelangen können.207 Doch verkörpern verschiedene allgemeine Prinzipien oft gegenläufige Interessen. Ihnen wohnt eine Dimension des Gewichts inne,208 sodass ihre Gebote mehr oder weniger umfassend erfüllt werden können.209 Sie „gelten nicht ohne Ausnahmen und können zueinander  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 300.  Dieses Abgrenzungskriterium verwendet auch Durner, Common Goods, S. 300–302 als „relatives Qualitätsmerkmal“ in der von ihm in seiner großangelegten Studie untersuchten Statusprinzipien. 205  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. f). 206  Siehe auch Durner, Common Goods, S. 302. 207  Siehe VierterTeil, Kap. XII. 2. f). 208  So Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 26; siehe hierzu auch Alexy, Vernunft, Recht, Diskurs, S. 183. 209  Siehe dazu die obigen Ausführungen zum Begriff des allgemeinen Prinzips im Umweltvölkerrecht, welches dieser Arbeit zugrunde gelegt wurde, Vierter Teil, Kap. XIII. 1. 203 204

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in Gegensatz oder Widerspruch treten; sie erheben nicht den Anspruch der Ausschließlichkeit“,210 sondern „kommen oftmals erst nach Abwägung mit anderen Prinzipien zum Tragen“211 oder zielen gar von vornherein darauf ab, unter Abwägung mit anderen Grundsätzen eine Kompromisslösung herzustellen.212 Kommen nun zwei gegenläufige Prinzipien in einem völkerrechtlichen Übereinkommen bezüglich ein und derselben Fragestellung kumulativ zur Anwendung, so wird diese Prinzipienkollision grundsätzlich in einem Abwägungsvorgang aufgelöst, der auf die Herstellung praktischer Konkordanz abzielt. Zwischen den beiden kollidierenden Prinzipien wird ein schonender Ausgleich angestrebt, bei welchem die beiden in den gegenläufigen Prinzipien enthaltenen Optimierungsgebote möglichst weitgehend verwirklicht werden.213 Es liegt in der Natur der Sache, dass die Herstellung praktischer Konkordanz zu einem Ergebnis führt, welches einen ausgeprägten Kompromisscharakter hat und das im allgemeinen Prinzip enthaltene Optimierungsgebot daher schwerlich vollständig erfüllt werden kann.214 Hinzu kommt, dass eine Kollision zweier allgemeiner Prinzipien immer mit Blick auf den konkreten Kollisionsfall aufgelöst wird. Demnach lässt sich ein und dasselbe allgemeine Prinzip unter Umständen in unterschiedlich starkem Ausmaß verwirklichen, je nachdem, mit welchem gegenläufigen Prinzip es kollidiert, wie gewichtig jenes Prinzip ist und auf welchen Gegenstand sich die kollidierenden Prinzipien beziehen. Daher verwundert es auch nicht, dass allgemeine Prinzipien, was die Bestimmtheit und Bestimmbarkeit ihrer Rechtsfolgen betrifft, als wenig zuverlässig angesehen werden.215 Häufig bestehen viele Staaten in Vertragsverhandlungen gar darauf, sich widersprechende oder zumindest gegenläufige Prinzipien in den jeweiligen Verträgen zu verankern, um damit ihre unterschiedlichen Interessen abzusichern.216 So wurde das in der Vergangenheit weitverbreitete Verursacherprinzip in jüngeren Verträgen zwar nicht durch das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten der Staaten für die Umwelt ersetzt, aber doch zumindest insoweit modifiziert, als der Gesichtspunkt der unterschiedlichen Finanzkraft einzelner Staaten nunmehr das Lastenteilungsprinzip der Verursachung überlagert.217  Canaris, Systemdenken und Systembegriff, 2. Aufl., S. 52 f., ihm folgend Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 169. 211  Bleckmann, 31 AVR (1993), S. 353 (354). 212  So gelangte der IGH etwa in seiner Opinion concerning reservations to the Genocide Convention, ICJ Reports 1951, S. 24 zu seinem Ergebnis unter anderem durch eine Abwägung der allgemeinen Prinzipien der Effektivität des Völkerrechts und der Souveränität. Siehe die ausführlichere Erörterung dieses Aspekts bei Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 80 f.; siehe ferner bereits die zentralen Ausführungen von Durner, Common Goods, S. 300. 213  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 1. a) bb). 214  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 301. 215  Schwarzenberger/Brown, A Manual of International Law, S. 33 bezeichnen allgemeine Prinzipien daher auch als „notoriously unreliable“. 216  So Durner, Common Goods, S. 300. 217  Siehe dazu  vor allem Durner, Common Goods, S. 300; siehe ferner Sands, Principles, 1. Aufl., S. 217. Siehe zur rechtlichen Bedeutung des vor allen Dingen von der OECD propagierten völkerrechtlichen Verursacherprinzips die Ausführungen von Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 109 ff. 210

3. Zusammenfassung

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Besonders anschaulich besichtigen lassen sich die Exklusivität des common heritage-­Statusprinzips und seine daraus resultierende relative Bestimmbarkeit erneut am Beispiel der Biodiversitätskonvention aus dem Jahre 1992. Die Verankerung des CHM-Prinzips im Rahmen der Biodiversitätskonvention scheiterte vor allen Dingen am Widerstand der Entwicklungsländer, die einen Verlust ihrer Souveränität über ihre natürlichen Ressourcen fürchteten.218 Wie bereits dargelegt wurde, schließen sich die Statusprinzipien der staatlichen Souveränität über natürliche Ressourcen einerseits und des common heritage of mankind andererseits wechselseitig aus.219 Eine Verankerung des CHM-Prinzips in der Biodiversitätskonvention hätte automatisch ein Zugangsrecht der westlichen Industrieländer zu den genetischen Ressourcen einiger Entwicklungsländer begründet und dementsprechend deren Verfügungsgewalt über ihre genetischen Ressourcen aufgehoben.220 Offensichtlich war diese Rechtsfolge des CHM-Prinzips für alle Vertragsparteien der Biodiversitätskonvention relativ bestimmbar und daher auch vorhersehbar. Umgekehrt führte die Verankerung des common concern-Optimierungsgebotes zu einer Abwägung mit der im Kern fortbestehenden Souveränität, deren Ergebnis für die Vertragsstaaten nicht von vornherein bestimmbar war und sich offenbar gerade deshalb auch als konsensfähig erwies. Aus diesem Grund wurde letztlich statt des common heritage-Statusprinzips das allgemeine Prinzip des common concern in der Präambel der Biodiversitätskonvention niedergelegt, welches denn auch oftmals als Kompromiss- oder gar Verlegenheitslösung bezeichnet wird.

3. Zusammenfassung Die vorangegangene Gegenüberstellung von common heritage- und common concern-Prinzip hat ergeben, dass zwischen ihnen zwar durchaus Gemeinsamkeiten bestehen, sie sich jedoch in vielen wesentlichen Aspekten unterscheiden, an denen sich die eigenständige Bedeutung des common concern of humankind-Prinzips im Umweltvölkerrecht aufzeigen lässt: Gemeinsam haben common heritage und common concern of humankind-­Prinzip zunächst, dass sie im Vergleich mit den anderen Umweltprinzipien einen hohen Internationalisierungsgrad aufweisen und somit beide Teil eines voranschreitenden Internationalisierungstrends im Völkerrecht sind, indem sie unter Einschränkung einzelstaatlicher Nutzungsfreiheit eine gerechte Güterverteilung bezwecken (common heritage) bzw. durch Inpflichtnahme aller Einzelstaaten auf einen globalen Umweltschutz abzielen (common concern) und somit im Interesse des „globalen

 Siehe dazu bereits Dritter Teil, Kap. IX. 2. a) aa).  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. a) aa) sowie Vierter Teil, Kap. XII. 2. b). Siehe außerdem zum Verhältnis der Exklusivität zwischen common concern-Prinzip und territorialer Souveränität Brunnée, Conceptual Framework, S. 56 f. Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 2. a) aa). 220  Siehe Dritter Teil, IX. 2. a) aa). 218 219

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XII. Abgrenzung des common concern of humankind vom common heritage …

Gemeinwohls“ übergreifende Ziele fördern.221 Überdies haben beide Prinzipien gemeinsam, dass sie ein Interesse der Staatengemeinschaft als Ganzes artikulieren und folglich erga omnes gelten.222 Des Weiteren teilen das common concern- und das common heritage-Prinzip einen generationsübergreifenden Ansatz und weisen somit nicht nur eine räumliche, sondern auch eine zeitliche Dimension auf.223 Schließlich haben die Prinzipien des common heritage und des common concern of humankind gemeinsam, dass sie im Rahmen ihres jeweiligen Anwendungsbereichs kraft völkerrechtlicher Widmung unmittelbar gelten und somit für ihre Anwendung keine zusätzlichen „tatbestandlichen Voraussetzungen“ erfüllt sein müssen, wenngleich aus ihren bisherigen Anwendungsfällen und ihren Normierungszwecken durchaus tatbestandsähnliche Konturen erkennbar werden. Im Gegensatz zu Prinzipien mit Tatbeständen entfalten das common heritage und das common concern of humankind-Prinzip zwar bereits dann, aber tatsächlich nur dann ihre Rechtswirkungen, wenn das Völkerrecht sie für eine bestimmte Ressource (common heritage) bzw. für ein bestimmtes globales Umweltproblem (common concern) für anwendbar erklärt.224 Neben diesen Gemeinsamkeiten unterscheidet sich das Prinzip des common concern of humankind allerdings in mannigfacher Art und Weise vom common heritage of mankind-Prinzip: Erstens lassen sich common heritage- und common concern-Grundsatz einem unterschiedlichen Prinzipientypus zuordnen. Während die common concern of humankind-­Maxime nach Ansicht des Verfassers ein allgemeines Prinzip des Umweltvölkerrechts darstellt, handelt es sich beim common heritage of mankind-­ Grundsatz um ein Statusprinzip, das einen Unterfall des allgemeinen Prinzips darstellt, indem es den Umweltgütern bestimmter staatsfreier Räume einen eigenen völkerrechtlichen Status zuweist. Während das common concern-Prinzip von Anfang an gleichsam als umweltvölkerrechtliches Korrektiv bereits bestehender Regelungsmodelle konzipiert war und daher insofern funktionell begrenzt ist, enthält das common heritage-Statusprinzip selbst ein umfassendes Nutzungs-, Umweltschutzund Verteilungsmodell für Umweltgüter der jeweiligen Territorien, für die es gilt.225 Zweitens haben common heritage- und common concern-Prinzip einen unterschiedlichen räumlichen Anwendungsbereich: Das CHM-Prinzip ist nach der bisherigen völkerrechtlichen Staatenpraxis – nicht zuletzt aufgrund des in ihm enthaltenen Okkupationsverbotes – nicht auf jene Ressourcen anwendbar, die in staatlichen Hoheitsbereichen belegen sind. Vielmehr ist seine Anwendung auf die hoheitsfreien Räume begrenzt, sodass es von vornherein globale Umweltprobleme nicht zu ­erfassen vermag, die von Aktivitäten innerhalb staatlicher Hoheitsgebiete herrühren. Diese fallen vielmehr potenziell in den weiter gefassten räumlichen Anwendungsbereich des common concern of humankind-Prinzips, der daneben außerdem  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 1. a).  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 1. b). 223  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 1. c). 224  Siehe VierterTeil, Kap. XII. 1. d). 225  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. a). 221 222

3. Zusammenfassung

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grundsätzlich auch solche globalen Umweltbelastungen erfasst, die sich aus dem Verbrauch von Ressourcen ergeben, die in den staatsfreien Räumen lokalisiert sind.226 Daran anknüpfend kommt beiden Prinzipien – drittens – eine unterschiedliche funktionale Bedeutung innerhalb der internationalen Umweltschutzordnung zu: Das common heritage-Prinzip zielt über eine Umverteilung darauf ab, eine weitere Verschärfung des Wohlstandsgefälles zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu verhindern, die daraus entsteht, dass zwar einerseits alle Staaten ein wirtschaftliches Interesse an der Nutzung der staatsfreien Räume haben, doch andererseits nur wenige Industriestaaten technisch und wirtschaftlich zur Erbeutung der dortigen Ressourcen in der Lage ist. Demgegenüber schließt das common concern-­ Prinzip die Schutzlücke, die daraus entsteht, dass globale Umweltprobleme nicht vom traditionellen völkerrechtlichen Nachbarschutz erfasst werden und daher die jeweiligen „Verschmutzerstaaten“ für ihr Verhalten nicht völkerrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.227 Viertens unterscheiden sich beide Prinzipien im Hinblick auf ihren Normierungszweck sowie auf den Umfang, in welchem sie den von ihnen erfassten Anwendungsfall völkerrechtlich normieren. Während das CCM als genuin umweltschützendes Prinzip ganz und gar auf die Bewahrung bestimmter Ressourcen beschränkt ist, deren Erhalt im Interesse der Staatengemeinschaft liegt, zielt das CHM darauf ab, die Nutzung und Verteilung der in den staatsfreien Räumen befindlichen Ressourcen im Interesse der internationalen Staatengemeinschaft zu regeln und verfügt damit über einen weiter gefassten Normierungszweck, aus dem außerdem ein größerer Normierungsumfang folgt: Während das common concern-Prinzip von Anfang an gleichsam als „rein umweltvölkerrechtliches Korrektiv bereits bestehender Regelungsmodelle“228 konzipiert war und daher insofern gewissermaßen funktionell begrenzt ist, liefert das common heritage-Statusprinzip selbst ein umfassendes Nutzungs-, Umweltschutz- und Verteilungsmodell für Umweltgüter innerhalb der jeweiligen Territorien, für die es gilt. Hieraus folgt auch ein unterschiedlicher Abs­ traktions- bzw. Konkretisierungsgrad: Während das common concern-Prinzip keinerlei Konkretisierungen enthält, wird der common heritage-Grundsatz über seine unterschiedlichen materiellen Rechtssätze konkretisiert, ohne hierdurch allerdings die Konkretisierungsschwelle zu einer völkerrechtlichen Regel zu überschreiten.229 Fünftens unterscheiden sich beide Prinzipien in ihrer Interessenausrichtung. Während nämlich das common heritage-Prinzip in erster Linie auf einen „schonenden Souveränitätsausgleich“ zwischen den konkurrierenden Nutzungsinteressen unterschiedlicher Nationalstaaten abzielt und zusätzlich ein Staatengemeinschaftsinteresse an der gerechten Ressourcenverteilung artikuliert, dient das common concern-­Prinzip ausschließlich einem Interesse der Staatengemeinschaft am Schutz vor globalen Umweltbelastungen. In der Entwicklungslinie des Völkerrechts aus Siehe VierterTeil, Kap. XII. 2. b).  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. c). 228  So Durner, Common Goods, S. 303. 229  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. d). 226 227

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gedrückt, ist das CHM-Prinzip somit teilweise noch in der bilateralen Konfliktbewältigung im koexistenzvölkerrechtlichen Sinne verhaftet und schützt daneben kollektive oder gar gemeinschaftliche Interessen, wohingegen das CCM-Prinzip ausschließlich Interessen der Staatengemeinschaft sichert und somit gewissermaßen „in Reinform“ das moderne Umweltvölkerrecht der Kooperation verkörpert.230 Sechstens sind beide Prinzipien durch einen unterschiedlichen Schutzgüterbezug gekennzeichnet: Das common heritage of mankind-Prinzip legt als Statusprinzip den völkerrechtlichen Zustand der Ressourcen in bestimmten staatsfreien Räumen fest und bezieht sich daher direkt auf räumlich-gegenständlich fixierbare Schutzgüter. Demgegenüber erfasst das common concern of humankind-Prinzip nicht direkt bestimmte Ressourcen als solche, sondern diffuse, nicht lokalisierbare globale Belastungen von universalen Umweltgütern wie der Biodiversität und des Klimas und weist somit höchstens mittelbar einen räumlich-gegenständlichen Bezug auf.231 Siebtens haben beide Prinzipien unterschiedliche materielle Rechtswirkungen. Während das common heritage-Prinzip infolge seines unmittelbaren Schutzgüterbezugs darauf abzielt, dingliche Rechtswirkungen zu erzeugen, scheitert eine dingliche Rechtswirkung des common concern-Prinzips von vornherein daran, dass es im Gegensatz zum common heritage-Grundsatz gerade keinen unmittelbaren räumlich-gegenständlichen Schutzgüterbezug aufweist.232 Achtens erhebt das CCM-Prinzip als allgemeines Prinzip keinen Anspruch auf Ausschließlichkeit, weshalb es grundsätzlich auch neben anderen allgemeinen Prinzipien anwendbar ist. Dagegen weist das CHM als sogenanntes „Statusprinzip“ den Ressourcen in bestimmten staatsfreien Räumen einen eigenen völkerrechtlichen Status zu und ist daher exklusiv und somit nur alternativ auf die jeweilige Ressource anwendbar.233 Infolgedessen unterscheiden sich schließlich neuntens beide Prinzipien darin, wie zuverlässig sich letztlich ihre Rechtswirkungen bestimmen lassen. Während es beim common concern-Prinzip infolge seiner kumulativen Anwendbarkeit neben anderen allgemeinen Prinzipien auf ein und dieselbe Frage durchaus denkbar ist, dass sein Anliegen eines globalen Umweltschutzes sich – gerade aufgrund seiner Kollision mit dem Prinzip der Souveränität über natürliche Ressourcen  – in unterschiedlichem Ausmaß verwirklichen lässt, vermag das common heritage-­Prinzip infolge seiner exklusiven Anwendbarkeit auf die Resssourcen im jeweiligen staatsfreien Raum „in Reinform“ zu erhalten, da es nicht durch eine Abwägung mit etwaigen gegenläufigen Statusprinzipien in seiner Geltungskraft modifiziert wird.234

 Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. e).  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. f). 232  Siehe VierterTeil, Kap. XII. 2. g). 233  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. h). 234  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. i). 230 231

XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

In den ersten beiden Teilen dieser Arbeit wurde bislang von der Arbeitshypothese ausgegangen, dass der Begriff des common concern of humankind sich mittlerweile zu einem eigenständigen Prinzip des Umweltvölkerrechts entwickelt hat. Hierbei wurden zunächst seine philosophischen Grundlagen1 und anschließend die historische Entwicklung jenes Schlüsselbegriffs bis in seine frühen Wurzeln im Jahre 1893 nachgezeichnet.2 Um die Existenz eines common concern-Prinzips im Umweltvölkerrecht nachweisen zu können, ist der Blick auf jenes philosophische und rechtsgeschichtliche Fundament zwar notwendig und hilfreich, er vermag aber für sich genommen dessen Prinzipienqualität noch nicht hinreichend zu begründen. Um im dritten Teil der Arbeit seinen positiv-völkerrechtlichen Inhalt weiter herauszukristallisieren, soll nunmehrdargelegt werden, weshalb das common concern of humankind völkerrechtstheoretisch als ein jüngeres Prinzip des Umweltvölkerrechts zu qualifizieren ist.

1 . Der rechtstheoretische Begriff des Prinzips im Allgemeinen Völkerrecht Hierzu ist es vorab unerlässlich, unter Rückgriff sowohl auf rechtstheorethische Erwägungen als auch auf die Besonderheiten der internationalen Rechtsordnung zu skizzieren, welcher Prinzipienbegriff der nachfolgenden Erörterung zugrunde gelegt wird.

 Siehe Zweiter Teil.  Siehe Dritter Teil, dort vor allem Kap. VII. und IX.

1 2

© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_13

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

a) Abgrenzung des allgemeinen Prinzips von der Regel In rechtstheoretischer Hinsicht werden Rechtsnormen üblicherweise in Regeln und Prinzipien untergliedert.3 Diese Differenzierung zwischen Rechtsregel und Rechtsprinzip liegt nicht nur vielen nationalen Rechtsordnungen zugrunde, sondern ist inzwischen auch im Völkerrecht geläufig,4 wenngleich die Bedeutung einer solchen Differenzierung in der Literatur unterschiedlich bewertet wird.5 Auch der Internationale Gerichtshof unterscheidet grundsätzlich zwischen Regel und Prinzip, wenngleich er beide Begriffe gelegentlich synonym verwendet.6 Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, auf der Suche nach einer Definition des Prinzipienbegriffs zunächst auf die Abgrenzung zwischen Regel und Prinzip einzugehen.

3  Unter den unzähligen Literaturnachweisen zur Abgrenzung zwischen Regel und Prinzip seien exemplarisch hervorgehoben: Alexy, Vernunft, Recht, Diskurs, S. 182 ff.; ders., Theorie der Grundrechte, S.  71  ff.; Dworkin, Taking Rights Seriously, S.  22  ff.; Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 50 ff., 72 ff. und 85 ff. Siehe neuerdings Proelß, Prinzipien, in: Proelß (Hrsg.), Internationales Umweltrecht (2017), S. 69 ff. 4  Cassese, International Law, S. 126; Dominicé, Methodology, in: EPIL III, S. 354 (358); Schwarzenberger, Inductive Approach, S.  50  ff., 72  ff. und 85  ff.; Virally, Le rôle des „principes“, S.  531  ff.; Bleckmann, 17 AVR (1977/1978), S.  161 (177); Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 82; Stocker, Common Heritage, S. 140 ff.; Durner, Common Goods, S. 21 ff.; Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S.  289 f.; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 662 ff. (insb. S. 663), demzufolge „der IGH dazu tendiert, Regel und Prinzip synonym zu verstehen“, wobei Kleinlein allerdings übersieht, dass der IGH in den von ihm zitierten Passagen letztlich doch präzise zwischen beiden Begrifflichkeiten differenziert: Im Gulf of Maine-Fall, ICJ Reports 1984, S. 246 (288 ff.) para 79 durch die Passage: „in this context ‚principles‘ means principles of law, that is, it also includes rules of international law in whose case the use of the term ‚principles‘ may be justified because of their more general and more fundamental character“; im Reparation for Injuries-Fall, ICJ Report 1949, S. 174 (182), indem der IGH klarstellt, dass Prinzipien den Regeln zugrunde liegen: „the principle underlying this rule“. Siehe dazu die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XI. 1. a) aa). Zu Recht hebt Kleinlein indes hervor, dass die Bedeutung einer Differenzierung zwischen Regeln und Prinzipien in der völkerrechtlichen Literatur unterschiedlich eingeschätzt wird, siehe ders., Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 664. Siehe neuerdings Proelß, Prinzipien, in: Proelß (Hrsg.), Internationales Umweltrecht (2017), S.  72  ff. und 90  ff. Zur Übertragbarkeit der Prinzipientheorie auf das Völkerrecht siehe erneut Proelß, Prinzipien, in: Proelß (Hrsg.), Internationales Umweltrecht (2017), S.  71  ff. und  90  ff. Rn. 35 ff. und Sands/Peel, Principles, S. 188 ff. Zur Übertragbarkeit der Prinzipientheorie auf das Umweltvölkerrecht siehe Schröter, Strukturprinzipien, S. 173 ff. und 214 ff. 5  Siehe Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 663; Avila, Theory of Legal Principles, S. 8 ff.; Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 176. 6  Siehe IGH Gulf of Maine, ICJ Reports 1984, S. 246 (288 ff.), para 79: „the association of the terms ‚rules‘ and ‚principles‘ is no more than the use of a dual expression to convey one and the same idea, since in this context ‚principles‘ means principles of law, that is, it also includes rules of international law in whose case the use of the term ‚principles‘ may be justified because of their more general and more fundamental character“. Siehe dazu außerdem Pellet, Article 38, in: Zimmermann (Hrsg.), The Statute of the International Court of Justice, Rn. 250.

1. Der rechtstheoretische Begriff des Prinzips im Allgemeinen Völkerrecht

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aa) Hoher Generalitätsgrad als Abgrenzungsmerkmal Ausgangspunkt für eine Abgrenzung zwischen Regel und Prinzip ist zunächst die Erkenntnis, dass Rechtssysteme aus Normen unterschiedlicher Konkretisierungsstufen bestehen.7 Rechtsregel und Rechtsprinzip unterscheiden sich darin, dass sie sich gewissermaßen auf verschiedenen Konkretisierungsstufen befinden und ein verschieden hohes Abstraktionsniveau aufweisen.8 Während Regeln konkrete und verbindliche Verhaltensanforderungen an ihre Adressaten richten, abstrahieren Prinzipien jene Verhaltenserwartungen, ohne selbst konkrete Rechte oder Pflichten zu begründen.9 Prinzipien sind somit Abstraktionen einzelner oder mehrerer konkret gefasster Regeln.10 Sie formulieren Leitlinien, die gleichsam als „Fixsterne“ die verschiedenen, sie konkretisierenden völkerrechtlichen Regeln um ein bestimmtes Ziel herum koordinieren und deren abstrakte Aussagen sich letztlich auch in einzelnen konkreten Rechtsregeln manifestieren.11 Auch in der völkerrechtlichen Rechtsprechung und Literatur wird zwischen Regeln und Prinzipien als Normen auf unterschiedlichen Konkretisierungsstufen differenziert.12 Wesensmerkmal völkerrechtlicher Prinzipien ist nach traditionellem und 7  Ähnlich Stocker im Hinblick auf den Nachweis des common heritage of mankind-Prinzips, siehe ders., Common Heritage, S. 143. 8  Siehe Jakab, 37 Rechtstheorie (2006), S. 49 (59); Kolb, 53 NILR (2006), S. 1 (7 ff.); Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 176 ff.; Di Fabio, Jura 1996, S. 566 (571): „Das Rechtsprinzip unterscheidet sich von der normalen Rechtsregel durch die Abstraktionshöhe (…)“. 9  Siehe Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 50 ff. und 72 ff.; R. Ago, Lezioni di diritto internazionale, S. 65; Cassese, International Law in a Divided World, S. 126; Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S.  82; Bydlinski, Juristische  Methodenlehre, S.  132; Stocker, Common Heritage, S. 140; Bleckmann, 17 AVR (1977/1978), S. 161 (177); Dominicé, Methodology, in: EPIL III, 2. Aufl., 1997, S. 354 (358); Virally, Le rôle des „principes“, S. 531 ff.; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 664; Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 176 ff.. Vgl. im Hinblick auf die Prinzipien des Umweltrechts in der Europäischen Gemeinschaft nur Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 165 ff. 10  Siehe stellvertretend für viele andere Beiträge die Ausführungen von Bleckmann, 17 AVR (1977/1978), S. 161 (177); Dominicé, Methodology, in: EPIL III, 2. Aufl., 1997, S. 354 (358); Durner, Common Goods, S. 22; Virally, Le rôle des „principes“, S. 531 ff. Vgl. im Hinblick auf die Prinzipien des Umweltrechts in der EG Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 165 ff. 11  So anschaulich Cassese, International Law in a Divided World, S. 126: „They merely express a sort of guiding line that manifests itself in the legal content of the various norms of the international legal order; they represent principles which inspire the rules and co-ordinate them around a certain goal, but which do not themselves constitute binding norms“ unter Rückgriff auf Ago, Lezione di diritto internazionale, S. 65. 12  Dieses weit verbreitete Verständnis von Rechtsprinzipien steht im Einklang mit der methodischen Vorgehensweise zum Nachweis völkerrechtlicher Prinzipien, welche dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe dazu weiter oben, Erster Teil, Kap. II.). Nach diesem Verständnis bilden Prinzipien den gemeinsamen Nenner verschiedener Handlungs- oder Einzelfallregelungen in der Staatenpraxis. Daher kommt es darauf an, im Wege einer vergleichenden Gesamtschau insbesondere völkerrechtlicher Verträge nachzuweisen, dass in der allgemeinen Staatenpraxis ein „kleinster gemeinsamer

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

noch immer herrschendem Begriffsverständnis in der völkerrechtlichen Literatur weder ihre Rechtsform noch ihre spezifische Rechtsnatur, sondern ihr vergleichsweise hoher Generalitätsgrad.13 Das Kriterium der Abstraktionshöhe führt nicht zu einer randscharfen Abgrenzung, sondern ermöglicht fließende Übergänge, auf denen sich Regeln zu Prinzipien verallgemeinern und  – umgekehrt  – Prinzipien zu Regeln konkretisieren können.14 Auch in der völkerrechtlichen Praxis finden sich Anhaltspunkte für die Generalität als Abgrenzungsmerkmal. So heißt es im Fall Gentini: „a rule (…) is essentially practical and moreover binding, (…) whereas a principle (…) expresses a general truth, which guides our action, serves as a theoretical basis for the various acts of our life, and the application of which to reality produces a given consequence“.15

Auch der IGH ist im Bernadotte-Fall offenbar davon ausgegangen, dass Prinzipien als Normen mit höherem Generalitätsgrad den Regeln zugrunde liegen.16 Obgleich der Gerichtshof im Gulf of Maine-Fall zunächst die Begriffe Regel und Prinzip synonym verwendet, unterscheidet er letztlich doch beide nach dem Grad ihrer Allgemeinheit: „the association of the terms ‚rules‘ and ‚principles‘ is no more than the use of a dual expression to convey one and the same idea, since in this context ‚principles‘ clearly means principles of law, that is, it also includes rules of international law in whose case the use of the term ‚principles‘ may be justified because of their more general and more fundamental character.“17

Mit dem Abgrenzungskriterium eines „Allgemeinheitsgrades“ arbeitet letztlich auch Raz, wenn er anmerkt, Regeln würden spezifische, Prinzipien dagegen unspezifische Handlungen vorschreiben.18 Ähnliches gilt für völkerrechtliche Ansätze, nach denen Prinzipien immer dem Schutz eines kollektiven oder individuellen Gutes dienen, wohingegen Regeln grundsätzlich unmittelbar verhaltensbezogen sind19 Nenner“ zur die Existenz eines rechtsverbindlichen Grundsatzes besteht. Siehe dazu Schwarzenberger/ Brown, A Manual of International Law, S. 35; Durner, Common Goods, S. 35. Ähnlich zuvor bereits Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 93 und Dominicé, Methodology, in: EPIL III, S. 354, 358; Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 93; Cassese, International Law in a Divided World, S. 126. 13  Siehe etwa Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §  602 m.  w.  N.; Bleckmann, 17 AVR (1977/1978), S. 161 (177); Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 72 ff.; Dominicé, Methodology of International Law, in: EPIL III, S. 354 (358); Virally, Le rôle des „principes“, S. 531 ff.; Kolb, 53 NILR (2006), S. 1 (7 ff.); Jakab, 37 Rechtstheorie (2006), S. 49 (58 f.); Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 181; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 663 f.; Proelß, Prinzipien, in: Proelß (Hrsg.), Internationales Umweltrecht (2017), S. 72 Rn 2. 14  Siehe dazu etwa Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 176. 15  Fall Gentini (1903) zwischen Italien und Venezuela, 10 R.I.A.A., S. 551 (556); zitiert auch bei Cheng, Principles of Law, S. 376 sowie bei Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 83. 16  IGH Reparation for Injuries, ICJ Report 1949, S. 174 (182): „the principle underlying this rule“. 17  IGH Gulf of Maine, ICJ Reports 1984, S. 246 (288 ff.) para 79. 18  Raz, 81 Yale LJ (1972), S. 823 (838): „Rules prescribe relatively specific acts, principles prescribe highly unspecific actions“. 19  Siehe Zemanek, in: Macdonald/Johnston (Hrsg.), Towards World Constitutionalism, S. 401 (401 f.); siehe außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S.  664; Petersen, 23 Am.U. ILR (2008), S. 275 (302); Jakab, 37 Rechtstheorie (2006), S. 49 (60).

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oder solchen, denen zufolge Prinzipien Geltungsgründe für Regeln sein sollen und eine Gruppe von Normen zusammenfassen, die einem gemeinsamen Ziel dienen.20 Wenn im Folgenden die Rede von völkerrechtlichen Prinzipien ist, so sind damit folglich allgemeine Sätze des Völkervertrags- oder -gewohnheitsrechts gemeint, die gegenüber ihren speziellen Anwendungsregeln einen höheren Generalitätsgrad aufweisen. Hierbei handelt es sich allerdings keinesfalls um ein absolutes Merkmal, das eine kategorische und randscharfe Abgrenzung erlaubt. Vielmehr ist der Generalitätsgrad lediglich ein relatives Kriterium, das eine graduelle Unterscheidung zwischen Prinzipien und Regeln ermöglicht, die viele Grauzonen und Grenzfälle kennt.21 bb) Qualität der Normstruktur als Abgrenzungsmerkmal Dworkin, Alexy und Esser insistieren, Regeln und Prinzipien würden sich nicht graduell unterscheiden, sondern seien anhand der Qualität ihrer Normstruktur randscharf und kategorial voneinander abzugrenzen.22 Regeln und Prinzipien hätten eine logisch verschiedene Struktur und seien dichotomisch voneinander zu unterscheiden.23 Nach Dworkin haben Regeln einen Alles-oder-Nichts-Charakter („all-or-­nothing fashion“),24 Prinzipien dagegen eine Dimension des Gewichts oder der Wichtigkeit („dimension of weight or importance“).25 Prinzipien ordnen im Gegensatz zu strikten Regeln keine eng definierten Rechtsfolgen für den Fall an, dass bestimmte  Siehe statt Vieler etwa Virally, Le rôle des „principes“, S. 531, der hervorhebt, Prinzipien seien Normen mit hohem Abstraktionsgrad, welche die Entwicklung des Völkerrechts beeinflussen würden. Siehe zum Verhältnis zwischen Prinzipien und Instituten überzeugend Durner, Common Goods, S. 22: „Soweit sie nicht nur einzelne Rechtsfolgen verallgemeinern, sondern wie etwa das schillernde Konzept der nachhaltigen Entwicklung (sustainable development) auch sachlich mehrere (verallgemeinerte) Rechtssätze in einem Begriff bündeln, sind diese Prinzipien in einem rechtstheoretischen Sinn zugleich völkerrechtliche Institute, ohne dass die Literatur diesbezüglich eine terminologische Unterscheidung treffen würde.“ Siehe neuerdings zum Begriff des „sustainable development“ im Völkerrecht Barral, 23 EJIL (2012), S. 377 ff. 21  Siehe Raz, 81 Yale LJ (1972), S.  823 (838); Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 665; Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 181: „Dass es lediglich ein relatives Kriterium ist, erweist sich bei näherem Hinsehen nicht nur als unschädlich, sondern im Vergleich zu vorgeblich randscharfen Abgrenzungen auch als ehrlicher. (…) Überdies stellen Grauzonen (entgegen einem häufig anzutreffenden Mißverständnis) eine qualitative Unterscheidung überhaupt nicht in Frage: Die Unterscheidung zwischen Schwarz und Weiß wird nicht dadurch sinnlos, dass zwischen ihnen zahlreiche Grautöne liegen.“ 22  Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 24 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff.; Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Form des Privatrechts,[4. Aufl., 1990] S. 87 ff. und 137 ff. 23  Alexy, Theorie der Grundrechte, S.  72; Dworkin, Taking Rights Seriously, S.  24. Siehe dazu Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 665; Poscher, in: Sieckmann (Hrsg.), Prinzipientheorie der Grundrechte, S. 59. 24  Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 24. 25  So Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 26; siehe hierzu ferner Alexy, Vernunft, Recht, Diskurs, S. 183. 20

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­Tatbestandsmerkmale erfüllt werden.26 Sie geben vielmehr Gründe vor, die in eine bestimmte Richtung deuten, legen jedoch keine Konsequenzen fest, die automatisch eintreten, wenn die festgelegten Bedingungen erfüllt sind.27 Bildlich beschrieben kann nach dem Dworkin’schen Ansatz das Anwenden einer Regel nur zu einem schwarzen oder weißen Ergebnis führen, während ein Prinzip auch Resultate in allen dazwischen liegenden Grautönen zulässt. Auch für Esser haben beide Normtypen einen unterschiedlich hohen Anspruch, ein bestimmtes Ergebnis zu determinieren:28 Immer, wenn der Tatbestand erfüllt ist, gilt definitiv das, was die Regel sagt.29 Rechtsprinzipien sind demgegenüber in unterschiedlichem Ausmaß realisierbar und überlassen daher dem Rechtsanwender einen größeren Gestaltungsspielraum.30 Ein Rechtsprinzip kann gänzlich, in hohem Maße, nur ansatzweise oder überhaupt nicht verwirklicht werden.31 Während Regeln konditional („wenn-dann“) formuliert werden, können Prinzipien auch final ausgerichtet sein.32 Das Prinzip ist in seinem Geltungsanspruch gewissermaßen flexibler und verlangt grundsätzlich33  – anders als die Regel  – weder eine ausschließliche Anwendung noch eine strikte Rechtsbindung.34 Für Alexy heben sich Prinzipien von Regeln dadurch ab, dass sie Optimierungsgebote formulieren.35 Prinzipien fordern demnach die möglichst weitgehende Verwirklichung eines „idealen Sollens“,36 indem sie gebieten, dass etwas in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten möglichst hohen Maße  Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 25 f.  Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 25 f. 28  Stocker, Common Heritage, S. 141, der jedoch etwas missverständlich von einem „determinierenden Gestaltungsanspruch“ spricht. 29  Esser, Grundsatz und Norm, S. 154; siehe außerdem dazu Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 76 f. Siehe ferner Vesting, Legal Theory, S. 21 Rn. 40. 30  Siehe Esser, Grundsatz und Norm, S. 154; siehe zudem Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff.; Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 24 f.; vgl. ferner die Nachweise bei Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 45, 81 f.; Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 289; ähnlich Schwarzenberger, Inductive Approach, S. 86 und Stocker, Common Heritage, S. 141; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S.  665, der hervorhebt, Esser und Dworkin würden sich dadurch unterscheiden, „dass bei Esser ein Prinzip oder Grundsatz einen größeren Spielraum für den Richter bedeutet, während das Prinzip bei Dworkin gerade der Einengung des richterlichen Ermessensspielraums dient.“ 31  Siehe Stocker, Common Heritage, S. 142. 32  Siehe Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 83. 33  Wie noch zu zeigen sein wird, bildet in dieser Hinsicht das Statusprinzip als Unterfall eines allgemeinen Prinzips eine Ausnahme, weil es im Hinblick auf das Umweltgut, dessen Status es regelt, exklusive Anwendung beansprucht. Siehe dazu die Ausführungen weiter unten bei der Abgrenzung zwischen allgemeinem Prinzip und Statusprinzip, Vierter Teil, Kap.  XIII. 2. b) sowie weiter unten im Rahmen der Abgrenzung zwischen common oncern of mankind (allgemeines Prinzip) und common heritage of mankind (Statusprinzip), Vierter Teil, Kap. XII. 2. a) und f). 34  Stocker, Common Heritage, S. 142. 35  Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs, S. 177 ff. (insb. S. 203); ders., 16 Ratio Juris (2003), S. 433 ff. 36  Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs, S. 177 ff. (insb. S. 203). Siehe dazu auch Sands/Peel, Principles, S. 199 f. 26 27

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realisiert wird.37 Demgegenüber können Regeln stets nur entweder erfüllt oder nicht erfüllt werden. Ihre Rechtsfolgen werden nur ausgelöst, wenn alle ihre Voraussetzungen erfüllt sind, sonst nicht. Prinzipien und Regeln haben nach Alexy einen unterschiedlichen „prima facie-Charakter“: Prinzipien liefern Gründe, die durch gegenläufige Gründe wieder ausgeräumt werden können, wohingegen Regeln definitiv gelten.38 Nach der Trennungsthese manifestieren sich die logisch verschiedenen Normstrukturen von Regeln und Prinzipien außerdem in ihrem unterschiedlichen Kollisionsverhalten: Während zwei kollidierende Regeln nicht zugleich gelten können, werden Normkonflikte zwischen zwei sich überschneidenden Prinzipien unter Berücksichtigung des relativen Gewichts beider Prinzipien entschieden.39 Regelkollisionen spielen sich in der Dimension der Geltung ab, Prinzipienkollisionen dagegen in der Dimension des Gewichts.40 Wenn fraglich ist, welche von zwei Regeln, deren Tatbestandselemente erfüllt sind, die aber gegensätzliche Rechtsfolgen vorsehen, das heißt etwa ein bestimmtes Verhalten gebieten oder verbieten, auf einen einzelnen Sachverhalt anwendbar ist, so lässt sich dieser Normenkonflikt nur lösen, indem eine der beiden Regeln zur generellen Ausnahme der anderen oder für ungültig erklärt wird.41 Wenn hingegen zwei gegenläufige Prinzipien kollidieren, so gibt grundsätzlich dasjenige Prinzip mit dem relativ größeren Gewicht den Ausschlag, ohne dass jenes Prinzip mit dem relativ geringeren Gewicht dadurch schlechthin ungültig wird.42 Allerdings wird in einem solchen Fall nicht etwa ein Prinzip für generell vorrangig erklärt. Vielmehr handelt es sich stets nur um eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung. In einer anderen Fallkonstellation können die Gewichte wiederum umgekehrt verteilt sein. Bei einer solchen Prinzipienkollision ist es außerdem denkbar, dass beide gegenläufigen Prinzipien gleichzeitig Anwendung finden und dementsprechend beide Optimierungsgebote teilweise verwirklicht werden. Für eine derartige Auflösung einer Prinzipienkollision hat sich etwa im deutschen Verfassungsrecht die Formel der „praktischen Konkordanz“ herausgebildet, wonach zwischen kollidierenden Prinzipien ein schonender Ausgleich dergestalt herzustellen ist, dass beide in den gegenläufigen Prinzipien enthaltenen Optimierungsgebote möglichst weitgehend verwirklicht werden.43 37  Alexy, Zum Begriff des Rechtsprinzips, S. 79 ff.; ders., Theorie der Grundrechte, S. 75 f. Siehe ferner Sands/Peel, Principles, S. 199 f.; siehe außerdem Proelß, Prinzipien, in: Proelß (Hrsg.), Internationales Umweltrecht, S. 72 Rn. 2. 38  Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 88. Siehe dazu außerdem Borowski, in: Sieckmann (Hrsg.), Prinzipientheorie der Grundrechte, S.  76 f.; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 665 f. 39  Ähnlich Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 665 unter Bezugnahme auf Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 24 ff. (insb. S. 26). Siehe ferner für den Menschenrechtskontext Tasioulas, 16 OJLS (1996), S. 85. 40  Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 79; siehe dazu außerdem Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 80. 41  Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 26; siehe hierzu erneut Alexy, Vernunft, Recht, Diskurs, S. 183. 42  Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 26; Alexy, Vernunft, Recht, Diskurs, S. 183. 43  Siehe etwa die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem „Kruzifix-Urteil“,

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Oft wird die kategoriale Trennung zwischen Regeln und Prinzipien auf der Ebene der Rechtsanwendung weiter geführt und dort mit den unterschiedlichen Rechtstechniken der Subsumtion und der Abwägung verknüpft.44 Während Regeln stets im Wege der Subsumtion anzuwenden seien, führe die Anwendung von Prinzipien stets zu einer Abwägung.45 Dass der Abwägungsvorgang die spezifische Rechtsanwendungstechnik eines Prinzips sei, folge logisch aus seiner Normstruktur als nicht-­ konditionales Optimierungsgebot und aus seiner „Gewichtsformel“.46 Prinzipien seien abwägungsfähig, Regeln dagegen abwägungsfest.47 Während Prinzipien an der zur Bestimmung ihres Geltungsbereichs notwendigen Abwägung selbst als Abwägungsaspekt teilnähmen, hänge der Geltungsbereich von Regeln – unter Rückgriff auf die abstraktere Prinzipienebene – von dem Abwägungsergebnis der entsprechenden Prinzipienkollision ab. Die normstrukturelle Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien sowie die daran anknüpfende Differenzierung zwischen den Rechtstechniken der Subsumtion und der Abwägung bestechen durch ihre „hohe intuitive Plausibilität“.48 Dennoch wird zu Recht – mit unterschiedlicher Begründung im Einzelnen – gegen eine trennscharfe dichotomische Unterscheidung eingewandt, dass sie an der Vielfalt an Lebenssachverhalten vorbei geht und der Komplexität von Normen und denkbaren Normkonflikten nicht gerecht zu werden vermag.49 Obgleich eine strukturelle Betrachtung von Normen wertvolle Kriterien für eine Abgrenzung zwischen Regel und BVerfGE 93, 1 (21); siehe zur Herstellung praktischer Konkordanz zwischen kollidierenden Prinzipien des Europäischen Umweltrechts Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl. § 9 Rn. 100 und 106. 44  Alexy, 16 Ratio Juris (2003), S. 433; Jansen, in: Sieckmann (Hrsg.), Prinzipientheorie der Grundrechte, S. 39 (39); Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle des Rechtssystems, S. 18 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 474 ff. Siehe außerdem Poscher, in Sieckmann (Hrsg.), Prinzipientheorie der Grundrechte, S. 59 (59); Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 664. 45  Alexy, 16 Ratio Juris (2003), S. 433 ff.; ders., Die Gewichtsformel, in: GS Sonnenschein, S. 771; Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle des Rechtssystems, S. 18: „Die Anwendung von Regeln erfolgt durch die Subsumtion eines Sachverhalts unter ihren Tatbestand und Deduktion der Rechtsfolge (…) Die Anwendung von Prinzipien erfordert demgegenüber (…) eine Abwägung kollidierender Prinzipien“. Siehe außerdem Jansen, in: Sieckmann (Hrsg.), Prinzipientheorie der Grundrechte, S. 39 (39): „Denn Normen sind entweder Regeln oder Prinzipien; und während Regeln im Wege der Subsumtion angewendet werden, erfordert die Anwendung von Prinzipien stets eine Abwägung“. 46  Alexy, Die Gewichtsformel, in: GS Sonnenschein, S. 772. 47  Alexy, Regeln und Rechtsprinzipien, S. 19; siehe dazu außerdem Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 176. 48  So Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 113. 49  So vor allem Poscher, in: Sieckmann (Hrsg.), Prinzipientheorie der Grundrechte, S. 59 (65 ff.); siehe zudem Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 179–182; Jakab, 37 Rechtstheorie (2006), S. 49 (52 ff.). Als unterkomplex sieht die kategoriale Unterscheidung zwischen Regel und Prinzip andeutungsweise auch Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 666: „Unabhängig vom kategorialen Charakter der Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien und einer Beschränkung von Prinzipien auf die Idee der Optimierung (…) mag es eine nicht gebotene Vereinfachung sein, dichotomisch zwischen den Rechtsanwendungsmethoden der Subsumtion und der Abwägung zu unterscheiden.“

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Prinzip liefert, ignoriert eine kategoriale Unterscheidung zwischen beiden Normtypen letztlich, wie vielfältig Normen strukturiert und inhaltlich ausgestaltet sein können und wie komplex Rechtsordnungen auf Normkollisionen reagieren.50 Grundsätzlich beschränkt sich bei keiner Norm die Rechtsanwendung – zumal angesichts der unerschöpflichen Fülle an Sachverhalten – bloß auf die beiden Alternativen der Subsumtion oder der Abwägung.51 Vielmehr beinhalten Normen ein komplexes Bündel an Rechtsanwendungstechniken: Bei jeder Norm kann die Rechtsanwendung in einem schlichten Regelfolgen durch Subsumtion in einfachen Fällen, aber auch in komplexeren analytischen Überlegungen bei komplexeren Normen und/oder Sachverhalten und in vielschichtigeren Argumentationen und Wertungen in schwierigen Fällen bestehen, bei denen dann auch die Güterabwägung im Sinne eines Optimierungsgebotes eine entscheidende Rolle spielen kann.52 Eine Verkürzung des Prinzipienbegriffs auf Abwägungsfähigkeit geht außerdem an dem Bedeutungs- und Facettenreichtum vorbei, der dem Begriff „Prinzip“ in der philosophischen Tradition zukommt und ist daher auch aus begriffsgeschichtlichen Gründen abzulehnen.53 Ob eine Norm abwägungsfähig oder abwägungsfest ist, hängt letztlich von ihrem Inhalt ab,54 sodass eine isolierte Betrachtung ihrer Normstruktur ins Leere geht.55 Ferner können Prinzipien durch Einfügen einer Vorbehaltsklausel zu einer „Alles-oder-Nichts-Norm“ umformuliert werden.56 Als gewichtiger Vorbehalt gilt zudem, dass eine kategoriale Unterscheidung letztlich überflüssig, weil ohne eigenständigen Erklärungswert sei.57 Die „von den Regeln logisch strukturell verschiedenen Prinzipien“58 könnten in vielen Fällen ebensogut  Poscher, in: Sieckmann (Hrsg.), Prinzipientheorie der Grundrechte, S. 59 (65).  Poscher, in: Sieckmann (Hrsg.), Prinzipientheorie der Grundrechte, S. 59 (71), der zudem bemängelt, die von Vertretern der Trennungsthese gelieferten Beispiele für Regeln seien „regelmäßig so konkret, dass sie dem überkommenen Subsumtionsideal zu entsprechen scheinen (…) und „ihre Anwendung scheinbar immer ohne weitere Argumentation und Wertung möglich erscheint“. 52  Siehe statt Vieler Poscher, in: Sieckmann (Hrsg.), Prinzipientheorie der Grundrechte, S. 59 (71). 53  Dieses begriffsgeschichtliche Argument stammt von Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 179. 54  So gilt die Menschenwürde ihres „absoluten Wertes“ wegen in der deutschen Verfassungstradition als „unabwägbar“. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass abwägungsfeste Verletzungsverbote sich – methodisch betrachtet – auch zu grundsätzlich abwägungsfähigen Prinzipien umdefinieren lassen, deren Gewicht aber so schwer ist, dass sie sich in jeder denkbaren Abwägungssituation durchsetzen. Siehe dazu etwa Poscher, in: Sieckmann (Hrsg.), Prinzipientheorie der Grundrechte, S. 59 (76 und 78); Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle des Rechtssystems, S. 156. Auf völkerrechtlicher Ebene lässt sich etwa das absolute Gewaltverbot – rein methodisch besehen – auch als Optimierungsgebot mit einem derart hohen Gewicht interpretieren, dass es sich in einer Abwägungssituation stets durchsetzt. 55  Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 180. 56  Jakab, 37 Rechtstheorie (2006), S.  49 (53) nennt als Beispiel für eine Vorbehaltsklausel das Hinzufügen des Satzes „und wenn nicht wegen eines gegenläufigen Prinzips mit höherem Gewicht etwas anderes geboten ist“. 57  Jakab, 37 Rechtstheorie (2006), S. 49 (55 f.): „(…) der rechtstheoretische Begriff der ‚von den Regeln logisch-strukturell verschiedenen Prinzipien‘ ist einfach überflüssig. Die von ihm erklärten Erscheinungen sind auch ohne ihn zu erklären“. 58  Jakab, 37 Rechtstheorie (2006), S. 49 (55). 50 51

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als „unbestimmte, durch die Rechtsanwendung zu konkretisierende, abstrakte Regeln“ verstanden werden.59 Prinzipien seien lediglich sehr wichtige allgemeine ­Regeln und deren besondere Hervorhebung zum Prinzip nur ein „rhetorischer Kunstgriff“.60 Dies konzedieren letztlich sogar Vertreter einer kategorialen Unterscheidung, wenn sie sich auf den „Doppelcharakter von (Grundrechts)Normen“61 als Regeln und Prinzipien, auf das Argument einer „komplexen Verflechtung von Regeln und Rechtsprinzipien“62 oder darauf zurückziehen, dass „im Rahmen von Rechtsregeln Prinzipienelemente vorkämen“.63 Für das Völkerrecht hat nicht zuletzt die Rechtsprechung des Berufungsgerichts im Fall US – Shrimp/Turtle gezeigt, dass ein und dieselbe Norm zugleich innerhalb einer Teilordnung strikte Regel sein kann, während sie im Verhältnis zu der kollidierenden Norm eines anderen Regimes als Prinzip auf ihre optimale Verwirklichung drängen kann.64 In der völkerrechtlichen Literatur wird für die Steuerung von Normkonflikten zwischen einzelnen völkerrechtlichen Regimen der „potentielle Doppelcharakter von Normen als Regel und Prinzip“65 hervorgehoben. Unabhängig von der Debatte über eine kategoriale Trennung zwischen Prinzipien und Regeln liefert eine normstrukturelle Betrachtung beider Normtypen für die Zwecke der vorliegenden Arbeit wichtige Kriterien, die nunmehr zusätzlich herangezogen werden können, um den Prinzipiencharakter des common concern of humankind-Begriffs darzulegen. cc) Zwischenergebnis Völkerrechtliche Prinzipien unterscheiden sich zunächst von völkerrechtlichen Regeln dadurch, dass sie einen höheren Generalitätsgrad aufweisen. Hierbei handelt es sich allerdings um ein relatives Kriterium, das eine graduelle Unterscheidung  Zur Begründung seiner These greift Jakab, 37 Rechtstheorie (2006), S. 49 (55 f.) das von Alexy als „gutes Beispiel“ herangezogene Lebach-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 35, 202) auf. Jakab führt aus, dasselbe Ergebnis hätte das Bundesverfassungsgericht auch herleiten können, indem es den Schutz der Persönlichkeit (Art.  1 Abs.  1 GG) und die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) als „sehr generelle Regeln“ aufgefaßt und Art. 1 Abs. 1 GG so interpretiert hätte, dass der konkrete Sachverhalt nicht unter diese Grundgesetzbestimmung zu subsumieren war. 60  Jakab, 37 Rechtstheorie (2006), S. 49 (56 f.). Ihm folgend Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 666. 61  Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 122–124. 62  Michael, 48 JöR (2000), S. 169 (176). 63  Koch, Die normtheoretische Basis der Abwägung, S. 9 u. 18 unter Rekurs auf Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 28. 64  WTO AB United States – Import Prohition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/DS58/AB/R v. 12. Oktober 1998, Rn. 156, 159. Siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 666; Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (485 ff.); Wiers, Trade and the Environment in the EC and WTO, S. 291 f. 65  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 676 unter Bezugnahme auf die ursprüngliche Formulierung von Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 122–124: „Doppelcharakter von Grundrechtsnormen“. 59

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zwischen Prinzipien und Regeln mit vielen Grauzonen und Grenzfälle ermöglicht.66 Prinzipien begründen selbst keine konkreten Rechte und Pflichten und sind daher als solche nur sehr begrenzt operabel. Prinzipien abstrahieren vielmehr die in Regeln enthaltenen Rechte und Pflichten und sind daher als Leitlinien bei deren Auslegung heranzuziehen. Sie können selbst Ausgangspunkt für rechtliche Überlegungen und die Formulierung verbindlicher Rechte und Pflichten sein und sind insoweit auch rechtlich verbindlich.67 Der Unterschied zwischen Prinzipien und Regeln ist demnach nicht in ihrer Rechtsverbindlichkeit zu sehen, sondern in ihrer inhaltlichen Tragweite und ihrem materiellen Aussagegehalt.68 Des Weiteren lassen sich Prinzipien und Regeln grundsätzlich  – wenngleich nicht kategorial – anhand der Qualität ihrer Normstruktur unterscheiden: Während Regeln im Verhältnis zu anderen Regeln grundsätzlich exklusive Anwendbarkeit und absolute Geltung beanspruchen und bei Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen eine strikte Rechtsfolge vorsehen, fordern Prinzipien als Optimierungsgebote die möglichst weitgehende Verwirklichung eines idealen Zustands.69 Sie drücken Präferenzen aus, wirken als Begründungspflichten oder Rechtfertigungsgebote und gebieten, dass etwas in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten möglichst hohen Maße realisiert wird.70 Prinzipien haben eine „Dimension des Gewichts“ und sind daher  – abhängig vom Einzelfall – in unterschiedlichem Ausmaß realisierbar. Ein Rechtsprinzip kann gänzlich, in hohem Maße, nur ansatzweise oder überhaupt nicht verwirklicht werden. Weil Prinzipien nicht absolute, sondern lediglich relative Geltung beanspruchen, sind ihre Rechtsfolgen flexibel und in jedem Einzelfall im Verhältnis zu bzw. in Abwägung mit anderen Prinzipien zu bestimmen. Inwieweit der Inhalt eines Prinzips verwirklicht wird, hängt folglich davon ab, ob und inwieweit es andere Prinzipien gibt, die gegenläufige Interessen schützen und wie gewichtig die kollidierenden Interessen jeweils sind. Prinzipien liefern Gründe, die durch gegenläufige Gründe wieder ausgeräumt werden können. Auch im Völkerrecht führt eine Kollision von Prinzipien in eine Abwägungssituation,71 die unter Berücksichtigung des  Siehe Raz, 81 Yale LJ (1972), S.  823 (838); Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 665; Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 181: „Dass es lediglich ein relatives Kriterium ist, erweist sich bei näherem Hinsehen nicht nur als unschädlich, sondern im Vergleich zu vorgeblich randscharfen Abgrenzungen auch als ehrlicher. (…) Überdies stellen Grauzonen (entgegen einem häufig anzutreffenden Mißverständnis) eine qualitative Unterscheidung überhaupt nicht in Frage: Die Unterscheidung zwischen Schwarz und Weiß wird nicht dadurch sinnlos, das zwischen ihnen zahlreiche Grautöne liegen.“ 67  Siehe hierzu etwa Sands, Emerging Legal Principles, in: Lang (Hrsg.), Sustainable Development and International Law, 53 (54 ff.); Kamto, RJE 1993, 11 (12 ff.); Cheng, Principles of Law, S. 376; Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 82. 68  So Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 82. 69  Nach Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S.  665 gebieten Optimierungsgebote, „dass etwas in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten möglichst hohen Maße realisiert wird.“ 70  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 665. 71  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 667. Siehe ferner Proelß, Prinzipien, in: Proelß (Hrsg), Internationales Umweltrecht, S. 91 Rn 36; Schröter, Strukturprinzien, S. 258 ff. 66

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relativen Gewichts beider Prinzipien entschieden wird. Bei der Steuerung von Normkonflikten zwischen verschiedenen völkerrechtlichen Teilordnungen können Prinzipien im Einzelfall auch die Wirkung einer Regel haben. Was ihr praktisches Zusammenwirken in der internationalen Rechtsordnung betrifft, so greifen völkerrechtliche Prinzipien und Regeln im Idealfall funktional ineinander, indem Rechtsprinzipien als Maximen einen abstrakten Rahmen setzen, der sodann von konkreteren Rechtsregeln ausgefüllt wird.

b ) Das Verhältnis allgemeiner Prinzipien zu den Rechtsentstehungsquellen des Völkerrechts nach Art. 38 Abs. 1 lit. a) – c) IGH-Statut Etwas weiter oben wurden völkerrechtliche Prinzipien als allgemeine Sätze des Völkervertrags- oder -gewohnheitsrechts definiert, die gegenüber ihren speziellen Anwendungsregeln einen höheren Generalitätsgrad aufweisen und als Leitlinien zur Auslegung von einfachen völkerrechtlichen Normen heranzuziehen sind.72 Im Einklang mit der Lehre von den Völkerrechtsquellen73 kann die Existenz eines positiven völkerrechtlichen Prinzips nur durch eine Untersuchung seiner Rechtsquelle(n) nachgewiesen werden, das heißt durch eine Untersuchung der formalisierten Erzeugungsarten und Erscheinungsformen des positiven Völkerrechts.74 Ob es sich jedoch bei diesem so ermittelten Rechtssatz völkerrechtstheoretisch um ein allgemeines Prinzip im oben ­beschriebenen Sinne handelt, ist im Wesentlichen unabhängig von der Rechtsquel­ lenlehre am Maßstab der oben entwickelten Kriterien, das heißt anhand seines Generalitätsgrades75 und seiner genuinen Normstruktur76 zu ermitteln. Obgleich sich zu der Frage, ob ein bestimmter Satz des Völkerrechts eine Regel oder ein Prinzip darstellt, oftmals diejenige gesellt, ob die entsprechende völkerrechtliche Norm bereits zu Völkergewohnheitsrecht im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH-Statut erstarkt ist, sind der Prinzipiencharakter einer Norm einerseits und deren Qualifizierung als Völkergewohnheitsrecht andererseits grundsätzlich getrennt voneinander zu untersuchen. Nach klassischem und noch immer überwiegend vertretenem Rechtsquellenverständnis sind die allgemeinen Völkerrechtsprinzipien ihrer Entstehung nach keinesfalls mit jenen in Art. 38 Abs. 1 lit. c) IGH-Statut als eigenständige Rechtsquelle des Völkerrechts aufgeführten „von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechts Siehe dazu die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIII. 1. a) aa).  Siehe aus dem umfangreichen Schrifttum zur Rechtsquellenlehre des Völkerrechts vor allem Rousseau, Principes généraux du droit international public, S. 105 ff.; Schwarzenberger, Inductive Approach; Verdross, Die Quellen des universellen Völkerrechts, S. 115 ff.; ders./Simma, Universelles Völkerrecht, § 515, S. 321 ff.; Guggenheim, Traité de Droit international public I, S. 93 ff.; Jennings, 37 SchwJIR (1981), S. 59 ff. 74  Siehe Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 515, S. 321. Ähnlich Proelß, Prinzipien, in: Proelß (Hrsg.), Internationales Umweltrecht, S. 73 Rn. 4. 75  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 1. a) aa). 76  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 1. a) bb). 72 73

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grundsätze(n)“ gleichzusetzen;77 demnach seien die letztgenannten ­Grundsätze zumindest „ihrem Ursprung nach völkerrechtsfremde Normen, die nicht in einem völkerrechtlichen Rechtserzeugungsverfahren entstanden sind“.78 Bei ihnen handelt es sich um Rechtsprinzipien der nationalen Rechtsordnungen, die allen oder wenigstens den meisten Rechtsystemen immanent sind, durch Rechtsvergleichung zu ermitteln sind, sich zur Übertragung auf das Völkerrecht eignen und als dritte selbstständige, aber subsidiäre Völkerrechtsquelle dienen.79 Ganz im Gegensatz zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Art. 38 Abs. 1 lit. c) IGH-Statut gründen die hier interessierenden Rechtsprinzipien nicht im nationalen Recht, sondern sind nach überwiegender Literaturauffassung als – im Vertrags- und Gewohnheitsrecht verkörperte – abstrakte völkerrechtliche Vorschriften ohne eigenständigen Rechtsquellencharakter80 anzusehen. Im Unterschied zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen im Sinne des IGH-Statuts handelt es sich bei den allgemeinen völkerrechtlichen Prinzipien („general principles of international law“) demnach um originär völkerrechtliche Grundsätze, die auf dem Weg über Verträge oder Völkergewohnheitsrecht allgemeine Anerkennung erfahren haben.81 Zwar ist es grundsätzlich denkbar, dass ein Rechtsgedanke sich sowohl über das Völkervertrags- und -gewohnheitsrecht gemäß Art. 38 Abs. 1 lit. a) und b) IGH-Statut zu einem genuin völkerrechtlichen Prinzip entwickelt als auch als allgemeiner übereinstimmender Rechtsgrundsatz der innerstaatlichen Rechtsordnungen im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. c) IGH-Statut auf das Völkerrecht übertragen lässt. Gegenüber den vorrangigen Rechtsquellen des Völkervertrags- und -gewohnheitsrechts wäre die Existenz eines common concern of humankind-Prinzips als allgemeiner Rechtsgrundsatz im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. c) IGH-Statut allerdings erst subsidiär zu untersuchen, wenn es sich weder in völkerrechtlichen Verträgen noch gewohnheitsrechtlich nachweisen ließe.82  Siehe zu dieser Unterscheidung sowie zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen etwa die Ausführungen bei Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §  597; Brownlie, Principles, 4. Aufl.,  S. 15  ff.; Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law Volume I, 9. Aufl. 1992, S.  36  ff.; wie Durner, Common Goods, S. 22 Fn. 21 zutreffend ausführt, ist die häufige Verwechslung von „general principles of law“ iSv. Art. 38 Abs. 1 lit. c) IGH-Statut mit den vorliegend skizzierten „general principles of international law“ womöglich in vielen Fällen auf sprachliche Gründe zurückzuführen. Siehe allerdings neuerdings Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 633 ff., der – wie zuvor bereits Zemanek, 19 YBWA (1965), S. 199 (208) – mit einem konstruktivistischen Ansatz die Entstehung der allgemeinen Rechtsgrundsätze im Sinne von Art.  38 Abs.  1 lit. c IGH-Statut aus den internationalen Beziehungen heraus erklärt. 78  So Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., S. 231; ähnlich zitiert bei Stocker, Common Heritage, S. 143. 79  Siehe Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 71 f.; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 231; Verdross/Simma; Universelles Völkerrecht, S. 380 ff. Anders und wenig überzeugend indes Cancado Trindade, in: IGH, Pulp Mills on the River Uruguay (Argentina v. Uruguay), Separate Opinion Cancado Trindade, ICJ Reports 2010, S. 52 ff., Z. 34, 41 f. und 207 ff. 80  Siehe Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 602 m. w. N.; Stocker, Common Heritage, S. 143; Durner, Common Goods, S. 21f. 81  Ähnlich bereits Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 605, S. 386. 82  Zur Subsidiarität der allgemeinen Rechtsgrundsätze als eigenständige Rechtsquelle vor allem Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 608, S. 388 f.: „Die ‚general principles‘ kommen also 77

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

2 . Abgrenzung des umweltvölkerrechtlichen Prinzips von anderen Regelungsinstrumenten des Umweltvölkerrechts Im bisherigen Verlauf der Arbeit wurde bereits aufgezeigt, dass der Begriff des common concern of humankind bislang ausschließlich auf dem Gebiet des Umweltvölkerrechts verwendet wurde,83 obgleich vereinzelt vorgeschlagen wird, seine Geltung auch auf andere globale Werte und Güter außerhalb des globalen Umweltschutzes zu erstrecken.84 Um den späteren Ausführungen zur rechtlichen Bedeutung des CCM-Prinzips den Weg zu bereiten, erscheint es daher geboten, dem Begriff des allgemeinen Prinzips schärfere Konturen zu verleihen, indem er von anderen Begriffen und rein äußerlich verwandter Normierungsinstrumenten abgegrenzt wird, die typischerweise ebenfalls im Rahmen umweltvölkerrechtlicher Übereinkommen verwendet werden und infolgedessen gelegentlich mit umweltvölkerrechtlichen Prinzipien im oben beschriebenen Sinne verwechselt zu werden drohen.

a) Abgrenzung zu den „Besonderen Statusbegriffen“ Zunächst gilt es, allgemeine Prinzipien des Völkerrechts von einfachen Rechtssätzen in Gestalt besonderer Statusbegriffe zu unterscheiden. Diese Rechtskategorie findet sich in umweltvölkerrechtlichen Verträgen, die einzelne Umweltgüter einem rechtlichen Sonderstatus unterwerfen. Zwar wird der in den jeweiligen Übereinkommen normierte rechtliche Sonderstatus häufig in ein plastisches und pauschales Schlagwort – wie etwa das „Weltkulturerbe“ – verpackt. Dies vermag aber nichts daran zu ändern, dass es sich bei solchen Übereinkommen um spezielle Regime handelt, deren Modell sich nicht unbedingt verallgemeinern lässt.85 Ein Musterbeispiel für einen solchen besonderen statusbegründenden Völkerrechtsbegriff findet sich etwa in der Ramsar-Konvention aus dem Jahre 1972, in welcher der völkerrechtliche Sonderstatus eines „Feuchtgebiets von internationaler Bedeutung“ grundsätzlich subsidiär zur Anwendung. (…) Die in Art. 38 enthaltene Reihenfolge bringt nur zum Ausdruck, dass die lex specialis (Vertrags- und/oder Völkergewohnheitsrecht) der lex generalis (allgemeine Rechtsgrundsatz) vorgeht. Besteht daher ein auf den Streitfall anwendbarer, rechtsverbindlicher Vertrag, dann ist er in erster Linie maßgebend. In Ermangelung eines Vertrages muß das VGR herangezogen werden. Nur wenn auch keine solche Norm nachweisbar ist, kann der Fall auf Grund der allgemeinen Rechtsgrundsätze entschieden werden.“; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S.  231; S.  253 Rn.  5.; Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 71: „Gegenüber dem Völkervertragsrecht und dem Völkergewohnheitsrecht sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze idR. subsidiär“. 83  Siehe zur Geschichte des Begriffs common concern of humankind sowie seiner Staatenpraxis die ausführliche Darstellung weiter oben, Dritter Teil, Kap. VII. und IX. 84  So plädiert Beitz, 95 American Political Science Review (2001) für die Ausweitung der common concern-Idee auf universelle Menschenrechte; vgl. auch Robinson, 18 Pace International Law Review (2001), der das common concern-Prinzip gar auf Waldbrände erstrecken möchte. 85  Siehe Durner, Common Goods, S. 25.

2. Abgrenzung des umweltvölkerrechtlichen Prinzips von anderen …

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n­ iedergelegt wurde, der einzelnen Reservaten durch Aufnahme in eine gesonderte Liste zugewiesen wird;86 denn der Status eines Feuchtgebietes von internationaler Bedeutung bezieht sich ausschließlich auf dieses Übereinkommen, seine rechtliche Bedeutung ist daher ebenfalls auf dieses Regime beschränkt und lässt sich nicht auf andere Ressourcen übertragen.87 In ähnlicher Weise handelt es sich bei der Regelung der Ausschließlichen Wirtschaftszone trotz ihrer herausragenden praktischen Bedeutung um eine seerechtliche Spezialität, die in anderen Bereichen keine Rolle spielt, sich demzufolge auch nicht verallgemeinern lässt und daher gerade keine Prinzipienqualität aufweist.88 Das Gleiche gilt für eine Reihe völkerrechtlicher Verträge, welche auf den Schutz bestimmter Naturgebiete und Kulturgebiete abzielen und zu diesem Zweck das Instrument des besonderen Statusbegriffs einführen.89

b ) Abgrenzung zum Begriff des „Statusprinzips“ als Unterfall des allgemeinen Prinzips Sodann ist innerhalb der allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts der Typus des Statusprinzips herauszugreifen, der eine Reihe von Besonderheiten aufweist und sich deshalb als Unterfall von den übrigen umweltvölkerrechtlichen Prinzipien abhebt. Angesprochen sind damit solche allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts, die bestimmten Umweltgütern einen eigenen völkerrechtlichen Status zuweisen.90  Convention on Wetlands of International Importance Especially as Waterfowl Habitat (Ramsar 1971), 11 ILM 1972, S. 963 ff., Art. 2 Abs. 1; vgl. speziell zur Ramsar-Konvention etwa die Ausführungen von Lyster, International Wildlife Law, 1985, S. 183 ff. sowie die Beiträge in dem von der International Union for the Conservation of Nature (IUCN) herausgegebenen Sammelband: Legal Aspects of the Conservation of Wetlands/Aspects Juridiques de la Protection des Zones Humides, 1991. Dieses Beispiel für einen „besonderen Statusbegriff“ stammt von Durner, Common Goods, S. 25. 87  Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 25. 88  So Durner, Common Goods, S. 25. Diese hohe praktische Bedeutung spiegelt sich zudem in der mittlerweile reichen völkerrechtlichen Literatur wider: Vgl. etwa Kwiatkowka, The 200 Mile Exclusive Economic Zone, 1989; Attard, The Exclusive Economic Zone in International Law, 1987. Siehe neuerdings zum Konzept der Ausschließlichen Wirtschaftszone ganz allgemein Proelß, ZUR 2010, 359 ff.; ders., in: Vitzthum (Hrsg.), Seerecht, Kap. III Rn. 203 ff. 89  Nähere Belege und Erläuterungen zu den jeweiligen völkerrechtlichen Regelungsinstrumenten finden sich im Hinblick auf den allgemeinen Naturschutz bei de Klemm, Biological Diversity Convention and the Law, 1993; van Heijnsbergen, International Legal Protection of Wild Fauna and Flora, 1997; siehe ferner zu besonderen Statusbegriffen Carmody, 30 Environmental and Planning Law Journal (2013), S. 56 ff. und erneut Durner, Common Goods, S. 25 ff.; Proelß, ZUR 2010, 359 ff.; ders., in: Vitzthum (Hrsg.), Seerecht, Kap. III Rn. 203 ff.; Odendahl, „World Natural Heritage“, in: MPEPIL online (2011), Rn. 4 ff., abrufbar unter: www.mpepil.com; siehe ferner Schweizer, Biodiversitätskonvention, S.  33  ff. Zum völkerrechtlichen Kulturgüterschutz Dolzer/Jayme/ Mußgnug, (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994 und Krenz, Rechtliche Probleme des internationalen Kulturgüterschutzes, 2013. 90  Siehe zu diesem Begriff des Statusprinzips insgesamt die präzisen Vorarbeiten von Durner, Common Goods, S. 20. 86

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

­ hnlich wie im Rahmen des mittlerweile anerkannten Begriffs des „Statusvertrags“ Ä ist der Begriff des „Status“ innerhalb eines Statusprinzips als Kurzformel für den völkerrechtlichen Zustand einer Ressource zu verstehen.91 Für jene Güter, Ressourcen und Territorien, für die ein betreffendes Statusprinzip gilt, normiert es jeweils eine Reihe bestimmter Rechtsfolgen.92 Die terminologische Differenzierung zwischen allgemeinen völkerrechtlichen Prinzipien und Statusprinzipien soll keinesfalls infrage stellen, dass es sich bei Letzteren ebenfalls um umweltvölkerrechtliche Prinzipien handelt; denn in Abgrenzung zu den weiter oben erwähnten – auf den Einzelfall zugeschnittenen  – besonderen Statusbegriffen haben Statusprinzipien und die sonstigen allgemeinen umweltvölkerrechtlichen Prinzipien gemeinsam, dass beide Prinzipientypen als verallgemeinerte Rechtssätze durchweg im Rahmen mehrerer völkerrechtlicher Instrumente auf verschiedene Umweltgüter Anwendung finden können und gerade deshalb Prinzipienqualität haben.93 So gilt das common heritage of mankind-Prinzip für die Hohe See, das Tiefseebett, den Weltraum, den Mond sowie in gewissem Umfang für die Antarktis und wird darüber hinaus bisweilen sogar generell für sämtliche Gebiete außerhalb der Grenzen nationaler Souveränität in Anspruch genommen.94 Im Gegensatz zu den sonstigen allgemeinen Prinzipien zielen Statusprinzipien vor allem darauf ab, in Bezug auf bestimmte Ressourcen die Zugangs- und Nutzungsrechte von Nationalstaaten zu regeln.95

c) Abgrenzung zum Begriff des „Soft Law“ Schließlich sind die allgemeinen umweltvölkerrechtlichen Prinzipien von den Regelungsinstrumenten des sogenannten soft law96 abzugrenzen, obgleich sich im Völkerrecht die Linien zwischen „Nicht-Recht“, soft law und hard law schwer ziehen  Siehe dazu Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 21 ff., wobei der Schutzgüterbezug von Statusprinzipien an einigen Stellen weiter als die ausschließliche Orientierung an Territorien gefasst sein dürfte, die Klein den Statusverträgen zuschreibt. 92  So überzeugend Durner, Common Goods, S. 20. 93  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 25, 27. 94  Siehe dazu vor allem Wolfrum, 43 ZaöRV 1983, S. 314: „(…) a valid principle governing the use of areas which lie outside of the limits of national jurisdiction (…)“. 95  Dieser Unterschied im Hinblick auf die materiellen Rechtswirkungen beider Prinzipientypen wird im Rahmen der späteren Ausführungen zur Abgrenzung zwischen dem allgemeinen umweltvölkerrechtlichen Prinzip des common concern of humankind und dem allgemeinen Statusprinzip des common heritage of mankind wieder aufgegriffen und vertieft, siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. e), spielt er doch eine entscheidende Rolle für die eigenständige völkerrechtliche Bedeutung des common concern of humankind-Prinzips, deren Nachweis die vorliegende Studie zu erbringen sucht. An dieser Stelle soll der knappe Hinweis auf dieses nur offensichtlichste von mehreren Abgrenzungsmerkmalen genügen; denn ohne Kenntnis von der genauen rechtlichen Bedeutung des CCM-Prinzips wäre es verfrüht und allzu abstrakt, die besagte Unterscheidung zwischen beiden Prinzipien bereits vorauszuschicken. 96  Siehe allgemein zum „soft law“ etwa Friedrich, International Environmental „soft law“, S. 127 ff. und 143 ff.; Thürer, 104 ZSR NF (1985 I), S. 429 ff.; Bothe, 11 NYIL (1980), S. 65 ff.; Dupuy, in: 91

2. Abgrenzung des umweltvölkerrechtlichen Prinzips von anderen …

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lassen.97 Der Begriff des „weichen Völkerrechts“ hat sich für solche Verhaltensregeln eingebürgert, die im zwischenstaatlichen Verkehr erzeugt und angewandt werden, aber weder – originär – aus den herkömmlichen formellen Quellen des Völkerrechts im Sinne von Art. 38 IGH-Statut stammen noch – derivativ – aufgrund von völkerrechtlichen Verträgen mit Rechtsverbindlichkeit ausgestattet werden und daher – im Gegensatz zu den allgemeinen Prinzipien – grundsätzlich rechtlich unverbindlich sind.98 Solche „Verhaltenserwartungen ohne völkerrechtliche Bindung“99 finden sich in den unterschiedlichsten völkerrechtlichen Dokumenten wie etwa Deklarationen und Resolutionen, einseitigen und mehrseitigen Absichtserklärungen, außerrechtlichen Abmachungen, „Codes of Conduct“ und „Gentlemen’s Agreements“. Besondere Bedeutung haben in diesem Zusammenhang Resolutionen der UN-Generalversammlung, zumal sich an ihrem Beispiel  – insbesondere im Hinblick auf den common concern-Terminus  – aufzeigen lässt, wie nahe „weiche“ GV-Resolutionen und „harte“ völkerrechtliche Prinzipien beieinander liegen können. Nach dem Wortlaut der Artikel 10–14 UN-Charta entfalten UN-Resolutionen – zumindest jenseits von Budgetfragen – unmittelbar keine externe Rechtsbindung. Noch deutlicher als in seinem Nicaragua-Urteil hat der IGH allerdings in seinem Nuklearwaffen-Gutachten im Jahre 1996 klargestellt, dass Resolutionen der Generalversammlung, obwohl sie rechtlich nicht verbindlich sind, unter gewissen Umständen trotzdem einen „normativen Wert“ haben können.100 Denn abhängig von ihrem Inhalt und den konkreten Umständen ihrer Annahme könnten sie als Indikatoren einer entsprechenden Rechtsüberzeugung (opinio iuris) angesehen werden und so dem Nachweis von Gewohnheitsrecht dienen.101 Zudem könne eine Reihe Brunnée/Bodansky/Hey, Oxford Handbook, S. 449–466 (458 f.); Knauff, Soft Law im Mehrebenensystem; D‘Aspremont, 19 EJIL (2008), S.  1075  ff.; Alvarez, law-makers, S.  217  ff.; Danilenko, Law-making in the International Community, S. 20 f.; Dupuy, Droit international public, S. 285 ff.; Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S.  77  ff. m.w.N; Verdross/Simma, Universelles Völlerrecht, S. 419 ff. m. w. N.; Weil, 77 AJIL (1983), S. 413 (414 f.). Die nachfolgende Darstellung des „soft law“ orientiert sich vor allen Dingen an den griffigen Darlegungen von Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 654 ff., S. 419 ff. und Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 77 ff. 97  Ähnlich Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 662 und vor ihm bereits Johnstone, 102 AJIL (2008), S. 275 (282). Friedrich, International Environmental „soft law“, S. 12 spricht sich neuerdings dafür aus, auf das Begriffspaar „hard law“ und „soft law“ zu verzichten, da es die Fehlvorstellung hervorrufe, „soft law“ habe eine „schwächere“ Geltung. 98  So vor allem Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 654, S. 419. Siehe dies., Universelles Völkerrecht, § 517, S. 323. 99  So pointiert Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 654, S. 419. 100  Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports 1996, S. 32 f. Z. 70: „The Court notes that General Assembly resolutions, even if they are not binding, may sometimes have normative value.“ 101  Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports 1996, S. 32 f. Z. 70: „They can, in certain circumstances, provide evidence important for establishing the existence of a rule or the emergence of an opinio iuris (…) To establish whether this is true of a given General Assembly resolution, it is necessary to look at its content and the conditions of its adoption; it is also necessary to see whether an opinio iuris exists as to its normative character.“ In seinem Urteil zum Congo v. Uganda-Fall hat der IGH diese Rechtsprechung konsequent angewandt, siehe Case Concerning Armed Activities in the Territory of the Congo, ICJ Reports 2005, S. 27 Z. 244.

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

von UN-Resolutionen eine neue, sich allmählich entwickelnde opinio iuris dokumentieren.102 Auch in der Literatur werden GV-Resolutionen weit überwiegend als soft law eingestuft, das zwar keine eigenständige Völkerrechtsquelle darstellt, weil es nicht den „Härtegrad“ eines positiven Rechts aufweist und dennoch eine Aussage über das geltende Recht trifft, indem es Rechtsüberzeugungen oder Tendenzen zur Weiterentwicklung des Völkerrechts widerspiegelt.103 Anhand der Entwicklung des common concern of humankind-Begriffs wird die schmale Abgrenzungslinie zwischen „weicher“ UN-Resolution und „hartem“ Rechtsbegriff deutlich: Als Bestandteil der UN-Resolution 43/53 im Jahre 1988104 dürfte der common concern-Terminus noch als rechtlich unverbindliches soft law zu qualifizieren gewesen sein. Seine Verankerung in weiteren UN-Resolutionen in den darauffolgenden Jahren105 könnte bereits eine sich herausbildende Rechtsüberzeugung im Sinne des IGH-­ Nuklearwaffengutachtens dokumentiert haben.106 Spätestens mit seiner Verankerung in der Klimarahmenkonvention im Jahre 1992 hat sich der common concern-­ Begriff zu einer positiv-völkervertraglichen Rechtnorm „verhärtet“.107 Erkennungsmerkmal einer als soft law eingestuften Verhaltensregel kann insbesondere der Umstand sein, dass sich der Konsens der Beteiligten gerade nicht darauf erstreckt, sich rechtlich binden zu wollen.108 Trotz seiner formal-rechtlichen Unverbindlichkeit vermag „weiches“ Völkerrecht109 zwischenstaatliches Verhalten im Einzelfall genauso zu steuern wie Völkerrecht im engeren Sinne der herkömmlichen Rechtsquellenlehre, erst recht wenn es mit einem institutionalisierten „Sankti Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports 1996, S. 32 f. Z. 70: „Or a series of resolutions may show the gradual evolution of the opinio iuris required for the establishment of a new rule.“ 103  Siehe Vitzthum, Völkerrecht, 5. Aufl., S. 32 und 76; Friedrich, International Environmental „soft law“, S. 127 ff. und 143 ff.; Thürer, 104 ZSR NF (1985 I), S. 429 ff.; Bothe, 11 NYIL (1980), S. 65 ff.; Dupuy, in: Brunnée/Bodansky/Hey, Oxford Handbook, S. 449–466 (458 f.). 104  UNGA-Resolution 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326. 105  UNGA Res. 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326 (Hervorhebung z. T. vom Verfasser); UNGA Res. 44/207 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind; UNGA Res. 45/207 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind; UNGA Res. 46/169 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326. Alle drei Resolutionen finden sich abgedruckt bei Churchill/Freestone, International Law, S.  243  ff.; siehe erneut UNGA Res. 46/169 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326, abgedruckt bei Churchill/Freestone, International Law, S. 243 ff.; UNGA Res. 44/206 v. 22. Dezember 1989, Possible adverse effects of sea-level rise on islands and coastal areas, particularly low-lying areas, ebenfalls abgedruckt bei Churchill/ Freestone, International Law, S. 243 ff. 106  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. a). 107  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. und Kap. II. 108  Lang, 22 AVR (1984), S. 283 (285) spricht in diesem Zusammenhang von einem „voluntaristischen Defizit“; siehe hierzu auch Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 79. 109  Siehe aus dem deutschsprachigen Schrifttum vor allem die Ausführungen von Heusel, „Weiches“ Völkerrecht. 102

2. Abgrenzung des umweltvölkerrechtlichen Prinzips von anderen …

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ons“-Mechanismus versehen ist,110 sodass ihm in der völkerrechtlichen Praxis durchaus eine gewisse Autorität zukommt.111 Diese Regelungswirkung von soft law beruht insbesondere auf dem Vertrauensprinzip, wonach ein Staat in seinem Vertrauen darauf zu schützen ist, „dass sich der mitbeteiligte Staat nicht zu der von ihm erzeugten, berechtigten Verhaltenserwartung in Widerspruch setzen wird“.112 Aufgrund dieser janusköpfigen Eigenheit wird es oftmals bevorzugt in denjenigen Teilbereichen des Völkerrechts als Regelungsinstrument eingesetzt, in denen zwar einerseits eine rasche Lösung dringend geboten ist, die aber andererseits insgesamt politisch höchst umstritten sind und in denen sich daher Einigungen besonders schwer erzielen lassen.113 In diesen zumeist jüngeren Bereichen des Völkerrechts haben Dichte und Vielfalt von soft law seit einigen Jahrzehnten rapide zugenommen. Seine zunehmende Bedeutung lässt sich insbesondere darauf zurückführen, dass völkerrechtliche Verträge und Völkergewohnheitsrecht ein relativ geringes Innovationspotenzial besitzen, zumal die Erzeugung von Völkerrecht über diese herkömmlichen Quellen für gewöhnlich umständlich und langsam abläuft. Demgegenüber ermöglicht soft law ein rascheres Reagieren auf aktuelle Entwicklungen.114 So wird „ein Konsens über neue Entwicklungslinien, völkerrechtspolitische Leitvorstellungen, Standards und Programme oft zuerst in außerrechtlicher, gleichsam provisorischer Gestalt, als pré-droit formuliert und seine Beständigkeit erprobt, bevor sein harter Kern schließlich in die Vertragsform gegossen wird“115 oder gar zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt. „Weiches Recht“ stellt somit häufig eine Vorstufe im Entstehungsprozess verbindlicher völkerrechtlicher Regelungen dar, indem „außerrechtliche Vereinbarungen und Beschlüsse ohne Rechtsverbindlichkeit ganz bewusst als Alternative zu völkerrechtlich ‚harten‘ Normen eingesetzt werden, um den provisorischen und lückenhaften Charakter einer Einigung zu betonen“,116 die aber für die nachfolgende Staatenpraxis durchaus „harte“ Fakten schafft und dadurch später auch bislang in ihrer Völkerrechtspraxis abweichende Staaten zu einer völ-

 Wie z. B. die „Declaration on the granting of Independence to colonial countries and peoples“, Res. 1514 (XV) und die zahllosen weiteren Anti-Kolonialismus-Resolutionen der UN-Generalversammlung in Gestalt ihres „Committee of Twenty-Four“ (Dekolonialisierungsausschuss). 111  Siehe Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 656, S. 420 f. 112  Thürer, 104  ZSR NF (1985  I), 429 (446); siehe ferner allgemein zum Vertrauensprinzip Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht, Rn.  157. Siehe weiterhin Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 291 f., derzufolge die „gemeinsame Sorge der Menschheit“ letztlich nichts anderes als ein auf globale Umweltbeeinträchtigungen bezogener Anwendungsfall des Vertrauensprinzips sein soll. Siehe zu dieser Auffassung die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a) ii) sowie b) (Stellungnahme). 113  Siehe hierzu vor allem Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 188 (221); Heusel, „Weiches“ Völkerrecht, S. 25 f.; Thürer, 104 ZSR NF (1985 I), S. 429 (431 ff.); Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 420. Siehe auch Dupuy, 12 MichJIL 1991, S. 420 (420 ff.), der weitere Gründe für das Phänomen „soft law“ anführt. 114  Siehe Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S.  79; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 655, S. 420. 115  Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 655, S. 420. 116  Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 655, S. 420. 110

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

kerrechtlich bindenden Einigung drängt. Demnach ist die wesentliche Bedeutung des soft law in seiner „Vorreiterrolle“ zu sehen, die es im Rahmen des stetigen Prozesses der Weiterentwicklung des Völkerrechts spielt.117 Dennoch werden Nutzen und Existenzberechtigung des völkerrechtlichen soft law teilweise bestritten. Bereits die Terminologie soft law sei unglücklich gewählt, erwecke sie doch den Eindruck, völkerrechtliche Normen könnten unterschiedliche Grade von Rechtsverbindlichkeit aufweisen.118 Auch suggeriere diese Begriffswahl, es handele sich dabei gar um eine Kategorie, die hinsichtlich ihrer rechtlichen Geltung auf einer Stufe zwischen Recht und „Nicht-Recht“ stehe,119 obwohl es bereits aus dogmatischen Gründen undenkbar sei, die strikte Unterscheidung zwischen verbindlichem Recht und unverbindlichem „Nicht-Recht“ aufzugeben.120 Hieran anknüpfend wird bisweilen bemängelt, die Anerkennung von soft law drohe jene Autorität, mit welcher die klassischen Rechtsquellen des Völkerrechts versehen seien, nachhaltig zu schwächen.121 Insbesondere wenn der politische Wunsch zum Vater des Gedankens werde, berge jene Gemengelage völkerrechtlich verbindlicher und unverbindlicher Regeln die Gefahr in sich, das Völkerrecht mit einer bloßen „relativen Normativität“ (relative normativity)122 zu „infizieren“ und damit auch die Geltung der gesamten völkerrechtlichen Ordnung als solcher infrage zu stellen.123 Zwar bedarf es für die Zwecke dieser Arbeit an sich keiner Stellungnahme für oder gegen die Anerkennung von soft law als eigenständige Rechtskategorie; doch ist die vorliegende Untersuchung von einer Herangehensweise an das Völkerrecht geprägt, die strikt zwischen philosophischen Ideen und politischem Wunschdenken einerseits und positiv-völkerrechtlicher Wirkung andererseits trennt.124 Daher sei an dieser Stelle in angemessener Kürze angemerkt, dass Vieles dagegen spricht, die Kategorie des soft law als eigenständige Rechtsquelle anzusehen. Zwar ist mit der weit überwiegenden Auffassung in der völkerrechtlichen Literatur Art.  38 Abs.  1 IGH-Statut nicht als numerus clausus der Völkerrechtsquellen zu verstehen, sodass die Entstehung von Völkerrecht grundsätzlich auch außerhalb des klassischen  Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §  655, S.  420; Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 80. 118  Siehe etwa Thürer, 104 ZSR NF (1985 I), S. 429 (441 f. m. w. N.); Kimminich, Einführung ins Völkerrecht, S. 255 f. m. w. N.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 654, S. 420; Epiney/ Scheyli, Strukturprinzipien, S. 79. 119  Vgl. Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 79. 120  So Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S.  79. Siehe ferner die berechtigte Kritik von Weil, 77  AJIL (1983), S. 413 (S.  414 f.); siehe außerdem Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 654, S. 420. 121  Siehe etwa Kimminich, Einführung ins Völkerrecht, S. 255 f. m. w. N.; Danilenko, Law-Making in the International Community, S. 20 f. In diesem Sinne wohl auch Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, 188 (221); Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 79. 122  Dieser Begriff wurde geprägt von Weil, 77 AJIL (1983), S. 413 (414 ff). 123  Siehe dazu vor allem Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 657, S. 422; Ähnlich Danilenko, Law-Making in the International Community, S. 20 f.; Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, 188 (221) und Kimminich, Einführung ins Völkerrecht, S. 255 f. m. w. N. 124  Siehe zur Methodik dieser Arbeit die ausführliche Darstellung weiter oben, Erster Teil, Kap. II. 117

3. Die Bedeutung allgemeiner Prinzipien für die Praxis des Umweltvölkerrechts

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Rechtsquellenkatalogs möglich ist.125 Neben den oben angeführten gewichtigen Argumenten sprechen allerdings auch bereits Normstruktur und Logik des Rechts im Allgemeinen, die dem Begriff des Völkerrechts zugrunde liegen, gegen eine irgendwie geartete Rechtswirkung von soft law; denn „Recht ist Recht, wenn es von einem zur Rechtsetzung befugten Organ als rechtlich geltend gesetzt wird. Entweder gilt es oder es ist eben zum jeweiligen Zeitpunkt (noch) kein Recht; ‚stärkere‘ oder ‚schwächere‘ Geltung“,126 das heißt gewissermaßen unterschiedliche Geltungsgrade, kann es bereits logisch nicht geben.127 Zur Abgrenzung zwischen allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts und internationalem soft law lassen sich somit nach dem oben Gesagten folgende Essenzen festhalten: Zwar haben allgemeine Prinzipien des Völkerrechts und Verhaltensregeln des soft law gemeinsam, dass eine ihrer wesentlichen Funktionen darin besteht, zur Auslegung völkerrechtlicher Regeln herangezogen werden zu können. Daher sind beide Normierungsinstrumente stets zu berücksichtigen, sobald sich Fragen nach der zukünftigen Entwicklung des Völkerrechts stellen, auf welche sich in den geltenden Völkerrechtsregeln keine ausreichenden Antworten finden lassen.128 Unterscheiden lässt sich soft law von allgemeinen Prinzipien vor allen Dingen insofern, als es zwar ebenfalls bei Auslegungsfragen heranzuziehen ist, jedoch nicht rechtsverbindlich ist und daher keine selbstständige völkerrechtliche Geltungskraft in sich trägt.

3 . Die Bedeutung allgemeiner Prinzipien für die Praxis des Umweltvölkerrechts Schließlich wird die theoretische Betrachtung allgemeiner Prinzipien mit einem Blick auf ihre praktische Bedeutung für das Umweltvölkerrecht abgerundet. Hierzu ist nachfolgend auf der Grundlage des oben skizzierten Begriffs des allgemeinen Prinzips nunmehr die internationale Rechtsordnung in den Blick zu nehmen. In den vergangenen 30 Jahren haben Anzahl und Vielfalt allgemeiner Prinzipien im Umweltvölkerrecht rapide zugenommen. Nahezu alle modernen umweltvölker-

 Siehe statt Vieler Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 518 ff. und § 659; Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 74 f.; Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 79. 126  Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 76. 127  So überzeugend Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 32 u. 76; siehe auch Bothe, 11 NYIL (1980), S. 65 ff.; Thürer, 104 ZSR NF (1985 I), S. 429 ff.; Zemanek, 266 RdC (1997-IV), S.  9 (141  ff.); ähnlich bereits Weil, 77  AJIL (1983), S.  413 (414 ff.); a.A. Fastenrath, 4 EJIL (1993), S. 305 ff. Friedrich, International Environmental „soft law“, S. 12 spricht sich neuerdings dafür aus, auf das Begriffspaar „hard law“ und „soft law“ zu verzichten, da es die Fehlvorstellung hervorrufe, „soft law“ habe eine „schwächere“ Geltung. 128  So Bothe, 11 NYIL (1980), S. 65 ff.; Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 80. 125

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

rechtlichen Verträge129 und Erklärungen130 berufen sich auf eine Vielzahl solcher Prinzipien. Auch an der stetig zunehmenden Fülle wissenschaftlicher Veröffentlichungen im Umweltvölkerrecht131 lässt sich ablesen, dass die Formulierung allgemeiner Prinzipien für den Umgang des Menschen mit der Umwelt immer mehr ins Zentrum völkerrechtlicher Debatten rückt.132 Nachdem die Diskussion zunächst neben den überkommenen Grundsätzen des Nachbarrechts um das völkerrechtliche Vorsorge- und Verursacherprinzip sowie das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten der Staaten bei der Bewältigung internationaler Umweltprobleme kreiste, konzentriert man sich in jüngerer Zeit zunehmend auf das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung sowie insbesondere auf die neueren noch ungefestigten Prinzipien des common heritage und des in dieser Arbeit behandelten common concern of humankind. Um eine genauere Vorstellung von der praktischen Bedeutung allgemeiner Prinzipien im Umweltvölkerrecht entwickeln zu können, ist nunmehr auf den oben skizzierten rechtstheoretischen Prinzipienbegriff zurückzugreifen. Der hohe Generalitäts- bzw. Abstraktionsgrad als entscheidendes Wesensmerkmal völkerrechtlicher Prinzipien zieht wichtige Konsequenzen für ihre rechtliche Bedeutung und praktische Anwendbarkeit nach sich; denn aufgrund ihres abstrakt und rahmenhaft formulierten Inhalts sind allgemeine Prinzipien in ihren Rechtsfolgen im Vergleich zu anderen Rechtssätzen weniger scharf bestimmt und inhaltlich oftmals umstritten.133  Ein prominentes jüngeres Beispiel für einen solchen umweltvölkerrechtlichen Vertrag mit zahlreichen Prinzipien ist die im Rahmen dieser Arbeit zentrale Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, 31 ILM 1992, 849  ff.). Siehe zur Rolle der Prinzipien darin etwa Bodansky, 18 Yale JIL 1993, 451 (501 ff.). 130  Siehe etwa die Stockholm-Deklaration (Declaration of the UN Conference on the Human Environment, ILM 11 [1972] 1416) sowie die Rio-Deklaration (Declaration on Environment and Development, ILM 31 [1992] 876). Siehe außerdem etwa die Verlautbarungen von CSD und UNEP: UN Doc E/CN.17/1996/17/Add 1 v. 1.3.1996, Report of the Expert Group Meeting on Identification of Principles of International Law for Sustainable Development; UN Doc UNEP/ IEL/WS/3/2 v. 4.10.1996, Final Report of the Expert Group Workshop on International Environmental Law aiming at Sustainable Development. 131  Exemplarisch hingewiesen sei im Hinblick auf die viel diskutierte Rolle von Prinzipien im Umweltvölkerrecht auf die Überblicke von Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 89 ff.; Wolfrum, 33 GYIL (1990), S. 308 ff.; Hunter/Salzman/Zaelke, IEL, S. 318 ff.; Sands, International Law in the Field of Sustainable Development: Emerging Legal Principles, in Lang (Hrsg.), Sustainable Development and International Law, S. 53 ff. und den Kommentar hierzu von Mann, ebenda, S 67 ff.; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 661–683; Becerril, 82 Nordic JIL (2013), S. 391–415; Sands/Peel, Principles of International Environmental Law; Singh, Principles of International Environmental Law; siehe ferner Durner, Common Goods mit einem Schwerpunkt auf Statusprinzipien; Verschuuren, Principles of Environmental Law; Paradell-Trius, 9 RECIEL (2000), S. 93–99. 132  Siehe hierzu allgemein statt Vieler Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 460 f. Siehe ferner Scotford, Environmental Principles, S. 5 ff. 133  Siehe insbesondere die kritischen Ausführungen bei Schwarzenberger/Brown, A Manual of International Law, S. 33, wonach die meisten völkerrechtlichen Prinzipien „notoriously unreliable“ seien. Ein gutes Beispiel für die inhaltliche Schwammigkeit vieler völkerrechtlicher Prinzipien ist das „Prinzip der nachhaltigen Entwicklung“, dem einerseits sehr weitreichende (vgl. Hohmann, Environmental Implications of the Principle of Sustainable Development, in: Chowdhury/Denters/ 129

3. Die Bedeutung allgemeiner Prinzipien für die Praxis des Umweltvölkerrechts

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Ähnlich strittig wie ihr Inhalt ist zudem – gerade im Umweltvölkerrecht – häufig der rechtliche Status dieser Prinzipien, das heißt deren Rechts- oder Völkerrechtsqualität. Vereinzelte Stimmen sehen eine Vielzahl solcher Prinzipien bereits in weitem Umfang als Bestandteil des Gewohnheitsrechts an.134 Dem wird gerade auch unter Hinweis auf die beliebig hohe Vielzahl der von verschiedenen Staaten vorgeschlagenen Prinzipien oft vehement widersprochen.135 Den allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts wegen solcher Unsicherheiten jegliche praktische Relevanz abzusprechen, würde indes ihrer Funktion nicht gerecht. Es ist Kennzeichen vieler Rechtsordnungen, gerade die grundlegenden substanziellen Entscheidungen in Gestalt allgemeiner und abstrakter Prinzipien zu treffen, die gewissermaßen als „Fixstern am Horizont“ das Zusammenleben von Menschen in einer Rechtsgemeinschaft leiten.136 Die unentbehrliche praktische Bedeutung allgemeiner Prinzipien für die Entwicklung des Umweltvölkerrechts erschließt sich auch dann, wenn man die Lösung globaler Umweltprobleme als mehrstufigen Lernprozess begreift. In dessen Verlauf werden zunächst allgemeine Prinzipien meist in so genannten „Rahmenkonventionen“ niedergelegt, die anschließend durch vollwertige völkerrechtliche Verträge etwa in Gestalt von „Protokollen“ konkretisiert werden. Im Verlauf dieses Konkretisierungsprozesses müssen die Regelungsinstrumente – orientiert an den jeweiligen allgemeinen Prinzipien – schrittweise angepasst und präzisiert werden.137 In der Praxis spielen allgemeine Prinzipien daher trotz vieler kontroverser Streitigkeiten über ihre rechtliche Einordnung gerade wegen ihres grundsätzlichen Charakters und ihres enormen Verallgemeinerungspotenzials für das gesamte Umweltvölkerrecht eine herausragende Rolle.138 Für das Völkervertragsrecht bilden sie jeweils De Waart (Hrsg.), The Right to Development in International Law, 1992, S. 273 ff. sowie Epiney/ Scheyli, Strukturprinzipien, S.  76  ff.), andererseits sehr beschränkte (vgl. Schröder, Sustainable Development, 34 AVR (1996), S. 251 ff.) völkerrechtliche Rechtsfolgen beigemessen werden. 134  Siehe aus dem deutschsprachigen Schrifttum etwa die weitgehenden Annahmen von Hohmann, Präventive Rechtspflichten, der auf S. 246 f. neun Grundsätze als „Prinzipien der Vorsorge- und Ressourcenschonung“ bezeichnet und diese bereits zum Bestand des Völkergewohnheitsrechts zählt. Siehe dazu Durner, Common Goods, S. 23. 135  Siehe statt einiger anderer Autoren nur Gündlings äußerst kritische Rezension der englischen Kurzfassung der Veröffentlichung von Hohmann, Precautionary Legal Duties and Principles of Modern International Environmental Law, in: 5 YIEL (1994), S. 642 ff. Ein Beispiel für die Beliebigund Bedeutungslosigkeit vorgeschlagener Prinzipien findet sich bei Lammers, Balancing the Equities in International Environmental Law, in: Dupuy (Hrsg.), L‘Avenir du Droit International de l‘Environment, 1985, S. 153 f., der eine Vielzahl heftig umstrittener „Prinzipien“ vorstellt, welche die Staaten in den letzten Jahrzehnten angeblich als geltendes Völkerrecht für sich reklamiert haben. 136  Zur Funktion von Prinzipien im nationalen und internationalen Kontext Cassese, International Law in a Divided World, Rn. 76 ff. und 90 ff.; siehe hierzu auch die Ausführungen von Durner, Common Goods, S. 23. 137  Siehe Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 461. 138  Siehe zur wichtigen praktischen Rolle völkerrechtlicher Prinzipien insbesondere die allgemeine Darstellung von Virally, Le rôle des „principes“, S. 531 ff. und neuerdings Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 661–681. Zu ihrer hohen Relevanz am Beispiel des Süßwasserschutzes Reichert, Gewässerschutz, S. 221 ff. Zu Defiziten der Kohärenz siehe Wolfrum/Matz, Conflicts

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

einzeln oder in Verbindung mit anderen Prinzipien ein rechtliches und konzeptionelles Gerüst, das interpretative Leitlinien zur Entwicklung spezifischer und bindender Instrumente bereitstellt und den inhaltlichen Rahmen für bereits vorhandene und künftige völkerrechtliche Übereinkommen setzt.139 In dieser Rahmensetzungsfunktion stellen allgemeine Prinzipien den wichtigsten Faktor für die Harmonisierung, Systematisierung und Weiterentwicklung des Umweltvölkerrechts dar.140 Zugleich beschleunigt und dynamisiert erfahrungsgemäß bereits das Vorhandensein dieser allgemeinen Leitlinien die Akzeptanz und Durchsetzbarkeit neuer vertraglicher Regelungen, wenn die verpflichteten Staaten das Vereinbarte als Ausdruck und Konkretisierung eines bereits bestehenden allgemeinen Grundsatzes empfinden.141 Neben dieser verhandlungsstrategischen Rolle können allgemeine Prinzipien außerdem selbst unmittelbar zur Anwendung gelangen und Rechtswirkungen erzeugen, wie an späterer Stelle im Hinblick auf das common concern of humankind–Prinzip noch ausführlich zu zeigen sein wird,142 sodass sie in den noch immer vorangetriebenen Plänen zu einer weltweiten Kodifikation des Umweltvölkerrechts eine Schlüsselrolle spielen.143

4. Die Prinzipienqualität des common concern of humankind Basierend auf den Ausführungen zum Begriff des allgemeinen Prinzips im Umweltvölkerrecht und seiner praktischen Bedeutung soll schließlich anhand der soeben entwickelten Kriterien die Prinzipienqualität des common concern of humankind untersucht werden. Hierzu soll zunächst erörtert werden, ob und inwieweit das CCM-Prinzip neben seiner völkervertraglichen Verankerung mittlerweile auch zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt und daher ein universelles Prinzip ist.144 Anschließend wird am Maßstab der oben entwickelten Kriterien, das heißt anhand seines Generalitätsgrades145 und seiner genuinen Normstruktur146 untersucht, ob und inwiein International Environmental Law, S.  1  ff.; siehe ferner Scotford, Environmental Principles, S. 5 ff. 139  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 23. 140  Siehe erneut vor allen Dingen Virally, Le rôle des „principes“, S. 531 ff. und Durner, Common Goods, S. 23 f.; vgl. insbesondere auch Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 173 ff., nach deren Auffassung sich aus einer Vielzahl von Strukturprinzipien gar ein „völkerrechtliches Verfassungsrecht“ herausgebildet habe, das Ausdruck einer fortschreitenden „Konstitutionalisierung“ des Völkerrechts sein soll. 141  Nähere Ausführungen zu diesem zu Unrecht zu selten beachteten Aspekt finden sich bei Fisher, Improving Compliance with International Law, S. 116. 142  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. und XV. 143  Siehe hierzu etwa Kiss, Towards the Codification of International Environmental Law, in: Bokken/Ryckbost (Hrsg.), Codification of Environmental Law, S.167 ff.; Schrijver, Sovereignty over Natural Resources, S. 233. 144  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 4. a). 145  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 1. a) aa). 146  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 1. a) bb).

4. Die Prinzipienqualität des common concern of humankind

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weit es sich bei diesem so ermittelten Rechtssatz völkerrechtstheoretisch um ein allgemeines Prinzip im oben beschriebenen Sinne handelt.147 Hierbei wird zugleich – wiederum mit Blick auf die Staatenpraxis – erörtert, ob und inwieweit der common concern-Ansatz die weiter oben beschriebene praktische Funktion148 zu erfüllen vermag, die allgemeinen Prinzipien im modernen Umweltvölkerrecht zukommt.149

a ) Common concern of humankind – ein Rechtssatz des kodifizierten Völkergewohnheitsrechts? Bis dato wurde der Rechtssatz des common concern of humankind in zwei gültigen Übereinkommen – in der Klimarahmenkonvention und in der Biodiversitätskonvention – völkervertraglich verankert, die beide nahezu von der gesamten Staatengemeinschaft unterstützt worden sind.150 Während die Klimarahmenkonvention bisher 196 Vertragsstaaten zählt und mittlerweile von 165 Staaten der Welt unterzeichnet worden ist,151 zählt die Biodiversitätskonvention inzwischen 196 Vertragsparteien und wurde bisher von 168 Staaten unterzeichnet.152 Angesichts dieser breiten Unterstützung beider Vertragswerke könnte die Frage nach der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des CCM-Prinzips zwar zukünftig zunehmend an praktischer Relevanz verlieren.153 Gleichwohl dürfte ihr mit Blick auf zukünftige Anwendungsfelder des common concern of humankind und dessen gewohnheitsrechtlicher Verankerung wegweisende Bedeutung zukommen.154 Daher soll erörtert werden, ob das CCM-Prinzip in beiden bisherigen Anwendungsfällen neben seiner völkervertraglichen Verankerung mittlerweile auch zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt ist. Hierbei ist in erster Linie erneut ein induktiver Ansatz anzuwenden, der von der ­Betätigung einer bestimmten Rechtsüberzeugung in konkreten Fällen auf das Bestehen einer gewohnheitsrechtlichen Norm schließt.155  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 4. b) und c).  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 3. 149  Siehe VierterTeil, Kap. XII. 4. c). 150  Siehe zur Verankerung des common concern-Begriffs in der Klimarahmenkonvention die Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) bb). 151  Siehe zu der an dieser Stelle nur skizzierten Entstehung der Klimarahmenkonvention die ausführlichen Beiträge in dem Sammelband von Mintzer/Leonard, Negotiating Climate Change. 152  Der aktuelle Stand ist abrufbar unter https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=XXVII-8&chapter=27&lang=en#1 (zuletzt besucht am 21. Juli 2019). 153  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 273. 154  Nach Weeramantry, Universalising International Law, S. 220 ff. soll dem Völkergewohnheitsrecht im Bereich des Schutzes globaler Umweltgüter und der Menschenrechte trotz des wachsenden Vertragsrechts weiterhin Bedeutung zukommen. Siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 474. 155  So Herdegen, Völkerrecht, S. 160 Rn. 10. Auch die Studie des internationalen Komitees vom Roten Kreuz hält an der induktiven Methode zur Ermittlung von Völkergewohnheitsrecht fest, siehe Henckaerts, 87 IRRC (2005), S. 175 (183 f.); Bugnion, 17 SZIER (2007), S. 165 (182); siehe 147 148

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

a a) CCM als verallgemeinerbarer und hinreichend bestimmbarer Rechtssatz Zunächst einmal können Rechtssätze nur dann Teil des universellen Völkerrechts werden, wenn sie zwei „komplementäre“ Anforderungen erfüllen: Einerseits müssen sie einer Verallgemeinerung zugänglich,156 andererseits jedoch hinreichend konkret sein. So hat der IGH im Nordsee-Festlandsockel-Fall mit Blick auf das sogenannte Äq-uidistanzprinzip ausgeführt: „It would in the first place be necessary that the provision concerned should, at all events potentially, be of fundamentally norm-creating character such as could be regarded as forming the basis of a general rule of law.“157

Wie die Übertragung des common concern of humankind-Begriffs von der globalen Umweltproblematik des Klimawandels auf das ähnlich strukturierte Problem des Artensterbens sowie die gescheiterten Übertragungsversuche auf den Waldschutz und die Wüstenbildung belegen, kann festgehalten werden, dass der common concern-­Begriff gerade infolge seiner eng zugeschnittenen rechtlichen Funktion über ein „ungewöhnliches Verallgemeinerungspotential“158 verfügt.159 Des Weiteren kann ein Prinzip nur dann „kraft seiner Natur und seines Aussagewertes in die Völkerrechtsordnung inkorporiert werden“,160 wenn sein Inhalt einigermaßen bestimmbar und konkret genug ist.161 Wie an anderer Stelle bereits dargelegt wurde, sind die Rechtsfolgen allgemeiner Prinzipien aufgrund ihres abstrakt und rahmenhaft formulierten Inhalts im Vergleich zu anderen Rechtssätzen weniger scharf bestimmt und inhaltlich oftmals umstritten.162 Vor diesem Hintergrund wird etwa auch außerdem Schüle, Methoden der Völkerrechtswissenschaft, in: Strupp-Schlochauer, WV III, S. 775 (780). Siehe zur induktiven Methode die ausführlichere Darstellung weiter oben, Erster Teil, Kap. II. 156  Hierauf weisen vor allem Doehring, 36 ZaöRV (1976), S. 77 (87) und Birnie/Boyle/Redgwell, International Environmental Law, S. 31. 157  North Sea Continental Shelf Cases, ICJ Reports 1969, S. 3 (42 Ziff. 72). 158  So Durner, Common Goods, S. 275: „Die relativ begrenzten rechtlichen Implikationen, die Bedeutung der bisherigen Anwendungsfälle und das auffallende Interesse der Staatenpraxis und des Schrifttums deuten jedoch auf ein ungewöhnliches Verallgemeinerungspotential.“ Ähnlich Schröder, 3 Jahrbuch UTR (1987), S. 273 (279 ff.). 159  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. b) und XII. 2. a). 160  So ausdrücklich Wolfrum, Internationalisierung, S. 392. 161  Siehe Wolter, Grundlagen, S. 198; Wolfrum, Internationalisierung, S. 392; Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 288. 162  Siehe insbesondere die kritischen Ausführungen bei Schwarzenberger/Brown, A Manual of International Law, S. 33, wonach die meisten völkerrechtlichen Prinzipien „notoriously unreliable“ seien. Ein gutes Beispiel für die inhaltliche Schwammigkeit vieler völkerrechtlicher Prinzipien ist das „Prinzip der nachhaltigen Entwicklung“, dem einerseits sehr weitreichende (vgl. Hohmann, Environmental Implications of the Principle of Sustainable Development, in: Chowdhury/Denters/ De Waart (Hrsg.), The Right to Development in International Law, 1992, S. 273 ff. sowie Epiney/ Scheyli, Strukturprinzipien, S.  76  ff.), andererseits sehr beschränkte (vgl. Schröder, 34 AVR (1996), S. 251 ff.) völkerrechtliche Rechtsfolgen beigemessen werden. Siehe dazu bereits die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 3.

4. Die Prinzipienqualität des common concern of humankind

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im Hinblick auf das common heritage of mankind-Prinzip gelegentlich der Einwand erhoben, es sei zu vage und unbestimmt, als dass sich aus ihm irgendwelche Rechtsnormen ableiten ließen.163 Allgemeinen Prinzipien bereits mangels hinreichender Konkretheit ihre Qualität als Rechtsnorm abzusprechen, hieße allerdings, den spezifischen Charakter des Völkerrechts zu verkennen.164 Gerade das Völkerrecht ist – in den Worten von Wolfrum  – „auf die Rezeption von Prinzipien angewiesen, um so seine Flexibilität zu bewahren“.165 Anders als das nationale Recht habe sich das Völkerrecht „in Etappen entwickelt“, im Zuge derer einer Einigung über eine konkrete Norm die Einigung über einen Rahmen vorausgegangen sei, „der gleichsam ein Segment aus den Regelungsmöglichkeiten“ herausschneide „und damit schon eine gewisse, aber eben keine vollständige Bindung der Staaten nach sich“ ziehe.166 Das Schrifttum ist daher ganz überwiegend der Auffassung, dass grundlegende Prinzipien durchaus zu Völkergewohnheitsrecht erstarken können.167 Prinzipien setzen gewissermaßen einen konkretisierungs- und ausfüllungsbedürftigen Handlungsrahmen, dem durchaus Rechtsqualität zukommt, sofern sich eine entsprechende Staatenpraxis nachweisen lässt.168 In dieser Hinsicht lassen sich die allgemeinen völkerrechtlichen Prinzipien etwa mit den Prinzipien des deutschen Verfassungsrechts vergleichen, deren normative Substanz zwar auch im Einzelfall oftmals umstritten sein mag und dennoch stets „von Rechtsprechung und Literatur zur Auslegung, Systematisierung und Weiterentwicklung nationaler Einzelbestimmungen herangezogen werden“ und daher oftmals „als die eigentlichen Dreh- und Angelpunkte der Verfassung“ erachtet werden.169 Als Beispiel für diese ­Prinzipienfunktion wird oftmals der weit gefasste Begriff des „sozialen Rechtsstaates“ in Art. 20 Abs. 2 des deutschen Grundgesetzes angeführt, der erst in der Verfassungspraxis eine Konkretisierung erfahren habe, die ihn nun als handhabbar erscheinen lasse.170 Mit Blick auf die Tauglichkeit des common concern of humankind, zu einem Prinzip des Gewohnheitsrechts zu erstarken,

 So klar vor allem Bueckling, 7 JSL (1979), S. 15; ähnlich kritisch Larschan/Brennan, 21 CJITL (1983), S. 305 (306, 330, 334). Siehe dazu auch Wolter, Grundlagen, S. 198. 164  Siehe dazu bereits weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIII. 3. 165  Wolfrum, Internationalisierung, S. 394; siehe zur Flexibilisierung der Rechtsfolgenbestimmung durch Prinzipien Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 667. 166  So Wolfrum, Internationalisierung, S. 394. 167  Kiss, 175 RdC (1982 II), S. 120; Kewenig, FS Schlochauer, S. 402; Wolfrum, 43 ZaöRV (1983), S. 312 ff.; ders., Internationalisierung, S. 394; Tomuschat, 28 BDGVR (1988), S. 19 f.; Wolter, Grundlagen, S. 198. 168  Ebenso Wolfrum, Internationalisierung, S. 394. Siehe zu dieser praktischen Bedeutung von Prinzipien die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIII. 3. Siehe zur praktischen Bedeutung von Prinzipien neuerdings Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 661 ff. 169  So Durner, Common Goods, S. 23, der im Zusammenhang mit den völkerrechtlichen Statusprinzipien auf ihre herausragende Rolle für das Umweltvölkerrecht hinweist. Die Lehre von den Verfassungsprinzipien als Ausdruck grundlegender politischer Entscheidungen und eigentliche normative Substanz der (deutschen) Rechtsordnung geht zurück auf Schmitt, Verfassungslehre, S. 20, 23 f. Zur entsprechenden Bedeutung allgemeiner Prinzipien im Völkerrecht Cassese, International Law in a Divided World, Rn. 76 ff. und 90 ff. 170  So etwa Wolfrum, Internationalisierung, S. 394. 163

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

lässt sich somit Folgendes festhalten: Einerseits vermag der Rechtssatz des common concern of humankind grundsätzlich – bei entsprechender Vertrags- und Staatenpraxis – auf weitere globale, die Menschheit bedrohende Umweltprobleme übertragen zu werden und ist daher grundsätzlich einer Verallgemeinerung fähig. Andererseits bringt der CCM-­Grundsatz ein Staatengemeinschaftsinteresse an jenen Umweltproblemen zum Ausdruck und entfaltet somit erga omnes-Wirkung,171 sodass er trotz seines hohen Abstraktionsgrades einen hinreichend konkret bestimmbaren Norminhalt besitzt und folglich einen prinzipientauglichen Rechtssatz darstellt.  b) Common concern of humankind – Gewohnheitsrecht im Sinne von b Art. 38 IGH-Statut? Um nunmehr beurteilen zu können, ob der common concern-Rechtssatz tatsächlich in das allgemeine Völkerrecht inkorporiert wurde, ist zunächst der Begriff des Völkergewohnheitsrechts in den Blick zu nehmen: Nach heute nahezu einhelliger Auffassung entsteht Völkergewohnheitsrecht durch eine allgemeine (internationale) Übung der Völkerrechtssubjekte (usus), die von einer Rechtsüberzeugung (opinio iuris sive necessitatis) getragen ist.172 Gewohnheitsrecht weist somit nach Art. 38 Abs. 1 lit. (b) IGH-Statut zwei Merkmale auf: erstens – objektiv – eine allgemeine Übung und zweitens  – subjektiv  – die Anerkennung dieser Übung als Recht.173 Beide Elemente müssen grundsätzlich kumulativ vorliegen, zumal sie das Völkergewohnheitsrecht von anderen völkerrechtlichen oder gar außerrechtlichen ­Normkategorien abgrenzen.174 Fehlt es an der objektiven Übung, so muss der entsprechende Rechtssatz sich aus einer anderen formellen Rechtsquelle schöpfen lassen, um Bestandteil des Völkerrechts zu werden, im Gewohnheitsrecht ist er dann jedenfalls nicht verwurzelt.175 Fehlt es an der subjektiven Rechtsüberzeugung, so  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV.  Siehe statt Vieler nur Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 213 Rn. 2; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 551; van Hoof, Rethinking the Sources of International Law, S. 85 ff.; Wolfrum, Internationalisierung, S. 392. 173  North Sea Continental Shelf, ICJ Reports 1969, S. 3, 44 Z. 77: „(…) the belief that this practice is rendered obligatory by the existence of a rule of law requiring it“. Allgemein zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 213 Rn. 2; Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 69; Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 95 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 551; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/1, S. 56 ff.; Treves, „Customary International Law“, in: MPEPIL online (2010), Rn. 44, abrufbar unter: www.mpepil.com; siehe zudem ILA Report, Formation of Customary (General) International Law (London, 2000), S. 13 ff.; Friedrich, International Environmental ‚soft law‘, S. 144 ff.; Zur Entstehung von Gewohnheitsrecht im Umweltvölkerrecht P.-M.  Dupuy, in: Brunnée/Bodansky/Hey (Hrsg.), Oxford Handbook of International Environmental Law, S. 449–466. 174  So Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 96. 175  So klar nur Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 214 Rn. 4 unter Hinweis auf das Urteil des IGH im Nicaragua-Fall, vgl. Case concerning paramilitary and military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 14 (97 f. Ziff. 184): „The mere fact that States declare their recognition of certain rules is not sufficient for the Court to consider these as being part of customary international law.“ 171 172

4. Die Prinzipienqualität des common concern of humankind

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handelt es sich lediglich um Courtoisie oder eine eingelebte Verhaltensweise.176 Über diese grundsätzlichen Ausgangspunkte hinaus besteht indes nach wie vor wenig Einigkeit.177 Bedingt durch die vielfältigen rechtstheoretischen Positionen zum Geltungsgrund des Völkerrechts gibt es recht unterschiedliche und sich teilweise widersprechende Erklärungsansätze zu den Anforderungen beider Elemente und ihrem Verhältnis zueinander.178 In jedem Fall lässt sich an der Rechtsprechung und Literatur zum Gewohnheitsrecht ablesen, dass zwischen dem Element der Übung und dem Element der Rechtsüberzeugung eine enge Wechselbeziehung besteht.179 Wie ein Blick auf die Rechtsprechung des IGH zeigt, wird hierbei die Frage, welche der beiden Komponenten den Ausgangspunkt für das Entstehen von Gewohnheitsrecht bildet, durchaus flexibel gehandhabt. Der IGH setzt traditionell bei der Staatenpraxis an und prüft, ob sie Ausdruck eines entsprechenden Verpflichtungsbewusstseins ist. So führte der Gerichtshof im Nordsee-Festlandsockel-Fall aus: „Not only must the acts concerned amount to a settled practice, but they must be such, or be carried out in such a way, as to be evidence of a belief that this practice is rendered obligatory by the existence of a rule of law requiring it. (…) The States concerned must (…) feel that they are conforming to what amounts to a legal obligation.“180

Traditionell entstehen demnach völkergewohnheitsrechtliche Normen, indem sich zuerst eine Staatenpraxis verfestigt, die anschließend von einer entsprechenden Rechtsüberzeugung begleitet wird. Doch kann sich dieser gewöhnliche Entstehungsprozess auch umkehren und das objektive folgt dem subjektiven Element.181 So knüpft der Internationale Gerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung im Nicaragua-­Fall zunächst an die Rechtsüberzeugung der Staaten an und fragt dann nach ihrer Bestätigung durch die Praxis: „Bound as it is by Article 38 of its Statute to apply, inter alia, international custom „as evidence of a general practice accepted as law“, the Court may not disregard the essential role played by general practice (…) The Court must satisfy itself that the existence of the rule in the opinio iuris of States is confirmed by practice.“182

176  So Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 96 unter Verweis auf das Nordsee-Festlandsockel-Urteil des IGH, vgl. North Sea Continental Shelf Case, ICJ Reports 1969, S. 3 (44): „There are many international acts, e.g., in the field of ceremonial and protocol, which are performed almost invariably, but which are motivated only by considerations of courtesy, convenience and tradition, and not by any sense of a legal duty.“ 177  Siehe Petersen, 23 Am. U. ILR (2008), S. 275 (276); Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 474; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 213 und Fastenrath, Lücken, S. 96. 178  Siehe hierzu vor allem die Darstellungen von Verdross, 29 ZaöRV (1969), S. 635 ff. und Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 99 ff.; Petersen, 23 Am. U. ILR (2008), S. 275 (276); Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 474 f. 179  So vor allem Herdegen, Völkerrecht, S. 145. 180  North Sea Continental Shelf, ICJ Reports 1969, S. 3, 44 Z. 77. 181  Siehe Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 221; Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 69. 182  Military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 14 Z. 184.

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

Gerade die Entstehungsgeschichte des common concern of humankind-­ Rechtssatzes könnte ein jüngeres Beispiel dafür sein, wie bei der Entstehung von gewohnheitsrechtlichen Prinzipien – in Umkehrung des traditionellen Weges – zuerst eine Rechtsüberzeugung bestehen kann, etwa ausgedrückt in UN-Resolutionen und völkerrechtlichen Verträgen, der dann eine entsprechende Staatenpraxis nachfolgt.183 Dieser Wandel in der Bildung von Gewohnheitsrecht, das zunächst durch Resolutionen der UN-Generalversammlung initiiert und weiterentwickelt wird und sich dann über einen breiten, zumeist quasi-universellen Staatenkonsens in völkerrechtlichen Verträgen niederschlägt, ist offenbar gerade ein Charakteristikum moderner umweltvölkerrechtlicher Prinzipien. So wurde bereits das Prinzip der der nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen über einen Rechtssetzungsprozess initiiert, der ab 1962 von einer Vielzahl an UN-Resolutionen angestoßen184 und weiterentwickelt, in verbindlichen völkerrechtlichen Verträgen,185 Erklärungen186 sowie zahlreichen weiteren Resolutionen internationaler Organisationen187 wiederholt wurde und heutzutage in Literatur und Staatenpraxis als anerkanntes Prinzip des Völkergewohnheitsrechts gilt.188 Auch die gewohnheitsrechtliche Herausbildung der Grundprinzipien des Weltraumrechts wurde entscheidend von einer UN-Resolution ausgelöst: In ihrer einstimmig angenommenen Resolution 1962 (XVIII) vom 13. Oktober 1963, überschrieben mit dem Titel Declaration of Legal Principles Governing the Activities of States in the Exploration and Use of Outer Space,189 setzte die UN-Generalversammlung ihren Anspruch, Rechtsprinzipien der Weltgemeinschaft zu formulieren, in die Tat um. Folgerichtig empfahl sie in jener  Ähnlich Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 69 für die Entstehung der Weltraumprinzipien durch die UN-Weltraumresolutionen aus dem Jahre 1963. 184  Permanent Sovereignty over Natural Resources, UNGA Res. 1803 (XVII), v. 14. Oktober 1962, abgedruckt in: 2 ILM (1963), S. 223 ff. 185  Siehe z. B. International Covenant on Civil and Political Rights, v. 19. Dezember 1966, Art. 1 Abs. 2; International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, ebenfalls v. 19. Dezember 1966, Art. 1 Abs. 2; beide abgedruckt in: BGBl. 1973 II, S. 1534 ff. bzw. S. 1570 ff.; UN-Seerechtsübereinkommen, v. 10. Dezember 1982, abgedruckt in: 21 ILM (1982), S. 1261 ff., Art. 193; UN Convention on Biological Diversity, v. 5. Juni 1992, abgedruckt in: 31 ILM (1992), S. 822 ff., Art.3. 186  Stockholm Declaration, 11 ILM (1972), S. 1614 ff., Prinzip 21; Rio Declaration on Environment and Development, Prinzip 2, UN-Doc. A/Conf. 151/5/Rev.1 (1992), ebenfalls abgedruckt in: 31 ILM (1992), S. 876 („States have (…) the sovereign right to exploit their own resources pursuant to their own environmental and developmental policies“) (Hervorhebung vom Verfasser). 187  Siehe z. B. Permanent Sovereignty over Natural Resources, UNGA Res. 3016, v. 18. Dezember 1972; UNEP Draft Principles of Conduct in the Field of the Environment for the Guidance of States in the Conservation and Harmonious Utilization of Natural Resources Shared by Two or More States, v. 19. Mai 1978, Prinzip 3 Abs. 1; beide finden sich abgedruckt bei Hohmann, Basic Documents, Band I, S. 53 bzw. S. 58 ff. 188  Siehe Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), Judgment, ICJ Reports 2005, Z. 222; Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 129; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 44; eher zurückhaltend Brownlie, 162 RdC I (1979), S. 245 (261 ff.); Hyde, 50 AJIL (1956), S. 854 (862). 189  UNGA Res. 1962 (XVIII) vom 12. Dezember 1962, abgedruckt in Welck/Platzöder, Weltraumrecht, S. 602. 183

4. Die Prinzipienqualität des common concern of humankind

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Resolution auch ausdrücklich, deren Inhalt – das heißt eine Vielzahl von Prinzipien als Fundament des neu entstehenden Weltraumrechts – später durch den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages über den Weltraum gewissermaßen in „hartes Recht“ umzugießen.190 Erst mit ihrer Verankerung im Weltraumvertrag von 1967191 sind nach einer Auffassung jene „Grundprinzipien des Weltraumrechts“192 endgültig zu Gewohnheitsrecht erstarkt,193 nach einer anderen Auffassung waren sie schon zuvor geltendes Völkergewohnheitsrecht, das sodann im Weltraumvertrag bloß deklaratorisch kodifiziert wurde.194 Was diese modernere Entstehungsweise von Gewohnheitsrecht betrifft, so drängt sich das common heritage of mankind-Prinzip als „Vorgängermodell“ für das common concern-Prinzip geradezu auf: Wie wir im Zweiten Teil der Arbeit gesehen haben, trat das CHM-Prinzip erstmals auf die Bühne des Völkerrechts, als die UN-Generalversammlung am 17. Dezember 1970 mit Unterstützung beinahe der gesamten Staatenwelt in ihrer Meeresbodenprinzipien-­ Resolution 2749 (XXV) den Tiefseeboden zum common heritage of mankind erklärte und die Ausarbeitung eines entsprechenden völkerrechtlichen Vertrages empfahl.195 Daraufhin fand das common heritage-Prinzip breite Unterstützung auf der Seerechtskonferenz im Jahre 1982, wurde anschließend selbst von jenen ihm bislang kritisch bis ablehnend gegenüber stehenden Staaten wie den USA und Deutschland in deren nationaler Gesetzgebung berücksichtigt196 und schließlich 1994 im Zuge der überarbeiteten Seerechtskonvention wiederum nahezu universell unterstützt.197 Nach weit überwiegender Auffassung in der Literatur ist das common heritage-Prinzip auf diesem Weg jedenfalls für den Bereich des Seerechts zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt.198  Diese griffige Formulierung stammt von Wolter, Grundlagen, S. 199.  Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und der Himmelskörper vom 27. Januar 1967, abgedruckt in Böckstiegel/Benkö/Hobe, Space Law Basic Documents, Vol. I Part A.I.; BGBl. 1969 II S. 1969. 192  In den Weltraumvertrag übernommen wurden letztlich die Grundsätze der Menschheitsklausel, der Weltraumfreiheit, der friedlichen Nutzung, der Anwendung der UN-Charta auf den Weltraum sowie des Aneignungsverbotes. 193  So wohl Wolfrum, Internationalisierung, S. 394 f.; ähnlich Durner, Common Goods, S. 232. 194  So etwa Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 69 Rn. 137; Tomuschat, International Law as the Constitution of Mankind, S. 332; Christol, in: World Peace through Law, S. 155. 195  UNGA Res. 2749 (XXV) vom 17. Dezember 1970, abgedruckt in 10 ILM 1971, S. 220 ff. 196  Oft wird zu Recht auf die besondere Bedeutung hingewiesen, welche den USA als führendem Staat in der Meeresbodenbergbautechnologie für die Frage nach der gewohnheitsrechtlichen Geltung zukommt. Die USA hätten in ihrem Tiefseebergbaugesetz aus dem Jahre 1980 ausdrücklich auf das common heritage-Prinzip verwiesen. Auch die übrigen Meeresbergbaustaaten wie die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die damalige UdSSR hätten in ihren nationalen Gesetzen die wesentlichen Elemente des CHM-Prinzips ausdrücklich anerkannt. Siehe dazu vor allem Wolfrum, Internationalisierung, S. 394 f. und Durner, Common Goods, S. 232. 197  Siehe zur Entstehungsgeschichte des common heritage-Grundsatzes im Seerecht die Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. VIII. 1. a) aa)–cc). 198  Siehe statt Vieler Brownlie, Principles, 4. Aufl.,  S.  256; Hannikainen, Peremptory Norms, S. 544 ff.; Wolfrum, 43 ZaöRV (1983), S. 334 f.; Joyner, 35 ICLQ (1986), S. 197 ff.; Kronmiller, 190 191

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

Der common concern-Rechtssatz kann mittlerweile auf einen ähnlichen Entstehungsweg199 zurück blicken: Er entsprang ebenfalls aus der Mitte der UN-Generalversammlung, als diese den Klimawandel im Jahre 1988 erstmals zum common concern of h(u)mankind erklärte.200 Zugleich forderte sie die internationale Staatengemeinschaft auf, in naher Zukunft ein entsprechendes völkerrechtliches Rahmenübereinkommen zu verabschieden.201 In den beiden darauf folgenden Jahren bekräftigte die UN-Generalversammlung ihre Qualifizierung des Klimawandels als common concern of (hu)mankind in drei weiteren Resolutionen202 und berief sich dann in ihrer Resolution 44/206 zu den nachteiligen Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs erneut auf den common concern-Begriff.203 Mit der Aufgabe betraut, in Vorbereitung auf den Rio-Umweltgipfel die völkerrechtliche Bedeutung des neuen Prinzips etwas genauer zu präzisieren, gelangte die UNEP-­Expertengruppe zunächst zu der Einschätzung, der common concern of humankind-Begriff könne sich in Zukunft zu einem Prinzip des Völkergewohnheitsrechts entwickeln.204 ­Nachdem die UN-Generalversammlung die Staatengemeinschaft im Jahre 1989 wiederholt eindringlich dazu aufgefordert hatte, eine Rahmenkonvention zum Klimaschutz vorzubereiten und diese anschließend durch Protokolle mit konkreten Verpflichtungen auszufüllen,205 wurde schließlich im Jahre 1992 mit quasi-universeller ZustimThe Lawfulness of Deep Seabed Mining, S. 258 ff.; Danilenko, XIII AASL (1988), S. 262 f.; Jaenicke, FS Mosler, S. 429 ff.; White, 14 Case Western Reserve JIL (1982), S. 509 (534); Durner, Common Goods, S.  232; ausführlich zur gewohnheitsrechtlichen Geltung des common heritage-Grundsatzes vor allem Wolfrum, Internationalisierung, S. 392–395. 199  Siehe ausführlich zur Entstehungsgeschichte des common concern-Rechtssatzes weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 200  UNGA Res. 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326. 201  Vgl. UNGA Res. 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326: „(…) Determines that necessary and timely action should be taken to deal with climate change within a global framework; (…)“. 202  UNGA Res. 44/207 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind; UNGA Res. 45/207 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind; UNGA Res. 46/169 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326. Alle drei Resolutionen finden sich abgedruckt bei Churchill/Freestone, International Law, S. 243 ff. 203  UNGA Res. 44/206 v. 22. Dezember 1989, Possible adverse effects of sea-level rise on islands and coastal areas, particularly low-lying areas, ebenfalls abgedruckt bei Churchill/Freestone, International Law, S. 243 ff. 204  Eine Zusammenfassung der Ergebnisse, zu denen die UNEP-Expertengruppe gelangt ist, findet sich bei Barbosa, Conclusions of the Meeting, in: Attard (Hrsg.), The Meeting of the Group of Legal Experts to Examine the Concept of the Common concern of Mankind in Relation to Global Environmental Issues (1990) 24 (27–32); vgl. auch Report of the Expert Group Meeting on Identification of Principles of International Law for Sustainable Development, Geneva, Switzerland, 26–28 September 1995 prepared by the Division for Sustainable Development for the Commission on Sustainable Development Fourth session, abrufbar unter https://www.un.org/documents/ecosoc/cn17/1996/background/ecn171996-bp3.htm (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019) para 88; siehe dazu ferner Horn, 1 MqJICEL (2004), S. 233 (247). 205  UNGA-Resolution 44/207 v. 6. Dezember 1989, Protection of global climate for present and

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mung der Staatengemeinschaft die Klimarahmenkonvention verabschiedet, in deren Präambel die Vertragsstaaten den Klimawandel und dessen nachteiligen Auswirkungen zum common concern of (hu)mankind erklärten.206 Noch im selben Jahr wurde das common concern-Prinzip erfolgreich auf den globalen Schutz der Biodiversität übertragen, als eine überwältigende Zahl an Vertragsstaaten in Abs. 3 der Präambel zur Biodiversitätskonvention die Bewahrung der Biodiversität zu einer „gemeinsame Sorge der Menschheit“ erklärte.207 In beiden völkerrechtlichen Verträgen wurde der common concern of (hu)mankind-Begriff wörtlich in der Präambel zitiert.208 Manchen Autoren gilt diese Zitierweise bereits als klassische Anerkennung von Völkergewohnheitsrecht.209 In jedem Fall spricht viel dafür, dass sich mit der überwältigenden Unterstützung der UN-Resolutionen zur Bekämpfung des Klimawandels210 und beider Konventionen – Klimarahmenkonvention und Biodiversitätskonvention  – bereits eine allgemeine Rechtsüberzeugung herausgebildet hat, wonach sowohl der Klimawandel und dessen nachteiligen Auswirkungen als auch die Erhaltung der Biodiversität eine „gemeinsame Sorge der Menschheit“ darstellen. Mit dem Abschluß des Pariser Abkommens durch 195 Vertragsstaaten im Dezember 2015 wurde diese allgemeine Rechtsüberzeugung im Hinblick auf den Klimawandel als „gemeinsame Sorge der Menschheit“ nochmals aktualisiert.211 cc) Die UN-Resolutionen zum Klimawandel als common concern of  (hu)mankind – opinio iuris oder gar „instant customary law“? Berücksichtigt man die wichtige Rolle, welche UN-Resolutionen mittlerweile – gerade im modernen Umweltvölkerrecht – bei der Entstehung von Gewohnheitsrecht spielen, so stellt sich die Frage, ob der common concern of humankind-Rechtssatz, zumindest für den Bereich des Klimaschutzes, möglicherweise sogar bereits vor seiner Verankerung in der Klimarahmenkonvention Bestandteil des geltenden Gewohnheitsrechts gewesen ist. Auf den ersten Blick haben Resolutionen der

future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326, para. 12: „Urges Governments, intergovernmental and non-governmental organizations, to prepare as a matter of urgency a framework convention on climate, and associated protocols containing concrete commitments in the light of priorities that may be authoritatively identified on the basis of sound scientific knowledge, and taking into account the specific development needs of developing countries.“ 206  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 1 der Präambel. 207  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 3 der Präambel. 208  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) cc) und 2. a) aa). 209  So Durner, Common Goods, S. 49. Zur Funktion der Präambel als Beleg für eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung durch die Staatenpraxis die Ausführungen von Mbengue, „Preamble“, in: MPEPIL online (2006), Rn. 9, abrufbar unter: www.mpepil.com. 210  Siehe zur Bedeutung von UN-Resolutionen für den Nachweis von Gewohnheitsrecht sogleich 211  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.). Siehe Dritter Teil, Kap. IX 1. f).

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­ eneralversammlung laut UN-Charta die Rechtsnatur von bloßen Empfehlungen,212 G das heißt, sie sind völkerrechtlich unverbindlich und zählen nicht zu den formellen Rechtsquellen des Völkerrechts.213 Nach wie vor können daher Normen, die von der Generalversammlung in UN-Resolutionen verkündet werden, nach weit überwiegender Ansicht nur dann neues Völkerrecht begründen, wenn sie völkervertraglich kodifiziert oder gewohnheitsrechtlich anerkannt werden.214 Und dennoch sind sie in hohem Maße völkerrechtlich bedeutsam, wie Richter Sir Lauterpacht bereits im Jahre 1955 in seinem Sondervotum zum ersten Südwestafrika-Fall hervorgehoben hat: „Whatever may be the content of the recommendation and whatever may be the nature and circumstances of the majority by which it has been reached, it is nevertheless a legal act of the principal organ of the United Nations which Members of the United Nations are under a duty to treat with a degree of respect appropriate to a Resolution of the General Assembly.“215

Obwohl Resolutionen der Generalversammlung keinen Befolgungszwang für UN-Mitgliedstaaten bewirken, genießen sie doch eine gewisse Autorität, da sie die Herausbildung gewohnheitsrechtlicher Normen einleiten oder beschleunigen ­können und damit eine „Recht schöpfende Wirkung“ (law-making effect)216 haben.217 In den Worten von Bailey: „A resolution on the record may today, in point of law, look like only a recommendation, or even a mere ‚voeu‘. But it is to be remembered that propaganda can create pressure; that pressure can create practice; and that practice can create law.“218

 Dies ergibt sich aus den Artt. 10 f. und 13 UN-Charta, wo es gleich lautend heißt: „The General Assembly may (…) make recommendations (…).“ Siehe außerdem Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S.  241 f. und Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 408 f. 213  Nach dem Wortlaut der Artt. 10–14 UN-Charta entfalten UN-Resolutionen jenseits von Budgetfragen keine externe Bindungswirkung. Siehe ferner Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/1, S. 72; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 408 f.; Hailbronner/Klein, in: Simma (Hrsg.), UN Charter, Art. 10 Rn. 45; Wolter, Grundlagen, S. 199; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 221 und 241 f.; Simma, Zur völkerrechtlichen Bedeutung von Resolutionen der UN-Generalversammlung, S.  50 f.; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 491. 214  Siehe Durner, Common Goods, S.  44; Hailbronner/Klein, in: Simma (Hrsg.), UN Charter, Art. 10 Rn. 45; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 409; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/1, S. 72; Wolter, Grundlagen, S. 199; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 221 und 241 f.; Simma, Zur völkerrechtlichen Bedeutung von Resolutionen der UN-Generalversammlung, S. 50 f.; Kronmiller, Lawfulness of Deep Seabed Mining, S. 209 ff.; Tomuschat, 36 ZaöRV (1976), S. 467 ff.; Wolfrum, Internationalisierung, S. 343 ff.; Frowein, 36 ZaöRV (1976), S. 150. 215  Sondervotum des Richters Sir Lauterpacht, ICJ, Voting Procedure on Questions relating to Reports and Petitions concerning the Territory of South-West Africa, ICJ Reports 1955, S. 67 (115). 216  Birnie/Boyle/Redgwell, International Law, S. 33; siehe auch Brownlie, Principles, 4. Aufl., S. 14. 217  Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 409; Grünigen, FS Bindschedler, S. 195; Wolter, Grundlagen, S. 201; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 221. 218  Bailey, Making International Law in the United Nations, ASIL Proceedings 1967, S. 239. 212

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Seit den 1960er-Jahren wird daher sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur zunehmend anerkannt, dass Resolutionen der UN-Generalversammlung bei der Feststellung, ob sich zu einer bestimmten Frage ein Völkergewohnheitsrecht herausgebildet hat, jedenfalls für die subjektive Seite der Rechtsüberzeugung maßgeblich zu berücksichtigen sind.219 Bereits im Südwestafrika-Fall hatte Richter Tanaka in seiner Dissenting Opinion ausgeführt, eine Anhäufung von UN-­Resolutionen könne durchaus als Beweis für Gewohnheitsrecht dienen: „(…) the accumulation of authoritative pronouncements such as resolutions, declarations, decisions, etc. concerning the interpretations of the [UN] Charter by the competent organs of the international community can be characterized as evidence of the international custom referred to in Article 38, paragraph 1 (b).“220

War dieses individuelle Sondervotum von Richter Tanaka noch auf die Interpretation der UN-Charta beschränkt, so hat der IGH die Autorität der Generalversammlung später auf das gesamte Völkerrecht erweitert. Der Gerichtshof hat wiederholt bestätigt, dass UN-Resolutionen eine allgemeine Rechtsüberzeugung indizieren oder dokumentieren können. In seinem Nicaragua-Urteil aus dem Jahre 1986 hat der IGH ausdrücklich betont, die Haltung der Staaten gegenüber einer U ­ N-­Resolution und erst recht deren einstimmige Annahme könne als Ausdruck von opinio iuris interpretiert werden und auf diese Weise maßgeblich zur Entstehung von Gewohnheitsrecht beitragen:221 „(…) opinio iuris may, though with all due caution, be deduced from, inter alia, the attitude of the Parties and the attitude of States towards certain General Assembly resolutions (…) The effect of consent to the text of such resolutions (…) may be understood as an acceptance of the validity of the rule or set of rules declared by the resolution by themselves.“222  So der IGH zunächst im Nordsee-Festlandsockel-Fall, vgl. North Sea Continental Shelf Case, ICJ Reports 1969, S. 3 (43 Ziff. 74), später dann auch im Nicaragua-Fall, siehe Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 14, 33 f. und schließlich im Nuklearwaffen-Gutachten, siehe Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports 1996, S. 32 f. Z. 70: „The Court notes that General Assembly resolutions, even if they are not binding, may sometimes have normative value“. Aus der Literatur: Hailbronner/Klein, in: Simma (Hrsg.), UN Charter, Art. 10 Rn. 48; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 409; Wolter, Grundlagen, S. 199; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 221 und 241 f.; Simma, Zur völkerrechtlichen Bedeutung von Resolutionen der UN-Generalversammlung, S. 50 f.; Durner, Common Goods, S. 44; Kronmiller, Lawfulness of Deep Seabed Mining, S.  209  ff.; Tomuschat, 36 ZaöRV (1976), S.  467  ff.; Wolfrum, Internationalisierung, S.  343  ff.; Frowein, 36 ZaöRV (1976), S. 150; Brownlie, Principles, 4. Aufl., S. 6; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 491–495; Sands/Peel, Principles, 4. Aufl., S. 121 ff. Siehe zudem ILA Report, Formation of Customary (General) International Law (London, 2000), S. 54 ff. (60). Für eine Einordnung von UN-Resolutionen als Staatenpraxis plädieren Baxter, 129 RdC (1970-I), S. 25 (70) und Thirlway, International Customary Law and Codification, S. 87 ff.; siehe zur Frage der Einordnung als opinio iuris oder als Staatenpraxis außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 480 f. 220  South-West Africa Case, Diss. Op. Judge Tanaka, ICJ Reports 1966, S. 292. Ähnlich äußert sich Jenks, Space Law, S. 185. Siehe auch Wolter, Grundlagen, S. 200 Fn. 137 am Ende. 221  Siehe dazu auch Durner, Common Goods, S. 44; Frowein, 49 ZaöRV (1989), S. 778 (788 ff.). 222  Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 14, 99 f. Z. 188. 219

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Zwar gewährt diese zum Teil scharf kritisierte,223 deshalb jedoch nicht minder grundlegende Entscheidung des Gerichtshofs der UN-Generalversammlung kein eigenes Legislativrecht, doch schreibt sie ihr immerhin eine wichtige Rolle bei der Herausbildung und Weiterentwicklung des Völkergewohnheitsrechts zu.224 In seinem Nuklearwaffen-Gutachten aus dem Jahre 1996 hat der IGH erneut ausdrücklich bekräftigt, Resolutionen der Generalversammlung könnten Belege für eine Norm des Gewohnheitsrechts liefern und eine Reihe von UN-Resolutionen könnte eine neue, sich allmählich entwickelnde opinio iuris dokumentieren: „The Court notes that General Assembly resolutions, even if they are not binding, may sometimes have normative value. They can, in certain circumstances, provide evidence important for establishing the existence of a rule or the emergence of an opinio iuris (…) To establish whether this is true of a given General Assembly resolution, it is necessary to look at its content and the conditions of its adoption; it is also necessary to see whether an opinio iuris exists as to its normative character. Or a series of resolutions may show the gradual evolution of the opinio iuris required for the establishment of a new rule.“225

Diese Rechtsprechung hat der Gerichtshof in Congo v. Uganda konsequent fortgeführt, wo er den gewohnheitsrechtlichen Charakter der permanenten Souveränität über natürliche Ressourcen unter Hinweis auf drei GV-Resolutionen bejahte.226 Auch nach überwiegender Ansicht in der Literatur kann das Abstimmungsverhalten der Staaten in der Generalversammlung ein Indiz für eine allgemeine Rechtsüberzeugung sein und einen Ansatzpunkt für eine entsprechende Staatenpraxis bilden, wobei der Grad der Zustimmung entscheidend sein soll.227 Da nahezu alle  Siehe vor allem die harsche Kritik von D’Amato, Trashing Customary International Law, 81 AJIL (1987), S. 101 ff. Siehe dazu auch Birnie/Boyle/Redgwell, International Law, S. 33. 224  Siehe Durner, Common Goods, S. 45. 225  Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports 1996, S. 33 f. Z. 70. 226  Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), Judgment, ICJ Reports 2005, Z. 222: „(…) the Republic of Uganda (…) has violated the following principles of conventional and customary law: (…) – respect for the sovereignty of States, including over their natural resources“. Unter Z. 244 stellt der IGH den gewohnheitsrechtlichen Status nochmals ausdrücklich klar: „The Court recalls that the principle of permanent sovereignty over natural resources The Court recalls that the principle of permanent sovereignty over natural resources is expressed in General Assembly resolution 1803 (XVII) of 14 December 1962 and further elaborated in the Declaration on the Establishment of a New International Economic Order (General Assembly resolution 3201 (S.VI) of 1 May 1974) and the Charter of Economic Rights and Duties of States (General Assembly resolution 3281 (XXIX) of 12 December 1974). (…). While recognizing the importance of this principle, which is a principle of customary international law (…)“. Siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 492. 227  Siehe Abi Saab, 207 RdC (1987), S.  33 (160 f.); Hailbronner/Klein, in: Simma (Hrsg.), UN Charter, Art.  10 Rn.  48; Birnie/Boyle/Redgwell, International Law, S.  31–33; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 583 und § 637; Durner, Common Goods, S. 44 f.; Wolter, Grundlagen, S. 198 f.; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 221 Rn. 23; Treves, „Customary International Law“, in: MPEPIL online (2010), Rn. 44, abrufbar unter: www.mpepil. com; siehe zudem ILA Report, Formation of Customary (General) International Law (London, 2000), S. 59 ff.; Friedrich, International Environmental ‚soft law‘, S. 148; P.-M. Dupuy, in: Brunnée/Bodansky/Hey (Hrsg.), Oxford Handbook of International Environmental Law, S.  449–466 (459); Alvarez, International Organizations as Law-makers, S. 146 f. 223

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Staaten der internationalen Gemeinschaft zugleich Mitglieder der Vereinten Nationen seien, würden Resolutionen der UN-Generalversammlung – insbesondere wenn sie der heutigen Praxis entsprechend im Konsensverfahren und somit zumindest äußerlich einstimmig angenommen werden – eine Art „Rechtsauffassung der Weltgemeinschaft“ widerspiegeln.228 Vier innerhalb von einem Jahr einstimmig verabschiedete Resolutionen der UN-Generalversammlung229 belegen die Überzeugung eines überragend großen Teils der Staatengemeinschaft, dass die Bekämpfung des voranschreitenden Klimawandels und seiner nachteiligen Auswirkungen eine „gemeinsame Sorge der Menschheit“ ist. Dies gilt umso mehr, als zwei dieser UN-Resolutionen die Staatengemeinschaft ausdrücklich dazu aufgefordert haben, in naher Zukunft ein entsprechendes völkerrechtliches Rahmenübereinkommen zu verabschieden und dieses anschließend durch Protokolle mit konkreten Verpflichtungen auszufüllen.230 Somit lässt sich bereits vor Verabschiedung der Klimarahmenkonvention im Jahre 1994 eine opinio iuris zum common concern-Status des globalen Klimawandels nachweisen. Ob der CCM-Rechtssatz für den globalen Klimaschutz bereits zu diesem frühen Zeitpunkt gewohnheitsrechtlich galt, hängt nunmehr davon ab, ob und inwieweit man hierfür dessen einstimmige und wiederholte Verankerung in UN-Resolutionen bereits ausreichen lässt. Über das Verhältnis zwischen UN-Resolutionen und den beiden klassischen Elementen des Völkergewohnheitsrechts – opinio iuris und Staatenpraxis – herrscht in der Literatur seit jeher reger Streit. Dieser Streit ist letztlich nur eine spezielle Ausprägung der allgemeinen Debatte darüber, ob das Element der Staatenpraxis konstitutiv für die Entstehung von Gewohnheitsrecht ist – was nach überwiegender Auffassung bejaht wird231 – oder ob das Praxiselement die Existenz  So Durner, Common Goods, S. 44 und Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 19.  UNGA-Resolution 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326: „Welcoming with appreciation the initiative taken by the Government of Malta in proposing for consideration by the Assembly the item entitled ‚Conservation of climate as part of the common heritage of mankind‘“; UNGA Res. 44/207 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind; UNGA Res. 45/207 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind; UNGA Res. 46/169 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326. Siehe zur Verankerung des common concern of humankind-Prinzips in UN-Resolutionen die Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. a). 230  UNGA-Resolution 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326: „Determines that necessary and timely action should be taken to deal with climate change within a global framework; (…)“. Siehe außerdem UNGA Res. 46/169 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326, abgedruckt bei Churchill/Freestone, International Law, S. 243 ff., wo es heißt: „Recalling its resolutions 43/53 of 6 December 1988 and 44/207 of 22 December 1989, in which it recognized that climate change is a common concern of mankind, and resolution 45/212 of 21 December 1990, by which it established a single intergovernmental negotiating process for the preparation of a framework convention of climate change, (…)“. 231  Statt Vieler nur Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 214 Rn. 4; Birnie/Boyle/Redgwell, International Law, S.  22  ff.; Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. 228 229

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von Gewohnheitsrecht bloß rein deklaratorisch bestätigt.232 Auf diese grundlegende völkerrechtsdogmatische Frage näher einzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher soll sie mit Blick auf die vorliegende Fragestellung nur skizziert werden. Eine wachsende Zahl von Stimmen in der Literatur vertritt die Auffassung, die Teilnahme von Staaten an Abstimmungen in der Generalversammlung sei Staatenpraxis bzw. eine solche sei grundsätzlich verzichtbar, sodass UN-Resolutionen per se „sofort wirksam werdendes Gewohnheitsrecht“ (instant customary law) begründeten.233 Nach weit überwiegender Ansicht ist das bloße Abstimmungsverhalten der Staaten allerdings noch keine „allgemeine Übung“ im Sinne von Art.  38 Abs.  1 lit. b) IGH-Statut. Vielmehr soll ein per UN-Resolution proklamierter Grundsatz nur dann zu Völkergewohnheitsrecht erstarken, wenn die Staaten ihre in jener Resolution zum Ausdruck gebrachte Rechtsüberzeugung anschließend durch ihr tatsächliches Verhalten außerhalb der UN bekräftigen. Und zwar, indem sie sich beständig, möglichst „umfassend und nahezu einheitlich“ („extensive and virtually uniform“)234 nach ihr richten;235 wenn also die in UN-Resolutionen erkennbare Rechtsüberzeugung zusätzlich durch nachfolgende Staatenpraxis ergänzt und bestätigt wird.236 Für die Staatenpraxis als konstitutives Element spricht zunächst der Aufl., S.  67 Fn. 323: „Rechtsüberzeugung allein lässt kein Völkergewohnheitsrecht entstehen. Schon deshalb etwa können Resolutionen der UN-Generalversammlung, gemäß Art.  10 UNCharta unverbindliche Empfehlungen, nicht generell als ‚sofort wirksam werdendes Gewohnheitsrecht‘ Verbindlichkeit beanspruchen“. Treves, „Customary International Law“, in: MPEPIL online (2010), Rn.  10, abrufbar unter: www.mpepil.com; Friedrich, International Environmental ‚soft law‘, S. 144 ff.; wer den konstitutiven Charakter von Staatenpraxis für das Gewohnheitsrecht bejaht, lässt UN-Resolutionen für sich genommen zumeist konsequent nicht ausreichen, um Gewohnheitsrecht zu begründen. 232  So etwa als Vertreter der französischen soziologisch geprägten Völkerrechtsschule Scelle, 46 RdC (1933 IV), S. 327 (428). Siehe ferner Guzman, 27 Mich JIL (2005), S. 115 (122, 148 ff.); Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 483. 233  So im Zusammenhang mit den UN-Resolutionen zur nationalen Verfügung über natürliche Ressourcen Brownlie, 162 RdC (1979 I), S. 245 (260, 264, 268 m. w. N.); siehe allgemein zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht durch UN-Resolutionen Asamoah, The Legal Significance of the Declarations of the General Assembly of the United Nations, S. 70; ähnlich Shaw, International Law, S. 64 ff., der zudem bereits Äußerungen von Staaten in der Generalversammlung als Staatenpraxis ansieht. Siehe außerdem Cheng, 5 Indian JIL (1965), S. 23–48 und Roberts, 95 AJIL (2001), S. 757 (758 und 784 ff.). 234  Diese griffige Formulierung stammt aus dem IGH-Urteil im Nordsee-Festlandsockel-Fall, siehe North Sea Continental Shelf Case, ICJ Reports 1969, S. 3 (43). 235  So vor allem Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 583 und 637; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 221; Hailbronner/Klein, in: Simma (Hrsg.), Kommentar UN-Charta, Art. 10 Rn. 47. 236  Siehe für die überwiegende Auffassung statt Vieler Hailbronner/Klein, in: Simma (Hrsg.), UN Charter, Art. 10 Rn. 47; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 583 und 637; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 214 u. 221; MacGibbon, in: Cheng (Hrsg.), International Law, S. 10–25 („however many times nothing was multiplied by nothing the result was still nothing“); Higgins, Development of International Law, in: Cheng (Hrsg.), International Law, S. 27–44; dies., 54 AJIL (1965), S. 37–48; Tomuschat, 36 ZaöRV (1976), S. 467 ff.; Frowein, 36 ZaöRV (1976), S. 150. So im Ergebnis wohl auch Birnie/Boyle/Redgwell, International Law, S. 31–33, Durner, Common Goods, S. 44 und Wolter, Grundlagen, S. 201; Birnie/Boyle/Redgwell,

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Wortlaut von Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH-Statut, der für den Nachweis von Gewohnheitsrecht gleichrangig opinio iuris und Staatenpraxis voraussetzt. Eine Serie von UN-Resolutionen für den Nachweis von Gewohnheitsrecht bereits ausreichen zu lassen, hieße faktisch, auf das Praxiselement zu verzichten und verstieße somit gegen den Wortlaut von Art. 38 IGH.237 Allein die Wiederholung eines an sich unverbindlichen Aktes vermag per se nicht die Rechtsbindung zu ersetzen, die von einer konsistenten Staatenpraxis ausgeht.238 Dies gilt umso mehr, als die Mitgliedsstaaten den UN-Resolutionen in ihrer konkreten Fassung oftmals gerade zustimmen, wenn und weil sie unverbindlich sind.239 Solange der „freiwillige Charakter“ von UN-­ Resolutionen als „soft law“ den kleinsten gemeinsamen Nenner bildet, kann selbst aus der einstimmigen Verabschiedung einer UN-Resolution nicht automatisch auf die Herausbildung von Gewohnheitsrecht geschlossen werden, wenn man dessen Autorität nicht erodieren will.240 Zu Recht wird gewarnt, der alleinige Rekurs auf Resolutionen dürfe nicht zu einem „Kurzverfahren für den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht“ führen, das sich einer Auseinandersetzung mit der Praxis außerhalb der Generalversammlung als einem „Gewächshaus parlamentarischer Demokratie“241 entziehe.242 Hinzu kommt, dass in jüngerer Zeit die rechtssetzenden Aktivitäten des Sicherheitsrates die Generalversammlung in ihrer Bedeutung zurück gedrängt haben.243 Schließlich verlangt auch der Gerichtshof grundsätzlich für die Annahme von Gewohnheitsrecht zusätzlich zu einer in UN-Resolutionen artikulierten Rechtsüberzeugung eine wie auch immer geartete Praxis der Staaten, die jene Rechtsüberzeugung bekräftigt.244 Zwar hat sich der Gerichtshof in Congo v. International Law, S. 22 ff.; Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 67 Fn. 323 und S. 69 Rn. 137. Treves, „Customary International Law“, in: MPEPIL online (2010), Rn. 10, abrufbar unter: www.mpepil.com; Friedrich, International Environmental ‚soft law‘, S. 144 ff. 237  Simma/Alston, 12 AYIL (1992), S. 82 ff. (96–100); Friedrich, International Environmental „soft law“, S. 150 f.: „In particular, if one accepts that acts of states in international organisations such as voting on nonbinding instruments may possibly reflect an emerging opinio iuris, care must be taken to uphold the requirement of state practice in order not to erode the concept of customary law and thus authority of international law“. 238  Ähnlich Kelly, 40 Va JIL (2000), S. 449 (486 f.); MacGibbon, in: Cheng (Hrsg.), International Law, S. 10 (25): „however many times nothing was multiplied with nothing the result was still nothing“; siehe ferner Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 492. Ähnlich auch ILA Report, Formation of Customary (General) International Law (London, 2000), S. 54 ff. (59): „(…) repetition of the same alleged rule in a series of resolutions does not of itself add to the legal obligation“. 239  Ähnlich Treves, „Customary International Law“, in: MPEPIL online (2010), Rn. 44, abrufbar unter: www.mpepil.com; Friedrich, International Environmental ‚soft law‘, S. 148. 240  Friedrich, International Environmental ‚soft law‘, S. 149. 241  Simma/Alston, 12 AYIL (1992), S. 82 (89): „hothouse of parliamentary diplomacy“. 242  So Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 494. Siehe außerdem Alvarez, International Organizations as law-makers, S. 592, der zu Recht einwendet, angesichts der anspruchsvollen Prüfung von Gewohnheitsrecht werde man nie ganz ohne solche short cuts auskommen. 243  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 492. 244  Auch die Rechtsabteilung des UN-Generalsekretariats hat selbst die – im Vergleich mit UN-Resolutionen noch deutlicheren und „verbindlicheren“ – Deklarationen der Generalversammlung als

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Uganda damit begnügt, den gewohnheitsrechtlichen Charakter der permanenten Souveränität über natürliche Ressourcen unter Hinweis auf drei GV-Resolutionen zu bejahen. Hieraus kann jedoch keinesfalls geschlossen werden, der IGH erachte den bloßen Rückgriff auf UN-Resolutionen für den Nachweis von Gewohnheitsrecht per se für ausreichend.245 Denn im konkreten Zusammenhang betrachtet ist das Urteil insofern wenig aussagekräftig, als der IGH keinesfalls die gewohnheitsrechtliche Anerkennung kausal auf die alleinige Existenz der jeweiligen Resolutionen gestützt hat. Vielmehr legt der sprachliche Zusammenhang nahe, dass er die UN-Resolutionen herangezogen hat, um zu belegen, dass der Grundsatz der permanenten Souveränität über natürliche Ressourcen im konkreten Fall nicht anzuwenden war.246 Da es infolgedessen auf seine gewohnheitsrechtliche Geltung nicht ankam, hat der IGH sie offenbar schlicht bejaht, ohne dieses Ergebnis schulmäßig zu begründen. Dies erscheint erst recht plausibel, wenn man bedenkt, dass der Grundsatz der permanenten Souveränität über natürliche Ressourcen letztlich bloß eine Ausprägung des spätestens seit dem Nicaragua-Urteil des IGH ohnehin gewohnheitsrechtlich anerkannten klassischen Souveränitätsprinzips ist,247 das zudem kaum jemals ernsthaft von der Staatenpraxis in Frage gestellt wurde. Ein stillschweigender Verzicht auf das Element der Staatenpraxis kann der Congo-Rechtsprechung des IGH  – zumal vor dem Hintergrund seiner insoweit eindeutigen und strengen Festlandsockel-, Nicaragua- und Nuklearwaffen-Rechtsprechung – keinesfalls entnommen werden. Bereits in seinem Festlandsockel-Urteil hat der Gerichtshof klargestellt, dass eine tatsächliche Staatenpraxis unabdingbare Voraussetzung für das Entstehen bzw. den Nachweis von Gewohnheitsrecht ist: „It is of course axiomatic that the material of customary international law is to be looked for primarily in the actual practice and opinio iuris of States (…).“248

förmliche Dokumente qualifiziert, die gegenüber gewöhnlichen Empfehlungen zwar eine stärkere Erwartung zum Ausdruck bringen würden, dass sich die Mitgliedstaaten danach richten werden, die allerdings ebenfalls erst noch durch Staatenpraxis bestätigt werden müssten, um zu Gewohnheitsrecht zu erstarken: „Consequently, in so far as the expectation is gradually justified by State practice, a declaration may, by custom, become recognized as laying down rules binding upon States“ (Hervorhebung vom Verfasser), siehe UN Doc E/CN.4/L.160, zitiert nach Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 637, Fn. 41 am Anfang. 245  So aber Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 492: „In den (…) Congo Cases ließ es der IGH allerdings damit bewenden, den gewohnehitsrechtlichen Charakter des Grundsatzes der permanenten Souveränität über natürliche Ressourcen anhand von drei Generalversammlungsresolutionen nachzuweisen“. 246  Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), Judgment, ICJ Reports 2005, Z. 222: „(…) the Republic of Uganda (…) has violated the following principles of conventional and customary law: (…) – respect for the sovereignty of States, including over their natural resources“. Unter Z. 244 stellt der IGH den gewohnheitsrechtlichen Status nochmals ausdrücklich klar: „The Court recalls that the principle of permanent sovereignty over natural resources (…). While recognizing the importance of this principle, which is a principle of customary international law (…)“. Siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 492. 247  Besson, „Sovereignty“, in: MPEPIL online, Rn. 87, abrufbar unter: www.mpepil.com. 248  Libya/Malta Continental Shelf Case, ICJ Reports 1985, S. 29 f.; North Sea Continental Shelf

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In seinem Nicaragua-Urteil hat der IGH dies ausdrücklich bestätigt: „(…) the Court may not disregard the essential role played by general practice249 (…) The mere fact that States declare their recognition of certain rules is not sufficient for the Court to consider these as being part of customary international law.250 (…) The Court must satisfy itself that the existence of the rule in the opinio iuris of States is confirmed by practice.“251

Schließlich hat der IGH in seinem für die Rolle von UN-Resolutionen bei der Gewohnheitsrechtsbildung bedeutsamen Nuklearwaffen-Gutachten dem Verbot von Nuklearwaffen gerade wegen entgegenstehender Staatenpraxis die gewohnheitsrechtliche Geltung versagt.252 Nach alledem ist festzuhalten, dass der common concern-Rechtssatz mit seiner Verankerung in einer Vielzahl von UN-Resolutionen im Jahre 1989 noch nicht zu instant customary law geworden ist. Für seinen gewohnheitsrechtlichen Nachweis ist vielmehr die nachfolgende Praxis der Staaten in den Blick zu nehmen. dd) Die Staatenpraxis zum common concern Grundsätzlich setzt eine das Gewohnheitsrecht begründende allgemeine Übung im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH Statut Verhaltensweisen der Staaten voraus, die von einer gewissen Dauer, Einheitlichkeit und Verbreitung sind.253 Angesichts der rasanten technischen Entwicklung und den „zunehmenden Tempoanforderungen in der Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen“254 der modernen Welt sind die Anforderungen an das objektive Element der allgemeinen Übung in den letzten Jahrzehnten in Rechtsprechung und Literatur sukzessive gesenkt worden,255 sodass Gewohnheitsrecht immer anpassungsfähiger und seine Erzeugung erleichtert wird.256 Hatte noch Hudson als Special Rapporteur der ILC im Jahre 1950 in einer Case, ICJ Reports 1969, S. 3 (32 f., 47, 53). 249  Military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 14, Z. 184. 250  Military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 14, Z. 97 f. 251  Military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 14, Z. 184. 252  Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports 1996, S. 33 Z. 73: „ The emergence, as lex lata, of a customary rule specifically prohibiting the use of nuclear weapons as such is hampered by the continuing tensions between the nascent opinio iuris on the one hand, and the still strong adherence to the practice of deterrence on the other.“ 253  So Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 215. 254  So ursprünglich Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, S. 13; ähnlich Wolfke, Custom in Present International Law, S.  68 und Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 216. 255  Siehe hierzu und zum Ganzen Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 96 f. Siehe dazu außerdem Doehring, 36 ZaöRV (1976), S. 77 (83). Siehe dazu neuerdings Scharf, Customary International Law in Times of Fundamental Change, S. 8 ff., dem zufolge die rapide Entwicklung von Völkergewohnheitsrecht in Zeiten grundlegenden Wandels erforderlich ist, um mit beschleunigten Entwicklungen Schritt halten zu können. 256  So Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 216; ähnlich Fastenrath,

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Zusammenfassung der bisherigen IGH-Rechtsprechung257 verlangt, eine Vielzahl von Staaten müsse über eine beträchtliche Zeitspanne wiederholt eine übereinstimmende Praxis üben,258 so lassen einige Autoren es heute teilweise bereits genügen, wenn nur wenige Staaten an der Übung beteiligt sind259 und diese nur kurze Zeit andauert260 oder gar nur einmal stattfindet.261 Und auch der IGH hat die Anforderungen an eine allgemeine Übung zusehends abgemildert. So hat er bereits im Nordsee-­ Festlandsockel-­Fall klargestellt, dass auch ein vergleichsweise kurzer Zeitraum genügen kann: „(…) the passage of only a short period of time is not necessarily, or of itself, a bar to the formation of a new rule of customary international law (…).“262

Hinreichend einheitlich soll die Übung schon dann sein, wenn sich eine repräsentative Zahl von Völkerrechtssubjekten zu einer bestimmten Frage konsistent verhält, wie der IGH im Nicaragua-Fall ausgeführt hat: „It is not to be expected that in the practice of States the application of the rules in question should have been perfect, in the sense that States should have refrained, with complete consistency, from the use of force or from intervention in each other’s internal affairs. The Court does not consider that, for a rule to be established as customary, the corresponding practice must be in absolutely rigorous conformity with the rule. In order to deduce the existence of customary rules, the Court deems it sufficient that the conduct of States should, in general, be consistent with such rules, and that instances of State conduct inconsistent with such given rule should generally have been treated as breaches of that rule, not as indications of the recognition of a new rule.“263

Lücken im Völkerrecht, S.  97. Siehe zudem Scharf, Customary International Law in Times of Fundamental Change, S. 8 ff. Die Studie des Internationalen Komittees vom Roten Kreuz zum völkergewohnheitsrechtlichen humanitären Völkerrecht nimmt etwa das Völkergewohnheitsrecht als Instrument dynamischer Entwicklung in Anspruch, siehe Henckaerts/Doswald-Beck (Hrsg.), ICRC: Customary international humanitarian law. Kritisch gegenüber der Eignung des Völkergewohnheitsrechts als „vergangenheitsbezogene(m) Rechtstypus für die zukunftsgerichtete Bewältigung gemeinschaftlicher Aufgaben“ insbesondere Nettesheim, 57 JZ (2002), S. 569 (576); siehe ferner Kontorovic, 48 Wm and Mary LR (2006), S. 859 (863). Siehe zum Ganzen außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 474 f. 257  Zu nennen ist hier insbesondere das Urteil des IGH, Haya de la Torre-Fall, ICJ Reports 1950, S. 276 ff., wonach ein „konstantes“ und „einheitliches“ Verhalten der beteiligten Staaten erforderlich ist. 258  Hudson, ILC Yearbook 1950 II, S. 24 (26). 259  D’ Amato, Concept of Custom, S. 42; ähnlich Strebel, 36 ZaöRV (1976), S. 301 (325 ff.). Suy, Les actes juridiques, S. 249 f., 260 ff. lässt sogar die Praxis eines einzelnen Staates ausreichen. 260  Lauterpacht, 10 BYil (1929), S. 65 ff.; Fitzmaurice, 30 BYIL (1953), S. 1 ff. (31); Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S.  215; Scharf, Customary International Law in Times of Fundamental Change, S. 8 ff.; Roberts, 95 AJIL (2001), S. 757 (758 und 784 ff.). 261  Akehurst, 47 BYIL (1974-1975), S. 1 (13); Tunkin, Völkerrechtstheorie, S. 143. Siehe hierzu Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 97. 262  North Sea Continental Shelf Case, ICJ Reports 1969, S. 3 (43 Z 74). 263  Paramilitary and Military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 14 (97 f.).

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Schließlich ist eine Staatenpraxis nach Ansicht des IGH in der Regel dann hinreichend verbreitet, wenn eine „repräsentative“ Zahl derjenigen Staaten sich an ihr beteiligen, deren Interessen besonders berührt sind („State practice (…) of States whose interests are specifically affected“).264 Es liegt in der Natur des globalen Klimawandels und seiner nachteiligen Auswirkungen, dass er die Interessen aller Staaten berührt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sowohl die Klimarahmenkonvention im Jahre 1992 als auch die Nachfolgeprotokolle von Kyoto (1997) und Kopenhagen (2010) breite Unterstützung erfahren haben.265 Während der jeweiligen langwierigen Beratungen zu allen drei multilateralen Übereinkommen wurde die Bedeutung des common concern of humankind-­Prinzips erkannt und während des Zeitraums von 18 Jahren wurde ­dessen völkerrechtliche Bindungswirkung nicht ernsthaft infrage gestellt.266 Ob und inwieweit sich Gewohnheitsrecht allein anhand völkerrechtlicher Verträge begründen oder zumindest nachweisen lässt, ist allerdings nach wie vor umstritten. Nach einer Auffassung stellen völkerrechtliche Verträge als solche keine Übung im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH-Statut dar, sondern können nur zum Nachweis der subjektiven Rechtsüberzeugung herangezogen werden.267 Eine andere Ansicht sieht gerade in völkerrechtlichen Verträgen einen klassischen Fall von Staatenpraxis.268 Verallgemeinerbare Bestimmungen in multilateralen Verträgen sollen nicht erst durch allmähliche Übung und Akzeptanz, sondern bereits mit Vertragsabschluss universelles Völkerrecht „generieren“ können.269 Wiederum andere betrachten den Abschluss völkerrechtlicher Verträge als ein wichtiges Element der Staatenpraxis und zugleich als Ausdruck einer bestimmten Rechtsüberzeugung.270 Diese Debatte ist wohl darauf zurück zu führen, dass der Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages Schlussfolgerungen in beide Richtungen zulässt: Einerseits könnte man den quasi-universalen Abschluss eines multilateralen Übereinkommens als Nachweis dafür ansehen, dass bestimmte, dort niedergelegte Grundsätze zukünftig auch außervertraglich, das heißt universell für die gesamte Staatengemeinschaft gelten sollen.271 Andererseits kann man gerade aus der Tatsache des Vertragsschlusses folgern, dass es an einem entsprechenden gewohnheitsrechtlichen Grundsatz fehlt, die  North Sea Continental Shelf Case, ICJ Reports 1969, S. 3 (43 Ziff. 74).  Siehe dazu die Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. b), c) und d). 266  Siehe Dritter Teil, Kap. VII. und IX. Ähnlich für die gewohnheitsrechtliche Geltung des common heritage of mankind-Prinzips Wolfrum, Internationalisierung, S. 394. 267  Siehe Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 220; Baxter, 129 RdC (1970 I), S. 75 ff.; Bos, 25 GYIL (1982), S. 23 f. 268  Siehe etwa Akehurst, BYIL (1974/1975), S. 1 (42 ff.); van Hoof, Rethinking the Sources of International Law S. 109; D’Amato, Concept of Custom, S. 103 ff. 269  D’Amato, Concept of Custom, S. 103 ff.; ders., 77 AJIL (1983), S. 281 (281 f.). Ähnlich Buzzini, 106 RGDIP (2002), S. 581 (611), der eine große Beteiligung am multilateralen Vertrag bereits für ausreichend hält. Siehe dazu ferner Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 487. 270  So etwa Thirlway, International Customary Law and Codification, S. 86 ff. als Schlussfolgerung aus IGH, North Sea Continental Shelf, ICJ Report 1986, S. 3 (43), Ziff. 73; siehe zudem Herdegen, Völkerrecht, S. 161 Rn. 11. 271  So Doehring, 36 ZaöRV (1976), S. 77 (77). 264 265

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beteiligten Staaten also gerade deswegen einen Vertrag schließen, weil sie nicht davon ausgehen, dass die mit ihm begründeten vertraglichen Rechte und Pflichten auch bereits gewohnheitsrechtlich gelten.272 Angesichts der besonderen Schwierigkeit, opinio iuris und Staatenpraxis klar voneinander zu trennen, wird sich nur schwerlich eine befriedigende Lösung für die Frage finden, unter welchen genauen Voraussetzungen völkervertragliche Grundsätze zu Gewohnheitsrecht erstarken.273 Artikel 38 WVK erkennt an, dass eine Vertragsbestimmung als Norm des Völkergewohnheitsrechts für einen Drittstaat verbindlich wird.274 Umgekehrt gilt nach Artikel 43 WVK, dass Ungültigkeit, Beendigung und Suspendierung eines Vertrages die Pflichten eines Staates nicht beeinträchtigen, die das Völkerrecht ihm unabhängig von diesem Vertrag – etwa gewohnheitsrechtlich – auferlegt. Die Frage, ob und inwieweit Staaten durch den Abschluss völkerrechtlicher Verträge sogleich universell gültiges Gewohnheitsrecht schaffen können, ist ähnlich gelagert wie die Debatte, ob dies den UN-Mitgliedsstaaten per Resolution gelingen kann. Allerdings sind Verträge nach überwiegender Auffassung aussagekräftiger für Gewohnheitsrecht als Resolutionen der Generalversammlung.275 Denn Verträge verursachen zumindest potenziell höhere „Transaktionskosten“, weil ihre Verletzung eine Staatenverantwortlichkeit auslösen kann.276 Sie werden deshalb von den Vertragsstaaten mit größerer Sorgfalt formuliert.277 Nach Baxter können Vertragsbestimmungen ­deklaratorisch Völkergewohnheitsrecht wiedergeben, entstehendes Gewohnheitsrecht kristallisieren, das heißt definieren und konsolidieren, oder eine übereinstimmende Praxis schaffen.278 Allerdings kann bei Baxter ein multilateraler Vertrag den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht nicht abkürzen. Selbst die Teilnahme einer überwältigenden Staatenmehrheit an einem Übereinkommen soll für sich genommen keine universelle Bindungswirkung schaffen können, stattdessen ist auch hier auf die üblichen Regeln zur Bildung von Gewohnheitsrecht zurück zu greifen.279 Auch nach der IKRK-Studie zum völkergewohnheitsrechtlichen humanitären Völkerrecht kann eine hohe Zahl von Ratifikationen auf den gewohnheitsrechtlichen  Siehe Herdegen, Völkerrecht, S. 161 Rn. 11; Doehring, 36 ZaöRV (1976), S. 77 (77).  Ähnlich bereits Doehring, 36 ZaöRV (1976), S. 77 ff. in seiner englischen „Summary“ auf Seite 95: „A clear cut answer, however, has not yet been given with respect to the conditions under which treaty law generates customary law (…) It seems that a particular difficulty (…) can be seen in the fact that opinion iuris and State practice, both of which are elements of traditional customary international law, cannot be clearly separated.“ 274  Zum Verhältnis zwischen Vertrags- und Gewohnheitsrecht grundlegend Baxter, 129 RdC (1970-I), S.  25  ff.; Thirlway, International Customary Law and Codification; siehe neuerdings Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 473 ff. 275  Byers, Custom, Power and the Power of Custom, S. 170. 276  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 494. 277  So etwa Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 494; Tomuschat, 28 BerDGVR (1988), S. 9 (21); differenzierend Alvarez, International Organizations as law-makers, S. 338 ff. 278  Baxter, 41 BYBIL (1965–66), S. 275 ff.; siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 485. 279  Baxter, 129 RdC (1970-I), S. 25 (73); siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 485. 272 273

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Status einer Vertragsbestimmung hinweisen, sie muss aber anhand weiterer Praxiselemente bestätigt werden.280 Nach dem sogenannten custom on a sliding scale-Ansatz bewegen sich opinio iuris und Staatenpraxis auf einer „gleitenden Skala“, das heißt ein Plus an Rechtsüberzeugung kann ein Minus bei der Staatenpraxis ausgleichen und umgekehrt.281 Allerdings verzichtet auch dieser Ansatz nicht auf das Praxiselement, sondern relativiert lediglich dessen Bedeutung. Je klarer die allgemeine Akzeptanz, desto weniger Bedeutung soll dem objektiven Element für den Nachweis von Gewohnheitsrecht zukommen.282 Für Friedrich bleibt das Praxiselement essenziell, um politischem Wunschdenken ein realistisches Korrektiv gegenüber zu stellen: „The element of state practice secures that the established concept of customary law does not become a mere tool for wishful policy arguments without any basis in the real world, and thus safeguards the normative force of the concept of customary law.“

Vereinzelt wurde die Rechtsprechung des IGH so interpretiert, dass eine breite und repräsentative Staatenbeteiligung an einer Konvention sowohl eine Staatenpraxis als auch eine entsprechende opinio iuris belegen könne.283 Bei genauerem Hinsehen lässt sich der Argumentation des Gerichtshofs jedoch keinesfalls eine allgemeine Vermutung dafür entnehmen, dass Verträge bestehendes Gewohnheitsrecht deklaratorisch wiedergeben.284 Zwar hat der Gerichtshof im Nicaragua-Fall klargestellt, dass völkerrechtliche Verträge eine wichtige Rolle bei der Entwicklung oder Identifizierung von Gewohnheitsrecht spielen können: „(…) multilateral conventions may have an important role to play in recording and defining rules deriving from custom, or indeed in developing them.“285

Auch im Nordsee-Festlandsockel-Fall hat der IGH bestätigt, dass ein völkerrechtlicher Vertrag ein im Fluss befindliches Völkergewohnheitsrecht „kristallisieren“ oder bereits existierendes Gewohnheitsrecht kodifizieren oder klarstellend weiter entwickeln könne, wenn sich die meisten Staaten an ihm beteiligten.286 Allerdings hat der Gerichtshof im selben Urteil unmissverständlich klargestellt, dass Staatenpraxis eine „unerlässliche Voraussetzung“ für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht ist. Denn „auf der Basis einer rein vertraglichen Bestimmung“ muss im Hinblick auf die fragliche Vertragsnorm eine „nahezu einheitliche Staatenpra Henckaerts/Doswald-Beck, ICRC: Customary international humanitarian law, Band 1, S. xliii ff.; Bothe, 8 YIHL (2005), S. 143 (162); Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 486. 281  Kirgis, 81 AJIL (1987), S. 146 (149); Tasioulas, 16 OJLS (1996), S. 85 (109 ff.); Roberts, 95 AJIL (2001), S. 757 (772 ff.); siehe dazu ferner Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 482–484. 282  Mendelson, 272 RdC (1998), S.  155 (327); Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 483. 283  Thirlway, International Customary Law and Codification, S. 86 ff. im Hinblick auf IGH, North Sea Continental Shelf, ICJ Reports 1969, S. 3 (43), Ziff. 73. 284  Ähnlich Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 489. 285  Paramilitary and Military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 29 f. 286  Ähnlich bereits Herdegen, Völkerrecht, S. 161 Rn. 12. 280

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xis“ „einschließlich derjenigen Staaten, deren Interessen in besonderer Weise berührt sind“, hinzukommen: „(…) on the basis of what was originally a purely conventional rule, an indispensable requirement would be that within the period in question, short though it might be, State practice, including that of States whose interests are specifically affected, should have been both extensive and virtually uniform in the sense of the provision invoked; – and should moreover have occurred in such a way as to show a general recognition that a rule of law or legal obligation is involved.“287 (Hervorhebung vom Verfasser)

Bislang gibt es keine eigene Anwendungspraxis zum common concern of humankind.288 Zwar sind viele Konstellationen denkbar, in denen das common concern of humankind-Prinzip eine Rolle spielen könnte. Der jüngere Whaling in the Antarctic-­Fall289 zeigt zudem, dass Staaten durchaus die Erfüllung umweltschutzbezogener erga omnes (partes)-Verpflichtungen vor dem Gerichtshof einklagen und die vertragsinterne Ausstrahlungswirkung oder die Eigenschaft des common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm zur Begründung einer erga omnes (partes)-Wirkung von Verpflichtungen aus Klimarahmen-, Biodiversitätskonvention oder Pariser Abkommen in solchen Fällen entscheidungserheblich sein kann.290 ­Genauso sind vielfältige Konstellationen denkbar, in denen die vertragsexterne Ausstrahlungswirkung des CCM im Konflikt mit dem GATT eine entscheidende Rolle in gerichtlichen Streitigkeiten spielen könnte.291 Doch hat sich bisher kein Staat  – explizit oder implizit  – vor dem IGH unmittelbar auf das common concern of humankind-­Prinzip berufen. Als Staatenpraxis könnten daher  – wenn überhaupt – nur Verbalakte von Staaten oder innerstaatliche Rechtsakte herangezogen werden. Die International Law Association (ILA) vertritt in ihrem Gutachten zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht den Standpunkt, nicht bloß „physische Akte“, sondern auch „verbale Akte“ seien zur Staatenpraxis zu zählen.292 Anderenfalls werden in der Tat die großen und mächtigen Staaten ungerechtfertigt besser gestellt, da sie ganz andere Möglichkeiten als kleine Staaten haben, eine ganz be North Sea Continental Shelf Case, ICJ Reports 1969, S. 3 (43) (Hervorhebung vom Verfasser).  Die von Durner und Wustlich angeführten Fallbeispiele stellen keine Anwendungspraxis des common concern of humankind-Prinzips dar. Staatliche Importverbote für Holz aus tropischen Regenwäldern (Durner, Common Goods, S.  272) sind zwar denkbar, allerdings fällt der Waldschutz bislang nicht in den Anwendungsbereich des CCM-Prinzips, siehe Dritter Teil, Kap. IX. 3. Aus dem gleichen Grund sind Handelsbeschränkungen im Montrealer Protokoll (Durner, Common Goods, S. 269 f.; Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 226) kein Anwendugsfall des common concern of humankind. Schließlich handelt es sich bei dem von Wustlich (ders., Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 227) gebildeten Beispiel des Emissionsrechtehandels nach dem Kyoto-Protokoll um eine bloß fiktive Kollision zwischen Kyoto-Protokoll und dem GATT, bei der in der Tat die vertragsexterne „Ausstrahlungswirkung“ des common concern of humankind im Rahmen einer Rechtfertigung von Handelsbeschränkungen nach Art.  XX GATT relevant werden könnte, siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 5. b) bb). 289  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 55–58. Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 5. a). 290  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 5. a). 291  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 5. b) bb). 292  ILA Report, Formation of Customary International Law (London, 2000), S. 14. 287 288

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stimmte Praxis sichtbar zu machen.293 Zudem entwickelt sich gerade im Umweltschutz, der letztlich die innerstaatlichen Verhältnisse berührt, kaum eine zwischenstaatliche Praxis.294 Deshalb können nach überwiegender Auffassung grundsätzlich alle Verhaltensweisen der Staaten – das heißt sämtliche Handlungen, Äußerungen und Unterlassungen – im rechtlich relevanten oder bloß im faktischen Bereich eine „allgemeine Übung“ im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH-Statut begründen.295 Anerkanntermaßen gehören zur Völkerrechtspraxis insbesondere auch tatsächliche Akte staatlichen Handelns in Gestalt von nach außen gerichteten Handlungen und Erklärungen der Exekutivorgane, die zur Pflege der internationalen Beziehungen berufen sind.296 In Zeiten intensiverer Kooperation in internationalen Organisationen soll eine Staatenpraxis nicht nur an der Summe von einzelstaatlichen Verhaltensweisen abgelesen, sondern auch anhand von kollektiven Erklärungen von Staaten in internationalen Foren identifiziert werden.297 Bereits bei Unterzeichnung der Klimarahmenkonvention im Jahre 1992 bekräftigten Deutschland und die Europäische Gemeinschaft, an ihrer über die Ziele der Konvention weiter hinausgehenden Klimaschutzpolitik festhalten zu wollen.298 In Erfüllung ihrer jährlichen Berichtspflichten über die von ihnen ergriffenen Maßnahmen zur Umsetzung der Klimarahmenkonvention haben überdies sämtliche Vertragsstaaten seit 1992 jeweils in Vorbereitung der kommenden Vertragsstaatenkonferenzen ihre Bereitschaft dokumentiert, die Klimaschutzziele tatsächlich erfüllen zu wollen.299 Parallel zu der im Zweiten Teil ausführlich beschriebenen Vertragspraxis von der Klimarahmenkonvention (1992) über das Kyoto-Protokoll (1997) bis hin zum Copenhagen Accord (2010) und den Vereinbarungen von Cancún im Jahre 2010 haben die Vertreter aller beteiligten Vertragsstaaten trotz der harten Verhandlungen über konkrete Emissionsreduktionsziele stets betont, den Klimawandel und seine nachteiligen Auswirkungen als „gemeinsame Sorge der Staatengemeinschaft“

 Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 480; Alvarez, International Organisations as law-makers, S. 592. 294  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 479; Fidler, 39 GYIL (1996), S. 198 (219 f.). 295  So Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 215 Rn. 6. 296  Siehe statt Vieler nur Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 219 Rn. 17, der als Beispiel auf die Proklamation von US-Präsident Truman vom 28. September 1945 zur Politik der Vereinigten Staaten bezüglich der Naturvorkommen des Untergrundes und des Meeresbodens des Festlandsockels verweist, das sich abgedruckt findet bei Whiteman (Hrsg.), Digest of International Law IV, S. 756. 297  Siehe Alvarez, International Organisations as law-makers, S. 592; Friedrich, International Environmental „soft law“, S. 150; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 480 f. 298  So Langenfeld, 54 ZaöRV (1994 II), S. 933. Bereits zum damaligen Zeitpunkt strebte die Bundesregierung Deutschland an, ihre energiebedingten CO2-Emissionen bis zum Jahre 2005 um 25%-30% bezogen auf das Jahr 1987 reduzieren zu wollen, vgl. Umwelt, Information des Bundesministers für Umwelt-, Naturschutz und Reaktorsicherheit 1992, S. 464. 299  Siehe hierzu die Dokumentation auf der Website des Bundesumweltministeriums, abrufbar unter http://www.bmu.de/klimaschutz/internationale_klimapolitik/1-10_klimakonferenz/doc/36721. php (zuletzt besucht am 11. Juli 2019). 293

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bekämpfen zu wollen.300 So haben sich etwa im Jahre 2008 die führenden Wirtschaftsnationen der Welt (G8-Staaten) darauf verständigt, die globalen Treibhausgase bis zum Jahre 2050 um mindestens 50 Prozent zu reduzieren.301 Allerdings gilt es als riskant, zum Beleg für eine „allgemeine Übung“ bloß Verbalpraxis heranzuziehen, wenn Völkergewohnheitsrecht auch effektiv sein soll.302 Zwar kann nicht ohne konkrete Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass Staaten nicht wirklich meinen, was sie sagen.303 Dennoch legt eine realistische Betrachtungsweise nahe, dass Staaten in ihren internationalen Beziehungen gelegentlich Anlass haben, ihre jeweiligen Stellungnahmen oder Absichtserklärungen aus rein taktischen Gründen abzugeben.304 Generell wird eine bestimmte Rechtserzeugung umso besser durch Staatenpraxis dokumentiert, je kostenintensiver die jeweilige Handlung ist, in der sie zum Ausdruck kommt.305 Anders als bei völkervertraglichen Verpflichtungen, deren Verletzung hohe Schadensersatzzahlungen nach sich ziehen können, bleibt es allerdings ohne finanzielle Folgen, wenn ein Staat zunächst verbal z. B. die Absicht erklärt, seine CO2-Emissionen zu reduzieren und dieser bloßen Absichtserklärung anschließend keine Taten folgen lässt. Bloße Verbalakte verursachen keine „Transaktionskosten“ und sollten daher nur mit Zurückhaltung als Beleg für eine Staatenpraxis herangezogen werden. Qualifiziert man bloße ­Verbalakte als Staatenpraxis, besteht zudem die Gefahr, ein und dasselbe Verhalten doppelt zu verwerten, einmal als opinio iuris und ein zweites Mal als Staatenpraxis.306 Deshalb wird zu Recht in der Literatur betont, dass Taten eine deutlichere Sprache sprechen als Worte, bloße Absichtserklärungen nicht mit einer Verhaltensände In Erfüllung einer Vereinbarung des Weltklimagipfels von Kopenhagen hat eine Gruppe von 55 Staaten – darunter die Haupt-CO2-Emittenten China, Indien und die USA – im Jahre 2010 ihre konkreten Ziele zur weltweiten Reduktion von CO2-Emissionen vorgelegt, vgl. Focus vom 2. Februar 2010 – „Staaten nennen ihre Klimaschutzziele“, S. 22. 301  Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11. Juli 2008 – „G8-Staaten wollen Treibhausgase – vielleicht – halbieren“, S. 3; Spiegel v. 26. Mai 2008 – „G8-Umweltminister wollen Treibhausgase bis 2050 halbieren“, S. 10. 302  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 480. 303  Bothe, 8 YIHL (2005), S. 143 (156): „The argument that actual physical behaviour counts more than words is flawed, in a way, it implies that states do not really mean what they say, in the view of this reviewer, this should not be lightly be assumed“. 304  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 480. 305  Guzman, 27 Mich JIL (2005), S. 115 (126, 151, 155); Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 480. 306  Simma/Alston, 12 AYIL (1992), S. 82 ff. (96); Mendelson, 272 RdC (1998), S. 155 (206, 381); Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 495: „Es wird daher jedenfalls situationsabhängig sein, ob eine Erklärung als Praxis gelten kann. In der Regel wird sie gegen eine tatsächliche Praxis getestet werden müssen und ist eine schlichte Doppelverwertung einer Stellungnahme zugleich als Praxis und Ausdruck der Rechtsüberzeugung zu vermeiden“. Siehe neuerdings Friedrich, International Environmental „soft law“, S. 150 f.: „In particular ifo ne accepts that acts of states in international organisations such as voting on nonbinding instrumenmts may possibly reflect an emerging opinio iuris, care must be taken to uphold the requirement of state practice in order not to erode the concept of customary law and thus authority of international law. Otherwise one would also ‚count the articulation of a rule twice‘, namely both as opinio iuris and state practice“. 300

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rung gleichgesetzt werden können und stets mit tatsächlicher Staatenpraxis abgeglichen werden müssen.307 In den Worten von Dupuy: „The problem lies, as elsewhere, with the discrepancy that more often than not remains between what states say and what they actually do“.308

Aus dem jährlich erscheinenden Klimaschutzindex von Germanwatch309 und dem Climate Action Network Europe (CAN Europe)310 für das Jahr 2019 ergibt sich, dass zwischen den politischen Absichtserklärungen der Staaten und ihrer „tatsächlichen Staatenpraxis“ eine große Lücke klafft. Die CO2-Emissionen haben inzwischen weltweit wieder deutlich zugenommen und hatten bereits im Jahr 2014 einen „neuen globalen Emissionsrekord“311 erreicht. Obwohl es Fortschritte einzelner Staaten gibt, wird auch für das Jahr 2019 prognostiziert, dass die meisten Industrieländer ihre CO2-Reduktionsverpflichtungen nicht einmal annähernd erfüllen werde: „Kein Land erbringt seinen erforderlichen Beitrag, um die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C, geschweige denn 1,5 °C zu begrenzen“.312 Demnach bestehen die zahlreichen Verbalakte der Staaten in Form von Absichtserklärungen zum Klimaschutz nicht den „Praxistest“ und können keine konsistente Staatenpraxis begründen. Ebensowenig ergibt sich aus der Summe einzelstaatlicher Gesetzgebungsakte zur Erfüllung der Emissionsreduktionsziele aus der Klimarahmenkonvention und dem Kyoto-Protokoll eine konsistente Staatenpraxis zum Klimawandel als common concern of humankind. Wie der Gerichtshof in seinem Arrest Warrant-Urteil aus dem Jahr 2002 klargestellt hat, fallen nationale Rechtssetzungsakte mit internationaler Bedeutung ebenfalls unter den Begriff der Staatenpraxis im Sinne von Art. 38

 Friedrich, International Environmental „soft law“, S. 150: „In other words, voting and debating cannot be equated with actual change in behavior, and thus they alone cannot fulfill the requirement of state practice“. Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 495: „Es wird daher jedenfalls situationsabhängig sein, ob eine Erklärung als Praxis gelten kann. In der Regel wird sie gegen eine tatsächliche Praxis getestet werden müssen“. 308  P.-M. Dupuy, in: Brunnée/Bodansky/Hey (Hrsg.), Oxford Handbook of International Environmental Law, S. 449 ff. (459). 309  Die „Germanwatch Nord-Süd-Initiative e.V.“ (gegründet 1991) ist ein gemeinnütziger Verein, der sich nach eigenen Angaben für eine sozial gerechte, ökologisch verträgliche und ökonomisch tragfähige globale Entwicklung sowie für „Nord-Süd-Gerechtigkeit“ und den Erhalt der Lebensgrundlagen einsetzt. 310  Das „Climate Action Network“ (CAN) ist ein Dachverband, bestehend aus 450 umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen, der das Ziel verfolgt, den anthropogenen Klimawandel auf ein ökologisch vertretbares Maß zu reduzieren. CAN handelt vorwiegend zur Umsetzung der Klimarahmenkonvention und engagiert sich für den Schutz der Atmosphäre bei gleichzeitiger Wahrung einer weltweit nachhaltigen und gerechten Entwicklung. 311  Der Klimaschutz-Index – Ergebnisse 2014, Germanwatch/CAN Europe (Hrsg.), Zusammfassung, S. 1–7, abrufbar als pdf unter https://germanwatch.org/sites/germanwatch.org/files/publication/8602.pdf (zuletzt besucht am 21. Juli 2019), S. 2. 312  Der Klimaschutz-Index – Ergebnisse 2019, Germanwatch/CAN Europe (Hrsg.), Zusammfassung, S.  1–10, abrufbar als pdf unter https://germanwatch.org/sites/germanwatch.org/files/ KSI-2019-Zusammenfassung.pdf (zuletzt besucht am 21. Juli 2019), S. 4. 307

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Abs. 1 lit. b) IGH-Statut.313 Wie der Klimaschutzindex 2019 von Germanwatch314 und dem Climate Action Network Europe (CAN Europe)315 belegt, haben zwar einige Staaten in der einen oder anderen Form – meist durch Gesetze zur Förderung erneuerbarer Energien316 – Anstrengungen unternommen, um die ehrgeizigen Emissionsreduktionsziele zur Bekämpfung des globalen Klimawandels zu erfüllen.317 Doch sind diese gesetzgeberischen Bemühungen in der Gesamtschau jährlich starken Schwankungen unterworfen. Der Gerichtshof hat mehrfach betont, dass die in Verträgen (oder UN-Resolutionen) zum Ausdruck gebrachte Rechtsüberzeugung durch die Staatenpraxis, insbesondere auch der Nichtvertragsstaaten konsistent bestätigt werden muss.318 Ein Vergleich zwischen den einzelstaatlichen Klimaschutzmaßnahmen offenbart zu viele Unsicherheiten und Widersprüche, zu viel ­Fluktuation und Diskrepanzen, sodass keine konstante, konsistente und hinreichend einheitliche Staatenpraxis erkennbar wird.319 Schließlich fehlt es insbesondere an einer „nahezu einheitlichen“ Staatenpraxis von einer hinreichenden „Dichte“.320 Wie der Gerichtshof bereits im Nordsee-­ Festlandsockel-­Urteil klargestellt hat, muss die Beteiligung an der Praxis weit ver-

 Case concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, ICJ Reports 2002, S. 21: „The Court has carefully examined State practice, including national legislation and those few decisions of national higher courts, such as the House of Lords or the French Court of Cassation.“ Siehe dazu auch Bos, A Methodology of International Law, S. 235; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 215 Rn. 6. 314  Die „Germanwatch Nord-Süd-Initiative e.V.“ (gegründet 1991) ist ein gemeinnütziger Verein, der sich nach eigenen Angaben für eine sozial gerechte, ökologisch verträgliche und ökonomisch tragfähige globale Entwicklung sowie für „Nord-Süd-Gerechtigkeit“ und den Erhalt der Lebensgrundlagen einsetzt. 315  Das „Climate Action Network“ (CAN) ist ein Dachverband, bestehend aus 450 umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen, der das Ziel verfolgt, den anthropogenen Klimawandel auf ein ökologisch vertretbares Maß zu reduzieren. CAN handelt vorwiegend zur Umsetzung der Klimarahmenkonvention und engagiert sich für den Schutz der Atmosphäre bei gleichzeitiger Wahrung einer weltweit nachhaltigen und gerechten Entwicklung. 316  Siehe z. B. das deutsche „Erneuerbare Energien Gesetz“, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien sowie zur Änderung des Energiewirtschafts- und des Mineralölsteuergesetzes v. 29. März 2000, BGBl. I S. 305, zuletzt geändert durch Gesetz v. 23. Juli 2002, BGBl. I S. 2778. 317  Der Klimaschutz-Index – Ergebnisse 2019, Germanwatch/CAN Europe (Hrsg.), Zusammfassung, S.  1–10, abrufbar als pdf unter https://germanwatch.org/sites/germanwatch.org/files/ KSI-2019-Zusammenfassung.pdf (zuletzt besucht am 21. Juli 2019), S. 4. 318  North Sea Continental Shelf Case, ICJ Reports 1969, S. 3 (41 ff.). 319  Zur durchaus umstrittenen und praxisrelevanten Frage, ob und inwieweit die CO2-Reduktionsquoten des Kyoto-Protokolls mittlerweile gewohnheitsrechtlich gelten siehe Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 246 ff., der dies – recht überzeugend – mit dem Hinweis darauf ablehnt, dass die Reduktionspflichten derartig asymmetrisch bzw. geradezu willkürlich verteilt seien und zudem ausschließlich aus dem politischen Verhandlungsgeschick der jeweiligen Nationalstaaten resultieren würden, dass sie keine handhabbaren Maßstäbe enthalten würden, anhand derer sie auf Nicht-Vertragsstaaten übertragbar seien. 320  Dieser Ausdruck stammt von Waldock, General Course on Public International Law, 106 Collected Courses (1962), S. 1 (44). Siehe ferner ILA Report, Formation of Customary International Law (London, 2000), S. 20 ff. 313

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breitet und repräsentativ sein und insbesondere die Staaten einschließen, deren Interessen in besonderer Weise berührt sind.321 In den Verhandlungen zur Klimarahmenkonvention und zum Kyoto-Protokoll hatten alle Industrieländer trotz ihrer Bereitschaft zum Klimaschutz ein besonderes Interesse daran, infolge der vereinbarten CO2-Reduktionsverpflichtungen ihren wirtschaftschaftlichen Fortschritt nicht zu gefährden.322 Als Industrieland mit den höchsten CO2-Emissionen haben insbesondere die USA derartige volkswirtschaftliche Interessen, die durch eine ­Anerkennung des Klimawandels als common concern und die Vereinbarung von konkreten CO2-Reduktionsverpflichtungen „in besonderer Weise berührt“ sind. Hinzu kommt, dass ohne die Einbeziehung der USA (und der Volksrepublik China) eine wirksame Bekämpfung des Klimawandels nicht möglich sein wird. Wendet man das vom IGH aufgestellte Kriterium der „Repräsentativität“ an, so müssten die Vereinigten Staaten als Industrieland mit den höchsten CO2-Emissionen und Hauptakteur ebenfalls an der Staatenpraxis einer Bekämpfung des Klimawandels als common concern of humankind beteiligt sein, damit ein entsprechendes Gewohnheitsrecht entstehen kann. Das Gegenteil ist aber der Fall: Die USA haben bis heute nicht das Kyoto-Protokoll ratifiziert und bislang keine nennenswerten Maßnahmen zur CO2-Reduktion ergriffen. Solange entscheidende Hauptakteure der Weltpolitik nicht an der Staatenpraxis beteiligt sind, kann eine Norm nicht zu Gewohnheitsrecht erstarken.323 Auch im Hinblick auf den Schutz der globalen Biodiversität ist das common concern of humankind-Prinzip bislang nicht zu Gewohnheitsrecht erstarkt. Zwar ließe sich eine entsprechende Rechtsüberzeugung womöglich noch bejahen. Als 155 Staaten im Jahre 1994 mit Verabschiedung der Biodiversitätskonvention den common concern-Rechtssatz auf den Artenschutz übertrugen, indem sie ihn wörtlich in der Präambel niederlegten,324 dürften sie in klassischer Weise seine gewohnheitsrechtliche Geltung auch für die Erhaltung der Biodiversität anerkannt haben.325 Allerdings fehlt es auch hier an einer konsistenten Staatenpraxis. Zwar haben mittlerweile 193 Vertragsstaaten in zahllosen internationalen Gremien und auf verschiedenen Vertragsstaatenkonferenzen – zuletzt im Jahre 2010 in Nagoya – wiederholt und einhellig deutlich gemacht, dass der globale Artenschutz ein Anliegen der gesamten Menschheit ist. Allerdings haben die USA als wichtiger Akteur die Biodiversitätskonvention bis heute nicht ratifiziert. Zum Nachweis einer Staatenpraxis bloß Verbal North Sea Continental Shelf Case, ICJ Reports 1969, S. 3 (43).  ILA Report, Formation of Customary International Law (London, 2000), S. 26: „The criterion of representativeness has in fact a dual aspect – negative and positive. The positive aspect is that, if all major interests ( ) are represented, it is not essential for a majority of States to have participated. The negative aspect is that if important actors do not accept the practice, it cannot mature into a rule of general customary law“. 323  ILA Report, Formation of Customary International Law (London, 2000), S. 26. 324  UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 3 der Präambel. 325  Ebenso Durner, Common Goods, S. 49. Siehe zur Funktion der Präambel als Beleg für eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung durch die Staatenpraxis die Ausführungen von Mbengue, „Preamble“, in: MPEPIL online (2006), abrufbar unter: www.mpepil.com. 321 322

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

praxis heranzuziehen, erscheint unter Effektivitätsgesichtspunkten problematisch.326 Schließlich dürfte es insbesondere an einer „nahezu einheitlichen“, konsistenten tatsächlichen Staatenpraxis fehlen. Nur wenige Staaten haben bislang gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen, die auf eine Rezeption und Umsetzung der Biodiversitätskonvention und seiner Zusatzprotokolle hinauslaufen.327 Die meisten Staaten haben bis heute noch keine nationale Strategie zum Schutz der Biodiversität vorgelegt, obwohl die Biodiversitätskonvention bereits im Jahr 1993 in Kraft getreten ist. Zwar hat im Jahr 2010 mit Australien erstmals ein Staat die in dieser Arbeit dargelegte erga omnes (partes)-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips in Bezug auf die Biodiversitätskonvention geltend gemacht und einen anderen Staat (Japan) wegen exzessiven Walfangs in der Antarktis vor dem Internationalen Gerichtshof auf Unterlassung verklagt.328 In seiner Klageschrift führte Australien als „unverletzter“ Staat zur Begründung zunächst aus, Japan habe mit seinem exzessiven Walfang seine erga omnes (partes)-Verpflichtungen aus der Biodiversitätskonvention verletzt.329 Allerdings handelt es sich hierbei bisher um einen Einzelfall und Australien verfolgte diese Argumentation in seiner endgültigen Klageschrift nicht mehr weiter. Auch ging der Gerichtshof in seinem bereits erwähnten Urteil vom 31. März 2014 auf die geltend gemachten Verletzungen der Biodiversitätskonvention – ohne Begründung – nicht mehr ein. In jedem Fall fehlt es bislang an einer hinreichend konsistenten Staatenpraxis im Hinblick auf das common concern of humankind-­Prinzip. ee) Zwischenergebnis Vor diesem Hintergrund lässt sich abschließend festhalten, dass der common concern of humankind-Rechtssatz bislang sowohl im Hinblick auf den Klimaschutz als auch auf die Erhaltung der Biodiversität bloß völkervertraglich verankert, aber noch nicht Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts geworden ist.330 Das common concern of humankind ist daher bislang nur ein Prinzip des Völkervertragsrechts und kein universell gültiges Prinzip.  Zu diesen Bedenken siehe weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIII. 4.  Bislang haben nur Südafrika und die Staaten der Andengemeinschaft (Comunidad Andina de Naciones – CAN – Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Peru) gesetzgeberische Umsetzungsversuche unternommen, siehe dazu Schweizer, Zugangs- und Teilhaberegelungen der Biodiversitätskonvention, S. 224 ff. Eine Übersicht über die relevanten einzelstaatlichen gesetzgeberischen Maßnahmen findet sich unter www.cbc.int/convention/national (zuletzt besucht am 30.05.2019). 328  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Application Instituting Proceedings of 31 May 2010, abrufbar unter abrufbar unter https://www.icj-cij.org/en/case/148/institution-proceedings (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2019). 329  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan: New Zealand intervening), Application Instituting Proceedings (2010), Z. 38 f., abrufbar unter https://www.icj-cij.org/en/case/148/institution-proceedings (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2019). 330  Zu einer gewohnheitsrechtlichen Geltung des common concern of humankind gelangt Durner, Common Goods, S. 273, freilich ohne eine nähere Begründung für dieses Ergebnis zu liefeRn. 326 327

4. Die Prinzipienqualität des common concern of humankind

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b) Hoher Generalitätsgrad des common concern Bereits der Wortlaut des common concern of humankind deutet darauf hin, dass dieser Begriff eine sehr allgemeine völkerrechtliche Problematik betrifft, wenngleich er für sich genommen nicht eindeutig und ausschließlich für eine Einordnung als Prinzip spricht. Allerdings legt der Blick auf die sprachliche Form des CCM-­ Begriffs und seine bisherige Verwendung in der Vertragspraxis dessen vergleichsweise hohen Generalitätsgrad nahe. Bei unbefangener Betrachtung kann sich die Formulierung einer „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ auf sämtliche Probleme der internationalen Staatengemeinschaft beziehen. Zugleich lässt sich an der bisherigen Verwendung des common concern-Begriffs in der Praxis des Umweltvölkerrechts ablesen, dass er als verallgemeinerter Rechtssatz im Rahmen mehrerer völkerrechtlicher Instrumente auf verschiedene besonders gravierende Umweltprobleme Anwendung finden kann. So wurde das common concern of humankind-Prinzip bislang zum Schutz des Weltklimas in der Klimarahmenkonvention verankert und zum Schutz der Biodiversität in der Biodiversitätskonvention niedergelegt.331 Darüber hinaus wurde seine Verankerung in völkerrechtlichen Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung sowie zum Waldschutz diskutiert.332 Außerdem wird gelegentlich spekuliert, das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht aus dem Jahre 1985333 würde – käme es heutzutage zustande – den Schutz der Ozonschicht ebenfalls zum common concern of humankind erklären.334 Unterblieben sei dies im Jahre 1985 lediglich deshalb, weil das CCM-Prinzip damals schlichtweg noch nicht existiert habe.335 Untermauert werde diese Annahme von dem Umstand, dass die UN-Generalversammlung in der Präambel ihrer Resolution 43/53 ausdrücklich auf die Gefahren der voranschreitenden Ozonschichtzerstörung Bezug genommen habe, als sie in derselben Präambel den Rechtsbegriff des common concern of (hu)mankind geschaffen habe.336 Neuerdings wird etwa in zumeist rechtspolitischen Vorstößen vorgeschlagen, die Bekämpfung von Waldbränden337 oder die Verhinderung des Meeresspiegelanstiegs338 zum common concern zu  Siehe die Ausführungen zur (rechts-)geschichtlichen Entwicklung des Begriffs common concern weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. und 2. 332  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 3. 333  Vienna Convention for the Protection of the Ozone Layer, In Kraft getreten am 22. September 1988; UNTS Bd. 1513, S. 293; BGBl. 1988 II, S. 902. 334  So Brunnée, Conceptual Framework, S. 57 Fn. 98; siehe auch Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164). 335  So Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164). 336  UNGA-Resolution 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326; vgl. zum Zusammenhang zwischen der Erklärung des Klimawandels zum common concern und der Bezugnahme auf die Ozonschichtzerstörung in ein und derselben Resolution die Ausführungen von Biermann, Common Concerns of Humankind and National Sovereignty, S. 158 (164). 337  Beitz, 95 American Political Science Review (2001), S. 269 (269). 338  Malé Declaration on Global Warming and Sea Level Rise, 18 November 1989, u. a. abgedruckt 331

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erklären. Schließlich wird der Terminus common concern sogar außerhalb des Umweltschutzkontextes in Anspruch genommen, wenn dafür plädiert wird, den Schutz der Menschenrechte als common international concern besonders hervorzuheben.339 Entscheidende Bedeutung für die Frage nach der Prinzipienqualität des common concern-Ansatzes kommt schließlich seiner Verankerung in den verbindlichen Völkerrechtsdokumenten der Klimarahmenkonvention sowie der Biodiversitätskonvention zu, wo er verbindliche und einheitliche Rechtsfolgen aufweist.340 Aus alledem ergibt sich, dass der Rechtssatz des common concern of humankind ein hinreichend hohes Abstraktionsniveau aufweist, um als ein allgemeines Prinzip im Umweltvölkerrecht fungieren zu können.

c ) CCM als Optimierungsgebot mit relativer Geltung und Rahmensetzungsfunktion/Dimension des Gewichts und der Wichtigkeit Schließlich zeigt ein Blick auf die Ausgestaltung des common concern-­Rechtssatzes in seinen bisherigen Anwendungsfällen, dass er ein Optimierungsgebot mit relativer Geltung in sich trägt. Es setzt einen ausfüllungsbedürftigen Rahmen mit Leitlinien zur Entwicklung spezifischer Regelungsinstrumente, die durch nachfolgende Protokolle schrittweise konkretisiert und präzisiert werden können. Zwar lässt sich am vieldeutigen Wortlaut des common concern of humankind seine „Prinzipienstruktur“ noch nicht ablesen, doch ergibt er sich bei systematischer Betrachtung bereitsl aus dem Umstand, dass der Schlüsselbegriff des common concern of humankind bislang nie im operativen Teil, sondern ausschließlich in Präambeln völkerrechtlicher Übereinkommen niedergelegt worden ist. Also dort, wo sich nach Art. 31 Abs. 2 WVK üblicherweise die Zwecke und grundlegenden Prinzipien des jeweiligen völkerrechtlichen Vertrages finden.341 Eigenständige Verpflichtungen der Vertragsstaaten mit definitiven Rechtsfolgen vermag der common concern-­Begriff ­daher nicht zu begründen, zumal er keine Konditionalstruktur mit Tatbestand und Rechtsfolge („wenn-dann“) aufweist. Vielmehr ist der common concern-­Rechtssatz kraft seiner hervorgehobenen Stellung als „Fixstern“ an der Spitze der jeweiligen Präambeln gemäß Art. 31 Abs. 1 WVK als Leitlinie für den nachfolgenden Vertragstext heranzuziehen.342 Die konkreten Umweltschutzpflichten in den operativen Vertragsin: 5 Am. U.J. Int’l L. & Pol’y (1990), S. 602, in deren Präambel es heißt, dass „climate change, global warming and sea level rise … have become a common concern of mankind“. 339  Diesen Vorschlag unterbreitet etwa Robinson, 18 Pace Environmental Law Review (2001), S. 459 (460). 340  Siehe weiter oben, Dritter Teil, Kap.  IX. 1. und 2. sowie etwas weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIV. und XV. 341  So auch bereits Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (497). Siehe dazu ferner grundlegend Haraszti, Some Fundamental Problems of the Law of Treaties, S. 106 f. 342  Vienna Convention on the Law of Treaties, 23. Mai 1969, abgedruckt in: 8 ILM (1969), S. 691– 692: „A treaty shall be interpreted in good faith in accordance with the ordinary meaning to be given to the terms of the treaty in their context, and in the light of their object and purpose.“

4. Die Prinzipienqualität des common concern of humankind

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teilen sind daher im Lichte des CCM-Prinzips auszulegen. In diesem Sinne lässt sich der common concern-Begriff als Leitprinzip qualifizieren, das in den Vertragstexten der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention selbst enthalten ist, eine Orientierungsfunktion für das Verhalten der Vertragsparteien, für die Auslegung des Vertragstextes und für dessen weitere Konkretisierung durch Protokolle ausübt.343 Überdies lässt sich am systematischen Zusammenhang, in welchem der common concern of humankind-Satz sowohl in der Klimarahmen- als auch in der Biodiversitätskonvention steht, seine relative Geltung als Optimierungsgebot ablesen. In beiden Konventionen haben die Vertragsstaaten ausdrücklich klargestellt, dass ihre nationale Souveränität über natürliche Ressourcen im Grundsatz weiterhin fortbesteht.344 Hieran lässt sich erkennen, dass der CCM-Rechtssatz – etwa im Unterschied zum common heritage-Statusprinzip345 – keine Exklusivität beansprucht. Er erlaubt vielmehr, dass außer ihm im Hinblick auf ein und dasselbe globale U ­ mweltproblem andere Prinzipien zur Anwendung gelangen. Somit kommen in Bezug auf die Bekämpfung des Klimawandels und die Erhaltung der Biodiversität die gegenläufigen Prinzipien der territorialen Souveränität und des common concern of humankind zur Anwendung. Völkerrechtstheoretisch ist diese Prinzipienkollision in einem Abwägungsvorgang aufzulösen. Dabei ist zwischen beiden Prinzipien im Wege praktischer Kon­ kordanz ein möglichst schonender Ausgleich anzustreben, damit beide in den gegenläufigen Prinzipien enthaltenen Optimierungsgebote möglichst weitgehend verwirklicht werden.346 In der Praxis des Völkerrechts ist dies mit Blick auf den common concern-Rechtssatz letztlich dadurch geschehen, dass die Vertragsstaaten sich in den operativen Vertragsteilen der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention verbindlich zu bestimmten Verhaltensweisen verpflichtet haben. Soweit sie sich nicht völkerrechtlich gebunden haben, bleibt ihre Souveränität nach den Grundsätzen der Lotus-Rechtsprechung des IGH unangetastet.347 In dieser grundsätzlichen Einschränkbarkeit und Abwägbarkeit des common concern of humankind zeigt sich seine Prinzipienstruktur. Damit weist der CCM-Rechtssatz ein „Kollisionsverhalten“ auf, das für ein allgemeines Prinzip charakteristisch ist: Infolge seiner Kollision mit dem Prinzip der nationalen Souveränität über natürliche Ressourcen kann das im common concern of humankind enthaltene Optimierungsgebot, Klimastabilität und Biodiversität im Interesse der  Siehe dazu ausführlicher Vierter Teil, Kap. XIII. 5. Siehe zum Begriff des Leitprinzips die Ausführungen von Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S.  671; von Bogdandy, 9 GLJ (2008), S.  1909 (1910  ff.) sowie Koskenniemi, 18 Oikeustiede-Jurisprudentia (1985), S.  120 (129 ff.). 344  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 8 der Präambel: „Recalling also that States have, in accordance with the Charter of the United Nations and the principles of international law, the sovereign right to exploit their own resources pursuant to their own environmental and developmental policies, (…)“; UN Convention on Biological Diversity (Nairobi 1992), 31 ILM 1992, S. 818 ff., Abs. 4 der Präambel: „Reaffirming also that States have sovereign rights over their own biological resources, (…).“ 345  Siehe zu dieser Abgrenzung die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XII. 2. a) und f). 346  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 1. a) bb). 347  PCIJ Rep. Ser. A, Nr. 9, S. 18. Siehe zu diesem legendären Schiedsspruch weiter unten, Vierter Teil, Kap. XI. 3. c) bb) (2) und Vierter Teil, Kap. XI. 4. 343

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gegenwärtigen und zukünftigen Menschheitsgenerationen zu bewahren, schwerlich vollständig erfüllt werden. Vielmehr vermag das von ihm angestrebte „ideale Sollen“ nur in unterschiedlichem Ausmaß, das heißt mehr oder weniger umfassend, verwirklicht zu werden. Das common concern-Prinzip ist somit nicht absolut im Wege eines „Alles-­oder-­Nichts“-Verfahrens anwendbar, sondern kann auch teilweise erfüllt werden, sodass ihm eine Dimension des Gewichts innewohnt und es somit relative Geltung hat.348 Damit weist die Normstruktur des CCM-Rechtssatzes jene Qualitätsmerkmale auf, die für ein allgemeines Prinzip charakteristisch sind. Berücksichtigt man, dass die Vertragsstaaten der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention mit der Verankerung der common concern-Terminologie ein Interesse der Staatengemeinschaft an der Bewahrung der Menschheit vor besonders gravierenden globalen Umweltproblemen zum Ausdruck gebracht haben,349 weist der CCM-Grundsatz bei teleologischer Betrachtung eine „Dimension hoher Wichtigkeit“ auf. Infolge seines grundsätzlichen Charakters und hohen Verallgemeinerungspotenzials stellt das common concern of humankind-Prinzip einen ausfüllungsbedürftigen Rahmen mit Leitlinien zur Entwicklung spezifischer Regelungsinstrumente auf, die durch nachfolgende Protokolle schrittweise konkretisiert und präzisiert werden können. So wurde die Klimarahmenkonvention aus dem Jahre 1992350 zunächst im Jahre 1997 durch das Kyoto-Protokoll351 und zuletzt durch den Copenhagen Accord im Jahre 2009352 weiter ergänzt, präzisiert und konkretisiert. Somit dient der common concern of humankind-Ansatz als Paradebeispiel für die gewichtige Rolle von Prinzipien bei der Lösung globaler Umweltprobleme.

5. Die Rechtswirkungen des CCM als Leitprinzip Schließlich soll – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – skizziert werden, welche prinzipienspezifische Rechtswirkung das common concern of humankind als Leitprinzip innerhalb der Regelungsbereiche entfaltet, in denen es verankert wurde (a) und wie es auf andere Regime des fragmentierten Völkerrechts ausstrahlen kann (b). Dabei geht es hier zunächst nur um Rechtswirkungen, die das CCM – unabhängig von seiner erga omnes-Wirkung353 – gerade aufgrund seiner Prinzipienqualität entfaltet.

 Siehe zu diesen Kriterien bereits die Darstellung weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIII. 1.a) bb).  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. 350  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff. Siehe dazu weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. b). 351  Kyoto Protocol to the FCCC, ILM 37 (1998), S.  32  ff. Siehe dazu weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. c). 352  Copenhagen Accord, 49 ILM (2010), S. 210. Siehe dazu weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. d). 353  Zur erga omnes-Wirkung des CCM-Prinzips siehe Vierter Teil, Kap. XV. 348 349

5. Die Rechtswirkungen des CCM als Leitprinzip

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a ) Vertragsinterne Ausstrahlungswirkung des CCM bei der Auslegung vertraglicher Pflichten Infolge seiner Prinzipienqualität hat das in den Präambeln der Klimarahmen- und der Biodiversitätskonvention verankerte common concern of humankind-Prinzip eine Ausstrahlungswirkung auf sämtliche in beiden Konventionen und ihren Protokollen niedergelegten Verpflichtungen, die ihrerseits im Lichte des common concern of humankind-Prinzips auszulegen sind.354 Diese Ausstrahlungswirkung auf die Auslegung völkerrechtlicher Verträge im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. c) WVK ist im Gegensatz zu seiner Funktion als Ausdruck eines Staatengemeinschaftsinte­ resses keine hierarchiespezifische, sondern eine prinzipienspezifische Funktion des common concern of humankind.355 Über diese „prinzipienspezifische Ausstrahlungswirkung“ hinaus entfaltet der common concern of humankind-Grundsatz aufgrund seiner Eigenschaft als Staatengemeinschaftsnorm eine weitere, „hierarchiespezifische Ausstrahlungswirkung“, die aus seinem Zusammenhang mit dem erga omnes-Konzept der Staatenverantwortlichkeit folgt: Als Ausdruck eines Staatengemeinschaftsinteresses an der Bewahrung bestimmter Umweltgüter transformiert das common concern-Prinzip solche Pflichten, die diesem Staatengemeinschaftsinteresse zu dienen bestimmt sind, zu erga omnes-Verpflichtungen.356 Oder anders formuliert: Die vom common concern of humankind-Zweck erfassten Verpflichtungen sind „in seinem Lichte“ so auszulegen, dass sie gegenüber allen Mitgliedern der Staatengemeinschaft zu erfüllen sind. Hierbei handelt es sich allerdings um eine Rechtswirkung, die nicht aus der Prinzipienqualität des common concern of humankind, sondern aus seiner hierarchiespezifischen Eigenschaft als Staatengemeinschaftsnorm folgt.357 Als Prinzip strebt der common concern of humankind-Grundsatz im Rahmen der Auslegung der vertraglichen Pflichten aus Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention sowie aus ihren entsprechenden Protokollen und dem Pariser Abkommen auf seine optimale Verwirklichung, indem es mit seiner hohen Wichtigkeit deren Auslegung beeinflusst. Das Gewicht des common concern of humankind wirkt sich dort  – in den genannten Konventionen und Protokollen  – zugunsten derjenigen Rechte und/oder Pflichten aus, die seiner Verwirklichung dienen. Als Leitprinzip verteilt es „Begründungslasten im juristischen Diskurs“:358 Wer sich von ihm entfernt, gerät in die Position, sich rechtfertigen zu müssen.359 Dementsprechend sind –

 Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. d) [Fazit].  Siehe zur Unterscheidung von prinzipienspezifischer und hierarchiespezifischer Rechtswirkung im Zusammenhang mit dem ius cogens die Ausführungen von Jakab, 37 Rechtstheorie (2006), S. 49 ff. und Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 673. 356  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 3. 357  Siehe VierterTeil, Kap. XIV. 2. 358  So allgemein zur prinzipienspezifischen Wirkung von Leitprinzipien Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 679. 359  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 671f. 354 355

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

ähnlich der „Ausstrahlungswirkung von Grundrechten“ – Regeln, die dem Zweck des CCM-Prinzips dienen, grundsätzlich weit auszulegen; Regeln, die seinem Zweck zuwiderlaufen, sind grundsätzlich eng auszulegen. Diese „Ausstrahlungswirkung“ von Prinzipien auf die Auslegung von Regeln, die ihrem Zweck dienen oder zuwiderlaufen, hat der Gerichtshof jüngerer Zeit in seinem Whaling in the Antarctic-Urteil vom 31. März 2014 bestätigt.360 Im zugrunde liegenden Fall ging es im Kern um die Frage, ob Japan gegen die Regelungen der Walfangkonvention verstieß, indem es eigenen Staatsangehörigen eine Ausnahmegenehmigung zum Fangen und Erlegen von Walen in der Antarktis erteilte. Dieser Fall ist besonders geeignet, die prinzipienspezifische „Ausstrahlungswirkung“ des common concern of humankind zu illustrieren. Denn die Präambel der hier einschlägigen Walfangkonvention aus dem Jahre 1946 verkündet, die Vertragsstaaten würden ein „Interesse der Welt“ („interest of the world“) an der Bewahrung natürlicher Ressourcen am Beispiel der Walfischbestände anerkennen und es liege daher im „common interest“, so schnell wie möglich eine optimale Menge an Walfischbeständen zu sichern. Mithin stellt diese Erklärung einen frühen Vorläufer des common concern of humankind-­ Begriffs dar.361 Nach Art. VIII Abs. 1 der Walfangkonvention können ­Vertragsstaaten ihren Staatsangehörigen ausnahmsweise den Walfang genehmigen, wenn dies zu „wissenschaftlichen Zwecken“ geschieht.362 Eine zentrale Rechtsfrage des Falles bestand daher in der Auslegung von Art. VIII Abs. 1 der Walfangkonvention. Um ihre Auffassungen zu untermauern, betonten Japan und Australien jeweils mit unterschiedlichem Gewicht die „Bewahrung und nachhaltige Nutzung“ der Walfischbestände als Ziel und Zweck der Walfangkonvention, in dessen Licht Art. VIII auszulegen sei.363 Nachdem Japan zunächst argumentiert hatte, diese Vorschrift befinde sich „frei stehend“ außerhalb der Walfangkonvention und sei deshalb eigenständig und isoliert von den übrigen Vorschriften zu betrachten. Später räumte Japan ein, Art. VIII sei im Einklang mit den übrigen Vorschriften der Konvention auszulegen und anzuwenden, betonte jedoch nach wie vor ihren eigenständigen Ausnahmecharakter.364 Australien insistierte, Art. VIII sei im Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften der Konvention zu lesen, im Verhältnis zu denen sie eine limitierte Ausnahme statuiere. Die Vorschrift sei restriktiv auszulegen, weil sie den Walfang genehmige und somit als Ausnahme den Regeln zuwiderlaufe, die dem  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 55–58. 361  Dritter Teil, Kap. VII. 3. 362  Artikel VIII Abs. 1 Walfangkonvention lautet: „Notwithstanding anything contained in this Convention any Contracting Government may grant to any of its nationals a special permit authorizing that national to kill, take and treat whales for purposes of scientific research subject to such restrictions as to number and subject to such other conditions as the Contracting Government thinks fit, and the killing, taking, and treating of whales in accordance with this Article shall be exempt from the operation of this Convention.“ 363  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 57. 364  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 52. 360

5. Die Rechtswirkungen des CCM als Leitprinzip

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Bewahrungsgrundsatz der Konvention dienen würden.365 Neuseeland plädierte angesichts des Konventionszwecks ebenfalls für eine restriktive statt einer extensiven Interpretation von Art. VIII der Walfangkonvention.366 Japan entgegnete, die durch Art. VIII gewährte Autorität der Konventionsstaaten sei im Lichte der gewohnheitsrechtlich verankerten Fischereifreiheit zu interpretieren.367 Der Gerichtshof führte aus, die Vorschrift des Art.  VIII sei integraler Bestandteil der Walfangkonvention und sei daher grundsätzlich im Lichte ihrer Ziele und Zwecke sowie ihrer übrigen Vorschriften auszulegen. Allerdings gelangte der IGH zu dem Ergebnis, Art. VIII sei weder restriktiv noch extensiv auszulegen, da Forschungsprogramme generell weder dem Erhalt der Walfischbestände noch ihrer nachhaltigen Nutzung, sondern schlicht und ergreifend dem neutralen Zweck dienen würden, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen: „The Court notes that Article VIII is an integral part of the Convention. It therefore has to be interpreted in light of the object and purpose of the Convention and taking into account other provisions of the Convention (…)“.368 „The preamble (…) indicates that the Convention pursues the purpose of ensuring the conservation of all species of whales while allowing for their sustainable exploitation. Thus, the first preambular paragraph recognizes ‚the interest of the nations of the world in safeguarding for future generations the great natural resources represented by the whale stocks‘ (…) and adding in the fourth paragraph that ‚it is in the common interest to achieve the optimum level of whale stocks as rapidly as possible‘ “.369 „Taking into account the preamble and other relevant provisions of the Convention (…), the Court observes that neither a restrictive nor an expansive interpretation of Article VIII is justified. The Court notes that programmes of scientific research should foster scientific knowledge; they may pursue an aim other than either conservation or sustainable exploitation of whale stocks“.370

Damit bestätigt der IGH die prinzipielle „Ausstrahlungswirkung“ des Gruppeninteresses der Konventionsstaaten an dem Erhalt der Walfischbestände, auch wenn er sie in der Abwägung mit anderen, „wissenschaftlichen“ Zwecken im konkreten Fall letztlich verneinte. Deutlich wird an dieser Stelle zudem das komplexe Zusammenspiel von Prinzipien und Regeln und die weitere Rechtswirkung eines Prinzips als Abwägungsbelang, die auch für das CCM-Prinzip gilt: Geht es um die Auslegung einer Regel, die nicht dem Zweck des common concern of humankind  – Bekämpfung des ­Klimawandels und Bewahrung der Biodiversität – dient, sondern diesem Zweck zuwiderläuft, so kann hinter dieser Regel die Wertung eines anderen Prinzips stehen, mit dem das common concern of humankind-Prinzip mittelbar kollidiert. Steht bei einer solchen mittelbaren Normkollision die Wertung des CCM-Prinzips im Kon Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 53 und 57. 366  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 54. 367  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 57. 368  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 55. 369  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 56. 370  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 58. 365

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flikt mit der betreffenden Regel, so kann die Regel nicht einfach beiseite geschoben werden. Vielmehr hat dann dieRegel als konkretere Norm zunächst einmal Anwendungsvorrang vor dem CCM-Prinzip. Bei der Auslegung der dem CCM-Prinzip zuwiderlaufenden Regel kollidiert das hinter der Regel stehende Prinzip mit dem common concern of humankind-Prinzip und es ist eine Abwägung vorzunehmen, die sich auf die Auslegung der Regel auswirkt. Bei der Auslegung der vertraglichen Regel kann es also zu einem „Rückgriff auf die Prinzipienebene“ kommen, ohne dass unter Missachtung der Regeln eine allgemeine „Abwägung von Werten“ stattfinden würde.371 Im Rahmen einer solchen mittelbaren Normenkollision wirkt das common concern-Prinzip als Abwägungsbelang und gegebenenfalls auch als Rechtfertigungsgrund für eine etwaige Einschränkung der ihm zuwider laufenden Regel bzw. des dahinter stehenden Prinzips. Es gebietet als Optimierungsgebot, dass etwa der Klima- oder der Artenschutz „in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten möglichst hohem Maße realisiert“ werde.372 Abwägungsvorgänge sind als Wertungsentscheidungen nur begrenzt rationalisierbar373 und jede Auslegung und Abwägung, an der das common concern of humankind-Prinzip als Wert teilnimmt, kann – einzelfallabhängig – unterschiedlich ausgehen. Sowohl die vertragsinterne Ausstrahlungswirkung des common concern of humankind bei der Auslegung vertraglicher Vorschriften als auch seine Eigenschaft als Abwägungsbelang bei einer mittelbaren Kollision mit anderen Prinzipien lassen sich etwa anhand bestimmter Pflichten des Cartagena-Protokolls exemplarisch typisieren. So dienen etwa die Pflichten der Vertragsstaaten aus Artikel 6 (Allgemeine Maßnahmen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung) und Artikel 10 (Nachhaltige Nutzung von Bestandteilen der biologischen Vielfalt) dem Schutz der Biodiversität und sind daher im Zweifelsfall grundsätzlich restriktiv auszulegen. Zugleich enthalten beide Vorschriften souveränitätswahrende Klauseln („as far as possible an das appropriate“), die dem gegenläufigen Prinzip der nationalstaatlichen Souveränität über natürliche Ressourcen zu dienen bestimmt sind, mit denen das durch den CCM-Grundsatz artikulierte Staatengemeinschaftsinteresse kollidiert und als Abwägungsbelang zu berücksichtigen ist. Eine Ausstrahlungswirkung des common concern-Grundsatzes und seine Wirkung als Abwägungsbelang sind im Hinblick auf alle Pflichten aus Klimarahmenund Biodiversitätskonvention sowie ihren entsprechenden Protokollen denkbar, die der Bewahrung des Weltklimas und der Biodiversität dienen. Wie die Auslegungs- und Abwägungsvorgänge konkret ausgehen, ist allerdings vom Einzelfall abhängig. Schließlich entfaltet der common concern-Begriff als Leitprinzip, das in den Vertragstexten der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention sowie des Pariser Abkommens selbst enthalten ist, eine Orientierungsfunktion für deren weitere Konkretisierung durch Protokolle.374 Wie dies bereits im Rahmen des Kyoto-Protokolls und  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 672.  Alexy, Begriff des Rechtsprinzips, S. 79 ff. 373  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 667. 374  Siehe dazu ausführlicher Vierter Teil, Kap. XI. 5. Siehe zum Begriff des Leitprinzips die Ausführungen von Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 671; von Bogdandy, 9 GLJ (2008), S. 1909 (1910 ff.) sowie Koskenniemi, 18 Oikeustiede-Jurisprudentia (1985), S. 120 (129 ff.). 371 372

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des Cartagena- und Nagoya-Protokolls geschehen ist, schlägt sich der common concern of humankind-Gedanke einer Bewahrung des Weltklimas und der Biodiversität auch in den Präambeln und operativen Vorschriften der nachfolgenden Protokolle nieder und beeinflusst wiederum deren Auslegung.

b ) Vertragsexterne Ausstrahlungswirkung des CCM im fragmentierten Völkerrecht Das common concern of humankind-Prinzip kann infolge seiner Prinzipienqualität auch eine Ausstrahlungswirkung außerhalb seiner eigenen umweltvölkerrechtlichen Anwendungsbereiche entfalten, indem es in andere, externe Regime des fragmentierten Völkerrechts hineinstrahlt. Besonders interessant ist hierbei die prinzipienspezifische Rechtswirkung, die das CCM-Prinzip im Spannungsfeld zwischen internationalem Umweltschutz und internationalem Handel haben kann. Im Wesentlichen geht es um Konfliktlagen, die daraus entstehen, dass einzelne oder mehrere Staaten gegen Vorschriften des General Agreement on Tariffs and Trade 1994 (GATT 1994) verstoßen, indem sie sich völkervertraglich zu bestimmten Maßnahmen zum Schutz des Klimas oder der Biodiversität verpflichten oder zu diesem Zweck unilaterale Schutzmaßnahmen ergreifen, die den internationalen Handel beschränken. Diese Ausstrahlungswirkung des common concern of humankind lässt sich grundsätzlich auf andere Konstellationen und Teilbereiche des fragmentierten Völkerrechts entsprechend übertragen. a a) Ausstrahlungswirkung des CCM in externe Regime – insbesondere ins Welthandelsrecht Bereits der erste Spiegelstrich der Präambel öffnet das GATT 1994 für eine Ausstrahlungswirkung eines Staatengemeinschaftsinteresses am Schutz besonders wichtiger Umweltgüter. Dort stellen die Vertragsstaaten ausdrücklich klar, dass der freie Handel zugleich von dem Bestreben getragen ist, „den Schutz und Erhalt der Umwelt zu erreichen“. Während die Präambel zum GATT 1947 noch kein Wort über den Umweltschutz verlor, lässt sich nunmehr über die Präambel zum GATT 1994 das „externe“ common concern of humankind-Prinzip im Hinblick auf den globalen Klima- und Artenschutz – und in Zukunft gegebenenfalls auch in Bezug auf weitere globale Umweltgüter – in das GATT-Regime importieren. Die Berufungsinstanz im US – Shrimp/Turtle-Fall stellte ausdrücklich klar: „While Article XX [of the GATT] was not modified in the Uruguay Round, the preamble attached to the WTO Agreement shows that the signatories to that Agreement were, in 1994, fully aware of the importance and legitimacy of environmental protection as a goal of national and international policy. The preamble of the WTO Agreement – which informs not only the GATT 1994, but also the other covered agreements – explicitly acknowledges ,the objective of sustainable development‘ (…). From the perspective embodied in the preamble of the

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WTO Agreement, we note that the generic term ,natural resources‘ in Article XX (g) is not ‚static‘ in its content or reference but is rather ‚by definition, evolutionary‘ (…) As this preambular language reflects the intentions of negotiators of the WTO Agreement, we believe it must add colour, texture and shading to our interpretation of the agreements a­ nnexed to the WTO Agreement, in this case, the GATT 1994.“375 (Hervorhebungen vom Verfasser).

Die Vorschriften des GATT sind evolutiv376 „im Lichte gegenwärtiger Sorgen der Staatengemeinschaft im Hinblick auf den Schutz und den Erhalt der Umwelt auszulegen“: „(…) the GATT needs to be interpreted in light of contemporary concerns of the community of nations about the protection and conservation of the environment.“377

Auch innerhalb des GATT 1994 strebt der common concern of humankind-­ Grundsatz daher bei der Auslegung vertraglicher Rechte und Pflichten der GATT-Vertragsparteien auf seine optimale Verwirklichung hin, indem es mit seiner hohen Wichtigkeit deren Auslegung beeinflusst. Das Gewicht des common concern of humankind wirkt sich dort zugunsten derjenigen Rechte und/oder Pflichten aus, die seiner Verwirklichung dienen. Auf ähnliche Weise wie innerhalb der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention kann das common concern of humankind-­ Leitprinzip über seine Ausstrahlungswirkung nach Art.  31 Abs.  1, 2 und 3 lit. c) WVK und seine Wirkung als Abwägungsbelang die Auslegung und Anwendung des GATT-Regimes leiten und steuern.378  b) Das CCM-Leitprinzip als Auslegungs- und Abwägungsbelang im b Rahmen von Artikel XX GATT Durch die zentrale Öffnungsklausel des Art.  XX GATT 1994 können globale ­Umweltschutzbelange in das Welthandelsrecht einstrahlen. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, den Vertragsstaaten unter eng umgrenzten Voraussetzungen das  WTO AB United States – Import Prohition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/DS58/AB/R v. 12. Oktober 1998, Rn. 129–130, 153. Siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 676 f.; Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (485 ff.); Wiers, Trade and the Environment in the EC and WTO, S. 291 f.; Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 329; Brunnée, Global Climate Regime, S. 725; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S.  667; siehe außerdem ausführlich zu diesem Shrimps-Fall Oesch, „US Shrimp Case“, in: MPEPIL online (2013), Rn.  10, abrufbar unter: www.mpepil.com; siehe außerdem Mbengue, „Preamble“, in: MPEPIL online (2006), Rn. 4, abrufbar unter: www.mpepil.com. 376  Siehe zum Begriff der „evolutiven Auslegung“ im Völkerrecht im Lichte des Umweltvölkerrechts vor allem Greschek, evolutive Auslegung; Böth, Evolutive Auslegung völkerrechtlicher Verträge; siehe außerdem bereits Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 782. 377  WTO AB United States – Import Prohition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/DS58/AB/R v. 12. Oktober 1998, Rn. 129–130, 153. Siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 676 f.; Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (485 ff.); Wiers, Trade and the Environment in the EC and WTO, S. 291 f.; Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 329; Brunnée, Global Climate Regime, S. 725; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 677. 378  Siehe allgemein zur Ausstrahlungswirkung „externer“ Prinzipien im Welthandelsrecht Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 676 ff.; Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (488). 375

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Verfolgen bestimmter legitimer Interessen und Zielsetzungen ausnahmsweise zu erlauben, auch wenn dies Handelsbeschränkungen nach sich ziehen kann.379 Nach Art. XX lit. b) und g) GATT 1994 können handelsbeschränkende Maßnahmen – sofern auch die übrigen handelsrechtlichen Voraussetzungen für zulässige Handelsbeschränkungen vorliegen – ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn sie dem Schutz des Lebens oder der Umwelt dienen: „Subject to the requirement that such measures are not applied in a manner which would constitute a means of arbitrary or unjustifiable discrimination between countries where the same conditions prevail, or a disguised restriction on international trade, nothing in this Agreement shall be construed to prevent the adoption or enforcement by any contracting party of measures: (…) (b) necessary to protect human, animal or plant life or health; (…) (g) relating to the conservation of exhaustible natural resources if such measures are made effective in conjunction with restrictions on domestic production or consumption.“

Der common concern-Status des Weltklimas und der Biodiversität fließt mit seinem Gewicht in die Auslegung des GATT ein und kann so zu einem entscheidenden Auslegungs- und Abwägungsbelang bei der Rechtfertigungsprüfung nach Art. XX GATT 1994 werden.380 Sofern alle beteiligten Streitparteien auch zugleich Vertragsstaaten der Klimarahmen- bzw. Biodiversitätskonvention sein sollten, ist der CCM-Grundsatz nach Art.  31 Abs.  3 lit. c WVK als „zwischen den Parteien anwendbarer einschlägiger völkerrechtlicher Rechtssatz“ bei der Auslegung zu berücksichtigen. Ansonsten ist das CCM ohnehin nach Art.  31 Abs.  1 und 2 WVK iVm. der Präambel des GATT bei der Auslegung des GATT zu berücksichtigen. Aufgrund dieser Ausstrahlungswirkung des common concern of humankind-­ Prinzips können international vereinbarte Handelsbeschränkungen als erlaubt anzusehen sein, wenn sie dem Schutz eines Gegenstandes „gemeinsamer Sorge der Menschheit“ als einem legitimen öffentlichen Schutzinteresse dienen.381 Vor dem Hintergrund der US – Shrimp/Turtle-Rechtsprechung der Berufungsinstanz dürfte daher Art. XX GATT nicht statisch, sondern evolutiv im Lichte des common concern of humankind so auszulegen sein, dass Vereinbarungen und (zuvor vereinbarte) unilaterale Maßnahmen zum Schutz des Weltklimas in den Schutzbereich von Art. XX lit. b) GATT fallen. Zwar erwähnt diese Rechtfertigungsnorm nicht ausdrücklich den Begriff des „globalen Umweltschutzes“, sondern nur „Maßnahmen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen“. Gleichwohl dürften die in Art.  XX lit. b) GATT erwähnten Schutzgüter angesichts des durch das CCM-Prinzip artikulierte Staatengemeinschaftsinteresses der Menschheit umfassend in dem Sinne auszulegen sein, dass auch (nur) mittelbar den  ausdrücklich angeführten Rechtsgütern dienende Maßnahmen  – wie z.  B.

 Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (484 f.); Epiney, 115 DVBl. (2000), S. 77 (81).  Ähnlich Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 230; Durner, Common Goods, S. 271 f. 381  Durner, Common Goods, S. 271 f.; Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 230. 379 380

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h­andelsbeschränkende Regelungen zur Bekämpfung der globalen Klimaerwärmung  – vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst werden. Anderenfalls wären die Staaten von vornherein auf bestimmte, gegebenenfalls sogar ineffizientere Schutzmaßnahmen beschränkt und es könnte der hohen Bedeutung des Klimaschutzes als common concern of humankind nicht angemessen Geltung verschafft werden.382 Daneben dürften auch Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität in den Schutzbereich von Art. XX lit. b) und g) GATT fallen, wenngleich dessen Wortlaut dadurch etwas „gestreckt“ wird,383 da sie ersichtlich dem Schutz von Tieren oder Pflanzen dienen und die jeweiligen genetischen Ressourcen in den meisten Fällen zugleich erschöpfliche Naturschätze darstellen dürften. Dies gilt umso mehr, als die Berufungsinstanz in Shrimp/Turtle die Schutzgegenstände der Biodiversitätskonvention zur Auslegung des Begriffs „natural resources“ herangezogen und hervorgehoben hat, multilaterale Umweltschutzmaßnahmen nach der Biodiversitätskonvention seien, soweit wie möglich, unilateralen Maßnahmen vorzuziehen.384 Nach der WTO-Rechtsprechung stünde insbesondere einer Anwendung von Art. XX b) und g) GATT 1994 nicht entgegen, dass es sich gerade in den beiden bisherigen Anwendungsbereichen des common concern of humankind oft um Maßnahmen zum Schutz von Umweltgütern handeln dürfte, die sich außerhalb der Gesetzgebungshoheit desjenigen Staates befinden, der die Schutzmaßnahmen ergreift. In der Tat sind dem Wortlaut von Art. XX lit. b) und g) GATT 1994 keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die zu schützenden Rechtsgüter sich unbedingt innerhalb des Hoheitsgebiets des handelnden Nationalstaates befinden müssen.385 Ohnehin betreffen die räumlich vom common concern erfassten globalen Umweltbelastungen aufgrund der vielfältigen Wechselwirkungen und der Komplexität des ökologischen Systems die „Erde in ihrer Gesamtheit“ und damit zumindest potenziell alle Nationalstaaten.386 Ein „hinreichender Bezug“ zwischen dem zu schützenden Umweltgut (Weltklima/Biodiversität) und dem Hoheitsgebiet des betreffenden Staates ließe sich daher im Einzelfall darlegen.387 Auch der räumliche Anwendungsbereich von Art. XX lit. b) und g) GATT 1994 dürfte „im Lichte“ des im common concern of humankind artikulierten Staatengemeinschaftsinteresse an der Lösung besonders gravierender globaler Umweltbelastungen weit auszulegen sein. In der  Siehe allgemein für globale Umweltprobleme Epiney, 115 DVBl. (2000), S. 77 (81).  Stoll/Strack, in: Wolfrum/Stoll/Hestermeyer (Hrsg.), WTO-Trade in Goods, S. 521: „Therefore, a dynamic and environmentally friendly expansive interpretation of Art. XX lit. b is possible, although this approach would substantially stretch the existing language. It remains to be seen whether the whole range of environmental measures can become subsumed under one of the exceptions contained in Art. XX“. 384  WTO AB United States – Import Prohition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/DS58/AB/R v. 12. Oktober 1998, Rn. 166–171. Siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 678; Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (485); Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 329; Greschek, evolutive Auslegung, S. 195; Brunnée, Global Climate Regime, S. 725. 385  Epiney, 115 DVBl. (2000), S. 77 (81 f.). 386  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. a). 387  Greschek, evolutive Auslegung, S. 169; Epiney, 115 DVBl. (2000), S. 77 (81 f.). 382 383

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Tat hat bereits das Panel im zweiten Thunfischstreit klargestellt, dass die Staaten keinesfalls daran gehindert sind, im Rahmen von Art. XX b) und g) GATT 1994 Schutzmaßnahmen im Hinblick auf solche Schutzgüter zu ergreifen, die sich außerhalb ihres Staatsgebietes befinden.388 Insofern schließt sich der Kreis zum Beringsee-­ Robbenstreit als frühe Wurzel des common concern of humankind, in dem sich die Vereinigten Staaten darauf beriefen, im „gemeinsamen Interesse der Menschheit“ („common interest of mankind“)389 als „Treuhänder der gesamten Menschheit“ Maßnahmen zum Schutz der Seehunde auch dann ergreifen zu dürfen, wenn diese außerhalb der amerikanischen Drei-Seemeilen-Zone gejagt würden.390 Die US  – Shrimp/Turtle-Spruchpraxis hat nochmals bestätigt, dass auch extraterritoriale Umweltschutzmaßnahmen einzelner Staaten prinzipiell nach Art. XX GATT 1994 gerechtfertigt sein können.391 Bislang wurde zwar noch in keiner GATT-Streitigkeit der common concern of humankind-Grundsatz als Auslegungs- oder Abwägungsgesichtspunkt ausdrücklich geltend gemacht oder vom Schiedsgericht besonders hervorgehoben. Analysiert man indes die bisherigen Schiedssprüche der WTO-Streitbeilegungsinstanzen, so erscheint dies für die Zukunft durchaus denkbar, zumal ein Staatengemeinschaftsinteresse am globalen Umweltschutz in der Vergangenheit durchaus bereits eine entscheidende Rolle im Rahmen der WTO-Schiedsspruchpraxis zu Art. XX GATT gespielt hat. Bereits kurze Zeit nach dem Inkrafttreten des GATT 1994 hat der Appellate Body im Gasoline-Fall betont, die WTO „does not live in clinical isolation from public international law“.392 Bei der Auslegung und Anwendung von WTO-Vorschriften sei daher stets das völkerrechtliche Umfeld zu berücksichtigen.393 Allerdings lehnte es das Berufungsgericht ab, bei der Auslegung der einschlägigen GATT-Bestimmungen die damals bereits in multilateralen Übereinkommen artikulierten Umweltschutzbelange zu berücksichtigen, weil die Verträge „nicht von den Parteien des GATT geschlossen worden“394 seien. Während auch die Panels in beiden Thunfisch-Fällen noch – wie in allen vorangegangenen Fällen – die Rechtfertigungsnorm des Art. XX GATT eng ausgelegt und dem Prinzip des Freihandels den Vorrang gegenüber Umweltschutzbelangen eingeräumt hatten, vollzog das US – Shrimp/Turtle-Schiedsgericht in einem ähnlich gela-

 United States – Restrictions on Imports of Tuna, GATT-Dok. DS29/R, Rn. 5.20. Epiney, 115 DVBl. (2000), S. 77 (81 f.). 389  Pacific Fur Seal Arbitration, S. 811; siehe Dritter Teil, Kap. VII. 1. 390  Birnie/Boyle/Redgewell, Environment, S. 707. 391  United States  – Import Prohition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/ DS58/AB/R v. 12. Oktober 1998, Rn. 166–171. 392  United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline, WTO-Dok. WT/DS2/ AB/R (1996), Rn. 16. 393  United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline, WTO-Dok. WT/DS2/ AB/R (1996), Rn. 16 f. Siehe dazu auch Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 324; Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (488). 394  United States  – Restrictions on Imports of Tuna, GATT-Dok. DS29/R, Rn.  5.19. Siehe dazu Oesch, „US Shrimp Case“, in: MPEPIL online (2013), Rn. 10, abrufbar unter: www.mpepil.com; 388

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gerten Fall eine historische Kehrtwende:395 In der ersten ­WTO-­Grundsatzentscheidung zu dem komplexen Verhältnis zwischen internationalem Freihandel und globalem Umweltschutz, die als Beleg für ein „grünendes“ Welthandelsrecht gilt, stellte die Berufungsinstanz klar, dass die Freihandelsbestimmungen im Lichte des Umweltvölkerrechts auszulegen sind und unilaterale Maßnahmen eines Staates zum Schutz der Umwelt nicht per se gegen das GATT 1994 verstoßen.396 Anknüpfend an den Gasoline-Schiedsspruch seien die GATT-Vorschriften nicht isoliert auszulegen. Stattdessen sei stets die enge, in den meisten Fällen auch das „wechselseitig begünstigende“ (mutually beneficial) Verhältnis zwischen dem WTO-Regime und den übrigen multilateralen Verträgen zu berücksichtigen.397 Zwar nannte der Appellate Body nicht ausdrücklich Art. 31 WVK beim Namen. Dennoch zog er bei der Auslegung des Begriffs „exhaustable natural resources“ iSv. Art. XX lit. g) GATT 1994 letztlich Art.  5 Biodiversitätskonvention als „zwischen den Vertragsparteien anwendbaren einschlägigen Völkerrechtssatz“ (Art. 31 Abs. 3 lit. c WVK) bzw. als Anhaltspunkt für die „gewöhnliche Bedeutung“ (Art. 31 Abs. 1 WVK:“ordinary meaning“) heran.398 Daran knüpfte das Panel im Biotech Products-­Fall an und bestätigte zunächst, dass WTO-Normen grundsätzlich im Einklang mit anderen Normen des (fragmentierten) Völkerrechts auszulegen und anzuwenden seien.399 Auch bestehe ein inhaltlich enger Zusammenhang zwischen dem GATT und den einschlägigen Bestimmungen der Biodiversitätskonvention sowie des Cartagena-­ Protokolls, sodass eine integrierende Lesart der handelsrechtlichen Vorschriften im Lichte der Artenschutzbestimmungen angezeigt sei. Dennoch sei der Auslegungsmaßstab des Art. 31 Abs. 3 lit. c) WVK nicht anwendbar; denn diese Vorschrift verlange eine Berücksichtigung lediglich solcher völkerrechtlicher Normen, die in den Rechtsbeziehungen zwischen allen Parteien desjenigen Übereinkommens anwendbar seien, um dessen Auslegung es gehe.400 Erstens seien aber nicht alle WTO-Mitglieder zugleich Parteien der Biodiversitätskonvention und des Cartagena-Protokolls. Zweitens seien nicht alle Streitparteien des Biotech Products-­Schiedsverfahrens auch Parteien jener beiden völker-

 WTO AB United States – Import Prohition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/DS58/AB/R v. 12. Oktober 1998, Rn. 156, 159. Siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 676 f.; Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (486); Epiney, 115 DVBl. (2000), S. 77 ff.; Wiers, Trade and the Environment in the EC and WTO, S. 291 f.; Stephens, International Courts and Environmental Protection, S.  329; Greschek, evolutive Auslegung, S.  169 und 195. Siehe außerdem ausführlich Oesch, „US Shrimp Case“, in: MPEPIL online (2013), Rn. 9, abrufbar unter: www.mpepil.com. 396  Oesch, „US Shrimp Case“, in: MPEPIL online (2013), Rn. 9, abrufbar unter: www.mpepil.com. 397  WTO AB United States – Import Prohition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/DS58/AB/R v. 12. Oktober 1998, Rn. 156, 159. Siehe dazu Oesch, „US Shrimp Case“, in: MPEPIL online (2013), Rn. 10, abrufbar unter: www.mpepil.com. 398  Oesch, „US Shrimp Case“, in: MPEPIL online (2013), Rn. 10, abrufbar unter: www.mpepil. com; Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 339 f. 399  Biotech Products, WTO-Docs. WT/DS291/R, WT/DS292/R, WT/DS293/R (2006), Rn.  7.92 und 7.95. Siehe dazu vor allem die Analyse von Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 339 f. 400  Biotech Products, WTO-Docs. WT/DS291/R, WT/DS292/R, WT/DS293/R (2006), Rn. 7.70. 395

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rechtlichen Verträge.401 An d­ iesem formalistischen Vorgehen kritisierte vor allem die ILC in ihrem fragmentation report, eine allzu restriktive Handhabung von Art. 31 Abs. 3 lit. c) WVK „would be the isolation of multilateral agreements as ‚islands‘ permitting no references inter se in their application and would be contrary to the ethos behind most of multilateral treaty-making“.402 Diese Interpretation von Art. 31 Abs. 3 lit. c) WVK „effectively cuts the WTO off from other fields of international law, including international environmental law. (…)403 Daher wird der Schiedsspruch im Biotech Products-Fall als „verpasste Gelegenheit“ bewertet, die Sphären von internationalem Handelsrecht und Umweltvölkerrecht miteinander in Einklang zu bringen und etwaige Konflikte zu minimieren.404 Angelehnt an den US – Shrimp/ Turtle-Schiedsspruch öffnete sodann auch das Panel im Biotech Products-Fall zunächst Art. XX GATT für eine Ausstrahlungswirkung der Vorschriften aus Biodiversitätskonvention und Cartagena-­Protokoll, indem es sie ihres „informativen Charakters“ wegen grundsätzlich als Auslegungshilfe qualifizierte. Anschließend versperrte das Panel diese Tür aber sogleich wieder mit der schmallippigen Begründung, die Streitparteien hätten nicht dargelegt, weshalb beide Übereinkommen bei der Interpretation des GATT relevant seien und das Panel selbst könne deren Relevanz auch nach sorgfältiger Prüfung nicht entdecken.405 Zusammenfassend öffnet die WTO-Rechtsprechung grundsätzlich Art.  XX GATT 1994 für eine prinzipienspezifische Ausstrahlungswirkung des common ­concern of humankind in das Welthandelsrecht. Die durch das CCM-Prinzip artikulierte hohe Wichtigkeit eines globalen Klima- und Artenschutzes ist von den WTO-­ Schiedsgerichten als Auslegungs- und Abwägungsbelang zu berücksichtigen. Die Rechtfertigungsvorschrift für umweltschutzbezogene Handelsbeschränkungen (Art. XX GATT 1994) ist evolutiv „im Lichte“ eines Staatengemeinschaftsinteresses am globalen Schutz des Weltklimas und der Biodiversität weit auszulegen. Multilaterale Vereinbarungen oder einzelstaatliche Maßnahmen zum Schutz des Weltklimas oder der Biodiversität können daher unter Umständen nach Art. XX lit. b) und/oder g) GATT 1994 gerechtfertigt sein, weil sie legitimen Staatengemeinschaftsinteressen dienen. Wann genau die Voraussetzungen für eine solche Ausstrahlungswirkung nach Art. 31 Abs. 1 und 3 lit. c) WVK vorliegen, kann angesichts  Biotech Products, WTO-Docs. WT/DS291/R, WT/DS292/R, WT/DS293/R (2006), Rn. 7.70 f. Siehe dazu Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 338 f. 402  Fragmentation of International Law: Difficulties Arising from the Diversification and Expansion of International Law: Report of the Study Group of the International Law Commission, Finalised by Chairman M. Koskenniemi ILC, UN Doc. A/CN.4/L.682, p. 740. Siehe zum Prozess der Fragmentierung des Völkerrechts vor allem Paulus, 67 ZaöRV (2007), S.  695 (708  ff.); ders., Between constitionalization and fragmentation, S. 207 ff.; ders., Subsidiarity, Fragmentation and Democracy, S. 193 ff. 403  Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 339. 404  Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 339 unter Rekurs auf McDonald, 23 EPLJ (2006), S. 417, 420: „(...) it can also be viewed as a missed opportunity to enhance the compatibility of, and minimize the conflict between, these different spheres of international law.“ 405  Biotech Products, WTO-Docs. WT/DS291/R, WT/DS292/R, WT/DS293/R (2006), Rn.  7.95. Siehe dazu die Analyse von Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 340. 401

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der insoweit bislang inkonsistenten Spruchpraxis der WTO-Schiedsgerichte noch nicht als gesichert gelten. Selbst wenn im Einzelfall aufgrund der Ausstrahlungswirkung des CCM-­ Prinzips die Voraussetzungen nach Art. XX lit. b) oder g) GATT 1994 erfüllt sein sollten, dürfen einzelne Nationalstaaten bzw. eine Staatengruppe zur Durchsetzung von common concerns handelsbeschränkende Maßnahmen nur ergreifen, wenn auch die übrigen GATT-spezifischen Voraussetzungen für eine Rechtfertigung von handelsbeschränkenden Maßnahmen zum Schutz der Umwelt vorliegen: Nach dem Chapeau von Art. XX GATT 1994 darf die betreffende Umweltschutzmaßnahme weder einzelne Staaten diskriminieren noch eine verschleierte Handelsbeschränkung darstellen. Dies wird auch in Art. 3 Nr. 5 KRK für den globalen Klimaschutz nochmals ausdrücklich bestätigt. Aus diesem ausdrücklichen Diskriminierungsverbot wird außerdem seit dem US – Shrimp/Turtle-Schiedsspruch eine ungeschriebene allgemeine Kooperationspflicht dergestalt hergeleitet, dass die Staaten zunächst versuchen müssen, globale Umweltprobleme durch multilaterale Vereinbarungen und Zusammenarbeit zu lösen, bevor einzelne Staaten zu unilateralen Maßnahmen greifen dürfen.406 Diese Pflicht ist dem Appellate Body zufolge zudem Ausdruck der praktischen Notwendigkeit, beim Schutz von globalen Umweltgütern auch global zusammen zu arbeiten.407 Diese Kooperationspflicht wird in Art.  2 Abs.  2 Kyoto-Protokoll und Art.  22 Biodiversitätskonvention aufgegriffen. Beide Vorschriften ermöglichen ausdrücklich, Politiken und Maßnahmen zum Klima- und Artenschutz durch eine Vertragsstaatenkonferenz international zu koordinieren. Strebt ein Vertragsstaat demnach unilaterale Maßnahmen zum Schutz des Weltklimas oder der Biodiversität an, die dem GATT – oder einem anderen völkerrechtlichen Vertrag – zuwiderlaufen, so muss er sich zunächst durch ernsthafte multilaterale Verhandlungen um eien Koordinierung der betreffenden Maßnahme in der Vertragsstaatenkonferenz bemüht haben. Nur wenn im Rahmen der multilateralen Kooperation keine Einigung erreichbar ist, kann der betreffende Staat gegebenenfalls eigene Maßnahmen ergreifen,408 was angesichts der in der Praxis zu erwartenden Wettbewerbsnachteile allerdings eher unwahrscheinlich sein dürfte.409  WTO AB United States – Import Prohition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/DS58/AB/R v. 12. Oktober 1998, Rn. 156, 159 unter ausdrückliche Bezugnahme auf Biodiversitätskonvention, 31 ILM 1992, 818 (823), Art. 5: „Each Contracting Party shall, as far as possible and as appropriate, cooperate with other Contracting Parties, directly or, where appropriate, through competent international organizations, in respect of areas beyond national jurisdiction and on other matters of mutual interest, for the conservation and sustainable use of biological diversity.“Siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 676 f.; Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (486); Wiers, Trade and the Environment in the EC and WTO, S. 291 f.; Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 329; Greschek, evolutive Auslegung, S. 195. 407  WTO AB United States – Import Prohition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/DS58/AB/R v. 12. Oktober 1998, Rn. 168. Siehe dazu Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 678; Puth, WTO und Umwelt, S. 334. 408  Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 230 f.; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 677. 409  Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 231; Brunnée, Global Climate Regime, S. 725 f. 406

5. Die Rechtswirkungen des CCM als Leitprinzip

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Schließlich müssen die umweltschutzbezogenen Maßnahmen verhältnismäßig sein, das heißt sie müssen geeignet sein, das Umweltschutzziel zu fördern, unter den geeigneten die relativ mildeste Handelsbeschränkung darstellen und nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der jeweiligen handelsrechtlichen Norm stehen, also angemessen sein.410 Der Appellate Body ging im US – Shrimp/Turtle-Fall davon aus, dass zwischen dem Recht eines WTO-Staates, eine Ausnahme nach Art. XX GATT geltend zu machen, und dem Recht der anderen WTO-Mitglieder auf Einhaltung der GATT-Grundsätze ein Ausgleich erfolgen muss. Sei eine Umweltschutzmaßnahme anhand der jeweiligen Ausnahmetatbestände des Art. XX GATT vorläufig gerechtfertigt, so sei im Rahmen des Chapeau ein Ausgleich zwischen dem Interesse des WTO-Mitglieds auf Verfolgung legitimer Schutzziele und dem Interesse der übrigen WTO-Mitglieder auf Einhaltung der GATT-Grundsätze dergestalt herzustellen, dass beide Interessen möglichst optimal verwirklicht werden.411 Bei dieser „Herstellung praktischer Konkordanz“ dürfte das im common concern-Prinzip artikulierte Staatengemeinschaftsinteresse am globalen Umweltschutz als Abwägungsbelang mit seinem Gewicht wirken und den Abwägungvorgang steuern. Die strengen GATT-spezifischen Anforderungen, die im Chapeau von Art. XX enthalten sind, konnte in der bisherigen WTO-Spruchpraxis keine einzige einseitig handelsbeschränkende Umweltschutzmaßnahme erfüllen.412 Art. XX lit. b) und g) GATT eignet sich als Einbruchstelle für einzelstaatlichen Protektionismus unter dem Deckmantel eines globalen Umweltschutzes.413 Unilaterale Selbsthilfemaßnahmen zur Bekämpfung von globalen Umweltproblemen stehen daher oft unter dem Verdacht, nicht durch einen legitimen common concern of humankind, sondern durch illegitimen Protektionismus motiviert zu sein und folglich nach den GATT-­ Bestimmungen als völkerrechtswidrig disqualifiziert zu werden.414 Dies hat die Rechtsprechung des Berufungsgerichts im Fall US  – Shrimp/Turtle einmal mehr gezeigt: Obwohl sich die Vereinigten Staaten darauf beriefen, ihre Importbeschränkungen würden dem Schutz von Delphinen und Meeresschildkröten und damit letztlich einem gemeinschaftlichen Anliegen dienen, hielt das Berufungsgericht diese unilaterale Gegenmaßnahme als willkürliche Diskriminierung nach dem GATT für unzulässig.415 Das völkerrechtliche Instrumentarium für eine unilaterale  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 678; Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (486).  WTO AB United States – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTODok. WT/DS58/AB/R v. 12. Oktober 1998, Rn. 156, 159. Siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 676 f. Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (486). 412  Siehe dazu die gründlichen Analysen der WTO-Rechtsprechung von Stephens, International Courts and Environmental Protection, S.  321–344 und Greschek, evolutive Auslegung, S.  123– 172; siehe außerdem Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (486). Siehe außerdem im Zusammenhang mit Gegenmaßnahmen nach Art. 54 ASR die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XV. 1. und 2. 413  Ähnlich für den globalen Schutz der Atmosphäre Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 227. 414  Ähnlich Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 329; Brunnée, Global Climate Regime, S. 725. 415  WTO AB United States – Import Prohition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/DS58/AB/R v. 12. Oktober 1998, Rn. 156, 159. Siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutio410 411

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XIII. Common concern of humankind als Prinzip im Umweltvölkerrecht

Durchsetzung des globalen Klima- und Artenschutzes im Lichte des common concern of humankind ist somit grundsätzlich vorhanden. Ob und wie es von einzelnen Staaten auch genutzt wird, steht angesichts drohender wirtschaftlicher Wettbewerbsnachteile auf einem anderen Blatt.416 cc) Ausstrahlungswirkung ins nationale Recht? Schließlich erscheint auch eine Ausstrahlung des CCM-Prinzips ins nationale Recht grundsätzlich denkbar, die anhand der deutschen Rechtsordnung exemplarisch kurz angerissen wird.417 Nach Art. 25 GG sind nur „allgemeine Regeln“ Bestandteil des Bundesreches, die den einfachen Gesetzen vorgehen und unmittelbar Rechte und Pflichten für die Bewohner des Bundesgebietes erzeugen. Unter den Begriff der allgemeinen Völkerrechtsregeln fallen indes nur das Gewohnheitsrecht und die allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze des Völkerrechts.418 Das Völkervertragsrecht zählt mangels allgemeiner Geltung jedoch nicht zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auch dann nicht, wenn – wie im Falle des common concern of humankind – der jeweilige Vertrag von der überwältigen Staatenmehrheit abgeschlossen wurde.419 Nach überwiegender Auffassung sind völkerrechtlich gewachsene Prinzipien wie das common concern of humankind-Prinzip nicht als „allgemeiner Rechtsgrundsatz“ im Sinne von Art. 25 GG zu qualifizieren.420 Für die Zukunft kommt eine unmittelbare Anwendung von Art.  25 GG nur in Betracht, wenn das common concern-­Prinzip aufgrund einer entsprechenden Staatenpraxis zu Gewohnheitsrecht

nalisierung im Völkerrecht, S. 676 f.; Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (486); Wiers, Trade and the Environment in the EC and WTO, S. 291 f.; Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 329; Brunnée, Global Climate Regime, S. 725; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 677. 416  Siehe dazu auch Vierter Teil, Kap. XV. 2. c). 417  Allgemein zur Ausstrahlungswirkung völkerrechtlicher Prinzipien ins nationale Recht Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 680 ff.; Kumm, in: Choudhry (Hrsg.), The Migration of Constitutional Ideas, S. 256 (261 ff.); von Bogdandy, 6 ICON (2008), S. 397. 418  Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 25 Rn. 5–8; Heintschel von Heinegg, in: Epping/Hillgruber, GG-Kommentar, Art. 25 Rn. 4–11. 419  Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 25 Rn. 6. 420  Siehe zu dieser Unterscheidung sowie zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen etwa die Ausführungen bei Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §  597; Brownlie, Principles, 4. Aufl.,  S 15 ff.; Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law Volume I, 9. Aufl. 1992, S. 36 ff. Wie Durner, Common Goods, S. 22 Fn. 21 zutreffend ausführt, ist die häufige Verwechslung von „general principles of law“ iSv. Art. 38 Abs. 1 lit. c) IGH-Statut mit den vorliegend skizzierten „general principles of international law“ womöglich in vielen Fällen auf sprachliche Gründe zurückzuführen. Siehe allerdings neuerdings Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 633 ff., der – wie zuvor bereits Zemanek, 19 YBWA (1965), S. 199 (208) – mit einem konstruktivistischen Ansatz die Entstehung der allgemeinen Rechtsgrundsätze im Sinne von Art.  38 Abs.  1 lit. c IGH-Statut aus den internationalen Beziehungen heraus erklärt. Siehe ferner Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S. 231; Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 72. Siehe VierterTeil, Kap. XIII. 1. b).

5. Die Rechtswirkungen des CCM als Leitprinzip

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erstarken sollte.421 Eine Transformation über Art. 59 GG scheidet bislang ebenfalls aus, da in beiden Anwendungsfällen des CCM kein entsprechendes Vertragsgesetz im Sinne von Art. 59 Abs. 2 GG vom Deutschen Bundestag erlassen wurde. Auch außerhalb der von Art.  25 GG erfassten „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ können Prinzipien indes selbst unmittelbare Wirkung beanspruchen.422 Wie bereits in der Präambel sowie in den Artikeln 23–26 zum Ausdruck kommt, war das deutsche Grundgesetz von Anfang an völkerrechtsfreundlich ausgestaltet.423 Das Grundgesetz geht „von der Eingliederung des von ihm erfassten Staates in die Völkerrechtsordnung“424 aus und „stellt die Staatsorgane mittelbar in den Dienst der Durchsetzung des Völkerrechts“.425 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes auch außerhalb von Art.  25 GG, dass nationale Regelungen völkerrechtsfreundlich auszulegen sind.426 Dementsprechend können im Einzelfall einfache Bundesgesetze im Lichte des durch den common concern of humankind-Grundsatz artikulierten Staatengemeinschaftsinteresses an der Bekämpfung des Klimawandels und des Artensterbens auszulegen sein und das CCM-Prinzip – ähnlich wie innerhalb des Völkerrechts – auch bei einer Kollision zwischen Völkerrecht und staatlichem Recht auf sekundärer Ebene die Abwägung (mit)steuern.427

 Vierter Teil, Kap. XIII. 4. a).  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 680; Kumm, in: Choudhry (Hrsg.), The Migration of Constitutional Ideas, S.  256 (261  ff.); Simma/Alston, 12 AYIL (1992), S.  82 (102); Thürer, 60 ZaöRV (2000), S. 557, 559 (598 f.); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 25 Rn. 4. 423  Heintschel von Heinegg, in: Epping/Hillgruber, GG-Kommentar, Art. 25 Rn. 1. 424  BVerfGE 75, 1/17; 108, 129/137; 111, 307/318. 425  BVerfGE 111, 307/328; 112, 1/25. Siehe zum Ganzen etwa Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 25 Rn. 4 und 4a. 426  Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 25 Rn. 4a. 427  Siehe allgemein zur Kollisionslage von Völkerrecht und staatlichem Recht Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 680 f.; Kumm, in: Choudhry (Hrsg.), The Migration of Constitutional Ideas, S. 256 (261 ff.); von Bogdandy, 6 ICON (2008), S. 397 ff. 421 422

XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

Der „schillernde“1 Begriff des common concern of humankind wurde in der Literatur der letzten zwanzig Jahre in vielfältigen Zusammenhängen und für höchst unterschiedliche Zwecke verwendet. Nicht immer wurde dabei mit einer Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit vorgegangen, die einer Klärung seiner völkerrechtlichen Bedeutung zuträglich wäre. Nach seiner erstmaligen Verankerung in der Klimarahmenkonvention im Jahre 1992 wurde die common concern-Terminologie bisweilen geradezu „inflationär“ gebraucht. Auf juristischen, philosophischen und politologischen Ebenen wurde viel über seine Bedeutung spekuliert und immer wieder geschieht es, dass der common concern of humankind-Begriff – oftmals ohne plausible Begründung  – für neue Probleme fruchtbar gemacht wird. Gerade seine bisweilen gedankenverlorene und beliebige Verwendung in den unterschiedlichsten Zusammenhängen droht dem common concern of humankind-Begriff jedoch seine juristische Durchschlagskraft zu rauben. Es nimmt deshalb auch nicht Wunder, dass bis heute viele Stimmen im common concern of humankind noch immer eher eine philosophische Idee oder ein politisches Konzept sehen als ein juristisches Prinzip mit verbindlichen Rechtsfolgen. Wie viele andere neuere Konzepte, die sich infolge ihrer vielfältigen Instrumentalisierung nur schwer präzise bestimmen lassen, läuft daher auch das Prinzip der „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ Gefahr, im Reich der philosophischen Spekulationen und politischen Wünsche zu schweben. Vor diesem Hintergrund soll im folgenden Kapitel zunächst anhand der oben dargestellten Entstehungsgeschichte und völkerrechtlichen Vertragspraxis versucht werden, den juristischen Kern des CCM-Prinzips herauszuarbeiten.

1  So Durner, Common Goods, S. 253 unter Berufung auf Shaw, International Law, S. 362 Fn. 180 („ambiguous“).

© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_14

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

1. Auslegung des Begriffs common concern of humankind Im Schrifttum ist seine rechtliche Bedeutung sehr umstritten und es werden bislang elf (!) verschiedene Auffassungen zur Auslegung des Begriffs common concern of humankind vertreten.2 Um möglichst umfassend „die Spreu vom Weizen zu ­trennen“ und auf diese Weise die juristische Relevanz des CCM-Prinzips zu stärken, sollen in einem ersten Schritt die unterschiedlichen Auffassungen zur Auslegung des common concern of humankind möglichst vollständig dargestellt werden (a), um sodann in einem zweiten Schritt eine Stellungnahme abzugeben (b).

a) Bisherige Auffassungen in der Literatur Das Spektrum an unterschiedlichen Auffassungen zur Auslegung des common concern-­Begriffs ist breit gefächert. Es reicht von der Einordnung des CCM als rein politischen „Slogan“ über seine Qualifizierung als Kurzformel für substanzielle Umweltschutzpflichten bis hin zur Begründung von Menschenrechten der dritten Dimension oder gar Rechten zukünftiger Generationen. aa) Das CCM als rein politischer „außerrechtlicher“ Grundsatz Zunächst wird in der umweltvölkerrechtlichen Literatur vereinzelt die Auffassung vertreten, das CCM-Prinzip sei bloß ein rein politischer „Slogan“ ohne jegliche positiv-völkerrechtliche Relevanz.3 In diese Kategorie gehören außerdem jene sporadischen Veröffentlichungen, die den Begriff des CCM ohne jeglichen Bezug zu

2  Ähnliche Überblicke zur Auslegung des common concern-Begriffs finden sich bei Durner und Baslar. Baslar, Concept, S. 287 ff. identifiziert sieben Auffassungen, um das common concern of humankind letztlich doch bloß als „Element“ und „essentielles Charakteristikum“ des common heritage of mankind (herab-)zuqualifizieren, siehe ders., Concept, S. 107 f., wobei letztlich unklar bleibt, welche genauere völkerrechtliche Bedeutung Baslar dem CCM beimisst. Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XII. 1. d) und 2. Kritisch zum Überblick von Baslar auch Durner, Common Goods, S. 253 Fn. 100, der zu Recht bemängelt, dass zwei der von Baslar angeführten Ansichten bei genauerer Betrachtung deckungsgleich sind und eine Auffassung keinen positiven Inhalt hat, sondern sich darauf beschränkt, bestimmte Regeln des common heritage of mankind-Prinzips nicht aufzugreifen. Durner, Common Goods, S. 253 ff. selbst arbeitet acht Interpretationsansätze heraus, wobei sich freilich zwei Ansätze schwerlich voneinander unterscheiden und der intergenerationelle mit dem menschenrechtlichen Ansatz vermengt wird. 3  Siehe Beyerlin/Marauhn, Rechtssetzung und Rechtsdurchsetzung, S.  23; Sanwal, 1 RECIEL 1992, S. 289 (290); Werksman, 6 YIEL 1995, S. 27, 40 ff.; Heintschel von Heinegg, Internationales öffentliches Umweltrecht, in: Ipsen, Völkerrecht (1990), S. 805, 870; Dupuy, 12 MichJIL (1991), S. 420–435; Birnie/Boyle, International Law, S. 488; Sand, 4 EJIL (1993), S. 377 (382, 389); Matz, 62 ZaöRV (2002), S. 17 (18); Schweizer, Zugangs- und Teilhaberegelungen der Biodiversitätskonvention, S. 134 ff. Siehe hierzu vor allen Dingen die enge Auffassung von Schröder, 21 Jahrbuch UTR (1993), S. 191 (198).

1. Auslegung des Begriffs common concern of humankind

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rechtlichen Fragen oder Konzeptionen gebrauchen.4 Im Unterschied zum common heritage-Prinzip entfalte ein common concern of humankind als „pre-legal term“ keine juristische Wirkung,5 sondern sei nur als politisches Instrument eingesetzt worden, um für den Bereich des globalen Umweltschutzes eine ideologisch aufgeladenen Debatte zu umschiffen, wie sie in den 1970er Jahren im Kontext des Tiefseebodens und des Weltraums geführt worden sei.6 „Gemeinsame Sorgen“ und ähnlich vage Begriffe seien gegenwärtig keine rechtsverbindlichen Normen, sondern vielmehr nur ein „Recht im Werden“ (law-in-the-making).7 Im Unterschied zu den „legal-norm-creating provisions“ des common heritage of mankind enthalte der common concern of humankind lediglich unverbindliche „goal-setting provisions“.8 Durch seine rein politische Natur wirke das common concern einerseits „weicher und schwächer“ als das common heritage. Andererseits erweise sich gerade diese Flexibilität weniger als Defekt, sondern vielmehr als Tugend, da sie genügend Raum lasse, um den Inhalt des common concern of humankind nunmehr sukzessive im Einklang mit den politischen Hoffnungen der internationalen Gemeinschaft zu entwickeln.9  b) Das CCM als Konzept für ein kollektives Handeln der b Staatengemeinschaft Ähnlich zurückhaltend urteilt sodann eine ältere Auffassung, nach welcher der common concern-Begriff darauf beschränkt sein soll, eine „Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft“ zu begründen und ihr kollektives Handeln zu legitimieren.10 So führen etwa Kiss und Shelton aus: „(…) the common concern, l’intérêt général, is a general concept which does not connote specific rules and obligations, but establishes the general basis for the concerned community to act“.11  Siehe Davis, Areas of Common Concern, S. 63 ff., der allgemein die „commons“ und die Atmosphäre – wie von ihm bereits im Titel angedeutet – als „areas of common concern“ bezeichnet. Ähnliche Nachweise finden sich bei Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 270 sowie bei Kiss/Shelton, Environmental Law, Supplement 1994, S.  2, wobei Letztere das Regime der Antarktis als Beispiel für das CCM anführen. Siehe zu dieser Sichtweise auch Durner, Common Goods, S. 253 und Baslar, Concept, S. 289. 5  Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone (Hrsg.), International Law, S. 7 ff.; Sanwal, 1 RECIEL (1992), S. 289 (290); Sand, 4 EJIL (1993), S. 377 (382, 389). 6  Sand, 4 EJIL (1993), S. 377 (382, 389). 7  Dupuy, 12 MichJIL (1991), S. 420–435; so ursprünglich auch Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 488. 8  Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 488. 9  So Baslar, Concept, S. 289: „Therefore, on the one hand, the political nature of the CCM makes it softer and weaker than the common heritage. On the other hand, the flexible nature of the CCM becomes a virtue rather than a defect since it could be devised in accordance with the political aspirations of the international community.“ 10  So etwa Kimminich, in: Grahl-Madsen/Toman (Hrsg.), The Spirit of Uppsala, S. 366 (369); Kiss/ Shelton, International Environmental Law, S. 26; Schachter, 178 RdC (1982 V), S. 201; Schröder, Jahrbuch 21 Jahrbuch UTR (1993), S. 198; ähnlich Stoll/Schillhorn, NuR 1998, 625 (630). 11  Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 26. 4

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

In diesem untechnischen Sinne hatte Otto Kimminich bereits im Jahre 1981  – beinahe ein Jahrzehnt vor der Klimaresolution der Generalversammlung12 – auf einem Seminar in Uppsala den Begriff common concern of humankind für die Bewahrung der gesamten Umwelt fruchtbar gemacht: „One would think that the protection of the environment is truly a common concern of mankind. It is probably safe to say that never before in history has the international community responded so extensively to a challenge.“13

In ähnlicher Weise, wenngleich etwas verdeckter, nimmt auch bereits das erste von insgesamt neun Draft Principles der zu ihrer Entwicklung eigens eingesetzten UNEP-Arbeitsgruppe, wie bereits Riphagen im Jahre 1980 bemerkte, im Zusammenhang mit dem Schutz der globalen Atmosphäre Bezug auf die concern-­Terminologie: „The atmosphere is a global resource whose protection is the legitimate concern of the international community.“14

Schließlich lässt sich diese Sichtweise sogar bis in die travaux préparatoires zur Stockholm-Konferenz zurückverfolgen, wo es bereits heißt: „A growing class of environmental problems, because they are regional or global in extent or because they affect the common international realm, will require extensive co-operation among nations and action by international organizations in the common interests.“15

Sie liegt schließlich auch einem Schreiben der chinesischen Delegation an die Vereinten Nationen aus dem Jahre 1991 zugrunde, in welchem es heißt: „[E]nvironmental protection and sustainable development is a matter of common concern of humankind, which requires effective actions by the international community and provides an opportunity for global cooperation.“16

c c) Das CCM als bloßer Teilaspekt der „common but differentiated responsibilities“ Des Weiteren gibt es in der Literatur vereinzelte Stimmen, die zwar dem common concern-Begriff durchaus juristische Relevanz zugestehen, im gleichen Atemzug allerdings seine rechtliche Eigenständigkeit verneinen. Sie betrachten das CCM vielmehr als bloßen Teilaspekt des angeblich weiter gefassten Grundsatzes der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“ (common but differentia UNGA Res. 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326. Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 1. a). 13  Vgl. den Diskussionsbeitrag von Kimminich in einer Debatte über die „Natural Resources“: Heritage of Nation and Mankind, in: Grahl-Madsen/Toman, The Spirit of Uppsala, S. 366 (369). 14  Riphagen, International Concern, in: Bothe (Hrsg.), Trends, S. 343 (362), dessen Beitrag sich genau genommen auch jener sogleich dargestellten Auffassung zuschlagen lässt, welche common concern als Teilaspekt des common heritage ansieht, siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a) dd). 15  UN Doc. A/Conf.48/4, Annex, at 2 (1972). Eine ähnliche Formulierung findet sich bei Maffei, 36 GYIL (1993), S. 131 (165). 16  UN Doc. A/Conf.151 PC/85 v.13. August 1991, Brief des Ständigen Vertreters der Volksrepublik China vom 6. August 1991 an den Generalsekretär der UNCED. 12

1. Auslegung des Begriffs common concern of humankind

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ted responsibilities) der Staaten bei der Bewältigung von Umweltproblemen,17 der unter anderem in Prinzip 7 der Rio-Erklärung niedergelegt ist.18 Davon zu unterscheiden sind allerdings Autoren, die zwar einen engen Zusammenhang zwischen beiden Prinzipien sehen, daraus aber nicht ableiten, der common concern-Ansatz sei Bestandteil der „common but differentiated responsibilities“.19 Stellvertretend für diese Auffassung formuliert etwa Brunnée: „In this sense, then, a ‚common concern‘ goes hand in hand with ‚common but differentiated obligations’ of all states involved. The latter notion has recently gained prominence in the context of global environmental management. It recognizes that equity in international environmental relations requires an approach that reflects both the states’ contributions to a problem, and their abilities to solve it (…) illustrated by the formulation it found in Principle 7 of the Rio Declaration on Environment and Development. Principle 7 may be said to be a ‚minimalist‘ version of the ‚common concern‘ idea. It neither mentions the concept nor even makes reference to restrictions on the sovereignty of states over their resources. While such restrictions may be implicit in the clouded reference to the protection of ecosystems, the emphasis is placed on international rather than national responsibility. In the forest context, the notion of ‚common but differentiated responsibilities’ could thus help to further de-emphasize the impact of the ‚common concern‘ concept on state sovereignty.“20

Nach Brunnée ist der in Prinzip 7 der Rio-Declaration verankerte Ansatz, für die Herstellung von Lastengerechtigkeit sowohl den jeweiligen Verursachungsbeitrag der jeweiligen Staaten als auch ihre Möglichkeiten bei der Lösung des globalen Umweltproblems zu berücksichtigen, gewissermaßen eine „Miniaturversion“ der common concern-Idee, die zumal im Kontext des Waldschutzes die Einschränkungen der nationalstaatlichen Souveränität abmildern helfe und auf diese Weise für die Zukunft konsensfähig mache. dd) Das CCM als Element des common heritage of mankind-Prinzips Dem common concern of humankind-Begriff wird die „juristische Emanzipation“ auch von jener Vielzahl von Stimmen in der völkerrechtlichen Literatur abgesprochen, die das CCM als bloßen Bestandteil des common heritage of mankind-­Prinzips auffassen.21 Nach dieser Ansicht soll das CCM zwar als Teil des CHM-Prinzips  Cancado-Trindade, The Contribution, in: Brown-Weiss, Environmental Change, S.  244 (253); Sands, Principles, 1. Aufl., S. 217 ff. Vgl. ferner zu diesem Ansatz Durner, Common Goods, S. 255. 18  Lies zu diesem Prinzip insbesondere Satz 2 des Grundsatzes 7 der Rio-Erklärung: „In view of the different contributions to global environment degradation, States have common but differentiated responsibilities (…)“ (Declaration of the UN Conference on Environment and Development, 31 ILM 1992, S. 874 ff.). Abs. 6 der Präambel der UN Framework Convention on Climate Change (31 ILM 1992, S. 849 ff.) spricht demgegenüber von „common but differentiated responsibilities and respective capabilities“. Siehe allgemein zu dieser Problematik Beck, Differenzierung, S. 135 ff. 19  Siehe etwa Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 16; Baslar, Concept, S. 107 ff.; Brunnée, Conceptual Framework, S. 60 f. 20  Brunnée, Conceptual Framework, S. 60 f. 21  Baslar, Concept, S. 107; Dupuy, 12 MichJIL (1991), S. 420 (427); Hohmann, Environmental Implications, in: Chowdhury/Denters/de Waart, Development, S. 273 (278); ders., NVwZ 1993, 17

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

durchaus Rechtswirkungen entfalten; ihm soll dabei jedoch keine eigenständige rechtliche Bedeutung zukommen. Zuzurechnen sind dieser Ansicht zunächst all jene Völkerrechtler, denen zufolge die Begriffe common heritage und common concern identisch oder zumindest synonym sind und die sie daher beliebig austauschbar verwenden.22 Als Vertreter dieser Auffassung lassen sich außerdem all jene Stimmen im Schrifttum identifizieren, die – zum Teil auch noch in jüngerer Zeit – das CCM wahlweise als „Spielart“,23 „Variante“24 oder „Element“25 des CHM-Prinzips bezeichnet haben. Ausgangspunkt dieser Auffassung ist oftmals die bereits oben erwähnte sogenannte „Elementenlehre“, nach welcher das Prinzip des CHM neben anderen „Bausteinen“ auch ein „ökologisches Element“ beinhalten soll. Der dogmatische Ansatz dieser Auffassung besteht nun darin, das CCM entweder als das ökologische Element des CHM-­Prinzips oder zumindest als einen Bestandteil dieses ökologischen Bausteins zu klassifizieren. Allen voran sieht Baslar im common concern-Begriff ein neues Element des common heritage, das nunmehr seinen „notorisch vagen Anwendungsbereich“ präzisieren helfe.26 Habe sich das common heritage-Prinzip bislang vor allem mangels Einigkeit über seinen genauen Anwendungsbereich nicht in eine gültige ­völkerrechtliche Norm transformieren lassen, so werde dieses „chronische Pro­ blem“ nun durch das common concern-Element behoben; denn dieses stelle gewissermaßen klar, dass nur solche natürlichen und kulturellen Ressourcen als Teil des common heritage-Regimes ausgebeutet, bewahrt oder geschützt werden könnten, die ihrer „globalen Natur“ nach das Überleben und den Wohlstand der Menschheit sichern würden.27 Hierbei liege der Schlüssel des common concern-Elements im S. 311 (313); Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 16; Stocker, Common Heritage, S. 140 ff., 211 ff.; Heintschel von Heinegg, Internationales öffentliches Umweltrecht, in: Ipsen, Völkerrecht (1990), S.  869; Kilian, Umweltschutz durch IO, S.  416; Kiss, 175 RdC (1982  II), S. 225 ff.; de Klemm, Le Patrimoine Naturel de l’Humanité, in: Dupuy, L’avenir du droit international, S. 117; Van Heijnsbergen, International Legal Protection of Wild Fauna and Flora (1997), S. 68 ff.; Tarlock, 32 Texas ILJ (1997), S. 37 (47 f.); Davis, Areas of Common Concern, S. 63 ff.; Timoshenko, Ecological Security, S. 413 (416). 22  Siehe Baslar, Concept, S.  293: „interchangeably“; exemplarisch für diese Auffassung ist zunächst eine Äußerung von Chowdhury, Intergenerational Equity, in: ders./Denters/de Waart, Right to Development, S.  233 (250), wo es heißt: „(…) Resolution 43/53 reiterates that climate is a common heritage of mankind and declares that climate change is a common concern of mankind“. Siehe außerdem Dupuy, 12 MichJIL (1991), S. 420 (427); Hohmann, Environmental Implications, in: Chowdhury/Denters/de Waart, Development, S. 273 (278); Ders., NVwZ 1993, S. 311 (313); Heintschel von Heinegg, Internationales öffentliches Umweltrecht, in: Ipsen, Völkerrecht (1990), S. 869; diese Auffassung greift neuerdings auch Tarlock, 32 Texas ILJ (1997), S. 37 (47 f.). 23  So Stocker, Common Heritage, S. 140 ff., 211 ff. 24  Baslar, Concept, S. 107; Hohmann, NVwZ 1993, S. 311 (313); Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 16. 25  Siehe wiederum Baslar, Concept, S. 107. 26  Baslar, Concept, S. 110. 27  Baslar, Concept, S. 110: „(…) the lack of general consensus on the scope of the concept weakens the effectiveness of attempts to transform it into a international legal norm. In order to eliminate this chronic problem, we advance the principle of common concern according to which only those natural and cultural resources which globally affect the survival and welfare of mankind can be exploited, conserved or protected under the common heritage regime.“

1. Auslegung des Begriffs common concern of humankind

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Begriff des kollektiven und essenziellen Interesses der Menschheit, das die Anwendung des common heritage-Konzepts auf die existenziellen Ressourcen beschränke, deren Monopolisierung das globale wirtschaftliche und ökologische Gleichgewicht sowie den internationalen Frieden bedrohe:28 „During the last quarter of a century, though there have been numerous descriptions of the common heritage of mankind, none of them has been overwhelmingly accepted. Admittedly, the ambiguity over the essence of the concept and the controversy about its components to date can be said to have been more a virtue than a defect in the development of the common heritage of mankind (…) we cannot afford to wait for the concept to become so confused that it is no longer a useful means for tackling the global problems of mankind, and we cannot help agreeing with mainstream writers who accuse the concept of not containing legal rights and duties (…) As Adede rightly says, new concepts defying precise definitions are doomed to ‚remain in the realm of guidelines or statements of aspirations’. It is for this reason that the common heritage of mankind has been generally seen as a philosophical and political concept to date, not a legal one entailing specific and detailed legal requirements that is necessary in international law (…) Consequently, the lack of general consensus on the scope of the concept weakens the effectiveness of attempts to transform it into a international legal norm. In order to eliminate this chronic problem, we advance the principle of common concern according to which only those natural and cultural resources which globally affect the survival and welfare of mankind can be exploited, conserved or protected under the common heritage regime (…) the hidden key point is the collective and vital interest of all mankind. In this vein, the application of the concept should be extended only to those resources where monopolization of very significant natural and cultural resources threatens global economic and environmental balances and international peace and security (…) while the living and non-living resources of international spaces beyond national jurisdiction ipso facto and ab initio should be controlled by way of a planetary administration, the aesthetic, cultural, historical, ecological resources situated under national jurisdiction should be regarded as common heritages of all mankind provided that they are of ‚vital global importance‘ or ‚common concern of mankind‘.“29 (Hervorhebungen vom Verfasser)

Andere Stimmen im Schrifttum sehen in der praktischen Anwendung beider Prinzipien schlichtweg keine Unterschiede, da beide auf den Schutz von Staatengemeinschaftsinteressen abzielen würden, und sprechen dem CCM daher letztlich ebenfalls eine Eigenständigkeit als rechtliches Prinzip ab.30 Zum gleichen Ergebnis gelangt letztendlich auch die in der völkerrechtlichen Literatur oftmals vertretene weite Interpretation, derzufolge das common heritage-Prinzip auf „Umweltprobleme aller Art“31 oder gar auf die „Umwelt als Ganzes“ anzuwenden sei.32

28  Baslar, Concept, S. 110: „(…) the hidden key point is the collective and vital interest of all mankind. In this vein, the application of the concept should be extended only to those resources where monopolization of very significant natural and cultural resources threatens global economic and environmental balances and international peace and security.“ 29  Baslar, Concept, S. 108–111. 30  Stellvertretend für diese Ansicht etwa Timoshenko, Ecological Security, in: Brown-Weiss (Hrsg.), Environmental Change, S. 413 (416). 31  So etwa Kilian, Umweltschutz durch IO, S. 416; ähnlich Klemm, Le Patrimoine Naturel de l’Humanité, in: Dupuy, L’avenir du droit international, S. 117; Kiss, 175 RdC (1982 II), S. 225 ff.; van Heijnsbergen, International Legal Protection of Wild Fauna and Flora (1997), S. 68 ff.; Stocker, Common Heritage, S. 140 ff. 32  Davis, Areas of Common Concern, S. 63 ff. und neuerdings auch Stocker, Common Heritage, S. 140 ff. und 210 ff.

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

e e) Das CCM als Kurzformel substanzieller Schutzpflichten für bestimmte Umweltgüter Des Weiteren hat „der frühe Boyle“ resümiert, ein common concern schaffe substanzielle Schutzpflichten für jeweils betroffene Umweltgüter, die es dem Bestand des Völkergewohnheitsrechts hinzufüge: „(…) common concern creates substantive obligations of environmental protection, that it adds in other words to the existing stock of customary international law.“33

Zwar hat Boyle selbst diesen Interpretationsansatz inzwischen wieder verworfen, doch ist er mittlerweile von einigen Stimmen in der Literatur aufgegriffen worden.34 So sind Burhenne-Guilmin und Casey-Lefkowitz der Ansicht, der common concern-­Begriff impliziere eine „gemeinsame Pflicht in Bezug auf eine Angelegenheit, die für die internationale Gemeinschaft von überragender Bedeutung“ sei.35 Patronos will im CCM gar die „Anerkennung einer Verpflichtung seitens der Staaten zum Schutz ihrer eigenen Umwelt“ sehen36 und Maffei modifiziert diese unter Hinweis auf das Fehlen konkreter Verhaltensstandards zu einer allgemeinen Kooperationspflicht aller Staaten.37 ff) Das CCM als Konzept einer gerechten Lastenverteilung Daran anknüpfend soll sich nach einer weiteren Strömung in der Literatur der common concern-Ansatz gerade darin von dem common heritage-Prinzip unterscheiden, dass er eine eigenständige Pflicht zur billigen Lastenverteilung bei der Bewältigung der betreffenden Umweltprobleme begründe.38 Zwar würden sich common heritage und common concern im selben „Brennpunkt“ treffen – dem common interest of mankind.39 Während das common heritage-Konzept sich aber mit der ­Verteilung von Nutzungsrechten in den staatsfreien Räumen sowie den daraus ge Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone, International, S. 13. Die Bezeichnung dieser Auffassung als „Kurzformel“ stammt von Durner, Common Goods, S. 255. 34  So etwa von Burhenne-Guilmin/Casey-Lefkowitz, The Convention on Biological Diversity: A hard won Global Achievement, S.  47 Fn.  15; Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 1. Aufl., S. 393 (411); ähnlich Patronos, Der konzeptionelle Ansatz im Umweltvölkerrecht, S. 374 ff. 35  Burhenne-Guilmin/Casey-Lefkowitz, The Convention on Biological Diversity: A hard won Global Achievement, S. 47 Fn. 15: „In this case common concern is understood as implying a common obligation towards an issue that is of paramount interest to the international community.“ 36  Patronos, Der konzeptionelle Ansatz, S. 378. 37  So Maffei, 36 GYIL (1993), S. 164 f.: „The fact that conservation is a common concern of humankind implies that the latter is called upon to conserve biodiversity. At the governmental level this means that all States must co-operate in conserving biological diversity (…) Thus the legal consequence of common concern seems to be mainly the duty of co-operation among States.“ 38  Timoshenko, Ecological Security, S.  416; Trindade, in: Brown-Weiss (Hrsg.), Environmental Change, S. 244 (253); dies./Attard, Implications of the CCM-Principle, in: Iwama (Hrsg.), Policies and Laws, S. 10; Burhenne-Guilmin/Casey-Lefkowitz, The Convention on Biological Diversity: A hard won Global Achievement, S. 47 Fn. 15; Bilderbeck, Biodiversity, S. 194 ff. 39  So Trindade, in: Brown-Weiss (Hrsg.), Environmental Change, S. 244 (253). Siehe dazu auch Baslar, Concept, S. 109 f. 33

1. Auslegung des Begriffs common concern of humankind

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zogenen Gewinnen befasse, ziele der common concern-Ansatz – so Trindade und Attard – auf eine gerechte und angemessene Aufteilung der Lasten und Kosten des globalen Umweltschutzes ab.40 „common concern (…) appears as derivative of the earlier common heritage approach, meant to shift emphasis from the sharing of benefits from exploitation of environmental wealths to fair or equitable sharing of burdens in environmental protection.“41 (Hervorhebung vom Verfasser)

Ihnen beipflichtend, sieht Brunnée dieses Ziel in dem Konzept der „gemeinsamen, ab-er unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“ enthalten, welches wiederum eine „Kehrseite“ des common concern-Konzepts sein soll: „(…) [W]hereas common heritage regimes are concerned with equitable sharing of benefits, common concern regimes focus on equitable sharing of burdens of cooperation and problem solving. These considerations are encapsulated in the concept of common but differentiated responsibilities, which may fairly be described as the flipside of the concept of common concern.“42 (Hervorhebung vom Verfasser)

Doch scheint Brunnée zumindest im Kontext des Waldschutzes eine Verpflichtung zu einer gerechten Regelung der Lastenverteilung als eine Art „rechtsfolgenähnliche Konsequenz“ des common concern of humankind-Prinzips anzusehen: „(…) to the extent that ‚common concern‘ mandates international cooperation and sharing of burdens in addressing forest destruction, it should be reflected in such a convention. In practical terms this would mean that provision must be made for financial and technological assistance by the international community to nations which forego certain utilizations of their forests to address a ‚common concern of mankind‘“43 (Hervorhebung vom Verfasser)

Soweit Entwicklungsländer sich in einer zukünftigen globalen Waldschutzkonvention verpflichten würden, auf bestimmte wirtschaftliche Nutzungen ihrer Wälder zu verzichten, um diese als „common concern of humankind“ zu bewahren, stünden ihnen dann auch entsprechende technologische und finanzielle Transferleistungen zu. Unterstützt wird dieser Ansatz ebenfalls von Timoshenko: „(…) the significant controversies and conflicting interpretations that have appeared during the application of the common heritage approach in different areas (…) inspired governments to choose another derivative (…) to serve concerted actions in equitable sharing of burdens in environmental protection, rather than of benefits from exploitation of environmental wealth“.44

 Trindade, in: Brown-Weiss (Hrsg.), Environmental Change, S. 244 (253); dies./Attard, Implications of the CCM-Principle, in: Iwama (Hrsg.), Policies and Laws, S. 10; Burhenne-Guilmin/Casey-Lefkowitz, The Convention on Biological Diversity: A hard won Global Achievement, S. 47 Fn. 14 und 15. 41  Trindade, in: Brown-Weiss (Hrsg.), Environmental Change, S. 244 (253). 42  Brunnée, common concern, S. 566. Ihr folgend French, Common concern and common heritage, in: Bowman/Davies/Goodwin (Hrsg.), Biodiversity and Law, S. 334 (339). 43  Brunnée, Conceptual Framework, S. 60. 44  Timoshenko, Ecological Security, S. 416. 40

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

Gestützt wird diese Interpretation außerdem von Bilderbeck,45 welche auf die kurze Zeit nach der UN-Klimaresolution sowie die im Vorfeld der Klimarahmenund Biodiversitätskonvention veröffentlichten „Den Haager Empfehlungen zum Umweltvölkerrecht“ (The Hague Recommendations on International Environmental Law) verweist, in deren Präambel es heißt: „[i]t should be accepted that the preservation of the environment is a common concern of humankind. Therefore, costs should be shared equitably among states, taking into account historic responsibilities and present technical and financial capabilities.“46 (Hervorhebungen teilweise vom Verfasser)

g g) Common concern of humankind als Ausdruck eines Staatengemeinschaftsinteresses und Grundlage für erga omnes-­ Verpflichtungen Nach einer vordringenden Auffassung im Schrifttum, die ursprünglich vom amerikanischen Völkerrechtler Kirgis entwickelt wurde und immer mehr Anhänger findet, verleiht das common concern of humankind-Prinzip solchen Rechtspflichten, die dem Klimaschutz zu dienen bestimmt sind, den Charakter von erga omnes-­ Verpflichtungen.47 Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind gewähre allen Staaten wechselseitig die rechtliche Befugnis, notfalls gerichtlich oder durch Repressalien gegen klimagefährdendes Verhalten anderer Staaten vorzugehen, ohne dafür geltend machen zu müssen, selber unmittelbar betroffen zu sein, das heißt ohne nachweisen zu müssen, dass es zu spezifischen nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels auf das eigene Territorium gekommen sei.48 „Clearly, if climate change is a matter of common concern, international regulation of it is legitimate (…) [R]ecognizing climate change to be a common concern of mankind (…) is legitimizing in the sense that it recognizes a collective interest that presumably extends well beyond the interests acknowledged at the Stockholm Conference on the Environment in 1972 (…) It implies that – whatever states’ obligations may be in the area of climate change –

 Bilderbeck, Biodiversity, S. 194 ff. (197).   The Hague Recommendations on International Environmental Law, verkündet in Den Haag am 16. August 1991, para 3 f., abgedruckt bei Bilderbeck, Biodiversity, S. 194. 47  Kirgis, 84 AJIL 1990, S. 525 ff.; dieser Auffassung folgen bislang u. v. a. Boyle, Rio Convention, in: Bowman/Redgewell, Biological Diversity, S.  33.; Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 154, 156; Birnie/Boyle/Redgwell, International Environmental Law, S. 128 ff.; Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (792, 807 f.); dies., Conceptual framework, S. 55 f.; dies., common concern, S. 564 ff.; Wolfrum, The Convention on Biological Diversity, in: ders., Enforcing Environmental Standards, S.  373; Czarnecki, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltvölkerrecht, S.  141; Durner, Common Goods, S. 260; Hunter/Salzman/Zaelke, IEL, S. 344; Leigh, 14 AYIL (1992), S.  129 (147  f.); Hinds, Einschränkungen der Souveränität, S.  247  ff.; Fitzmaurice, 5 RECIEL (1996), S. 305 (310); Gray, 26 CalWestJIL (1996), S. 215 (246 f.); Patronos, Der konzeptionelle Ansatz, S. 256 ff., 374 ff.; Schrijver, Sovereignty, S. 239; Henne, Genetische Vielfalt, S. 122; Trindade/Attard, Implications of the Common Concern of Mankind, S. 8. 48  Kirgis, 84 AJIL (1990), S. 525 ff.; ähnlich Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone, International, S. 11 ff. 45 46

1. Auslegung des Begriffs common concern of humankind

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they run erga omnes. Consequently, any state should have standing to make representations to any other concerning the latter’s climate-affecting policies or activities, without having to allege that it is uniquely affected. Nor should standing be a problem when a state brings a proceeding in an international tribunal with jurisdiction to hear a challenge to climate-affecting conduct. Whether a state could take other unilateral action to vindicate the common concern, such as reprisals, would depend on whether it has fulfilled whatever procedural and substantive conditions apply to the chosen remedy.“49 (Hervorhebung vom Verfasser)

Dieser Ansatz von Kirgis wurde zunächst vor allem von Boyle aufgegriffen und fortgeführt, der die erga omnes-Rechtsfolge des common concern-Prinzips ebenfalls darin sieht, dass alle Staaten ein legitimes rechtliches Interesse an der Erfüllung der entsprechenden umweltrechtlichen Pflichten haben.50 „Common concern (…) indicates a status for the global atmosphere distinctively different from any of the other concepts (…) Resolution 43/53 does not make the global atmosphere common property beyond the sovereignty of individual states, but like the ozone layer, it does treat it as a global unity in so far as injury in the form of global warming or climate change may affect the community of states as a whole (…) If it is neither common property, nor common heritage, what legal content does this new concept of common concern enjoy? Undoubtedly its main impact is that it places the issue on the international agenda and makes it the legitimate object of international attention, overriding the reserved domain of domestic jurisdiction or the possible contention that it relates to matters solely within the exclusive sovereignty of individual states. Thus (…) it gives all states a legal interest, or standing, in the enforcement of rules concerning protection of the global atmosphere (…) the implication is that all states, whether directly injured or not, share a common interest in suppressing such violations of international law. The same result flows from treating certain legal obligations as enforceable erga omnes. As the ICJ indicated in the Barcelona Traction Case, such obligations are owed to the international community as a whole; because of their importance, they are ‚the concern of all states’, who thus acquire a legal interest in their protection. The court itself referred only to acts of aggression, genocide and the ‚basic rights of the human person’, including protection from slavery and racial discrimination, but it is clear that multilateral treaties may create additional community interests of whose violation any party may complain (…) Thus in this context the argument that ‚common concern‘ has a lesser legal significance than ‚common interest‘, or implies an absence of legal obligations, appears misplaced.‘51 (Hervorhebungen größtenteils vom Verfasser)

Brunnée sieht im common concern of humankind eine „Facette“ des übergreifenden common interest-Konzepts, das ein Referenzrahmen für ein modernes Völkerrecht biete und sich den Herausforderungen der Zukunft stelle: „(…) international law is at a turning point from a system balancing conflicting sovereign interests to one of constructive interaction for the common good. The concept of ‚common interest‘ is the frame of reference for an international law meeting the challenges of the future (…) only one facet of which is the ‚common concern of mankind‘.“52 (Hervorhebungen vom Verfasser)  Kirgis, 84 AJIL (1990), S. 525 (527).  Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone, International Law, S. 11; ähnlich zuvor auch Kirgis, 84 AJIL (1990), S. 525 ff.. Siehe zu den Rechtsfolgen von Verpflichtungen erga omnes weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIII. Zur rechtlichen Bedeutung von erga omnes-Verpflichtungen im Allgemeinen statt vieler Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 363 ff. und Tams, Enforcing obligations erga omnes. 51  Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone, International Law, S. 11 f. 52  Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (792 f.). 49 50

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

Innerhalb der Staatengemeinschaftsinteressen („common interests“) formuliere ein common concern of humankind solche Interessen, die von so überragend wichtiger Bedeutung seien, dass sie selbst zu positiv-völkerrechtlichen Verpflichtungen „kristallisieren“ würden und daher erga omnes-Wirkung hätten: „Is the concept of ‚common concern of mankind‘ really no more than a shell resounding echoes impressive but void of legal substance and consequence? Or is it rather that the ‚shell‘ produces a variety of ‚echoes‘ including some so powerful that they spell out legal obligations?“53 (Hervorhebung vom Verfasser) „(…) in some cases, the ‚common interest‘ can crystallize into a rule of international law triggering specific duties. We are faced with the phenomenon of a common interest so compelling that it alone formulates the rule and coincides with the rule’s content. Only in such cases should we speak of common concern of mankind.“54 (Hervorhebung vom Verfasser) „[U]nlike common interests, which are mainly important as driving forces in the formation of international law, a ‚common concern‘ may have a normative effect. The notion describes threats to the well-being of the international community as a whole. One might argue that, as a result, all states have a legal interest in such issues and, in certain situations, an obligation to contribute to their solution.“55 (Hervorhebung vom Verfasser) „The idea of a ‚common concern of humankind‘ is thus related to the notion of obligations erga omnes, i.e. obligations owed to and enforceable by all states even if not directly and individuallyaffected.“56 (Hervorhebung vom Verfasser) „Thus, the concept of common concern has the potential to significantly widen the range of environmental protection obligations owed erga omnes. All states would have concomitant legal interests and could demand others to adjust their conduct accordingly.“57 (Hervorhebung vom Verfasser)

Das common concern-Konzept selbst beinhalte jedoch keine spezifischen Verpflichtungen, sondern setze vielmehr einen rechtlichen Rahmen für die Bekämpfung bestimmter globaler Umweltprobleme.58 Nach Hunter, Salzman und Zaelke drückt die Qualifizierung eines globalen Umweltproblems als common concern gar aus, dass dieses infolge seiner globalen Wichtigkeit für die gesamte Menschheit der alleinigen Verfügung nationaler Staaten entzogen sei: „The conclusion that the global environment is a matter of common concern implies that it can no longer be considered as solely within the domestic jurisdiction of states due to its global importance and consequences for all. It also expresses a shift from classical ­treaty-­making notions of reciprocity and material advantage, to action in the long-term interest of humanity.“59 (Hervorhebung vom Verfasser)

 Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (792).  Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (807). 55  Brunnée, Conceptual Framework, S. 55. 56  Brunnée, Conceptual Framework, S. 55 Fn. 88. 57  Brunnée, common concern, S. 566. 58  Brunnée, common concern, S. 566. Ihr folgend Hunter/Salzman/Zaelke, IEL, S. 345. 59  Hunter/Salzman/Zaelke, IEL, S. 344. 53 54

1. Auslegung des Begriffs common concern of humankind

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hh) Die neuere Auffassung von Biermann Schließlich hat in jüngerer Zeit Biermann eine Interpretation entwickelt, nach welcher das CCM ein ganzheitliches juristisches Prinzip sei, das traditionelle Grundsätze wie das Entstehen von Völkergewohnheitsrecht sowie die Souveränität der Staaten modifiziere: Zunächst führe das Prinzip des common concern im Bereich besonderer Menschheitsbedrohungen auch dann zur raschen Entstehung von Völkergewohnheitsrecht („instant customary law“), wenn es an einer einheitlichen Staatenpraxis fehle und einzelne Staaten sich beharrlich einer solchen Entwicklung widersetzen würden.60 Das traditionelle Element der „einheitlichen Staatenpraxis“ erweise sich angesichts der Dringlichkeit der meisten globalen Umweltprobleme in zunehmendem Maße als ungeeignet, die Herausforderungen der „modernen Weltgesellschaft“ zu meistern.61 Des Weiteren legitimiere das CCM-Prinzip eine Vielzahl von Maßnahmen gegen einzelne Staaten zur Durchsetzung umweltbezogener Solidaritätspflichten.62 Letztlich kombiniert Biermann einige der bereits dargestellten Aspekte und lässt sie in einer signifikant weitreichenden Einschränkung der nationalstaatlichen Souveränität kulminieren: „Admittedly, the ‚common concern‘ approach as elaborated above imposes significant restrictions on the sovereign rights of States (…) Following the ‚common concern‘ declaration by the United Nations General Assembly, aimed at the protection of ‚an essential condition which sustains life on earth‘, particularists interests based on sovereignty should be of only secondary importance.“63

ii) Common concern als Anwendungsfall des völkerrechtlichen Vertrauensprinzips (Krohn) Nach Krohn soll es sich bei dem Begriff des common concern letztlich um einen Anwendungsfall des völkerrechtlichen Vertrauensprinzips handeln, dem im Sachbereich globaler Umweltbeeinträchtigungen gegenüber dem common heritage-­ Ansatz durchaus eigenständige Bedeutung zukomme.64 Im Rahmen des Rio-­ Prozesses sei die Anwendbarkeit des common heritage-Konzepts auf Bereiche innerhalb der staatlichen Jurisdiktion als solche verworfen worden, sodass es sich nach derzeitigem Begriffsverständnis nicht auf Naturgüter im Territorium von ­Nationalstaaten übertragen lasse.65 Für die Bewältigung von Umweltproblemen, die sich aus der Nutzung von Ressourcen im Territorium der Nationalstaaten ergeben würden, die in ihren Folgen jedoch die gesamte Menschheit beträfen, sei während

 Biermann, 34 AVR (1996), S. 426 (446, 448).  Biermann, 34 AVR (1996), S. 426 (448). 62  Biermann, 34 AVR (1996), S. 426 (468–480, 481). 63  Biermann, 34 AVR (1996), S. 426 (481). 64  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 277 ff. und 291 f. 65  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 276 f. 60 61

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

der Rio-Konferenz nunmehr der Gedanke des common concern hervorgetreten.66 Die Entstehungsgeschichte der Rio-Konventionen belege mithin, dass der Gedanke des common concern eine Weiterentwicklung des common heritage-Aspekts für Sachbereiche unter staatlicher Jurisdiktion darstelle.67 Als übergreifendes Konzept verknüpfe der CCM-Ansatz die Einzelaspekte der globalen Staatenkooperation, der gemeinschaftlichen, aber unterschiedlich hohen Verantwortlichkeit sowie den Gedanken einer internationalen Solidarität und der intergenerativen Gerechtigkeit miteinander.68 Gerade vor dem Hintergrund der spezifischen Struktur des Völkerrechtsystems, das sich in Etappen entwickele und in welchem einer Einigung über konkrete Verhaltensvorgaben vielfach eine Übereinkunft über den allgemeinen rechtlichen Rahmen vorausgehe, erweise sich das CCM-Konzept insoweit auch als hinreichend konkretisierungsfähig, um rechtliche Bedeutung erlangen zu können.69 Allerdings sei das CCM-Konzept noch nicht Bestandteil der allgemeinen Umweltvölkerrechtsordnung, weil es bislang keine vertragliche Regelung gebe, die den Aspekt des common concern als allgemeinverbindlich für globale Umweltprobleme erkläre, die vom Territorium der Nationalstaaten ausgehen.70 Daher vermöge das CCM-Prinzip auch keine eigenständigen Verhaltensanforderungen an die Staaten zu begründen. Gleichwohl sei ein Bekenntnis zum common concern-Gedanken im Rahmen einer außerrechtlichen Erklärung durchaus geeignet, eine begrenzte rechtliche Wirkung unter dem Estoppel-Prinzip zu entfalten, wonach ein Staat sich nicht grundlos zu einer von ihm zuvor selbst erzeugten Verhaltenserwartung in Widerspruch setzen dürfe.71 Sobald ein Staat im Rahmen eines völkerrechtlichen Übereinkommens einen Sachbereich, der an sich unter seine Jurisdiktion falle, zur gemeinsame Sorge der Menschheit erkläre, erkenne er an, dass auch andere Staaten aufgrund der globalen Auswirkungen etwaiger Umweltbeeinrächtigungen ein Interesse daran hätten, wie mit den betreffenden innerstaatlichen Ressourcen umgegangen werde. Infolgedessen könne sich dann derselbe Staat im Rahmen zukünftiger Bemühungen um eine Problemlösung im selben Sachbereich nicht mehr auf das Argument zurückziehen, das Umweltproblem falle ausschließlich in seine Regelungszuständigkeit. Die Anerkennung eines Sachbereichs als common concern hebe die betreffende Materie demzufolge aus einem rein innerstaatlichen Bereich auf die umweltvölkerrechtliche Ebene. Allerdings lasse sich diese völkerrechtliche ­Wirkung nicht aus dem Konzept des common concern selbst ableiten. Vielmehr sei sie als Ausfluss des Vertrauensprinzips anzusehen, wonach auch außerrechtliches Verhalten bestimmte Rechtsfolgen erzeugen könne.72  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 277.  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 277. 68  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 285, 288. 69  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 290, wobei Krohn leider offen lässt, ob sich das CCM als Regel oder Prinzip einordnet. Siehe zu dieser wichtigen völkerrechtstheoretischen und praktischen Frage und Weichenstellung die Ausfhrungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIII. 70  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 290. 71  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 291 f. 72  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 292. 66 67

1. Auslegung des Begriffs common concern of humankind

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j j) Common concern of humankind als „Menschenrecht der dritten Dimension“ Seit Anbeginn der Debatte ist der common concern-Ansatz immer wieder mit dem Schutz von individuellen und kollektiven Menschenrechten verknüpft worden.73 Bereits Kirgis hatte in seinem bahnbrechenden Beitrag im Jahre 1990 angemerkt, die Anerkennung des Klimawandels als common concern of humankind könne nicht nur für Staaten, sondern womöglich auch für Individuen ein Standing vor internationalen Tribunalen begründen, zumal gerade sie die Leidtragenden seien, wenn Staaten ihre Klimaschutzverpflichtungen nicht erfüllen würden: „Recognition that climate change is a common concern of mankind might be thought to imply standing not only for states, but for individuals as well. As in the case of human rights, it is individuals who will suffer the consequences if governments fail to meet their obligations.“74

Auch Boyle und Brunnée haben bereits früh eine Verbindung zwischen dem internationalen Menschenrechtsschutz und dem common concern-Ansatz hergestellt75 und sich dabei insbesondere auf Prinzip 1 der Stockholm-Deklaration zur Umwelt aus dem Jahre 1972 gestützt,76 das ein „Grundrecht des Menschen auf eine gesunde Umwelt“ sowie eine korrespondierende „Pflicht der Menschheit zur Bewahrung und Verbesserung der Umwelt für gegenwärtige und zukünftige Generationen“ festschreibe.77 In einem frühen Beitrag sieht Boyle im common concern-Gedanken eine Entwicklung, die parallel zur Herausbildung des „Menschenrechtes auf eine gesunde Umwelt“ verlaufe und daher womöglich entsprechende individuelle ­Menschenrechtspositionen zu begründen vermöge.78 In ähnlicher Weise hat Brunnée wohl als Erste den Begriff der „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ als Facette eines „gemeinsamen Interesses“ mit den neueren kollektiven „Menschenrechten der

 Kirgis, 84 AJIL (1990), S. 525 (527 Fn. 15); Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone (Hrsg.), International, S. 12; Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (797–800); Trindade, in: Brown-Weiss (Hrsg.), Environmental Change, S. 244 (253 f.). Allerdings ist hierbei zu beachten, dass Kirgis, Boyle und Brunnée nur einen engen Zusammenhang zwischen common concern of humankind und dem internationalen Menschenrechtsschutz sehen, doch letztlich – anders als Trindade – aus dem common concern keine einklagbaren Menschenrechtspositionen ableiten. 74  Kirgis, 84 AJIL (1990), S. 525 (527 Fn. 15), wobei Kirgis eine Art common concern-„Menschenrecht“ letztlich mangels Praktikabilität ablehnt. Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIV. 1. b). 75  Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone (Hrsg.), International, S.  12; Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (797–800). 76  Report on the UN Conference on the Human Environment, Stockholm 1972, UN Doc. A/Conf. 48/14/Rev. 1 at 4 (1973); vgl. hierzu auch den Bericht von Sohn, 14 Harvard ILJ (1973), S. 423 ff. 77  Originaltext: „Man has the fundamental right to freedom, equality and adequate conditions of life, in an environment of a quality that permits a life of dignity and well being, and he bears a solemn responsibility to protect and improve the environment for present and future generations.“ 78  Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone (Hrsg.), International, S.  12: „(…) a development which parallels the emergence of international human rights law (…) that the concept of common concern creates rights for individuals (…) Principle 1 of the 1972 Stockholm Declaration on the Human Environment can sustain such an interpretation (…)“. 73

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

Dritten Dimension“ verknüpft.79 Beide Konzepte würden ein Interesse am Schutz bestimmter Gemeinschaftswerte verkörpern, das sich nur durch internationale Kooperation und mittels des Völkerrechts wahren lasse.80 Doch genauso wie Boyle will auch Brunnée nicht so weit gehen, wegen dieser „gemeinsamen Stoßrichtung“ aus dem common concern of humankind ein individuell einklagbares kollektives Menschenrecht abzuleiten.81 Dies hat Boyle jüngst nochmals klargestellt, obwohl das Pariser Abkommen aus dem Jahr 2015 sogar in seiner Präambel festschreibt, infolge der Anerkennung des Klimawandels als common concern of humankind seien die Vertragsstaaten gehalten, ihre jeweiligen Verpflichtungen bei der Bekämpfung des Klimawandels zu achten, zu fördern und zu berücksichtigen.82 Ganz anders dagegen Trindade, derzufolge ein Rekurs auf die humankind-Terminologie die „Angelegenheit der gemeinsamen Sorge“ automatisch innerhalb des human rights framework platziere.83 Weder existiere das Recht in einem „Vakuum“, noch sei der Begriff „mankind“ eine „juristische Abstraktion“. Sobald das common concern of humankind-­Konzept einhellig und universell anerkannt sei, folge daher aus diesem ein „Menschenrecht auf eine gesunde Umwelt“ in allen Dimensionen: „Resort to the very notion of mankind, humankind, immediately brings into force, or places the whole discussion within, the human rights framework  – and this should be properly emphasized; it should not be left implicit or neglected as allegedly redundant. Just as law, or the rule of law itself, does not operate in a vacuum, mankind, humankind, is neither a social nor a legal abstraction: it is composed of human collectives, of all human beings of flesh and bone, living in human societies. It is conceded that, if and once the concept of common concern of mankind becomes widely and unequivocally accepted, rights and obligations are bound to flow from it, then one is led to consider as its manifestation or even materialization the right to a healthy environment: within the ambit of the droit de l’humanité, the common concern of humankind finds expression in the exercise of the recognized right to a healthy environment, in all its dimensions (individual, group, social, or collective, and intergenerational), precisely as mankind is not a social or legal abstraction and is formed by a multitude of human beings living in societies and extended in time.The human rights framework is eluctably present in the consideration of the regime of protection of the human environment in all its aspects; we are here ultimately confronted with the crucial  Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (797 f.).  Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (797 f.): „The concept of (…) ‚human rights of the third generation‘ (…) is closely linked to the concept explored in this article: the notion of an interest in the protection of certain values common to the international community which can only be safeguarded by international cooperation and through international law.“ 81  Siehe Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone (Hrsg.), International, S. 12 f.; Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (799). 82  Boyle, 67 ICLQ (2018), S. 759 (769). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Schröder, 1 EurUP (2018), S. 86 (92) und Vöneky/Beck, in: Proelß (Hrsg), Internationales Umweltrecht, S. 165 Rn. 74a und Ramajani, Human Rights in the Climate Change Regime, in: Knox/Pejan (Hrsg), The Human Right to a Healthy Environment, S. 236 ff. Im Wortlaut heißt es in Abs. 11 der Präambel zum Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.) heißt es: „Acknowledging that climate change is a common concern of humankind, Parties should, when taking action to address climate change, respect, promote and consider their respective obligations on human rights, the right to health, the rights of indigenous peoples, local communities, migrants, children, persomns with disabilities and people in vulnerable situations and the right to development, as well as gender equality, empowerment of women and intergenerational equity (…)“ (Hervorhebung vom Verfasser). 83  Trindade, in: Brown-Weiss (Hrsg.), Environmental Change, S. 244 (254). 79 80

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question of survival of humankind, with the assertion – in the face of the threats to the human environment – of the fundamental human right to life.“84

kk) Das CCM als Grundlage für Eigenrechte zukünftiger Generationen Schließlich wollen einige Autoren die Rechtswirkungen des common concern of humankind in zeitlicher Hinsicht auf zukünftige Menschheitsgenerationen ausdehnen. Dieser Vorschlag, das common concern-Konzept um eine intertemporale Dimension zu erweitern bzw. in ihm eine generationsübergreifende Komponente mit positiv-völkerrechtlicher Bedeutung zu erblicken, stammt nahezu ausschließlich von Autoren, die das CCM auch auf die individuell menschenrechtliche Ebene erstrecken wollen und es daher als „Menschenrecht der dritten Dimension“ ansehen.85 Charakteristisch für diese progressive Sichtweise, die meistens sehr allgemein gehalten ist und „harte“ positiv-völkerrechtliche Rechtspositionen zukünftiger Generationen lediglich andeutet, lesen sich außerdem die Ausführungen von Brunnée: „International cooperation, institutional mechanisms and rules will develop and – so it is hoped – in turn create a wider basis for future ‚common interests‘. One should hope that this process will bring about a timely expansion of the realm of common concerns of mankind. We can no longer allow increasingly hazardous pollution to define our concerns – international law must be one step ahead“.86

Gestützt wird diese „intergenerationelle Rechtsfolge“ vornehmlich auf den Titel der UN-Klimaresolution 43/53 und deren Nachfolgeresolutionen,87 wonach der Klimaschutz „zum Schutz gegenwärtiger und zukünftiger Generationen“ erfolgen soll.88 Unter Rückgriff auf das Konzept einer Fairness gegenüber zukünftigen Generationen von Brown Weiss89 zielen diese Stimmen auf die Herstellung ­intergenerationeller Gerechtigkeit90 ab und sehen im common concern of humankind eine Grundlage für Eigenrechte zukünftiger Generationen, die nach vereinzelten Literaturmeinungen sogar gerichtlich einklagbar sein sollen.91  Trindade, in: Brown-Weiss (Hrsg.), Environmental Change, S. 244 (254).  Siehe Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone (Hrsg.), International, S. 12 f.: „A second possible interpretation is that the concept of common concern creates rights for individuals and future generations.“ Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (808); Trindade, in: Brown-Weiss (Hrsg.), Environmental Change, S. 244 (254). 86  Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (808). 87  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. a). 88  So vor allem Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone (Hrsg.), International, S. 12 f.: „Resolution 43/53 (…) does seek to take account of the interests of future generations, or intergenerational equity (…)“. Auch Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (797 f.) nimmt Bezug auf Art. 1 der Stockholm Declaration. 89  Brown Weiss, In Fairness to Future Generations; siehe auch dies., 84 AJIL (1990), S.  198  ff. Siehe zum Konzept von Brown Weiss die Darstellung weiter oben, Zweiter Teil, Kap. V. 4. d). 90  Siehe allgemein zu Ansätzen intergenerationeller Gerechtigkeit die Darstellung weiter oben, Zweiter Teil, Kap. V. 4. 91  Siehe etwa Rest, Environmental Policy and Law (1995), S. 312 (315); ders., 34 AVR (1996), S. 145 (152 f.); Kiss, The Rights and Interests of Future Generations and the Precautionary Principle, in: Freestone/Hey (Hrsg.), The Precautionary Principle and International Law, S. 19 ff. Siehe 84 85

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

b) Stellungnahme Nachdem in einem ersten Schritt sämtliche Auffassungen zur Auslegung des common concern of humankind-Prinzips vorgestellt wurden, soll nun in einem zweiten Schritt Stellung bezogen werden. Einige Auslegungsansätze weisen gemeinsame Schnittmengen auf, andere widersprechen sich im Kern und wiederum andere verknüpfen bereits vorhandene Interpretationen miteinander.92 Diese breit gestreute Vielfalt an verschiedenen Interpretationen des CCM ist nicht nur der Abstraktheit des Begriffs geschuldet, sondern ist wohl letztlich auch auf den Umstand zurück zu führen, dass zum Teil grundlegend verschiedene methodische Herangehensweisen an das Völkerrecht gewählt und unterschiedlich strenge Maßstäbe an den Nachweis eines völkerrechtlichen Rechtssatzes angelegt wurden. Angesichts der Vielzahl an vorgeschlagenen Interpretationen ist eine genauere Auslegung des CCM-Begriffs notwendig, um der Gefahr juristischer Beliebigkeit entgegen zu wirken.93 Eine juristisch präzise Auslegung des Begriffs common concern of humankind setzt nach der vorzugswürdigen induktiven Methode zur Ermittlung von Prinzipien an seiner weiter oben nachgezeichneten Entwicklungsgeschichte in der Staatenpraxis an.94 Entscheidende Bedeutung kommt hierbei zunächst dem unmittelbar im Anschluss an die UN-Klimaresolution einberufenen UNEP-Expertengipfel zu. Dieser sollte die juristische Bedeutung des neuen common concern of humankind-­ Begriffs präzisieren, um auf diese Weise ein „normatives Fundament“ für den laufenden Verhandlungsprozess des bevorstehenden Rio-Umweltgipfels im Jahre 1994 zu legen:95 „As to the Implications of the concept of common concern of mankind, it was first pointed out that the present discussions of the UNEP Group of Legal Experts meant to lay down the normative basis for the ongoing negotiating process preparatory to the 1992 U.N. Conference on Environment and Development (working out of normative principles); hence the need to clarify the concept issue, from which – once definitively accepted by the international community – rights and obligations were to flow in the near future in dealing with global environmental issues.“96

Unter den Teilnehmern des Workshops herrschte rasch Einigkeit darüber, dass sich die Rechtsfolgen des common concern-Prinzips – sofern dieses von den Teilallgemein zur Tendenz, auch in anderen Bereichen Rechte künftiger Generationen zu begründen, die Darlegungen von Robbers, Menschen- und Bürgerrechte, in: Evangelisches Kirchenlexikon, Sp. 361 (364). 92  Ähnlich beurteilt Durner, Common Goods, S. 256 das breite Spektrum an Auffassungen zur Auslegung des CCM-Begriffs. 93  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a). 94  Siehe zur induktiven Methodik die Ausführungen weiter oben, Erster Teil, Kap. II. Zur Entwicklungsgeschichte des common concern of humankind-Begriffs weiter oben, Dritter Teil, Kap. VII. und IX. Eine ähnliche Vorgehensweise wählt Durner, Common Goods, S. 256. 95  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. a). Siehe zu diesen Vorarbeiten der UNEP-Expertengruppe den ausführlichen Bericht von Trindade/Allard, Implications of the CCM-Concept, in: Iwama, Policies and Laws, S. 7 ff. 96  Trindade/Allard, Implications of the CCM-Concept, in: Iwama, Policies and Laws, S. 9.

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nehmern der Rio-Konferenz in bindender Form bestätigt werden sollte – auch auf Rechte und Pflichten der Staaten im Zusammenhang mit globalen Umweltfragen erstrecken würden.97 Hierbei gelangte die Expertengruppe zunächst zu der Einschätzung, der common concern of humankind-Begriff stelle keine Regel des allgemeinen Völkerrechts dar, könne sich aber in Zukunft zu einem Prinzip des Völkergewohnheitsrechts entwickeln.98 Die common concern-Idee sei ferner eng verwandt mit anderen Konzepten, insbesondere mit jenen des common heritage, der erga omnes-Verpflichtungen, des ius cogens und der global commons.99 Schließlich sei es in den Wandel des Völkerrechts im Zeitalter der Globalisierung eingebettet, in dessen Verlauf die unzähligen bilateralen und reziproken internationalen Beziehungen zunehmend von Interessen der internationalen Gemeinschaft als Ganzer überlagert würden.100 Diese noch „bruchstückhafte“ Rechtsauffassung des UNEP-­Expertengipfels kursierte anschließend auf der Rio-Konferenz und wurde dort unter den Teilnehmern rege diskutiert. Angesichts dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Vertragsstaaten auf der nachfolgenden Rio-Konferenz in Kenntnis dieser Rechtsauffassung das CCM-Prinzip bewusst in der Klima- und Biodiversitätskonvention verankert und damit in jedem Fall zum Ausdruck gebracht haben, der ­Begriff des common concern solle Rechtsfolgen auslösen.101 Dieses Bewusstsein für eine positiv-völkerrechtliche Geltungskraft des CCM-Prinzips spiegelt auch die Verhandlungsgeschichte zur Biodiversitätskonvention wider. Hatten frühere Entwürfe noch die Begriffe „common interest“ und „common responsibility“ verwendet, so wurden sie in der finalen Version schließlich zugunsten des common concern-­Begriffs fallen gelassen.102 Dieses „terminologische Ringen“ in der Verhandlungsgeschichte zur Biodiversitätskonven-

 Ähnlich bereits Durner, Common Goods, S. 256 unter Rekurs auf den Bericht von Trindade/ Allard, Implications of the CCM-Concept, in: Iwama, Policies and Laws, S. 9. 98  Eine Zusammenfassung der Ergebnisse, zu denen die UNEP-Expertengruppe gelangt ist, findet sich bei Barbosa, Conclusions of the Meeting, in: Attard (Hrsg.), The Meeting of the Group of Legal Experts to Examine the Concept of the Common Concern of Mankind in Relation to Global Environmental Issues (1990) 24 (27–32); vgl. auch Report of the Expert Group Meeting on Identification of Principles of International Law for Sustainable Development, Geneva, Switzerland, 26–28 September 1995 prepared by the Division for Sustainable Development for the Commission on Sustainable Development Fourth session, abrufbar unter https://www.un.org/documents/ecosoc/cn17/1996/background/ecn171996-bp3.htm (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019) para 88; siehe dazu ferner Horn, 1 MqJICEL (2004), S. 233 (247). 99  Barbosa, Conclusions of the Meeting, in: Attard (Hrsg.), The Meeting of the Group of Legal Experts to Examine the Concept of the Common Concern of Mankind in Relation to Global Environmental Issues (1990) S.  24 (27  f.); siehe zudem erneut Horn, 1 MqJICEL (2004), S.  233 (247). 100  Siehe dazu Horn, 1 MqJICEL (2004), S. 233, (247). Siehe außerdem Barbosa, Conclusions of the Meeting, in: Attard (Hrsg.), The Meeting of the Group of Legal Experts to Examine the Concept of the Common Concern of Mankind in Relation to Global Environmental Issues (1990) S. 24 (29). 101  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 256. 102  Siehe Durner, Common Goods, S.  257; Maffei, 36 GYIL (1993), S.  164 Fn.  133. Siehe die Nachweise im Second Revised Draft Convention on Biological Diversity, Doc. UNEP/Bio.Div./ N7-INC.5/2 of 20 February 1992, Art. 3. 97

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tion belegt, dass die Staatenvertreter an die begriffliche Fassung anknüpfen wollten, die der common concern of humankind-Ansatz zuvor in den zahlreichen UN-Resolutionen sowie in der Klimarahmenkonvention gefunden hatte.103 Ein „Rechtsbewusstsein“ der Staaten im Hinblick auf die Bedeutung des common concern-Prinzips offenbart zudem ein Blick zurück auf die Verhandlungen zur Waldgrundsatzerklärung und zur Wüstenkonvention104 – wenngleich mit umgekehrten Vorzeichen: Anders als bei der Biodiversitätskonvention lehnten die Entwicklungsländer das CCM-Prinzip im Rahmen des Waldschutzes nun gerade ab, da sie nicht nur ihre Eigentümerstellung im Hinblick auf die Waldbestände innerhalb ihres Territoriums behaupten, sondern darüber hinaus überhaupt jegliches rechtliche Interesse anderer Staaten an ihrer Waldpolitik ausschließen wollten und daher die Rechtsfolgen des CCM-Prinzips fürchteten.105 Dementsprechend wurden alle noch in den vorherigen Entwürfen enthaltenen leisen Anklänge an das common concern-Prinzip letztendlich entfernt. So wurde etwa in Abs. f) der Präambel der ursprünglich vorgesehene Wortlaut „are of value to the global environment“ durch die Formulierung „are of value to local communities and to the environment as a whole“ ersetzt.106 Auch die Verhandlungsgeschichte zur Wüstenkonvention legt nahe, dass die Vertragsstaaten sich „bewusst“ gegen eine Verankerung des common concern of humankind-­Begriffs entschieden, weil sie dessen Rechtsfolgen aus dem Weg gehen wollten. So scheiterte der Versuch, die Bekämpfung der Wüstenbildung als common concern of humankind zu qualifizieren, in erster Linie daran, dass schließlich nach kontroversen Auseinandersetzungen der globale Charakter des Umweltproblems der Desertifikation verneint wurde.107 Somit haben die Vertragsstaaten der Wüstenkonvention den Anwendungsbereich des common concern-Prinzips vor dem Hintergrund seiner beiden bisherigen Anwendungsfälle zwar zunächst anhand der beiden Kriterien der vergleichbaren Betroffenheit aller Staaten der Welt von den Folgen des Umweltproblems sowie der Schwere der ökologischen Problematik definiert, doch haben sie schlichtweg die Wüstenbildung letzten Endes nicht unter ihn „subsumiert“.108 Zudem offenbart ein Blick auf den Wortlaut der gesamten Wüstenkonvention, dass die Vertragsstaaten es offensichtlich bewusst vermieden, den common concern of humankind-Begriff wörtlich zu nennen, zumal sich ansonsten das isolierte Wort „concern“ selbst mehrfach in der Konvention wieder findet. Diese sorgfältige Vermeidung eines ausdrücklichen Zitats macht ein weiteres Mal deutlich, dass die verhandelnden Staaten selbst davon ausgingen, es handele sich bei dem Begriff common concern nicht bloß um eine gängige politische Floskel, sondern um ein juristisches Prinzip.

 Diese Schlussfolgerung zieht in ähnlicher Weise auch Durner, Common Goods, S. 257.  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 3. a) und b). 105  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 3. a). 106  Siehe die Nachweise bei Johnson (Hrsg.), The Earth Summit, S. 109 f. 107  Siehe ferner die Ausführungen von Johnson, The Earth Summit, S. 243 f. zur entsprechenden Auseinandersetzung bei der Formulierung des 12. Kapitels der Agenda 21. 108  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 3. b). 103 104

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Insgesamt belegen somit die Motive, welche die Staaten mehrheitlich dazu bewogen haben, sowohl im Rahmen der Waldgrundsatzerklärung als auch der Wüstenkonvention eine Verankerung des common concern of humankind–Begriffs abzulehnen, dass es den jeweiligen Staaten gerade darum ging, die mit dem Prinzip verbundenen Rechtsfolgen zu vermeiden.109 Vor diesem Hintergrund widerspricht die Auffassung, es handele sich bei dem CCM-Prinzip lediglich um einen rein politischen „Slogan“ ohne völkerrechtliche Konsequenzen,110 der Entwicklungsgeschichte sowie der völkervertraglichen Verankerung dieses Begriffs im modernen Umweltvölkerrecht und ist daher abzulehnen. Sie verkennt zudem, dass im Völkervertragsrecht verankerte Begriffe – etwa in Gestalt von Leitprinzipien – durchaus Rechtswirkungen entfalten können, auch wenn sie den Vertragsparteien keine konkreten Handlungspflichten auferlegen.111 Es ist allgemein anerkannt, dass Präambeln eine wichtige Rolle bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge spielen.112 Nach Art. 31 Abs. 1 und 2 WVK sind in Präambeln niedergelegte Ziele und Zwecke zur Auslegung des gesamten Vertrages heranzuziehen. Reduziert man den common concern-Begriff auf einen „außerrechtlichen Grundsatz“, so ignoriert man, dass er eine „Ausstrahlungswirkung“ sowohl innerhalb der jeweiligen Konvention als auch – im Kollisionsfall – im Verhältnis zu anderen völkerrechtlichen Regimen ausübt.113 Insofern entfaltet der common concern-Grundsatz eine Prinzipienwirkung114 und hat  – zumindest mittelbar  – völkerrechtliche Konsequenzen. Selbst Vertreter der Auffassung, das CCM sei ein rein politischer Slogan, räumen inzwischen ein, dass die Verankerung des common concern-Begriffs in der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention zumindest insoweit rechtliche Wirkungen hat, als die Vertragsregelungen im operativen Teil unter Berücksichtigung des Staatengemeinschaftsinteresses ausgelegt, angewandt und weiter konkretisiert werden müssen.115 Auch die eng mit ihr verwandte Auffassung, der common concern-Begriff statuiere lediglich eine „kollektive Aufgabe der Staatengemeinschaft“,116 bietet keinerlei Rechtsfolgen an, sondern spricht dem CCM-Prinzip letztlich ebenfalls die völker So auch Durner, Common Goods, S. 256 f. Siehe hierzu des Weiteren die entsprechenden Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 3. a) und b). 110  Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a) aa) [Das CCM als rein politischer „außerrechtlicher“ Grundsatz]. 111  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. c) und 5. 112  Mbengue, „Preamble“, in: MPEPIL online (2006), Rn. 3, abrufbar unter: www.mpepil.com 113  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 5. Siehe zu diesen konventionsinternen und –externen Rechtswirkungen von Leitprinzipien außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 671 ff.; siehe ferner zum Begriff des Leitprinzips von Bogdandy, 9 GLJ (2008), 1909 (1910  ff.) sowie Koskenniemi, 18 Oikeustiede-Jurisprudentia (1985), S. 120 (129 ff.). 114  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. c) und 5. 115  Siehe vor allem Beyerlin/Marauhn, Rechtssetzung und Rechtsdurchsetzung, S.  18; Matz, 62 ZaöRV (2002), S. 17 (18); Schweizer, Zugangs- und Teilhaberegelungen der Biodiversitätskonvention, S. 136, die u. a. ausführt, das common concern entfalte „seine Wirkung allenfalls im Zusammenhang mit der Frage nach der Erfüllungsstruktur völkerrechtlicher Verträge (…)“, womit sie letztlich nichts geringeres als die erga omnes-Rechtswirkung anspricht. 116  Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a) bb) [Das CCM als Konzept für ein kollektives Handeln der Staatengemeinschaft]. 109

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rechtliche Relevanz ab und lässt sich daher aus dem gleichen Grund schwerlich aufrechterhalten. Ohnehin fast ausnahmslos vor der weitläufigen Rezeption der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention im Jahre 1992 artikuliert, ist diese ältere Auffassung gewissermaßen von der Realität der nachfolgenden völkervertraglichen Verankerung des common concern of humankind „überholt“ worden. Als wenig überzeugend entpuppt sich bei näherer Betrachtung der bisherigen Staatenpraxis außerdem die Ansicht, der common concern of humankind-Begriff sei lediglich ein Element des common heritage of mankind-Prinzips.117 Wer das common concern-Prinzip als integralen Bestandteil des common heritage-Grundsatzes interpretiert, vernachlässigt zunächst die unterschiedliche Herkunft beider Begriffe und ignoriert die Tatsache, dass der common concern-Grundsatz über eine ­eigenständige Entwicklungsgeschichte verfügt, die weit bis in die frühen Anfänge des Umweltvölkerrechts zurückreicht.118 Zwar steht die begriffliche Herkunft des CCM insofern zweifellos in einem engen historischen Zusammenhang mit der Idee eines gemeinsamen Erbes der Menschheit, als der Menschheitserbe-Ansatz ursprünglich auf die globalen Umweltprobleme des Klimawandels und des Artensterbens ausgeweitet werden sollte.119 Doch mit der bewussten Entscheidung der UN-­ Generalversammlung, den Klimawandel nicht zum common heritage, sondern zum common concern of humankind zu erklären, und der nachfolgenden Verankerung des CCM anstelle des CHM in der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention hat sich das common concern-Prinzip vom common heritage-Prinzip gewissermaßen „abgespalten“ und im weiteren Verlauf seiner Entwicklung als eigenständiges Prinzip des modernen Umweltvölkerrechts „emanzipiert“.120 Dieser „Abnabelungsprozess“ ist auf das engste mit den unterschiedlichen Normzwecken und räumlichen Anwendungsbereichen beider Prinzipien verknüpft, die sich jeweils aus ihrer Entwicklungsgeschichte erklären. Der Menschheitserbe-Ansatz erwuchs ursprünglich aus der Forderung nach globaler Verteilungsgerechtigkeit in einer neuen Weltwirtschaftsordnung und zielt daher auf eine Nutzung und Verteilung der in den staatsfreien Räumen befindlichen Ressourcen im Interesse der Internationalen Staa­ tengemeinschaft ab.121 Als Mittel zum Zweck dieser „Vergemeinschaftung“ von Ressourcen in den staatsfreien Räumen dient neben dem gleichberechtigten Zugang aller Staaten zum gemeinsamen Erbe sowie der anschließenden Aufteilug der Nutzungsvorteile als Ausprägungen des wirtschaftlichen Elements vor allen Dingen das im common heritage-Prinzip niedergelegte Okkupationsverbot.122 Es schließt die  Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a) dd) [Das CCM als Element des common heritage of mankind-Prinzips]. 118  Siehe zur Entwicklungsgeschichte des common concern-Prinzips weiter oben, Dritter Teil, Kap. VII. und IX.; siehe außerdem zur Historie des common heritage of mankind-Konzepts die Ausführungen im Zweiten Teil, Kap. II. 1. sowie den Überblick zu seiner rechtlichen Bedeutung in Kap. II. 2. Siehe Dritter Teil, Kap. VII. 119  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. und 2. 120  Siehe dazu insgesamt die Ausführungen im Dritter Teil, Kap. IX. 121  Siehe dazu Dritter Teil, Kap. VIII. 1. 122  Siehe zum wirtschaftlichen Element und zum Okkupationsverbot sowie zu den übrigen Elementen des CHM-Prinzips die Ausführungen weiter oben, Dritter Teil, Kap. VIII. 2. a). 117

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Ausübung oder Beanspruchung von staatlicher Souveränität über das jeweilige Territorium und die in ihm belegenen Ressourcen aus.123 Gerade wegen seiner potenziell weitreichenden Implikationen für die Souveränität der Vertragsstaaten erwies sich das common heritage-Prinzip, soweit es um globale Umweltprobleme geht, die von den Territorien der Nationalstaaten herrühren und deren Lösung daher auch am Verhalten der jeweiligen Staaten anknüpfen muss, als nicht konsensfähig; denn aus Furcht vor einem drohenden Souveränitätsverlust durch die Verankerung eines allgemeinen Zugangsrechts zu ihren genetischen Ressourcen lehnten vor allem die betroffenen Entwicklungsländer eine Verankerung des common heritage of mankind-Prinzips in der Biodiversitätskonvention ab und entschieden sich für das common concern of humankind-Prinzip als Leitprinzip des globalen Artenschutzes.124 Den Vorzug vor dem common heritage- erhielt das common concern-Prinzip vor allem, weil es nicht die auf dem Territorium des betreffenden Staates befindliche Ressource, sondern vielmehr die nachteiligen globalen Auswirkungen ihrer Abnutzung zum Gegenstand einer „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ erklärt.125 Im Gegensatz zum common heritage- lässt das common concern-Prinzip in seiner bisherigen Ausprägung die Eigentümerstellung der jeweiligen Nationalstaaten im Hinblick auf die betroffenen Ressourcen unangetastet und konfligiert – jedenfalls auf den ersten Blick – auch ansonsten nicht mit der Souveränität der betroffenen Staaten.126 Im Gegensatz zum common heritage hat sich das common concern-Prinzip ausschließlich im Kontext des internationalen Umweltschutzes entwickelt und stellt daher ein genuin umweltschützendes Konzept dar, das einen ganz spezifischen Bezug zum Schutz vor globalen Umweltproblemen aufweist. Das CCM-Prinzip ist ganz und gar auf die Bewahrung bestimmter Ressourcen beschränkt, deren Erhalt im Interesse der Staatengemeinschaft liegt. Indem es spezifisch ausgewählte Umweltgüter als schutzbedürftig und schützenswert anerkennt und gerade nicht darauf abzielt, die Verteilung von Ressourcen zu regeln, unterscheidet sich das Prinzip des common concern of humankind fundamental vom Prinzip des common heritage.127 Auch die im Vorfeld der Rio-Konferenz eigens zur Herausarbeitung des common concern-Grundsatzes einberufene UNEP-Expertengruppe war sich rasch einig darüber, dass das neue Prinzip anders als das common heritage-Vorgängermodell gerade keine Ressourcenverteilung beabsichtigt und deshalb besser auf die Lösung

 United Nations Convention on the Law of the Sea, 21 ILM 1982, S. 1261 ff., Art. 137 lautet: „[n] o State shall claim or exercise sovereignty or sovereign rights over any part of the Area or its resources (…).“ 124  Brunnée, Conceptual Framework, S. 56 f. Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) cc). 125  Brunnée, Conceptual Framework, S. 59; dies., common concern, S. 564 f. Auf diesen Gesichtspunkt wird weiter unten zurück zu kommen sein, vgl. Vierter Teil, Kap. XII. 2. b). 126  Siehe zum genaueren Verhältnis zwischen CCM-Prinzip und Souveränität weiter unten, Vierter Teil, Kap. XI. 4. 127  Ausführlich zum Normzweck des CCM in Abgrenzung zum common heritage-Prinzip weiter unten, Vierter Teil, Kap. XII. 2. d). 123

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globaler Umweltprobeleme zugeschnitten ist.128 Noch allgemeiner formuliert zielt das common concern-Prinzip folglich nicht auf die Nutzung, sondern auf die Bewahrung von Umweltgütern ab.129 Aus diesen unterschiedlichen Zweckrichtungen beider Prinzipien folgt außerdem beinahe zwangsläufig, dass sie sich auch im Hinblick auf ihren potenziellen räumlichen Anwendungsbereich unterscheiden. Zwar ist das common heritage-­ Prinzip als Nutzungs- und Verteilungsregime durchaus potenziell auf alle staatsfreien Räume anwendbar. Aufgrund seiner souveränitätsverkürzenden Implikationen lässt es sich allerdings schwerlich auf Ressourcen übertragen, die sich innerhalb staatlicher Hoheitsbereiche befinden. Demgegenüber kommt eine Anwendung des CCM-Prinzips sowohl auf die Gebiete innerhalb als auch auf jene außerhalb territorialer Staatssouveränität in Betracht. Wer beide Prinzipien trotz ihrer unterschiedlichen Entwicklungsgeschichten, Normzwecke und räumlichen Anwendungsbereiche als identisch einstuft, ignoriert ferner die weiter oben beschriebenen Bestrebungen der Staatenmehrheit, bewusst zwischen beiden Prinzipien zu unterscheiden und sie nicht auf Problemlagen zu übertragen, zu deren Lösung sie wenig bis nichts beizutragen vermögen.130 So hätte eine Anwendung des common heritage-Ansatzes auf den globalen Klimaschutz – wie Durner zu Recht angemerkt hat – von vornherein keinen Sinn ergeben, da sich weder die Atmosphäre noch das Klima „im eigentlichen Wortsinn ausbeuten oder aufteilen lassen.“131 Überdies macht der umweltschutzrechtliche Aspekt nur eines der insgesamt fünf Elemente des gemeinsamen Erbes der Menschheit aus. Die übrigen Bausteine jenes Prinzips dürften wohl kaum zur Lösung der spezifischen Klimaschutzprobleme geeignet sein.132 Wer, wie etwa Baslar133 und Stocker,134 das Prinzip des common heritage of mankind mit der herrschenden Meinung zunächst in die mittlerweile anerkannten fünf Elemente untergliedert,135 ein Übereinkommen jedoch auch dann als Anwendungsfall des CHM-Prinzips betrachtet, wenn nur eines der fünf Elemente – in diesem Fall das ökologische Element – vorliegt,136 verwischt die mühsam erarbeitete Unterscheidung zwischen beiden Prinzipien.137 Ein derartig weites Verständnis des CHM-Grundsatzes führt dazu, dass beide Prinzipien letztlich an Konturen verlieren. Dass eine solch weite Interpretation de facto zur „Entrecht So Durner, Common Goods, S. 257 und Trindade/Attard, The Implications of the CCM-Concept, S. 8; ähnlich Brunnée, Conceptual Framework, S. 58. 129  So bereits Durner, Common Goods, S. 257; Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 201. 130  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 31. Siehe oben Dritter Teil, Kap. IX. 1. und 2. 131  Durner, Common Goods, S. 257. 132  Vgl. hierzu die Nachweise bei Mercure, 41 McGill Law Journal (1996), S. 595 ff. Siehe zum Ganzen erneut Durner, Common Goods, S. 257 f. 133  Baslar, Concept, S. 109. 134  Stocker, Common Heritage, S. 140 ff., 211 ff. 135  Siehe oben Dritter Teil, Kap. VIII. 2. a). 136  Stocker, Common Heritage, S. 140 ff., 211 ff. 137  Siehe Vierter Teil, Kap. XV. 128

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lichung“ beider Prinzipien führt, bringt Durner sehr anschaulich auf den Punkt, indem er ausführt: „Als Ausprägung eines einzigen Grundgedankens – nämlich der Internationalisierung von Zuständigkeiten in staatsfreien Räumen – der im Einzelfall „in unendlich vielen Spielarten variiert werden kann.“ (…) Verbindliche Prinzipien mit abstrakten, aber wohldefinierten Rechtsfolgen werden auf diese Weise zu allgemeinen „rechtspolitischen Richtungsweisern“ transformiert. Solche programmatischen Sammelkonzeptionen können kaum als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts angesehen werden und verlieren daher an juristischer Relevanz.“138

Auch die Auffassung, das CCM-Prinzip begründe in seinem Anwendungsbereich substanzielle Pflichten zum Schutz der betreffenden globalen Umweltgüter,139 vermag nicht zu überzeugen. Ganz im Gegenteil: Wendet man die klassischen juristischen Auslegungsmethoden auf den common concern of humankind-Rechtssatz an, wie er in seinen bisher einzigen rechtsverbindlichen Anwendungsfeldern – der Klimarahmenkonvention und der Biodiversitätskonvention  – Ausdruck gefunden hat, so ergibt sich vielmehr, dass er gerade keine eigenständigen Schutzpflichten nach sich zieht. So liefert bereits der Wortlaut des common concern of humankind keinen Anhaltspunkt für eine Begründung zusätzlicher Schutzpflichten. Vielmehr sprechen seine Systematik und Entstehungsgeschichte gegen eine derartige Absicht der Vertragsstaaten. Aufgrund der komplexen und ungewissen Klimaproblematik sowie der vielschichtigen Interessenkonflike basierten die Verhandlungen zur Klimarahmenkonvention – auf eindringliche Empfehlung der UN-­Generalversammlung hin – von Anfang an auf dem bereits bewährten framework-protocol-approach, der später auch für die Biodiversitätskonvention gewählt wurde.140 Nach diesem Ansatz schließen die Vertragsstaaten in einem ersten Schritt ein Rahmenübereinkommen, in dem lediglich übergeordnete Ziele und völkerrechtliche Prinzipien, unter Umständen außerdem bereits sehr allgemein gehaltene Verpflichtungen der Vertragsparteien und der institutionelle Rahmen zur Durchführung des Übereinkommens niedergelegt werden. In einem zweiten Schritt werden sodann Protokolle verabschiedet, in denen konkrete und detaillierte Vertragspflichten verankert werden, welche das Rahmenübereinkommen ausfüllen und durch deren Erfüllung jene übergeordneten Konventionsziele angestrebt und erreicht werden sollen.141 Bereits aus der Wahl jenes framework-protocol-Ansatzes wird somit deutlich, dass die Vertragsstaaten beider Konventionen keinesfalls beabsichtigten, sich zu konkreten und rechtsverbindlichen Maßnahmen zum Schutz des Klimas oder der Biodiversität zu verpflichten.142 Wenn überhaupt, so lassen sich höchstens dem operativen Teil der  Durner, Common Goods, S. 31 f.  Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a) ee) [Das CCM als Kurzformel substanzieller Schutzpflichten für bestimmte Umweltgüter]. 140  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) aa) und 2. a). 141  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) aa). Siehe außerdem allgemein zum framework approach die Ausführungen von Handl, 1 YIEL (1990), S. 1 (5). Siehe außerdem die exzellente Darstellung von Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (494). 142  Nach überwiegender Literaturauffassung gilt dies zumindest für die Klimarahmenkonvention, 138 139

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Klimarahmenkonvention  – allerdings sehr allgemein gehaltene  – Verpflichtungen entnehmen.143 Doch im operativen Konventionsteil wird der common concern-­ Begriff kein einziges Mal zitiert, obwohl dort in Art. 3 eine Reihe von Prinzipien aufgeführt ist, von denen sich die Vertragsparteien leiten lassen sollen. Diese allgemeinen Schutzpflichten der Vertragsstaaten aus dem operativen Konventionsteil als Rechtsfolge des CCM-Prinzips zu qualifizieren, das sich im räumlich separierten Präambelteil befindet, erscheint systematisch zumindest schwer verständlich, wenn nicht gar sinnlos. Diese systematische Schlussfolgerung wird noch dadurch unterfüttert, dass sich auch im zweiten Anwendungsfall des CCM – in der Biodiversitätskonvention – bloß im operativen Konventionsteil sehr allgemein formulierte Verpflichtungen finden, während der common concern-Begriff nur oben in der Präambel verankert, nicht aber unten im eigentlichen Vertragstext zitiert wird.144 Eigenständige substanzielle Schutzpflichten könnte das CCM-Prinzip überhaupt nur dann statuieren, wenn diese in einem engen Zusammenhang mit dem common concernBegriff in der jeweiligen Präambel niedergelegt wären. Eine solche Sichtweise erschiene aber wegen der üblicherweise unverbindlichen Funktion von Präambelvorschriften ohnehin wenig überzeugend; denn Normen von Präambeln referieren klassischerweise Hintergründe, Kontext und Zwecke eines völkerrechtlichen Übereinkommens und dienen daher im Allgemeinen nur der Auslegung des Übereinkommens selbst sowie der Ausfüllung von Lücken im eigentlichen Vertragstext im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung.145 Selbst wenn man die in der Präambel niedergelegte Pflicht der einzelnen Staaten zur Erhaltung der Biodiversität als eigenständige und verbindliche Schutzpflicht betrachtet, ergibt jedenfalls ihre systematische Trennung in verschiedene Absätze der Präambel, dass sie nicht aus dem CCM-Prinzip resultiert. Schließlich fügt sich eine Interpretation des common concern of humankind als ein Prinzip, das keine eigenständigen Schutzpflichten begründet, sondern zur Auslegung konkreter und rechtsverbindlicher Verpflichtungen heranzuziehen ist, nicht nur nahtlos in den framework-protocol-Ansatz seiner bisherigen Anwendungsfälle (Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention) ein. Eine solche Interpretation passt zudem wie maßgeschneidert zu dem Begriff allgemeiner Prinzipien und deren Funktion in der Praxis des Umweltvölkerrechts.146 Wie bereits aus den Erörterungen im Zweiten Teil der Arbeit hervorging, erhöht der framework-protocol-approach die Chancen auf einen Konsens der Staatengemeinschaft, indem er den Staaten ermöglicht, in einem fortlaufenden Konkretisierungsprozess schrittweise völkerrechtliche Instrumente zur Bekämpfung globaler Umdie als ursprünglicher Anwendungsfall des CCM-Prinzips gerade keine konkreten und rechtsverbindlichen Schutzpflichten für ihre Vertragsparteien begründen soll. Siehe statt vieler Durner, Common Goods, S. 257 und Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 ff. 143  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) dd). 144  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 2. a) aa) und bb). 145  Siehe dazu bereits weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) cc). Siehe außerdem Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (497); Haraszti, Some Fundamental Problems of the Law of Treaties, S. 106 f.; Mbengue, „Preamble“, in: MPEPIL online (2006), Rn. 3–6, abrufbar unter: www.mpepil.com 146  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 3. und 4.

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weltprobleme zu entwickeln.147 Auf diese Weise können Rahmenkonventionen eine Basis schaffen, auf welcher die Verabschiedung nachfolgender Protokolle mit konkreten Verpflichtungen aller Staaten zumindest wahrscheinlicher wird.148 In diesem sukzessiven Konkretisierungsprozess spielen völkerrechtliche Prinzipien, gerade ihrer „abstrakten Natur“ wegen, eine unentbehrliche praktische Rolle. Ein entscheidendes Begriffsmerkmal völkerrechtlicher Prinzipien besteht darin, dass sie selbst keine konkreten Rechte und Pflichten begründen und daher als solche nur sehr begrenzt operabel sind. Prinzipien abstrahieren vielmehr die in Regeln enthaltenen Rechte und Pflichten, weisen mithin ­einen höheren Generalitätsgrad als völkerrechtliche Regeln auf und sind daher als Leitlinien bei deren Auslegung heranzuziehen.149 Aufgrund dieser Eigenschaften sind sie geradezu dafür prädestiniert, jeweils einzeln oder in Verbindung mit anderen Prinzipien ein rechtliches und konzeptionelles Gerüst zu errichten, interpretative Leitlinien zur Entwicklung spezifischer und bindender Instrumente bereit zu stellen und den inhaltlichen Rahmen für bereits vorhandene und künftige völkerrechtliche Übereinkommen zu setzen.150 In dieser Rahmensetzungsfunktion kommt neben anderen allgemeinen Prinzipien des Umweltvölkerrechts insbesondere auch dem common concern of humankind-Prinzip bei der stufenweisen Bewältigung globaler Umweltprobleme mittels der geschilderten praktischen Vorzüge des framework-protocol-Ansatzes somit eine Schlüsselfunktion zu. Niedergelegt an der Spitze der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention leiten sie gleichsam als „Fixstern am Horizont“ den nachfolgenden Konkretisierungsprozess, in dessen Verlauf die völkerrechtlichen Regelungsinstrumente sodann meistens in mehreren Protokollen schrittweise angepasst, konkretisiert und präzisiert werden.151 Daher widerspräche die Auffassung, das CCM-Prinzip begründe in seinem Anwendungsbereich substanzielle Pflichten zum Schutz der betreffenden globalen Umweltgüter, nicht nur einer Auslegung des common concern of humankind nach den klassischen juristischen Auslegungsmethoden, sondern würde außerdem seiner praktischen Funktion als allgemeines Prinzip bei der Bekämpfung globaler Umweltprobleme nicht gerecht.

147  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) aa). Siehe auch Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (494): „The framework convention/protocol model (…) allows work to proceed in an incremental manner. (…) Lawmaking can thus proceed amidst great uncertainty“; Bothe, 63 ZaöRV (2003), S. 239 (240). 148  Siehe Dritter Teil, Kap.  IX. 1. b) aa). Siehe erneut Bodansky, 18 YJIL (1993), S.  451 (495). Siehe auch Bothe, 63 ZaöRV (2003), S. 239 (240): „(…) a framework convention, which contains only general commitments, thus leaving obligations which really hurt to a later phase“; siehe ferner die Ausführungen des Executive Director der UNEP, Mostafa Tolba, 1 IEA (1989), S.  304 (305): „By aiming in 1987 for what we could get the nations to sign (…) we aquired a flexible instrument for action (…). If we had reached too far at Montreal, we would have almost certainly have come away empty-handed.“ 149  Siehe zum Begriff des allgemeinen Prinzips im Umweltvölkerrecht die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIII. 1. a) cc). Siehe hierzu etwa Sands, Emerging Legal Principles, in: Lang, Sustainable Development and International Law, 53 (54 ff.); Kamto, RJE 1993, 11 (12 ff.); Cheng, Principles of Law, S. 376; Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 82. 150  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 3. Siehe ferner Durner, Common Goods, S. 23. 151  Ähnlich Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 461. Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3.

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Als wenig überzeugend erweist sich bei näherem Hinsehen außerdem jener Ansatz, nach welchem das CCM-Prinzip eine eigenständige Pflicht zur billigen Lastenverteilung bei der Bewältigung von globalen Umweltproblemen begründen soll.152 Zwar ist der common concern-Ansatz in der Tat von einem Streben nach Gerechtigkeit getragen, doch befasst er sich nicht so sehr mit einer Herstellung intragenerationeller Gerechtigkeit zwischen gegenwärtig existierenden Nationalstaaten, sondern zielt vielmehr darauf ab, die Idee einer intergenerationellen Gerechtigkeit gegenüber zukünftigen Menschheitsgenerationen zu verwirklichen.153 Insofern nimmt der CCM-Begriff eine andere Gerechtigkeitsperspektive ein als das herkömmliche Konzept der gerechten Lastenverteilung und auch als der common heritage-­Ansatz, der ja unter anderem auf eine gerechte Verteilung der Gewinne aus der Nutzung der jeweiligen staatsfreien Räume abzielt.154 Der intergenerationelle Gerechtigkeitsansatz lässt sich an den einschlägigen Völkerrechtsdokumenten zum common concern-Prinzip ablesen und liegt ihm daher als philosophisches Konzept zugrunde.155 Anhaltspunkte für eine positiv-völkerrechtliche Verpflichtung aller Staaten zu einer gerechten Lastenverteilung zwischen der gegenwärtigen und den künftigen Menschheitsgenerationen lassen sich diesem Konzept jedoch nicht entnehmen. Wenn überhaupt, so besteht höchstens eine moralische Pflicht, die globale Umwelt den künftigen Generationen in einem qualitativ vergleichbaren Zustand weiter zu reichen und ihr dadurch Gerechtigeit widerfahren zu lassen.156 Doch auch auf der positiv-völkerrechtlichen Ebene koexistieren CCM-Prinzip und das Konzept einer gerechten Lastenverteilung eigenständig nebeneinander und sind nicht sachlich miteinander verwoben. Dies zeigt bereits ein Blick auf die Vorarbeiten der UNEP-Expertengruppe im Vorfeld der Rio-Konferenz. Zwar kreiste dort die zweite Verhandlungsrunde im Wesentlichen um die Frage der Lastenverteilung.157 Doch wie sich aus dem umfangreichen Bericht von Trindade und Attard ergibt, wurde damals gerade sauber zwischen beiden Prinzipien unterschieden. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass nach Ansicht einiger Experten ein Durchbruch des common concern of humankind-Prinzips mit einer entsprechenden Anerkennung des Grundsatzes einer billigen Lastenverteilung stehen und fallen sollte: „(…) other experts went further in expressing the view that the success or failure of the very concept of common concern of mankind would ultimately depend on the recognition or acceptance of the principle of equitable sharing of burdens.“158  Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a) ff) [Das CCM als Konzept einer gerechten Lastenverteilung].  Siehe dazu die Nachweise im Ersten Teil, Vorbemerkung zu Kap.  I. sowie im Zweiten Teil, Kap. III. 1. b) cc) und 2. a) aa). 154  Siehe dazu Dritter Teil, Kap. VIII. 1. und 2. a) bb) (2). 155  Siehe zur Verankerung des intergenerationellen Ansatzes in der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention Zweiter Teil, Vorbemerkung zu Kap. IV. und zu den Theorieansätzen intergenerationeller Gerechtigkeit Kap. IX. 1. und 2. 156  Siehe dazu weiter oben, Zweiter Teil, Kap. V. 4 d). 157  Der UNEP-Workshop fand in der Zeit vom 13. bis zum 15. Dezember 1990 auf Malta statt. Unter den Teilnehmern befanden sich Regierungsvertreter, Experten von UNEP und Wissenschaftler sowie der IGH-Richter Manfred Lachs. Siehe zu diesem Workshop ausführlich Trindade/Allard, Implications of the CCM-Principle, in Iwama, Policies and Laws, S. 7 ff. Siehe außerdem Durner, Common Goods, S. 259. 158  Trindade/Attard, Implications of the CCM-Principle, in Iwama, Policies and Laws, S. 10. 152 153

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In der Tat spielte die Frage einer gerechten Lastenverteilung später sowohl in den Verhandlungen zur Klimarahmenkonvention als auch zur Biodiversitätskonvention eine bedeutende Rolle. In beiden Fällen machten die Entwicklungsländer geltend, die Industrieländer hätten als Hauptverursacher des Klimawandels bzw. des Artensterbens einen größeren Beitrag bei der Bekämpfung des jeweiligen Umweltproblems zu leisten. Umgekehrt dürften die Entwicklungsländer nicht zu stark belastet werden, damit ihre sozio-ökonomische Entwicklung nicht gehemmt werde. Allerdings schlugen sich diese Forderungen in dem Prinzip der „common but differentiated responsibilities“ nieder, das seinen Ausdruck in einer Reihe von Klauseln in den Präambeln der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention findet, die das finanzielle und technologische „Nord-Süd-Gefälle“ berücksichtigen und das Fundament für eine Differenzierung zwischen den Umweltschutzverpflichtungen von Industrie- und Entwicklungsländern legen.159 Somit dürfte die Verwirklichung einer gerechten Lastenverteilung wohl eher Primärziel des Prinzips „gemeinsamer, aber unterschiedlicher Verantwortlichkeiten“ sein, das lediglich von den Entwicklungsländern mit dem common concern-Begriff politisch verknüpft wurde.160 Seine Verankerung in beiden Konventionen war mithin ein Zugeständnis an die Entwicklungsländer und diente bloß als „Vehikel“, um den common concern-Begriff und seine juristischen Implikationen konsensfähig zu machen. Insofern war auch das Prinzip der „common but differentiated responsibilities“ mit seinem Ziel einer gerechten Lastenverteilung nicht etwa Rechtsfolge, sondern  – wie Brunnée so anschaulich wie zutreffend bemerkt hat  – gewissermaßen „Kehrseite“ des common concern-Prinzips.161 eine systematische Auslegung sowohl der Klimarahmenkonvention als auch der Biodiversitätskonvention bestätigt, dass die Begriffe common concern of humankind und common but differentiated responsibilities zwar in der Verhandlungsgeschichte beider Konventionen politisch miteinander verbunden waren, es sich allerdings bei ihnen um zwei eigenständige Prinzipien mit unterschiedlichen Inhalten handelt, deren Gemeinsamkeit sich letztlich auf das Wort „common“ beschränken dürfte.162 Sowohl in der Klimarahmenkonvention als auch in der Biodiversitätskonvention wurden zwar beide Prinzipien in der Präambel verankert, dort dann aber in getrennten Absätzen niedergelegt. Im operativen Teil beider Konventionen wurde zwar jeweils der Grundsatz der „common but differentiated responsibilities“ eigenständig aufgeführt, nicht aber das common concern-Prinzip.163 Daher vermag auch die Auffassung, das Prinzip des common concern of humankind  Siehe dazu Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) cc) [Klimarahmenkonvention] sowie Kap. IX. 2. a). aa) [Biodiversitätskonvention]. 160  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 259. 161  Brunnée, common concern, S. 566: „(…) [W]hereas common heritage regimes are concerned with equitable sharing of benefits, common concern regimes focus on equitable sharing of burdens of cooperation and problem solving. These considerations are encapsulated in the concept of common but differentiated responsibilities, which may fairly be described as the flipside of the concept of common concern“. Ihr folgend French, Common concern and common heritage, in: Bowman/ Davies/Goodwin (Hrsg.), Biodiversity and Law, S. 334 (339). 162  So Durner, Common Goods, S. 259. 163  Siehe zum Ganzen auch Durner, Common Goods, S. 259, der ebenfalls mit dieser naheliegenden systematischen Auslegung argumentiert. 159

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sei ein bloßer Teilaspekt des „Grundsatzes der gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortlichkeit der Staaten bei der Bewältigung von Umweltproblemen“,164 nicht zu überzeugen. Schließlich gelingt es auch dem Ansatz von Biermann165 nicht, einen überzeugenden Vorschlag für die rechtliche Bedeutung des CCM-Prinzips zu unterbreiten. Was die Fragen des Technologietransfers, der Durchsetzung von vertraglichen Verpflichtungen und der Entstehung von raschem Völkergewohnheitsrecht mit dem von der Staatengemeinschaft entwickelten Begriff des common concern zu tun haben sollen, belässt Biermann im nebulösen Bereich der puren Spekulation. Insgesamt krankt der Ansatz des Politologen Biermann daran, dass er so manche rein umweltund entwicklungspolitisch durchaus wünschenswerte Forderung erhebt, ohne deren Berechtigung jedoch mit tragenden völkerrechtlichen Argumenten zu untermauern. So hebt Biermann das Institut des „instant customary law“ de facto aus den Angeln, indem er auf die Voraussetzung einer einheitlichen Staatenpraxis im Kontext von existenziellen Umweltproblemen mit dem pragmatischen Hinweis darauf verzichten will, das „Warten“ auf einen solchen „betätigten völkerrechtlichen Konsens“ sei umweltpolitisch ineffektiv. Auch vermag Biermann letztlich nicht zu erhellen, aus welchen völkerrechtlichen Gründen das CCM-Prinzip eine Vielzahl von Maßnahmen gegen einzelne Staaten zur Durchsetzung umweltbezogener Solidaritätspflichten legitimieren soll. Auch der Ansatz von Krohn, der ebenfalls eine Vielzahl verschiedener Aspekte miteinander verknüpft und das CCM schließlich auf einen Anwendungsfall des völkerrechtlichen Vertrauensprinzips reduziert,166 vermag seine völkerrechtliche Bedeutung nicht hinreichend schlüssig und überzeugend zu begründen. Zwar leitet Krohn in ihrem recht vielschichtigen Ansatz zutreffend aus der Entstehungsgeschichte des common concern-Prinzips dessen Eigenständigkeit gegenüber dem common heritage ab.167 Auch beschreibt sie richtigerweise dessen Rolle bei der ­Bewältigung von Umweltproblemen, die sich aus der Nutzung von Ressourcen im Territorium der Nationalstaaten ergeben, die in ihren Folgen jedoch die gesamte Menschheit betreffen.168 Doch leidet ihr Ansatz in den übrigen Punkten daran, dass er aus diesen richtigen Beobachtungen allzu oberflächliche Schlussfolgerungen auf die völkerrechtliche Bedeutung des common concern-Prinzips zieht. So stellt Krohn wenig überzeugend „Verknüpfungen“ des CCM-Prinzips mit „Einzelaspekten“ wie der „internationalen Solidarität“, dem „Gedanken der intergenerativen Gerechtigkeit“ und den „common but differentiated responsibilities“ her,169 ohne diese näher zu begründen oder gar ihr Verhältnis zum common concern of humankind zu erläu Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a) cc) [Das CCM als bloßer Teilaspekt der „common but differentiated responsibilities“]. 165  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 1. h). 166  Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a) ii) [Das CCM als Anwendungsfall des völkerrechtlichen Vertrauensprinzips (Krohn)]. 167  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 277 ff. und 291 f. 168  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 277. 169  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 279, 285 und 288. 164

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tern und eine rechtliche Konsequenz daraus abzuleiten. Sodann beobachtet Krohn zwar richtigerweise, dass „common concern“-Pflichten auf eine Sicherung der menschlichen Lebensgrundlagen abzielen, ihre Einordnung als erga omnes-­ Verpflichtungen sich daher in die Rechtsprechung des IGH im Barcelona Traction-­ Fall einfügen und der Bedeutung der common concern-Problembereiche gerecht würde.170 Doch verwirft sie anschließend eine erga omnes-Wirkung des CCM mit der wenig überzeugenden Begründung, weder die Klimarahmen- noch die Biodiversitätskonvention würden spezifische Vorgaben zum Normvollzug beinhalten,171 obgleich dies ihrer Qualifizierung als Staatengemeinschaftsnorm mit erga omnes-­ Effekt grundsätzlich nicht entgegensteht. Des Weiteren krankt der Ansatz von Krohn daran, dass er eine erga omnes-­ Rechtswirkung des CCM mit dem Argument verneint, es gebe bisher keinen völkerrechtlichen Vertrag, der den Aspekt des common concern als allgemeinverbindlich für sämtliche globale Umweltprobleme erkläre, die von nationalstaatlichen Territorien ausgehen würden, sodass das CCM bislang „noch nicht als Bestandteil der allgemeinen Umweltvölkerrechtsordnung anzusehen“ sei.172 Damit stellt Krohn allerdings zu hohe Anforderungen an die Existenz eines umweltvölkerrechtlichen Prinzips, die an den Realitäten des nach wie vor staatenzentrierten Völkerrechts vorbeigehen dürften; denn bei ihrer Einschätzung ignoriert Krohn die Tatsache, dass der globale Umweltschutz infolge des permanenten Gerangels unter den Nationalstaaten um Souveränität, geostrategische Vorteile, wirtschaftlichen Einfluss und Wohlstand bis heute fragmentarisch geblieben ist. Es gibt kein allgemeines Verbot globaler Umweltbelastungen. Und auch in der bisherigen Entwicklung des common concern of humankind mit seiner Anerkennung beim Klima- und Artenschutz einerseits und seiner Ablehnung im Wald- und Bodenschutz andererseits spiegelt sich wider, dass nur vereinzelte globale Naturgüter Schritt für Schritt in den Genuss ­eines völkerrechtlichen Umweltschutzes kommen.173 Dass Krohn den Prinzipiencharakter des common concern mangels universaler Anwendbarkeit verneint, ist insofern überraschend und inkonsistent, als sie an anderer Stelle die Rechtsgültigkeit des common heritage-Prinzips nicht infrage stellt, obwohl Krohn selbst das CHM-Prinzip ausdrücklich nur auf den Tiefseeboden und den Weltraum, nicht aber auf sämtliche staatsfreien Räume anwenden will.174 Schließlich bleibt unklar, weshalb Krohn die gewohnheitsrechtliche Geltung des common concern of humankind kurzerhand ablehnt,175 obwohl diese angesichts der von ihr selbst zusammen getra Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S.  287: „Nach der Rechtsprechung des IGH im Barcelona-Traction-Fall zeichnen sich „Erga-omnes“-Pflichten dadurch aus, daß sie gegenüber der Staatengemeinschaft als Ganzer bestehen. (…) „Common-concern“-Pflichten, die der Sicherung der Lebensgrundlagen der Menschheit dienen, erfüllen diese Voraussetzungen, so dass ihre Einordnung als „Erga-omnes“-Regelungen den Vorgaben des IGH entsprechen würde.“ 171  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 287. 172  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 290. 173  Siehe dazu die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XI. 3. c) cc). 174  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 272–277. 175  Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S. 291. 170

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genen Fülle an Staatenpraxis zumindest diskutabel erscheint. Angesichts dieser Unstimmigkeiten im Konzept von Krohn vermag auch ihre Schlussfolgerung, das common concern-Prinzip könne „nur“ unter dem Aspekt des „Estoppel“-Prinzips begrenzte rechtliche Wirkung entfalten, nicht hinreichend zu überzeugen. Sodann ist die Auffassung, die den Begriff des common concern of humankind mit einem „kollektiven Menschenrecht auf eine gesunde Umwelt“ zu verknüpfen versucht,176 zu Recht dem naheliegenden Einwand ausgesetzt, dass eine derartige Verknüpfung sich nicht auf die einschlägigen Völkerrechtsdokumente zum CCM stützen lässt und daher nicht dem erklärten Willen der Staatengemeinschaft entspricht. Zwar haben die Vertraagsstaaten inzwischen in der Präambel zum Pariser Abkommen aus dem Jahr 2015 festgeschrieben, dass sie infolge der Anerkennung des Klimawandels als common concern of humankind ihrerseits gehalten sind, „ihre jeweiligen Verpflichtungen bei der Bekämpfung des Klimawandels zu achten, zu fördern und zu berücksichtigen“.177 Insofern haben die Vertragsstaaten in der Tat erstmals den common concern of humankind-Begriff unmittelbar mit einem Schutz von Menschenrechten verknüpft, wie dies für die Bekämpfung des Klimawandels bereits oftmals gefordert wurde.178 Allerdings liefert diese Passage in der Präambel des Pariser Abkommens einen weiteren Beleg gegen den common concern Begriff als Quelle für ein derartiges „Menschenrecht der dritten Dimension“. Bei genauerem Hinsehen haben die Vertragsstaaten mit jener Formulierung sogar nochmals bekräftigt, dass sich aus dem common concern of humankind ein individuell einklagbares „kollektives Menschenrecht auf eine gesunde Umwelt“ gerade nicht ­ableiten lässt. Die Vertragsstaaten haben ausschließlich bekräftigt, „bei der Bekämpfung des Klimawandels“ die bereits vorhandenen Menschenrechte zu achten, zu fördern und zu berücksichtigen. In der Reihe der Ein Menschenrecht auf eine gesunde Umwelt haben die Vertragsstaaten dabei nicht erwähnt. Selbst Boyle als prominenter Vertreter dieser Auffassung räumt ein, dass die Vertragsstaaten mit dem Wortlaut in jener Präambelpassage die Menschenrechte keinesfalls in das Pariser Abkommen inkorporiert oder gar einen besonderen Schutzstandard für die Beachtung der Menschenrechte im Rahmen des Klimaschutzes begründet hätten.179 Vielmehr liefere das Abkommen – im Gegenteil – gleich meh Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a) jj) [common concern of humankind als „Menschenrecht der Dritten Dimension“]. 177  Im Wortlaut heißt es in Abs. 11 der Präambel zum Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.) heißt es: „Acknowledging that climate change is a common concern of humankind, Parties should, when taking action to address climate change, respect, promote and consider their respective obligations on human rights, the right to health, the rights of indigenous peoples, local communities, migrants, children, persomns with disabilities and people in vulnerable situations and the right to development, as well as gender equality, empowerment of women and intergenerational equity (…)“ (Hervorhebung vom Verfasser). Siehe dazu bereits weiter oben, Vierter Teil, Kap. IV. 1. a) jj). 178  Knox, 33 Harvard Environmental Law Review (2009), S. 477 ff.; Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone (Hrsg.), International, S. 12; Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (797–800).  179  Boyle, 67 ICLQ (2018), S. 759 (769): „To suggest that it brings about a ‚true incorporation of human rights into the Paris Agreement‘ is wide off the mark“. Ähnlich zuvor bereits Klein, in: 176

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rere Anhaltspunkte für einen bloß abgeschwächten Menschenrechtsschutz:180 Erstens würden die Menschenrechte bloß in der Präambel und nicht im operativen Teil des Akommens erwähnt.181 Zweitens würden hätten sich die Vertragsstaaten im Wortlaut nur zu einem „should“ als Absichtserklärung statt eines „shall“ als wechselseitiger Verpflichtungserklärung durchringen.182 Drittens hätten die Vertragsstaaten eben nur erklärt, die Menschenrecht „zu achten, zu fördern und zu berücksichtigen“ und nicht – wie sonst bei Menschenrechtserklärungen – sich verpflichtet, sie zu „erfüllen“ und zu „schützen“.183 Die Prämbel des Pariser Abkommens  – so Boyle184 – sei wahrlich „kein Triumph für Menschenrechtler“. Doch halten die meisten Autoren, die bei der Bekämpfung globaler Umweltprobleme für einen menschenrechtlichen Ansatz plädieren, ohnehin keine explizite Bezugnahme auf den common concern of humankind-Wortlaut für erforderlich. Sie argumentieren stattdessen lediglich mit einem engen sachlichen Zusammenhang zwischen common concern-Ansatz und internationalem Menschenrechtsschutz sowie der parallelen Entwicklung beider Konzepte im modernen Völkerrecht und ihrer gemeinsamen Stoßrichtung.185 Statt ausschließlich auf die fehlende Verankerung eines common concern-Menschenrechts zu verweisen, soll deshalb erst nach einem sorgfältigen  – exkursartigen  – Blick auf den Begriff und die Entwicklungsgeschichte jener „kollektiven Menschenrechtsdimension“ beantwortet werden, ob und inwieweit sich mit jener Argumentation aus dem common concern of humankind-­ Begriff überhaupt ein derartiges „Menschenrecht der Dritten Dimension auf eine gesunde Umwelt“ ergeben könnte. Der Begriff der „Menschenrechte“ zählt zu den völkerrechtlichen und politischen Schlüsselwörtern unserer Tage. Ihm kommt im Ringen um Überzeugungen und reales politisches Handeln eine entscheidende Rolle zu. Allerdings steht die Selbstverständlichkeit, mit welcher der Menschenrechtsbegriff oftmals im politischen Alltag verwandt wird, in eklatantem Widerspruch zu den Mühen, die seine genaue Bestimmung bereitet. In Lehrbüchern, Lexika und Enzyklopädien werden Menschenrechte häufig als „vorstaatliche Rechte“ umschrieben, die „dem Menschen als solchem kraft seines Wissens als Träger höchster geistiger und sittlicher Werte zukommen“ und „durch Positivierung in der staatlichen oder zwischenstaatlichen Rechtsordnung nur anerkannt und umschrieben, nicht jedoch verliehen werKlein, Carazo, Doelle, Bulmer, Higham (Hrsg.), The Paris Agreement on Climate Change, S. 115. Boyle, 67 ICLQ (2018), S. 759 (769). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Schröder, 1 EurUP (2018), S. 86 (92) und Vöneky/Beck, in: Proelß (Hrsg), Internationales Umweltrecht, S. 165 Rn. 74a und Rajamani, Human Rights in the Climate Change Regime, in: Knox/Pejan (Hrsg), The Human Right to a Healthy Environment, S. 236 ff. 180  Boyle, 67 ICLQ (2018), S. 759 (770). 181  Boyle, 67 ICLQ (2018), S. 759 (770). 182  Boyle, 67 ICLQ (2018), S. 759 (770). 183  Boyle, 67 ICLQ (2018), S. 759 (770). 184  Boyle, 67 ICLQ (2018), S. 759 (770): „This preamble is not a triumph for the human rights lawyers“. 185  Siehe vor allem Trindade, in: Brown Weiss (Hrsg.), Environmental Change, S. 244 (253 f.) und Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (797–800).

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den können“;186 zumeist werden sie als „gleichsam angeborene, unveräußerliche Rechte“ verstanden, „die jedem als menschlichem Wesen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu Staaten oder gar einer staatlichen Verleihung“,187 gewissermaßen „von Natur aus“ zustehen.188 Den Ausgangspunkt aller Menschenrechte bildet demnach die Würde des Menschen, die als unveräußerlich postuliert wird und sich etwa in der Kant’schen „Autonomie des Menschen“ oder konkret in Art. 1 des Deutschen Grundgesetzes widerspiegelt.189 Obgleich der Begriff der Menschenwürde wiederum trotz 2500-jähriger Philosophiegeschichte einen schwerlich definierbaren Begriff darstellt, so bedeutet die Anbindung der Menschenrechte an die Menschenwürde doch zumindest, dass Menschenrechte jeder gesetzgeberischen Beliebigkeit entzogen sind.190 Außerdem lassen sich Individualbezug, naturrechtliche Grundlegung und Vorstaatlichkeit der Menschenrechte sowie deren Unveräußerlichkeit und universale Geltungskraft als Merkmale einer Begriffsbestimmung herauspräpieren. Lässt sich der Grundbegriff der Menschenrechte somit noch einigermaßen definieren, so begegnet die Konstruktion eines kollektiven common concern-­ Menschenrechts dem Einwand, die sogenannten Menschenrechte der Dritten Generation würden selbst (noch) nicht über einen hohen Grad an juristischer Präzision verfügen. Bevor die Frage nach einem etwaigen umweltbezogenen Menschenrecht der Dritten Dimension näher erörtert wird, soll daher zunächst das Konzept der Menschenrechte der Dritten Dimension kurz skizziert werden. Zuvor bedarf es allerdings einer Begriffsklärung: In der Literatur wird zumeist von den drei Generationen der Menschenrechte gesprochen.191 Diese Formulierung ist allerdings zumindest irreführend,192 weil sie impliziert, eine „Generation“ von Menschenrechten werde durch die nachfolgende gleichsam „abgelöst“.193 In der völkerrechtlichen Literatur194 und Praxis195 besteht allerdings Einigkeit darüber, dass sämtliche Men Friesenhahn, Menschenrechte, in: Strupp-Schlochauer, WV II, S. 504.  Oestreich, Idee der Menschenrechte, S. 7. 188  Fetcher, Menschenrechte, S. 559. 189  Riedel, EuGRZ 1989, S. 9 (10). 190  Barthel, Dritte Generation, S. 20. 191  Zu einer weiteren Verwirrung trägt etwa Durner, Common Goods, S. 254 bei, indem er ausführt, nach der hier besprochenen Auffassung „könne common concern als ‚Grundrecht der dritten Generation‘ Rechte für künftige Generationen aufstellen (…)“. 192  Ähnlich Partsch, Enforcement, S.  25 und Riedel, EuGRZ 1989, S.  11, die die Formulierung Generationen gar für „entlarvend“ hält. 193  Hierauf weisen ebenfalls bereits Alston, 29 NILR (1982), S.  307 (312), Partsch, 29 GYIL (1986), S. 598 und Riedel, EuGRZ 1989, S. 9 (11) hin. 194  Siehe statt vieler nur Drzewicki, 53 NJIL (1984), S.  26; Marauhn, FS Zezschwitz, S.  243 (249 f.); Tietje, Internationales Wirtschaftsrecht, S. 30 ff.; siehe neuerdings kritisch Pollmann, Die Menschenrechte, teilbar und ungleichgewichtig, in: Lohmann (Hrsg.), Die Menschenrechte, unteilbar und gleichgewichtig?, S. 29 (32 ff.). 195  Siehe zunächst im Abschlussdokument der ersten von der UN veranstalteten Internationalen Konferenz für Menschenrechte: Proclamation of Teheran, Final Act of the International Conference on Human Rights, Teheran, 22.04.–13.05.1968, UN Doc. A/CONF.32/41, Ziff. 13: „Since human rights and fundamental freedoms are indivisible, (…)“. Siehe zudem SS-80/Conf. 806/4: 186 187

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schenrechte nicht teilbar sind, sondern sich vielmehr komplementär ergänzen.196 Um diesem Menschenrechtsverständnis Ausdruck zu verleihen, wird in den folgenden Ausführungen der präzisere Begriff der Menschenrechtsdimensionen verwandt. Das Konzept der dreidimensionalen Menschenrechte geht zu einem großen Anteil auf Vorarbeiten des Völkerrechtlers Karel Vasak aus dem Jahre 1974 zurück,197 die dieser im Rahmen der zehnten Studienperiode des Internationalen Menschenrechtsinstituts in Straßburg im Jahre 1979 einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machte.198 Diesem Konzept liegt eine historische Betrachtungsweise zugrunde, welche die Wandlungen der Menschenrechtsforderungen von der innerstaatlichen zur völkerrechtlichen Schutzebene nachzeichnet und die Geschichte der Menschenrechtsentwicklung in verschiedene Phasen einzuteilen sucht, um hierdurch die Offenheit und Flexibilität des Menschenrechtskonzeptes für neue Problemlagen darzulegen.199 Nach dieser Lehre von den Drittdimensionsrechten200 führten im ausgehenden 18. Jahrhundert im Gefolge der philosophischen Vorgeschichte der Aufklärung die Ereignisse der Amerikanischen und Französischen Revolution zur Herausbildung der klassischen staatsbürgerlichen und politischen Freiheitsrechte  – der sogenannten ersten Dimension der Menschenrechte, die gemeinhin als „Abwehrrechte“ apostrophiert werden, weil sie das Individuum vor staatlichen Übergriffen schützen sollen, indem sie staatlichem Handeln Schranken auferlegen.201 Der Missbrauch dieser Freiheitsrechte auf Kosten der „Besitzlosen“ im politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich führte im Zuge der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts zur Entstehung der zweiten Menschenrechtsdimension. Angetrieben durch die Notwendigkeit, die soziale Frage auch rechtlich zu bewältigen, und inspiriert durch die ­sozialistische Philosophie von Karl Marx verlangt diese neue Menschenrechts­ kategorie nach einer staatlichen Intervention zur Verbesserung der sozialen Lebensgestaltung. Diese wirtschaftlichen, sozialen und kulturelle Rechte werden zudem oftmals als „Teilhaberechte“ bezeichnet, da ihre Verwirklichung eines aktiven staatlichen Handelns bedarf, auf welches das einzelne Individuum aufgrund der Gleich-

Unesco Colloquium on the New Human Rights, Mexico City 12.–15.08.1980, Final Report, S. 30. Siehe im Abschlussdokument der Wiener Weltkonferenz für Menschenrechte, Vienna Declaration and Programme of Action, World Conference on Human Rights, Vienna 14.06.–25.06.1993, UN Doc. A/CONF.157/23, Ziff. 5 : „All human rights are universal, indivisible and interdependent and interrelated.“ (Hervorhebungen vom Verfasser). 196  So auch bereits Vasak, Pour une troisiéme, S. 843. 197  Vasak, Le droit international des droits de l’homme, in Recueil des Cours de l’Academie de Droit International, Vol. IV, 1974, S. 333–415. 198  Vasak, For the Third Generation of Human Rights: The Rights of Solidarity; Inaugural Lecture to the Tenth Study Session of the International Institute of Human Rights, Strasbourg, 2–27 July 1979, S. 3. 199  Riedel, EuGRZ 1989, S. 9 (11); Barthel, Dritte Generation, S. 35. 200  Vasak, A 30-year struggle, in: UNESCO Courier 1977, S. 29; Marks, 33 Rutgers Law Review (1981), S. 501; Riedel, EuGRZ 1989, S. 9 (12). 201  Barthel, Dritte Generation, S. 35; Hobe, ZUR 1994, S. 15 (17); Riedel, EuGRZ 1989, S. 9 (10, 11).

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berechtigung aller Staatsbürger einen Anspruch haben soll.202 Die Menschenrechte dieser ersten beiden Dimensionen bilden den allgemein anerkannten Kernbestand des „Menschenrechtskosmos“ und haben ihren rechtlichen Niederschlag in den beiden Menschenrechtspakten der Vereinten Nationen gefunden.203 Seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist nunmehr die Forderung nach einer neuen, einer „Dritten Dimension von Menschenrechten“ laut geworden. Die beiden vorgenannten Dimensionen der Menschenrechte würden – so die Befürworter dieser Idee204 – menschlichen Bedürfnissen und globalen Anliegen der postkolonialen Ära nicht hinreichend gerecht.205 Sie seien nicht ausreichend flexibel und dynamisch, um die globalen und komplexen Menschheitsprobleme der Moderne umfassend zu bewältigen.206 Ausgangspunkt und Entstehungsgrund der Drittdimensionsrechte ist somit – ähnlich wie im Falle des common concern of humankind – die Erkenntnis, dass internationale Staatenwelt, Völker, Gruppen und Einzelpersonen durch ein wachsendes Netz ökonomischer und ökologischer Interdependenz miteinander verwoben sind,207 weshalb die meisten Probleme, deren Lösung für das Überleben der Menschheit notwendig ist, globale Probleme sind208 und deshalb auch nur durch enge Zusammenarbeit auf internationaler Ebene zu lösen sein werden.209 Hauptmerkmal der „Menschenrechte Dritter Dimension“ ist demzufolge ebenfalls der Solidaritätsgedanke.210 Ihr prominentester Fürsprecher Karel Vasak – häufig als „Erfinder“ der Menschenrechte Dritter Dimension bezeichnet – sieht den grundsätzlich neuartigen Charakter der Solidaritätsrechte darin, dass sie die globalen Menschheitsprobleme der Moderne – Armut, Kriege, Hunger und Umweltzerstörung – adressieren, die sich vor allen Dingen dadurch von den bisherigen Gegenständen des Menschenrechtsschutzes unterscheiden, dass deren Lösung nur im solidarischen Zusammenwirken aller Sozialpartner – Individuum, Staat, öffentliche und private  Barthel, Dritte Generation, S. 35; Hobe, ZUR 1994, S. 15 (17); Riedel, EuGRZ 1989, S. 9 (10, 11).  Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (19. Dezember 1966) und Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (19. Dezember 1966), in: Simma, Menschenrechte – Ihr Internationaler Schutz, S. 22–38 und S. 60–68. 204  Vasak, A 30-year struggle, in: UNESCO Courier 1977, S. 29; Marks, 33 Rutgers Law Review (1981), S. 501. 205  So ausdrücklich Vasak, Les differentes catégories, S. 302 (303). 206  Hobe, ZUR 1994, S. 15 (17). 207  Zu dieser Einsicht führten nach weit verbreiteter Auffassung im völkerrechtlichen Schrifttum vor allen Dingen die Erfahrung zweier Weltkriege, das Begreifen der „apokalyptischen“ Zerstörungskraft moderner Waffensysteme und das Bewusstwerden der Knappheit vieler natürlicher Ressourcen, vgl. etwa Klein, Statusverträge, S. 56; Stocker, Common Heritage, S. 16 und Kornicker, ius cogens, S. 36. 208  Zu nennen sind insbesondere Klimaschutz, Zerstörung der Ozonschicht, Friedenssicherung durch Rüstungskontrolle im Weltraum, globale Rohstoffverteilung in Bezug auf die staatsfreien Räume sowie die Kontrolle des Bevölkerungswachstums. 209  So etwa auch Bleckmann, Allgemeines Staats- und Völkerrecht, S. 54 f. und S. 737; Klein, Statusverträge, S. 54; Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 792 f. und 794.; Kornicker, ius cogens, S. 36 f.; Simma, 250 RdC (1994), S. 244. 210  Marks, 33 Rutgers Law Review (1980–1981), S.  435 (441). Vgl. zum Solidaritätsgedanken Scheuner, Solidarität. 202

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Körperschaften und die internationale Gemeinschaft  – überhaupt als möglich erscheint.211 Daher sei – in Anlehnung an die Terminologie der Französischen Revolution  – dem bestehenden Menschenrechtskatalog nach den Aspekten der liberté und der egalité nun die Kategorie der solidarité hinzuzufügen, um auf diese Weise das Konzept der internationalen Menschenrechte in jene neuen Bereiche hineinzutragen, die bislang den einzelnen Staaten vorbehalten waren.212 Das Konzept der Drittdimensionsrechte  – so etwa Haquani  – ziele darauf ab, „ein Ensemble von Regeln und Prinzipien“ zu schaffen, „denen zufolge der Mensch, sei es als Einzelperson oder als Mitglied des Sozialkörpers (Staat, Nation, Volk) soweit wie möglich Anspruch auf freie Entfaltung und Entwicklung seiner Persönlichkeit und Befriedigung seiner für die Würde der menschlichen Person unerlässlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse hat“.213 Auch im Bereich der Vereinten Nationen wurde wiederholt hervorgehoben, nur durch die Anerkennung einer Pflicht zur internationalen Solidarität und Kooperation könne ein wirklicher und nachhaltiger Fortschritt bei der Verwirklichung der Menschenrechte erzielt werden.214 Das Besondere an den Drittdimensionsrechten soll in der Verquickung von individuellen und kollektiven Komponenten liegen, die mit neuen „Staatenrechten“ verkoppelt werden, sodass sich nach dieser neuen Konzeption nicht nur Individuen und Gruppen auf Menschenrechte berufen können, sondern auch Völkerschaften und Staaten.215 Drittdimensionsrechte bündeln folglich gleichsam als „Dach“- oder „Syntheserechte“ individuelle, kollektive und „Staatenrechte eigener Art“.216 Ohne Zweifel besteht daher ein enger „teleologischer Zusammenhang“ zwischen jenen Solidaritätsrechten der Dritten Dimension und den Prinzipien des common concern und des common heritage, die letztlich ebenfalls über einen staatengemeinschaftsrechtlichen Ansatz auf dem Gedanken einer globalen Solidarität beruhen. So verwundert es nicht, dass als internationale Solidaritätsrechte nicht nur das Recht des Menschen auf Frieden, Entwicklung, Selbstbestimmung und angemessene Nahrung217 im Gespräch sind, sondern eben auch Menschenrechte der Dritten Dimension auf eine gesunde Umwelt sowie auf Teilhabe am gemeinsamen Erbe der Menschheit postuliert werden.218

 Vasak, For the Third Generation of Human Rights: The Rights of Solidarity; Inaugural Lecture to the Tenth Study Session of the International Institute of Human Rights, Strasbourg, 2–27 July 1979, S. 3. 212  Vasak, For the Third Generation of Human Rights: The Rights of Solidarity; Inaugural Lecture to the Tenth Study Session of the International Institute of Human Rights, Strasbourg, 2–27 July 1979, S. 9. 213  Haquani, Le droit au développement: fondements et sources, in: The Right to Development at the International Level, Hague Workshop 1979, S. 22 ff. 214  E/CN. 4/1334 v. 2. Januar 1979, Para. 39 (ii) und Para. 42–45. 215  So Riedel, EuGRZ 1989, S. 9 (13). 216  So Hobe, ZUR 1994, S. 15 (17); ähnlich Riedel, EuGRZ 1989, S. 9 (13). 217  Siehe hierzu Paul, Das Menschenrecht auf Nahrung, in: Lebensmittelrecht in Deutschland und Brasilien, Schriften der Deutsch-Brasilianischen Juristenvereinigung (2007), Band 35, S. 35. 218  Siehe dazu kritisch Hobe, ZUR 1994, S. 15 (17 f.). 211

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Gegen eine Verknüpfung des common concern-Ansatzes mit den Drittdimensionsrechten spricht allerdings weiterhin, dass der Sinn und Zweck jener Menschenrechte der Dritten Dimension selber nicht ohne Widerspruch geblieben sind, sondern vielmehr eine grundlegende Kontroverse über ihre Notwendigkeit ausgelöst haben.219 Wer sich mit der Thematik einer Dritten Dimension von Menschenrechten befassen möchte, muss zunächst die Frage beantworten, ob, und wenn ja, weshalb es solcher „neuer“ Menschenrechte überhaupt bedarf. So wird in der Literatur häufig kritisiert, Menschenrechte verlören durch ihre Ausweitung auf eine Dritte Dimension an der für ihre Durchsetzbarkeit erforderlichen Präzision.220 Der Begriff der Menschenrechte werde zu häufig zur Verleihung größeren Nachdrucks vorschnell für verschiedenartige Konzepte fruchtbar gemacht;221 eine solche „Inflationierung“ der Menschenrechtsidee222 drohe letztlich die besondere Bedeutung der Menschenrechte im engeren Sinne zu verwässern.223 Gelegentlich wird gar eingewandt, es handele sich bei dem Konzept der Drittgenerationsrechte vor allen Dingen um einen Machthebel zur Durchsetzung von Interessen der Entwicklungsländer gegen die Industrieländer.224 Zudem vermindere jedes „neue“ Menschenrecht die Aufmerksamkeit, die den bereits anerkannten und garantierten Menschenrechten zuteil werden müsse.225 Schließlich wird insbesondere mit Blick auf jenes „kollektive Menschenrecht auf gesunde Umwelt“ eingewandt, ein derartiges Recht würde dem bereits existierenden Umweltvölkerrecht nichts Neues hinzufügen. Zwar habe es zweifellos „rhetorische Kraft“. Angesichts eines internationalen Umweltrechts, das gerade über Konzepte wie common concern und common interest zunehmend globale Interdependenzen berücksichtige, seien menschenrechtliche Solidaritätsrechte im Bereich des globalen Umweltschutzes jedoch allzu redundant.226 Zunächst ist zu konstatieren, dass die Formulierung neuer Menschenrechte selbstverständlich nicht von der Realisierung der bereits anerkannten Menschenrechte ablenken darf. Allerdings spricht der tatsächliche Verlauf der bisherigen Diskussion über die Menschenrechte der Dritten Dimension gegen eine solche Entwicklung. Im Zuge dieser Diskussion sind bereits einige wertvolle Einsichten in die strukturellen Ursachenzusammenhänge von Menschenrechtsverletzungen gewonnen worden, deren Verwertung für die Realisierung der bereits anerkannten Men Siehe statt vieler die kritischen Stimmen von Alston, 29 NJIL (1982), 317 (312 ff.) und ders., 78 AJIL (1984), S. 607 ff. sowie Klein, Eck., Third Generation, S. 63 (66). 220  Siehe vor allem Alston, 29 NILR (1982), S. 307 (312 ff.); Shelton, 28 Stanford Journal of International Law (1991–1992), S. 103 (121); Klein, Eck., Third Generation, S. 63 (66, 72, 73); Riedel, EuGRZ 1989, S. 9 (14); kritisch auch Tomuschat, Rights of Peoples, S. 337. 221  Alston, 29 NILR (1982), S. 307 (312). 222  Kühnhardt, Universalität, S. 323; Barthel, Dritte Generation, S. 32. 223  Siehe Brunnée, Entwicklungen, S. 144; Riedel, Menschenrechtsstandards, S. 241; Shelton, 28 Stanford Journal of International Law (1991–1992), S. 103 (121); Alston, 29 NILR (1982), S. 307 (312); Klein, Eck., Third Generation, S. 63 (66). 224  Siehe etwa Gräfrath, Neue Justiz 1982, S. 197 ff. 225  Partsch, VN 1986, S. 159. 226  Siehe auch Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone (Hrsg.), International Law, S. 12 f.; ähnlich ders., 42 EPL (2012), S. 333 (337). 219

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schenrechte von großem Nutzen sein dürfte.227 Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass etwa das „Menschenrecht auf Entwicklung“ nach dem Konzept der Drittdimensionsrechte als „Synthese aller bisherigen Individual-Menschenrechte“ entworfen wurde, welches gerade darauf ausgelegt ist, diese gebündelt auf mehreren Ebenen zu verwirklichen.228 Demnach setzt sich das Recht auf Entwicklung aus den individuellen Komponenten der Rechte auf Leben, auf ein angemessenes Minimum auf Nahrung, Nahrung, Kleidung, Wohnraum und medizinische Versorgung, auf ein Minimum an garantierter Sicherheit und Unverletzlichkeit der Person, auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit und Teilhabe zusammen, wobei Letzteres als zur Ausübung der zuvor genannten Rechte unerlässlich erachtet wird.229 Auf seiner kollektiven Ebene verleiht das Recht auf Entwicklung neben den Individuen auch Gruppen und Völkerschaften die Trägerschaft dieser Rechte; und schließlich ermöglicht das Menschenrecht auf Entwicklung als Staatenrecht sui generis etwa den Entwicklungsländern die Berufung auf solidarische Unterstützung durch die Industrieländer.230 Aus alledem ergibt sich, dass die Formulierung neuer Menschenrechte im Rahmen des Drittdimensionskonzeptes keinesfalls zwangsläufig die Aufmerksamkeit für die bisher anerkannten Menschenrechte vermindern dürfte, sondern vielmehr darauf abzielt, durch die Entwicklung und juristische Präzisierung der Drittdimensionsrechte die Rahmenbedingungen für die Realisierung der bisherigen Menschenrechte der ersten beiden Dimensionen zu verbessern. Des Weiteren spiegelt sich in der Forderung nach einer neuen Generation von Menschenrechten ein weiterer, für die dynamische Tradition des Menschenrechtskonzeptes typischer Wesenszug wider: Menschenrechte sind „Forderungen und Ansprüche auf die Zukunft, die geschichtlich gewachsen sind und politisch stets über den positiv-­rechtlich gewährleisteten Gehalt hinausreichen“.231 Gerade hierin liegt ihr „revolutionäres Potential“.232 Wer kritisiert, die Forderungen nach neuen Menschenrechten seien letztlich kaum erfüllbar, würden unrealistische Hoffnungen schüren und damit die gesamte Menschenrechtsidee auf die Ebene der utopischen Wünsche und Forderungen verlagern,233 übersieht den dynamischen und zukunftsgerichteten Charakter der Menschenrechtstradition. Allerdings ist den Kritikern des Drittdimensionskonzeptes durchaus darin beizupflichten, dass eine allzu vorschnelle Gleichsetzung von elementaren Grundbedürfnissen mit universal gültigen und unverfügbaren Menschenrechten die Gefahr in sich birgt, die „Währung“ der anerkannten Menschenrechtsgarantien zu entwerten.234 Tatsächlich wird die Liste der Rechte, die in den Rang eines Menschenrechts  So zu Recht Barthel, Dritte Generation, S. 33.  Riedel, EuGRZ 1989, S. 9 (14); Klein, Eck., Third Generation, S. 63 (65); Hobe, ZUR 1994, S. 15 (17). 229  Riedel, Menschenrechtsstandards, S. 222; ders., EuGRZ 1989, S. 9 (14). 230  Riedel. EuGRZ 1989, S. 9 (14). 231  Riedel, Menschenrechtsstandards, S. 327 f. 232  Riedel, Menschenrechtsstandards, S. 328 f. 233  So stellvertretend für die meisten Kritiker Alston, 29 NILR (1982), S. 307 (315). 234  So Alston, 29 NJIL (1982), S. 307 (322). 227 228

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aufsteigen sollen, von Jahr zu Jahr länger.235 Darunter finden sich gar so exotische Forderungen wie jene der „World Tourism Organisation“ nach Anerkennung eines Menschenrechts auf Tourismus.236 Um der Gefahr der Inflationierung und damit der Aushöhlung des Menschenrechtskonzeptes wirksam zu begegnen, sollten strenge Maßstäbe angelegt werden, um gleichsam eine „Qualitätskontrolle“ bei der Entwicklung „neuer Menschenrechte“ zu gewährleisten.237 Zwar stellt das menschliche Grundbedürfnis nach einer gesunden Umwelt einen fundamental wichtigen sozialen Wert dar, über dessen Schutzbedürftigkeit sich ein hohes Maß an Konsens erzielen lässt.238 Auch dürfte seine Qualifizierung als Menschenrecht nicht mit den bereits anerkannten Menschenrechten unvereinbar sein.239 Höchst zweifelhaft ist allerdings, ob und inwieweit ein Menschenrecht der Dritten Dimension auf eine gesunde Umwelt inhaltlich und umfänglich nach der völkerrechtlichen lex lata hinreichend präzise gefasst ist, um durchsetzbare Rechte und Pflichten begründen zu können.240 Zwar existieren Menschenrechte grundsätzlich unabhängig von staatlicher oder zwischenstaatlicher Verleihung. Der Akt der Positivierung durch ein völkerrechtliches Menschenrechtsdokument ist mithin nicht konstituierend für die bloße Existenz eines Menschenrechts, das mit anderen Worten folglich auch dann existiert, wenn es nicht positiviert wurde. Gleichwohl besteht kein ernsthafter Zweifel daran, dass Menschenrechte der Positivierung bedürfen, um juristische Wirkung zu erlangen,241 weshalb ihnen nach Riedel eine „Verrechtlichungstendenz“ innewohnt.242 Wie mehrere historische Untersuchungen zur Menschenrechtsgenese belegen, war der neuzeitliche Durchbruch der Menschenrechtsidee vor allen Dingen auf deren verfassungsmäßige Verankerung in völkerrechtlichen Verträgen sowie ­darauf zurück zu führen, dass Menschenrechte inhaltlich klar gefasst waren und daher verfassungspolitisch in einklagbare Rechtsansprüche umgesetzt werden konnten.243 Zum gegenwärtigen Zeitpunkt finden sich kaum verbindliche völkerrechtliche Dokumente, die Menschenrechte dritter Dimension ausdrücklich anerkennen. Hieraus auf ihre Nicht-Existenz zu schließen, wie dies von Kritikern der „neuen“ Menschenrechte oftmals getan wird, greift zwar zu kurz; denn der Rückblick auf die Geschichte der Menschenrechte lehrt, dass man dies zu einem bestimmten Zeitpunkt von allen mittlerweile positivierten Menschenrechten hätte behaupten können, die schließlich auch nicht als „fertige Rechtssätze“ das Licht der  Siehe die kritische Zusammenstellung aller bisher als Menschenrechte vorgeschlagener Grundbedürfnisse bei Alston, 78 AJIL (1984), S. 607 (610). 236  Alston, 78 AJIL (1984), S. 607 (611). 237  So Alston, 78 AJIL (1984), S. 607; ähnlich auch Klein, Eck., Third Generation, S. 63 (73) sowie Barthel, Dritte Generation, S. 33; Shelton, Stanford Journal of International Law, S. 103 (121); Klein, Eck., Third Generation, S. 73. 238  Klein, Eck., Third Generation, S. 73; Alston, 78 AJIL (1984), S. 607 (611). 239  Alston, 78 AJIL (1984), S. 607 (611); Klein, Eck., Third Generation, S. 73. 240  Klein, Eck., Third Generation, S. 73; Alston, 78 AJIL (1984), S. 607 (611). 241  Kriele, Menschenrechte, S. 13; Barthel, Dritte Generation, S. 20. 242  Riedel, EuGRZ 1989, S. 9 (10). 243  Kühnhardt, Universalität, S. 71; ähnlich Barthel, Dritte Generation, S. 20. 235

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Welt erblickt haben. Doch gilt es in diesem Zusammenhang stets zwischen zwei Ebenen zu unterscheiden, die oftmals miteinander verwechselt zu werden drohen: die Ebene der Positivierung von Menschenrechten und die ihr zugrunde liegende ethisch-moralische Ebene. Ziel eines Konzepts der Drittgenerationenrechte muss die juristische Durchsetzbarkeit bleiben, da nur sie eine wirksame Realisierung der Menschenrechte gewährleisten kann.244 Mangels entsprechender Positivierung sind die kollektiven Menschenrechte dritter Dimension noch weit entfernt von jedweder Einklagbarkeit.245 So findet sich ein explizites Menschenrecht auf eine gesunde Umwelt nur in sehr wenigen unverbindlichen Völkerrechtsdokumenten.246 Vereinzelt gibt es völkerrechtliche Verträge, in denen ein solches Recht verankert wurde.247 Auffällig ist allerdings auch, dass in vielen völkerrechtlichen Dokumenten eine zunächst erwogene Aufnahme des Menschenrechts auf eine gesunde Umwelt später aufgrund der zu großen Meinungsverschiedenheiten unter den Staatenvertretern wieder fallen gelassen wurde.248 So wurde etwa zunächst eine Erweiterung der EMRK oder der Europäischen Sozialcharta um ein entsprechendes Zusatzprotokoll vorgeschlagen und ausgearbeitet, letztendlich aber nicht weiter verfolgt.249 Insgesamt taucht das Menschenrecht auf gesunde Umwelt in neueren Völkerrechtsdokumenten nicht mehr auf. So wurde ein Menschenrecht auf gesunde Umwelt in Grundsatz 1 der Umwelterklärung von Stockholm aus dem Jahre 1972 verankert, ein entsprechendes Recht aber nicht in die Rio-Deklaration aus dem Jahre 1992 aufgenommen.250 Ausdrücklichen Niederschlag im Sinne eines Drittgenerationsrechtes hat ein Recht auf angemessene Umweltbedingungen nur in Art. 24 der African Charter of Human and People’s Rights gefunden, wo es heißt: „All peoples shall have the right to a general satisfactory environment favorable to their environment.“ Weder die Stockholmer Erklärung noch der lediglich regionale Ansatz der afrikanischen Charta weisen jedoch die Verbindlichkeit und Präzision auf, die eine Ableitung eines Menschenrechts auf gesunde Umwelt gestatten würde. Sie liefern allenfalls Indizien für Kriterien und Gesichtspunkte, aus denen sich in Zukunft ein solches Recht auf Umweltschutz in Gestalt eines Menschenrechts der dritten Dimension ergeben könnte. Somit scheitert die Auffassung, die aus dem common concern of  So Barthel, Dritte Generation, S. 23.  Siehe Riedel, EuGRZ 1989, S. 9 (20); Brunnée, Entwicklungen, S. 140 f.; Hobe, ZUR 1994, S. 15 (17 f.) und Barthel, Dritte Generation, S. 23. 246  Declaration of the UN Conference on the Human Environment vom 5. Juni 1972 (Stockholm), Prinzip 1 Satz 1, 1. Halbsatz; Legal Principles for Environmental Protection and Sustainable Development, Art. 1, abgedruckt in: Hohmann, Basic Documents, Band 1, S. 21 ff. 247  Additional Protocol to the American Convention on Human Rights in the Area of Economic, Social and Cultural Rights (Art. 11 I), vom 14. November , 1988, in: 28 ILM (1989), S. 161 ff.; African Charter on Human and People’s Rights (Art. 24), vom 24. Juni 1981, in: 21 ILM (1982), S. 58 ff. 248  So Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 336. 249  Siehe dazu Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S.  336; Rauschning, FS Weber, S.  719 (726  ff.); Klein, FS von Simson, S. 251 (254 f.); Brunnée, Entwicklungen, S. 140 f. 250  Ähnlich Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 336 und in Fn. 75. 244 245

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humankind ein kollektives Menschenrecht der Dritten Dimension abzuleiten versucht, bereits daran, dass de lege lata nicht von der Existenz eines völkerrechtlichen Menschenrechts auf saubere Umwelt ausgegangen werden kann.251 Selbst wenn es bereits ein derartiges Menschenrecht gäbe, so ließe es sich jedenfalls nicht aus dem common concern-Konzept herleiten, da diese Verknüpfung in den einschlägigen völkerrechtlichen Dokumenten keinen Widerhall findet. Weder in den zahlreichen einschlägigen UN-Klimaresolutionen noch in den Präambelteilen der Klimarahmen- und der Biodiversitätskonvention ist ausdrücklich von einem „Menschenrecht“ die Rede,252 sodass der einzige gemeinsame Referenzpunkt von CCM und den kollektiven Menschenrechten das Wort „Menschheit“ (mankind) zu sein scheint. Insbesondere nehmen die Präambeln beider Konventionen keinen Bezug auf jenen Art. 1 der Stockholm Declaration, in welchem ein Menschenrecht auf gesunde Umwelt ausdrücklich anerkannt wurde, obwohl beide Präambeln ansonsten Prinzip 21 der Stockholm Declaration ausdrücklich zitieren. Nach alledem spricht eine Vielzahl gewichtiger Gründe gegen die Ableitung eines kollektiven Menschenrechts der dritten Dimension aus dem common concern of humankind-­ Begriff. Ebenso wenig vermag schließlich die Auffassung zu überzeugen, der Begriff common concern könne Rechte für künftige Generationen begründen.253 Zwar liegt ein Streben nach intergenerationeller Gerechtigkeit dem common concern of humankind-­Ansatz als philosophisches Konzept zugrunde, wie ein Blick zurück auf die Entstehungsgeschichte des common concern-Begriffs im Beringsee-Robenstreit aus dem Jahr 1893 zeigt254 und wie sich an den einschlägigen ­Völkerrechtsdokumenten eindeutig ablesen lässt.255 Allerdings gilt es, sorgsam zwischen den Ebenen philosophischer Spekulation einerseits und dem geltenden Völkerrecht andererseits zu unterscheiden.256 Bereits der Wortlaut, in welchen der intergenerationelle Ansatz sowohl in der Klimarahmen- als auch in der Biodiversitätskonvention eingekleidet wurde, spricht dafür, dass der common concern-Ansatz nicht positiv-­völkerrechtliche Rechtspositionen zukünftiger Generationen begründet, sondern vielmehr eine intergenerationelle Gerechtigkeit nur als ethisches Ideal anstrebt. So ist in beiden Konventionen nie die Rede von „Rechten“ der zukünftigen oder  – umgekehrt  – von „Pflichten“ der gegenwärtigen Menschheitsgeneration. Stattdessen erklären die Vertragsstaaten in der Präambel zur Klimarahmenkonvention lediglich ihre „Ab-

 So auch bereits Hobe, ZUR 1994, S. 15 (17 f.) m.w.N.  Das sieht auch Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone (Hrsg.), International Law, S. 12: „Resolution 43/53 contains nothing as explicit as this, however. It makes no reference to individual rights (…)“. Ähnlich ders., 42 EPL (2012), S. 333 (337). 253  Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a) kk) [Das CCM als Grundlage für Eigenrechte zukünftiger Generationen]. 254  Siehe Dritter Teil, Kap. VII. 1. 255  Siehe Zweiter Teil, Einleitung vor Kap. IV. 256  Siehe oben Erster Teil, Kap. II., Zweiter Teil, Kap. I. 2. e) und Kap. II. 5.; siehe auch bereits Kloepfer, Umweltrecht, S. 812. Siehe ferner neuerdings Cottier, Equity in International Law, in: Cottier, Lalani, Siziba (Hrsg.), Intergenerational Equity, S. 12, 27. 251 252

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sicht“, das Klima für gegenwärtige und zukünftige Generationen zu schützen.257 In ähnlich unverbindlicher Weise heißt es in Art. 3 der Klimarahmenkonvention bloß, die Vertragsparteien „sollen“ das Klimasystem für künftige Generationen schützen.258 Auch nach dem Pariser Abkommen von 2015 soll die Bekämpfung des Klimawandels der „Gerechtigkeit zwischen den Generationen“ dienen.259 Und schließlich „beabsichtigen“ auch die Vertragsparteien der Biodiversitätskonvention ausweislich ihrer Präambel lediglich, die Biodiversität „zugunsten gegenwärtiger und zukünftiger Generationen“ zu schützen und nachhaltig zu nutzen.260 In diesem Wortlaut spiegelt sich die Auffassung der im Vorfeld der Rio-Konferenz mit der Präzisierung des CCM-Begriffs beauftragten UNEP-Expertengruppe wider, die letztlich zu dem Ergebnis gelangte, die gegenwärtige Generation treffe bloß eine moralische Pflicht, die globale Umwelt den künftigen Generationen in einem qualitativ vergleichbaren Zustand weiter zu reichen und ihr dadurch Gerechtigeit widerfahren zu lassen.261 Nachdem die Expertengruppe dem CCM-Prinzip zunächst durchaus neben einer räumlichen Dimension auch einen Bezug zu künftigen Generationen beigemessen hatte, verwarf sie diesen Aspekt recht bald wieder, da sie eine Menschheitsgeneration als Völkerrechtssubjekt für schwerlich vorstellbar hielt.262 In der Tat lässt sich kaum begründen, weshalb eine „zukünftige Menschheit“ Völkerrechtssubjektivität besitzen soll, wenn diese noch nicht einmal der gegenwärtigen Menschheit zugesprochen wird.263 Überhaupt stößt die Konstruktion von Rechten zukünftiger Generationen bereits als solche auf schier unüberwindbare rechtstheoretische und praktische Schwierigkeiten. Ungeborene Menschen können noch keine hinreichend greifbaren Bedürfnisse und Interessen haben.264 Sie sind (noch) keine konkreten Rechtssubjekte, können folglich nicht Träger von Rechten und Pflichten sein.265 Selbst wenn man ihnen zugestehen würde, eigene Rechte be Klimarahmenkonvention, 31 ILM 1992, 851 (852), Abs. 23 der Präambel: „Determined to protect the climate system for present and future generations (…)“. (Hervorhebung vom Verfasser). 258  Klimarahmenkonvention, 31 ILM 1992, 851 (854): „the parties should protect the climate system for the benefit of present and future generations of humankind“. (Hervorhebung vom Verfasser). 259  Abs. 11 der Präambel zum Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.) heißt es: „Acknowledging that climate change is a common concern of humankind, Parties should, when taking action to address climate change, respect, promote and consider their respective obligations on human rights (…) and intergenerational equity (…)“ (Hervorhebung vom Verfasser). 260  Biodiversitätskonvention, 31 ILM 1992, 818 (823): „determined to conserve and sustainably use biological diversity for the benefit of present and future generations“. (Hervorhebung vom Verfasser). 261  Trindade/Attard, The Implications of the „Common Concern of Mankind“ Concept, S. 8. 262  Siehe Horn, 1 MqJICEL (2004), S. 233, (248). Siehe zum moralischen Postulat intergenerationeller Gerechtigkeit die Ausführungen weiter oben, Zweiter Teil, V. 4. 263  Siehe u.  a. Krohn, Bewahrung tropischer Regenwälder, S.  265; Wolfrum, 43 ZaöRV (1983), S. 318 und Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 148 ff. 264  So Appel, Zukunftsvorsorge, S. 74. 265  Partridge, Responsibilies to Future Generations, S.  203  ff.; Macklin, Future Generations, S.  151  ff.; Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S.  84; Birnbacher, Verantwortung für zukünftige Generationen, S.  98  ff.; Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl.,  S.  211  f. Ähnlich neuerdings 257

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reits inne zu haben, so könnten sie diese jedenfalls nicht gerichtlich geltend machen.266 Künftigen Generationen subjektive Rechte zuzugestehen, die zudem ­rechtlich anerkannt und geschützt werden, lässt sich – so auch Vöneky und Beck – dogmatisch schwerlich begründen, da jene potenziellen Rechtsträger der künftigen Generation heute noch nicht leben „und nach ihrer Geburt ihrerseits Mitglieder der dann gegenwärtigen Generation und nicht mehr ‚zukünftig‘ sein werden“.267 An dieser Stelle drängt sich eine Parallele zu der Debatte über sogenannte Eigenrechte der Natur auf, im Zuge derer einige Vertreter des ökozentrischen Weltbildes so weit gegangen sind, der Natur nicht nur in moralischer Hinsicht einen Eigenwert zuzugestehen, sondern auch auf der positiv-völkerrechtlichen Ebene Eigenrechte der Natur zu begründen;268 denn auch diese Konstruktion stößt auf ähnliche rechtstheoretische Widerstände. Im Kern wird sie überwiegend abgelehnt, da Recht von Menschen für Menschen geschaffen werde und daher jedes Rechtssystem in jeder Hinsicht vom Menschen definiert und daher auch auf den Menschen ausgerichtet ist.269 Zudem setze die Eigenrechte-Konzeption eine grundsätzliche Gleichwertigkeit von Mensch und Natur voraus, die nur schwerlich mit der rechtlichen Sonderstellung des Menschen in Einklang zu bringen sei, in welcher sich letztlich jene Anthropozentrik widerspiegele, der das Recht nicht entrinnen könne.270 In einer Rechtsordnung, die vor allem auch ein soziales Bezugssystem ist, „hat die Natur nicht nur deshalb keinen originären Platz, weil sie ihre Belange nicht authentisch Cottier, Equity in International Law, in: Cottier, Lalani, Siziba (Hrsg.), Intergenerational Equity, S. 12: „In death, persons are essentially devoid of rights (…). Likewise, the unconceived and unborn are outside oft he realm of law. General International Law does not protect legitimate expectations of future generations except by treaties and instruments particularly seeking to safeguard their interests. Similarly, plant and animals not in existence enjoy protection only to the extent that legal instruments are particularly created to this effect (…)“. 266  Unnerstall, Rechte zukünftiger Generationen, S.  52  ff.; Birnie/Boyle, International Law, 1. Aufl., S. 211 f.; Gethmann, Langzeitverantwortung als ethisches Problem, S. 1 ff. Ähnlich neuerdings Vöneky/Beck, Umweltschutz und Menschenrechte, in: Proelß (Hrsg.), Internationales Umweltrecht, S. 176 f. Rn. 102: „Die Verwendung des Bbegriffs ‚Rechte‘ künftiger Generationen ist vor diesem Hintergrund irreführend, da es einen tatsächlich gar nicht bestehenden Anspruch suggeriert, der jedenfalls von den ‚Rechtsträgern‘ auch gar nicht durchgesetzt werden könnte“. 267  Vöneky/Beck, Umweltschutz und Menschenrechte, in: Proelß (Hrsg.), Internationales Umweltrecht, S. 176 Rn. 102. 268  Siehe dazu Zweiter Teil, Kap. IV. 2. e). Aus dem Schrifttum statt vieler nur Stone, 45 Southern Californian Law Review (1972), S. 450 ff. 269  So vor allem Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S.  345; siehe aber auch Bock, Umweltschutz, S. 220 f.; Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 50; ähnlich Appel, Zukunftsvorsorge, S. 67 f. Ähnlich neuerdings Cottier, Equity in International Law, in: Cottier, Lalani, Siziba (Hrsg.), Intergenerational Equity, S. 11: „Law as a homocentric concept relates to the living. It adresses status, rights and oligations of humans being alive“. 270  So Hofmann, JZ 1988, S. 277; Appel, Zukunftsvorsorge, S. 67. Ähnlich neuerdings Spier, Philosophy, Law and Environmental Crisis, in: Papaux/Zurbuchen (Hrsg.), Intergenerational Equity: an aspiration or an effective weapon?, S. 77: „Obligations towards and rights of future generations is a fascinating topic. But at the end of the day, we cannot escape answering the core question: does it work and do we need it? My very brief analysis seems to suggest that the answer is in the negative“.

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vor Gericht vertreten kann, sondern vielmehr weil sie als moralisches Subjekt ausscheidet“.271 „Umweltschutz ist ein genuin humanes Projekt“272 und Rechtssubjektivität lässt sich grundsätzlich nur Wesen zusprechen, die „zumindest potentiell aktiv die Rechtsordnung handhaben können“.273 Sowohl ungeborene Menschen als auch die Natur als solche scheiden daher von vornherein als Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten aus. Über diese Problematik musste sich daher auch das aufsehenerregende Urteil des Supreme Court der Philippinen in der Sache Oposa et al. v. Secretary of the Department of Environment and Natural Resources vom 30. Juli 1993274 hinweghelfen, indem es den jeweils gegenwärtigen Generationen eine Prozessstandschaft für zukünftige Menschen verlieh. Diesem weltweit bislang einzigen Gerichtsurteil, das künftigen Generationen eigene Rechte zugestand, lag folgender Sachverhalt zugrunde: Um der fortschreitenden Abholzung der tropischen Wälder auf den Philippinen Einhalt zu gebieten, hatte eine Gruppe von 35 Minderjährigen, vertreten durch ihre Eltern, eine Verbandsbeschwerde gegen die zuständige Umweltbehörde eingereicht, welche darauf abzielte, die Aufhebung aller bestehenden Lizenzen zur Abholzung des Tropenwaldes zu erreichen sowie die künftige Vergabe entsprechender neuer Bewilligungen zu verhindern. Die Beschwerdeführer beriefen sich auf die umweltzerstörende Wirkung der Waldabholzung und betonten insbesondere, mit ihrer Beschwerde nicht nur die Interessen ihrer eigenen, sondern auch jene künftiger, noch nicht geborener Generationen wahrzunehmen. Der Supreme Court befand, die Beschwerdeführer seien aufgrund des Konzepts der „intergenerational ­responsibility“ dazu legitimiert, ihre Beschwerde auch im Namen künftiger Generationen zu erheben. Es sei „needless to say, every generation has a responsibility to the next to preserve that rhythm and harmony for the full enjoyment of a balanced and healthful ecology“.275 Allerdings handelt es sich hierbei lediglich um ein einzelnes nationales Gerichtsurteil. Von einem internationalen Gericht sind künftigen Generationen bislang keine positiv-völkerrechtlichen Rechte zuerkannt worden. Zwar hat in der Zwischenzeit sogar der IGH in seinem Nuklearwaffen-Fall die Interessen ungeborener Menschheitsgenerationen angesprochen und dies bereits kurze Zeit später im Gabcikovo-Nagymaros-Fall bestätigt;276 von juristisch einklagbaren  Wolf, Der ökologische Rechtsstaat, S. 57, 63. Ähnlich Kloepfer, Anthropozentrik versus Ökozentrik, S. 9 f.; siehe auch Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 70. 272  Wolf, Der ökologische Rechtsstaat, S.  64 und Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 69. 273  Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 345. 274  Minors Oposa v. Secretary of the Department of Environment and Natural Resources (Supreme Court of the Philippines), v. 30. Juli 1993, abgedruckt in: 33 ILM (1994), S. 173 ff. 275  Minors Oposa v. Secretary of the Department of Environment and Natural Resources (Supreme Court of the Philippines), v. 30. Juli 1993, abgedruckt in: 33 ILM (1994), S. 175 f. 276  Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, ICJ Reports 1996, S. 241 f. Z. 29: „(…) the environment is not an abstraction but represents the living space, the quality of life and the very health of human beings, including generations unborn.“ Diesen Standpunkt wiederholt der IGH in Case Concerning The Gabcikovo-Nagymaros Project (Hungary vs. Slovakia), ICJ Reports 1997, Z. 53 und 112. 271

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Rechtspositionen war dabei allerdings nicht die Rede. Somit findet die Auffassung, das common concern of humankind-Prinzip begründe Rechte künftiger Generationen weder eine Stütze in den einschlägigen Völkerrechtsdokumenten noch vermag sie – jedenfalls im gegenwärtigem Stadium des Völkerrechts – brauchbare Rechtsfolgen anzubieten und ist daher abzulehnen. Allein die Auffassung, nach welcher die common concern of humankind-Formel den bereits existierenden umweltbezogenen Rechtspflichten einen erga omnes-Charakter verleiht,277 schlägt eine genuin völkerrechtliche Wirkung des Prinzips vor, die zum einen im Einklang mit juristischen Auslegungsmethoden steht und zum anderen von der Staatenpraxis gestützt wird. Bereits der Wortlaut common concern of mankind legt nahe, dass die UN-Generalversammlung in ihrer Resolution 43/53 terminologisch bewusst an die Ausführungen des IGH in seinem Barcelona Traction-­Urteil anknüpfen wollte, wonach Verpflichtungen erga omnes wirken, sofern sie ihrer Natur nach ein „concern to all States“ sind.278 Auch die Entstehungsgeschichte des CCM spricht für seine erga omnes-Wirkung: Bereits unmittelbar nachdem die UN-Generalversammlung im Jahre 1989 den Klimawandel und seine nachteiligen Auswirkungen als common concern of mankind qualifiziert hatte, deutete Kirgis diese Terminologie unter Rückgriff auf die Barcelona Traction-­Rechtsprechung des IGH als erga omnes-Konzept.279 Anschließend prägte diese Auffassung von vornherein die Arbeit der UNEP-Expertengruppe, als diese im ­Vorfeld der Rio-Konferenz die schillernde common concern-Terminologie zu klären versuchte.280 Konsequenterweise zog sich die erga omnes-Deutung des CCM wie ein roter Faden durch den UNEP-Schlussbericht, der ab 1990 allen bedeutenden Akteuren der internationalen Umweltpolitik vorlag, sodass eine solche Auslegung des Begriffs common concern of mankind bereits damals naheliegend erschien.281 Die Interpretation des common concern-Begriffs als Ausdruck ­eines überragenden Staatengemeinschaftsinteresses am Klimaschutz mit erga omnes-Wirkung wurde somit gewissermaßen zur „Geschäftsgrundlage“ für die Ver­ wendung der CCM-­Formel auf der nachfolgenden Rio-Konferenz im Jahre 1992.282 Folglich deutet ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des CCM darauf hin, dass es den UN-­Mitgliedsstaaten bzw. den Vertragsstaaten der Klimarahmen- und Biodiversi Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a) gg) [common concern of humankind als Ausdruck eines Staatengemeinschaftsinteresses und Grundlage von erga omnes-Verpflichtungen]. 278  „An essential distinction should be drawn between the obligations of a state towards the international community as a whole and those vis-á-vis another State in the field of diplomatic protection. By their very nature the former are the concern of all States. In view of the importance of the rights involved, all States can be held to have a legal interest in their protection; they are obligations erga omnes (…)“, IGH, Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company (Belgium v.Spain), Judgement on 5 February 1970, I.C.J. Reports 1970, S. 4, 32. Siehe zur erga omnes-Rechtsprechung des IGH weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIII. 1. a) aa). 279  Kirgis, 84 AJIL (1990), S. 525 ff. 280  So auch Durner, Common Goods, S. 260. 281  Ähnlich Durner, Common Goods, S. 260; auch Schachter, 178 RdC (1982 V), S. 9–396 verwandte bereits 1982 den Begriff des common concern als Synonym für erga omnes-Verpflichtungen. 282  Siehe zu dieser historischen Deutung die Ausführungen von Durner, Common Goods, S. 260. 277

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tätskonvention darum ging, ein gemeinsames Interesse am jeweiligen globalen Umweltproblem zu artikulieren und dass sie infolgedessen von einer erga omnes-Wirkung des common concern of humankind ausgingen. Neben dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des common concern-­ Begriffs spricht bei systematischer Betrachtung auch die Verortung des Prinzips in den Präambeln der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention für seine erga omnes-­Rechtswirkung. „Vorsprüche“ zu einer Konvention können zwar im Einzelfall bereits existierendes Gewohnheitsrecht bestätigen.283 Doch sind sie für sich genommen rechtlich unverbindlich und werden grundsätzlich nur herangezogen, um den eigentlichen Vertragstext des jeweiligen Übereinkommens auszulegen.284 Somit spricht auch der von den Vertragsstaaten in beiden bisherigen Anwendungsfällen konsistent gewählte Standort der common concern-Passage in den Präambeln dafür, dass die Staaten nicht etwa eigenständige Pflichten begründen, sondern vielmehr bloß anerkennen und bestätigen wollten, dass die in den Übereinkommen niedergelegten Rechtspflichten erga omnes gelten. Ein erga omnes-Effekt des CCM löst außerdem ein Kernproblem, das sich gerade bei der Bekämpfung globaler Umweltbelastungen wie dem Klimawandel und seinen nachteiligen Auswirkungen in besonderem Maße stellt. Globale Umweltbeeinträchtigungen zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Ursprung zwar in einem oder in mehreren Staaten liegt, ihre Folgen sich aber nicht nur in einem anderen Staat oder in einem staatsfreien Raum bemerkbar machen, sondern die Erde in ihrer Gesamtheit betreffen.285 Zwar verbietet bereits das gewohnheitsrechtlich anerkannte Prinzip 21 den Nationalstaaten, ein Verhalten (zu dulden), das sich auf die Umwelt in den Territorien anderer Nationalstaaten oder in den staatsfreien Räumen nachteilig auswirkt. Doch wird aufgrund der Komplexität des globalen Klimasystems ein klagender Staat im Einzelfall schwerlich den Nachweis führen können, dass ein anderer (beklagter) Staat etwa durch die Nichterfüllung seiner CO2-Reduk­ tionsverpflichtungen messbar zum Klimawandel beigetragen hat und sich dieser wiederum messbar nachteilig auf die Umwelt des Klägerstaates ausgewirkt hat. Genau in diese Lücke im Rechtsschutz gegen globale Umweltbeeinträchtigungen stößt nun die erga omnes-Konstruktion des common concern of humankind, indem sie allen (Vertrags-)Staaten das Recht gewährt, auch ohne unmittelbare subjektive Betroffenheit die Einhaltung und Durchsetzung der völkerrechtlichen Klimaschutzvorgaben einzufordern.286 Ohne nachweisen zu müssen, dass der Verstoß eines oder  Zu dieser gerade auch für die vorliegende Untersuchung eminent wichtigen Funktion der Präambel als Beleg für eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung durch die Staatenpraxis siehe die Ausführungen von Treviranus, Preamble, in: EPIL VII, S. 393 f. Siehe dazu außerdem weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIII. 4. a). 284  Siehe Treviranus, Preamble, in: EPIL VII, S. 393 f. und Durner, Common Goods, S. 49. 285  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. a). Wie bereits aufgezeigt werden konnte, lassen sich die oben diskutierten Phänomene des Klimawandels, des Artensterbens, des Waldsterbens und der Wüstenbildung unter jene Definition einer „globalen Umweltbelastung“ subsumieren. Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. b) aa)–ee). 286  Zu dieser Rechtsfolge der erga omnes-Verpflichtungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XV. 1. a) bb) (c). 283

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mehrerer Staaten gegen die CO2-Reduktionsverpflichtungen aus der Klimarahmenkonvention und dem Kyoto-Protokoll kausal zu Umweltbeeinträchtigungen auf ihrem eigenen Territorium geführt hat, könnte jeder (Vertrags-)Staat somit Rechtsschutz vor dem IGH suchen. Hilfsweise könnten alle (Vertrags-)Staaten gegebenenfalls sogar jeweils entsprechende Repressalien verüben und auf diese Weise das klimagefährdende Verhalten sanktionieren, um den Verletzerstaat zur Erfüllung seiner CO2-Reduktionsverpflichtungen zu bewegen. Mit einem erga omnes-Effekt des common concern of humankind ließe sich gewissermaßen ein neuralgischer Punkt des globalen Umweltschutzes „therapieren“, der zum einen aus einer Diskrepanz zwischen der örtlichen Reichweite der nationalstaatlichen Regelungen und des komplexen Sachproblems „globale Umweltbelastung“ resultiert und zum anderen eine Folge der dezentralen Völkerrechtsordnung ist, die es den Nationalstaaten erlaubt, sich in ihren Souveränitätspanzer zurück zu ziehen.287 Daher führt die Auffassung, das CCM-Prinzip verleihe den Umweltschutzpflichten der Klimarahmen- und der Biodiversitätskonvention einen erga omnes-Charakter, letztlich zu einem sinnvollen Ergebnis, das bei teleologischer Betrachtung dem Zweck entspricht, den die UN-Mitgliedsstaaten mit der Schaffung des common concern of humankind-­Begriffs verfolgt haben dürften. Des Weiteren stünde diese Sichtweise auch im Einklang mit dem erga omnes-­ Konzept, das der IGH im Barcelona Traction-Urteil entwickelt hat. In seiner mittlerweile berühmten Passage hat der Gerichtshof ausgeführt, es gebe neben den relativen Verpflichtungen zwischen einzelnen Staaten auch (absolute) staatliche Verpflichtungen, die „naturgemäß“ und „im Interesse aller Staaten“ bestünden, weshalb die internationale Staatengemeinschaft als Ganzes auch ein rechtliches Interesse an der Erfüllung solcher Verpflichtungen erga omnes habe und eine ­Nichterfüllung folglich von jedem Staat geltend gemacht werden könne.288 Zwar hat der IGH (bislang) exemplarisch nur das Verbot von Angriffskriegen und den Völkermord sowie grundlegende Menschenrechte ausdrücklich als erga omnes-Normen bezeichnet. Wie sich aus dem Wortlaut des Urteils ergibt, hat der IGH jene Normen allerdings nicht abschließend gemeint, sondern nur „als Beispiele“ („for example“) für Staatengemeinschaftsnormen hervorgehoben.289 Den Nationalstaaten bleibt es daher unbenommen, insbesondere durch den Abschluss entsprechender multilateraler Übereinkommen weitere Staatengemeinschaftsinteressen zu artikulieren.290

 Siehe insoweit die Ausführungen von Wolfrum, DVBl. 1984, S.  493 (493) in Bezug auf das Problem der grenzüberschreitenden Umweltbelastung. 288  Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company (Belgium v.Spain), Judgement on 5 February 1970, ICJ Reports 1970, S. 4, 32. Dies ist nur die berühmteste einer ganzen Reihe von Entscheidungen zum Gegenstand der erga omnes-Verpflichtungen, in denen der IGH diese Rechtsfigur anerkannte, ohne jedoch ein Urteil darauf zu stützen. Siehe zu den weiteren Fällen auch die Analyse von Annacker, Durchsetzung von erga omnes-Verpflichtungen, S. 1 ff. 289  IGH, Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company (Belgium v. Spain), Judgement on 5 February 1970, ICJ Reports 1970, S. 4, 32. 290  Ähnlich Boyle, Principles, in: Churchill/Freestone, International Law, S. 11. 287

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Insgesamt spricht daher Vieles dafür, dass der Schutz von Klima und Biodiversität als „gemeinsame Sorgen der Menschheit“ Interessen der gesamten Staatengemeinschaft darstellen und somit die allgemeinen Charakteristika von erga omnes-­ Normen – nämlich ihre spezifische Erfüllungsstruktur und hohe Wichtigkeit für die internationale Gemeinschaft – erfüllen dürften.291 Erst in jüngerer Zeit ist die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips von der völkerrechtlichen Staatenpraxis bestätigt worden: Im Jahre 2010 hat mit Australien erstmals ein Staat unmittelbar die in dieser Arbeit dargelegte erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips geltend gemacht und einen anderen Staat (Japan) wegen exzessiven Walfangs in der Antarktis vor dem Internationalen Gerichtshof auf Unterlassung verklagt.292 In seiner Klageschrift macht Australien als „unverletzter“ Staat nicht bloß einen Verstoß Japans gegen seine erga omnes partes-­ Verpflichtungen aus der Walfangkonvention geltend, sondern führt zur Begründung außerdem aus, Japan habe mit seinem exzessiven Walfang seine erga omnes-­ Verpflichtungen aus der Biodiversitätskonvention verletzt.293 Zwar ging der Gerichtshof in seinem Urteil vom 31. März 2014 auf die geltend gemachten Verletzungen der Biodiversitätskonvention  – ohne weitere Begründung  – nicht näher ein. Allerdings gelangte der IGH zu dem Ergebnis, Japan habe seine Pflichten aus der Walfangkonvention verletzt und gab der Klage Australiens statt.294 Damit bejahte der IGH implizit, dass die Pflichten aus der Walfangkonvention mit der Erklärung des Schutzes der Walfischbestände zum „common interest“ – ein frühes Vorbild des common concern295 – zu erga omnes (partes) Pflichten transformiert sind. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik des common concern of humankind-­Prinzip sowie die Notwendigkeit eines Rechtsschutzes gegen globale Umweltbelastungen und die Staatenpraxis sprechen dafür, dass jenes Prinzip ein Interesse der gesamten Staatengemeinschaft artikuliert und daher die Pflichten der Staaten zum Schutz des Klimas und der Biodiversität in den Rang einer erga omnes-­ Verpflichtung emporhebt, sodass alle (Vertrags-)Staaten wechselseitig berechtigt sind, ihre Erfüllung geltend zu machen. Neben seiner „prinzipienspezifischen“ Ausstrahlungswirkung296 hat das common concern of humankind-Prinzip somit als Staatengemeinschaftsnorm eine „hierarchiespezifische“ erga omnes-Wirkung.297

 Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) aa) (2) (d).  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Application Instituting Proceedings of 31 May 2010, abrufbar unter abrufbar unter https://www.icj-cij.org/en/case/148/institution-proceedings (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2019). 293  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan: New Zealand intervening), Application Instituting Proceedings (2010), Z. 38  f., abrufbar unter https://www.icj-cij.org/en/case/148/institution-proceedings (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2019). 294  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan: New Zealand intervening), Judgment 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 247. Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 5. a). 295  Siehe Dritter Teil, Kap. VII. 3. 296  Vierter Teil, Kap. XIII. 5. 297  Vierter Teil, Kap. XV. 2. 291 292

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

2. Common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm (Primärebene) Auf der Grundlage dieses Zwischenergebnisses soll nunmehr versucht werden, die Eigenschaft des common concern of humankind-Prinzips als Staatengemeinschaftsnorm mit Blick auf das Recht der Staatenverantwortlichkeit näher zu begründen und auf diese Weise seine Konturen zu schärfen. Zu diesem Zweck ist zunächst herauszuarbeiten, was nach gegenwärtigem Völkerrecht unter dem Begriff der erga omnes-­ Verpflichtung zu verstehen ist und unter welchen Voraussetzungen sie entsteht (a). Auf dieser Grundlage soll anschließend ausführlicher erörtert werden, ob das CCM-Prinzip sich konsistent in das Konzept der erga omnes-Verpflichtungen einfügt oder, anders gewendet, ob und inwieweit das CCM-Prinzip die Voraussetzungen erfüllt, um erga omnes-Verpflichtungen erzeugen zu können (b).

a) Begriff und Voraussetzungen der Verpflichtungen erga omnes Bereits seit mehreren Jahrzehnten hat das Konzept der Verpflichtungen erga omnes Völkerrechtler allerorten in seinen Bann gezogen. Ungebrochen ist diese Faszination für das erga omnes-Konzept vor allen Dingen, weil es bis heute die Hoffnung nährt, es lasse sich erfolgreich instrumentalisieren, um fundamentale Interessen der internationalen Staatengemeinschaft zu schützen und durchzusetzen; basiert das Konzept der erga omnes-Verpflichtungen doch auf der Idee, es gebe im Völkerrecht nicht bloß „relative“ zwischenstaatliche Verpflichtungen, sondern auch solche „absoluten“ völkerrechtlichen Verpflichtungen, die „gegenüber allen“, das heißt erga omnes zu erfüllen sind, weil sie dem Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftswerte dienen. Auf die Bühne des Völkerrechts trat der Begriff der Verpflichtungen erga omnes erstmals im mittlerweile berühmten obiter dictum des Internationalen Gerichtshofes im Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Co., Ltd. im Jahre 1970298 – ungefähr ein Jahr nach der Kodifikation des ius cogens in der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK).299 Spätestens seit jenem bahnbrechenden IGH-Urteil hat sich in der Literatur eine breit geführte internationale Diskussion darüber entsponnen, welche genaue völkerrechtliche Bedeutung erga omnes-­ Verpflichtungen haben.300 Obwohl der IGH in mehreren seiner späteren Urteile die  Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company (Belgium v. Spain), Judgement on 5 February 1970, ICJ Reports 1970, S. 32 Z. 33 f. 299  Vienna Convention on the Law of Treaties v. 23. Mai 1969, 1155 UNTS S. 331; BGBl. 1985 II, S. 926. 300  Aus der Fülle an Literatur zu den Verpflichtungen erga omnes (vor deren Kodifikation im Recht der Staatenverantwortlichkeit) sind hervorzuheben die Beiträge von Annacker, Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen; dies., AJPIL 46 (1994), S. 131–166; Byers, Nordic JIL 66 (1997), S. 211–239; Delbrück, FS Jaenicke, S. 17–36; Frowein, FS Doehring, S. 219–228; ders., RdC 248 (1994 IV), S. 364 f., 405–420; Günther, Klagebefugnis, S. 69–225; de Hoogh, Obligations Erga 298

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Gelegenheit ergriffen hat, das Konzept der Verpflichtungen erga omnes zu bestätigen und sich zahlreiche Monografien ausführlich mit ihm beschäftigt haben, herrscht nach fast 40 Jahren, die seither verstrichen sind, selbst über die grund­ legenden Fragen des erga omnes-Konzepts kaum Einigkeit.301 Ganz im Gegenteil: Dieses Konzept gehört wohl zu den umstrittensten Themenkomplexen des Völkerrechts überhaupt und seine genaue völkerrechtliche Bedeutung bleibt daher noch immer – in den Worten von Ian Brownlie – „very mysterious indeed“.302 Vor diesem Hintergrund kann es nicht Ziel der nachfolgenden Erörterung sein, Inhalt und rechtliche Bedeutung des erga omnes-Konzepts umfassend zu „demystifizieren“. Stattdessen soll skizziert werden, von welchem Begriff einer erga omnes-Verpflichtungen ausgegangen wird und unter welchen Voraussetzungen sie entstehen, um diese Erkenntnisse anschließend auf das common concern of humankind-Prinzip übertragen zu können.303 Entscheidende Bedeutung kommt hierbei dem Umstand zu, dass Verpflichtungen erga omnes inzwischen im Recht der Staatenverantwortlichkeit verankert worden sind: Im Jahre 2001 hat die UN-Völkerrechtskommission ihre 40 Jahre zuvor begonnenen Arbeiten zum Recht der Staatenverantwortlichkeit abgeschlossen und Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts (Articles on State Responsibility, ASR)304 vorgelegt. Unter anderem behandeln sie die Frage des ius standi von Staaten zur Geltendmachung von Gemeinschaftsinteressen und normieren die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsfiguren der zwingenden Normen des Völkerrechts (ius cogens) und der Verpflichtungen gegenüber der internationalen Gemeinschaft als Ganzer (erga omnes). Teil III der ASR stellt den bislang am breitesten angelegten Versuch dar, die Rechtsfolgen niederzulegen, die aus Verletzungen von erga omnes-Verpflichtungen erwachsen, und die Rechtsposition der jeweils betroffenen Staaten zu definieren. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung würde es für die Zwecke der vorliegenden Arbeit nicht ausreichen, den Blick ausschließlich auf jene Vorschriften der ASR zu richten, in denen die Verpflichtungen erga omnes niedergelegt wurden. Vielmehr muss sowohl die bisherige Rechtsprechung des IGH als auch die sie begleitende Literatur zum Konzept der erga omnes-Verpflichtungen vor 2001 – zumindest in ihren wesentlichen Grundzügen – berücksichtigt werden; und zwar aus folgenden Gründen: Zunächst einmal befasst sich die vorliegende Arbeit mit dem Konzept der Verpflichtungen erga omnes zwar nur insoweit, als es für die völkerrechtliche Bedeutung des common concern of humankind-Prinzips relevant ist. Gleichwohl ist sie von dem Bestreben getragen, ein völkerrechtliches Konzept nicht isoliert, sondern in seinem Omnes; ders., 42 AJPIL (1991), S. 183–214; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 363–419; Ragazzi, Obligations Erga Omnes; Simma, RdC 250 (1994 VI), S.  293–301; Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes. 301  Ähnlich Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 1–4. 302  Brownlie, in: Weiler/Cassese/Spinedi, International Crimes of a State, S. 66 (71). 303  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 2. 304  Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, abgedruckt bei Crawford, Articles on State Responsibiliy, S. 61–73.

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

historischen Kontext zu betrachten, um ein tieferes Verständnis für seine aktuelle rechtliche Bedeutung zu erlangen. So hat denn auch die ILC in ihrem Bestreben, das gegenwärtige Konzept der erga omnes-Verpflichtungen zu kodifizieren, zur Begründung beinahe ausschließlich auf die bisherige völkerrechtliche Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen. Diese Erkenntnisquellen haben daher auch nach Verabschiedung der ASR für die gegenwärtige völkerrechtliche Bedeutung der erga omnes-Verpflichtungen entscheidendes Gewicht, sind aber ihrerseits wiederum interpretationsbedürftig. Des Weiteren stellen die ILC Articles on State Responsibility für sich genommen keine eigenständige Rechtsquelle dar.305 Ändern könnte sich dies erst dann, wenn sie in Zukunft etwa in die Form eines völkerrechtlichen Übereinkommens zum Recht der Staatenverantwortlichkeit306 gegossen werden sollten.307 Es besteht kaum Zweifel daran, dass die Arbeiten der ILC das Recht der Staatenverantwortlichkeit geprägt haben und dies auch in Zukunft tun werden. Die ASR verkörpern aber mitnichten das abschließende Recht der Staatenverantwortlichkeit. Als Rechtserkenntnisquelle kommt den ASR vielmehr insoweit Bedeutung zu, als sie die bisherige völkerrechtliche Rechtsprechung und Literatur reflektieren.308 Ob dies tatsächlich der Fall ist, bedarf allerdings für die Zwecke der vorliegenden Arbeit im Hinblick auf die Verpflichtung erga omnes noch der Erörterung. Hinzu kommt schließlich, dass die ILC im Rahmen ihrer Kodifikationsarbeit zwar einige vorliegend relevante Fragen zum Teil geklärt, andere aber wiederum unbeantwortet gelassen hat. So klären Art. 42 und 48 ASR die zuvor in der Literatur kontrovers diskutierte Frage, wer Rechtsträger der erga omnes-Verpflichtungen ist und wer sie gerichtlich geltend machen kann. Umgekehrt hat sich die ILC aber etwa zu der für die Zwecke der vorliegenden Arbeit besonders wichtigen Frage, unter welchen Voraussetzungen völkerrechtliche Normen eine erga omnes-Wirkung entfalten, kaum geäußert. Zur Beantwortung dieser Frage ist folglich wiederum die Rechtsprechung des IGH und – bei deren Interpretation – vor allem ihre Rezeption in der Literatur heranzuziehen. Nur aus einer Zusammenschau der bisherigen IGH-Rechtsprechung und Literatur sowie den einschlägigen Vorschriften der ASR und der dazu ergangenen Kommentierungen lässt sich daher ein für die Zwecke der vorliegenden Arbeit hinreichend präzises und ganzheitliches Verständnis von den Verpflichtungen erga omnes gewinnen. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden zunächst kursorisch die Entwicklung der erga omnes-Verpflichtungen in der Rechtsprechung des Internationalen

 Siehe etwa Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 13.  In der Tat wird diese Frage noch immer diskutiert. Eine kurze Zusammenfassung dieser Debatte findet sich bei Crawford, Articles on State Responsibility 2002, S. 58–60; siehe außerdem ders., Fourth Report, paras. 21–26; Siehe ferner Caron, 96 AJIL (2002), S.  857. Allerdings dürfte es wenig wahrscheinlich sein, dass eine Vielzahl von Staaten tatsächlich ein derartiges völkerrechtliches Übereinkommen zur Staatenverantwortlichkeit in der näheren Zukunft abschließt. In ihrem Bericht an die UN-Generalversammlung hat die ILC lediglich vorgeschlagen, diese solle ihn „zur Kenntnis nehmen“ („take note“). Dies geschah in GA Res. 56/83 und in GA Res. 59/35. 307  Ähnlich Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 13. 308  Siehe erneut Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 13. 305 306

2. Common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm (Primärebene)

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Gerichtshofes nachgezeichnet.309 Im Anschluss daran wird die Rezeption der IGH-Rechtsprechung durch die völkerrechtliche Literatur dargelegt.310 Sodann soll die bereits erwähnte Kodifikation der Verpflichtungen erga omnes im Recht der Staatenverantwortlichkeit durch die UN-Völkerrechtskommission skizziert werden,311 um schließlich die Rezeption der ASR-Kodifikation durch das jüngere IGH-Urteil im Fall Belgien v. Senegal zu analysieren.312 aa) Verpflichtungen erga omnes in der völkerrechtlichen Rechtsprechung und Literatur vor ihrer Kodifikation im Recht der Staatenverantwortlichkeit Zunächst soll das Augenmerk auf das Konzept der erga omnes-Verpflichtungen gelegt werden, wie es sich in der völkerrechtlichen Rechtsprechung und Literatur entwickelt hat, bevor es in den ARS der ILC kodifiziert wurde. (1) Die Entwicklung des Konzepts der erga omnes–Verpflichtungen in der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs Angestoßen und entscheidend geprägt wurde die Entwicklung der Verpflichtungen erga omnes zunächst durch mehrere Urteile des IGH aus den letzten 60 Jahren, deren Kernaussagen im Folgenden ermittelt, nachgezeichnet und ausgelegt werden.313 (a) Frühe Vorläufer von erga omnes-Verpflichtungen in der IGH-­ Rechtsprechung Bereits im Jahre 1949 deutete der IGH im Fall Bernadotte an, dass Handlungen einer größeren Staatenmehrheit durchaus objektive, d. h. eine auch für unbeteiligte Staaten verbindliche Wirkung haben können, wenn die beteiligten Staaten in Vertretung der „internationalen Gemeinschaft“ handeln.314 Richtungsweisend für die Entwicklung der Verpflichtungen erga omnes war zwei Jahre später die Aussage des IGH, die Völkermordkonvention schütze als eine der wichtigsten Kodifikationen von Gemeinschaftswerten nicht bloß individuelle Interessen der Vertragsstaaten,

 Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) aa) (1).  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) aa) (2). 311  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) bb). 312  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) cc). 313  Die nachfolgenden Erörterungen sind teilweise an die Analysen der IGH-Rechtsprechung zu Verpflichtungen erga omnes von Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 364–379 und Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 158–197 angelehnt. Siehe ferner zur Rolle der Gemeinschaftsinteressen in der IGH-Rechtsprechung Paulus, FS Simma, S. 113 (128 ff.). 314  Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, S. 174 (185). Siehe dazu Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 364. 309 310

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

sondern solche der gesamten internationalen Staatengemeinschaft.315 Besonders interessant ist, dass der IGH in seinem Gutachten zur Völkermordkonvention bereits andeutet, dass Staaten in internationalen Konventionen Gemeinschaftsinteressen artikulieren können, die vertragliche Pflichten zu erga omnes-Verpflichtungen transformieren können. Wenn Vertragsstaaten in der Präambel einer Konvention einen bestimmten Zweck vereinbaren, so kommt darin ein gemeinsames Interesse zum Ausdruck, das als raison d’être der betreffenden Konvention die Einzelinteressen aller Vertragsstaaten transzendiert. Dieses hohe Ideal strahlt als „Grundlage und Maßstab“ auf alle nachfolgenden Bestimmungen der Konvention aus: „Dans une telle convention, les, États contractants n‘ont pas d’intérêts propres ; ils ont seulement tous et chacun, un intérêt commun, celui de préserver les fins supérieures qui sont la raison d’être de la convention. Il en résulte que l’on ne saurait, pour une convention de ce type, parler d’avantages ou de désavantages individuels des États, non plus que d’un exact équilibre contractuel à maintenir entre les droits et les charges. La considération des fins supérieures de la Convention est, en vertu de la volonté commune des parties, le fondement et la mesure de toutes les dispositions qu’elle renferme.“316

Damit schickt der IGH bereits zwei Charakteristika der späteren erga omnes-­ Verpflichtungen voraus: Erstens seien Interessen bzw. Werte der gesamten Staatengemeinschaft die raison d’être solcher Verpflichtungen. Daher seien – zweitens – sowohl alle Staaten gemeinsam als auch jeder Staat einzeln („tous et chacun“) für die Durchsetzung der jeweiligen Staatengemeinschaftsinteressen zuständig.317 (b) Ablehnung einer generellen actio popularis in den Südwestafrika-Fällen des IGH Bedeutsam für die Entwicklung der erga omnes-Verpflichtungen waren des Weiteren die Entscheidungen des IGH im South West Africa-Verfahren, das von Liberia und Äthiopien gegen Südafrika angestrengt worden war; denn Dreh- und Angelpunkt dieses Verfahrens war die Frage nach der Geltendmachung solcher Verpflichtungen, die nicht bloß gegenüber einzelnen Staaten bestehen.318 Entscheidend für die Entwicklung der erga omnes-Verpflichtungen ist allein die Rechtsfrage nach dem ius standi von Liberia und Äthiopien, das bedeutet nach deren Berechtigung, aufgrund von Art. 7 Abs. 2 des Mandats stellvertretend für den aufgelösten Völker-

 Reservations to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, ICJ Reports 1951, S. 23; siehe dazu Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 365; siehe außerdem zur Unterscheidung zwischen Bilateralismus und Gemeinschaftsinteresse die grundlegenden Ausführungen von Simma, RdC 250 (1994 VI), S. 230–232, Z. 2–4: siehe auch ders., International Crimes of State, S. 283–285; ders., in: FS Rosenne, S. 821–823; Rosenne, in: FS Jessup, S. 202– 209; Jessup, Modern Law of Nations, S. 2, 41, 154. 316  Reservations to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, ICJ Reports 1951, S. 23. 317  Reservations to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, ICJ Reports 1951, S. 23. Siehe zum Ganzen bereits Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 365. 318  So Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 366. 315

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bund die Einhaltung der Mandatsbestimmungen vor dem IGH geltend zu machen.319 Der Gerichtshof sprach den Klägern keine actio popularis im ursprünglichen Sinne, das heißt kein Recht zur Geltendmachung objektiver Völkerrechtsverstöße ohne eigene Rechtsverletzung, zu.320 Stattdessen erblickte der IGH – analog zur Argumentation des Ständigen Internationalen Gerichtshofs im Wimbledon-Fall aus dem Jahre 1923321 – in Art. 7 Abs. 2 des Mandats ein „rechtliches Interesse“ von Liberia und Äthiopien an der Erfüllung der Mandatspflichten durch Südafrika.322 Im zweiten Südwestafrika-Fall im Jahre 1966 wies der IGH im bis dato „wohl umstrittensten Urteil in der Geschichte des IGH“323 die Klage Äthiopiens und Liberias mit der Begründung zurück, jene Staaten könnten kein eigenes subjektives Recht auf Erfüllung des Verwaltungsmandats durch Südafrika geltend machen.324 Genausowenig hätten sie als nicht unmittelbar in ihren eigenen Rechten verletzten Staaten eine Befugnis, die Einhaltung des „sacred trust of civilisation“ im Allgemeininteresse vor dem IGH geltend zu machen.325 Dass ein Kläger auch andere als seine eigenen Rechte einklagen könne, sei zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen; doch müsse der jeweilige Kläger in diesem Fall außerdem ausdrücklich in einem Vertragstext oder in einem anderen Rechtsinstrument zur Geltendmachung eines solchen Rechts oder Interesses berechtigt sein, was vorliegend nicht der Fall sei.326 Das Urteil des IGH aus dem Jahre 1966 enthält somit zwei Aussagen: Eine generelle actio popularis, aufgrund derer ein Staat ohne eigene Rechtsverletzung die Rechte Dritter, das heißt von Staaten, Gruppen oder Einzelpersonen einzuklagen berechtigt sein soll, kennt das Völkerrecht nicht. Ausnahmsweise vermag aber ein besonderes rechtliches Interesse ein ius standi zu begründen, sofern dies ausdrücklich im Völkerrecht vorgesehen ist.327

 Ähnlich Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 366.  South West Africa Cases, Preliminary Objections, ICJ Reports 1962, S. 343 f., 347. Siehe dazu Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 366. 321  S.S. ‚Wimbledon‘, PCIJ, Series A, No. 1 (1923), S. 20. 322  So Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 366 in seiner Urteilsanalyse der South West Africa Cases, Preliminary Objections, ICJ Reports 1962, S. 343 f., 347. 323  So Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 368. 324  South West Africa Cases, ICJ Reports 1966, S. 47 Z. 88. 325  Bejaht wurde dies indes von Richter Jessup, siehe South West Africa Cases, Diss. Op. Jessup, ICJ Reports 1966, S. 374, 387 f. 326  South West Africa Cases, ICJ Reports 1966, S. 32 f. Z. 44: „[S]uch interests or interests, in order to exist, must be clearly vested in those who claim them, by some legal instrument, or rule of law; – and (…) in the present case, none were ever vested in individual members of the League under any of the relevant instruments, or as a constituent part of the mandates systems as a whole, or otherwise“. Siehe Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 369. 327  Wie klar und eindeutig ein solcher Ausnahmefall geregelt sein muss, war allerdings innerhalb der Richterschaft des IGH umstritten und blieb daher im Ergebnis unklar. Siehe dazu Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 369. 319 320

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

(c) Entwicklung der Verpflichtungen erga omnes im Barcelona Traction-Urteil des IGH Offenbar gerade aufgrund der starken Kritik an seiner zweiten Entscheidung in den Südwestafrika-Fällen328 ergriff der IGH die nächstbeste Gelegenheit, um in dem wohl berühmtesten obiter dictum seiner Geschichte genauer zu definieren, unter welchen Voraussetzungen die Erfüllung solcher Pflichten geltend gemacht werden kann, die nicht zugunsten einzelner Staaten, sondern im Interesse der internationalen Gemeinschaft existieren.329 In einem Fall, der an sich um eine klassische bilaterale Frage des diplomatischen Schutzes kreiste, erschuf der Gerichtshof im Wege gerichtlicher Rechtsschöpfung die Kategorie sogenannter „Verpflichtungen gegenüber der Staatengemeinschaft“, an deren Erfüllung alle Staaten ein rechtliches Interesse haben.330 Der Gerichtshof betont zunächst, dass „an essential distinction should be drawn between the obligations of a State towards the international community as a whole, and those arising vis-à-vis another State in the field of diplomatic protection. By their very nature the former are the concern of all States. In view of the importance of the rights involved, all States can be held to have a legal interest in their protection; they are obligations erga omnes.“331

In dieser mittlerweile legendären Passage seines Barcelona Traction-Urteils hat der IGH ausgeführt, es gebe neben den relativen bilateralen Verpflichtungen zwischen einzelnen Staaten auch solche absoluten staatlichen Verpflichtungen, welche der „internationalen Gemeinschaft als Ganzer“ geschuldet werden und daher „ihrer Natur nach“ (…) „die Sorge aller Staaten“ seien, weshalb die internationale Staatengemeinschaft als Ganzes ein rechtliches Interesse an der Erfüllung solcher Verpflichtungen erga omnes habe und eine Nichterfüllung folglich von jedem Staat geltend gemacht werden könne.332 Diese Formulierung ist offensichtlich der nur ein Jahr zuvor zur Unterzeichnung und Ratifikation aufgelegten Vertragsrechtskonvention entlehnt.333 Inhaltlich geht es um diejenigen Sachverhalte, welche der IGH zuvor in seinem Gutachten zur Völkermord-Konvention als „Anliegen der internatio Siehe vor allem die Zusammenfassung bei Klein, EPIL II, S. 266 f.; ders., Statusverträge im Völkerrecht, S. 249 f.; siehe auch Friedmann, 6 Columbia Journal of Transnational Law (1967), S.  1–16; Dugard, The South West Africa/Namibia Dispute, S.  332–375; ders., 16 Virgina JIL (1976), S. 464 f., 491 f.; Bernhardt, 33 ZaöRV (1973), S. 24–30; Reisman, 7 Virginia JIL (1966– 1967), S. 31–90, der gar die Nichtigkeit des zweiten Südwestafrika-Urteils behauptet. 329  So Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 369 f. 330  Ähnlich bereits Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 370. 331  Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company (Belgium v. Spain), Judgement on 5 February 1970, I.C.J. Reports 1970, S. 32 Z. 33. 332  Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company (Belgium v. Spain), Judgement on 5 February 1970, I.C.J. Reports 1970, S. 32 Z. 33. Dies ist nur die berühmteste einer ganzen Reihe von Entscheidungen zum Gegenstand der erga omnes-Verpflichtungen, in denen der IGH diese Rechtsfigur anerkannte, ohne jedoch ein Urteil darauf zu stützen. Siehe zu den weiteren Fällen außerdem die Analyse von Annacker, Durchsetzung von erga omnes-Verpflichtungen, S. 1 ff. und die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XV. 1. b). 333  Vienna Convention on the Law of Treaties v. 23. Mai 1969, UNTS 1155, S. 331; BGBl. 1985 II, S. 926. 328

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nalen Gemeinschaft“ (common concerns) bezeichnet hat.334 Als Beispiele solcher erga omnes-Verpflichtungen benannte der IGH nur das Verbot von Angriffskriegen und Völkermord sowie grundlegende Menschenrechte und den Schutz vor Sklaverei und Rassendiskriminierung: „Such obligations derive, for example, in contemporary international law, from the outlawing of acts of aggression, and of genocide, as also from the principles and rules concerning the basic rights of the human person, including protection from slavery and racial discrimination. Some of the corresponding rights of protection have entered into the body of general international law (…), others are conferred by international instruments of a universal or quasi-universial character.“335

Außer dem Aggressionsverbot teilen sämtliche dieser Verpflichtungen zwei Charakteristika: (1) Sie transzendieren das bilaterale zwischenstaatliche Verhältnis, indem sie nicht nur staatlichen Interessen, sondern allgemein-menschlichen bzw. Staatengemeinschaftsinteressen und bestehen daher gegenüber der Staatengemeinschaft als Ganzer; (2) außerdem besitzen sie einen hohen Wichtigkeitsgrad.336

Unbeantwortet gelassen hat der Gerichtshof allerdings die Frage, wer letzten Endes für die Staatengemeinschaft die Erfüllung der erga omnes-Verpflichtungen einzuklagen berechtigt ist und zu welchen Handlungen en detail ein solcher Kläger von der Staatengemeinschaft ermächtigt wird.337 (d) Erga omnes-Verpflichtungen in der IGH-Rechtsprechung seit 1970 Auch in der Folgezeit hat es der IGH trotz zahlreicher Gelegenheiten versäumt, die Voraussetzungen von Staatengemeinschaftsnormen näher zu konkretisieren. Weder in den Nukleartest-Fällen noch im Ost-Timor-, Völkermord-, Nicaragua- oder Gabcikovo-­Nagymaros-Fall hat der IGH das Konzept der erga omnes-Ver­ pflichtungen klar herausgearbeitet.338  Reservations to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, ICJ Reports 1951, S. 15. Siehe zu diesem inhaltlichen Zusammenhang nur Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 370. 335  Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company (Belgium v.Spain), Judgement on 5 February 1970, I.C.J. Reports 1970, S. 32 Z. 34. 336  Diese beiden Kriterien arbeitet Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 371 ff. (insb. S. 381 ff.) am deutlichsten heraus. 337  Genauso unklar bleibt nach dem Barcelona Traction-Urteil, ob der IGH gewissermaßen „durch die Hintertür“ einer Verletzung von Gemeinschaftsrechten womöglich eine actio popularis für die Erfüllung der korrespondierenden Verpflichtungen erga omnes einführen wollte. Diese Möglichkeit wird von Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 371 angedeutet, aber letztlich offen gelassen: „(…) ob der Gerichtshof wirklich über den Umweg der Verletzung von Rechten der Gemeinschaft für diese Verpflichtungen eine actio popularis begründen wollte, bleibt unklar.“ Besonders anschaulich Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 372: „Mit seinem obiter dictum brachte der internationale Gerichtshof somit zwar das Kind der Verpflichtungen erga omnes zur Welt, aber wie es genau aussehen sollte, sagten die Richter nicht“. 338  Siehe zur Rechtsprechung des IGH seit 1970 vor allem die Analysen von Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 372–379 und Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 179–196. 334

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(aa) Die Nukleartest-Fälle (1974) Bereits die Nukleartest-Fälle aus dem Jahre 1974339 eröffneten dem IGH erneut die Gelegenheit, zum Konzept der Verpflichtungen erga omnes eindeutig Stellung zu nehmen. In jenem Fall hatten Australien und Neuseeland gegen Frankreich auf Unterlassung von Nukleartests geklagt und argumentiert, das Verbot atmosphärischer Nukleartests enthalte als Teil des Völkergewohnheitsrechts eine Verpflichtung erga omnes, sodass sie als Kläger und Mitglieder der internationalen Gemeinschaft in jedem Fall ein ius standi besäßen.340 Ein Blick auf die Sondervoten zeigt, dass eine erhebliche Anzahl von IGH-­ Richtern die Rechte einzelner Staaten aus erga omnes-Verpflichtungen recht weit interpretierten.341 So vertrat einerseits Richter Barwick die Auffassung, bei ­Verletzung einer erga omnes-Verpflichtung besitze jeder Staat ein locus standi vor dem Internationalen Gerichtshof.342 Vier der anderen Richter hielten wiederum angesichts des Barcelona Traction-Diktums die aufgeworfene Frage immerhin für „capable of rational legal argument“ und für ein „proper subject of litigation before this Court“, das in der Begründetheit zu erörtern sei.343 Diesen vorsichtigen Äußerungen lässt sich demzufolge immerhin entnehmen, dass jene Richter die Klage Australiens aufgrund einer möglichen Verletzung von erga omnes-Verpflichtungen für zulässig hielten.344 Insgesamt war demnach offenbar eine Mehrheit der IGH-Richter bereit, das Barcelona Dictum wörtlich zu nehmen, die Rechte einzelner Staaten aus Verpflichtungen erga omnes weit zu interpretieren und aus ihnen ein ius standi abzuleiten.  Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports 1974, S. 272 Z. 62; Nuclear Tests (New Zealand v. France), ICJ Reports 1974, S. 478 Z. 65. Zur klareren Darstellung wird in den folgenden Ausführungen nur noch der australische Fall erörtert, zumal sich dieser ohnehin inhaltlich mit dem neuseeländischen im Wesentlichen deckt. 340  Siehe Memorial on Jurisdiction and Admissibility Submitted by the Government of Australia, ICJ Pleadings, Nuclear Tests, Bd. I, S. 328–330 Z. 420–424, S. 334 f. Z. 447–450; Memorial on Jurisdiction and Admissibility Submitted by the Government of New Zealand, ICJ Pleadings, Nuclear Tests, Bd. II, S. 205–212 Z. 194–213. Siehe hierzu und zum Folgenden Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 373. 341  Siehe Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 374. 342  Nuclear Tests, Diss. Op., ICJ Reports 1974, S. 437; siehe dazu ferner Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 181. 343  Nuclear Tests, Joint Diss. Op. Onyema, Dillard, Jimenéz de Arèchaga, Waldock, ICJ Reports 1974, S. 370. Ausdrücklich abgelehnt wurde die letztgenannte Auffassung allerdings wiederum von De Castro, demzufolge sich ein ius standi nur mittels spezifischer vertraglicher Mechanismen begründen lasse. Nuclear Tests, Joint Diss. Op. de Castro, ICJ Reports 1974, S. 387; siehe dazu Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 373 und Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 180. Schließlich betonte Richter Petrén zwar einerseits die wichtige Rolle des erga omnes-Konzepts für die Durchsetzung des Völkerrechts; andererseits deuten seine Äußerungen aber zugleich darauf hin, die Frage des ius standi sei vielmehr unabhängig vom erga omnes-Charakter der jeweiligen völkerrechtlichen Norm zu entscheiden. Siehe Nuclear Tests, Op. Ind. Petrén, ICJ Reports 1974, S. 303–306; siehe dazu Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 181 und Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 374. 344  Ähnlich Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 181; siehe auch Günther, Klagebefugnis, S. 156 f. 339

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(bb) Nicaragua-Fall (1986) Das Urteil des Gerichtshofs im Nicaragua-Fall aus dem Jahre 1986,345 in welchem es der Sache nach um die völkerrechtliche Rechtmäßigkeit von Repressalien der USA gegen Menschenrechtsverletzungen auf dem Territorium von Nicaragua ging, dürfte indes die Rechtsfolgen von erga omnes-Verpflichtungen eher vernebelt als geklärt haben. Relevant für die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem erga omnes-­ Konzept und der Klagebefugnis einzelner Staaten dürfte indes die dissenting opinion von Richter Schwebel zu der Anordnung von provisional measures aus dem Jahre 1984 sein.346 Auf den ersten Blick erörterte sie nicht die Frage des standing, sondern die Berechtigung eines Beklagten, sich zur Rechtfertigung auf Rechte von Drittstaaten zu berufen.347 Nach Auffassung von Richter Schwebel hatte der Gerichtshof nicht in ausreichendem Maße die Rechte von Drittstaaten wie etwa El Salvador oder Honduras berücksichtigt, die (angeblich) von Nicaragua verletzt worden waren. Die Vereinigten Staaten seien berechtigt gewesen, diese Verletzungen als Rechtfertigung heranzuziehen, weil sie Rechte erga omnes beträfen, namentlich die fundamentalen Rechte aller Staaten, in Frieden und Sicherheit zu leben.348 Richter Schwebel berief sich ausdrücklich auf das Barcelona Traction-Urteil und folgerte, dass „[t]he United States have, in the specific term of Barcelona Traction, ‚a legal interest’ in the performance by Nicaragua of its fundamental international obligations,349“ und könne daher vor dem IGH die Verantwortlichkeit Nicaraguas aus seinem Verhalten gegenüber dritten Staaten geltend machen.350 Nach Auffassung von Schwebel reicht das rechtliche Interesse aller Staaten an der Erfüllung von erga omnes-Verpflichtungen folglich aus, um (ansonsten) völkerrechtswidriges Verhalten ausnahmsweise zu rechtfertigen. Wenn aber beklagte Staaten berechtigt sein sollen, die Verantwortlichkeit anderer Staaten aus deren Verletzung von Verpflichtungen erga omnes als Rechtfertigung geltend zu machen, so lässt es sich umgekehrt einem Kläger schwerlich verwehren, die Verantwortlichkeit des Beklagten aus dem gleichen Grund  – einer Verletzung von erga omnes-­ Verpflichtungen – geltend zu machen. Ob ein Staat sich auf die Verletzung einer erga omnes-Verpflichtung zu berufen vermag, darf aber nicht allein von der Rolle abhängen, die Staaten in einem Verfahren vor dem IGH einnehmen.351 Daher implizieren die Ausführungen von Richter Schwebel eine weite Interpretation des erga omnes-Konzepts.

 Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 134 ff.  ICJ Reports 1984, S. 196–198. Siehe hierzu und zum Folgenden Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 189. 347  So auch Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 189 f. 348  ICJ Reports 1984, S. 196. 349  ICJ Reports 1984, S. 198. 350  Siehe dazu auch Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 189. 351  Siehe zum Ganzen Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 189 f. sowie Chinkin, Third Parties in International Law, S. 214 f. 345 346

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(cc) Ost-Timor-Fall (1996) Inhaltlich ging es auch im Ost Timor-Fall352 um das Verhältnis zwischen dem etwaigen erga omnes-Charakter einer völkerrechtlichen Verpflichtung und der Frage nach dem ius standi. Portugal machte als frühere Kolonialmacht Ost-Timors geltend, Australien verstoße durch die Anerkennung der Annexion Ost-Timors durch Indonesien gegen das Selbstbestimmungsrecht des ost-timoresischen Volkes. Hierbei leitete Portugal sein ius standi nicht allein aus seiner Position als ehemalige Kolonialmacht ab, sondern begründete es daneben mit dem behaupteten erga omnes-­Charakter des Selbstbestimmungsrechts.353 Der IGH wies die Klage Portugals aber aus prozeduralen Gründen zurück; er könne über den Rechtsstreit nicht entscheiden, weil Indonesien als sogenannte „indispensable third party“ am Verfahren hätte beteiligt werden müssen.354 Gleichwohl impliziert eine Urteilspassage, wonach der IGH sich nicht für entscheidungsbefugt halte, „even if the right in question is a right erga omnes (…)“,355 dass Portugal – gäbe es die „indispensible third party rule“ nicht  – durchaus berechtigt gewesen wäre, eine Verletzung von erga omnes-Verpflichtungen geltend zu machen. Diese Passage lässt sich somit zumindest als Anhaltspunkt für eine weite Interpretation des erga omnes-Konzepts verstehen.356 (dd) Völkermord-Fall (1993) Im Zentrum einer völkerrechtlichen Streitigkeit standen erga omnes-­Verpflichtungen zum vorerst letzten Mal im Völkermord-Fall vor dem Internationalen Gerichtshof, der im Jahre 1993 zwischen der Bundesrepublik Jugoslawien und Bosnien-­ Herzegowina ausgefochten wurde.357 Gestritten wurde im Wesentlichen um die Frage, ob Jugoslawien die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus der Völkermord-­ Konvention auf sein Staatsgebiet beschränken durfte. In seinem Urteil verwarf der Gerichtshof diese territoriale Beschränkung von Jugoslawiens Verpflichtungen als unzulässig und begründete dieses Ergebnis mit dem erga omnes-Charakter der in der Völkermord-Konvention enthaltenen Norm.358 Möglicherweise lässt erneut ein Blick auf abweichende Meinungen innerhalb der IGH-Richterschaft erahnen, welche völkerrechtliche Bedeutung einzelne  East Timor, ICJ Reports 1995, S. 100 ff.  Siehe Case concerning East Timor, Réplique du Gouvernement de la République portugaise, http://www.icj-cij.org/icjcases/ipa/iPApleadings/ipa_ipleadings_19921201_ReplyPortugal_Chapter7.pdf (Stand: 31.12.2011), 206–208. Siehe dazu Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 374. 354  East Timor, ICJ Reports 1995, S. 100–102 Z. 23–29. Siehe zusammenfassend Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 374; Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 182 f. 355  East Timor, ICJ Reports 1995, S. 100–102 Z. 29. 356  Ähnlich Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 185. 357  Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Preliminary Objections, ICJ Reports 1996, S. 595 ff. 358  Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Preliminary Objections, ICJ Reports 1996, S. 616. 352 353

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­ ichter dem Konzept der erga omnes-Verpflichtungen beimessen. So soll nach AufR fassung von Richter Oda Art.  I der Völkermord-Konvention zwar erga omnes-­ Charakter haben, allerdings nur im Hinblick auf solche Verpflichtungen gegenüber allen Vertragsparteien bzw. der Staatengemeinschaft als Ganzer, nicht aber gegenüber einzelnen Staaten; nur Rechte von Individuen würden von der Völkermord-Konvention geschützt, nicht aber Rechte von Nationalstaaten.359 Denkt man den Ansatz von Richter Oda allerdings konsequent zu Ende, so könnten Staaten niemals vor dem IGH gegen andere Staaten auf Einhaltung des Völkermordverbots klagen. Dies widerspräche allerdings zum einen dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Völkermord-­Konvention; zum anderen steht die Auffassung von Richter Oda auch und vor allem im Widerspruch mit dem im Gutachten des IGH zur Völkermord-Konvention aus dem Jahre 1951 so eindringlich hervorgehobenen besonderen Charakter jener Konvention, die Klagen eines Staates gegen einen anderen wegen dessen unmittelbarer Verantwortung für die Begehung von Völkermord gerade erlauben soll.360 Vor d­ iesem Hintergrund haben sowohl das Urteil des IGH im Völkermord-Fall als auch die Dissenting Opinion von Oda kein Licht in das Dunkel der erga omnes-­ Verpflichtungen geworfen, sondern haben eher zur weiteren Verwirrung beigetragen. (ee) Gabcíkovo-Nagymaros-Fall (1997) Nicht im Kern getroffen, aber zumindest am Rande gestreift wurde das Konzept der erga omnes-Verpflichtungen schließlich im Gabcíkovo-Nagymaros-Fall,361 der im Jahre 1997 vor dem Internationalen Gerichtshof ausgetragen wurde. Im Ausgangspunkt ging es lediglich um einen gewöhnlichen bilateralen Rechtsstreit zwischen Ungarn und der Slowakei über ein gemeinsames Staudammprojekt Ungarns mit der Tschechoslowakei, das Ungarn allerdings beenden wollte.362 Zu einer Streitigkeit multilateralen Ausmaßes wuchs dieser Konflikt nur heran, weil Richter Weeramantry diesen Fall zum Anlass nahm, in seiner Separate Opinion die Frage aufzuwerfen, ob die im Zuge des Konzepts der erga omnes-Verpflichtungen möglich gewordene gerichtliche Verfolgung von Staatengemeinschaftsinteressen eine Änderung des Verfahrens vor dem IGH erforderlich mache.363 Nach Ansicht von Weeramantry müsse dem Wandel des Völkerrechts von einer auf die Individualinteressen beschränkten Rechtsordnung hin zu einem Völkerrecht der Gemeinschaftsinteressen auch durch eine Veränderung der bislang lediglich auf zwischenstaatlichen Rechtsstreit ausgerichteten Verfahrensordnung des IGH Rechnung getragen werden.364 Zu  Declaration Oda, ICJ Reports 1996, S. 626 Z. 4, S. 628 Z. 6. Siehe dazu Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 376; Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 187. 360  So zu Recht Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 376 f. 361  Gabcíkovo-Nagymaros Project, ICJ Reports 1997, S. 7 ff. 362  So Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 377. 363  Ähnlich Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 377. 364  Gabcíkovo-Nagymaros Project, ICJ Reports 1997, Sep. Op., S. 117 f.: „We have entered an era of international law in which international law subserves not only the interests of individual States, 359

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

solch einer weitreichenden Reform konnte sich der Internationale Gerichtshof allerdings bislang nicht durchringen, sodass der Rechtsgedanke der erga omnes-­ Verpflichtungen durch die progressive Separate Opinion von Weeramantry keine nachhaltige Stärkung erfahren haben dürfte.365 (e) Zusammenfassung Nach traditionellem Völkerrecht „bilateraler“ Prägung wurde das Interesse eines jeden Mitglieds der internationalen Gemeinschaft an der allgemeinen Achtung des Völkerrechts durch alle anderen Mitglieder nicht als ausreichend erachtet, um ein ius standi des jeweiligen Einzelstaats vor dem Internationalen Gerichtshof zu begründen oder etwa Gegenmaßnahmen (Repressalien) eines selbst nicht in seinen Rechten verletzten „Dritt-Staates“ zu rechtfertigen.366 Obwohl es seit jeher an einer übergeordneten internationalen Institution fehlt, die völkerrechtskonformes Verhalten aller Staaten sicherstellt, haben Einzelstaaten herkömmlicherweise keine Befugnis, als „Wächter des Völkerrechts“ auf seine Durchsetzung hinzuwirken, solange sie nicht in einer besonderen völkervertraglichen Klausel dazu ermächtigt werden.367 Vielmehr muss traditionellerweise ein Einzelstaat, um von einem anderen Staat die Erfüllung einer völkerrechtlichen Verpflichtung verlangen zu können, ein eigenes Interesse geltend machen, das völkerrechtlich anerkannt ist und daher als subjektives Recht eine Klagebefugnis des jeweiligen Staates vor dem IGH begründet.368 Von diesem „bilateralistischen“ Grundsatz macht das Barcelona Traction-­ Diktum des IGH eine Ausnahme: Wenn Verpflichtungen erga omnes verletzt werden, es folglich darum geht, besonders wichtige Interessen der Staatengemeinschaft durchzusetzen, besitzen alle Staaten ein ius standi vor dem IGH.369 Damit markiert das Barcelona Traction-Urteil des IGH aus dem Jahre 1970 einen Paradigmenwechsel vom Bilateralismus hin zum Völkerrecht der Gemeinschaftsinteressen.370 So mutig und wegweisend dieser wichtige Schritt des Gerichtshofs auch war, so zaghaft blieben allerdings seine weiteren Urteile, in denen er die entscheidende Frage unbeantwortet ließ, unter welchen Voraussetzungen Verpflichtungen erga omnes entstehen und welche Rechtsfolgen sie nach sich ziehen. In seiner Post-Barcelona Traction-Rechtsprechung hat der IGH diese Fragen letztlich ofbut looks beyond them and their parochial concerns to the greater interests of humanity and planetary welfare. In addressing such problems, which transcend the individual rights and obligations of the litigating States, international law will need to look beyond procedural rules fashioned for purely inter partes litigation.“ 365  Diese Schlussfolgerung zieht Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 377 ff. 366  B. Bollecker-Stern, Le préjudice, S. 58, 82; siehe außerdem Simma, From Bilateralism to Community Interest, 250 RdC (1994 VI), S. 295, Z. 54. 367  B. Bollecker-Stern, Le prejudice, S. 58, 82; Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 295 Z. 54. 368  Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 295 Z. 54. 369  Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 295 Z. 54. 370  Grundlegend Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 217 ff.

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fengelassen. Insgesamt ergibt die Analyse der IGH-Rechtsprechung nach 1970 daher ein recht heterogenes Bild. Die teilweise disparaten Stellungnahmen der verschiedenen Richter belegen, dass der Gerichtshof bislang nicht zu einem allgemein anerkannten erga omnes-Konzept gefunden hat.371 Zwar hat der Gerichtshof – mit einem recht breiten Spektrum an abweichenden Auffassungen innerhalb seiner Richterschaft – insgesamt seine weit gefasste Interpretation von erga omnes-Verpflichtungen aus dem Barcelona Traction-Diktum in den Nukleartest-, Ost-Timor-, Völkermord-, Nicaragua- und Gabcikovo-Nagymaros-Fällen bestätigt.372 Trotz mehrfacher Gelegenheit hat der IGH es aber versäumt, weitere Facetten der Verpflichtungen erga omnes zu untersuchen und dadurch seine rechtliche Bedeutung zu konkretisieren. (2) Diskussionsstand in der Literatur vor der Kodifikation von erga omnes-­ Verpflichtungen im Recht der Staatenverantwortlichkeit Um ein ganzheitlicheres Bild der erga omnes-Verpflichtungen zeichnen zu können, ist nicht nur die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs in den Blick zu nehmen. Ein besonderes Augenmerk ist auch auf die sie kritisch begleitende und würdigende Rezeption in der völkerrechtlichen Literatur zu richten; denn bislang hat sich die Rechtsprechung des IGH nur mit vereinzelten Teilaspekten der erga omnes-Verpflichtungen befasst. In der Literatur wurden hingegen spätestens seit dem Barcelona Traction-Urteil des IGH im Jahre 1970 in einer Fülle von Beiträgen viele unterschiedliche Probleme beleuchtet,373 denen später bei der Kodifizierung der Staatenverantwortlichkeit für Völkerrechtsverletzungen im Jahre 2001 durch die ILC entscheidendes Gewicht zukam.374 Jene Lehrmeinungen sind daher auch für ein Verständnis der Verpflichtungen erga omnes bedeutsam, wie sie mittlerweile im Recht der Staatenverantwortlichkeit niedergelegt worden sind.375

 Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 378; Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 192.  So auch Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 192. 373  Aus der Fülle an Literatur zu den Verpflichtungen erga omnes (vor deren Kodifikation im Recht der Staatenverantwortlichkeit) sind hervorzuheben die Beiträge von Annacker, Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen; dies., AJPIL 46 (1994), S. 131–166; Byers, Nordic JIL 66 (1997), S. 211–239; Delbrück, FS Jaenicke, S. 17–36; Frowein, FS Doehring, S. 219–228; ders., RdC 248 (1994 IV), S. 364 f., 405–420; Günther, Klagebefugnis, S. 69–225; de Hoogh, Obligations Erga Omnes; ders., 42 AJPIL (1991), S. 183–214; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 363–419; Ragazzi, Obligations Erga Omnes; Simma, RdC 250 (1994 VI), S.  293–301; Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes. Siehe neuerdings Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 351–361. 374  So auch Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 379. 375  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) bb). 371 372

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(a) Verhältnis zwischen Verpflichtungen erga omnes und ius cogens Wichtig für den Begriff der erga omnesVerpflichtungen ist zunächst die in der völkerrechtlichen Literatur besonders kontrovers diskutierte Frage, in welchem Verhältnis sie zum Konzept der Normen ius cogens stehen. Das Meinungsspektrum ist breit gefächert: Während manche Stimmen in der Literatur davon ausgehen, beide Rechtsfiguren seien identisch,376 sind andere der Auffassung, sie seien grundverschieden.377 Zwischen diesen beiden Extrempositionen hat sich eine differenzierende, von der Mehrheit der Völkerrechtler vertretene Auffassung entwickelt, wonach sich beide Rechtskonzepte inhaltlich überlappen378 und daher teilweise deckungsgleich379 sein sollen. Alle Normen ius cogens würden stets erga omnes-­ Verpflichtungen begründen.380 Umgekehrt sollen aber Verpflichtungen erga omnes nicht stets zum Bestand des ius cogens zählen.381 Ius cogens sei demnach eine Teilmenge jener Normen, die Verpflichtungen erga omnes erzeugen würden.382 Eine umfassende Diskussion der vorgetragenen Argumente zu führen und eine eigene Stellungnahme abzugeben, würde den Zweck der vorliegenden Arbeit verfehlen. Dies gilt umso mehr, als sich in den Articles on State Responsibility der ILC ohnehin die zuletzt genannte differenzierende Auffassung durchgesetzt hat.383 Daher beschränkt sich die nachfolgende Darstellung darauf, die wesentlichen Argumente jener differenzierenden Auffassung kurz darzustellen: Gemeinsam hätten ius cogens und Verpflichtungen erga omnes zunächst, dass sie – wie das Recht der Staatenverantwortlichkeit insgesamt – Versuche darstellten, solchen Normen, die besonders wichtige Gemeinschaftswerte verkörpern, trotz  Hannikainen, Peremptory Norms, S. 4–6; ähnlich Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 49 ff.; de Hoogh, 42 AJPIL (1991), S. 204; Pieper, Neutralität von Staaten, S. 388 f.; Reimann, Ius Cogens im Völkerrecht, S. 97; Malanczuk, ZaöRV 1983, S. 705 (743); Gomez Robledo, Le ius cogens international, S.  158; Ress, S.  62; ähnlich auch Tomuschat, 28 BDGVR (1988), S. 87 („a number of rules which protect basic values by different procedural mechanisms“). 377  Ragazzi, Obligations Erga Omnes, S. 214. 378  So etwa Frowein, S. 364 und 405 f.; siehe ferner Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 300f.; ähnlich ders. in: ILC’s commentary to article 40 ASR, Rn. 7. 379  Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 413–416; Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 151; Abi-Saab, 10 EJIL (1990), S. 348; Byers, 66 Nordic JIL (1997), S. 211 (212, 230–237); Gaja, 172 RdC (1981 III), S. 281; Günther, Klagebefugnis, S. 111–114; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 32 f., 178; Künzli, Zwischen Rigidität und Flexibilität, S. 74 f.; Meron, 80 AJIL (1986), S. 11; Pellet, 10 EJIL (1999), S. 429; Biermann, 34 AVR (1996), 426. 380  Siehe statt vieler etwa Annacker, Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen, S. 37 und 49; Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 151; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 415; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 178. 381  Arangio-Ruiz, UN-Doc. A/CN.4/444/Add. 1 v. 25. Mai 1992, S. 31; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 178; Meron, 80 AJIL (1986), S. 11; Günther, Klagebefugnis, S. 111–114; Weil, 77 AJIL (1983), S. 413 (432); implizit auch Chinkin, 4 EJIL (1993), S. 206 (216) und Dinstein, 30 AVR (1992), S. 16 (17). 382  Siehe Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 416; Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 151; Abi-Saab, 10 EJIL (1990), S. 348; Byers, 66 Nordic JIL (1997), S. 211 (212, 230–237); Gaja, 172 RdC (1981 III), S. 281; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 32. 383  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) bb). 376

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oder gerade wegen der Schwäche internationaler Institutionen eine konkrete völkerrechtliche Wirkung zu verleihen.384 Der notwendige Zusammenhang zwischen beiden Rechtsfiguren wird nach Paulus durch einen Blick auf den Rechtsgrund des ius cogens deutlich: Bestimmte Normen würden von der Staatengemeinschaft in den Rang des zwingenden Völkerrechts erhoben, wenn sie Güter schützen würden, die für die Gemeinschaft von so essenzieller Bedeutung seien, dass diese keine Abweichung von diesen Normen durch einzelne Mitglieder dulden könne. Auch bei Verpflichtungen erga omnes stelle die hohe Wichtigkeit der jeweils geschützten Werte – neben einer etwaigen besonderen Erfüllungsstruktur385 – ein Hauptkriterium für die Rechtsträgerschaft der internationalen Gemeinschaft dar.386 Wenn aber die Gemeinschaft berechtigt sei, die Einhaltung bestimmter Normen von ihren Mitgliedern zu verlangen, dann könnten die Mitglieder jene Normen nur untereinander abändern, wenn die Gemeinschaft ihnen dies zugestehe. Dass dies in der Regel nicht der Fall sei, belege der Beispielskatalog des IGH für Verpflichtungen erga omnes, die allesamt ebenfalls zum Bestand des ius cogens gezählt würden. Anderenfalls verletze ein gegen die jeweilige universelle Norm verstoßender Staat zwar nicht die Rechte eines anderen Staates, aber diejenigen der Internationalen Gemeinschaft. Nur wenn völkerrechtliche Normen lediglich bilaterale Verpflichtungen begründeten, könne ein Staat auf seine aus ihnen resultierenden Rechte ohne Weiteres verzichten.387 Mit anderen Worten: Wenn nicht alle Staaten ein rechtlich relevantes Interesse an der Verwirklichung einer Norm hätten, dann sollen einzelne Staaten jene Norm untereinander abbedingen können.388 Sobald demnach die internationale Staatengemeinschaft einen Wert als so wichtig erachte, dass sie seine Beeinträchtigung durch einzelne Staaten nicht gestatte (ius cogens), habe auch jeder Staat als Teil dieser Gemeinschaft zugleich ein Interesse an der Beachtung derjenigen völkerrechtlichen Norm, die jenen Wert zu schützen bezwecke (Verpflichtungen erga omnes). Insoweit würden sich Normen ius cogens und Verpflichtungen erga omnes decken. Jenseits dieser gemeinsamen Schnittmenge von ius cogens und erga omnes-­ Verpflichtungen wird zwischen beiden Rechtsfiguren überwiegend wie folgt unterschieden: Anders als beim ius cogens-Konzept gehe es bei den Verpflichtungen erga omnes nicht um den Inhalt von Normen, sondern um Verpflichtungen aus bestimmten Normen.389 Das erga omnes-Konzept sei folglich nicht auf die Norm selbst, sondern vielmehr auf die durch diese auferlegte Verpflichtung bezogen.390 Nach Paulus enthalten Verpflichtungen erga omnes – im Gegensatz zu Normen ius cogens – selbst keinen abstrakt-generellen Rechtssatz nach dem Muster „ein Staat darf  Ähnlich Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 413.  Siehe dazu die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) aa) (2) (d). 386  Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 414. 387  Siehe zum Ganzen Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 414. 388  Siehe Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 414 unter Bezugnahme auf Gaja, in: Weiler/Cassese/Spinedi, International Crimes of State, S. 158; ders., 172 RdC (1981 III), S. 281. 389  Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 379. 390  Gaja, in: Weiler/Cassese/Spinedi, International Crimes of State, S. 153; Annacker, Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen, S. 29; Ragazzi, Obligations Erga Omnes, S. 162. 384 385

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nicht foltern“, sondern transformieren eine solche abstrakte Norm in ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen zwei Rechtssubjekten, in welchem eine Partei gegenüber der anderen zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen verpflichtet ist (Verpflichtung), während die andere Partei ein subjektives Recht darauf hat, dass diese Verpflichtung auch erfüllt wird (subjektives Recht).391 Ohne ein solches subjektives Recht sei eine Verpflichtung zahn- und damit letztlich wertlos, da niemand ihre Erfüllung verlangen könne.392 Auch nach Auffassung der Völkerrechtskommission bedingen sich Verpflichtung und Recht wechselseitig; denn werde eine Verpflichtung nicht erfüllt, so werde dadurch stets zugleich ein subjektives Recht verletzt. In den Worten der Völkerrechtskommission: „[I]n international law the idea of breach of an obligation can be regarded as the exact equivalent of the idea of infringement of the subjective rights of others. … The correlation between legal obligation on the one hand and subjective right on the other admits of no exception.“393

Normen ius cogens würden stets erga omnes-Verpflichtungen begründen, weil eine Pflicht, die man jedem anderen Rechtssubjekt zumute, zwangsläufig auch gegenüber allen anderen geschuldet werde.394 Während das Merkmal der universellen Anerkennung als Teil des ius cogens die Gültigkeit einer Norm betreffe, beziehe sich das Kriterium der Wirkung erga omnes aber – so Kadelbach – auf den Kreis der Berechtigten.395 Ob eine Norm zum völkerrechtlichen ius cogens gehört, ist demnach zu untersuchen, wenn es um die Frage geht, wer aus einer solchen Norm verpflichtet ist, das heißt wer Normadressat ist bzw. ob die gesamte Staatengemeinschaft eine solche Norm zu erfüllen verpflichtet ist. Ob eine solche Norm auch eine Verpflichtung erga omnes begründet, soll dagegen die Frage beantworten, wem gegenüber eine solche Verpflichtung besteht bzw. ob die gesamte Staatengemeinschaft die Einhaltung jener Norm einzufordern berechtigt ist. Allerdings liegt hierbei der Schwerpunkt nicht so sehr auf der Frage, gegenüber wem die sogenannte Primärverpflichtung geschuldet ist, sondern in welchem Verhältnis die Verletzung einer Pflicht bzw. des ihr korrespondierenden subjektiven Rechts auf der Sekundärebene konkrete Rechtsfolgen nach sich zieht: im Verhältnis zwischen dem „Rechtsverletzer“ und einem einzelnen Staat, zwischen dem Rechtsverletzer und allen anderen Staaten oder gar

 So Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 379; ähnlich Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 29: „Während die Norm eine objektiv abstrakte Verhaltensregel aufstellt, konkretisiert und personifiziert die Verpflichtung die abstrakte Regel und schafft somit ein subjektives Rechtsverhältnis.“ 392  Siehe erneut Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 379. 393  Commentary to draft Art. 3 der ILC Draft Articles on State Responsibility, ILC Yearbook 1973 II, S. 179 (182) Z. 9; siehe zum Ganzen Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 379 f. und insbesondere Fn. 227. 394  Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 178. 395  Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 178. 391

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zwischen dem Rechtsverletzer und der Staatengemeinschaft als Ganzer?396 Im Kern geht es bei Verpflichtungen erga omnes somit stets um die Frage, wer die Verletzung jener völkerrechtlicher Normen, die überragende Gemeinschaftswerte schützen, (gerichtlich) geltend machen kann und/oder durchsetzungshalber gegebenenfalls zur Ergreifung von Repressalien oder anderen Gegenmaßnahmen berechtigt ist. Insofern sind – so Simma – Normen ius cogens und Verpflichtungen erga omnes letztlich zwei Seiten derselben Medaille, auf der bestimmte Normen des Völkerrechts stünden, die mit den Worten des IGH „die Sorge aller Staaten“ („the concern of all States“) seien.397 Zwar ist das Verhältnis zwischen ius cogens und erga omnes für die theoretische Begriffsbildung der erga omnes-Verpflichtungen wichtig. Wie ein Blick zurück auf die Rechtsprechung des IGH offenlegt,398 spielt diese Unterscheidung allerdings in der völkerrechtlichen Praxis bislang keine Rolle.399 Sämtliche Beispiele, welche der IGH seither für Verpflichtungen gegenüber der internationalen Gemeinschaft als Ganzer aufgelistet hat,400 werden ohnehin auch zum Bestand des ius cogens gezählt.401 Umgekehrt beinhalten sämtliche von der Völkerrechtskommission in ihrem Kommentar zum heutigen Art.  53 WVK angeführten Beispiele für ius cogens-­ Normen zugleich Verpflichtungen erga omnes.402 Für das Verhältnis zwischen Verpflichtungen erga omnes und Normen ius cogens lässt sich daher im Hinblick auf den Diskussionsstand in der Literatur Folgendes festhalten: Nach überwiegender und auch überzeugender Auffassung sind Normen ius cogens und Verpflichtungen erga omnes zumindest teilweise deckungsgleich. Kongruent sind sie insoweit, als beide Rechtsfiguren besonders wichtige Werte oder Interessen der Staatengemeinschaft schützen. Normen ius cogens ziehen stets auch erga omnes-Verpflichtungen nach sich. Umgekehrt sind – unter bestimmten Voraussetzungen – allerdings auch Verpflichtungen erga omnes denkbar, die nicht zum Bestand des ius cogens zählen. Ius cogens ist folglich die Teilmenge und somit die engere Kategorie jener Normen, die ein Interesse der Staatengemeinschaft verkörpern, aber zusätzlich zu ihrem erga omnes-Effekt zudem noch gemäß Art. 53 WVK entgegenstehende zwischenstaatliche Vertragsbestimmungen nichtig machen.403

 Ähnlich Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 363 f..  Simma, RdC 250 (1994 VI), S. 300, Z. 60. 398  Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) aa). 399  So ausdrücklich Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 415. 400  Als Beispiele für erga omnes-Verpflichtungen hat der IGH bisher erwähnt: Verbot von Angriffskriegen und Völkermord, fundamentale Menschenrechte sowie den Schutz vor Sklaverei und Rassendiskriminierung, vgl. Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company (Belgium v. Spain), Judgement on 5 February 1970, I.C.J. Reports 1970, S. 32 Z. 34. 401  Siehe Crawford, ILC Articles on State Responsibility, Commentary, S. 244. 402  Siehe wiederum Crawford, ILC Articles on State Responsibility, Commentary, S. 244. 403  Siehe Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 415 f.; siehe außerdem ders., International Law and International Community, S. 44 f.; siehe auch bereits Gaja, 172 RdC (1981 III), S. 281; ders., in: Weiler/Cassese/Spinedi, International Crimes of State, S. 158. 396 397

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(b) Voraussetzungen von erga omnes-Verpflichtungen Des Weiteren wird in der Literatur eine rege Debatte über die für die Zwecke der vorliegenden Arbeit besonders wichtige Frage geführt, welche Voraussetzungen völkerrechtliche Normen erfüllen müssen, um Verpflichtungen erga omnes zu erzeugen. Trotz jahrzehntelanger Debatten404 wurde diese Frage bisher alles andere als eindeutig beantwortet, sodass – in den Worten von Reisman – insgesamt Unsicherheit darüber herrscht, „as to how various norms entered into the magic erga omnes circle“.405 In der Literatur werden verschiedene Kriterien vorgeschlagen, ­anhand derer sich jene Normen identifizieren lassen (sollen), die erga omnes-­ Verpflichtungen begründen. Zum Ausgangspunkt nehmen die meisten Beiträge das obiter dictum des IGH im Barcelona Traction-Fall. Dabei wird zu Recht oftmals kritisiert, der Gerichtshof habe das erga omnes-Konzept zwar in einem mutigen Schritt proklamiert, es aber anschließend nur sehr vorsichtig und zurückhaltend angewendet und sich dabei kaum dazu geäußert, wie diese neue Kategorie von Verpflichtungen sich identifizieren lasse.406 Die Aussagen des Gerichtshofes hätten sich mehr auf den erga omnes-­ Effekt als solchen konzentriert als auf die Voraussetzungen, unter welchen eine Verpflichtung jenen erga omnes-Status erlange.407 De Hoogh kommt in seiner Analyse der IGH-Rechtsprechung gar zu dem Ergebnis, aufgrund der Verschiedenheit der vom Gerichtshof angeführten Beispielsfälle lasse die IGH-Rechtsprechung kein einziges Kriterium erkennen, aus dem sich der erga omnes-Charakter einer Verpflichtung ableiten lasse.408 In der Tat hat der Gerichtshof selbst keine ausdrücklichen Kriterien angegeben, bei deren Vorliegen von einer erga omnes-Verpflichtung auszugehen sein soll. Stattdessen hat er sich darauf beschränkt, eine Liste von eindeutigen Fällen  – Aggressions- und Völkermordverbot, Schutz vor Sklaverei und Rassendiskriminierung sowie das Selbstbestimmungsrecht  – vorzuschlagen; über deren erga omnes-Status besteht allerdings heutzutage ohnehin weitgehend Einigkeit,409 sodass sich daraus eine Art „Lackmustest“ oder gar eine Art „check-liste“ mit Kriterien, die bloß nacheinander „abgeprüft“ werden müssen, jedenfalls nicht

 Aus der Fülle an Literatur zu den Verpflichtungen erga omnes (vor deren Kodifikation im Recht der Staatenverantwortlichkeit) sind hervorzuheben die Beiträge von Annacker, Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen; dies., AJPIL 46 (1994), S. 131–166; Byers, Nordic JIL 66 (1997), S. 211–239; Delbrück, FS Jaenicke, S. 17–36; Frowein, FS Doehring, S. 219–228; ders., 248 RdC (1994 IV), S. 364 f., 405–420; Günther, Klagebefugnis, S. 69–225; de Hoogh, Obligations Erga Omnes; ders., 42 AJPIL (1991), S. 183–214; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 363–419; Ragazzi, Obligations Erga Omnes; Simma, 250  RdC (1994 VI), S.  293–301; Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes. Siehe neuerdings Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 351–361. 405  Reisman, in: Delbrück (Hrsg.), The Future of International Law enforcement, S. 170. 406  So statt vieler etwa Tams, Enforcing Obligations erga omnes, S. 117. 407  Seiderman, Hierarchy in International Law, S. 123. 408  De Hoogh, Obligations Erga Omnes, S. 55. 409  Siehe nur die Nachweise bei Crawford, ILC Articles on State Responsibility, Commentary, Article 48 ASR, Abs. 9 und bei Ragazzi, Obligations Erga Omnes, S. 74–131. 404

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gewinnen lässt.410 Zwar haben einzelne IGH-Richter den „Beispielskatalog“ der erga omnes-Verpflichtungen um das Gewaltverbot und die noch allgemeiner gefassten Verpflichtungen zum Schutz des Planeten Erde erweitert.411 Diese „Seligsprechung“ ist allerdings  – wie Tams zutreffend anmerkt  – nicht das Ergebnis eines ­besonders transparenten Selektionsprozesses.412 Warum er nicht andere, sondern gerade die von ihm angeführten völkerrechtliche Normen als Beispiele für erga omnes-Verpflichtungen ausgewählt hat, sagt der Gerichtshof nämlich nicht. Dass seine Vorschlagsliste nicht abschließend gemeint sein kann, sondern es daneben auch andere Normen mit erga omnes-Wirkung geben muss, legt der Wortlaut des Barcelona Traction-Urteils nahe. Deutlich wird dies zum einen an den Worten „for example“, welche der IGH seinen Beispielsfällen voranstellt; zum anderen an dem Verweis auf das „present-day international law“ als gewissermaßen „vorläufige“ Erkenntnisquelle für Verpflichtungen erga omnes.413 Nach Auffassung der meisten Völkerrechtler hat der IGH allerdings zwei Kriterien zur Identifikation solcher Normen angedeutet, die Verpflichtungen erga omnes erzeugen: erstens die hohe Wichtigkeit der jeweiligen völkerrechtlichen Norm für die internationale Gemeinschaft und, zweitens, ihre besondere Erfüllungsstruktur.414 (c) Hohe Wichtigkeit für die internationale Gemeinschaft (Staatengemeinschaftsinteresse) Das erste Kriterium – die hohe Wichtigkeit der Norm für die internationale Gemeinschaft – ergibt sich nach weitverbreiteter Literaturauffassung aus der oben bereits oft zitierten Passage des Barcelona Traction-Urteils,415 in welcher der IGH betont, dass „[i]n view of the importance of the rights involved, [that] all States can be held to have a legal interest in their protection; they are obligations erga omnes.“416 Untermauert werde dieser so genannte materiell-rechtliche bzw. normative Ansatz417 ferner  Ähnlich Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 120.  East Timor Case, ICJ Reports 1995, 102 (para. 29); Gabcíkovo-Nagymaros Project, Sep. Op. Weeramantry, ICJ Reports 1997, S. 117 f. 412  So zu Recht Tams, Enforcing Obligations erga omnes, S. 118: „The beatification of these obligations, however, has not been the result of a particularly transparent process: while qualifying some obligations as valid erga omnes, the Court has been cautious in saying why he has chosen these, and not other, examples.“ 413  Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company (Belgium v. Spain), Judgement on 5 February 1970, I.C.J. Reports 1970, S. 32 Z. 34. 414  Siehe statt statt vieler Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 381 f.; ders., in: Cassese, Realizing Utopia, S. 89 (89); Tams, Enforcing Obligations erga omnes, S. 118 und neuerdings Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 353. 415  Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company (Belgium v. Spain), Judgement on 5 February 1970, ICJ Reports 1970, S. 32 Z. 33. 416  Siehe etwa Tams, Enforcing Obligations erga omnes, S. 118. 417  Diese Formulierung ist angelehnt an Tams, Enforcing Obligations erga omnes, S. 129 und 136 (material approach), Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 355 (Materieller Ansatz) und Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 29 f. (normativer Ansatz). 410 411

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von der übrigen Rechtsprechung des IGH. So habe der Gerichtshof etwa erga omnes-Verpflichtungen aus „essential principle[s] of contemporary international law“418 oder aus „rules making up the basic tenets of modern international law“419 abge­ leitet.420 Gestützt werde diese Lesart zudem von einem Bericht der UN-Völ­ kerrechtskommission aus dem Jahre 1976, demzufolge Normen mit erga omnes-­ Wirkung durch die „importance of their subject matter for the international community as a whole (…)“ gekennzeichnet sein sollen.421 Konkretisiert habe die UN-Völkerrechtskommission diese Definition im Jahre 1985 in Art. 5 Teil II ihrer Draft Articles of State Responsibility, wonach das erga omnes-Konzept auf jene interdependenten Rechte anwendbar sein soll, deren Verletzung „necessarily affects the enjoyment“ dieser Rechte durch die internationale Gemeinschaft.422 Allerdings handele es sich – so vor allem Paulus,423 Tams,424 und De Hoogh425– bei der „Wichtigkeit einer Norm“ um ein vages und unbestimmtes, weil höchst subjektives Kriterium, zumal der IGH sich nicht dazu geäußert habe, wie wichtig eine solche Norm sein, das heißt welchen Grad an Wichtigkeit sie haben muss, um erga omnes-­Wirkung zu entfalten.426 Während andere vage und unbestimmte Begriffe des Völkerrechts – wie etwa „Friedensbedrohung“ oder „Intervention“ – durch konstante Anwendung in der Praxis konkretisiert und ausgeformt würden, sei das erga omnes-­Konzept gerade noch nicht regelmäßig in völkerrechtlichen Gerichtsverfahren geltend gemacht worden.427 In einem Atemzug mit dem Kriterium der hohen Wichtigkeit für die internationale Gemeinschaft wird meistens hervorgehoben, erga omnes-Wirkung würden nur diejenigen Normen entfalten, die ein „Interesse der Staatengemeinschaft als Ganzer“ ausdrücken.428 Diese Voraussetzung ergibt sich bereits aus dem allgemein anerkannten Begriff der Verpflichtungen erga omnes, bei denen es sich um solche Pflichten handelt, an deren Erfüllung alle Staaten ein rechtliches Interesse haben.429  ICJ Reports 1995, S. 102 Z. 29.  ICJ Reports 1984, S. 198. 420  Siehe Tams, Enforcing Obligations erga omnes, 129. 421  ICJ Reports 1984, S. 198. 422  ICJ Reports 1984, S. 198. 423  Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 382. 424  Tams, Enforcing Obligations erga omnes, S. 138 f. 425  De Hoogh, Obligations Erga Omnes, S. 53–56. 426  Ähnlich Tams, Enforcing Obligations erga omnes, S. 136: „The most obvious question arising is how important obligations have to be in order to be valid erga omnes – it is thus necessary to establish the required degree of importance.“ Ders., Enforcing Obligations erga omnes später auf S. 138: „While affirming that only important obligations are valid erga omnes, the Court has failed to spell out how important they would have to be.“ 427  So vor allem Tams, Enforcing Obligations erga omnes, S. 138. 428  Siehe etwa Delbrück, FS Jaenicke, S. 18, 32 und 35; Frowein, FS Doehring, S. 219 (226, 228); Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 31; Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 60 Rn. 120; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 363, 413–416 ff.; ders., in: Cassese, Realizing Utopia, S. 89 (89 f.); Wolfrum, 33 GYIL (1990), S. 325 f.; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 353; Patronos, Der konzeptionelle Ansatz, S. 256. 429  Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S.  31; Wolfrum, 33 GYIL (1990), 418 419

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Verpflichtungen erga omnes sind dadurch charakterisiert, dass die internationale Gemeinschaft als Ganze als eigenständiges Rechtssubjekt ihre Erfüllung verlangen kann und hierbei von den einzelnen Staaten, die ihr als Mitglieder angehören, repräsentiert wird.430 Per definitionem können folglich nur solche Normen Verpflichtungen erga omnes erzeugen, die es im Interesse der Staatengemeinschaft gibt. Das Vorliegen von Staatengemeinschaftsinteressen ist, in den Worten von Annacker, gewissermaßen „faktische Prämisse“ des erga omnes-Konzepts.431 Wie selbstverständlich dies zu sein scheint, lässt sich außerdem an jener vielfach zitierten Passage des IGH im Barcelona Traction-Urteil ablesen, wonach Verpflichtungen erga omnes „ihrer Natur nach“ die Sorge aller Staaten seien und – gerade deshalb – alle Staaten ein rechtliches Interesse an deren Schutz hätten: „By their very nature (…) obligations of a State towards the international community as a whole (…) are the concern of all States (…) all States can be held to have a legal interest in their protection; (…).“432

Weit weniger selbstverständlich zu beantworten ist allerdings die vorgelagerte Frage, wann eine Norm tatsächlich ein Interesse der gesamten Staatengemeinschaft zum Ausdruck bringt.433 (d) Besondere Erfüllungsstruktur Das zweite Kriterium für die Identifizierung von Normen mit erga omnes-­Wirkung – ihre besondere Erfüllungsstruktur – wird nach einem sogenannten strukturellen Ansatz434 ebenfalls aus jener oft zitierten Schlüsselpassage des Barcelona Traction-­ Diktums abgeleitet, wonach „an essential distinction should be drawn between the obligations of a State towards the international community as a whole, and those arising vis-à-vis another State (…)“.435

Im Gegensatz zur rein bilateralen völkerrechtlichen Verpflichtung, die ein Staat stets (jeweils) nur im Verhältnis zu einem einzigen berechtigten Staat erfüllen müsse, sei eine Verpflichtung erga omnes dadurch charakterisiert, dass sie gegenS.  325  f.; Delbrück, FS Jaenicke, S.  18, 32 und 35; Frowein, FS Doehring, S.  219 (226, 228); Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S.  353; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 363, 413–416 ff. und S. 380; Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 129. 430  So Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 380. 431  Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 31. 432  Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company (Belgium v. Spain), Judgement on 5 February 1970, ICJ Reports 1970, S. 32 Z. 33. 433  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b) aa). 434  So kategorisiert von Tams, Enforcing Obligations erga omnes, 129. Ähnlich neuerdings Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 353 (Strukturelle Definition). Zur übersichtlicheren Darstellung werden im Folgenden all jene Lehrmeinungen dem „strukturellen Ansatz“ zugerechnet, welche die besondere Erfüllungsstruktur einer völkerrechtlichen Norm als ausschlaggebendes Kriterium für ihre erga omnes-Wirkung ansehen. 435  Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company (Belgium v. Spain), Judgement on 5 February 1970, I.C.J. Reports 1970, S. 32 Z. 33.

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über der Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit geschuldet sei.436 Verpflichtungen erga omnes würden weder ausschließlich über ihren Inhalt noch anhand ihrer Entstehungsweise, sondern vor allen Dingen über die Struktur definiert, entlang derer sie zu erfüllen seien.437 Entscheidend für den erga omnes-Charakter einer Norm soll ihre spezifische Rechte-Pflichten-Struktur sowie das daraus resultierende Verantwortlichkeitsregime sein, also ihre Erfüllungsstruktur.438 In den Worten von Tams: „(…) by definition, responsibility for violations of obligations erga omnes exceeds the reciprocal legal relations between pairs of States, since all States have a legal interest in their observance. The vantage point of the second [structural] approach, however, is quite different. Rather than describing the consequences flowing from breaches, it addresses the ­pattern (or structure) along which obligations erga omnes have to be performed. In view of the commentators, the erga omnes status of an obligation is merely the consequence of its non-reciprocal structure of performance. Put differently, an obligation acquires erga omnes status precisely because it has to be performed in relation to all other States (…), and thereby transcends the reciprocal (…) relations between pairs of States.“439

Eine Verpflichtung erga omnes betreffe, mit anderen Worten, nicht die (primäre) Gebots- oder Verbotsebene, sondern vielmehr die (sekundäre) Erfüllungsebene.440 Verpflichtet aus einer Norm mit erga omnes-Wirkung sei jeder einzelne Staat; auf der Berechtigten-Seite stehe zunächst einmal – stark verkürzt und vereinfacht – die Gesamtheit aller anderen Staaten der internationalen Gemeinschaft.441 Im Gegensatz zu Verpflichtungen aus bilateralen Rechtsverhältnissen seien erga omnes-­ Verpflichtungen „rechtlich unteilbar“,442 weil sie nur gegenüber allen Staaten der internationalen Gemeinschaft, nicht aber gegenüber einzelnen Gemeinschaftsmitgliedern erfüllt oder verletzt werden könnten.443 Auf den Punkt bringt es Arangio-­ Ruiz, indem er ausführt: „It is well known (…) that the concept of erga omnes obligations is not characterized by the importance of the interests protected by the norm (as is typical of ius cogens) but rather by the ‚legal indivisibility‘ of the content of the obligation namely by the fact that the rule in question provides for obligations which bind simultaneously each and every State concerned with respect to all the others.“444  Siehe Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 29.  Siehe Tams, Enforcing Obligations erga omnes, S. 129; Hartmann, erga omnes-Normen, S. 115; vgl. auch Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 29. 438  So vor allem Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 29, 30. 439  Tams, Enforcing Obligations erga omnes, S. 129 f. 440  Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 363 und 376. 441  Siehe Hartmann, erga omnes-Normen, S. 115. 442  Arangio-Ruiz, ILC Yearbook 1992, II/1, S. 34 Z. 92; ähnlich Sachariew, Die Rechtsstellung betroffener Staaten bei Verletzungen multilateraler Verträge, S. 76 („nicht spaltbar“); siehe auch Pellet, Vive le crime!, in: International Law on the Eve of the Twenty-first Century, S. 292 und Tams, Enforcing obligations erga omnes, S. 130. Siehe ferner Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 298; Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S.  30; Hartmann, erga omnes-Normen, S. 116. 443  Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 298; Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 30; Hartmann, erga omnes-Normen, S. 116. 444  Arangio-Ruiz, ILC Yearbook 1992, II/1, S. 34 Z. 92; ähnlich Sachariew, Die Rechtsstellung be436 437

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Inhaber des jeweils zu schützenden Rechtsgutes seien nicht einzelne Staaten, sondern die Gemeinschaft als solche.445 Deshalb lasse sich eine erga omnes-­ Verpflichtung nicht in ein Bündel bilateraler Verpflichtungen aufspalten.446 Diese „nicht-reziproke“ bzw. „nicht-bilateralisierbare Struktur“ sei somit ein hervorstechendes Merkmal einer Norm mit erga omnes-Wirkung.447 Für die Frage, ob eine Norm erga omnes-Wirkung besitzt, sei es zunächst einmal irrelevant, wie viele Staaten durch sie gebunden seien. Fast jede Norm des Völkergewohnheitsrechts sei ohnehin an alle Staaten adressiert, sodass mit diesem Nachweis für sich genommen noch nicht viel gewonnen sei.448 Eine Norm vermöge demnach nicht erst dann erga omnes-Wirkung zu entfalten, wenn sie universell akzeptiert und daher zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt sei.449 Zwar lasse sich – parallel zur Rechtsfigur des ius cogens – der erga omnes-Charakter bestimmter Verpflichtungen durchaus an ihrer Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft ablesen, zumal wenn sich dieser Rechtscharakter nicht bereits aus der besonderen Erfüllungsstruktur der betreffenden Norm selbst ergebe.450 Doch könne sich eine besondere Erfüllungsstruktur nicht bloß aus Normen des allgemeinen Völkerrechts, sondern auch aus dem regionalen Völkergewohnheitsrecht innerhalb der entsprechenden Region oder aus multilateralen völkerrechtlichen Verträgen ergeben.451 In den Worten von Annacker: „Such a non-bilateralisable structure not only occurs with obligations which are owed to the ‚international community as a whole‘ (i.e. towards all States), but with all obligations that exist towards a community of States. An erga omnes obligation can be an obligation towards all the parties of a multilateral treaty (‚erga omnes contractantes‘), an obligation vis-à-vis a community of States bound by a rule of regional customary law or an obligation towards the international community.“452

Obgleich die universale Anerkennung einer Norm folglich ein Indiz für ihre erga omnes-Wirkung sein könnte, soll die Frage nach der Zugehörigkeit einer Norm zum universellen Völkerrecht zunächst strikt von der Frage ihrer erga omnes-Geltung zu troffener Staaten bei Verletzungen multilateraler Verträge, S.  76 („nicht spaltbar“); siehe auch Pellet, Vive le crime!, in: International Law on the Eve of the Twenty-first Century, S. 292 und Tams, Enforcing obligations erga omnes, S. 130. 445  Hartmann, erga omnes-Normen, S. 116. 446  Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 30. 447  So Annacker, 46 AJPIL (1993/1994), S. 131 (136): „The distinguishing feature of an obligation erga omnes is its non-bilaterizable structure“. Siehe ferner Tams, Enforcing obligations erga omnes, S. 129; Seiderman, Hierarchy in international Law, S. 129; Sachariew, Die Rechtsstellung betroffener Staaten bei Verletzungen multilateraler Verträge, S. 76. 448  Siehe Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 30; dies., 46 AJPIL (1994), S. 135 f.; siehe zudem Hartmann, erga omnes-Normen, S. 116. 449  So klar nur Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 382. 450  So etwa Klabbers, 8 Finnish YbIL (1997), S. 411; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 382; Simma, in: Delbrück (Hrsg.), Future of International Law Enforcement, S. 133; De Hoogh, Obligations Erga Omnes, S. 55; Raggazzi, Obligations Erga Omnes, S. 17. 451  Gaja, in: International Crimes of State, S. 153; siehe auch Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 382. 452  So früh und klar vor allem bereits Annacker, 46 AJPIL (1993/1994), S. 131 (135).

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trennen sein.453 Konsequenterweise beantworte daher auch die konkrete Rechtsquelle einer Norm im Einzelfall per se noch nicht zwingend die Frage nach ihrer erga omnes-Wirkung.454 Ob eine Primärnorm im Völkervertragsrecht oder im Völkergewohnheitsrecht entstanden sei, treffe für sich genommen noch keine Aussage über ihre Rechte-Pflichten-Struktur und ihr Verantwortlichkeitsregime, das heißt zu ihrer Erfüllungsstruktur.455 Ob und inwieweit das erga omnes-Konzept wirklich derartig „Rechtsquellen-neutral“456 ist, wird in der Literatur allerdings kontrovers diskutiert. So scheint es nach einigen Literaturauffassungen bei der Identifizierung von erga omnes-Verpflichtungen durchaus eine Rolle zu spielen, welcher Rechtsquelle die jeweiligen „Kandidaten-Normen“ entspringen. Daher werden auch im Hinblick auf ihre Rechtsfolgen gelegentlich Verpflichtungen erga omnes von Verpflichtungen erga omnes partes unterschieden, mit denen völkervertragliche Pflichten gemeint sind, an deren Erfüllung nicht alle Staaten dieser Welt, sondern eben nur alle Vertragsstaaten ein rechtliches Interesse haben.457 Für andere Stimmen in der Literatur sind auch bei Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen die „herkömmlichen“ Bewertungsmaßstäbe anzuwenden.458 Auf diese Frage nach den Rechtsquellen von erga omnes-Verpflichtungen wird weiter unten zurückzukommen sein, wenn es um die konkreten erga omnes-Wirkungen des common concern of humankind-­Prinzips geht.459 Auch ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag, der entweder als reines Völkervertragsrecht oder gar als kodifiziertes Gewohnheitsrecht viele oder gar (nahezu) alle Staaten dieser Welt verpflichtet, begründet nicht zwangsläufig Verpflichtungen erga omnes. Daher lässt sich die erga omnes-Wirkung einer Norm auch nicht etwa bereits aus ihrer Verbindlichkeit für alle Staaten ableiten; denn bei genauerem Hinsehen kann eine Norm auch in einer Summe bilateraler Verpflichtungen aller Staaten gegenüber allen einzelnen Staaten aufgehen.460 Bisweilen würden daher auch multilaterale völkerrechtliche Verträge bloß (gleichlautende) bilaterale Rechtsverhältnisse zusammenfassen.461 So seien etwa die Wiener Konventionen über diplo So Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 382.  Annacker, 46 AJPIL (1993/1994), S. 131 (136). 455  So vor allem Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 30. 456  Diese griffige Formulierung stammt von Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 121. 457  Siehe ICTY, Blaskic case, 110 ILR, S. 699 f. Z. 26; Arangio-Ruiz, Fourth Report on State Responsibility, IC Yearbook 1992 II/1, para. 92; Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 120; Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S.  29  f.; dies., 46 AJPIL (1994), S. 135 f.; Hutchinson, 59 BYIL (1988), S. 155 f.; Kessler, Durchsetzung der Genfer Abkommen, S. 42. 458  Siehe nur Annacker, 46 AJPIL (1993/1994), S. 131 (135); Karl, 33 BDGVR (1994), S. 88; ähnlich Kessler, Durchsetzung der Genfer Abkommen, S. 42 mit Blick auf das humanitäre Völkerrecht. 459  Siehe Vierter Teil, Kap. XV. 460  Siehe dazu nur Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 376; ähnlich Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 30; außerdem Hartmann, erga omnes-Normen, S. 116. 461  Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S.  341, §  539; Simma, 250 RdC (1994), S.  823; Sachariew, Verletzung multilateraler Verträge, S. 76; Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 30; dies., 46 AJPIL (1994), S. 136. 453 454

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matische462 und konsularische Beziehungen463 letztendlich nur „Bündel bilateraler Rechtsbeziehungen“.464 So dürfe beispielsweise gemäß Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Wiener Diplomatenrechtskonvention ein Staat einen Diplomaten eines anderen Staates nicht vor ein Strafgericht stellen; doch diese Verpflichtung jedes Staates, den Diplomaten D nicht vor ein Strafgericht zu stellen, bestehe jeweils nur gegenüber dessen Heimatstaat, nicht gegenüber jedem anderen Staat.465 Nicht jede Norm, die für alle Staaten gelte, ziehe mithin automatisch Verpflichtungen erga omnes nach sich.466 Sie müsse vielmehr auch dadurch gekennzeichnet sein, nur gegenüber der internationalen Gemeinschaft als Ganzer erfüllt werden zu können. Um die erga omnes-­ Wirkung einer völkerrechtlichen Norm nachzuweisen, sei ihre jeweilige Rechtsquelle vielmehr konkret daraufhin zu untersuchen, wem gegenüber die Verpflichtung bestehe, also ob sie etwa gegenüber den anderen Vertragsmitgliedern oder aber gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft als Ganzer zu erfüllen sei.467 Nur wenn alle Staaten jeweils gegenüber allen anderen Staaten der internationalen Gemeinschaft verpflichtet seien, die jeweilige völkerrechtliche Vorschrift zu erfüllen und daher auch alle Staaten berechtigt seien, von allen anderen Staaten diese Erfüllung einzufordern, handelt es sich nach dem strukturellen Ansatz um eine „echte“ Verpflichtung erga omnes.468 Eine solche „besondere Erfüllungsstruktur“ weist eine völkerrechtliche Norm nach Paulus etwa dann auf, wenn neben oder statt des unmittelbar Berechtigten die internationale Gemeinschaft einspringen könne oder mangels Partei- oder Rechtsfähigkeit des Berechtigten gar einspringen müsse, um die Erfüllung der betreffenden Verpflichtung durchzusetzen.469 Verpflichtungen erga omnes würden folglich in erster Linie von solchen Normen erzeugt, die zugunsten von Personen oder Einheiten ohne Völkerrechtssubjektivität entstanden seien. Charakteristikum solcher Verpflichtungen sei somit ihre „notwendige Ersetzungsfunktion“: Weil der Begünstigte der betreffenden völkerrechtlichen Norm selbst nicht handlungsfähig sei, werde die internationale Gemeinschaft gewissermaßen „zwischengeschaltet“, um für ihn einzutreten und seine Rechte einzufordern.470 Verpflichtungen erga omnes seien dadurch charakterisiert, dass die internationale Gemeinschaft als Ganze das Rechtssubjekt sei, das Erfüllung verlangen könne; repräsentiert werde sie aber von den einzelnen Staaten, die ihr als Mitglieder angehören würden. Die Völkerrechtsordnung lasse  Vienna Convention on Diplomatic Relations, 18. April 1961, UNTS 500, S. 95, BGBl. 1964 II S. 959. 463  Vienna Convention on Consular Relations, 24. April 1963, BGBl. 1969 I S. 318. 464  Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 30. 465  Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 376. 466  Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 376. 467  Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 30; Hartmann, erga omnes-Normen, S. 115. 468  Ähnlich Annacker, 46 AJPIL (1993/1994), S. 131 (137) unter Berufung auf Simma, Das Reziprozitätselement, S. 196. 469  Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 381. 470  Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 382 und 375 f. 462

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sich herkömmlicherweise aufgrund ihrer horizontalen Struktur nur bilateral durchsetzen, zumal ein „objektives“ Verfahren, mithilfe dessen sich die Einhaltung des Völkerrechts kontrollieren ließe, bislang nicht vorhanden sei. Diese Durchsetzungsschwäche – so Paulus – solle nunmehr durch das Konzept der erga omnes-Verpflichtungen kompensiert werden, welches als Ersatz für eine „objektive“, die Einhaltung des Völkerrechts überwachende Institution diene.471 So plädiert denn auch Coffman dafür, denjenigen Normen einen erga omnes-Effekt zuzuschreiben, die sich trotz ihrer hohen Wichtigkeit für die internationale Gemeinschaft nicht von den Exekutivorganen der Vereinten Nationen ausreichend durchsetzen lassen.472 Erga omnes-Verpflichtungen würden daher eine besondere Durchsetzungsstruktur begründen, die es allen Staaten erlaube, die Nichteinhaltung jener Pflichten selbst dann geltend zu machen, wenn sie nicht konkret in eigenen materiellen Rechten verletzt seien.473 (e) Zusammenfassung Ausgehend von der Rechtsprechung des IGH im Fall Barcelona Traction wurden in der Literatur weit überwiegend zwei Charakteristika von erga omnes-­Verpflichtungen – Staatengemeinschaftsinteresse und besondere Erfüllungsstruktur – herausgearbeitet, deren Verhältnis zueinander allerdings unklar ist. Fraglich und umstritten ist etwa, ob es zur Begründung einer erga omnes-Verpflichtung ausreicht, dass eines jener Kriterien vorliegt, oder ob beide erfüllt sein müssen.474 Wie allerdings bereits weiter oben angedeutet wurde, beschreibt das Charakteristikum der besonderen Erfüllungsstruktur einer erga omnes-Verpflichtung nicht die primäre Verpflichtungs-, sondern vor allen Dingen die sekundäre Erfüllungsebene.475 Damit betrifft das Kriterium der besonderen Erfüllungsstruktur weniger die Voraussetzungen, unter denen eine erga omnes-Verpflichtung entsteht, sondern vielmehr ihre Rechtsfolge, nämlich dass sie gegenüber der internationalen Gemeinschaft als Ganzer zu erfüllen ist. Wer demnach das Kriterium der besonderen Erfüllungsstruktur für zwingend erforderlich hält, verwechselt – streng genommen – den Tatbestand (Norm als Ausdruck eines Staatengemeinschaftsinteresses) mit seiner Rechtsfolge (besondere Erfüllungsstruktur).476 Ob Staatengemeinschaftsinteresse und besondere Erfüllungsstruktur kumulativ oder nur alternativ vorliegen müssen, um Verpflichtungen erga omnes zu begründen, kann jedenfalls dahinstehen, wenn sich im Verlauf der Arbeit herausstellen sollte, dass das common concern of humankind-­Prinzip ohnehin sowohl Ausdruck eines Staatengemeinschaftsinteresses ist als auch die oben skizzierte „besondere Erfüllungsstruktur“ aufweist. Einstweilen kann diese Frage jedoch offenbleiben.

 Siehe zum Ganzen Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 380 f.  Coffman, 39 GYIL (1996), S. 285 (309). 473  Vgl. Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 376. 474  Siehe zu den alternativen und kumulativen Ansätzen etwa Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 357. 475  Siehe Vierter Teil, Kap. XV. 1. a) bb). 476  Ähnlich Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 385. 471 472

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bb) Die Verankerung der Verpflichtungen erga omnes im Recht der Staatenverantwortlichkeit der UN-Völkerrechtskommission (Überblick) Entscheidend geprägt wurden Begriff und Voraussetzungen (sowie Rechtsfolgen)477 der Verpflichtungen erga omnes im gegenwärtigen Völkerrecht durch die Arbeiten der UN-Völkerrechtskommission (International Law Commission, ILC) zum Recht der Staatenverantwortlichkeit.478 Eingesetzt wurde die ILC im Jahre 1948 von der UN-Generalversammlung, welche damit den Zweck verfolgte, ihr Mandat für die „fortschreitende Entwicklung des Völkerrechts sowie seine Kodifizierung“ gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. a) UN-Charta zu erfüllen.479 Gemeinsam mit dem Sechsten Ausschuss der UN-Generalversammlung hat die ILC seit dem Jahre 1962 eine eigenständige Kategorie zu erschaffen versucht, mittels derer Staaten für Verstöße gegen grundlegende Gemeinschaftswerte verantwortlich gemacht werden können.480 Nach beinahe vierzig Jahren, im Zuge derer sich das Konzept einer Staatenverantwortlichkeit in mehreren Entwürfen immer wieder veränderte, hat die ILC nunmehr im Jahre 2001 die Articles on State Responsibility vorgelegt und darin vor allem die Kategorie der erga omnes-Verpflichtungen verankert. (1) Verhältnis zwischen Verpflichtungen erga omnes und ius cogens Zwar hat sich die ILC bei ihren Kodifizierungsarbeiten vom Konzept des völkerrechtlichen Verbrechens verabschiedet und damit eine lange währende und in aller Breite geführte Debatte481 zumindest vorläufig beendet. An ihrer Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten von Völkerrechtsverletzungen hat die ILC allerdings festgehalten, wobei sie auf die Konzepte der ius cogens-Normen und der erga omnes-­Verpflichtungen zurückgegriffen hat.482 Zur Begründung verweist die ILC zum einen auf die zuvor bereits erörterten Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs zu den Verpflichtungen erga omnes in den Fällen Barcelona Traction, East Timor und Genocide.483 Zum anderen rekurriert die ILC auf die jüngeren Entwicklungen des Völkerrechts, im Zuge derer das Konzept zwingender Normen  – etwa in den Artt. 53 und 64 WVK – anerkannt und daher bestätigt worden sei.484  Siehe Vierter Teil, Kap. XV.  Siehe zur Bedeutung der ASR als „Rechtserkenntnisquelle“ allgemein die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIII. 4. a) cc). 479  So Crawford, ILC Commentary, Introduction, S. 1. 480  Ausführlich zur Kodifikationsgeschichte bis 1988, Spinedi, in: Weiler/Cassese/Spinedi (Hrsg.), International Crimes of a State, S. 1–138. Zu den Kodifizierungsarbeiten ab 1988 und den einzelnen Entwürfen siehe vor allem die Analyse von Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 386 ff. 481  Siehe die zusammenfassende Darstellung von Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 217 (301 ff.). 482  Siehe Graaff, Staatenverantwortlichkeit, S. 145. 483  Crawford, ILC Commentary, S. 278. 484  ILC Report, Fifty-third session 2011, GA Official Records, Fifty-sixth session, Supplement No. 10 (A/56/10), Kap. IV, State Responsibility, S. 278, Abs. 3. 477 478

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Bereits am Wortlaut und der Systematik der einschlägigen Artikel in Teil 2 Kap. III einerseits sowie Teil 3 Kap. I der ASR andererseits lässt sich ablesen, dass die ILC Normen ius cogens und Verpflichtungen erga omnes eine unterschiedliche völkerrechtliche Bedeutung beimisst. Während Normen ius cogens in Teil 2 der ASR verankert wurden, der sich mit dem Inhalt der Staatenverantwortlichkeit befasst („Content of the International Responsibility of a State“), wurden Verpflichtungen erga omnes in Teil 3 niedergelegt, wo die Durchsetzung der Staatenverantwortlichkeit geregelt ist („The Implementation of the International Responsibility of a State“). Auch in ihrer Kommentierung zu Teil 2 Kap. III hat die Völkerrechtskommission deutlich gemacht, dass sie zwischen ius cogens-Normen und Verpflichtungen erga omnes differenziert, und näher ausgeführt, in welchem Verhältnis beide Konzepte zueinander stehen sollen. Zwar seien beide Konzepte nicht identisch, würden jedoch inhaltlich große Gemeinsamkeiten aufweisen und sich zumindest in weiten Teilen überlappen.485 Damit hat sich die ILC im Wesentlichen der überwiegenden Auffassung in der Literatur angeschlossen.486 An den Ausführungen von Crawford aus dem Jahr 2005, dem als Special Rapporteur in der Schlussphase der Kodifikationsarbeiten besondere Autorität zukam und dessen Ansicht daher erheblichen Einfluss auf den Schlussentwurf hatte, wird dies besonders deutlich: „Whether or not peremptory norms of general international law and obligations to the international community as a whole are aspects of a single basic idea, there is at the very least a substantial overlap between them. The examples which the International Court has given of obligations towards the international community as a whole all concern obligations which, it is generally accepted, arise under peremptory norms of general international law. Likewise the examples of peremptory norms given by the Commission in its commentary to what became article 53 of the Vienna Convention involve obligations to the international community as a whole.“487

Metaphorisch beschreibt die ILC wie bereits zuvor Simma488 Normen ius cogens und Verpflichtungen erga omnes als „zwei Seiten einer Medaille“ („two sides of one and the same coin“), die – sinngemäß – denselben Ursprung hätten und sich lediglich in ihrer Ausrichtung voneinander unterscheiden würden.489 Ähnlich pointiert gibt erneut Crawford im Nachgang zum Abschluss der Kodifikation im Jahre 2005 die Auffassung der ILC wieder: „(T)here is atleast a difference in emphasis. While peremptory norms of general international law focus on the scope and priority to be given to a certain number of fundamental  ILC Report, Fifty-third session 2011, GA Official Records, Fifty-sixth session, Supplement No. 10 (A/56/10), Kap. IV, State Responsibility, S. 278, Abs. 7. 486  Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) aa) (2) (a). Vertreten etwa von Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 300°f.; ähnlich ders., in: ILC’s commentary to article 40 ASR, Rn. 7. 487  ILC Report, Fifty-third session 2011, GA Official Records, Fifty-sixth session, Supplement No. 10 (A/56/10), Kap. IV, State Responsibility, S. 278, Abs. 7. 488  Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 221 (300): „Therefore, ius cogens and obligations erga omnes are but two sides of one and the same coin (…).“ 489  ILC Report, Fifty-third session 2011, GA Official Records, Fifty-sixth session, Supplement No. 10 (A/56/10), Kap. IV, State Responsibility, S. 278, Abs. 7. 485

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obligations, the focus of obligations to the international community as a whole is essentially on the legal interest of all States in compliance – i.e., in terms of the present articles, in being entitled to invoke the responsibility of any State in breach.“490

Wegen ihrer unterschiedlichen Ausrichtung zögen beide Konzepte gemäß Teil 2 Kap. III und Teil 3 Kap. I der ASR auch unterschiedliche Konsequenzen nach sich: „Consistently with the difference in their focus, it is appropriate to reflect the consequences of the two concepts in two distinct ways. First, serious breaches of obligations arising under peremptory norms of general international law can attract additional consequences, not only for the responsible State but for all other States. Secondly, all States are entitled to invoke responsibility for breaches of obligations to the international community as a whole.“491

Festhalten lässt sich somit, dass sich auch während der Kodifizierungsarbeiten der ILC die Auffassung durchgesetzt hat, wonach Verpflichtungen erga omnes eine eigenständige Rechtskategorie darstellen, mittels derer sich Gemeinschaftsinteressen durchsetzen lassen. (2) Verpflichtungen erga omnes (partes) und ihre Voraussetzungen (Art. 48 ASR) Was die Kodifizierung von erga omnes-Verpflichtungen angeht, so „spielt die Musik“ daher hauptsächlich in Art. 48 ASR, der als Komplementärvorschrift zu Art. 42 ASR die Befugnis auch aller „anderen (unverletzten) Staaten“ verankert, den Verletzerstaat zur Verantwortung zu ziehen, sofern es sich bei der verletzten Pflicht um eine Verpflichtung erga omnes handelt. In Art. 48 Abs. 1 lit. b) ASR heißt es: „Any State other than an injured State is entitled to invoke the responsibility of another State (…) if (…) the obligation breached is owed to the international community as a whole.“492

Im Hinblick auf die Voraussetzungen von erga omnes-Verpflichtungen differenziert die ILC nunmehr in Art. 48 ASR zwischen Verpflichtungen erga omnes und erga omnes partes. Während „klassische“ erga omnes-Verpflichtungen nach Art. 48 Abs. 1 lit. b) ASR gegenüber der Staatengemeinschaft als Ganzer geschuldet werden („owed to the international community as a whole“), können Verpflichtungen erga omnes partes gemäß Art. 48 Abs. 1 lit. a) ASR nur von solchen Staaten eingefordert werden, die gerade zu jener „Staatengruppe“ gehören, in deren „Kollektivinteresse“ die Verpflichtung begründet wurde. Nach eigenen Angaben hat die ILC den Terminus der „erga omnes-­Verpflichtung“ in ihren Artikeln zur Staatenverantwortlichkeit nur vermieden, weil sie zum einen  Vgl. Crawford, ILC Commentary, S. 244 f. Siehe dazu außerdem Paulus, 74 NordicJIL (2005), S. 297 (315). 491  Crawford, ILC Commentary, S. 245. 492  Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UNGA Res. 56/83 v. 28. Januar 2002, Annex, ebenfalls abgedruckt bei Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, S. 276. 490

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die ebenfalls vom IGH stammende Formulierung der „obligations owed towards the international community as a whole“ für aussagekräftiger hielt und zum anderen die Gefahr einer Verwechselung mit Verpflichtungen gegenüber allen Parteien eines völkerrechtlichen Vertrages (ohne erga omnes- oder erga omnes partes-Wirkung) bannen wollte.493 In ähnlicher Weise hat die ILC in Art. 48 ASR darauf verzichtet, die Rechtsposition der „anderen Staaten“ durch die Verwendung des bislang gebräuchlichen Begriffs eines „rechtlichen Interesses“ zu qualifizieren, um die Abgrenzung zu den „verletzten Staaten“ nach Art. 42 ASR nicht zu verwischen, die an einer Geltendmachung der völkerrechtlichen Rechtsverletzung ebenfalls „rechtlich interessiert“ sind.494 (a) Verpflichtungen erga omnes (Art. 48 lit. b) ASR) Obgleich die ILC versucht hat, das jahrzehntelang umstrittene erga omnes-Konzept mit ihren Articles on State Responsibility in spezifisch greifbare Normen zu gießen, schweigen jene Artikel zu der „Vorfrage“, unter welchen Voraussetzungen derartige Verpflichtungen entstehen. Allerdings hat die ILC in ihrer Kommentierung zu Art. 48 ASR ausdrücklich klargestellt, dass es sich dabei um Verpflichtungen handeln muss, welche die „Interessen der Staatengemeinschaft als Ganzer“ schützen: „A State which is entitled to invoke responsibility under article 48 is acting not in its individual capacity by reason of having suffered injury but in its capacity as a member of (…) the international community as a whole. (…) Article 48 is based on the idea that in case of breaches of specific obligations protecting (…) interests of the international community as a whole, responsibility may be invoked by States which are not themselves injured in the sense of article 42. (…) All States are by definition members of the international c­ ommunity as a whole, and the obligations in question are by definition collective obligations protecting interests of the international community as such (…) Each State is entitled, as a member of the international community as a whole, to invoke the responsibility of another State for breaches of such obligations.“495

Ausweislich ihrer Kommentierung war es gerade die Absicht der ILC, mit Art. 48 ASR das berühmte obiter dictum des IGH im Barcelona Traction-Fall zu kodifizieren, in welchem der Gerichtshof ebenfalls ein überragend wichtiges Staatengemeinschaftsinteresse als Voraussetzung für eine erga omnes-Wirkung ansah.496 Wie zuvor  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 8 und 9: „While taking up the essence of this statement [‚the International Court’s statement in the Barcelona Traction case], the articles avoid use of the term ‚obligations erga omnes’, which conveys less than the Court’s reference to the international community as a whole and has sometimes been confused with obligations owed to all the parties to a treaty.“ 494  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 2: „(…) article 48 refrains from qualifying the position of the States identified in article 48, for example by referring to them as ‚interested States‘. The term ‚legal interest‘ would not permit a distinction between articles 42 and 48, as injured States in the sense of article 42 also have legal interests“. 495  Crawford, ILC Commentary, Art. 48 Abs. 2, 9 und 10, S. 276–278. 496  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 8: „The provision intends to give effect to the International Court’s statement in the Barcelona Traction case, where the Court drew an ‚essential distinction‘ between obligations owed to particular States and those ‚owed towards the 493

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der Internationale Gerichtshof macht allerdings auch die International Law Commission keine Anstalten, den Begriff des Staatengemeinschaftsinteresses näher zu definieren. Sie stellt vielmehr ausdrücklich klar, es sei nicht die Funktion ihrer Artikel, eine Art „Liste“ derjenigen Verpflichtungen zu kodifizieren, die nach gegenwärtigem Völkerrecht gegenüber der internationalen Gemeinschaft als Ganzer geschuldet seien. Eine derartige „Katalogisierung“ von Kandidatennormen durch Fallgruppen sprenge die Aufgaben der ILC und sei außerdem nur von begrenztem Wert, zumal das erga omnes-Konzept sich notgedrungen weiterentwickeln werde (und müsse).497 Zur Orientierung verweist die ILC wiederum auf die „Leitplanken“, die der IGH errichtet habe, indem er beispielhaft in seinem Barcelona Traction-­Diktum das Verbot von Angriffskriegen und Völkermord sowie grundlegende Menschenrechte und insbesondere den Schutz vor Sklaverei und Rassendiskriminierung angeführt und später in seinem Ost-Timor-Urteil das Selbstbestimmungsrecht aller Völker dieser vorläufigen „Liste“ hinzugefügt habe.498 Auch wenn sich daraus eine gewisse Groborientierung ergeben mag, bleibt doch für den gegenwärtigen Inhalt des common concern of humankind-Prinzips gerade im Hinblick auf seine zukünftige Anwendung auf neue globale (Umwelt-) Probleme die wichtige Frage offen, was generell unter dem Begriff eines Staatengemeinschaftsinteresses zu verstehen ist. Dies gilt umso mehr, als der Gerichtshof Verpflichtungen zum Schutz der globalen Umwelt in seiner Rechtsprechung bislang nicht ausdrücklich als Kandidatennormen für den erga omnes-Status erwähnt und auch die UN-­Völkerrechtskommission zwar ursprünglich in Art. 19 Abs.  3 lit. d) ihrer ersten Draft Articles on State Responsibility eine „schwerwiegende Verletzung von völkerrechtlichen Umweltschutzpflichten“ als Regelbeispiel für ein „internationales Verbrechen“ aufgeführt hatte, diese allerdings im Jahre 2000 im weiteren Kodifikationsprozess gestrichen hat.499 Im Zusammenhang mit der „Identifizierung“ von erga omnes-Verpflichtungen wurde kontrovers diskutiert, ob es eine Rolle spielt, welcher Rechtsquelle die jeweiligen „Kandidaten-Normen“ entspringen oder ob das erga omnes-Konzept gewissermaßen „Rechtsquellen-neutral“500 ist. So werden auch im Hinblick auf ihre Rechtsfolgen gelegentlich Verpflichtungen erga omnes von Verpflichtungen erga international community as a whole‘“ Siehe zum Barcelona Traction-Diktum des IGH die Darstellung weiter oben, Kap. IV. 2. a) aa) (1) (c). 497  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 9: „Nor is it the function of these articles to provide a list of those obligations which under existing international law are owed to the international community as a whole. This would go well beyond the task of codifying the secondary rules of State responsibility, and in any event, such a list would be only of limited value, as the scope of the concept will necessarily evolve over time.“ 498  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 9: „The Court itself has given useful guidance: in its 1970 judgment it referred by way of example to ‚the outlawing of acts of aggression, and of genocide‘ and to ‚the principles and rules concerning the basic rights of the human person, including protection from slavery and racial discrimination‘. In its judgment in the East Timor the Court added the right of self-determination of peoples to this list“. Siehe zu beiden Urteilen die Darstellung weiter oben, Kap. IV. 2. a) aa) (1) (d) (cc) und (dd). 499  Siehe Dritter Teil, Kap. VII. 2. 500  Diese griffige Formulierung stammt von Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 121.

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omnes partes unterschieden, mit denen völkervertragliche Pflichten gemeint sind, an deren Erfüllung nicht alle Staaten, sondern eben nur alle Vertragsstaaten ein rechtliches Interesse haben.501 Diese Differenzierung wird nicht immer ­terminologisch einheitlich vorgenommen502 und die Vorschlagsliste für den Kreis derartiger „treaty-based obligations erga omnes partes“ ist bunt durchmischt, vielfältig und alles andere als einhellig anerkannt.503 Für andere Stimmen in der Literatur sind auch bei Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen die „herkömmlichen“ Bewertungsmaßstäbe von Gemeinschaftsnormen anzuwenden.504 So vertritt etwa Crawford die Ansicht: „human rights obligations are either obligations erga omnes or obligations erga omnes partes, depending on their universality and significance“.505 Unter Anwendung dieser Maßstäbe erachtet die ILC selbst etwa die Verpflichtungen aus regionalen Menschenrechtsverträge (EMRK und ICCPR) sowie dem Montrealer Protokoll und der Biodiversitätskonvention für Verpflichtungen erga omnes partes.506 Während die UN-Völkerrechtskommission mit Blick auf Verpflichtungen erga omnes partes mittlerweile in ihren Kommentierungen zu Art.  48 Abs.  1 lit. a) ASR ohnehin ausdrücklich klargestellt hat, dass sie „Rechtsquellen-­neutral“ zu identifizieren seien, sich folglich sowohl aus völkerrechtlichen Verträgen als auch aus Gewohnheitsrecht ergeben könnten,507 hat die ILC dies für die „klassischen“ erga omnes-Verpflichtungen nach Art. 48 Abs. 1 lit. b) ASR bislang offengelassen.508 Unter welchen inhaltlichen Voraussetzungen eine völkervertragliche oder gewohnheitsrechtliche Norm generell ein Staatengemeinschaftsinteresse zum Ausdruck bringt und folglich erga omnes wirkt, wird allerdings wegen des engeren Sachzusammenhangs weiter unten behandelt, wenn es um die erga omnes-­Wirkung des common concern-Prinzips selbst geht.509  ICTY, Blaskic case, 110 ILR, S. 699 f., Z. 26; Arangio-Ruiz, Fourth Report on State Responsibility, IC Yearbook 1992 II/1, para. 92; Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 120; Annacker, Durchsetzung von Verpflichtungen erga omnes, S. 29 f.; dies., 46 AJPIL (1994), S. 135 f.; Hutchinson, 59 BYIL (1988), S. 155 f.; Kessler, Durchsetzung der Genfer Abkommen, S. 42. 502  So wird oftmals das Vorliegen von völkervertraglichen erga omnes-Verpflichtungen nachgewiesen, ohne jedoch klarzustellen, dass diese  – anders als (gewohnheitsrechtliche) Verpflichtungen erga omnes partes – nur gegenüber den jeweiligen Vertragsparteien geschuldet sind, siehe etwa Schindler, FS Bernhardt, S. 199 f., wodurch die Abgrenzung zwischen Verpflichtungen erga omnes und erga omnes partes verwischt zu werden droht. Ähnlich zu Recht bereits Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 120 Fn. 23. 503  Ähnlich Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 120: „The circle of obligations so labelled is broad, heterogenous and by no means universally agreed.“ 504  Siehe Annacker, 46 AJPIL (1993/1994), S. 131 (135); Karl, 33 BDGVR (1994), S. 83. 505  Crawford, Third Report on State Responsibility, S. 182. 506  Siehe Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 7. 507  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 6: „The provision does not distinguish between different sources of international law; obligations protecting a collective interest of the group may derive from multilateral treaties or customary international law. Such obligations have sometimes been referred to as ‚obligations erga omnes partes‘.“ 508  Nur im Hinblick auf die Verpflichtungen erga omnes partes hat die ILC bislang ausdrücklich klargestellt, ihre Entstehung sei „Rechtsquellen-neutral“. 509  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b) aa). 501

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(b) Verpflichtungen erga omnes partes (Art. 48 Abs. 1 lit. a) ASR) Nur im Hinblick auf die erga omnes partes-Kategorie deutet die ILC in ihrer Kodifikation zumindest ausdrücklich an, unter welchen Voraussetzungen sie entstehen. In Art. 48 Abs. 1 lit. a) ASR heißt es: „the obligation (…) is owed to a group of states (…) and is established for the protection of a collective interest of the group.“510

Wann eine Verpflichtung generell ein derartiges „Kollektivinteresse“ zu schützen beabsichtigt, hat die Völkerrechtskommission allerdings auch hier – wie bereits im Rahmen der „klassischen“ erga omnes-Verpflichtungen – nicht definiert, da es nicht Funktion der ASR-Artikel sei, derartige Kollektivinteressen zu „enumerieren“.511 In jedem Fall müssten derartige Kollektivvereinbarungen über die Sphäre bloß bilateraler Rechtsbeziehungen hinausgehen. Sie seien jedoch nicht auf die Interessen der Vertragsstaaten beschränkt, sondern könnten vielmehr auch einem über den Vertrag hinausgreifenden Kollektivinteresse dienen, das Nicht-Vertragsparteien in die „Staatengruppe“ einschließe.512 Exemplarisch verweist die ILC in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Ständigen Internationalen Gerichtshofs im S.S. Wimbledon-­Fall, in dem die Mitgliedsstaaten des Versailler Friedensvertrages den internationalen Zugang zur Ostsee erleichtern wollten, damit jedoch zugleich den Ostseekanal für Schiffe unter jeder Flagge geöffnet hätten.513 Einem „Kollektivinteresse“ könnten beispielsweise Verpflichtungen dienen, deren Anliegen die Umwelt oder Sicherheit einer bestimmten Region seien – wie etwa im Falle eines regionalen Vertrages für eine nuklearfreie Zone  – oder ein regionales System zum Schutz von Menschenrechten errichten würden.514 In diesem Zusammenhang stellt die ILC vor allem klar, dass Art. 48 ASR nicht zwischen verschiedenen Quellen des Völkerrechts differenziere, sondern Verpflichtungen erga omnes partes vielmehr  Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UNGA Res. 56/83 v. 28. Januar 2002, Annex, ebenfalls abgedruckt bei Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, S. 276. 511  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 7: „As to the requirement that the obligation in question protect a collective interest, it is not the function of the articles to provide an enumeration of such interests.“ 512  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 7: „They are not limited to arrangements established only in the interest of the member States but would extend to agreements established by a group of States in some wider common interest (…) their principal purpose will be to foster a common interest, over and above any interests of the States concerned individually (…). But in any event the arrangement must transcend the sphere of bilateral relations of the States parties.“ 513  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48 Abs. 7 Fn. 765, wo auf die entsprechende Begründung des Ständigen IGH verwiesen wird, vgl. Case concerning the S.S. Wimbledon (1928), P.C.I.J., Series A, No. 1, S. 23: „[T]he intention of the authors of the Treaty of Versailles to facilitate access to the Baltic by establishing an international regime, and consequently to keep the canal open at all times to foreign vessels of any kind.“ 514  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 7: „(…) ‚collective obligations‘ (…) might concern, for example, the environment or security of a region (e.g. a regional nuclear free zone treaty), or a regional system for the protection of human rights“. 510

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„Rechtsquellen-neutral“ zu identifizieren seien, sich folglich sowohl aus ­völkerrechtlichen Verträgen als auch aus Gewohnheitsrecht ergeben könnten.515 Wie sich ein „Kollektivinteresse“ womöglich abstrakt bestimmen lassen könnte, wird weiter unten im Zusammenhang mit dem Begriff des „Staatengemeinschaftsinteresses“ behandelt.516 Mit Blick auf das common concern of humankind-Prinzip und im Vorgriff auf spätere Ausführungen sei an dieser Stelle nur dreierlei gesagt: Erstens wurde das Prinzip der „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ bislang in drei multilateralen Übereinkommen verankert, die mittlerweile von einer großen Mehrheit (Biodiversitätskonvention) bzw. nahezu der gesamten Staatengemeinschaft (Klimarahmenkonvention und Pariser Abkommen) ratifiziert wurden.517 Zweitens dürfte der common concern-Begriff auch in Zukunft aufgrund seines Anwendungsbereichs – genuin globale Umweltprobleme, welche die Erde in ihrer Gesamtheit und damit alle Staaten gleichermaßen betreffen518  – von vornherein eher ein Interesse der gesamten Staatengemeinschaft artikulieren und nicht lediglich das Interesse einer bloß regionalen Staatengruppe.519 Schließlich und drittens hebt das common concern-Prinzip dennoch bislang lediglich mangels gewohnheitsrechtlicher Anerkennung520 und wegen der Vorgaben des erga omnes-Rechtsfolgenregimes sowie des pacta-tertiis Grundsatzes die von ihm erfassten Umweltschutzpflichten (noch) nicht in den Rang einer erga omnes-Pflicht, deren Erfüllung auch von Nicht-Vertragsparteien verlangt werden kann.521 Stattdessen transformiert das CCM jene Verpflichtungen zu solchen erga omnes partes, das heißt zu solchen gegenüber sämtlichen Parteien (partes) der jeweiligen Übereinkommen zu erfüllenden Pflichten. Zumindest was die Klimaschutzabkommen anbelangt, die von (nahezu) allen völkerrechtlich anerkannten Staaten der Erde ratifiziert wurden (Klimarahmenkonvention sowie Kyoto-Protokoll und Pariser Abkommen), wirkt sich dies infolge ihres quasi-universellen Geltung auf der Rechtsfolgenseite kaum nennenswert aus.

 Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 6: „The provision does not distinguish between different sources of international law; obligations protecting a collective interest of the group may derive from multilateral treaties or customary international law. Such obligations have sometimes been referred to as ‚obligations erga omnes partes‘.“ 516  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b) aa). 517  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. und 2. 518  Siehe zum Begriff der „globalen Umweltbelastung“ die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIV. 3. a). 519  Auch diese Frage wird allerdings wegen des engeren Zusammenhangs weiter unten behandelt, wenn es um die erga omnes-Wirkung des common concern-Prinzips selbst geht, siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b). 520  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. a) 521  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b). 515

2. Common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm (Primärebene)

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cc) Die Rezeption der ASR-Kodifikation durch das Belgien v. Senegal-Urteil des IGH (2012) zu den Voraussetzungen von erga omnes (partes)Verpflichtungen In diesem Zusammenhang ist die Rezeption der Articles on State Responsibility durch die Rechtsprechung des IGH im Fall Belgien v. Senegal besonders interessant, da sie näher auf die Voraussetzungen eingeht, unter denen erga omnes (partes) Verpflichtungen entstehen. Im zugrunde liegenden Fall hatte Belgien gegen Senegal auf Auslieferung des ehemaligen Präsidenten von Chad geklagt. Belgien machte geltend, Senegal sei nach der UN-Antifolterkonvention zur Auslieferung verpflichtet, da es seine Pflicht verletzt habe, den ehemaligen chadischen Präsidenten Habré ordnungsgemäß den zuständigen Strafverfolgungsbehörden zuzuführen.522 Seine Klagebefugnis stützte Belgien unter anderem auf seinen Status und sein Interesse als Vertragspartei der UN-Antifolterkonvention, die weltweite Bekämpfung der Folter als Zweck der Konvention erfüllt zu sehen. Diesem obersten Konventionszweck würden die einschlägigen Auslieferungsverpflichtungen letztlich dienen. Daher sei Belgien berechtigt, die Erfüllung der Auslieferungspflicht durch Senegal zu verlangen, obwohl die Folteropfer keine belgischen Staatsangehörigen seien.523 Der Gerichtshof qualifizierte die einschlägigen Auslieferungspflichten Senegals als Verpflichtungen erga omnes partes und bejahte daher die Klagebefugnis Belgiens. Besonders interessant ist hierbei die Begründung des IGH: Der Gerichtshof nahm ausdrücklich Bezug auf sein Gutachten zur Völkermordkonvention524 und begründete den erga omnes partes-Charakter der Auslieferungspflicht mit dem Staatengemeinschaftsinteresse (common interest) der Vertragsstaaten an der Erfüllung des in der Präambel niedergelegten Ziels und Zwecks, das Foltern weltweit zu bekämpfen. Aufgrund dieser raison d’être der UN-Antifolterkonvention hätten alle Vertragsstaaten – unabhängig von der Nationalität der Folterer oder der Folteropfer – ein rechtliches Interesse an der Erfüllung der Auslieferungspflichten durch den Vertragsstaat, auf dessen Territorium sich der angebliche Folterer befinde. Aus diesem Staatengemeinschaftsinteresse folge, dass die betreffenden Verpflichtungen von jedem Vertragsstaat gegenüber jedem anderen Vertragsstaat geschuldet seien und alle Vertragsstaaten wechselseitig ein „rechtliches Interesse“ an der Erfüllung dieser Verpflichtungen erga omnes partes hätten und infolgedessen klagebefugt seien. Auf ein „eigenes Interesse“ (special interest) Belgiens aus anderen Bestimmungen der Antifolterkonvention komme es daher nicht an. Würde man ein „eigenes Interesse“ einzelner Staaten voraussetzen, wäre die UN-Antifolterkonvention ohne das Herleiten von erga omnes-Pflichten in vielen Fällen unmöglich:

 IGH, Questions Relating to the Obligation to Prosecute or Extradite (Belgium v. Senegal), ICJ Reports 2012, S. 422, Z. 65. 523  IGH, Questions Relating to the Obligation to Prosecute or Extradite (Belgium v. Senegal), ICJ Reports 2012, S. 422, Z. 72. 524  IGH, Reservations to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, ICJ Reports 1951, Z. 23. 522

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

„As stated in its preamble, the object and purpose of the Convention is ‚to make more effective the struggle against torture (…) throughout the world‘. The States parties to the Convention have a common interest to ensure, in view of their shared values, that acts of torture are prevented and that, if they occur, their authors do not enjoy impunity. The obligations of a State party to conduct a preliminary inquiry into the facts and to submit the case to its competent authorities for prosecution are triggered by the presence of the alleged offender in its territory, regardless of the nationality of the offender or the victims, or of the place where the alleged offences occurred. All the other States parties have a common interest in compliance with these obligations by the State in whose territory the alleged offender is present. That common interest implies that the obligations in question are owed by any State party to all the other States parties to the Convention. All the States parties ‚have a legal interest‘ in the protection of the rights involved. These obligations may be defined as ‚obligations erga omnes partes‘ in the sense that each State party has an interest in compliance with them in any given case.“525 „The common interest in compliance with the relevant obligations under the Convention against Torture implies the entitlement of each State party to the Convention to make a claim concerning the cessation of an alleged breach by another State party. If a special interest were required for that purpose, in many cases no State would be in the position to make such a claim. It follows that any State party to the Convention may invoke the responsibility of another State party with a view to ascertaining the alleged failure to comply with its obligations erga omnes partes.“526

Mit diesem Urteil hat der Gerichtshof nochmals die Herleitung von erga omnes (partes)-Verpflichtungen aus Staatengemeinschaftsinteressen ausdrücklich und ausführlich bestätigt: Indem Vertragsstaaten einer Konvention einen obersten Zweck in der Präambel verankern, können sie ein Staatengemeinschaftsinteresse zum Ausdruck bringen. Infolge dieses Staatengemeinschaftsinteresses werden solche Pflichten aus der Konvention, die der Erfüllung des obersten Zwecks zu dienen bestimmt sind, zu erga omnes (partes)-Verpflichtungen transformiert, sodass alle (Vertrags) Staaten wechselseitig die Erfüllung der betreffenden Pflichten von allen anderen (Vertrags)Staaten verlangen und notfalls auch vor dem IGH einklagen können. dd) Implizite Rezeption der ASR-Kodifikation durch das Whaling in the Antarctic-Urteil des IGH (2014) zur Klagebefugnis aus erga omnes (partes)-Verpflichtungen Schließlich hat der Gerichtshof nur kurze Zeit später nochmals die Herleitung von erga omnes partes-Verpflichtungen aus Staatengemeinschaftsinteressen  – freilich ohne nähere Begründung  – untermauert, indem er im Whaling in the Antarctic-­ Fall527 eine Befugnis Australiens bejahte, die Erfüllung umweltschutzbezogener  IGH, Questions Relating to the Obligation to Prosecute or Extradite (Belgium v. Senegal), ICJ Reports 2012, S. 422, Z. 68. 526  IGH, Questions Relating to the Obligation to Prosecute or Extradite (Belgium v. Senegal), ICJ Reports 2012, S. 422, Z. 69. 527  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 55–58. Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 5. a). 525

2. Common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm (Primärebene)

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erga omnes partes-Verpflichtungen vor dem Gerichtshof einzuklagen und damit indirekt die erga omnes partes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips bestätigte. Der zugrunde liegende Fall drehte sich um die Frage, ob Japan gegen die Regelungen der Walfangkonvention verstieß, indem es eigenen Staatsangehörigen eine Ausnahmegenehmigung zum Fangen und Erlegen von Walen in der Antarktis erteilte. Zum einen machte Australien in seiner Klageschrift als „unverletzter“ Staat einen Verstoß Japans gegen seine erga omnes partes-Verpflichtungen aus der Walfangkonvention geltend. Hierbei verlangte Australien keine Entschädigung im eigenen rein nationalen Interesse, sondern verklagte Japan schlicht auf Unterlassung machte damit einen Rechtsbehelf geltend, der von Art. 48 Abs. 2 ASR gedeckt ist,528 wenngleich das Gericht nicht die Erwartungen einiger Literaturstimmen erfüllte und dem Beispiel des Internationalen Seegerichtshofs aus dem Jahr 2011529 folgte und Artikel 48 ASR ausdrücklich als Rechtsgrundlage anerkannte.530 Anders als Portugal im East Timor-Fall oder Belgien im Obligation to Extradite-­ Fall führte Australien hierbei nicht zusätzlich eine Verletzung von eigenen subjektiven Rechten an, sondern machte geltend, ausschließlich zur Verteidigung eines „Kollektivinteresses aller Vertragsstaaten“ der Walfangkonvention zu klagen:531 „Australia does not claim to be an injured State because of the fact that some of the JARPA II take is from waters over which Australia claims sovereign rights and jurisdiction. (…) Every party has the same interest in ensuring compliance by every other party with its obligations under the 1946 Convention. Australia is seeking to uphold ist collective interest, an interest it shares with all other parties.“532

Zum anderen führte Australien zur Begründung aus, Japan habe mit seinem exzessiven Walfang seine erga omnes-Verpflichtungen aus der Biodiversitätskonvention verletzt.533 Zwar ging der Gerichtshof in seinem jüngsten Urteil vom 31. März 2014 auf die geltend gemachten Verletzungen der Biodiversitätskonvention – ohne weitere Begründung – nicht näher ein. Allerdings gelangte der IGH – nach ausführlicher Begründung unter Heranziehung der Ausstrahlungswirkung des „common interest“ aller Vertragsstaaten534 – zu dem Ergebnis, Japan habe seine Pflichten aus

 Siehe dazu Crawford, FS Simma, S. 235 f.  ITLOS, Deep Seabed Chamber, Advisory Opinion on Responsibility and Liability for International Seabed Mining (ITLOS Case No. 17), Abs. 180. 530  Siehe hierzu Tams, Whaling Judgment, S. 193 (204). 531  Siehe hierzu erneut Tams, Whaling Judgment, S. 193 (206). 532  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan: New Zealand intervening), Application Instituting Proceedings (2010), Z. 38  f., abrufbar unter https://www.icj-cij.org/en/case/148/institution-proceedings (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2019). 533  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan: New Zealand intervening), Application Instituting Proceedings (2010), Z. 38  f., abrufbar unter https://www.icj-cij.org/en/case/148/institution-proceedings (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2019). 534  Zur Ausstrahlungswirkung des common concern of humankind-Prinzips, dargestellt anhand des Whaling in the Antarctic-Urteils siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 5. a). 528 529

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

der Walfangkonvention verletzt und gab der Klage Australiens statt.535 Damit bejahte der IGH implizit, dass die Pflichten aus der Walfangkonvention mit der Erklärung des Schutzes der Walfischbestände zum „common interest“ – ein frühes Vorbild des common concern536 – zu erga omnes (partes) Pflichten transformiert sind.

b ) Common concern of humankind als Ausdruck eines Staatengemeinschaftsinteresses am Schutz bestimmter globaler Umweltgüter Auf der Grundlage des soeben dargelegten allgemeinen Verständnisses von erga omnes (partes)-Verpflichtungen nach dem gegenwärtigen Völkerrecht geht es nunmehr im folgenden Abschnitt darum, mit Blick auf das Recht der Staatenverantwortlichkeit die Eigenschaft des common concern of humankind-Prinzips als Staatengemeinschaftsnorm näher zu begründen. Zu diesem Zweck wird gründlich untersucht, weshalb das common concern-Prinzip inhaltlich die Voraussetzungen einer „Staatengemeinschaftsnorm“ erfüllt und infolgedessen Verpflichtungen erga omnes (partes) erzeugen kann. Einen erga omnes-Status verleiht das common concern of humankind-Prinzip den in der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention sowie in ihren Protokollen und im Pariser Abkommen niedergelegten Umweltschutzverpflichtungen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des IGH sowie mit der Literatur und Art. 48 ASR nur dann, wenn es ein „Interesse der internationalen Gemeinschaft als Ganzer“ ausdrückt.537 Zwar hat der IGH in seinen bisherigen Urteilen zu erga omnes (partes)-Verpflichtungen stets – wenn nicht immer ausdrücklich, so doch zumindest implizit – ein derartiges „Staatengemeinschaftsinteresse“ vorausgesetzt. Doch hat er sich bislang mehr auf die Wirkung jener erga omnes-Normen konzentriert und weniger auf die Voraussetzungen, unter denen eine Verpflichtung infolge ihrer Qualität als Manifestation eines common interest of mankind den erga omnes-Status überhaupt erst erlangt.538 Auch in der Literatur ist man sich zwar weitestgehend einig darüber, dass die erga omnes-Qualität einer Norm entscheidend davon abhängt, dass sie ein Staatengemeinschaftsinteresse artikuliert, und bleibt doch teilweise recht einsilbig, wenn es darum geht, jene Interessen nicht nur konkret zu identifizie Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan: New Zealand intervening), Judgment 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 247. 536  Siehe Dritter Teil, Kap. VII. 3. 537  Siehe zum Staatengemeinschaftsinteresse als Voraussetzung einer erga omnes-Norm auch Delbrück, FS Jaenicke, S. 18, 32 u. 35; Frowein, FS Doehring, S. 219 (226, 228); Vitzthum, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 60 Rn. 120; ähnlich im Zusammenhang mit dem globalen Klimaschutz neuerdings vor allem Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 208. Zum Begriff des Staatengemeinschaftsinteresses sogleich, Vierter Teil, Kap. VIII. 2. a) aa). 538  Siehe dazu bereits weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) aa) (2). Ähnlich bereits Tams, Enforcing Obligations erga omnes, S. 117 und Seiderman, Hierarchy in International Law, S. 123. 535

2. Common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm (Primärebene)

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ren, sondern sie zuvor abstrakt zu definieren.539 Nicht nur mit Blick auf seine bisherigen, sondern gerade zur Identifizierung künftiger Anwendungsbereiche des CCM spielt es eine entscheidende Rolle, was unter einem Interesse der gesamten Staatengemeinschaft begrifflich zu verstehen ist. Daher soll im Folgenden zunächst der Begriff des Staatengemeinschaftsinteresses herausgearbeitet werden,540 um anschließend näher darzulegen, dass sich in dem common concern of humankind-­ Prinzip ein gemeinsames Interesse an der Bewahrung bestimmter globaler Umweltgüter manifestiert hat, das eine erga omnes (partes)-Wirkung entfaltet.541 Der Begriff des „kollektiven Interesses einer Staatengruppe“, bei dessen Vorliegen völkervertragliche oder gewohnheitsrechtliche Verpflichtungen erga omnes partes – nicht aber erga omnes – wirken können, wird dabei nur insoweit gestreift, als dies zur Abgrenzung und Konturierung des Staatengemeinschaftsinteresses erforderlich ist.542 aa) Der Begriff des Staatengemeinschaftsinteresses Die Herausbildung von „Staatengemeinschaftsinteressen“ ist in den jüngeren Wandel des Völkerrechts von einem bloßen Recht der Koexistenz zu einem Kooperationsvölkerrecht „eingebettet“. (1) Vom Koexistenz- zum Kooperationsvölkerrecht Während das traditionelle Völkerrecht noch darauf beschränkt war, die Zuständigkeitsbereiche der einzelnen Staaten voneinander abzugrenzen und dadurch ihre Koexistenz formal zu regeln, entwickelte sich das „moderne“ Völkerrecht im 20. Jahrhundert zunehmend zu einem Recht der Kooperation in Bereichen „gemeinschaftlicher“ Anliegen,543 „die nicht nur den staatlichen, sondern auch den menschlichen Allgemeininteres-

 Ähnlich Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 129.  Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b) aa). 541  Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b) bb). 542  Diese Vorgehensweise empfiehlt sich, da der Begriff des Staatengemeinschaftsinteresses insoweit der weiter gefasste Begriff ist, der ein Kollektivinteresse einschließt, zumal bei der Bekämpfung genuin globaler Umweltprobleme weniger ein bloßes „Kollektivinteresse einer Staatengruppe“, sondern typischerweise eher ein globales Staatengemeinschaftsinteresse in Betracht kommen dürfte. 543  Grundlegend Friedmann, The Changing Structure of International Law; siehe auch Wolfrum, Entwicklung des Völkerrechts, S. 421 ff; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, S.  696  f. sowie S.  737  ff.; ders., Völkerrecht, S.  237  ff.; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 181–188; ders./Khan, Gemeinsame Werte, S. 217 ff.; Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 15; Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 795. Zu nennen sind insbesondere die Bereiche der internationalen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialbeziehungen, der Entwicklungshilfe, der Kommunikation und des Natur-, Umwelt- und Kulturgüterschutzes. 539 540

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

sen“ dienen.544 Innerhalb der mittels künstlicher Staatsgrenzen voneinander abgegrenzten Bereiche des „alten“ Koexistenzvölkerrechts kann zwar nach wie vor „jeder Staat tun und lassen, was er will“.545 Doch wird dieses „alte“ Recht durch ein „neues“ Kooperationsvölkerrecht gleichsam „überlagert“, das nunmehr die Zusammenarbeit bei Anliegen der gesamten Menschheit regelt.546 Diese These vom Völkerrechtswandel geht von der soziologischen Grundannahme aus, dass sich die Struktur der internationalen Beziehungen im Völkerrecht widerspiegelt und daher sämtliche Veränderungen in der Struktur internationaler Beziehungen auch auf das Völkerrecht durchschlagen.547 Im Ausgangspunkt dieser Entwicklung steht die Erkenntnis, dass die internationale Staatenwelt durch ein wachsendes Netz ökonomischer und ökologischer Interdependenz miteinander verwoben ist.548 Zu dieser Einsicht haben nach weitverbreiteter Auffassung im völkerrechtlichen Schrifttum549 vor allen Dingen die Erfahrung zweier verheerender Weltkriege, das Begreifen der apokalyptischen Zerstörungskraft moderner Waffensysteme und das Bewusstwerden einer voranschreitenden Verknappung vieler natürlicher Ressourcen geführt, welche die weltweite Zusammenarbeit aller Staaten zu einer Frage des kollektiven Überlebens der Menschheit gemacht haben. In den dramatischen Worten von Mitrany „[L]ife (…) has by now made us all into one indivisible community, with inescapable one and the same fate – either to live or to vanish together.“550

Die meisten Probleme, von deren Lösung das Überleben der Menschheit abhänge, seien globaler Natur551 und deshalb auch nur durch enge Zusammenarbeit auf internationaler Ebene zu lösen.552 Aus dieser faktischen Interdependenz aller Menschen und Staaten folge eine normative „Verpflichtung zu sozialer Solidarität“ – weltweit.553 Angesichts der wechselseitigen Abhängigkeit und der schieren Notwendigkeit zur Zusammenarbeit würden die Interessen der verschiedenen staatlichen ­Akteure zu Ge-

 So Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 181.  Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 182. 546  Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 182. Siehe außerdem ders., FS Simma, S. 114. 547  So pointiert Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 182. 548  Siehe etwa Klein, Statusverträge, S. 56; Stocker, Common Heritage, S. 16 und Kornicker, ius cogens, S. 36. Siehe neuerdings auch Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 210 f. 549  Siehe Stocker, Common Heritage, S. 16, Kornicker, ius cogens, S. 36 und 44. Ähnlich auch bereits Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 183; Simma, 250 RdC (1994 IV), S. 221 (234); Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 211; Scheyli, 40 AVR (2002), S. 273 (289 f.). 550  Mitrany, A Working Peace System, S.  13, zitiert bei Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 182. 551  Zu nennen sind insbesondere Klimaschutz, Zerstörung der Ozonschicht, Friedenssicherung durch Rüstungskontrolle im Weltraum, globale Rohstoffverteilung in Bezug auf die staatsfreien Räume sowie die Kontrolle des Bevölkerungswachstums. 552  So etwa auch Bleckmann, Allgemeines Staats- und Völkerrecht, S. 54 f. und S. 737; Klein, Statusverträge, S. 54; Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 792 f. und 794.; Kornicker, ius cogens, S. 36 f.; Simma, From Bilateralism to Community Interest, S. 244. 553  Röling, International Law in an Expanded World, S. XI-XV. 544 545

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meinschaftsinteressen verschmelzen554 bzw. zunehmend als gemeinsame Interessen identifiziert. An diesem Trend, in den internationalen Beziehungen vermehrt gewisse Gemeinschaftsinteressen anzuerkennen und deren Verwirklichung durch Kooperation anzustreben, lasse sich ablesen, dass in der internationalen Rechtsordnung allmählich so etwas wie ein „globales Zusammengehörigkeitsgefühl“ oder gar ein „weltweites soziales Bewusstsein“ heranreife.555 Diesen „Sozialisierungsprozess“ beschreibt besonders anschaulich Simma mit den unverwechselbar bildlichen Worten: „(…) [T]oday such community interest is permeating the body of international law much more than ever before. International Law is finally overcoming the legal as well as moral deficiencies of bilateralism and maturing into a much more socially conscious legal order. Thus, a rising awareness of the common interests of the international community, a community that comprises not only States, but in the last instance all human beings, has begun to change the nature of international law profoundly.“556

Im positiven Völkerrecht hat sich diese Entwicklung in der Entstehung neuer Konzepte wie etwa der erga omnes-Verpflichtungen, der ius cogens-Normen,557 des Rechts der Staatenverantwortlichkeit,558 eines „Internationalen ordre public“559 sowie eines common heritage of mankind560 und neuerdings auch in der Verankerung des common concern of humankind-Prinzips niedergeschlagen. Diese Durchdringung des Völkerrechts mit Konzepten, die der Verwirklichung des Staatengemeinschaftsinteresses dienen, ist zugleich ein Katalysator jenes Völkerrechtswandels,561  So Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 211.  So Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 221 (234). 556  Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 221 (234). 557  Siehe Art. 53 Satz 3 der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK), wonach bestimmte Fundamentalnormen des Völkerrechts der Disposition einzelner Staaten entzogen sind und daher zwingendes Völkerrecht darstellen; siehe hierzu Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht (1992). 558  Siehe die Resolution der International Law Commission (ILC) zur Staatenverantwortlichkeit, nach deren Artt. 40 und 41 die rechtstreuen Staaten bei schwerwiegenden Verstößen gegen zwingende Normen des Völkerrechts zusammenarbeiten sollen, um den Verstoß zu beenden, und die aus dem Verstoß entstandene Situation weder anerkennen noch dabei helfen sollen, sie aufrechtzuerhalten. Obgleich diese Endfassung hinter dem ursprünglichen ILC-Entwurf zurückbleibt, lässt sich ihr dennoch die Aussage entnehmen, dass die ILC ein alle Staaten betreffendes Gemeinschaftsinteresse in besonders wichtigen globalen Fragen als Bestandteil der geltenden Rechtsordnung ansieht. 559  Siehe G. Jaenicke, ordre public, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 7 (1965), S. 77; Kokott/Hoffmeister, „International Public Order“, in: MPEPIL online (2006), abrufbar unter: www.mpepil.com 560  So deutlich Stocker, Common Heritage, S. 10–15, in dessen Dissertation dies bereits im Titel zum Ausdruck kommt; Kornicker, ius cogens, S. 40; Kiss, International Protection, S. 1083–1087. 561  Siehe etwa Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (807). Viele Stimmen im Schrifttum sehen die Entstehung des Kooperationsvölkerrechts als Ursache für die Herausbildung von Staatengemeinschaftsinteressen, vgl. etwa Kornicker, ius cogens, S. 36 f.; andere Lehrmeinungen sind der Auffassung, die gegenseitige Abhängigkeit der Internationalen Staatenwelt habe zum schärferen Hervortreten konkreter Allgemeininteressen geführt, was wiederum den Völkerrechtswandel verursacht habe; siehe etwa Klein, Statusverträge, S. 53 f. oder Bleckmann, Allgemeines Staatsund Völkerrecht, S. 737. Der Verfasser betrachtet diese Diskussion als Muster ohne Wert und sieht zwischen der Herausbildung von Staatengemeinschaftsinteressen und dem Völkerrechtswandel 554 555

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der nach einer derzeit wieder zurückgehenden Literaturmeinung mittlerweile sogar bereits zu einer gewissen „Konstitutionalisierung“ des Völkerrechts562 geführt haben soll.563 Mit der Herausbildung verfassungsähnlicher Strukturen und der zunehmenden „Permeabilität“ des staatlichen „Souveränitätspanzers“564 für internationale Lösungen begebe sich das moderne Völkerrecht auf den Weg zu einer zunehmend hierarchisierten „objektiven Werteordnung“,565 in deren Gravitationszentrum die Verwirklichung von Staatengemeinschaftsinteressen stehe. (2) Versuch einer abstrakten Definition des Staatengemeinschaftsinteresses Steht folglich nun der Begriff der Staatengemeinschaftsinteressen auch im Brennpunkt des erga omnes-Konzepts, so soll im Folgenden versucht werden, diesen Schlüsselbegriff abstrakt zu definieren, um ihn anschließend anhand einzelner konkreter Staatengemeinschaftsinteressen noch etwas klarer zu konturieren.566 Obwohl der weit überwiegende Teil der völkerrechtlichen Literatur einhellig den Schutz von Staatengemeinschaftsinteressen als Hauptkriterium für das Vorliegen von erga omnes-­Verpflichtungen anführt, finden sich im Schrifttum – abgesehen von wenigen Ausnahmen567 – kaum abstrakte Kriterien dafür, was letztlich unter einem solchen „Interesse der gesamten Staatengemeinschaft“ zu verstehen ist.568 Dieser ­Mangel an abstrakter Definition des Staatengemeinschaftsinteeinen wechselseitigen Ursachen- und Wirkungszusammenhang, der wiederum in jedem Fall – insoweit besteht Einigkeit – durch die Erkenntnis einer wachsenden Interdependenz ausgelöst worden ist. 562  Aus der mittlerweile schier unerschöpflichen Literatur zur Konstitutionalisierungsthese statt vieler Frowein, 248 RdC (1994 IV), S. 355 ff.; ders., 39 BerDGV (1999), S. 427 ff.; Bryde, 33 BerDGV (1993), S. 165 (170); Fassbender, UN Security Council Reform, S. 89 ff.; Paulus, 67 ZaöRV (2007), S. 695–719; ders., in: Dunoff/Trachtmann (Hrsg.), Constitutionalism, S. 69–109; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht. 563  Wolfrum, Entwicklung des Völkerrechts, S. 432. 564  Siehe Bothe, 39 BerDGV (1999), S. 449 (Diskussionsbeitrag), der dabei allerdings nicht von einer Voraussetzung, sondern von einer Folge der voranschreitenden Konstitutionalisierung spricht. Siehe außerdem Scheyli, 40 AVR (2002), S.  276  f.; Riedel, in: Delbrück (Hrsg.), New Trends, S. 61 (91 f.). 565  Kokott, in: Recht und Internationalisierung, S. 3 (insb. 14, 21). Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 8. Siehe dazu im Zusammenhang mit dem globalen Klimaschutz neuerdings Scheyli, 40 AVR (2002), S. 279. 566  Siehe Vierter Teil, Kap. IV. 2. b) aa) (3). 567  Stocker, Common Heritage, S. 7–34; Kornicker, ius cogens, S. 43–45; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 353; Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 233; ders., International Crimes, S. 285; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 179–194. 568  Wie Kornicker, ius cogens im Umweltvölkerrecht, S.  41 zu Recht angemerkt hat, wird dieser schwierigen Definitionsaufgabe in der Regel ausgewichen, indem anstelle abtrakter Kriterien unterschiedliche konkrete Fallgruppen gebildet werden, bei denen das Vorliegen eines Staatengemeinschaftsinteresses ohnehin offensichtlich ist. Siehe etwa Schachter, 178 RdC (1982), S. 9 (343); Verdross, Ius Dispositivum, S. 58–60. Siehe zu exemplarischen Fallgruppen zur Veranschaulichung von Staatengemeinschaftsinteressen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b) aa) (3). In ähnlicher Weise beklagt Feichtner, „Community Interest“, in: MPEPIL online, abrufbar unter https://opil.ouplaw.

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resses ist nicht zuletzt auch auf den hohen Abstraktionsgrad jenes Begriffs zurückzuführen, den selbst der Gerichtshof bislang nicht näher präzisiert hat.569 Wer den Begriff der Staatengemeinschaftsinteressen zu definieren versucht, stößt dabei zunächst unweigerlich auf ihren Bezugspunkt und ihr Subjekt – die internationale Staatengemeinschaft,570 die genauer zu umschreiben sich allerdings als noch schwieriger herausstellt und wiederum in einer engen Wechselwirkung mit dem Begriff der Staatengemeinschaftsinteressen steht.571 Die internationale Gemeinschaft wurde in vielen Resolutionen internationaler Konferenzen, der Generalversammlung und sogar des UN-­Sicherheitsrates auf geradezu inflationäre Art und Weise beschworen,572 vom IGH zum „Gläubiger“ auserkoren, dem die Staaten jeweils die Erfüllung ihrer erga omnes-­Verpflichtungen schulden,573 und fungiert nach Art. 53 WVRK gar als eine Art informelles „Legislativorgan“ für die Anerkennung von Normen des zwingenden Völkerrechts.574 Infolgedessen ist die „internationale Gemeinschaft“ – so Paulus pointiert – nicht bloß „ein Thema von Weihnachtsansprachen oder von philosophischen Spekulationen“ geblieben, „sondern zu einem Begriff des ‚positiven‘, geltenden Völkerrechts“ herangewachsen.“575 Diese „society of all societies“576 sei aus dem Blickwinkel der Staatengemeinschaftsinteressen skizziert, um deren Inhalt herauszuarbeiten. Viele Ansätze zur Definition der internationalen Gemeinschaft rekurrieren im Ausgangspunkt auf die soziologischen Betrachtungen von Tönnies und unterscheiden daher zwischen „Gesellschaft“ und „Gemeinschaft“.577 Während sich eine „Ge-

com/abstract/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690-e1677?prd=EPIL (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2019) Rn. 1, bisweilen würde der Begriff der community interests mit terminologisch verwandten Begriffen wie „collective interests“, „collective values“ oder gar mit dem Begriff des „common concern“ verwechselt oder zirkeldefiniert, die ihrerseits einer Definition bedürften. 569  Siehe dazu bereits weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) aa) (1) und 2. a). Ähnlich bereits Tams, Enforcing Obligations erga omnes, S.  117, Seiderman, Hierarchy in International Law, S. 123 und Paulus, 74 NJIL (2005), S. 297 (313). 570  Aus der reichhaltigen Literatur zur internationalen Gemeinschaft des Völkerrechts sind hervorzuheben: Allot, 10 EJIL (1999), S. 31 ff.; Dupuy, La Communauté; Frowein, 248 RdC (1994 IV), S. 355 ff.; ders., FS Doehring, S. 219 ff.; Tomuschat, 241 RdC (1993), S. 209 ff.; Simma/Paulus, 9 EJIL (1998), S. 266 ff.; siehe neuerdings vor allem Paulus, Internationale Gemeinschaft. 571  Ähnlich bereits Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 233 ff.: „Paradoxically, it is easier to describe the content of community interests than to define their subjects and points of reference.“ 572  Siehe dazu Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 244; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 2; siehe die Nachweise bei Dupuy, La Communauté, S. 12 f.; Tomuschat, 33 AVR (1995), S. 4 f. 573  Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company (Belgium v.Spain), Judgement on 5 February 1970, I.C.J. Reports 1970, S. 32 Z. 33. Siehe dazu weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) aa) (1). 574  So Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 2; siehe Vienna Convention on the Law of Treaties, UNTS 1155, S. 331, BGBl. 1985 II, S. 926. 575  Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 2. 576  So Allott, Eunomia. New Order for a New World, S. 3 f., 117 ff., siehe außerdem ders., 10 EJIL (1999), S. 31 (31, 32). 577  Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft; siehe dazu vor allem Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 9–44. Auf die Tönnies’sche Differenzierung rekurrieren etwa auch Pardo/Christol, Common Interest, S. 643 (643).

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

sellschaft“ bereits mit der rein faktischen Berührung mehrerer Individuen begnüge,578 appelliere eine „Gemeinschaft“ bereits ihrem Wortlaut nach an eine „höhere Gemeinsamkeit aller Menschen oder doch zumindest aller Staaten“,579 die ihren Ausdruck in den „gemeinsamen Interessen aller Staaten“ finde. So hebt sich eine „Gemeinschaft“ nach Simma und Paulus insofern von ihren Bestandteilen ab, als sie eine „gleichsam höhere Einheit“ darstellt, auf der es „im Gegensatz zu den individuellen – als egoistisch konnotierten – Einzelinteressen“ in erster Linie um die Verwirklichung von gemeinsamen Interessen geht.580 Die Idee einer Gemeinschaft setzt voraus, dass ihre Mitglieder gemeinsame Interessen teilen, die über ihre subjektiven Interessen hinausgehen und deren Verwirklichung notwendig für das Wohlergehen der Gemeinschaft ist.581 Übertragen auf die völkerrechtliche „Staatenebene“ wird die internationale Staatengemeinschaft durch Interessen definiert, die das Individualinteresse einzelner Staaten überschreiten, also das klassische zwischenstaatliche Paradigma der internationalen Beziehungen sprengen, auch über die gemeinsame Schnittmenge einzelstaatlicher Interessen hinausgehen und letztlich dem Wohl der kollektiven Menschheit dienen.582 In den Worten von Tomuschat: „[I]t would be wrong to assume that States as a mere juxtaposition of individual units constitute the international community. Rather, the concept denotes an overarching system which embodies a common interest of all States and, indirectly, of mankind.“583

Auch Oppenheim und Lauterpacht sehen die gemeinschaftlichen Interessen als „Bindeglied“, das alle Staaten als Teile der Gemeinschaft zusammenhält: „A community may be said to be the body of a number of individuals bound together through such common interests as to create a constant and manifold intercourse between the single individuals.“584 „Though the individual States are sovereign and independent of each other, though there is no international Government above the national ones, though there is no central political authority to which the different States are subjected, yet there is something mightier than all the powerful separating factors: namely, the common interests. And these common interests and the necessary intercourse which serves these interests, unite the separate States into an indivisible community.“585

578  Siehe dazu etwa Dupuy, La Communauté, S. 15; Lachs, Mélanges Virally, S. 351; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 3. 579  So Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 3. 580  Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 245: „Hence, the element which distinguishes a ‚community‘ from its components is a ‚higher unity‘, as it were, the representation and priorization of common interests as against the egoistic interests of individuals.“ Ähnlich Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 3. 581  Dupuy, La Communauté, S. 147; Paulus, internationale Gemeinschaft, S. 149. 582  Siehe dazu vor allem Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 235 ff. und 243 f.; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 3 und 189 sowie Tomuschat, 241 RdC (1993), S. 209 ff. 583  Tomuschat, 241 RdC (1993), S. 227. 584  Oppenheim, International Law, S. 10. 585  Oppenheim/Lauterpacht, International Law, 8. Aufl. 1955, S. 11.

2. Common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm (Primärebene)

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Die internationale Gemeinschaft wird einerseits durch ihre Gemeinschaftsinteressen geprägt, geformt und konstituiert. Andererseits artikuliert sie wiederum jene gemeinschaftlichen Interessen, die zugleich das Fundament für ihre Verfassung bilden.586 Die wechselseitige Abhängigkeit aller Staaten voneinander sowie ihre Solidarität miteinander stiften jenen Gemeinschaftssinn, der darin besteht, das Eigeninteresse der jeweiligen Nationalstaaten in Einklang mit den gemeinschaftlichen Interessen aller Staaten zu bringen.587 Ausgehend von dieser groben Begriffsskizze einer „internationalen Gemeinschaft“ lässt sich der für die erga omnes-Rechtswirkung des common concern-­ Prinzips zentrale Begriff des Staatengemeinschaftsinteresses abstrakt definieren, indem er vom Begriff der Individual- und Kollektivinteressen der einzelnen Staaten abgegrenzt wird: In der Diktion der „Interessenjurisprudenz“ resultieren Rechtsnormen aus Kollisionen von Interessen, die sich als aktuelle oder dispositionelle, ideelle oder materielle „Begehrensvorstellungen“ mit Realisierungstendenz erweisen,588 die in normative Verfestigungen drängen.589 Im Völkerrecht fehlt es allerdings an einem zentralen und autoritativen Gesetzgeber, der über Relevanz und ­Gewicht der verschiedenen kollidierenden Interessen entscheiden könnte.590 Völkerrecht entsteht vielmehr „dezentral“ durch das Zusammenwirken der einzelnen Staaten591 und stellt in der völkerrechtssoziologischen Terminologie von Max Huber den „rechtlichen Niederschlag dauernder Kollektivinteressen der Staaten“ dar.592 Ausgangspunkt solcher Kollektivinteressen sind allerdings zunächst die individuellen Interessen der einzelnen Staaten als treibende Kraft in den internationalen Beziehungen.593 Kollektivinteressen (collective interests) einer Staatengruppe  Siehe dazu vor allem Scheyli, 40 AVR (2002), S. 273 (277–283); Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 188 ff. und insbesondere mit Blick auf das Interesse der Staatengemeinschaft am Klimaschutz Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 208–214. Allgemein zu den Staatengemeinschaftsinteressen als Grundlage der internationalen Gemeinschaft Abi-Saab, 207 RdC (1987 VII), S. 321 ff.; Allott, 10 EJIL (1999), S. 31 ff.; Bleckmann, Staats- und Völkerrechtslehre, S.  737–759; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S.  188–193; Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 235 ff.; Tomuschat, 241 RdC (1993), S. 227. 587  Siehe Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 217 (238); Macdonald, Solidarity, S. 275 ff. (Hervorhebung vom Verfasser). Auch Dupuy, La Communauté, S.  98–102 hebt Interdependenz und Solidarität als Kennzeichen einer Gemeinschaft hervor. Siehe Paulus, International Law and International Community, S. 44 (53): „The International Community appears thus not as a superior system encompassing all other, lesser, domestic ones. Rather, it is a shortcut for the direct or indirct dealings of state authorities, non-state organizations and businesses, as well as individual citizens, beyond state boundaries, and for the endeavor to tackle common problems, from the protection of the environment to the prevention of genocide and famine, for which states alone are unwilling, incapable, or illegitimate to act unilaterally“. 588  Siehe Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 115. 589  So Klein, Statusverträge, S. 53 unter Rekurs auf Huber, Vermischte Schriften, Band III, S. 91 f.; Geffcken, Das Gesamtinteresse (1908), S. 4. 590  Siehe Stocker, Common Heritage, S. 5; Klein, Statusverträge, S. 54. 591  Statt vieler nur Cassese, International Law in a Divided World, S.13 f. 592  Huber, Vermischte Schriften, Band III, S. 59. 593  Siehe Klein, Statusverträge, S. 53; Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 793; Geffcken, Das Gesamtinteresse (1908), S. 30. 586

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

(group of States), wie sie zuletzt auch die ILC in ihren Articles on State Responsibility verwendet hat,594 stellen also letztlich das Resultat übereinstimmender bzw. sich im Einzelfall „überlappender“ staatlicher Individualinteressen dar und sind daher in ihrer Entstehung eher durch egozentrische als altruistische „Motive“ der Mitglieder der Staatengemeinschaft gekennzeichnet.595 Staatenkollektivinteressen sind demnach die bloße Summe von gleichlautenden Staatenindividualinteressen.596 In Abgrenzung zu Kollektivinteressen dienen nun Staatengemeinschaftsinteressen nicht allein den  – wenn auch gleich gelagerten und insofern kollektivierten – Einzelinteressen der Staaten, sondern zusätzlich und gleichzeitig dem Nutzen der Staatengemeinschaft als solcher.597 Staatengemeinschaftsinteressen entstehen folglich nicht in erster Linie aus den Zielvorstellungen der einzelnen Staaten, sondern aus den Notwendigkeiten und Bedürfnissen der Gemeinschaft.598 Der Zweck von Staatengemeinschaftsinteressen ist der Nutzen der Staatengemeinschaft; ihnen liegen demnach Gemeinwohlüberlegungen zugrunde. Im ­Gegensatz dazu bezweckt eine Norm, die zwar auf den Kollektivinteressen der einzelnen Staaten basiert, aber nicht zusätzlich durch den Nutzen der Staatengemeinschaft begründet ist, ausschließlich den Nutzen für die einzelnen Staaten zu fördern.599 So ist beispielsweise der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten ein Kollektivinteresse, weil er aus den insoweit parallel verlaufenden Einzelinteressen resultiert, jedoch nicht zusätzlich dem übergeordneten Wohl der Staatengemeinschaft zu dienen bestimmt ist. Umgekehrt ist der globale Umweltschutz ein erstrangiges Interesse der Staatengemeinschaft, obwohl daneben einzelne Staaten möglicherweise sogar mit dem Umweltschutz nicht verträgliche Einzelinteressen hegen mögen. S ­taatengemeinschaftsinteressen sind folglich gleichsam eine „Teilmenge“ solcher Kollektivinteressen im oben beschriebenen Sinne, die zusätzlich dem Wohl der internationalen Gemeinschaft dienen und dadurch gegenüber den reinen Kollektivinteressen „überhöht“ werden. So betrachtet sind Staatengemeinschaftsinteressen gewissermaßen durch den zusätzlichen Ge-

 Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) bb) (2) (b).  Ähnlich Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 793. 596  Siehe Klein, Statusverträge, S. 54 f.; Kornicker, ius cogens, S. 43. 597  Siehe Stocker, Common Heritage, S. 15 f.; Kornicker, ius cogens, S. 44; siehe zudem Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 807. Eine ähnliche Differenzierung nimmt auch Klein, Statusverträge, S. 54 f. vor, wenn er zwischen gemeinsamen Interessen der Staaten, deren Herkunft parallel gelagerte Partikularinteressen der Staaten sind, und eigentlichen „Allgemeininteressen“ unterscheidet. Siehe außerdem Dolzer, The Global Environment Facility, in: Alfredsson/MacAlister-Smith, Living Law of Nations, S. 372, der im Zusammenhang mit dem Klimaschutz auf den Unterschied zwischen der Summierung einzelstaatlicher Belange und der Wahrung eines allen Staaten gemeinschaftlichen Interesses unterscheidet. 598  Ähnlich bereits Stocker, Common Heritage, S. 16. Siehe außerdem Paulus, Subsidiarity, Fragmentation and Democracy, S. 193 (205). 599  So Stocker, Common Heritage, S. 16; Kornicker, ius cogens, S. 44; Pardo/Christol, Common Interest, S. 644. 594 595

2. Common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm (Primärebene)

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meinwohlzweck „qualifizierte“ Kollektivinteressen, die der freien Disposition der Einzelstaaten entzogen sind. So heißt es etwa bei Simma: „A first, very tentative, definition of ‚community interest‘ could perceive it as a consensus according to which respect for certain fundamental values is not to be left to the free disposition of States individually or inter se but is recognized and sanctioned by international law as a matter of concern to all States.“600 „What all these community interests have in common is that they go far beyond interests held by States as such; rather, they correspond to the needs, hopes and fears of all human beings, and attempt to cope with problems the solution of which may be decisive for the survival of entire humankind.“601

Neben ihrer „globalen Gemeinwohlbindung“ unterscheiden sich Staatengemeinschaftsinteressen auch darin von reinen Kollektivinteressen, dass ihre Verwirklichung nur durch gemeinschaftliche Anstrengung möglich ist,602 mithin ein hohes Maß an internationaler Solidarität erfordert,603 während Kollektivinteressen jeweils durch die einzelnen Staaten unabhängig voneinander verfolgt und verwirklicht werden können.604 Schließlich ist ein weiteres Merkmal für die Abgrenzung zwischen Staatengemeinschaftsinteressen und Kollektivinteressen darin zu sehen, dass Pflichten aus solchen Normen, die den Schutz eines Staatengemeinschaftsinteresses bezwecken, keine reziproken Berechtigungen gegenüberstehen, ihnen folglich das für das traditionelle „bilateral“ geprägte Völkerrecht typische synallagmatische Element des do ut des fehlt.605

 Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 233 unter Bezugnahme auf die frühen Ausführungen von Jessup, A Modern Law of Nations, S. 2 ff.; siehe insbesondere auch Frowein, FS Doehring, S. 223, der Parallelen zu der in den meisten Rechtssystemen kontinentaleuropäischer Staaten dominierenden Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht zieht. Auch das Völkerrecht bestehe aus einem Teil, der die Gemeinschaft insgesamt schütze und ihre Ordnung gewährleiste, und einem Teil, der zur freien Disposition der Staaten zur Verfolgung ihrer jeweiligen Interessen stehe. Siehe dazu außerdem Kornicker, ius cogens im Umweltvölkerrecht, S. 43 Fn. 213. 601  Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 217 (244). 602  Schneider, World Public Order, S. 9 und 11. 603  Kornicker, ius cogens, S. 45. 604  Kornicker, ius cogens, S. 44. 605  Siehe dazu Kornicker, ius cogens, S.  44; Stocker, Common Heritage, S.  16  f.; Delbrück, FS Jaenicke, S. 28; Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 796; vgl. zu diesem synallagmatischen Element im Völkerrecht Cassese, International Law in a Divided World, S. 28; siehe ferner zu dem mehr oder weniger synonym verwandten Element der Reziprozität die Ausführungen von Simma, Das Reziprozitätselement in der Entstehung des Völkergewohnheitsrechts (1970), S. 51 ff.; Simma, Reziprozitätselement, S. 51 ff. Siehe zudem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 359, der den „erga omnes-Charakter als Kehrseite der Nicht-Bilateralisierbarkeit“ hervorhebt. Siehe zum Verhältnis zwischen Reziprozität und Gemeinschaftsinteressen Paulus, FS Simma, S. 113 ff. 600

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

(3) Einzelne konkrete Staatengemeinschaftsinteressen („Fallgruppen“) Um dem soeben abstrakt beschriebenen Begriff noch etwas klarere Konturen zu geben, wird nun zur Veranschaulichung kursorisch606 eine Reihe konkreter Staatengemeinschaftsinteressen skizziert.607 Doch in unserer Welt des 21. Jahrhunderts, die mehr denn je geprägt ist von einer Pluralisierung von Interessen und Werten, die hin- und herschwankt zwischen „Konstitutionalisierung und Fragmentierung“,608 wird es zunehmend schwerer, jenen „minimalen Konsens“ über gemeinsame Interessen zu ermitteln. Daher verwundert es nicht, dass der ILC-Berichterstatter Crawford im Zusammenhang mit der Verabschiedung der Articles on State Responsibility angemerkt hat, eine Aufzählung und Kategorisierung von übergeordneten Gemeinschaftsinteressen im Sinne des erga omnes-Konzepts sei kaum möglich, da „the scope of the concept will necessarily evolve over time“.609 Dennoch gibt es einige wenige klare Fälle, in denen das Vorhandensein eines Staatengemeinschaftsinteresses allgemein anerkannt ist: Bereits die bloße Existenz einer internationalen normativen Ordnung durch das Völkerrecht stellt eine Facette eines Staatengemeinschaftsinteresses dar, weil die Aufrechterhaltung von völkerrechtlichen Normen das geordnete Zusammenleben verschiedener Staaten sicherstellt und auf diese Weise den Ausbruch einer globalen An Es versteht sich von selbst, dass dieser Überblick nicht abschließend sein kann, sondern nur der Veranschaulichung dient. Wesentlich ausführlicher arbeitet etwa Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 217 (236–245) vier Fallgruppen anerkannter ‚common interests‘ heraus: „international peace and security; solidarity between developed and developing countries; protection of the environment; the ‚common heritage‘ concept; international concern with human rights“. Stocker (Common Heritage, S. 28–31) führt etwa auch die internationale Kooperation als solche und die internationale Solidarität als Staatengemeinschaftsinteressen an; Kornicker, ius cogens, S. 45 arbeitet als einzelne konkrete Manifestationen von Staatengemeinschaftsinteressen die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens, die Erhaltung einer intakten Umwelt, die Nutzung und den Schutz der „global commons“ sowie den Schutz des Individuums und das Selbstbestimmungsrecht der Völker heraus. Klein (Statusverträge, S. 56, 58, 61) nennt als weitere Allgemeininteressen die internationale Kommunikation und Kooperation; doch sind diese Begriffe in den Augen des Verfassers der vorliegenden Arbeit zu vage und unbestimmt, um zur Konkretisierung des Begriffs des Staatengemeinschaftsinteresses beitragen zu können. 607  Diese Herangehensweise ist angelehnt an die Beobachtung von Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 217 (235), wonach „(…) the identification of common interests does not derive from scientific abstraction but rather flows from the recognition of concrete problems“. Eine zunächst rein abstrakte und sodann anhand von Fallgruppen konkretisierte Annäherung an den Begriff des Staatengemeinschaftsinteresses wählt ferner Kornicker, ius cogens, S. 43–52. Auf der Ebene des deutschen öffentlichen Rechts findet sich mit dem Begriff des „öffentlichen Interesse“ ein Parallelbegriff, dessen Inhalt man ebenfalls zumeist versucht durch die Bildung von Fallgruppen und Kategorien zu umschreiben. 608  Siehe dazu Paulus, 67 ZaöRV (2007), S. 695–719. Siehe zudem ILC, Fragmentation of the international law: difficulties arising from the diversification and expansion of international law, Report of the International Law Commission on its 56th session, GAOR, 59th Sess., Suppl. No. 10 (A/59/10 (2004)), S. 281–304, paras. 296–358); siehe ferner Paulus., 74 NJIL (2005), S. 297: „(…) the new talk is about the fragmentation, not the unity of international law“; Koskenniemi/Leino, 15 LJIL (2002), S.  253; gegen Fragmentation und für eine Einheit des Völkerrechts plädiert etwa Dupuy, 297 RdC (2002), S. 207–489. 609  Crawford, ILC Commentary, Art. 48, Abs. 9, S. 278; siehe dazu außerdem Wolter, Grundlagen, S. 197. 606

2. Common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm (Primärebene)

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archie verhindert.610 Daneben liegt die Aufrechterhaltung des Weltfriedens angesichts des Vernichtungspotenzials moderner Waffensysteme, deren Einsatz die Existenz der ganzen Menschheit bedrohen würde, offensichtlich im Interesse der internationalen Gemeinschaft.611 Weitere eindeutige Fälle eines Staatengemeinschaftsinteresses sind die Erhaltung einer intakten Umwelt als Notwendigkeit, ohne die es Individuen, einzelne Staaten und die internationale Gemeinschaft letztlich nicht gäbe,612 sowie der universelle Menschenrechtsschutz, da der Schutz des Individuums indirekt ebenfalls dem Schutz der Gemeinschaft dient. Sodann liegt außerdem die Internationale Solidarität zwischen Industrie- und Entwicklungsländern im Interesse der Staatengemeinschaft, da ein dauerhaftes „Nord-­Süd-­Gefälle“ langfristig mittelbar den Weltfrieden bedroht.613 Als weiteres neues völkerrechtliches Konzept, das Staatengemeinschaftsinteressen zum Ausdruck bringt, ist nicht zuletzt das common heritage of mankind-Prinzip als „Vorläufermodell“ des CCM-Prinzips anzuführen, da es die „staatsfreien Räume“ zum Nutzen der gesamten Staatengemeinschaft einem globalen Nutzungsund Verteilungsregime unterwirft.614 Als Groborientierung dürften schließlich die vom Gerichtshof in seinem Barcelona Traction-Diktum ausdrücklich als Staatengemeinschaftsinteressen anerkannten Fallgruppen, das heißt das Verbot von Angriffskriegen, der Völkermord sowie grundlegende Menschenrechte, insbesondere der Schutz vor Sklaverei und Rassendiskriminierung sowie das später in seinem Ost-Timor-Urteil dieser „Liste“ hinzugefügte Selbstbestimmungsrecht aller Völker dienen.615  b) Common concern of humankind als Manifestation eines b Staatengemeinschaftsinteresses an der Lösung (bestimmter) globaler Umweltprobleme Beide bisherigen Anwendungsfälle des common concern of humankind-Prinzips lassen sich unter die soeben entwickelte Definition eines Staatengemeinschaftsinteresses „subsumieren“. Sowohl der Klimaerwärmung als auch dem drohenden Verlust der Biodiversität liegen Prozesse zugrunde, die nicht an staatlichen Gren Siehe Stocker, Common Heritage, S. 16; Klein, Statusverträge, S. 54 f.; Kornicker, ius cogens, S. 46; so auch schon Jessup, A modern Law of Nations (1949), S. 2. 611  So Kornicker, ius cogens, S. 46; ähnlich Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 217 (236). 612  Siehe Stocker, Common Heritage, S. 16; Simma, 250 RdC (1994), S. 217 (239 f.). 613  Ähnlich Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 217 (237). 614  So deutlich Stocker, Common Heritage, S. 10–15, in dessen Dissertation dies bereits im Titel zum Ausdruck kommt; Kornicker, ius cogens, S. 40; Kiss, International Protection, S. 1083–1087; siehe auch Simma, 250 RdC (1994), S. 217 (241). Zur Formulierung eines Staatengemeinschaftsinteresses durch das common heritage-Prinzip weiter oben, Vierter Teil Kap. XII. 1. b). 615  So Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 9: „The Court itself has given useful guidance: in its 1970 judgment it referred by way of example to ‚the outlawing of acts of aggression, and of genocide‘ and to ‚the principles and rules concerning the basic rights of the human person, including protection from slavery and racial discrimination‘. In its judgment in the East Timor the Court added the right of self-determination of peoples to this list.“ Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) bb). Siehe außerdem zu beiden Urteilen die Darstellung weiter oben, Kap. IV. 2. a) aa) (1). 610

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

zen haltmachen; denn sowohl die Abholzung weiter Gebiete des tropischen Regenwaldes als auch der Ausstoß von Treibhausgasen wirken sich global aus.616 Zwar gilt nach wie vor der Satz, wonach „the earth is one but the world is not“, wie dies der Brundtland-Bericht auf den Punkt bringt,617 dass die Erde aus einem einzigen zusammenhängenden Ökosystem besteht, die Staatenwelt sich dagegen aus vielen einzelnen und noch immer größtenteils autarken, der jeweiligen nationalstaatlichen Souveränität unterstellten Systemen zusammensetzt.618 Doch wirken sich sowohl der Klimawandel als auch das Artensterben auf das gesamte globale Ökosystem aus, innerhalb dessen jene beiden globalen Umweltprobleme außerdem miteinander sowie mit anderen globalen Umweltproblemen wie dem Waldsterben und der Wüstenbildung in einem komplexen Wechselwirkungsgeflecht verwoben sind.619 Auch wenn einzelne Regionen oder Staaten womöglich in noch stärkerem Ausmaß als andere betroffen seien, stelle sich – so Scheyli – angesichts der räumlichen Ausdehnung beider Probleme sowie ihrer potenziellen Tragweite „letztlich gar nicht die Frage, welches der kleinste gemeinsame Nenner partikulärer Interessen der einzelnen Staaten sei“.620 Angesichts der „sinkenden Steuerungsfähigkeit des nationalen Rechts“621 sind die einzelnen Staaten jeweils für sich allein nicht in der Lage, die globalen Umweltprobleme zu bewältigen; sie sind vielmehr vom Verhalten anderer Staaten abhängig.622 In Anbetracht dieser wechselseitigen Interdependenz der Nationalstaaten bei der Bekämpfung von Klimawandel und Artensterben vermögen die parallel laufenden kollektiven Interessen, die bloß eine Förderung des einzelstaatlichen Nutzens bezwecken, die Rechtswirklichkeit nicht mehr adäquat zu erfassen. Vielmehr treten zunehmend jene Interessen hinzu, die einen Nutzen für die gesamte Staatengemeinschaft bezwecken, weil die gesamte Staatengemeinschaft von den globalen Auswirkungen sowohl der Klimaerwärmung als auch der im Falle des Verlusts der Biodiversität drohenden weiteren Destabilisierung des K ­ lima­systems betroffen ist.623 Die Bekämpfung beider Umweltprobleme ist nur durch eine internationale, ja solidarische Zusammenarbeit möglich. An den Umweltproblemen des Klimawandels sowie des Artensterbens zeigt sich besonders deutlich, dass die gesamte Menschheit und folglich auch die internationale Staatenwelt als Ganzes in letzter Konsequenz eine „untrennbare Schicksalsge Siehe Kornicker, ius cogens, S. 48. Siehe zum Klimawandel und Artensterben als genuin globale Umweltbelastungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIV. 3. a) sowie b) aa) und bb). 617  WCED, Brundtland-Bericht, S. 27. 618  Siehe Kornicker, ius cogens, S. 47 f. 619  Näher dazu weiter unten, Vierter Teil, Kap. XI. 3. a) und b). 620  So Scheyli, 40 AVR (2002), S. 273 (290). 621  Siehe Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 211; siehe ferner Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 4; Scheyli, 40 AVR (2002), S. 273 (290). 622  Ähnlich Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 211. 623  Siehe Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791 (793); Klein, Statusverträge, S. 55; Kornicker, ius cogens, S.  35; Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S.  211; Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 217 (239); Stocker, Common Heritage, S. 16 f. Anders dagegen Annacker, Durchsetzung, S. 32 ff., die die Existenz eines von der Summe der Individualinteressen unterscheidbaren Gemeinschaftsinteresses als „bloße Fiktion“ ablehnt. 616

2. Common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm (Primärebene)

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meinschaft“624 bildet und daher die Sorge teilt, jene globalen Umweltprobleme zu bewältigen oder zumindest ihre schlimmsten Konsequenzen abzuwenden. Sowohl der Klimawandel als auch der Verlust an Biodiversität sind somit Umweltprobleme, die ihrer Natur nach alle Staaten betreffen, sodass ihre Bekämpfung bereits rein faktisch notwendig für das Wohlergehen der internationalen Staatengemeinschaft ist. Um völkerrechtliche Geltungskraft zu erlangen, muss sich dieses gemeinschaftliche Interesse außerdem aus dem allgemein anerkannten Völkerrechtserzeugungsverfahren ermitteln lassen.625 An der UN-Charta als „wichtigste Erkenntnisquelle internationaler Gemeinwohlbelange“ lässt sich weder ein Gemeinschaftsinteresse am Schutz der Umwelt als Ganzer noch eines am Schutz bestimmter globaler Umweltgüter ablesen.626 Wie im Dritten Teil dargelegt wurde, hat sich das faktische Staatengemeinschaftsinteresse an der Bewältigung des globalen Klimawandels indes in der Verankerung des common concern of humankind-Begriffs in zahlreichen Resolutionen der UN-Generalversammlung und in der Klimarahmenkonvention manifestiert.627 Zwar entfalten Resolutionen der UN-Generalversammlung als bloße Empfehlungen keine Rechtsverbindlichkeit im Außenverhältnis.628 Doch können sie ausnahmsweise durchaus eine Rechtsüberzeugung der Staaten in bestimmten Fragen widerspiegeln und somit auch gemeinsame Interessen der Staatengemeinschaft artikulieren.629 Diese Eigenschaft von UN-Resolutionen als „Seismographen“ bei der Erforschung von Staatengemeinschaftsinteressen wird zudem oftmals auf das Nicaragua-Urteil des IGH gestützt, in welchem der Gerichtshof klargestellt hat, dass die Zustimmung zu einer Resolution als Annahme der Gültigkeit der in der

 So etwa Scheyli, 40 AVR (2002), S. 273 (290); ähnlich Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1, Rn. 1 und 3, die die Bewältigung globaler Umweltprobleme als „Schicksalsaufgabe“ der internationalen Gemeinschaft begreifen; ähnlich Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 2. 625  Siehe Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 212. 626  So Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 212; ähnlich Kornicker, ius cogens, S. 37. 627  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. a) und b). 628  Dies ergibt sich aus den Artt. 10 f. und 13 UN-Charta, wo es gleichlautend heißt: „The General Assembly may (…) make recommendations (…).“ Siehe außerdem Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg), Völkerrecht, 5. Aufl., S.  241  f. und Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 408 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/1, S. 72; Hailbronner/Klein, in: Simma (Hrsg.), UN Charter, Art. 10 Rn. 45; Wolter, Grundlagen, S. 199; Ipsen, Völkerrecht, S. 221 und 241 f.; Simma, Zur völkerrechtlichen Bedeutung von Resolutionen der UN-Generalversammlung, S. 50 f.; siehe ausführlich zu dieser Streitfrage Brownlie, Principles, 4. Aufl., S. 698 ff. sowie insbesondere mit Blick auf die Resolution 43/53 Biermann, 3 AVR (1996), S. 426 (431). 629  Ausführlich zur hohen Bedeutung von UN-Resolutionen für die Artikulation von Staatengemeinschaftsinteressen Frowein, FS Doehring, S. 219 (222 f.); ihm folgend Kornicker, ius cogens, S. 52; siehe auch Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 212; Shaw, International Law, S. 90 f.; so im Ergebnis wohl auch Annacker, Durchsetzung, S. 34 f. Zur Bedeutung von UN-Resolutionen für die Herausbildung von Völkergewohnheitsrecht im Allgemeinen und von UN-Resolution 43/53 und ihrer Nachfolgeresolutionen für die gewohnheitsrechtliche Verankerung des common concern of humankind weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIII. 4. a) bb) und cc). 624

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

jeweiligen Resolution niedergelegten Regel interpretiert werden könne.630 Wie vor allem Frowein herausgearbeitet hat, steht den Staaten mit der Institution der UN-­ Generalversammlung ein Instrument zur Verfügung, in dem Gemeinschaftsinteressen der Staaten ihren Ausdruck finden können.631 Dies soll umso mehr bei UN-­ Resolutionen gelten, die im Konsensverfahren, also einstimmig angenommen werden.632 Im Konsens angenommene Resolutionen würden zeigen, inwieweit das Rechtsbewusstsein der Staaten in bestimmten Fragen übereinstimme. Soweit die Übereinstimmung reiche, seien sie daher Ausdruck eines gemeinsamen Interesses der Staatengemeinschaft.633 Wie vor allem Kleinlein analysiert hat, basiert die besondere, ein Netzwerk von bilateralen Verpflichtungen transzendierende Erfüllungsstruktur auf dem besonderen Zweck der betreffenden Völkerrechtsnorm, der wiederum auf Konsens beruht.634 Die für eine „besondere Erfüllungsstruktur“ charakteristische Nicht-Bilateralisierbarkeit“ sei bloß notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für das Vorliegen einer erga omnes-Verpflichtung.635 Die an jene „Erfüllungsstruktur“ anknüpfenden besonderen Rechtsfolgen bedürften daher stets einer Anerkennung durch die Staaten. In einem solchen Konsens komme zum Ausdruck, „dass ein über das allgemeine Interesse an der Befolgung der Rechtsordnung hinausgehendes Interesse anderer als unmittelbar betroffener Staaten an der Einhaltung einer Verpflichtung besteht“.636 Auch das Zweite Kriterium der „besonderen Wichtigkeit einer Norm“ lasse sich gerade nicht allein objektiv bestimmen, sondern bedürfe vielmehr einer „Absicherung im Konsens der Staaten und der internationalen Gemeinschaft“.637 Sowohl die UN-Resolution 43/53, die den Klimawandel im Jahre 1988 erstmals völkerrechtlich verbindlich zum common concern of humankind erklärte,638 als auch ihre Nachfolgeresolutionen639 wurden ohne Wider Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 14, 99 f. Z. 188. Siehe vor allem Frowein, Staatengemeinschaftsinteresse, FS Doehring, S. 219 (222 f.). 631  Frowein, FS Doehring, S. 219 (223). 632  Frowein, FS Doehring, S. 219 (223); ihm folgend Kornicker, ius cogens, S. 52; siehe auch Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 212; Shaw, International Law, S. 90 f.; so im Ergebnis wohl auch Annacker, Durchsetzung, S. 34 f. 633  Frowein, FS Doehring, S. 219 (223). 634  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 358. 635  Siehe Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 359. 636  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 358. 637  Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 358. 638  UNGA Res. 43/53 v. 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326. Siehe. 639  UNGA Res. 44/207 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind; UNGA Res. 45/207 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind; UNGA Res. 46/169 v. 22. Dezember 1989, Protection of global climate for present and future generations of mankind, 28 ILM 1989, S. 1326. Alle drei Resolutionen finden sich abgedruckt bei Churchill/Freestone, International Law, S.  243  ff. UNGA Res. 44/206 v. 22. Dezember 1989, Possible adverse effects of sea-level rise on islands and coastal areas, particularly low-lying areas, ebenfalls abgedruckt bei Churchill/Freestone, International Law, S. 243 ff. 630

2. Common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm (Primärebene)

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spruch im Konsensverfahren angenommen640 und deuten daherbereits auf ein Staatengemeinschaftsinteresse an der Bekämpfung des Klimawandels hin.641 Erst Recht gilt dies für die Klimarahmenkonvention aus dem Jahre 1992, in deren Präambel die Vertragsstaaten mit quasi-universeller Zustimmung bestätigt haben, dass der Klimawandel und seine nachteiligen Auswirkungen eine „gemeinsame Sorge der Menschheit“ darstellt.642 Denn multilaterale Verträge dienen als Vehikel par excellence für die Artikulation von Staatengemeinschaftsinteressen.643 So hat auch der IGH in seinem Barcelona Traction-Urteil als Beispiele für das Vorliegen eines Staatengemeinschaftsinteresses ausschließlich solche Normen angeführt, die sich vor allem auf der Grundlage von Verträgen innerhalb der Vereinten Nationen herausgebildet haben.644 Bereits in seinem Gutachten zur Völkermordkonvention im Jahr 1951 hat der IGH klargestellt, dass Staaten in Präambeln internationaler Konventionen ihre Gemeinschaftsinteressen artikulieren, die vertragliche Pflichten zu erga omnes-­ Verpflichtungen transformieren können.645 Auf diese Rechtsprechung nahm der Gerichtshof im Jahr 2012 ausdrücklich Bezug, als er im Fall Belgien v. Senegal in der Präambel zur UN-Antifolterkonvention niedergelegten raison d’être, „die Folter weltweit zu bekämpfen“ ein Staatengemeinschaftsinteresse artikuliert sah, das die entsprechenden vertraglichen Regelungen, die diesem Zweck dienten, zu erga omnes partes-Verpflichtungen transformiert.646 Daher richtet sich der Blick schnell auf die Präambeln internationaler Übereinkommen, wenn nach ausdrücklichen ­Manifestationen gemeinschaftlicher Interessen geforscht wird.647 „Je mehr Staaten sich direkt oder indirekt der darin zum Ausdruck kommenden Wertung anschließen, desto deutlicher wird, dass die jeweilige Vertragsbestimmung insoweit ein Interesse der Staatengemeinschaft schützt.“648 In der Klimarahmenkonvention haben die Vertragsstaaten artikuliert, dass der Klimawandel und seine nachteiligen Auswirkungen eine „gemeinsame Sorge der Menschheit“ sind und damit dessen Bekämpfung als obersten Konventionszweck vereinbart. Nahezu die gesamte Staatengemeinschaft hat sich mittlerweile der Klimarahmenkonvention und dem Pariser Abkommen angeschlossen und damit ein Staatengemeinschaftsinteresse an der Bekämpfung des  Siehe zum Hintergrund jener Resolutionen Kirgis, 84 AJIL (1990), S. 525 (527). Zum Konsensverfahren vor allem Klein, in: Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 326 Rn. 135. 641  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. a). 642  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Abs. 1 der Präambel. Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) cc). 643  So Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 217 (323): „Today, multilateral treaties serve as the vehicle par excellence of community interest. They consolidate unwritten international law like iron bonds reinforcing a cracking building, and add layer upon layer to the general international law of mere co-existence in order to satisfy the need for norms in an increasingly more complex world.“ 644  Siehe die ausführlichen Nachweise bei Frowein, FS Doehring, S. 219 (221 f.). 645  IGH, Reservations to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, ICJ Reports 1951, S. 23. Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) aa) (1) (a). 646  IGH, Questions Relating to the Obligation to Prosecute or Extradite (Belgium v. Senegal), ICJ Reports 2012, S. 422, Z. 68 f. Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) cc). 647  So statt vieler Kornicker, ius cogens, S. 52. 648  Frowein, FS Doehring, S. 219 (222). 640

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

Klimawandels anerkannt.649 In ähnlicher Weise hat nahezu die gesamte Staatengemeinschaft ihr Interesse an der Bekämpfung des globalen Artensterbens artikuliert, indem sie die Bewahrung der Biodiversität in der Präambel zur Biodiversitätskonvention zur „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ erklärt hat.650 Zudem handelt es sich in beiden Anwendungsbereichen um genuin globale Umweltprobleme, welche die Erde in ihrer Gesamtheit und damit alle Staaten gleichermaßen betreffen.651 Damit artikuliert das CCM-Prinzip in seinen bisherigen Anwendungsfällen ein Staatengemeinschaftsinteresse „par excellence“. Dies wird auch deutlich, wenn man sich die bisher im Rahmen des Internationalen Umweltrechts entwickelten Konzepte vor Augen führt, die nicht nur die schrittweise Herausbildung von Individual-, Kollektiv- und Staatengemeinschaftsinteressen dokumentieren, sondern auch mit dem weiter oben beschriebenen Völkerrechtswandel korrelieren, in den die fortschreitende Herausbildung von Staatengemeinschaftsinteressen „eingebettet“ ist: Zunächst diente das im Zeitalter des Koexistenzvölkerrechts entstandene „Verbot grenzüberschreitender Umweltbelastungen“ der Wahrung einzelstaatlicher Souveränität und damit einem Individualinteresse. Sodann war das im Kooperationsvölkerrecht entwickelte Prinzip der angemessenen Nutzung gemeinsamer Naturgüter (etwa in Fällen grenzüberschreitender Gewässer) Ausdruck von Kollektivinteressen. Schließlich vermochten diese beiden Prinzipien keine befriedigende Lösung für die neuen globalen Umweltprobleme anzubieten, zu deren Bekämpfung zum Wohle der gesamten Staatengemeinschaft sich seither das CCM-Prinzip als Ausdruck des Staatengemeinschaftsinteresses im Rahmen einer sich konstitutionalisierenden Völkerrechtsordnung entwickelt hat.

c ) Rechtsfolge: Verpflichtungen erga omnes partes statt erga omnes Die Qualifizierung des CCM-Prinzips als Staatengemeinschaftsnorm mit erga omnes-­Wirkung652 wirft auf der Rechtsfolgenseite die Frage auf, ob die vom common concern of humankind–Prinzip erfassten Verpflichtungen erga omnes oder erga omnes partes gelten. Eine Antwort auf diese Frage ist zunächst in der Rechtsquelle des common concern of humankind zu suchen, welcher die in Rede stehenden Verpflichtungen erga omnes (partes) entspringen. Der common concern of humankind-Rechtssatz wurde in Bezug auf den Klimaschutz und die Erhaltung der Biodiversität bislang lediglich völkervertraglich ver Dritter Teil, Kap. IX. 1. b).  Dritter Teil, Kap. IX. 2. 651  Siehe zum Begriff der „globalen Umweltbelastung“ die Ausführungen weiter unten, Vierter Teil, Kap. XIV. 3. a). Zum Staatengemeinschaftsinteresse am Schutz der Umwelt als Ganzer und der free-rider Problematik als Indikator eines community interests siehe Paulus, in: Cassese, Realizing Utopia, S. 89 (99 f.). 652  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) und b). 649 650

2. Common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm (Primärebene)

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ankert und ist noch nicht gewohnheitsrechtlich anerkannt.653 An dieser Stelle erscheint es sinnvoll, nochmals explizit den Unterschied zwischen den Rechtsquellen des common concern of humankind-Prinzips und seiner erga omnes-Wirkung zu verdeutlichen. Diese begriffliche Unterscheidung wird nicht immer stringent durchgehalten, was umso mehr verblüfft, als sie keinesfalls eine rein akademische Spitzfindigkeit darstellt, sondern im Einzelfall durchaus weitreichende praktische Rechtsfolgen haben kann: Ob das common concern-Prinzip bloß völkervertraglich verankert wurde oder gar gewohnheitsrechtlich gilt, ist eine Rechtsquellenfrage, deren Beantwortung zugleich über die Frage entscheidet, ob das CCM-Prinzip nur für die Vertragsstaaten oder für alle Staaten rechtsverbindlich ist. Ob das Prinzip der „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ nur aus der Rechtsquelle des Völkervertragsrechts stammt oder sich gar aus der Quelle des Gewohnheitsrechts schöpfen lässt, beantwortet folglich primär die Frage, wer die von ihm erfassten Pflichten zu erfüllen hat. Spiegelbildlich dazu geht es demgegenüber bei der erga omnes (partes)-Wirkung des CCM auf der Erfüllungsseite um die Frage, gegenüber wem die von ihm erfassten Verpflichtungen zu erfüllen sind, das heißt ob nur die jeweiligen Vertragsstaaten der Klimarahmen- und der Biodiversitätskonvention sowie des Pariser Abkommens oder ob vielmehr alle Staaten  – auch als „unverletzte Staaten“ (unabhängig von einer eigenen, subjektiven Rechtsverletzung)  – befugt sind, die Erfüllung jener Pflichten geltend zu machen. Aus dem Charakter des common concern of humankind als „Staatengemeinschaftsnorm“ kann nicht automatisch auf seine gewohnheitsrechtliche Anerkennung geschlossen werden und vice versa  – Staatengemeinschaftsinteresse und gewohnheitsrechtliche Anerkennung sind stets separat zu untersuchen, wenngleich sie durchaus in einem engen Zusammenhang miteinander stehen können: Werden bestimmte Regeln oder Prinzipien von einer hinreichend großen und repräsentativen Mehrheit von Staaten in ihrer Praxis als Recht anerkannt, sodass sie zu Völkergewohnheitsrecht erstarken und somit für alle Staaten rechtsverbindlich werden, drücken sie oftmals zugleich ein Staatengemeinschaftsinteresse aus und gelten daher gegenüber allen (erga omnes) Staaten.654 Demnach könnte der Rechtssatz des common concern in Zukunft zugleich ein Instrument zur Verwirklichung von Staatengemeinschaftsinteressen und – bei Herausbildung einer hinreichend dichten und konsistenten Staatenpraxis – Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts sein. Dass beide Übereinkommen zwar nahezu, aber eben nicht von allen Staaten ratifiziert worden sind, wirft daher gegebenenfalls für die Zukunft konzeptionell die Frage auf, ob auch jene Nationalstaaten an die (erga omnes zu erfüllenden) Verpflichtungen der Klimarahmen- und der Biodiversitätskonvention sowie des Pariser Abkommens gebunden sind, die ihnen bislang nicht zugestimmt haben. Dies rührt  Siehe dazu die Nachweise weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIII. 4. a).  Siehe dazu ausführlich Klein, Statusverträge, S. 165 ff. m.w.N.; vor allem Doehring, 36 ZaöRV (1976), S. 77 (93 f.) plädiert für eine stärkere Einbeziehung des Gemeinwohls und für eine (erleichterte) Herausbildung von Gewohnheitsrecht aus Verträgen, die der Verwirklichung von Staatengemeinschaftsinteressen dienen. Siehe außerdem neuerdings Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 246 f.

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an die Grundfrage nach der Bedeutung des Staatenwillens für die Begründung und Geltung des Völkerrechts, die bereits über viele Epochen des Völkerrechts hinweg diskutiert worden ist655 und an dieser Stelle nur mit Blick auf das common concern of humankind-Prinzip angestoßen werden kann. Nach dem dominierenden voluntaristischen Völkerrechtsverständnis, wie es seinen Ausdruck insbesondere im Lotus-­ Urteil des IGH gefunden hat,656 konstituiert nicht die internationale Rechtsordnung die Einzelstaaten als seine Mitglieder, sondern die Staaten sind vielmehr „vorgegeben und begründen durch ihren Willen die internationale Rechtsordnung“.657 Infolgedessen sind die Staaten grundsätzlich nur an diejenigen Pflichten gebunden, denen sie selbst zugestimmt haben.658 Doch stößt der juristische Voluntarismus im Völkerrecht an die Grenzen der ius cogens- und erga omnes-Konzepte, deren Normen von solch herausragender Bedeutung für die internationale Gemeinschaft sind, dass sie für alle Staaten auch dann verbindlich werden, wenn einzelne unter ihnen opponieren,659 was wiederum letztlich einem zumindest teilweisen Abschied vom „zustimmungsabhängigen Völkerrecht“ gleichkommt.660 Bislang lässt sich die verschwindend geringe Anzahl von Staaten, die den ihnen zugrunde liegenden Übereinkommen noch nicht explizit zugestimmt haben, mangels rechtzeitigen und beharrlichen Protests wohl kaum als persistent objectors qualifizieren.661 Und mit Blick auf künftige Zweifelsfälle dürfte nach vordringender Auffassung in der Literatur – wie im Falle des ius cogens – jedenfalls die Anerkennung eines Staatengemeinschaftsinteresses durch eine überragend große Mehrheit an Staaten ausreichen, um eine Anwendung der persistent objector-Regel auszuschließen.662 Bisher ist das common concern of humankind-Prinzip indes in keinem seiner Anwendungsfälle gewohnheitsrechtlich anerkannt, sondern entstammt ausschließlich

 Instruktiv dazu vor allem Tomuschat, 241 RdC (1993), S. 195 ff. mit vielen Nachweisen für die unterschiedlichen geistigen Strömungen. 656  S.S. Lotus, PCIJ Ser. A 10 (1927), S. 18. 657  Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 79 f. m.w.N. 658  Siehe Wustlich, Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 209. Zur historischen Entwicklung dieses Grundsatzes Tomuschat, 241 RdC (1993), S. 195 ff. (220 ff.). 659  Siehe Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, S. 491; Nettesheim, JZ 2002, S. 569 (576); Paulus, Internationale Gemeinschaft, S.  430; Perrez, Cooperative Sovereignty, S.  141  f.; Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 523. 660  Siehe Wustlich, Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 210; Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, S. 490; Peters, AVR (1997), S. 234 (238). 661  Ähnlich im Hinblick auf die Klimarahmenkonvention Wustlich, Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 210. Siehe zur Rechtsfigur des persistent objector vor allem die beiden obiter dicta des IGH, Columbian-Peruvian asylum case, ICJ Reports 1950, S. 266; Fisheries case (UK v. Norway), ICJ Reports 1951, S. 116. Aus der Literatur Brownlie, Principles, 4. Aufl., S. 10; Shaw, International Law, S. 70 ff. 662  Siehe dazu Brownlie, Principles, 4. Aufl., S. 516; Hannikainen, Peremptory Norms, S. 239 ff.; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 195 ff.; O’Brien, International Law, S. 103; Wustlich, Atmosphäre als globales Umweltgut, S.  213  f.; Scheyli, 40 AVR (2002), S.  273  ff.; Tasioulas, 16 OJLS (1996), S. 85 (117). Siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 482. 655

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der Rechtsquelle des Völkervertragsrechts.663 Was das Verhältnis zwischen ihrer Eigenschaft als Staatengemeinschaftsnorm und ihrer Rechtsquelle anbelangt, gibt es jedoch zwischen den Verpflichtungen erga omnes und den Verpflichtungen erga omnes partes einen wesentlichen Unterschied: Die ILC hat mit Blick auf Art. 48 ASR klargestellt, dass Verpflichtungen erga omnes partes „Rechtsquellen-neutral“ zu identifizieren seien, sich folglich sowohl aus völkerrechtlichen Verträgen als auch aus Gewohnheitsrecht ergeben könnten.664 Ob auch Verpflichtungen erga omnes „Rechtsquellen-neutral“ zu ermitteln sind, hat die ILC indes ausdrücklich offen gelassen.665 Ob Verpflichtungen erga omnes – in Abgrenzung zu Pflichten erga omnes partes – voraussetzen, dass die ihnen zugrunde liegende Staatengemeinschaftsnorm gewohnheitsrechtlich und damit für alle Staaten gilt, ist auch in Rechtsprechung und Literatur bisher noch nicht hinreichend geklärt.666 Von der Antwort auf diese Frage hängt jedoch letztlich ab, ob die vom common concern-Grundsatz erfassten  – bloß völkervertraglichen, jedoch (noch) nicht gewohnheitsrechtlich anerkannten  – Verpflichtungen gegenüber allen Staaten (erga omnes) zu erfüllen sind oder bloß gegenüber allen Vertragsstaaten (erga omnes partes) des betreffenden völkerrechtlichen Übereinkommens. Angesprochen ist ­damit neben dem Verhältnis zwischen pacta tertiis-Grundsatz und erga omnes-­ Konzept letztlich die Grundfrage nach der Bedeutung des Staatenwillens für die Begründung und Geltung des Völkerrechts, die bereits über viele Epochen des Völkerrechts hinweg diskutiert worden ist667 und an dieser Stelle nur mit Blick auf das common concern of humankind-Prinzip in der gebotenen Kürze angerissen und beantwortet werden kann. In Rechtsprechung und Literatur wird zwecks Abgrenzung in der Rechtsquellenfrage üblicherweise davon ausgegangen, Verpflichtungen erga omnes entsprängen der Rechtsquelle des Gewohnheitsrechts, während Verpflichtungen erga omnes par Siehe die Nachweise weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIII., 4. a).  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 6: „The provision does not distinguish between different sources of international law; obligations protecting a collective interest of the group may derive from multilateral treaties or customary international law. Such obligations have sometimes been referred to as ‚obligations erga omnes partes‘.“ Ob auch Verpflichtungen erga omnes „Rechtsquellenneutral“ zu ermitteln sind, hat die ILC ausdrücklich offen gelassen. 665  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV., 2. a) aa) (2) (d). Die griffige Formulierung „Rechtsquellen-neutral“ stammt von Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 121. 666  Siehe etwa das Statement von Crawford, Third Report on State Responsibility, S. 182: „human rights obligations are either obligations erga omnes or obligations erga omnes partes, depending on their universality and significance“, welches nahe legt, die Ermittlung von erga omnes-Pflichten habe ebenfalls (wie bei erga omnes partes-Pflichten) Rechtsquellen-neutral zu erfolgen. Rechtsquellen-neutralität suggerieren außerdem Hobe/Kimminich, Völkerrecht, S. 174, 406 f. und Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 60 f.; siehe andererseits Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 121 ff.; nach Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (183) „setzt die Annahme einer (…) erga omnes-Pflicht vor dem Hintergrund der vertragsrechtlichen pacta tertiis-Regel denklogisch voraus, dass die betreffende Pflicht gewohnheitsrechtlich anerkannt ist“. 667  Instruktiv dazu vor allem Tomuschat, 241 RdC (1993), S. 195 ff. mit vielen Nachweisen für die unterschiedlichen geistigen Strömungen. 663 664

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tes als „treaty-based obligations“668 dem Völkervertragsrecht entstammen.669 Zur (scheinbaren) Verwischung dieser klaren Abgrenzung beigetragen hat nach einigen Stimmen in der Literatur die Äußerung des Gerichtshofs im Barcelona Traction-­ Urteil, jene von ihm als Verpflichtungen erga omnes qualifizierten Schutzrechte könnten nicht nur dem Gewohnheitsrecht, sondern auch den „international instruments of a universal or quasi-universal character“ entstammen.670 Diese Passage liest sich auf den ersten Blick in der Tat, als könnten Verpflichtungen erga omnes auch aus „universellen oder quasi-universellen“ völkerrechtlichen Verträgen entstehen.671 Nach dieser Lesart könnten zumindest die (nahezu) von allen völkerrechtlich anerkannten Staaten ratifizierten globalen Klimaschutzverträge (Klimarahmenkonvention, Kyoto-Protokoll und Pariser Abkommen) Verpflichtungen erga omnes begründen. Noch zu weit entfernt von quasi-universeller Ratifikation scheiden demgegenüber die globalen Artenschutzabkommen (Biodiversitätskonvention, Cartagena-­Protokoll und Nagoya-Protokoll) von vornherein als Grundlage solcher „treaty-based obligations erga omnes“ aus. Dementsprechend hat die ILC für die Umweltschutzpflichten der Biodiversitätskonvention klargestellt, sie würden nur gegenüber allen Vertragsparteien (erga omnes partes) gelten.672 Bei genauerer Betrachtung sprechen die besseren Argumente dafür, dass Verpflichtungen erga omnes ausschließlich aus Völkergewohnheitsrecht entstehen können und auch der Gerichtshof dies in Barcelona Traction so sah.673 Erstens entschied der Gerichtshof den Barcelona Traction-Fall nicht im Hinblick auf völkerrechtliche Verträge, sondern auf der Grundlage gewohnheitsrechtlich anerkannter Regeln zum Umgang mit äusländischen Diplomaten.674 Die „grundlegende Abgrenzung“ (essential distinction) wurde daher vom Gerichtshof im Gewohnheitsrecht gezogen.675 Diese Sichtweise hat der Gerichtshof untermauert in seiner nachfolgenden Ost-Timor Rechtsprechung zu Verpflichtungen erga omnes, die er vor allem anhand der klassischen gewohnheitsrechtlichen Kategorien  – wie der internationalen Rechtsprechung oder der Praxis der Vereinten Nationen – begründete.676 Obwohl der Gerichtshof dabei erwähnte, die umstrittenen Verpflichtungen seien völkervertraglich verankert, tat er dies lediglich, um ihre gewohnheitsrechtliche Anerkennung nachzuweisen.677 Nicht zuletzt in seinem Nuklearwaffen-Gutachten hat  Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 120.  So zusammenfassend auch Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 122. 670  Siehe etwa Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 60 f. und Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 122 unter Rekurs auf das Urteil des IGH im Case Concerning the Barcelona Traction Light and Power Company (Belgium v. Spain), Judgement on 5 February 1970, I.C.J. Reports 1970, S. 33 Z. 34. 671  Ähnlich Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 122. 672  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 7. 673  So und zur nachfolgenden Analyse des Barcelona Traction-Urteils auch Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 123. 674  Ähnlich bereits Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 123. 675  Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 123. 676  East Timor, ICJ Reports 1995, S. 102, Ziff. 29. Siehe ferner wiederum Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 123. 677  East Timor, Diss. Op. Judge Weeramantry, ICJ Reports 1995, S. 194, 196 sowie S. 213–216. 668 669

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der Gerichtshof klargestellt, dass eine große Mehrheit der Regeln des humanitären Völkerrechts alle Staaten bindet, unabhängig davon, ob sie die sie enthaltenden Menschenrechtskonventionen ratifiziert hätten oder nicht, da sie unabdingbarer Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts seien.678 Schließlich hat der IGH auch in Israeli Wall Advisory Opinion sorgsam unterschieden zwischen den (völkervertraglichen) Genfer Konventionen und den erga omnes-­Pflichten im Bereich der universell anerkannten Menschenrechte.679 Die betreffende Barcelona Traction-Passage des Gerichtshofs zu den erga omnes-Pflichten aus jenen „international instruments of a universal or quasi-universal character“ ist daher am besten mit Tams als deklaratorische Klarstellung dahingehend zu interpretieren, dass bereits gewohnheitsrechtlich anerkannte Verpflichtungen erga omnes oftmals außerdem – das heißt zusätzlich zu ihrer gewohnheitsrechtlichen Verankerung – (auch noch) in völkerrechtlichen Verträgen niedergelegt sind.680 Im Lichte des Gesamtkontextes des Barcelona Traction-Urteils, der in ihm konkret behandelten Rechtsfragen sowie der traditionell fundamentalen Bedeutung von Rechtsquellenfragen in der Rechtsprechung des Gerichtshofes dürfte die Annahme, er habe das Konzept der Verpflichtungen erga omnes mal eben en passent in dürren und mehrdeutigen Worten ohne ausführlichere Begründung für die Rechtsquelle des Völkervertragsrechts öffnen wollen, interpretativ weit über das Ziel hinausschießen. Zweitens setzt bei konsequenter Anwendung des pacta-tertiis-Grundsatzes die Annahme einer erga omnes-Pflicht außerdem voraus, dass die betreffende Pflicht gewohnheitsrechtlich anerkannt ist.681 Der gewohnheitsrechtlich anerkannte und völkervertraglich in Art. 34 WVK verankerte pacta-tertiis-Grundsatz bestimmt mit Rücksicht auf die Vertragsautonomie als Ausdruck der Souveränität des Drittstaats, dass ein zwischen anderen Staaten geschlossener Vertrag für ihn mangels eigener Zustimmung „weder Pflichten noch Rechte“ begründet (pacta tertiis nec nocent nec prosunt).682 Ließen sich aus völkerrechtlichen Verträgen – ohne entsprechende gewohnheitsrechtliche Anerkennung – Verpflichtungen erga omnes herleiten, so würden sie auch für Nicht-Vertragsparteien ohne deren Zustimmung – und ohne korreSiehe ferner wiederum Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 123. 678  Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports 1996, S. 226 Z. 79. Siehe dazu ferner Proelß, Article 34, in: Dörr/Schmalenbach (Hrsg.), Vienna Convention on the Law of Treaties, A Commentary, S. 680. 679  IGH, Legal Consequences of the construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion, ICJ Reports 2004, S. 201 f., Z. 157–160. Siehe dazu außerdem Proelß, Article 34, in: Dörr/Schmalenbach (Hrsg.), Vienna Convention on the Law of Treaties, A Commentary, S. 680 und Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 123. 680  Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 123: „(...) the above-quoted passage is perhaps best interpreted as an indication that obligations erga omnes are often also protected by international treaties“. Ihm folgend Proelß, Article 34, in: Dörr/Schmalenbach (Hrsg.), Vienna Convention on the Law of Treaties, A Commentary, S. 680. 681  Ähnlich Proelß/Haake, Gemeinschaftsräume, in: von Arnauld, Völkerrechtsgeschichte(n), S. 171 (183). 682  Gründlich dazu Witte, Der pacta-tertiis-Grundsatz im Völkerrecht, S. 238; Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 60.; von Arnauld, Völkerrecht, S. 87.

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

spondierende Pflicht  – ein „Recht begründen“ in Gestalt einer prozessualen Klagebefugnis und würden damit gegen den pacta-tertiis-Grundsatz verstoßen. Anders als dies gelegentlich ohne präzise Belege behauptet wird, hat der Gerichtshof im Barcelona Traction-Urteil nicht etwa eine drittstaatenbegünstigende Ausnahme vom pacta-tertiis-Grundsatz begründet oder diesen gar relativiert.683 Derartige Durchbrechungen des Konsensprinzips im rechtlichen Interesse von Drittstaaten kommen nur in sehr eng umgrenzten Ausnahmefällen im Sinne von Art. 35 VWK in Betracht684 und der Gerichtshof hätte für eine solche Ausnahme einen wesentlich größeren Begründungsaufwand betreiben müssen. Daher ist die Barcelona Traction-­ Rechtsprechung im Lichte des pacta tertiis-Konsensprinzips so zu verstehen, dass alle Staaten ein rechtliches Interesse an der Erfüllung der Verpflichtungen erga omnes haben, weil und soweit diese sie selbst gewohnheitsrechtlich verpflichten.685 Schließlich und drittens würde eine soeben skizzierte Durchbrechung des pacta-­ tertiis-­Grundsatzes mit Blick auf die vom common concern of humankind-Prinzip erfassten völkerrechtlichen Übereinkommen zu dem paradoxen wie unerwünschten Ergebnis führen, dass die (wenigen) verbleibenden Staaten, die nicht bereit waren, sich durch Ratifikation der betreffenden Abkommen verbindlich zu Umweltschutzmaßnahmen zu verpflichten, unter Berufung auf den CCM-Grundsatz nunmehr diejenigen Staaten, die dies taten, auf Einhaltung von deren Verpflichtungen in Anspruch nehmen könnten. Verdeutlicht am Beispiel des Klimaschutzregimes wären sogar große „Verschmutzerstaaten“ wie die USA, Russland oder Kanada, die sich selbst nicht im Kyoto-Protokoll zu den dort niedergelegten CO2-Reduktionsquoten verpflichtet haben bzw. – wie etwa Kanada – wieder aus dem Kyoto-Protkoll ausgetreten sind, dennoch berechtigt, die Erfüllung jener Pflichten von den ­Vertragsstaaten in letzter Konsequenz sogar vor dem IGH einzuklagen. Einer entsprechenden Klagebefugnis von Nicht-Vertragsstaaten würde keine eigene Pflicht korrespondieren und es würde für die Nationalstaaten umgekehrt ein umweltrechtspolitisch bedenklicher Anreiz gesetzt, sich künftig erst recht nicht (mehr) in internationalen Übereinkommen zu Umweltschutzmaßnahmen zu verpflichten. Schließlich hebt das common concern-Prinzip dennoch bislang lediglich mangels gewohnheitsrechtlicher Anerkennung686 und wegen der Vorgaben des erga omnes-­Rechtsfolgenregimes sowie des pacta-tertiis Grundsatzes die von ihm erfassten Umweltschutzpflichten (noch) nicht in den Rang einer erga omnes-Pflicht, deren Erfüllung auch von Nicht-Vertragsparteien verlangt werden kann.687 Stattdessen transformiert das CCM jene Verpflichtungen zu solchen erga omnes partes, das heißt zu solchen gegenüber sämtlichen Parteien (partes) der jeweiligen Überein So aber etwa Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., S. 60 f.  Ähnlich Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 122. Siehe zu den eng umgrenzten Ausnahmen zum pacta-tertiis-Grundsatz außerdem Witte, Der pacta-tertiis-Grundsatz im Völkerrecht, S. 238. Siehe zu den Durchbrechungen des Konsensprinzips ferner Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 522 f. 685  Ähnlich Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 122. 686  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. a). 687  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b). 683 684

2. Common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm (Primärebene)

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kommen zu erfüllenden Pflichten. Zumindest was die Klimaschutzabkommen anbelangt, die von (nahezu) allen völkerrechtlich anerkannten Staaten der Erde ratifiziert wurden (Klimarahmenkonvention sowie Kyoto-Protokoll und Pariser Abkommen), wirkt sich dies allerdings infolge ihres quasi-universellen Geltung auf der Rechtsfolgenseite kaum nennenswert aus. Das common concern of humankind ist somit ein hoffnungsvolles Prinzip zur Bekämpfung des Klimawandels. Sein Potenzial als Schlüsselprinzip beim Schutz der Biodiversität wird mit weiteren Ratifikationen der globalen Artenschutzabkommen noch steigen.

3 . Welche Verpflichtungen werden von der erga omnes (partes)-Wirkung des CCM erfasst? (Primärebene) Der Begriff der „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ artikuliert in seinen drei bisherigen Anwendungsfällen der Klimarahmen- und der Biodiversitätskonvention sowie des Pariser Abkommens ein Interesse der gesamten Staatengemeinschaft an der Bekämpfung des Klimawandels bzw. des globalen Artensterbens, sodass der „Anwendungsbereich“ des erga omnes-Konzepts eröffnet ist.688 Neben seiner „prinzipienspezifischen“ Ausstrahlungswirkung als Leitprinzip im Umweltvölkerrecht689 entfaltet der common concern of humankind-Grundsatz daher eine weitere, „hierarchiespezifische“ Ausstrahlungswirkung, die sich aus seiner Eigenschaft als Staatengemeinschaftsnorm ergibt und das erga omnes-Konzept zur Anwendung bringt. Soweit diese erga omnes-Wirkung reicht, entfalten die von ihm erfassten, in den entsprechenden Rahmenübereinkommen und Protokollen niedergelegten Pflichten, die der Bekämpfung des jeweiligen globalen Umweltproblems dienen, eine Wirkung erga omnes (partes) und werden demnach gegenüber allen (Vertrags-)Staaten der internationalen Gemeinschaft geschuldet.690 Im Hinblick auf Verpflichtungen, die von der erga omnes (partes)-Wirkung des CCM erfasst werden, bedeutet dies auf der Primärebene zunächst einmal, dass alle (Vertrags-)Staaten wechselseitig von allen anderen (Vertrags-)Staaten verlangen können, dass sie die entsprechenden in der Klimarahmen- und der Biodiversitätskonvention sowie im Cartagena- und im Kyoto-Protokoll und dem Pariser Abkommen verankerten Schutzpflichten erfüllen. Bevor im anschließenden Kapitel auf die sekundärrechtlichen Rechtsfolgen des CCM-Prinzips näher eingegangen wird, soll an dieser Stelle nochmals hervorgehoben werden, welche konkreten Verpflichtungen im Bereich des globalen Klima- und Artenschutzes infolge der Qualifikation des common concern of humankind-­ Prinzips als Staatengemeinschaftsnorm auf der primärrechtlichen Ebene zu solchen  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b).  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. und 5. 690  Dieser Maßstab für eine Transformation der umweltschutzbezogenen Pflichten zu Verpflichtungen erga omnes wird ebenfalls angewandt von Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 218; Brunnée, Global Climate Regime, S. 720 (723 f.); Birnie/Boyle, 1. Aufl., S. 130; Kornicker, ius cogens, S. 194 f. 688 689

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

Verpflichtungen transformiert werden, die erga omnes (partes) gelten und deshalb gegenüber der gesamten (Vertrags-)Staatengemeinschaft zu erfüllen sind. Um von der erga omnes (partes)-Wirkung des common concern of humankind-­ Grundsatzes auf der Primärebene erfasst zu werden, müssen die jeweiligen Verpflichtungen zum einen dem Gegenstand der „gemeinsamen Sorge“ dienen, zum anderen müssen sie generell einklagbar sein. Von vornherein kommen daher nur vertragliche Vorschriften in Betracht, welche die Vertragsstaaten zu einem hinreichend konkreten Verhalten verpflichten und in einem völkerrechtlichen Vertrag verankert wurden, der bereits in Kraft getreten ist. Dieser „restriktive“ Ansatz hat sich im Jahr 2014 im Whaling in the Antarctic-Fall bestätigt, in dem die zunächst von Australien geltend gemachte Verletzung sehr allgemein gehaltener Verpflichtungen aus der Biodiversitätskonvention im weiteren Gerichtsverfahren keine Rolle mehr spielten.691 Wie der Gerichtshof bereits in seinem Völkermord-Gutachten692 und später nochmals im Belgien v. Senegal-Urteil693 klargestellt hat, können außerdem nur solche Verpflichtungen erga omnes (partes) gelten, deren Erfüllung dem Staatengemeinschaftsinteresse  – hier: dem common concern of humankind  – zu dienen bestimmt sind.

a) Globaler Klimaschutz Im Bereich des globalen Klimaschutzes können nur Verpflichtungen aus der Klimarahmenkonvention und dem Kyoto-Protokoll sowie dem Pariser Abkommen auf der Primärebene von der erga omnes (partes)-Wirkung des common concern of humankind erfasst sein. Der rein politische Copenhagen Accord aus dem Jahre 2009 enthält keine verbindlichen völkerrechtlichen Verpflichtungen.694 aa) Klimarahmenkonvention Trotz ihres „Rahmencharakters“ enthält die Klimarahmenkonvention durchaus völkerrechtlich verbindliche Verpflichtungen. In Art. 4 KRK haben sich die Industriestaaten allgemein zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen verpflichtet. Damit dienen diese Verpflichtungen der Bekämpfung des Klimawandels als raison d’être und „gemeinsame Sorge“ aller Vertragsparteien. Doch sind sie nicht hinreichend quantifizierbar und konkret, um als einklagbare Verpflichtungen von der erga  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 55–58. Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 5. a). 692  Reservations to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, ICJ Reports 1951, S. 23; siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) aa) (1) (a). 693  IGH, Questions Relating to the Obligation to Prosecute or Extradite (Belgium v. Senegal), ICJ Reports 2012, S. 422, Z. 68 f. Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) cc). 694  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. d). 691

3. Welche Verpflichtungen werden von der erga omnes (partes)-Wirkung des CCM …

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omnes-Wirkung des common concern of humankind erfasst zu werden. Das Gleiche gilt für die Verpflichtung der Vertragsstaaten in Art. 5 KRK zur Zusammenarbeit bei der systematischen Beobachtung und Erforschung des Klimawandels und in Art. 6 zur Schärfung des „öffentlichen Bewusstseins“ (public awareness) für den Klimawandel und seine nachteiligen Auswirkungen.695 Sämtliche dieser allgemeinen Verpflichtungen sind so unspezifisch formuliert, dass sie sich schwerlich durchsetzen lassen.696 Allerdings haben sich die Industriestaaten in Art. 4 Abs. 2 KRK – „im Herzen der Klimarahmenkonvention“697  – drei spezifische Verpflichtungen auferlegt: Erstens haben sie nationale Maßnahmen zu ergreifen, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren und Treibhausgassenken und –speicher zu schützen. Zweitens treffen die OECD-Länder strengere Berichterstattungspflichten, und drittens sind sie verpflichtet, zur Stabilisierung der Treibhausgasemissionen die nötigen Finanzierungs- und Verwaltungsinstrumente zu koordinieren. Diese Verpflichtungen sind der Bekämpfung des Klimawandels zu dienen bestimmt und dürften hinreichend konkret sein, um als einklagbare Verpflichtungen von der erga omnes-Wirkung des CCM-­Prinzips erfasst zu werden.698 Im Zusammenhang mit den spezifischen Verpflichtungen der Industriestaaten zur Reduzierung ihrer CO2-Emissionen aus Art. 4 Abs. 2 lit. (a) KRK wurde im darauf folgenden Art. 4 Abs. 2 lit. (b) KRK ein „Reduktionsziel“ niedergelegt.699 Danach sollen die Industriestaaten ihre Treibhausgas-Reduktionsverpflichtungen „mit dem Ziel“ erfüllen, „(…) die anthropogenen Emissionen von Kohlendioxid und anderen (…) Treibhausgasen auf das Niveau von 1990 zurück zu führen (…)“.700 Angesichts dieser schwammigen und mehrdeutigen Formulierung begründet das „Reduktionsziel“ von Art. 4 Abs. 2 lit. (b) KRK jedoch keine hinreichend konkrete völkerrechtlich verbindliche Verpflichtung701 und wird daher nicht von der erga omnes-­Wirkung des common concern of humankind erfasst.

 UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 5 und 6, Operativer Teil. 696  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) dd). Siehe ferner Verheyen, Beitrag des Völkerrechts, in: Koch/ Caspar (Hrsg.), Klimaschutz im Recht, S. 29 (43 f.), die zutreffend darauf hinweist, dass gerade an den allgemein gehaltenen Verpflichtungen von Art. 4 der Rahmencharakter der Klimarahmenkonvention deutlich sichtbar wird. 697  Sands, 1 RECIEL (1992), S. 270 (273). 698  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. b) dd). 699  So Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (516). 700  UN Framework Convention on Climate Change, 31 ILM (1992), S. 849 ff., Art. 4 Abs. 2 lit. (b), Operativer Teil („with the aim of returning individually or jointly to their 1990 levels“). 701  Siehe etwa Sands, 1 RECIEL (1992), S. 270 (273): „The most that can be reasonably said of these provisions is that they establish soft targets and timetables with a large number of loopholes“; Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (516 f.); siehe auch Dolzer, The Legal Status of the Commitments in the FCCC, in: Harnisch (Hrsg.), Climate Change and the Agenda for Research; Durner, 37 AVR (1999), S.  357 (368); Ott, Völkerrechtliche Aspekte der Klimarahmenkonvention, in: Brauch (Hrsg.), Klimapolitik, S. 61 (67). 695

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

bb) Kyoto-Protokoll Die Vertragsstaaten des Kyoto-Protokolls haben sich in Abs. 3 der Präambel ausdrücklich auf die Vorschriften der Klimarahmenkonvention berufen,702 sodass sich die primärrechtliche erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-­ Prinzips grundsätzlich auf Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls erstrecken kann. Zwar hat das Kyoto-Protokoll die Klimarahmenkonvention durch völkerrechtlich verbindliche Verpflichtungen der Vertragsstaaten zur Emissionsreduzierung durchaus konkretisiert. In vielen wichtigen Fragen beschränkt das Protokoll sich indes selbst darauf, einen stark gestaltungs- und ausfüllungsbedürftigen Rahmen zu setzen. An mehreren Stellen des Protokolls wird lediglich die Grundlage einer rechtlichen Regelung skizzenhaft umrissen und die weitere Ausgestaltung ausdrücklich späteren Klimaschutzkonferenzen übertragen. Dies gilt insbesondere für jene Instrumente, die Anreize zur Emissionsreduktion setzen und eine flexible Verwirklichung der festgehaltenen Reduktionsverpflichtungen ermöglichen sollen. Allein Art. 3 Abs. 1 Kyoto-Protokoll enthält Verpflichtungen der Industriestaaten zur Reduktion bestimmter Treibhausgasemissionen, die der Bekämpfung des Klimawandels als common concern of humankind dienen und hinreichend konkret sind, um von dessen erga omnes-Wirkung erfasst zu werden.703 Nach dieser Zentralvorschrift des Kyoto-Protokolls müssen die in Anlage I der Klimarahmenkonvention genannten Industriestaaten einzeln oder gemeinsam dafür sorgen, dass die von ihnen emittierten Mengen bestimmter Treibhausgase nicht jene Mengenvorgabe ­überschreiten, die in Anlage B des Protokolls für jeden der verpflichteten Industriestaaten spezifisch festgelegt ist. Das von den Vertragsstaaten in der Klimarahmenkonvention im common concern-Begriff zum Ausdruck gebrachte Staatengemeinschaftsinteresse an der Bekämpfung des Klimawandels und seiner nachteiligen Auswirkungen für das globale Ökosystem strahlt folglich auch auf die im Kyoto-Protokoll niedergelegten konkreten Verpflichtungen zur Emissionsreduzierung aus und transformiert sie zu Verpflichtungen erga omnes.704 Folglich können alle Vertragsstaaten – wegen des Prinzips der gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortung auch alle Entwicklungsländer als Vertragsstaaten – von sämtlichen Industriestaaten, die Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls sind, die Erfüllung der in Art. 3 Abs. 1 Kyoto-Protokoll iVm. Anlage I Klimarahmenkonvention niedergelegten CO2-Reduktionsquoten verlangen. cc) Pariser Abkommen An der Spitze des Pariser Abkommens, in Abs. 11 der Präambel, haben die Vertragsstaaten nochmals den Klimawandel zur „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ erklärt („climate change is a common concern of humankind“).705 Mit dieser erneuten und  Kyoto Protocol to the FCCC, ILM 37 (1998), S. 32, Präambel, Abs. 3.  Kyoto Protocol to the FCCC, ILM 37 (1998), S. 33, Operativer Teil, Art. 3. 704  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIV. 1. und 2. 705  Pariser Abkommen v. 12.12.2015 (BGBl. 2016 II Nr. 26, S. 1082 ff.), Abs. 11 der Präambel. 702 703

3. Welche Verpflichtungen werden von der erga omnes (partes)-Wirkung des CCM …

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konsistenten Verwendung des common concern-Begriffs haben 23 Jahre nach Abschluss der Klimarahmenkonvention nunmehr erstmals alle von der UN als solche anerkannten Staaten der Welt den Status des Klimawandels als common concern of humankind bestätigt und als völkerrechtlichen Leitbegriff des globalen Klimaschutzes untermauert. Kraft seiner Stellung an der Spitze der Präambel zum Pariser Abkommen kommt dem Begriff des common concern of humankind daher eine entscheidende Rolle für die Auslegung der nachfolgenden Pflichten des operativen Vertragsteils zu.706 Zwar haben die Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention nach alledem ihre Absicht, ein neues rechtsverbindliches Klimaschutzinstrument zu erschaffen, mit dem Abschluss des Pariser Abkommens in die Tat umgesetzt.707 Dennoch darf nicht übersehen werden, dass längst nicht alle im Abkommen verankerte Normen konkrete Pflichten begründen, die durch die Rechtswirkung des common concern of humankind-Prinzip zu erga omnes-Pflichten transformiert werden und – auch ohne eigene Rechtsverletzung des sie geltend machenden (Vertrags)Staates  – vor dem IGH einklagbar sind: Zunächst haben sich im operativen Teil des Pariser Abkommens erstmals alle von der UN als solche anerkannten Staaten dieser Welt rechtsverbindlich dem Ziel verpflichtet, durch konkrete Maßnahmen den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter („well below“) zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, ihn gar auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, in dem Bewußtsein, dass dies die Risiken und Folgen des Klimawandels signifikant senken werde (Art.  2 Abs.  1 lit. a) der Präambel). Dieses Ziel verlangt von den Vertragsparteien, nach Treu und Glauben auf seine Verwirklichung hinzuarbeiten. Damit dient diese allgemeine Reduktionsverpflichtung der Bekämpfung des Klimawandels als raison d’être und ist „gemeinsame Sorge“ aller Vertragsparteien. Doch ist der letztlich relevante „Reduktionsbeitrag“ der Vertragsstaaten nicht hinreichend quantifizierbar und konkret, um als einklagbare Verpflichtung von der erga omnes-Wirkung des common concern of humankind erfasst zu werden. Das Gleiche gilt für die in Art. 4 Abs. 1 des Pariser Abkommens verankerte Doppelziel: Zur Erreichung des 1,5 °C – Ziels wollen die Vertragsstaaten nach so schnell wie möglich den Scheitelpunkt der globalen Treibhausgasemissionen („reach global peaking of greenhouse gas emissions“) erreichen. Die Parteien erklären außerdem, die Treibhausgasemissionen rasch reduzieren zu wollen, damit sich bis zum Jahr 2050 Emissionen einerseits und Bindung von Treibhausgasen durch Senken die Waage halten.708 Beides sind jedoch keine hinreichend konkreten völkerrechtlich verbindlichen Verpflichtungen709 und können daher nicht von der erga omnes-Wirkung des common concern of humankind erfasst werden.  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. c) und 5. a).  Proelß, 39 ZfU (2016 Sonderausgabe), S. 59 (64). 708  Ähnlich bereits Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 315. 709  Siehe etwa Sands, 1 RECIEL (1992), S. 270 (273): „The most that can be reasonably said of these provisions is that they establish soft targets and timetables with a large number of loopholes“; Bodansky, 18 YJIL (1993), S. 451 (516 f.); siehe auch Dolzer, The Legal Status of the Commit706 707

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

An diese hochgesteckten Ziele knüpfen die in Art. 4 Abs. 2 und Art. 3 des Pariser Abkommens niedergelegten konkreten Verpflichtungen der Vertragsparteien an, „nationally determined contributions“ (NDCs), das heißt „national festgelegte Beiträge“ zu bestimmen, mitzuteilen und aufrechtzuerhalten, welche sie im Rahmen der globalen Bekämpfung des Klimawandels zur Erreichung der in Art. 2 des Pariser Abkommens niedergelegten Klimaschutzziele erbringen und durch konkrete nationale Emissionsminderungsmaßnahmen erreichen wollen. Anders als im Kyoto-Protokoll wurde im Pariser Abkommen keine verbindliche Verteilung konkreter Reduktionsverpflichtungen der Vertragsstaaten vereinbart. Stattdessen geht das Pariser Abkommen von einem gemeinsamen Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung aus und verpflichtet die Parteien rechtsverbindlich dazu, sich selbst individuelle – jedoch unverbindliche – Minderungsziele in Gestalt sogenannter nationally determined contributions (NDC’s) aufzuerlegen, die in festgelegten Zeitabständen ansteigen müssen und überprüft werden.710 Bereits nach seinem klaren Wortlaut („shall“) begründet Art. 4 Abs. 2 des Pariser Abkommens eine Pflicht aller Vertragsstaaten, zur Erreichung des globalen Emissionsreduktionsziels ihre „nationally determined contributions“ (NDCs) a­ ufzustellen, zu melden und sukzessive zu steigern.711 Diese konkreten umweltschutzbezogenen Rechtspflichten sind daher geeignet, von der erga omnes-Rechtswirkung des CCM-Prinzips erfasst zu werden. Demgegenüber dürfte etwa die Norm des Art. 5, die sich der Erhaltung und Erweiterung von Speichern und Senken durch die Vertragsstaaten widmet, bloß eine politische Aufforderung zum Handeln („should (…) as appropriate“) darstellen.712

b) Globaler Artenschutz Im Bereich des globalen Artenschutzes können nur Verpflichtungen aus der Biodiversitätskonvention und dem Cartagena-Protokoll auf der Primärebene von der erga omnes-Wirkung des common concern of humankind erfasst sein. Das Nagoya-­ Protokoll aus dem Jahre 2010 ist zum einen bis heute noch nicht in Kraft getreten. Zum anderen dienen die dortigen völkerrechtlichenVerpflichtungen nicht dem Erhalt der Biodiversität als Gegenstand des common concern of humankind, sondern ausdrücklich der „ausgewogenen und gerechten Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile“.713 ments in the FCCC, in: Harnisch (Hrsg.), Climate Change and the Agenda for Research; Durner, 37 AVR (1999), S.  357 (368); Ott, Völkerrechtliche Aspekte der Klimarahmenkonvention, in: Brauch (Hrsg.), Klimapolitik, S. 61 (67). 710  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 1. f) cc). Siehe zudem Stoll/Krüger, Klimawandel, in: Proelß, Internationales Umweltrecht, S. 315 unter Verweis auf den Gesetzentwurf des Deutschen Bundestages zum Übereinkommen von Paris, BT-Ds. 18/9650 v. 20.09.2016, 32 (Erl. Zu Art. 4 Abs. 2): „Die national festgelegten Beiträge werden selbst nicht Vertragsbestandteil und erlangen auch keine Rechtsverbindlichkeit“. 711  Proelß, 39 ZfU (2016 Sonderausgabe), S. 59 (64). 712  Proelß, 39 ZfU (2016 Sonderausgabe), S. 59 (64). 713  Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 2. b).

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aa) Biodiversitätskonvention Nach dem eindeutigen Wortlaut der Präambel zur Biodiversitätskonvention ist die „Bewahrung der Biodiversität“ Gegenstand des common concern of humankind. Nach der IGH-Rechtsprechung714 können daher nur solche konkreten Verpflichtungen vom CCM-Prinzip erfasst und zu erga omnes-Pflichten transformiert werden, die der Bewahrung der Biodiversität unmittelbar zu dienen bestimmt sind. Allerdings haben die beiden anderen Zwecke der Biodiversitätskonvention, namentlich der Zugang zu genetischen Ressourcen und die faire und gerechte Vorteilshabe die Erhaltung der Biodiversität als Gegenstand der „gemeinsamen Sorge“ bereits früh in den Hintergrund gedrängt.715 Dies hat sich darin niedergeschlagen, dass sich die Vertragsparteien nicht zu konkreten Verpflichtungen zur Bewahrung der Biodiversität durchringen konnten. Zwar enthält Art. 6 der Biodiversitätskonvention eine allgemeine Verpflichtung, „Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt“ zu ergreifen. Allerdings sind die dort aufgeführten Verpflichtungen ähnlich unspezifisch formuliert wie Art.  4 KRK und daher ebenfalls schwerlich durchsetzbar. Dies gilt umso mehr, als die Vertragsparteien ihre allgemeine Verpflichtung zum Artenschutz durch eine souveränitätswahrende Klausel nur „entsprechend ihren besonderen Umständen und Möglichkeiten“ zu erfüllen haben.716 Das Gleiche gilt für die allgemeinen Verpflichtungen der Vertragsparteien zur in situ und ex situ-Erhaltung ihrer Biodiversität nach Art.  8 und 9 Biodiversitätskonvention, die von jeder Vertragspartei ebenfalls nur „soweit möglich und sofern angebracht“ zu erfüllen sind und daher kaum konkret genug sein dürften, um als einklagbare Verpflichtungen von der erga omnes-Wirkung des common concern of humankind erfasst zu werden. bb) Cartagena-Protokoll Als „Umbrella“-Konvention717 basiert auch die Biodiversitätskonvention auf dem framework-protocol-approach und setzt daher einen Rahmen für den globalen Artenschutz, der fortwährend durch nachfolgende Protokolle ausgefüllt werden soll. Aufgrund der Entwicklungsgeschichte der Biodiversitätskonvention spielen insgesamt Fragen rund um die Nutzung der Biodiversität als Ressource eine herausragende Rolle, während Erhaltungsfragen auch in den nachfolgenden Protokollen nur spärlich behandelt wurden.718 Dennoch enhält das Cartagena-Protokoll zwei Verpflichtungen, die dem Erhalt der Biodiversität als Gegenstand des common concern of humankind dienen und hinreichend konkret sind, um zu erga omnes-Ver­ pflichtungen transfomiert werden zu können:  Reservations to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, ICJ Reports 1951, S. 23; siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) aa) (1) (a). IGH, Questions Relating to the Obligation to Prosecute or Extradite (Belgium v. Senegal), ICJ Reports 2012, S. 422, Z. 68 f. Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) cc). 715  Siehe dazu Schweizer, Biodiversitätskonvention, S.  137  ff.; siehe außerdem Stoll, Die CBD, Genetische Ressourcen und traditionelles Wissen, in: FS Bothe, S. 769 ff. 716  Siehe dazu Schweizer, Biodiversitätskonvention, S. 142 f. 717  Stoll, Genetische Ressourcen, Zugang und Vorteilshabe, S. 73. 718  Stoll, Genetische Ressourcen, Zugang und Vorteilshabe, S. 80 ff. 714

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XIV. Inhalt des Begriffs common concern of humankind

Zum einen ist nach Art. 7–9 des Protokolls ein bestimmtes Informations- und Entscheidungsverfahren einzuhalten, wenn lebende gentechnisch veränderte Organismen in ein anderes Land exportiert werden sollen, um dort in die Umwelt freigesetzt zu werden. Das Ausfuhrland ist daher nach Art. 8 Cartagena-Protokoll iVm. Anlage I verpflichtet, dem Empfängerland alle Informationen zugänglich zu machen, die für eine Sicherheitsbewertung erforderlich sind. Daraufhin kann das Empfängerland die Einfuhr verbieten, wenn plausible Zweifel an der Sicherheit für Umwelt, biologische Vielfalt und menschliche Gesundheit bestehen. Das Protokoll erlaubt es den Staaten somit, aus Vorsorge Importverbote zu verhängen. Zum anderen ist jede Vertragspartei nach Art. 25 Cartagena-Protokoll verpflichtet, geeignete innerstaatliche Maßnahmen zu ergreifen, um grenzüberschreitende Verbringungen lebender veränderter Organismen zu verhüten, die unter Verletzung ihrer innerstaatlichen Vorschriften zur Durchführung des Protokolls stattfinden. Auch diese Verpflichtung dient dem Schutz der Biodiversität und ist hinreichend konkret, um als einklagbare Verpflichtung von der erga omnes-Wirkung des common concern of humankind erfasst zu werden.

XV. Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips (Sekundärebene)

Das vorangegangene Kapitel hat unter Heranziehung des erga omnes-Konzepts, wie es sich im Recht der Staatenverantwortlichkeit herausgebildet hat,1 den Nachweis erbracht, dass das common concern of humankind-Prinzip inhaltlich die Voraussetzungen einer „Staatengemeinschaftsnorm“ erfüllt und infolgedessen – auf Primärebene – Verpflichtungen erga omnes (partes) erzeugt.2 Welche weiteren Rechtsfolgen sich – auf Sekundärebene – ergeben können, wenn Verpflichtungen zum Schutz von bestimmten globalen Umweltgütern infolge ihrer Erklärung zur „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ eine Wirkung erga omnes entfalten, hängt weit überwiegend vom „Rechtsfolgenregime“ des erga omnes-Konzepts selbst ab. Angesichts des thematischen Schwerpunkts der vorliegenden Arbeit und der nahezu uferlosen Literatur zu den Rechtsfolgen des erga omnes-Konzepts wird an dieser Stelle nur skizzenhaft resümiert, welche konkreten Rechtsfolgen sich möglicherweise aus dem erga omnes-Effekt des common concern of humankind-Prinzips ergeben können, um sein Potenzial als Schlüsselprinzip des Umweltvölkerrechts insgesamt bewerten zu können. Zu diesem Zweck werden in einem ersten Schritt die allgemeine Rechtswirkung von erga omnes-Verpflichtungen überblicksartig erörtert (1.), um in einem zweiten Schritt die konkrete erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-­Prinzips zu skizzieren (2.).

 Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 1.  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 1, 2, 3.

1 2

© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_15

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XV. Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips …

1 . Die Rechtsfolgen von erga omnes-Verpflichtungen (Überblick) Während die meisten Literaturstimmen sich in ihrer Analyse der IGH-Rechtsprechung noch weitestgehend einig darüber sind, dass die Verletzung von erga omnes-­ Verpflichtungen ein ius standi aller Staaten vor dem internationalen Gerichtshof begründet,3 ist in der Literatur ähnlich umstritten wie innerhalb der Richterschaft des IGH, welche weiteren Rechtsfolgen erga omnes-Verpflichtungen und ihre Verletzung nach sich ziehen. Zunächst ist auf der „Primärebene“ diskutabel, ob die Internationale Gemeinschaft oder einzelne Staaten Träger eines subjektiven Rechts auf Erfüllung von erga omnes (partes)-Verpflichtungen sind. Nach einer Ansicht ist die internationale Gemeinschaft ein „echtes“ eigenständiges Rechtssubjekt, das allerdings als solches selbst nicht handlungsfähig ist und sich daher womöglich von den Vereinten Nationen oder einer anderen internationalen Organisation oder gar von einzelnen Nationalstaaten als „Wächter von Staatengemeinschaftsinteressen“ vertreten lassen müsste. Nach einer anderen Auffassung wäre die „internationale Gemeinschaft“ nichts anderes als ein Sammelbegriff für „alle Staaten“, und Verpflichtungen gegenüber der Staatengemeinschaft wären von vornherein Verpflichtungen gegenüber den Einzelstaaten.4 Daran anknüpfend ist des Weiteren auf der „Sekundärebene“ insbesondere streitig, ob und gegebenenfalls zu welchen Gegenmaßnahmen einzelne Staaten berechtigt sind, um die Einhaltung von erga omnes (partes)-Verpflichtungen zu erzwingen.5 Beide Fragen wurden von der UN-Völkerrechtskommission (International Law Commission, ILC) im Rahmen ihrer Kodifizierungsarbeiten aufgegriffen und teilweise beantwortet. Im Folgenden wird daher diese Weiterentwicklung des erga omnes-Konzepts durch die ILC kurz skizziert6 und ihre Rezeption durch den IGH dargelegt,7 um schließlich die gegenwärtige erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips und dessen zukünftiges Potenzial etwas genauer abschätzen und bewerten zu können.8

3  Siehe vor allem die Ausführungen von Annacker, 46 AJPIL (1993/1994), S.  131 (164  f.); de Hoogh, Obligations Erga Omnes, S. 52 f.; Gaja, in: Weiler/Cassese/Spinedi, International Crimes, S. 154 f.; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 378; Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 295–297; Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 197. 4  Diese beiden Konstruktionen diskutiert vor allem Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 378. 5  Siehe dazu vor allem Akehurst, 44 BYIL (1970), S. 1 ff.; Charney, 10 MichJIL (1988), S. 57 ff.; Frowein, 248 RdC (1994 IV), S. 345 ff. 6  Vierter Teil, Kap. XV. 1. b). 7  Vierter Teil, Kap. XV. 1. b). 8  Vierter Teil, Kap. XV. 2.

1. Die Rechtsfolgen von erga omnes-Verpflichtungen (Überblick)

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a ) Rechtsfolgen von erga omnes-Verpflichtungen nach Artikel 48 ASR Das Rechtsfolgenregime der ILC-Kodifikation rekurriert für den Bereich der Staatenverantwortlichkeit in ihren Artikeln 42 und 48 auf jene „essentielle Unterscheidung“ zwischen Verpflichtungen gegenüber individuellen Staaten einerseits und Verpflichtungen gegenüber kollektiven Staatengruppen bzw. der Staatengemeinschaft als Ganzer andererseits, indem es zwischen den sekundären Rechten „verletzter Staaten“ („injured State“) und „unverletzter“ bzw. „beliebiger anderer Staaten“ („any other State“) differenziert.9 a a) Die „essential distinction“ zwischen „verletzten Staaten“ (Art. 42 ASR) und allen „anderen Staaten“ (Art. 48 ASR) Artikel 42 ASR stellt klar, dass das Verantwortlichmachen eines „Verletzerstaates“ in erster Linie die Befugnis eines „verletzten Staates“ selbst ist, der seine individuelle Verletzung in eigenen Rechten (und im eigenen Interesse) gerichtlich oder außergerichtlich geltend machen kann. In Artikel 42 ASR heißt es daher wörtlich: „A State is entitled as an injured State to invoke the responsibility of another State if the obligation breached is owed to:

(a) that State individually; or (b) a group of States including that State, or the international community as a whole, and the breach of the obligation: (i) specially affects that State; or (ii) is of such a character as radically to change the position of all the other States to which the obligation is owed with respect to the further performance of the obligation.“10

„Verletzt“ ist ein Nationalstaat somit nach Art. 42 lit. a) ASR zunächst einmal dann, wenn die Erfüllung der verletzten Verpflichtung ihm gegenüber individuell geschuldet wurde, was nach den Kommentierungen der ILC stets bei Verpflichtungen aus bilateralen völkerrechtlichen Verträgen zwischen zwei Staaten gegeben ist, jedoch ebenfalls bei unilateralen Selbstverpflichtungen eines Staates vis-a-vis einem anderen Staat der Fall sein kann.11 Des Weiteren sieht die ­UN-­Völkerrechtskommission außerhalb eines 9  Crawford, ILC Commentary, Introduction, S. 39: „These articles draw an essential distinction for the purposes of State responsibility between breaches of bilateral and multilateral obligations, in particular, obligations to the international community as a whole.“ 10  Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UNGA Res. 56/83 v. 28. Januar 2002, Annex, ebenfalls abgedruckt bei Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 42, S. 255. 11  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 42, Abs. 6 und 7: „The expression ‚individually‘ indicates that in the circumstances, performance of the obligation was owed to that State. This will necessarily be true of an obligation arising under a bilateral treaty between the two States parties to it, but it will also bet rue in other cases, e.g. of a unilateral commitment made by one State to another (…) binding unilateral acts by which one State assumes an obligation vis-à-vis another State.“

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XV. Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips …

völkerrechtlichen Vertrages stehende Drittstaaten als „verletzt“ an, wenn der betreffende Vertrag im Sinne von Art. 36 WVRK ihnen gegenüber ebenfalls Pflichten statuiert und jenen Pflichten nach der Intention des jeweiligen Vertrages außerdem eigene einklagbare Rechte der Drittstaaten korrespondieren sollen.12 Von einer „individuellen Rechtsverletzung“ im Sinne von Art.  42 lit. a) ASR geht die ILC ausweislich ihrer Kommentierungen schließlich in jenen Fällen aus, in denen die Erfüllung einer Verpflichtung aus einem multilateralen Vertrag oder aus Gewohnheitsrecht bei genauerem Hinsehen letztlich doch einem individuellen Staat geschuldet ist.13 Anders als Art. 60 Abs. 1 WVRK sei Art. 42 lit. a) ASR nicht bloß auf bilaterale Verträge anwendbar. Und obgleich ein multilaterales Übereinkommen typischerweise zunächst einmal ein Regelwerk gegenüber allen Vertragsstaaten begründe, sei es unter gewissen Umständen in ein „Bündel bilateraler Rechtsbeziehungen“ mit bilateralen Verpflichtungen aufspaltbar, bei deren Nichterfüllung letztlich doch ein einzelner Staat im Sinne von Art. 42 lit. a) ASR „individuell verletzt“ sein könne.14 Artikel 42 lit. b) ASR behandelt die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Nichterfüllung einer „kollektiven Verpflichtung“, die im Interesse einer Staatengruppe oder gar der internationalen Staatengemeinschaft als Ganzer zwischen mehr als zwei Staaten begründet worden ist, zu einer individuellen Rechtsverletzung einzelner Staaten führen kann. Diese Vorschrift befasst sich somit zwar zunächst (wie Art. 48 ASR) mit völkergewohnheitsrechtlichen oder völkervertraglichen Verpflichtungen erga omnes bzw. erga omnes partes. Doch berechtigt Art. 42 lit. b) ASR – anders als Art. 48 ASR – die einzelnen Staaten nicht in ihrer Eigenschaft als Mitglieder einer Staatengruppe oder der internationalen Gemeinschaft als Ganzer zur Klageerhebung als „Prozeßstandschafter“ für das jeweilige Kollektiv, sondern als „Kläger in eigener Sache“, wenn und weil sie durch die Nichterfüllung einer kollektiven Verpflichtung individuell in besonderem Maße betroffen und daher in eigenen Rechten verletzt sind. Als derartig „individualisiert“ und gleichsam herausgehoben aus der kollektiven Gemeinschaft gelten Einzelstaaten allerdings nur in zwei ausdrücklich in Art. 42 lit. b) ASR normierten Fällen: Wie individuell „verletzt“ behandelt werden nach Art.  42 lit. b) (i) ASR zum ­einen solche Staaten, die von der Verletzung jener multilateralen Verpflichtung  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 42, Abs. 7: „Other examples include (…) the case of a treaty establishing obligations owed to a third State not party to the treaty. If it is established that the beneficiaries of the promise or the stipulation in favour of a third State were intended to acquire actual rights to performance of the obligation in question, they will be injured by its breach.“ Vgl. Vienna Convention on the Law of Treaties v. 23. Mai 1969, UNTS 1155, S. 331, Art. 36. 13  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 42, Abs. 8: „In addition, paragraph (a) is intended to cover cases where the performance of an obligation under a multilateral treaty or customary international law is owed to one particular State.“ 14  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 42, Abs. 8: „The scope of paragraph (a) in this respect is different from that of article 60 (1) of the Vienna Convention on the Law of Treaties, which relies on the formal criterion of bilateral as compared with multilateral treaties. But although a multilateral treary will characteristically establish a framework of rules applicable to all the States parties, in certain cases ist performance in a given situation involves a relationship of a bilateral character between two parties. Multilateral treaties of this kind have often been referred to as giving rise to ‚bundles of bilateral relations‘.“ 12

1. Die Rechtsfolgen von erga omnes-Verpflichtungen (Überblick)

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i­ndividuell „besonders betroffen“ (specially affected) sind, was ausweislich der ILC-­Kommentierung in jedem Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln ist und beispielsweise den einzelnen Küstenstaaten eine individuelle Klagebefugnis nach Art. 42 lit. b) (i) ASR an die Hand geben soll, wenn andere Staaten die Hohe See unter Verletzung von Art. 194 SRK verschmutzen.15 Als „verletzte Staaten“ gelten zum anderen gemäß Art. 42 lit. b) (ii) ASR die Vertragsstaaten eines multilateralen Übereinkommens, wenn es sich bei der betreffenden Verpflichtung um eine sogenannte „integrale Verpflichtung“ (integral obligation) handelt. Einen „integralen“ Charakter sollen Verpflichtungen in Analogie zu Art. 60 Abs. 2 WVRK haben, wenn ihre Verletzung per se jeden anderen Vertragsstaat individuell berührt, weil sie die Rechtsposition aller Vertragsstaaten mit Blick auf ihre künftige Vertragserfüllung radikal verändert.16 Als Beispiele für derartige sogenannte „integrale Verträge“ nennt die ILC Abrüstungsverträge, Verträge über nuklearfreie Zonen oder alle anderen Verträge, die Verpflichtungen begründen würden, deren Nichterfüllung die Struktur des gesamten Vertrages zu gefährden drohe; denn bei derartigen „integralen Verträgen“ hänge die Erfüllung durch alle Staaten insofern wechselseitig in einer „Alles-oder-Nichts-Manier“ (all-or-nothing fashion) voneinander ab, als jeder Staat im Sinne einer „synallagmatischen Verknüpfung“ jeweils seine Verpflichtung nur dann erfülle, „wenn und weil“ jeder andere Staat seiner korrespondierenden Pflicht ebenfalls nachkomme.17 Indem Art. 42 ASR den Begriff eines „verletzten Staates“ auf die beschriebene Weise relativ eng definiert, zieht jene Vorschrift eine „Demarkationslinie“ zwischen individuell verletzten Staaten einerseits, die einzeln oder als Teil einer kleinen Staatengruppe originär klagebefugt sind, und vielen oder allen Staaten andererseits, die aufgrund von Verpflichtungen, die einem kollektiven Interesse oder gar einem Interesse der internationalen Gemeinschaft als Ganzer (Staatengemeinschaftsinteresse) dienen, ein „rechtliches Interesse“ an deren Erfüllung haben und ihre Verletzung daher (gewissermaßen „in Prozeßstandschaft“ für alle anderen) vor dem Internationalen Gerichtshof klageweise geltend machen können.18  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 42, Abs. 12: „Even in cases where the legal effects of an internationally wrongful act extend by implication to the whole group of States bound by the obligation or to the international community as a whole, the wrongful act may have particular adverse effects on one State or on a small number of States.“ 16  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 42, Abs. 13: „Article 60 (2) (c) of the Vienna Convention on the Law of Treaties recognises an analogous category of treaties, viz. those ‚of such a character that a material breach of its provision by one party radically changes the position of every party with respect to the further performance of its obligations‘.“ 17  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 42, Abs. 13: „Examples include a disarmament treaty, a nuclear free zone treaty, or any other treaty where each parties’ performance is effectively conditioned upon and requires the performance of its obligations“; ders., ILC Commentary, Introduction, S. 41: „(…) the conception adopted in the articles (…) concerns obligations which operate in an all-or-nothing-fashion, such that each State’s continued performance of the obligation is in effect conditioned upon performance by each other party. (…) A breach of such an obligation threatens the treaty structure as a whole; performance of the treaty is considered interdependent.“ 18  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 42, Abs. 1: „Article 42 (...) defines this term [‚injured State‘] in a relatively narrow way, drawing a distinction between injury to an individual 15

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XV. Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips …

bb) Rechtsfolgen aus der Verletzung von erga omnes-Verpflichtungen Wird eine Verpflichtung erga omnes oder erga omnes partes verletzt, so greift das Rechtsfolgenregime der Art. 48 und 54 ASR ein, aus denen sich eine Klagebefugnis der berechtigten „anderen Staaten“ sowie die Möglichkeit von Repressalien ergibt. (1) Rechtsfolge 1: Klagebefugnis (Art. 48 Abs. 1 und 2 ASR) Werden erga omnes-Verpflichtungen verletzt, so ist jeder Staat bzw. bei Verletzungen von Verpflichtungen erga omnes partes jeder Staat, der – etwa als Partei des betreffenden völkerrechtlichen Vertrages  – zur relevanten „Staatengruppe“ gehört, zunächst einmal berechtigt, die Verantwortlichkeit des „Verletzerstaates“ geltend zu machen. Mit der Formulierung „Any State“ wollte die UN-Völkerrechtskommission nach eigenen Angaben klarstellen, dass die Klägerstaaten nach Art. 48 ASR keinesfalls in irgendeiner Weise gemeinschaftlich handeln müssen, sondern vielmehr nebeneinander und neben den gegebenenfalls individuell verletzten Staaten im Sinne von Art.  42 ASR klagebefugt sind.19 In diesem Zusammenhang hat die ILC zudem die Gelegenheit ergriffen und mehrfach ausdrücklich klargestellt, dass nach ihrer Ansicht die „internationale Gemeinschaft“ keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt.20 In Art.  48 Abs.  2 ASR werden die unterschiedlichen Klagekategorien spezifiziert, wo es heißt: „Any State entitled to invoke responsibility under paragraph 1 may claim from the responsible State:

(a) cessation of the internationally wrongful act, and assurances and guarantees of non-repetition in accordance with article 30; and (b) performance of the obligation of reparation in accordance with the preceding articles, in the interest of the injured State or of the beneficiaries of the obligation breached.“21

Demnach können Klägerstaaten gemäß Art. 48 Abs. 2 lit. a) ASR vor allem die Beendigung des völkerrechtswidrigen Verhaltens und nach Art.  48 Abs.  2 lit. b) ASR Wiedergutmachung verlangen, auch in Form von Entschädigungszahlungen, die entweder im Interesse des „verletzten“ Staates oder im Interesse der Staatengemeinschaft geleistet werden müssen. State or possibly a small number of States and the legal interests of several or all other States in certain obligations established in the collective interest.“ 19  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, Abs. 4: „In the nature of things all or many States will be entitled to invoke responsibility under article 48, and the term ‚any State‘ is intended to avoid any implication that that these States have to act together or in unison.“ 20  Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 42, Abs. 11: „In using the expression ‚group of States‘, article 42 (b) does not imply that the group has any separate existence or that it has separate legal personality“; Crawford, ILC Commentary, Introduction, S. 40: „The formulation [‚international community as a whole‘] does not imply that there is a legal person, the international community.“ 21  Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UNGA Res. 56/83 v. 28. Januar 2002, Annex, ebenfalls abgedruckt bei Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 48, S. 276.

1. Die Rechtsfolgen von erga omnes-Verpflichtungen (Überblick)

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(2) Rechtsfolge 2: Gegenmaßnahmen aller „anderen (Dritt-) Staaten“ (Art. 54 ASR)? Ob und inwieweit alle „anderen (Dritt-) Staaten“ im Sinne von Art. 48 ASR bei Verletzungen von erga omnes-Verpflichtungen außerdem berechtigt sind, im Interesse der Staatengemeinschaft oder einer Staatengruppe „Maßnahmen“ gegen den „Verletzerstaat“ (countermeasures) zu ergreifen, war und ist nicht nur in der völkerrechtlichen Literatur, sondern auch innerhalb der UN-Völkerrechtskommission seit langem heftig umstritten.22 Zwar hatte die ILC anfangs noch dazu tendiert, derartige „third-party-countermeasures“ im Kollektiv- oder Staatengemeinschaftsinteresse ausdrücklich anzuerkennen; doch verwarf sie dieses Ansinnen, als zahllose Staaten eine entsprechende Klausel vor allem wegen der Missbrauchsgefahr solch unilateraler Sanktionen ablehnten, und begnügte sich mit einer bloßen „saving clause“, wonach die Articles on State Responsibility ein etwaiges Recht von klagebefugten Drittstaaten im Sinne von Art. 48 Abs. 1 ASR zur Ergreifung von Gegenmaßnahmen nicht „präjudizieren“.23 So heißt es in Art. 54 ASR: „This Chapter does not prejudice the right of any State entitled under article 48, paragraph 1 to invoke the responsibility of another State, to take lawful measures against that State to ensure cessation of the breach and reparation in the interest of the injured State or of the beneficiaries of the obligation breached.“24

Mit dieser „Sicherungsklausel“ hat sich die ILC folglich weder für noch gegen die Zulässigkeit von „third party countermeasures“ im Interesse der Staatengemeinschaft ausgesprochen, sondern diese so praxisrelevante wie heikle Frage ­bewusst offengelassen.25 Diese „Kompromisslösung“ ist das Ergebnis einer ­kontroversen Debatte, im Zuge derer einerseits vorgetragen wurde, erga omnes-Verpflichtungen dürften nicht zu Verpflichtungen „zweiter Klasse“ herabgewertet werden, und andererseits die Gefahr artikuliert wurde, das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen könne erodieren, wenn einzelne, selbst nicht unmittelbar verletzte Staaten ermächtigt würden, sich zu Wächtern von Staatengemeinschaftsinteressen oder Kollektivinteressen aufzuschwingen und mittels unilateraler Sanktionen auf der Grundlage eigener Einschätzung durchzusetzen, wie dies etwa im Kosovo

 Siehe aus der früheren Literatur Akehurst, 44 BYIL (1970), S. 1 ff.; Charney, 10 MichJIL (1988), S. 57 ff.; Frowein, 248 RdC (1994 IV), S. 345 ff.; Simma, 250 RdC (1994 VI), S. 217 ff. Für die Zulässigkeit von „third-party-countermeasures“ neuerdings Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 198 ff.; ders., 62 ZaöRV (2002), S. 759 (789 f.); ders., FS Simma, S. 390 f. und Paulus, ius cogens, S. 297 (313 f.). 23  Paulus, ius cogens, S. 297 (315 f.). 24  Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UNGA Res. 56/83 v. 28. Januar 2002, Annex, ebenfalls abgedruckt bei Crawford, ILC Commentary, Teil III. Kap. II. Art. 54, S. 302. 25  Siehe dazu etwa Tams, FS Simma, S. 390. Siehe ferner Frowein, „Obligations erga omnes“, in: MPEPIL online (2008), Rn. 13., abrufbar unter: www.mpepil.com.; Paulus, in: Cassese, Realizing Utopia, S. 89 (90 f.). 22

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XV. Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips …

­geschehen sei.26 Letztlich gelangten sowohl Befürworter als auch Gegner von „third party countermeasures“ in Anbetracht der „begrenzten und unterentwickelten“ Staatenpraxis zu der Einschätzung, dass sie höchstens eine „zweifelhafte Grundlage“ im Völkerrecht haben.27 Zugleich wollten einige Staaten jedoch gerade die Frage der Gegenmaßnahmen im Gemeinschaftsinteresse ungern „einfrieren“, zumal sie sich noch immer „im Fluss“ befinde.28 Dagegen gelangt Tams zu der Einschätzung, es lasse sich inzwischen anhand von fünfzehn Fällen zwischen 1970 und 2003 eine gefestigte Staatenpraxis zum Ergreifen von Gegenmaßnahmen unverletzter Drittstaaten nachweisen.29 Sieben dieser Fälle hat die ILC aufgegriffen und führt dennoch in ihrer Begründung zusammenfassend aus, dass die Staatenpraxis zu spärlich und auf zu wenige Staaten begrenzt sei, um eine sichere Grundlage für Gegenmaßnahmen von Drittstaaten zu liefern: „[T]he current state of international law on countermeasures taken in the general or collective interest is uncertain. State practice is sparse and involves a limited number of States. At present there appears to be no clearly recognised entitlement of States referred to in article 48 to take countermeasures in the collective interest. Consequently it is not appropriate to include in the present articles a provision concerning the question whether other States, identified in article 48, are permitted to take countermeasures in order to induce a responsible State to comply with its obligations. Instead Chapter II includes a saving clause which reserves the position and leaves the resolution of the matter to the further development of international law.“30

Im Ergebnis lässt sich somit zumindest aus der vorläufigen Endversion von Art. 54 ASR ohne Weiteres kein Recht einzelner Drittstaaten herleiten, durch die Ergreifung von Gegenmaßnahmen die Verletzungen von Verpflichtungen erga omnes oder erga omnes partes im Interesse der Staatengemeinschaft oder einer Staatengruppe zu sanktionieren.

 Siehe die ausführliche Darstellung der Diskussion innerhalb und außerhalb der ILC bei Crawford, ILC Commentary, Introduction, S. 55 f.: „A matter of particular concern was the relation of article 54 to collective measures taken by or within the framework of international organizations. There was a risk of duplicating Chapter VII of the Charter at the level of the individual action of States or of a small number of States – as exemplified, perhaps, in the Kosovo crisis. (…) and there is a substantial risk of exacerbating disputes if third States are freely allowed to take countermeasures based on their own appreciation of the situation.“ 27  Siehe dazu allgemein und die Diskussion innerhalb der ILC zusammenfassend Crawford, ILC Commentary, Introduction, S. 56: „Moreover, general international law on the subject of collective countermeasures is limited and embryonic (…) Thus, the thrust of governments, both from those generally supportive of and those hostile to countermeasures, was that article 54 (…) had only a doubtful basis in international law and would be destabilizing“; ders., ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 54, Abs. 3–5: „Practice on this subject is limited and rather embryonic“, wo die ILC eine Reihe von Fällen erörtert, in denen die Staaten sich jedoch letztlich meistens nicht auf ein Recht auf unilaterale Gegenmaßnahmen berufen hätten. 28  Vgl. Crawford, ILC Commentary, Introduction, S. 56: „A number of governments were concerned at the possibility of freezing an area of law still very much in the process of development.“ 29  Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 158–192. 30  Vgl. Crawford, ILC Commentary, ILC Commentary, Teil III. Kap. I. Art. 54, Abs. 6. 26

1. Die Rechtsfolgen von erga omnes-Verpflichtungen (Überblick)

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b ) Rezeption der ASR-Kodifikation zu den Rechtsfolgen von erga omnes-Verpflichtungen durch den IGH Seit der Verankerung von erga omnes (partes)-Verpflichtungen in Artikel 48 ASR hat der IGH bisher in drei Fällen die Gelegenheit ergriffen, sich zur Rechtswirkung von Staatengemeinschaftsnormen zu äußern. aa) Israeli Wall Advisory Opinion (2004) Im Dezember 2003 richtete die UN-Generalversammlung während einer Krisensitzung zur Situation in Palästina per Resolution eine Anfrage an den Gerichtshof, seine Auffassung zu der Frage darzulegen, welche völkerrechtlichen Konsequenzen sich aus der von Israel auf palästinensischem Territorium errichteten Mauer ergäben.31 Der Gerichtshof gelangte zu der Einschätzung, die israelische Mauer sei völkerrechtswidrig und Israel daher verpflichtet, den Bau jener Mauer einzustellen und im Hinblick auf die entstandenen Schäden Wiedergutmachung zu leisten. Ferner seien alle anderen (Dritt-)Staaten verpflichtet, diese völkerrechtswidrige Lage nicht anzuerkennen und alle Maßnahmen zu unterlassen, die dazu beitragen könnten, jenen völkerrechtswidrigen Zustand aufrechtzuerhalten.32 Zur Begründung dieser weitreichenden Konsequenzen führte der Gerichtshof in seiner Advisory Opinion aus, die Verpflichtung, das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser zu respektieren, wirke erga omnes und die Verpflichtungen aus den Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht würden erga omnes partes gelten: „The obligations erga omnes violated by Israel are the obligation to respect the right of the Palestinian people to self-determination, and certain of its obligations under international humanitarian law.“33 „Given the character and importance of the rights and obligations involved, the Court is of the view that all States are under an obligation not to recognize the illegal situation resulting from the construction of the wall (…) They are also under an obligation not to render aid or assistance in maintaining the situation created by such construction. It is also for all States, while respecting the United Nations Charter and international law, to see to it that any impediment, resulting from the construction of the wall, to the exercise by the Palestinian people of its right to self-determination is brought to an end. In addition, all the States parties to the Geneva Convention (…) are under an obligation, while respecting the United Nations Charter and international law, to ensure compliance by Israel with international humanitarian law as embodied in that Convention.”34

 UNGA Res. ES 10/14 v. 08. Dezember 2003, abgedruckt in 43 ILM 2004, 223.  IGH, Legal Consequences of the construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion, ICJ Reports 2004, S. 201 f., Z. 163. 33  IGH, Legal Consequences of the construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion, ICJ Reports 2004, S. 199 f., Z. 155. 34  IGH, Legal Consequences of the construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion, ICJ Reports 2004, S. 199 f., Z. 159. 31 32

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XV. Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips …

„Finally, the Court is of the view that the United Nations, and especially the General Assembly and the Security Council, should consider what further action is required to bring to an end the illegal situation resulting from the construction of the wall and the associated regime, taking due account of the present Advisory Opinion.“35

Obgleich die Genfer Konventionen nunmehr wegen universeller Mitgliedschaft36 erga omnes gelten, belegen diese Darlegungen des Gerichtshofes, dass er die Differenzierung der ILC in Artikel 48 ASR zwischen Verpflichtungen erga omnes und erga omnes partes aufgreift, konsequent umsetzt und weiter entwickelt: Während die Verletzungen der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht nur die Vertragsstaaten zu Maßnahmen berechtigen und verpflichten würden, sollen sich die Rechtsfolgen aus den Verletzungen des palästinensischen Selbstbestimmungsrechts nicht bloß auf alle Staaten, sondern darüber hinaus auf die Vereinten Nationen und ihre Organe als Teil der Internationalen Gemeinschaft erstrecken.37 Mit dieser ausdrücklichen Ermächtigung der Vereinten Nationen, eine Verletzung von Staatengemeinschaftsnormen geltend zu machen, hat der IGH womöglich die ILC wiederum inspiriert, in Artikel 52 ihrer im Jahre 2008 angenommenen Draft Articles on Responsibility of International Organizations sowohl allen Einzelstaaten als auch Internationalen Organisationen eine Klagebefugnis einzuräumen, wenn es um die Verantwortlichkeit von Internationalen Organisationen für Verletzungen von Gemeinschaftsnormen geht.38 Besonders interessant am israeli wall-Gutachten des IGH dürfte allerdings der Umstand sein, dass der Gerichtshof die erga omnes-Effekte beider Völkerrechtsverstöße nicht – wie sonst üblich – bloß in die Befugnis aller anderen (­ Vertrags-)Staaten kleidet, diese im Sinne von Artikel 48 ASR einzuklagen, sondern vielmehr sogar als positive Verpflichtung eines jeden Mitglieds der Internationalen Gemeinschaft bzw. eines jeden Vertragsstaates formuliert, als „Drittstaat“ Gegenmaßnahmen im Sinne von Artikel 54 ASR zu ergreifen.39 Insgesamt hat der Gerichtshof somit in seinem israeli wall-Gutachten nicht nur das in Artikel 48 ASR niedergelegte erga omnes-Konzept unterstützt, sondern die Reaktion einzelner Staaten auf Verletzungen von Gemeinschaftsnormen mit countermeasures, deren Rechtmäßigkeit die ILC noch in ihrer „Sicherungsklausel“ Artikel 54 ASR bewusst offen gelassen hatte, für rechtmäßig und – mehr noch – für geboten erachtet.  IGH, Legal Consequences of the construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion, ICJ Reports 2004, S. 199 f., Z. 160. 36  Inzwischen wurden alle vier „Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht“ von 194 Staaten, das heißt von allen Staaten ratifiziert und gelten daher universell, siehe dazu Gasser, Humanitäres Völkerrecht, S. 52. 37  Ähnlich Crawford, FS Simma, S. 224 (233). 38  So formuliert die ILC in Artikel 52 ihrer im Jahre 2008 verabschiedeten Draft Articles on Responsibility of International Organizations: „(…) if the obligation breached is owed to the international community as a whole and safeguarding the interest of the international community underlying the obligation breached is included among the functions of the international organization invoking responsibility.“ Vgl. ILC, Responsibility of International Organizations, Report of the Drafting Committee adopted on its Sixtieth session, A/CN.4/L.725, 3–4. 39  Siehe dazu außerdem Crawford, FS Simma, S. 224 (233 f.). 35

1. Die Rechtsfolgen von erga omnes-Verpflichtungen (Überblick)

573

bb) Congo v. Uganda (2005) Zum zweiten Mal seit Verankerung der erga omnes-Verpflichtungen in Artikel 48 ASR tauchte die Frage nach der Staatenverantwortlichkeit für die Verletzung von Gemeinschaftsnormen im Fall Congo v. Uganda auf.40 Uganda hatte in einer Widerklage gegen die Demokratische Republik Kongo vorgetragen, kongolesische Soldaten hätten im Anschluss an kriegerische Auseinandersetzungen auf kongolesischem Territorium die Menschenrechte ugandischer Staatsangehöriger verletzt.41 Nachdem sich die Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen nicht mit letzter Sicherheit aufklären ließ, verwarf der IGH die Klage Ugandas in seinem Urteil als unzulässig.42 In seinem progressiven Sondervotum wich Richter Simma allerdings von dieser mehrheitlichen Einschätzung des Gerichtshofs ab, indem er ausführte, das Gericht hätte dennoch die Widerklage Ugandas zulassen sollen, ganz gleich, ob die misshandelten Personen ugandischer Staatsangehörigkeit seien oder nicht.43 Besonders interessant an Simma’s Sondervotum ist der Umstand, dass er sich zur Begründung auf den erga omnes-Charakter des einschlägigen humanitären Völkerrechts sowie der verletzten Menschenrechte stützte und dabei ausdrücklich auf Artikel 48 ASR Bezug nahm.44 Zwar habe sich Uganda zur Begründung seiner Klagebefugnis nicht auf die Verletzung von Gemeinschaftsnormen berufen, doch gebe es im konkreten Fall – sinngemäß – keine Lücken im Völkerrecht, infolge derer die verletzten Personen schutzlos seien.45 Wörtlich lesen sich die entscheidenden Passagen wie folgt: „in situations like the one before us no gaps exist in international law that would deprive the affected persons of any legal protection“.46 „(…) regardless whether the maltreated individuals were Ugandans or not, Uganda had the right – indeed a duty – to raise the violations of international humanitarian law committed against the private persons at the airport. The implementation of a State party’s international legal duty to ensure respect by another State party for the obligations arising under humanitarian treaties by way of raising it before the International Court of Justice is certainly one of the most constructive avenues in this regard.“ „As to the question of standing of a claimant State for violations of human rights committed against persons who might or might not possess the nationality of that State, the  IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic Uganda), ICJ Reports 2005, S. 168 ff. 41  IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic Uganda), Judgment, ICJ Reports 2005, S. 280, Z. 345. 42  IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic Uganda), Judgment, ICJ Reports 2005, S. 280, Z. 345. 43  IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic Uganda), Separate Opinion Simma, ICJ Reports 2005, S. 346 f., Z. 32 und 34. 44  IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic Uganda), Separate Opinion Simma, ICJ Reports 2005, S. 347, Z. 35. 45  IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic Uganda), Separate Opinion Simma, ICJ Reports 2005, S. 340, Z. 19. 46  IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic Uganda), Separate Opinion Simma, ICJ Reports 2005, S. 340, Z. 19. 40

of the Congo v. of the Congo v. of the Congo v. of the Congo v. of the Congo v. of the Congo v. of the Congo v.

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XV. Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips …

j­urisdiction of the Court not being at issue, the contemporary law of State responsibility provides a positive answer as well. The International Law Commission’s 2001 draft on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts provides not only for the invocation of responsibility by an injured State (which quality Uganda would possess if it had been able to establish the Ugandan nationality of the individuals at the airport) but also for the possibility that such responsibility can be invoked by a State other than the injured State (…) The obligations deriving from the human rights cited above and breached by the DRC [Democratic Republic of Congo] are instances par excellence of obligations that are owed to a group of States including Uganda and are established for the protection of a collective interest of the States parties to the Covenant.“47

Aus diesen Erwägungen zieht Simma folgende Schlussfolgerung: „If the international community allowed such interest to erode in the face not only of violations of obligations erga omnes but of outright attempts to do away with these fundamental duties, and in their place open black holes in the law in which human beings may be ‚disappeared‘ and deprived of any legal protection whatsoever for infinite periods of time, then international law, for me, would become much less worthwhile“.48

Das Sondervotum von Simma ist nach dem israeli wall-Gutachten des IGH ein weiterer Hinweis darauf, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Rechtsfolgen, die aus Verletzungen von erga omnes-Pflichten resultieren, spätestens seit seinem Barcelona Traction-Diktum für bare Münze genommen werden kann: Verletzt ein Staat eine erga omnes-Verpflichtung, so können alle anderen Staaten diese vor dem IGH gerichtlich geltend machen.49 Obgleich Uganda sich selbst nicht auf eine Klagebefugnis zur Geltendmachung von gemeinschaftlichen Werten berief, hätte der IGH diese nach Simma „aus eigenem Beweggrund“ heraus prüfen und bejahen müssen.50 Mit seinem Sondervotum hat Simma das Konzept der erga omnes-­ Verpflichtungen in der Form, in welcher sie in Artikel 48 ASR gegossen wurde, untermauert und fortgeschrieben: In Übereinstimmung mit und unter Berufung auf das israeli wall-Gutachten des IGH folgt für Simma aus der Verletzung von Gemeinschaftsnormen nicht nur das Recht, sondern außerdem die korrespondierende Verpflichtung aller (Vertrags-) Staaten und der Internationalen Gemeinschaft als Ganzer, den jeweiligen „Verletzerstaat“ völkerrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. cc) Belgien v. Senegal (2012) Zuletzt im Jahr 2012 hat der Gerichtshof in seinem Belgien v. Senegal-Urteil – das sich ansonsten primär mit den Voraussetzungen von erga omnes (partes)-Normen befasst51 – nochmals bestätigt, dass alle Vertragsstaaten einer Konvention – auf der  IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), Separate Opinion Simma, ICJ Reports 2005, S. 346 f., Z. 34 und 35. 48  IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), Separate Opinion Simma, ICJ Reports 2005, S. 350, Z. 41. 49  So Tams, FS Simma, S. 379 (386) und ders., Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 158–197. 50  Siehe Crawford, FS Simma, S. 225 (235). 51  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) cc). 47

1. Die Rechtsfolgen von erga omnes-Verpflichtungen (Überblick)

575

Sekundärebene - die Erfüllung der sich aus der Konvention ergebenden erga omnes (partes)-Verpflichtungen notfalls vor dem IGH einklagen können.52 dd) Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan) (2014) Schließlich hat der Gerichtshof nur kurze Zeit später nochmals die Herleitung von erga omnes partes-Verpflichtungen aus Staatengemeinschaftsinteressen  – freilich ohne nähere Begründung – untermauert, indem er im Whaling in the Antarctic-Fall53 eine Befugnis Australiens bejahte, die Erfüllung umweltschutzbezogener erga omnes partes-Verpflichtungen vor dem Gerichtshof einzuklagen und damit indirekt die erga omnes partes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips bestätigte. Mit Australien hat erstmals ein Staat unmittelbar die in dieser Arbeit dargelegte erga omnes partes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips geltend gemacht und einen anderen Staat (Japan) wegen exzessiven Walfangs in der Antarktis vor dem Internationalen Gerichtshof auf Unterlassung verklagt.54 Damit demonstriert der Whaling in the Antarctic-Fall,55 dass Staaten durchaus die Erfüllung umweltschutzbezogener erga omnes (partes)-Verpflichtungen vor dem Gerichtshof einklagen und die vertragsinterne Ausstrahlungswirkung oder die Eigenschaft des common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm zur Begründung einer erga omnes (partes)-Wirkung von Verpflichtungen aus Klimarahmen-, Biodiversitätskonvention oder Pariser Abkommen in solchen Fällen entscheidungserheblich sein kann.56 Der zugrunde liegende Fall drehte sich um die Frage, ob Japan gegen die Regelungen der Walfangkonvention verstieß, indem es eigenen Staatsangehörigen eine Ausnahmegenehmigung zum Fangen und Erlegen von Walen in der Antarktis erteilte. Zum einen machte Australien in seiner Klageschrift als „unverletzter“ Staat einen Verstoß Japans gegen seine erga omnes partes-Verpflichtungen aus der Walfangkonvention geltend. Hierbei verlangte Australien keine Entschädigung im eigenen rein nationalen Interesse, sondern verklagte Japan schlicht auf Unterlassung und machte damit einen Rechtsbehelf geltend, der von Art. 48 Abs. 2 ASR gedeckt ist,57 wenngleich das Gericht nicht die Erwartungen einiger Literaturstimmen er-

 IGH, Questions Relating to the Obligation to Prosecute or Extradite (Belgium v. Senegal), ICJ Reports 2012, S. 422, Z. 69. 53  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 55–58. Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 5. a). 54  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Application Instituting Proceedings of 31 May 2010, abrufbar unter https://www.icj-cij.org/en/case/148/institution-proceedings (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2019). 55  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 55–58. Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 5. a). 56  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 5. a). 57  Siehe dazu Crawford, FS Simma, S. 235 f. 52

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XV. Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips …

füllte und dem Beispiel des Internationalen Seegerichtshofs aus dem Jahr 201158 folgte und Artikel 48 ASR ausdrücklich als Rechtsgrundlage anerkannte.59 Anders als Portugal im East Timor-Fall oder Belgien im Obligation to Extradite-­ Fall führte Australien hierbei nicht zusätzlich eine Verletzung von eigenen subjektiven Rechten an, sondern machte geltend, ausschließlich zur Verteidigung eines „Kollektivinteresses aller Vertragsstaaten“ der Walfangkonvention zu klagen: „Australia does not claim to be an injured State because of the fact that some of the JARPA II take is from waters over which Australia claims sovereign rights and jurisdiction. (…) Every party has the same interest in ensuring compliance by every other party with its obligations under the 1946 Convention. Australia is seeking to uphold ist collective interest, an interest it shares with all other parties.“60

Zum anderen führte Australien zur Begründung aus, Japan habe mit seinem exzessiven Walfang seine erga omnes-Verpflichtungen aus der Biodiversitätskonvention verletzt.61 Zwar ging der Gerichtshof in seinem jüngsten Urteil vom 31. März 2014 auf die geltend gemachten Verletzungen der Biodiversitätskonvention – ohne weitere Begründung – nicht näher ein. Allerdings gelangte der IGH – nach ausführlicher Begründung unter Heranziehung der Ausstrahlungswirkung des „common interest“ aller Vertragsstaaten62 – zu dem Ergebnis, Japan habe seine Pflichten aus der Walfangkonvention verletzt und gab der Klage Australiens statt.63 Damit bejahte der IGH implizit, dass die Pflichten aus der Walfangkonvention mit der Erklärung des Schutzes der Walfischbestände zum „common interest“ – ein frühes Vorbild des common concern64 – zu erga omnes (partes) Pflichten transformiert sind.

2. Die erga omnes-Wirkung des CCM (Sekundärebene) Das vorangegangene Kapitel hat unter Heranziehung des erga omnes-Konzepts, wie es sich im Recht der Staatenverantwortlichkeit herausgebildet hat,65 den Nachweis erbracht, dass das common concern of humankind-Prinzip inhaltlich die Vorausset ITLOS, Deep Seabed Chamber, Advisory Opinion on Responsibility and Liability for International Seabed Mining (ITLOS Case No. 17), Abs. 180. 59  Siehe hierzu Tams, Whaling Judgment, S. 193 (204). 60  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan: New Zealand intervening), Application Instituting Proceedings (2010), Z. 38 f., abrufbar unter https://www.icj-cij.org/en/case/148/institution-proceedings (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2019). 61  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan: New Zealand intervening), Application Instituting Proceedings (2010), Z. 38 f., abrufbar unter https://www.icj-cij.org/en/case/148/institution-proceedings (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2019). 62  Zur Ausstrahlungswirkung des common concern of humankind-Prinzips, dargestellt anhand des Whaling in the Antarctic-Urteils siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 5. a). 63  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan: New Zealand intervening), Judgment 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 247. 64  Siehe Dritter Teil, Kap. VII. 3. 65  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 1. 58

2. Die erga omnes-Wirkung des CCM (Sekundärebene)

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zungen einer „Staatengemeinschaftsnorm“ erfüllt und infolgedessen Verpflichtungen erga omnes (partes) erzeugt.66 Welche weiteren Rechtsfolgen sich ergeben können, wenn Verpflichtungen zum Schutz von bestimmten globalen Umweltgütern infolge ihrer Erklärung zur „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ eine Wirkung erga omnes (partes) entfalten, hängt weit überwiegend vom „Rechtsfolgenregime“ des erga omnes-Konzepts selbst ab. Angesichts des thematischen Schwerpunkts der vorliegenden Arbeit und der nahezu uferlosen Literatur zu den Rechtsfolgen des erga omnes-Konzepts wird an dieser Stelle nur skizzenhaft resümiert, welche konkreten Rechtsfolgen sich möglicherweise aus dem erga omnes-Effekt des common concern of humankind-Prinzips ergeben können, um sein Potenzial als Schlüsselprinzip des Umweltvölkerrechts insgesamt bewerten zu können. Erfüllt ein Staat seine völkervertragsrechtlichen bzw. gewohnheitsrechtlichen erga omnes-Pflichten aus der Klimarahmen-, der Biodiversitätskonvention oder aus dem Kyoto-Protokoll oder dem Pariser Abkommen nicht, so sind – auf der „Sekundärebene“ – alle (Vertrags-)Staaten berechtigt, diese Verletzung geltend zu machen. Und zwar unabhängig davon, ob sie jeweils nachweisen können, dass die Verletzung der betreffenden Umweltschutzpflicht einen greifbaren und messbaren Schaden auf ihrem Territorium verursacht hat.67 Indem das CCM-Prinzip ein Interesse am Schutz des Klimas und der Biodiversität artikuliert, verleiht es allen (Vertrags-) Staaten die Befugnis, auch ohne unmittelbare Betroffenheit in eigenen subjektiven Rechten die Einhaltung des Klima- und Artenschutzrechts nicht nur einzufordern, sondern auch durchzusetzen.68 Die erga omnes-Wirkung des CCM-Prinzips bietet somit allen (Vertrags-)Staaten ein Rechtsinstrument gegen die für globale Umweltprobleme charakteristischen „Summationsschäden“, die nicht durch einzelne (Vertrags-)Staaten separat verursacht werden, sondern nur durch Akkumulation der Schadensbeiträge aller Staaten entstehen und sich daher nicht einzelnen „Verletzerstaaten“ zurechnen lassen.69 Gelangt man mit der vorliegenden Arbeit in der Tat zu dem Ergebnis, dass alle Staaten berechtigt sind, die Verletzung jener infolge des common concern-Prinzips „gegenüber allen (Vertrags-)Staaten“ (erga omnes (partes)) zu erfüllenden Verpflichtungen geltend zu machen, so hängt die Zulässigkeit etwaiger Durchsetzungsrechte, insbesondere einer Klage vor dem Internationalen Gerichtshof oder unilateraler (außergerichtlicher) Gegenmaßnahmen wiederum davon ab, ob deren allgemeine Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind. Wie bereits gesagt wurde, liegt der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit darauf, die erga omnes (partes)-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips zu begründen, und nicht so sehr  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 2.  Zu dieser wichtigen Funktion des common concern of humankind-Prinzips bei seiner räumlich-funktionalen Einordnung in den Ordnungsrahmen der bislang anerkannten Umweltschutzprinzipien, siehe Vierter Teil, Kap. XI. 68  Ähnlich Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 230 ff. 69  Siehe Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 52. Siehe außerdem erneut zu dieser Rolle des CCM-Prinzips im Hinblick auf „globale Umweltbelastungen“ die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 3. 66 67

578

XV. Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips …

darauf, die weiteren Rechtsfolgen darzulegen, die sich aus dem erga omnes-­ Konzepts als solchem ergeben und ihrerseits wiederum sehr umstritten sind.70 Daher verzichtet der nachfolgende Kurzüberblick auf eine vertiefte Erörterung der weiteren Voraussetzungen für die Durchsetzung von erga omnes-Pflichten und setzt sie als gegeben voraus. Stattdessen konzentriert er sich darauf, die denkbaren Reaktionsmöglichkeiten der Staaten auf eine Verletzung von erga omnes-Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem common concern-Prinzip  – ohne Anspruch auf Vollständigkeit  – unter Berücksichtigung etwaiger Besonderheiten ­zusammenfassend zu skizzieren. Zurückgegriffen wird hierbei im Wesentlichen auf die weiter oben dargestellte jüngere Rechtsprechung des IGH zu den erga omnes-Verpflichtungen,71 ihre Ausformung durch die Articles on State Responsibility72 sowie deren Bestätigung durch die jüngere IGH-Rechtsprechung der letzten Jahre.73 Sofern die Anwendbarkeit des allgemeinen erga omnes-Konzepts nicht durch spezielle völkervertragliche Klauseln der Klimarahmenkonvention bzw. der Biodiversitätskonvention ausdrücklich ausgeschlossen ist (a), können einzelne Staaten zur Durchsetzung der jeweiligen erga omnes-Verpflichtung von ihrer Klagebefugnis Gebrauch machen (b) oder womöglich gar im zulässigen Umfang zu Gegenmaßnahmen greifen (c).

a) Anwendbarkeit des erga omnes-Konzepts im Einzelfall Zunächst einmal kann im Einzelfall fraglich sein, ob und inwieweit das erga omnes-­ Konzept überhaupt Anwendung findet, wenn Vertragsparteien der Klimarahmender Biodiversitätskonvention oder des Pariser Abkommens die Verletzung einer erga omnes (partes)-Pflicht geltend machen. Für den Fall, dass das common concern of humankind-Prinzip außer seiner völkervertraglichen Verankerung auch gewohnheitsrechtlich anerkannt werden sollte, ist auf folgendes kurz einzugehen: Während Nicht-Vertragsparteien sich lediglich auf Durchsetzungsrechte aus dem erga omnes-Konzept zu stützen vermögen, können Vertragsstaaten der Klimarahmen- oder Biodiversitätskonvention sowie des Pariser Abkommens sich womöglich auf Durchsetzungsrechte aus zwei Rechtsquellen berufen: Als Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft können sie auf Durchsetzungsrechte aus dem erga omnes-Konzept zurückgreifen und als Vertragsparteien womöglich auf Durchsetzungsrechte aus dem jeweiligen völkerrechtlichen Übereinkommen.74 In derartigen Konstellationen stellt sich allerdings die Frage, ob die spezielleren vertraglichen Durchsetzungsrechte die allgemeinen Durchset Siehe statt Vieler nur Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 363 ff.; Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes. 71  Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) aa). 72  Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) bb). 73  Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a) cc). 74  So allgemein für erga omnes-Verpflichtungen Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 254. 70

2. Die erga omnes-Wirkung des CCM (Sekundärebene)

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zungsrechte aus dem erga omnes-Konzept ergänzen oder ihre Anwendbarkeit gar ausschließen. Diese Frage wird bis heute insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis zwischen vertraglichen Repressalien bzw. Gegenmaßnahmen und solchen aus dem allgemeinen erga omnes-Konzept diskutiert und oftmals unter Rückgriff auf Konzepte wie lex specialis oder „geschlossene Verträge mit autonomen Durchsetzungsmechanismen“ (self-contained regimes) beantwortet.75 Angesichts des Umstandes, dass sowohl die Klimarahmenkonvention als auch die Biodiversitätskonvention von nahezu allen Staaten und auch die sie jeweils konkretisierenden Protokolle (Kyoto-Protokoll einerseits, Cartagena-Protokoll andererseits) von den meisten Staaten ratifiziert worden sind, stellt sich die durchaus praxisrelevante Frage, ob und inwieweit es eines Rückgriffs auf das allgemeinen erga omnes-­ Rechtsfolgenregime überhaupt bedarf, wenn und soweit ausdrückliche Klauseln in den genannten Verträgen eingreifen, die (womöglich abschließend) stipulieren, welche Reaktionen auf Verstöße gegen die erga omnes-Verpflichtungen zulässig sind. Wie Tams zutreffend bemerkt hat, ließe sich sowohl eine ergänzende als auch eine exklusive Anwendung vertraglicher Durchsetzungsrechte durchaus plausibel begründen: Einerseits lässt sich fragen, weshalb Staaten vertraglich spezielle Durchsetzungsklauseln vereinbaren sollten, wenn diese jederzeit durch einen Rückgriff auf außervertragliche Durchsetzungsmechanismen unterlaufen werden können. Geht man andererseits davon aus, dass völkerrechtliche Verträge das bereits vorhandene Völkerrecht stärken sollen, vermag es schwerlich einzuleuchten, weshalb sie dessen Durchsetzungsinstrumente durch vertragliche Erfüllungsmechanismen ersetzen sollten, zumal diese oftmals nur recht schwach ausgeprägt sind.76 Ob und inwieweit Staaten durch vertragliche Vereinbarung spezieller Sanktionsmechanismen einen Rückgriff auf die allgemeinen Durchsetzungsrechte aus dem erga omnes-­ Konzept – Klagebefugnis vor dem Internationalen Gerichtshof und unilaterale Gegenmaßnahmen  – ausschließen wollten, dürfte jeweils eine Frage des Einzelfalls sein, die sich erst nach einer sorgfältigen Auslegung der betreffenden Vertragsklausel und des Gesamtvertrags beantworten lässt.77 Was die Biodiversitätskonvention betrifft, so dürfte eine Qualifikation als self-contained régime recht eindeutig zu verneinen sein. Zwar sieht Artikel 27 der Biodiversitätskonvention ein Streitbeilegungsverfahren vor, doch ist dieses bloß rudimentär ausgestaltet. Insbesondere belässt diese Vorschrift den Vertragsstaaten ausdrücklich die Möglichkeit, im Falle einer gescheiterten außergerichtlichen Streitbeilegung ihren Konflikt über die Einhaltung ihrer wechselseitigen Pflichten zum Schutz der Biodiversität „klassisch“ vor dem Internationalen Gerichtshof  Siehe dazu Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 253 ff.  Siehe hierzu und zum Ganzen Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 252 f. 77  So auch Yoshida, Régime for the Protection of the Stratospheric Ozone Layer, S. 35: „There is no categorical answer to such a debatable question whether the international ozone régime is ‚self-contained‘ or not. Rather, this should be decided on a case-by-case basis, depending on a specific situation“. Ähnlich Tams, Enforcing Obligations Erga Omnes, S. 253: „Whether States, by agreeing on special (later) rules, intend to derogate from general (earlier) rules, needs to be assessed on a case-by-case basis, having regard to the two conflicting enforcement systems.“ Siehe außerdem Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 221 und 291. 75 76

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XV. Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips …

­auszutragen.78 Ähnliches gilt für das aufgrund der Biodiversitätskonvention verabschiedete Cartagena-Protokoll.79 Zwar wurde im Jahre 2004 zur Förderung seiner Durchsetzung ein Nichteinhaltungsverfahren angenommen.80 Es sieht allerdings keine vertraglichen Durchsetzungsmechanismen vor und ist bislang kein einziges Mal in der Praxis angewandt worden.81 Gegen eine Qualifizierung der Klimarahmenkonvention als self contained régime spricht bereits, dass sie den Vertragsstaaten in Artikel 14 – neben einer außergerichtlichen Streitbeilegung – ebenfalls die Möglichkeit einräumt, die Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen.82 Aus dem gleichen Grund ist auch das Pariser Abkommen kein self contained régime, da nach Artikel 24 des Abkommens der soeben genannte Artikel 14 der Klimarahmenkonvention sinngemäß Anwendung auf die Streitbeilegung unter dem Pariser Abkommen findet, sodass auch dessen Parteien die Option offen steht, die Erfüllung von umweltschutzbezogenen Vertragspflichten vor dem IGH einzuklagen. Was das Kyoto-­Protokoll anbelangt, dürfte die Frage nicht so leicht zu beantworten sein, da es seit der Vertragsstaatenkonferenz im Jahre 2001  in Marrakesch grundsätzlich über eigene Regelungen zur Erfüllungskontrolle verfügt.83 Ob diese Sanktionsmechanismen allerdings hinreichend effektiv und institutionalisiert sind, um den Rückgriff auf die allgemeinen Mittel zur Durchsetzung der erga omnes zu erfüllenden CO2-Reduktionspflichten nach dem Kyoto-Protokoll zu versperren, wird wegen des engeren Sachzusammenhangs mit den allgemeinen Gegenmaßnahmen weiter unten diskutiert.84 Für die vertraglichen Durchsetzungsrechte und Sanktionsmechanismen der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention sowie des Cartagena-Protokolls lässt sich jedenfalls festhalten, dass sie den Rückgriff auf die allgemeinen Durchsetzungsrechte aus dem erga omnes-Konzept (Klagebefugnis und unilaterale Gegenmaßnahmen) nicht ausschließen, sondern vielmehr ergänzen und verstärken. Sofern in Zukunft weitere globale Umweltprobleme in entsprechenden Übereinkommen zum common concern of humankind erklärt werden, ist die Frage nach einer Anwendbarkeit des erga omnes-Konzepts jeweils neu zu stellen und zu beantworten.

78  In Art. 27 Abs. 3 der Biodiversitätskonvention heißt es: „(…) for a dispute not resolved in accordance with paragraph 1 or paragraph 2 above, it accepts (…) (b) Submission of the dispute to the International Court of Justice“. 79  Cartagena Protocol, abgedruckt in: ILM 2000, 1027. Siehe Dritter Teil, Kap. IX. 2. b). 80  UNEP/CBD/BS/COP-MOP/1/15, S. 65 ff. („Procedures and Mechanisms on Compliance under the Cartagena Protocol on Biosafety“). 81  Siehe dazu Holtwisch, Nichteinhaltungsverfahren, S. 84. 82  In Art. 14 Abs. 2 der Klimarahmenkonvention heißt es: „(…) in respect of any dispute concerning the interpretation or application of the Convention, it recognizes (…) a) Submission of the dispute to the International Court of Justice“. 83  Siehe dazu Holtwisch, Nichteinhaltungsverfahren, S. 262 ff. 84  Siehe Vierter Teil, Kap. XV. 2. c).

2. Die erga omnes-Wirkung des CCM (Sekundärebene)

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b) Klagebefugnis aller (Vertrags-)Staaten Verletzt ein Staat seine erga omnes (partes)-Verpflichtungen zum Schutz des Klimas oder der Biodiversität, so sind alle (Vertrags-)Staaten als „Wächter“ des Staatengemeinschaftsinteresses an der Bekämpfung beider globaler Umweltprobleme befugt, diese Pflichtverletzungen vor dem Internationalen Gerichtshof geltend zu machen.85 Erst in jünerer Zeit ist diese konkrete Rechtsfolge des common concern of humankind-Prinzips von der völkerrechtlichen Staatenpraxis bestätigt worden: Im Jahre 2010 hat mit Australien erstmals ein Staat unmittelbar von der in die­ ser Arbeit dargelegten erga omnes (partes)-Wirkung des common concern of humankind-­Prinzips Gebrauch gemacht und Japan wegen exzessiven Walfangs in der Antarktis vor dem Internationalen Gerichtshof auf Unterlassung verklagt.86 In seiner Klageschrift macht Australien nicht bloß einen Verstoß Japans gegen seine erga omnes partes-Verpflichtungen aus der Walfangkonvention geltend, sondern führt zur Begründung außerdem aus, Japan habe mit seinem exzessiven Walfang seine erga omnes-Verpflichtungen aus der Biodiversitätskonvention verletzt.87 Obwohl Australien durch den kontinuierlichen Verstoß Japans gegen dessen ­ ­Artenschutzverpflichtungen aus der Biodiversitätskonvention nicht in seinen eigenen subjektiven Rechten verletzt wurde, hat Australien diese vor dem Gerichtshof geltend gemacht. Hierbei hat Australien keine Entschädigung im eigenen rein nationalen Interesse verlangt, sondern Japan schlicht auf Unterlassung verklagt und damit einen Rechtsbehelf geltend gemacht, der von Art. 48 Abs. 2 ASR gedeckt ist.88 Der Gerichtshof gab der Klage Australiens statt89 und bejahte damit implizit, dass die Pflichten aus der Walfangkonvention mit der Erklärung des Schutzes der Walfischbestände zum „common interest“ – ein frühes Vorbild des common concern90 – zu erga omnes (partes) Pflichten transformiert sind, sodass alle (Vertrags-) Staaten auch als „unverletzte Staaten“ klagebefugt sind.

85  Eine gerichtliche Geltendmachung der erga omnes-Verpflichtung setzt selbstredend voraus, dass die allgemeinen Voraussetzungen für eine Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs nach den Artikeln 34 ff. IGH-Statut vorliegen. 86  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Application Instituting Proceedings of 31 May 2010, abrufbar unter https://www.icj-cij.org/en/case/148/institution-proceedings (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2019). 87  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Application Instituting Proceedings (2010), Z. 38 f., abrufbar unter https://www.icj-cij.org/en/case/148/institution-proceedings (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2019). 88  Siehe dazu Crawford, FS Simma, S. 235 f. 89  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan: New Zealand intervening), Judgment 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 247. 90  Siehe Dritter Teil, Kap. VII. 3.

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XV. Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips …

c) Gegenmaßnahmen Während die ILC in ihrer „Sicherungsklausel“ (Art. 54 ASR) noch bewusst offengelassen hatte, ob „unverletzte“ Drittstaaten im Sinne von Art. 48 ASR berechtigt sind, auf Verstöße gegen erga omnes-Pflichten mit unilateralen Gegenmaßnahmen zu reagieren,91 hat der IGH dies in seinem israeli wall-Gutachten nicht nur ausdrücklich anerkannt, sondern sogar als positive Verpflichtung eines jeden Mitglieds der internationalen Gemeinschaft bzw. eines jeden Vertragsstaates formuliert.92 In der Praxis dürfte sich für die weiteren Rechtsfolgen des common concern of humankind-Prinzips insbesondere mit Blick auf die Klimarahmenkonvention und das Kyoto-Protokoll die weiter oben bereits angerissene Frage stellen, ob die zur Ausführung des Kyoto-Protokolls mittlerweile vorgesehenen Sanktions- und Erfüllungsmechanismen einen Rückgriff auf die allgemeinen Durchsetzungsrechte im Sinne der IGH-Rechtsprechung und der Artt.  49  ff. ASR versperren. Nach der Rechtsprechung des IGH im Teheraner Geisel-Fall93 soll ein self contained régime vorliegen, wenn ein völkerrechtlicher Vertrag für einen bestimmten Regelungsbereich ein Reaktionsmuster auf Völkerrechtsverstöße abschließend festlegt und dadurch den Rückgriff auf das allgemeine Repressalienrecht ausschließt.94 Übertragen auf das Kyoto-Protokoll würde dies bedeuten, dass alle Vertragsstaaten, die Verstöße anderer Vertragspartner gegen deren vertraglich fixierte Emissionsreduzierungspflichten geltend machen wollen, auf die vertraglich vorgesehenen Durchsetzungsmechanismen beschränkt und darüber hinaus gehende allgemeine Repressalien unzulässig wären.95 Zwar verfügt das Kyoto-Protokoll seit dem Jahre 2001 über eine vertragsinterne Erfüllungskontrolle durch einen „Erfüllungsausschuss“ (Compliance Committee) mit einer „Durchsetzungsabteilung“ (Enforcement Branch), die befugt sein soll, im Falle der Nichterfüllung der quantifizierbaren Reduktionsverpflichtungen durch die Annex-I-Länder Sanktionen wie etwa den Ausschluss der betreffenden Länder von den Kyoto-Mechanismen zu erlassen.96 Auch ist der sogenannte „Wiedergutmachungsfaktor“ in seiner potenziellen Disziplinierungswirkung nicht zu unterschät-

 Siehe Vierter Teil, Kap. XV. 1. a) bb) (2).  IGH, Legal Consequences of the construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion, ICJ Reports 2004, S. 199 f., Z. 159. Siehe dazu außerdem die Anmerkungen von Crawford, FS Simma, S. 224 (233 f.) sowie die Analyse des israeli wall-Gutachtens weiter oben, Vierter Teil, Kap. XV. 1. b) aa). 93  United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, Judgment, ICJ Reports 1980, Z. 86. 94  Diese Definition stammt von Fischer, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl., § 59 Rn. 47. Ähnlich Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 221. 95  Zu diesem Ergebnis gelangt etwa Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S.  221. Nach Holtwisch, Nichteinhaltungsverfahren, S. 318 führt „das Nichteinhaltungsverfahren des KP [Kyoto-Protokolls] zu einem self-contained régime, das die Reaktionen auf Rechtsverstöße intern festlegt und so externe Sanktionen ausschließt“. 96  Siehe hierzu und zum Ganzen Holtwisch, Nichteinhaltungsverfahren, S. 262 ff. und Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 290 f. 91 92

2. Die erga omnes-Wirkung des CCM (Sekundärebene)

583

zen: Erfüllt ein Staat seine individuelle Reduktionsquote nicht, so wird die CO2-Emissionsmenge, um die er seine Quote verfehlt hat, mit dem Faktor 1,3 multipliziert und auf die künftige Reduktionsverpflichtung der folgenden Verpflichtungsperiode addiert.97 Ob es sich hierbei um ein hinreichend effektives Kontrollsystem handelt, um das Kyoto-Protokoll insgesamt als self-contained régime zu qualifizieren, wird sich allerdings noch in der Praxis zeigen müssen. Berücksichtigt man außerdem, dass etwaige Kriterien für die Identifizierung von „geschlossenen Durchsetzungsregimen“ noch höchst unklar sind, dürfte ein derartiger Ausschluss des gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechts unilateraler Gegenmaßnahmen nur mit größter Zurückhaltung zu bejahen sein. „Nur wenn sich aus dem vertraglichen Gesamtzusammenhang eindeutig ergibt, dass das Vertragssystem den Rekurs auf das archaische Mittel der Selbstdurchsetzung versperren will, bestehen Gründe zur Annahme, dass die Mitgliedstaaten auf das nach allgemeinem Völkerrecht bestehende Recht der Repressalienfreiheit endgültig verzichtet haben.“98 Angesichts der Tatsache, dass sich das erga omnes-Konzept sowohl in der Rechtsprechung des IGH als auch durch seine Kodifikation in Art. 48 ASR zunehmend verfestigt hat, dürfte ein derartiges „contracting out“ der allgemeinen Durchsetzungsrechte, wenn überhaupt, nur in Betracht kommen, sofern die Vertragsstaaten sich im betreffenden völkerrechtliche Vertrag ausdrücklich darauf einigen und an seiner Stelle ein umfassendes Durchsetzungsregime statuieren. Weder für die Klimarahmenkonvention noch für das Kyoto-Protokoll lässt sich dies gegenwärtig bejahen. Aus alledem folgt zunächst einmal, dass alle im Sinne von Artikel 42 ASR „verletzte“ Unterzeichnerstaaten der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention sowie des Kyoto-Protokolls und des Pariser Abkommens – zumindest im Grundsatz – nach Artikel 49 ASR berechtigt sind, zur Durchsetzung der wechselseitigen erga omnes (partes)-Verpflichtungen Gegenmaßnahmen zu ergreifen, die in anderen Fällen rechtswidrig wären und die Erfüllung ihrer gegenüber dem „Verletzerstaat“ bestehenden Verpflichtungen auszusetzen. Im Falle einer künftigen gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des common concern of humankind sind alle anderen Nicht-­ Vertrags-­Staaten lediglich nach Art. 54 ASR berechtigt, „rechtmäßige Maßnahmen“ gegen den Verletzerstaat zu ergreifen, wobei der genaue Umfang der erlaubten Reaktionen nach wie vor sehr umstritten ist. Aus der vorläufigen Endversion von Art. 54 ASR lässt sich jedenfalls ohne Weiteres kein Recht einzelner Drittstaaten herleiten, durch die Ergreifung von Gegenmaßnahmen die Verletzungen von Verpflichtungen erga omnes oder erga omnes partes im Interesse der Staatengemeinschaft oder einer Staatengruppe zu sanktionieren. Insbesondere im Klimaschutzkontext ist es allerdings schwer vorstellbar, dass unilaterale Gegenmaßnahmen generell als Instrument zur Durchsetzung von erga omnes-Verpflichtungen aus der Klimarahmenkonvention und dem Kyoto-Protokoll sowie aus dem Pariser Abkommen eine entscheidende Rolle spielen können.99 Zwar eröffnet etwa Artikel XX GATT die Möglichkeit, zum Schutz der Umwelt handelsbeschränkende Maßnah Siehe Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 290.  So Nettesheim, 33 AVR (1996), S. 168 (209). 99  So auch Brunnée, Global Climate Regime, S. 725. 97 98

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XV. Die erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips …

men gegenüber anderen Staaten zu ergreifen.100 Allerdings laufen solche unilateralen Selbsthilfemaßnahmen zur Bekämpfung von globalen Umweltproblemen stets Gefahr, als illegitimer Protektionismus nach den GATT-Bestimmungen disqualifiziert zu werden,101 sodass sie ihre Wirkung letztlich verfehlen. Dies hat nicht zuletzt die Rechtsprechung des Berufungsgerichts im Fall US – Shrimp/Turtle gezeigt: Obwohl sich die Vereinigten Staaten darauf beriefen, ihre Importbeschränkungen würden dem Schutz von Delphinen und Meeresschildkröten und damit letztlich einem gemeinschaftlichen Anliegen dienen, hielt das Berufungsgericht diese unilaterale Gegenmaßnahme als willkürliche Diskriminierung nach dem GATT für unzulässig.102 Bei der Gelegenheit hat das Berufungsgericht unter Rückgriff auf Artikel 5 der Biodiversitätskonvention außerdem betont, dass unilaterale Maßnahmen zum Schutz der globalen Umwelt grundsätzlich zu vermeiden und globale Umweltpro­ bleme stattdessen, soweit wie möglich, durch multilaterale Vereinbarungen und Zusammenarbeit zu lösen seien.103 In der Tat läuft der reaktive und konfrontative ­Charakter unilateraler Gegenmaßnahmen dem kooperativen und multilateralen Ansatz des Umweltvölkerrechts zuwider, der eine effektive Klimaschutzpolitik durch langfristige Koordination weltweiter Umweltschutzmaßnahmen anstrebt.104 Unilaterale Gegenmaßnahmen zur Durchsetzung der umweltschutzbezogenen erga omnes-­Verpflichtungen sind nach internationalem Handelsrecht nur zulässig, wenn sie keine einzelnen Staaten diskriminieren, keine verschleierte Handelsbeschränkung darstellen und zuvor ernsthaft eine multilaterale Lösung gesucht wurde.105 Vor diesem strengen Maßstab konnte in der bisherigen Spruchpraxis der Panel bzw. des Appellate Body der WTO keine einzige einseitig handelsbeschränkende Umwelt-

 Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 5. b) bb).  Ähnlich Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 329; Brunnée, Global Climate Regime, S. 725. 102  WTO AB United States – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTODok. WT/DS58/AB/R v. 12. Oktober 1998, Rn. 156, 159. Siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 676 f.; Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (486); Wiers, Trade and the Environment in the EC and WTO, S. 291 f.; Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 329; Brunnée, Global Climate Regime, S. 725; Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 677. 103  Biodiversitätskonvention, 31 ILM 1992, 818 (823), Art. 5: „Each Contracting Party shall, as far as possible and as appropriate, cooperate with other Contracting Parties, directly or, where appropriate, through competent international organizations, in respect of areas beyond national jurisdiction and on other matters of mutual interest, for the conservation and sustainable use of biological diversity.“ 104  Siehe Brunnée, Global Climate Regime, S. 725; Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 329; siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 677 f. 105  WTO AB United States – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTODok. WT/DS58/AB/R v. 12. Oktober 1998, Rn. 156, 159. Siehe dazu außerdem Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, S. 676 f.; Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (486); Wiers, Trade and the Environment in the EC and WTO, S. 291 f.; Stephens, International Courts and Environmental Protection, S. 329; Greschek, evolutive Auslegung, S. 195. 100 101

2. Die erga omnes-Wirkung des CCM (Sekundärebene)

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schutzmaßnahme bestehen.106 Schließlich deutet die kaum vorhandene Staatenpraxis zu Gegenmaßnahmen darauf hin, dass sowohl die wirtschaftlichen Interessen als auch die Fähigkeiten einzelner Staaten begrenzt sein dürften, mit wirksamen unilateralen Gegenmaßnahmen auf die Verletzung von erga omnes-Verpflichtungen zu reagieren.107 Das völkerrechtliche Instrumentarium für eine unilaterale Durchsetzung des globalen Klima- und Artenschutzes im Sinne des common concern of humankind ist somit grundsätzlich vorhanden. Ob es von einzelnen Staaten auch genutzt wird, steht auf einem anderen Blatt.

 Siehe dazu die gründlichen Analysen der WTO-Rechtsprechung von Stephens, International Courts and Environmental Protection, S.  321–344 und Greschek, evolutive Auslegung, S.  123– 172; siehe außerdem Hilf, 19 NVwZ (2000), S. 481 (486). 107  Brunnée, Global Climate Regime, S. 725. 106

XVI. Zusammenfassung und Ausblick

Common concern of humankind ist einer der schillerndsten Begriffe des heutigen Völkerrechts. Er ist deshalb besonders anfällig dafür, mit allerlei politischen Hoffnungen, philosophischen Ideen oder juristischen Rechtsfolgen aufgeladen, überfrachtet und überfordert zu werden. Als globale Projektionsfläche für die politische Sehnsucht, die existenziellen Menschheitsbedrohungen unserer Zeit durch eine internationale solidarische Zusammenarbeit erfolgreich abzuwenden, lief er von Anfang an Gefahr, juristisch letztlich „alles und nichts“ zu bedeuten und daher in seiner juristischen Wirkung über- oder unterschätzt zu werden. Obwohl der common concern-Begriff erst im Jahr 1988 geprägt wurde, sind seine verschiedenen Interpretationen in der Literatur kaum noch zu überblicken. Wann immer in den letzten 30 Jahren eine neue Umweltbedrohung auftauchte, wurde häufig vorgeschlagen, sie zur „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ zu erklären. Diese beinahe inflationäre Verwendung des common concern of humankind-Begriffs gepaart mit einer Unklarheit über seinen genauen rechtlichen Inhalt droht dem Begriff allerdings auch für die Zukunft seine Durchschlagskraft zu nehmen. Eine grundlegende rechtstheoretische und rechtsdogmatische Absicherung des common concern of humankind im Völkerrecht scheint daher dringend nötig. Wer seine Bedeutung möglichst umfassend und dennoch präzise herauspräparieren will, muss besonders behutsam balancieren auf einem schmalen Steg zwischen philosophischer Ideengeschichte und juristischer Auslegungmethodik, zwischen Sein und Sollen und zwischen Tiefe und Überblick. Daher war die Untersuchung von dem Anspruch getragen, den common concern of humankind-Grundsatz ideengeschichtlich zu beleuchten, seinen juristischen Gehalt zu untersuchen, dabei seine Rolle als Instrument zur Bekämpfung globaler Umweltprobleme im Völkerrecht der Gegenwart herauszuarbeiten und sein Weiterentwicklungspotenzial für die Zukunft zu skizzieren. Der common concern-Grundsatz ist Ausdruck einer progressiven und stärker an gemeinschaftlichen Interessen ausgerichteten Völkerrechtsordnung. Als Teil einer © Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4_16

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XVI. Zusammenfassung und Ausblick

jüngeren Entwicklung des Umweltvölkerrechts wirft der common concern of humankind-­Gedanke ein neues Licht auf die umweltbezogenen Aspekte der territorialen Souveränität und nimmt die Nationalstaaten nunmehr stärker in die Verantwortung für das Menschheitsanliegen des globalen Umweltschutzes. Als Norm eines allmählich heranwachsenden „Staatengemeinschaftsrechts“ zielt das common concern of humankind-Prinzip auf den Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsinteressen ab, die sich nur befriedigen lassen, wenn einzelne Staaten oder Staatengruppen ihre eigenen nationalen Interessen hintanstellen.1 Als „Ausgeburt“ des modernen Kooperationsvölkerrechts ist der common concern-Grundsatz von dem Geist beseelt, die gemeinnützigen Erfordernisse des globalen Umweltschutzes gegen egoistische Sonderinteressen der einzelnen Staaten durchzusetzen und daher die nationalstaatliche Souveränität im Interesse eines internationalen Umweltschutzes sukzessive einzuschränken. Damit ist der Begriff des common concern of humankind zugleich geeignet, als Seismograph den Wandel in der Struktur der Völkerrechtsordnung auszudrücken, in den er selbst eingebettet ist. Die Ergebnisse der Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

I. Gemeinsame Menschheitsanliegen können sich vor allem mit Blick auf globale Umweltprobleme herauskristallisieren, die naturgemäß keine von Menschenhand künstlich gezogenen Grenzen kennen und daher an nationalen Staatsgrenzen nicht haltmachen. Die meisten Umweltprobleme sind grenzenlos. Dass sie auf nationalstaatlicher Ebene alleine nicht bewältigt werden können, sondern global beantwortet werden müssen, gilt längst als Binsenweisheit. Im Gravitationszentrum der in­ ternationalen Debatte über die Bewahrung des globalen Ökosystems stehen die Bekämpfung des Klimawandels und die Bewahrung der globalen Biodiversität. Erschwert wird die internationale Lösung globaler Umweltprobleme allerdings – wie bei nahezu allen internationalen Lösungsansätzen – seit jeher durch ein Phänomen, das in der Literatur als free-rider-Problematik bezeichnet wird: Im permanenten Gerangel der Nationalstaaten um Souveränität und geostrategische Vorteile, wirtschaftlichen Einfluss und materiellen Wohlstand sind selbst die ehrgeizigsten Versuche, die Staaten zum Schutz der globalen Umwelt zu wechselseitigen Nutzungsbeschränkungen zu bewegen, oft zum Scheitern verurteilt. Ist es doch für staatliche Akteure häufig weitaus lukrativer oder schlicht innenpolitisch opportun, aus internationalen Übereinkünften auszuscheren oder sie gar zu boykottieren, um auf diese Weise gerade aus der Selbstbeschränkung der übrigen kooperierenden Staaten auf deren Kosten und deshalb „zum Nulltarif“ besondere Vorteile zu ­ziehen.2

1  Ähnlich bereits Beyerlin für die „internationale Umweltschutzkooperation“ insgesamt, vgl. ders., FS Bernhardt, S. 937 (937). 2  Siehe hierzu etwa Durner, Common Goods, S. 18.

I.

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Diese Schwierigkeiten, auf der politischen Ebene eine internationale Lösung für globale Umweltprobleme zu finden, beruhen nicht zuletzt auf dem Charakter des Völkerrechts als „dezentraler“ Rechtsordnung ohne Weltregierung. Globale Umweltprobleme sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Folgen letztlich die Erde in ihrer Gesamtheit betreffen, ihr Ursprung jedoch in einem oder mehreren Nationalstaaten beheimatet ist.3 Ein geradezu klassisches Beispiel hierfür sind die tropischen Regenwälder als ein Schlüsselelement des globalen Klimasystems: Die bereits seit Jahrzehnten andauernde Zerstörung dieser Waldgebiete und ihrer Biodiversität aufzuhalten, liegt zwar objektiv im Interesse der gesamten Menschheit. Völkerrechtlich fällt die gesamte Problematik jedoch – jedenfalls nach traditionellem Verständnis – in den Kompetenzbereich der jeweils verfügungsberechtigten Staaten.4 Ob es gelingt, die voranschreitende Zerstörung des tropischen Regenwaldes mit seinen fatalen Folgen für die gesamte Menschheit aufzuhalten, hängt folglich im Wesentlichen davon ab, ob sich die verfügungsberechtigten Nationalstaaten (vor allem Brasilien) selbst völkerrechtlich dazu verpflichten, in Zukunft auf weitflächige Waldrodungen zu verzichten. Vor diesem Hintergrund entstand bereits vor 30 Jahren – in Anlehnung an die vorausgehende Debatte über das common heritage of mankind-Prinzip als Mittel zur Bekämpfung der globalen Verteilungsungerechtigkeit  – die Idee, solche Umweltgüter, deren Bewahrung nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen im Inte­ resse der gesamten Menschheit liegen muss, zum common concern of (hu)mankind zu erklären. Seinen formalen Ausdruck fand dieser Ansatz in der Resolution 43/53 der UN-Generalversammlung aus dem Jahre 1988, in welcher der Klimawandel als common concern of (hu)mankind bezeichnet wurde. Nachdem die Vertragsparteien der völkerrechtlich verbindlichen Klimarahmenkonvention den Status des Klimawandels als common concern of (hu)mankind bestätigt hatten, erklärten zudem die Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention im Jahre 1992, die Bewahrung der Biodiversität sei eine „gemeinsame Sorge der Menschheit“. Schließlich haben im Dezember 2015 – ein halbes Jahr nach Einreichung dieser Untersuchung – die Parteien des Pariser Abkommens den Status des Klimawandels als common concern of humankind nochmals untermauert und damit wesentliche Ergebnisse der vorliegenden Arbeit in der konkreten Völkerrechtspraxis bestätigt. Der Begriff des common concern of humankind spielt bis heute sowohl in der umweltpolitischen Debatte als auch im völkerrechtlichen Schrifttum eine unverändert prominente Rolle. In regelmäßigen Abständen werden vor allem in rechtspolitischen Beiträgen zum internationalen Umweltschutz Vorschläge unterbreitet, welche Umweltgüter „Gegenstand gemeinsamer Sorge“ und daher besonders zu schützen seien. Solchen Forderungen liegen allerdings in der Regel die unterschiedlichsten Vorstellungen darüber zugrunde, welche völkerrechtliche Bedeutung dem „schillernden“ Begriff des common concern of humankind zukommt. Dies gefährdet jedoch seine juristische Durchschlagskraft. Ein jüngeres Beispiel hierfür lie­ fern die Debatten zum Schutz der Erdatmosphäre. So hat die International Law  Siehe Vierter Teil, Kap. XI., 3. a). Siehe zudem bereits Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 84.  So Durner, Common Goods, S. 18.

3 4

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XVI. Zusammenfassung und Ausblick

­ ommission (ILC) im Jahr 2015 bewusst entschieden, den Begriff des common C concern of humankind  – vor allem wegen bestehender Unklarheiten über dessen rechtliche Bedeutung – nicht auf die Erdatmosphäre anzuwenden und den ursprünglich vorgesehenen Passus, wonach deren Schutz vor Verschmutzung und Verschlechterung eine „gemeinsame Sorge der Menschheit“ sei, aus den Draft Guidelines on the Protection of the Atmosphere zu streichen. Diese ILC-Entscheidung demonstriert, dass grundlegende Fragen zu klären sind: Handelt es sich bei dem Begriff des common concern of humankind bloß um einen „politischen Slogan“ oder besitzt er das Potenzial, zu einem Schlüsselbegriff des Umweltvölkerrechts heranzuwachsen? Ist mit der Unterstützung nahezu der gesamten Staatengemeinschaft aus einer philosophischen Idee ein verbindliches Prinzip des geltenden Umweltvölkerrechts mit greifbaren Rechtswirkungen und praktischen Folgen entstanden? (Kap. I) Der Begriff der „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ (common concern of humankind) ist nicht in einem „völkerrechtlichen Vakuum“ entstanden. Von vornherein war die Untersuchung des common concern of humankind-Prinzips daher von einer interdisziplinären Herangehensweise getragen, wonach geltendes Völkerrecht zwar einerseits nicht völlig losgelöst von seiner „ideengeschichtlichen Umwelt“ betrachtet werden sollte, andererseits trotzdem von der Eigenständigkeit des positiven Völkerrechts auszugehen und sein Inhalt letztlich anhand der klassischen rechtswissenschaftlichen Auslegungsmethoden zu ermitteln ist (Kap. II). Vor diesem Hintergrund wurde für die Untersuchung ein Dreiklang gewählt: Der Zweite Teil der Arbeit handelte von den philosophischen Grundlagen des common concern of humankind-Prinzips. Anschließend wurde im Dritten Teil anhand der bisherigen Staatenpraxis die historische Entwicklung des Prinzips nachgezeichnet, um auf dieser Grundlage schließlich im Vierten Teil den gegenwärtigen Inhalt und die Bedeutung des CCM-Prinzips im geltenden Völkerrecht herauszuarbeiten. Die Entwicklung der common concern of humankind-Idee zu einem eigenständigen Prinzip des geltenden Umweltvölkerrechts ist ohne einen Rückgriff auf außerjuristische Vorstellungen der benachbarten philosophischen Disziplin, die ihr gleichsam „den Weg bereitet“ haben, weder denkbar noch nachvollziehbar. Trotzdem gilt es, grundsätzlich zwischen den Ebenen des geltenden Völkerrechts einerseits und rechtspolitischer Entwürfe oder philosophischer Spekulationen andererseits sorgsam zu unterscheiden. Vor diesem Hintergrund wurden zunächst auf einer „interdisziplinär-theoretischen“ Ebene jene Ausschnitte der philosophischen Ideengeschichte herausgegriffen und dargestellt, welche dem im geltenden Völkerrecht verankerten common concern of humankind-Prinzip zugrunde liegen. Im weiteren Verlauf war die Arbeit indes bestrebt, unter Anwendung der induktiven Methode genau hinzusehen, ob und inwieweit sich eine völkerrechtliche Wirkung des common concern of humankind tatsächlich anhand der formellen Rechtsquellen, das heißt insbesondere anhand der Vertrags- und Staatenpraxis nachweisen lässt oder ob der Ansatz einer „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ bloß ein ethisches Ideal bleibt, an dessen Erfüllung sich das Völkerrecht nur schrittweise anzunähern vermag (Kap. III).

III.

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II. Die philosophischen Grundlagen des CCM-Prinzips gehen auf eine breit angelegte ökologische Debatte über eine moralisch vertretbare Einstellung des Menschen zur Natur zurück, die auf theologischer, rechtlicher, ökonomischer und vor allem auf philosophischer Ebene geführt wurde und in deren Verlauf sich ein gemäßigt anthropozentrischer Ansatz herauskristallisierte, welcher sich letztendlich auch in den für das CCM-Prinzip wesentlichen umweltvölkerrechtlichen Dokumenten niedergeschlagen hat.5 Dieser Ansatz markiert allerdings nur das vorläufige Ergebnis einer sich stetig wandelnden Einstellung des Menschen zur Natur, die lange Zeit zwischen den Extrempositionen der „reinen“ Anthropozentrik und der Ökozentrik hinund herschwankte, bevor sie sich gewissermaßen in eine „geläuterte“ Anthropozentrik einpendelte. Als ethische Grundlage des common concern-Prinzips „korrigiert“ die gemäßigte Anthropozentrik im Ergebnis die rein anthropozentrischen Ansätze insofern, als sie gewissermaßen als Zugeständnis an den ökozentrischen Ansatz die Umwelt als eigenständiges Schutzobjekt anerkennt, diese aber letztendlich nicht um ihrer selbst willen, sondern in ihrer Funktion als „elementare Lebensgrundlage des Menschen“ und damit um des Menschen willen bewahren will. Als bedeutendstes Korrektiv dient hierbei der Gedanke intergenerationeller Gerechtigkeit, der zudem in sämtlichen für das common concern of humankind-Prinzip bedeutsamen Völkerrechtsdokumenten verankert wurde und wonach die jeweiligen Umweltgüter nicht nur für gegenwärtige, sondern auch für zukünftige Generationen der Menschheit zu schützen sind (Kap. IV, V und VI).

III. Der Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des common concern of humankind-­ Prinzips im Zweiten der Teil der Arbeit hat zunächst einmal gezeigt, dass jenes Prinzip über eigenständige historische Wurzeln verfügt, die weit bis in die frühen Anfänge des Umweltvölkerrechts zurückreichen (Kap. VII). In jenem frühen Entwicklungsstadium wird allerdings erstens der Begriff des common concern nicht terminologisch einheitlich verwendet. Zweitens zielt sein Inhalt nicht ausschließlich auf den Schutz verschiedener Umweltgüter ab, sondern erfasst daneben teilweise auch deren gerechte Verteilung und weist somit vereinzelt noch Überschneidungen mit der späteren common heritage-Idee auf. Drittens zielen sämtliche einschlägige Übereinkommen des frühen Umweltvölkerrechts nur auf die Bewahrung bestimmter regionaler Umweltgüter ab, zumal sie lediglich zwischen den unmittelbar betroffenen Staaten der jeweiligen Region abgeschlossen wurden. Schließlich weist der common concern-Gedanke des frühen Umweltvölkerrechts auch insofern noch Gemeinsamkeiten mit dem späteren common heritage-Ansatz auf, als  Siehe Zweiter Teil, Kap. IV, S. 4 und 5. Siehe hierzu Heidrich, Grundlagen des Ressourcenschutzes, S. 33.

5

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XVI. Zusammenfassung und Ausblick

es in fast allen jener frühen Umweltschutzverträge um die Bewahrung von Fischereibeständen geht, die sich außerhalb staatlicher Hoheitsgebiete und somit in den staatsfreien Räumen befinden. Soweit es um den Umweltschutz geht, soll dieser common concern auch im frühen Umweltvölkerrecht nicht nur für die gegenwärtige, sondern auch für die zukünftigen Menschheitsgenerationen bewahrt werden und dient daher ebenfalls einer Herstellung intergenerationeller Gerechtigkeit. Blickt man auf jene frühen Wurzeln des CCM-Prinzips zurück, so weisen diese insgesamt noch recht uneinheitliche und unscharfe Konturen auf. Die begriffliche Herkunft des common concern of humankind-Prinzips steht ferner in der Folgezeit in einem engen Zusammenhang mit dem Prinzip des common heritage of mankind (Kap. VIII). Wie der Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des common heritage-Ansatzes gezeigt hat, sollte dieser von Anfang an dazu dienen, zur Herstellung intragenerationeller Gerechtigkeit eine gerechte Verteilung von Ressourcen sicherzustellen, die sich in bestimmten staatsfreien Räumen befinden. Es wurde bislang im Seerechtsübereinkommen und im Mondvertrag verankert, wo es jeweils den Rahmen für ein Nutzungs- und Verteilungsreime setzt, der aus fünf Kernelementen besteht: Aneignungsverbot, Demilitarisierungsgebot, Freiheit der wissenschaftlichen Forschung, Umweltschutz und wirtschaftliche Nutzung. Allerdings hat schließlich die Rückschau auf die historische Entwicklung beider Prinzipien ergeben, dass der common heritage-Gedanke, soweit es um den Schutz der Menschheit vor globalen Umweltproblemen geht, in der Staatenpraxis des modernen Umweltvölkerrechts vom common concern of humankind-Prinzip abgelöst worden ist, das letztendlich auf eine intergenerationelle Gerechtigkeit abzielt. Nach seiner erstmaligen Verankerung in der Klimarahmenkonvention im Jahre 1992 wurde das common concern of humankind-Prinzip auf der Rio-KoEnferenz im Jahre 1994 auch auf den Schutz der Biodiversität übertragen und in der Biodiversitätskonvention verankert. Sowohl der Klimawandel als auch der voranschreitende Verlust an Biodiversität wurden als genuin globale Umweltprobleme eingestuft, weil sie mit ihren Auswirkungen auf das globale Ökosystem und ihren Wechselwirkungen mit anderen Bestandteilen des Naturhaushalts für alle Staaten der Welt nachteilige Folgen nach sich ziehen. In beiden Anwendungsbereichen erwies sich der common heritage of mankind-Grundsatz aufgrund seiner völkerrechtlichen Implikationen für die Souveränität vieler Vertragsstaaten als ungeeignet zur Lösung des jeweiligen globalen Umweltproblems und wurde daher vom common concern of humankind als Leitprinzip abgelöst (Kap. IX). Zugleich wurde sowohl in der Klimarahmenkonvention als auch in der Biodiversitätskonvention von den Vertragsstaaten klargestellt, dass einerseits ihre Staatssouveränität vom common concern of humankind-­ Prinzip unangetastet bleibt, sie aber andererseits im Sinne des Prinzips 21 auch mit ihren Ressourcen auf eine Art und Weise verfahren werden, die sich mit der Bekämpfung des Klimawandels bzw. mit dem Schutz der Biodiversität verträgt. Nach jahrelangen zähen Verhandlungen einigten sich die 195 Vertragsstaaten schließlich auf der Vertragsstaatenkonferenz am 12. Dezember 2015 mit dem Pariser Abkommen auf einen neuen Weltklimavertrag. An der Spitze des Pariser Abkommens, in Abs. 11 der Präambel, haben die Vertragsstaaten nochmals den Klimawandel zur „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ erklärt („climate change is a

IV.

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common concern of humankind“). Mit dieser erneuten und konsistenten Verwendung des common concern-Begriffs haben 23 Jahre nach Abschluss der Klimarahmenkonvention nunmehr erstmals alle von der UN als solche anerkannten Staaten dieser Welt den Status des Klimawandels als common concern of humankind bestätigt und als völkerrechtlichen Leitbegriff des globalen Klimaschutzes untermauert. Bisherige Versuche, das common concern of humankind-Prinzip auf den Waldschutz und die Bekämpfung der Wüstenbildung zu übertragen, sind vorerst gescheitert. Auch lässt sich der Schutz der Ozonschicht durch die Vienna Ozone Convention nicht im Lichte der späteren Entwicklung des CCM-Prinzips nachträglich als common concern of humankind qualifizieren. Genauso wenig stellt die „Umwelt als Ganzes“ einen Anwendungsfall des common concern-Prinzips dar. Stattdessen sollte anhand der induktiven Methode des Völkerrechts das CCM-Prinzip auch in Zukunft weiterhin behutsam auf einzelne Problemfelder – wie etwa den kontinuierlichen Abbau der Ozonschicht, die voranschreitende Abholzung der tropischen Regenwälder, die Erhaltung von Süßwasserressourcen oder den Schutz der Erdatmosphäre  – ausgedehnt werden, um auf diese Weise die juristische Relevanz des common concern of humankind-Prinzips zu stärken und sein gewaltiges Potenzial zu nutzen (Kap. X).

IV. Eingangs des Vierten Teils der Arbeit wurde mit der räumlichen Verortung des common concern of humankind-Prinzips in den „Kanon“ der bislang anerkannten Umweltschutzprinzipien des Völkerrechts vor allen Dingen aufgezeigt, dass jenes Prinzip nicht nur notwendig, sondern auch geeignet ist, eine an Bedeutung gewinnende Rechtsschutzlücke im internationalen Umweltschutz zu schließen. Der Blick auf die bisherigen Prinzipien des Umweltvölkerrechts hat gezeigt, dass sie räumlich-funktional zu kurz greifen, um globale Umweltbeeinträchtigungen zu erfassen. Das souveränitätszentrierte Völkerrecht der Gegenwart erweist sich insoweit als defizitär, als es ungeeignet ist, der naturgesetzlichen Einheit des globalen Ökosystems, ja der „ökologischen Wirklichkeit“ gerecht zu werden. Einerseits stellt sich die Umwelt bei natürlicher Betrachtung als Einheit miteinander verwobener und voneinander abhängiger Naturelemente dar;6 denn viele Ressourcensysteme stehen infolge ihrer homogenen bio-geophysikalischen Eigenschaften zueinander in einer wechselseitigen und engen naturgesetzlichen Interdependenz. Naturgüter lassen sich daher nicht isoliert, sondern nur als integrale Bestandteile innerhalb ihres jeweiligen ökologischen und biophysikalischen Systems begreifen.7 Ande­rerseits basiert das

 So Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 516.  Ähnlich zum Ganzen Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 516; Benvenisti, Sharing Transboundary Resources, S. 22 f. 6 7

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XVI. Zusammenfassung und Ausblick

souveränitätszentrierte Völkerrecht auf dem Gedanken der ­Teilbarkeit der Umwelt.8 Politische Grenzen zerschneiden den globalen Raum ohne Rücksicht auf die realen biologisch-physikalisch-geologischen Zusammenhänge globaler Ökosysteme.9 Das Kernproblem des internationalen Umweltschutzes besteht daher in der fehlenden Konvergenz zwischen naturgesetzlicher Einheit von Raum, Umwelt und Naturgütern in der ökologischen Wirklichkeit einerseits und rechtlich definierten Kompetenzräumen andererseits.10 Zwar hat sich das moderne Umweltvölkerrecht gerade die Überwindung jener sachwidrigen Spaltung von Recht und Wirklichkeit auf die Fahnen geschrieben.11 Angetrieben war es stets von der Erkenntnis, dass sich die Interdependenz aller globalen Umweltbestandteile durch das Völkerrecht weder beseitigen noch in territoriale Segmente pressen lässt. Trotz vieler Fortschritte ist es ihm aber bislang nicht gelungen, sein konzeptionelles Souveränitätskorsett abzustreifen.12 Noch immer „ist der Umweltschutz in das Prokrustesbett des Nachbarrechts eingespannt“,13 das nicht auf die „Durchsetzung genuin ökologischer Belange“ zielt, sondern in erster Linie die „Zuordnung und Sicherung territorialer Souveränität und Prosperität bezweckt.“14 Infolge des permanenten Gerangels unter den Nationalstaaten um Souveränität, geostrategische Vorteile, wirtschaftlichen Einfluss und Wohlstand bleibt der globale Umweltschutz fragmentarisch. Nur vereinzelte globale Naturgüter kommen daher Schritt für Schritt in den Genuss eines völkerrechtlichen Umweltschutzes. In diesem sukzessiven „Globalisierungsprozess“ des Umweltschutzes könnte dem common concern of humankind-Prinzip indes eine Schrittmacherfunktion zukommen. Sämtliche in der Vertragspraxis der Staaten zum common concern of humankind-Prinzip diskutierten Umweltprobleme lassen sich unter den Begriff der globalen Umweltbelastung subsumieren. Bei entsprechender Staatenpraxis dürften folglich globale Umweltbelastungen potenziell in den räumlichen Anwendungsbereich des CCM-Prinzips fal­len. Im größeren Ordnungsrahmen der umweltvölkerrechtlichen Schutzprinzipien kommt somit dem common concern-Prinzip die funktionale Bedeutung zu, gewissermaßen „nachregelnd“ die Diskrepanz zwischen der räumlichen Reichweite des Sachproblems „globale Umweltbelastung“ und der bereits begrifflich bedingten B ­ eschränktheit 8  Siehe zur Aufteilung der Umwelt in unterschiedliche Rechtsräume die Ausführungen weiter oben, Vierter Teil, Kap. XI. 1. a). Siehe zur Fiktion der „Teilbarkeit der Umwelt“ Benvenisti, Sharing Transboundary Resources, S. 23; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 69; Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 516. 9  Ähnlich Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 516; siehe dazu ferner Brunnée, 49 ZaöRV (1989), 791 (794 f.); Riphagen, International Concern, in: Bothe (Hrsg.), Trends, S. 343 (344); Rothenberger, Angemessene Nutzung, S. 11. 10  Siehe Alland, Droit International Public, S. 730 f.; Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 516 f.; Wolfrum, DVBl. 1984, S. 493, 493. Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XI. 1. a) und 2. 11  Siehe Brunnée, 49 ZaöRV (1989), S. 791, 795 und Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 516 f. 12  Siehe auch Reszat, Gemeinsame Naturgüter, S. 517. 13  So metaphorisch mit Blick auf die Gemeinschaftsinteressen im Völkerrecht insgesamt vor allem Simma, in: Delbrück (Hrsg.), Future of International Law Enforcement, S. 132. Siehe dazu neuerdings außerdem Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 428. 14  So Vitzthum, in: ders., Völkerrecht, 1. Aufl., 5. Abschn. Rn. 98.

IV.

595

nationalstaatlicher Umweltschutzvorschriften zu harmonisieren und damit eine umweltvölkerrechtliche Rechtslücke zu schließen. Wie der Blick auf die bisherige Staatenpraxis gezeigt hat, gilt es in der noch immer staatenzentrierten internationalen Ordnung, von der Einsicht globaler Umweltrelevanz zu universellen und verbindlichen völkervertraglichen Schutzregelungen noch einen weiten Weg zurückzulegen. Auf diesem Weg zu einem globalen Umweltschutz markiert das common concern of humankind-Prinzip ein hoffnungsvolles Wegzeichen. Doch zielt es bislang ebenfalls nur auf einen Schutz der Menschheit vor spezifischen, besonders gravierenden globalen Umweltbelastungen ab. Ob und inwieweit der Begriff des common concern of humankind in Zukunft behutsam Schritt für Schritt auf weitere globale Umweltprobleme – wie etwa die voranschreitende Abholzung der tropischen Regenwälder, die Erhaltung von Süßwasserressourcen oder den Schutz der Ozonschicht und der Erdatmosphäre – übertragen wird oder gar als universell gültiges „Schlüsselprinzip“ des Umweltvölkerrechts alle Arten von globalen Umweltbelastungen zu erfassen vermag, wird die künftige Staatenpraxis zeigen. Vor diesem Hintergrund wurde noch einmal zum Ausgangspunkt der Betrachtung – zum Prinzip der territorialen Souveränität – zurückgekehrt, um zu untersuchen, ob und inwieweit das CCM-Prinzip Ausdruck eines modernen und „gemeinnützigen“ Souveränitätsverständnisses ist. Als Teil einer jüngeren Entwicklung des Umweltvölkerrechts, das ein neues Licht auf die umweltbezogenen Aspekte der territorialen Souveränität wirft, nimmt der common concern of humankind-Gedanke die Nationalstaaten nunmehr stärker in die Verantwortung für das Menschheitsanliegen des globalen Umweltschutzes. Als Norm eines allmählich heranwachsenden „Staatengemeinschaftsrechts“ zielt das common concern of humankind-Prinzip auf den Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsinteressen ab, die sich nur befriedigen lassen, wenn einzelne Staaten oder Staatengruppen ihre eigenen nationalen Interessen hintanstellen. Als „Ausgeburt“ des modernen Kooperationsvölkerrechts ist der common concern-Grundsatz von dem Geist beseelt, die gemeinnützigen Erfordernisse des globalen Umweltschutzes gegen egoistische Sonderinteressen der einzelnen Staaten durchzusetzen und daher die nationalstaatliche Souveränität im Interesse eines internationalen Umweltschutzes sukzessive einzuschränken. Von Anfang an geriet der common concern-Ansatz daher in Konflikt mit dem Prinzip der nationalen Souveränität über natürliche Ressourcen. Einerseits versucht die am globalen Gemeinwohl orientierte common concern-Idee den Umfang nationalstaatlicher Souveränitätsrechte einzuschränken bzw. die Nationalstaaten in einem gewissen Umfang zu einem Verzicht auf ihre Verfügungsrechte zu bewegen. Andererseits wird diese sukzessive Einschränkung der Souveränität wiederum durch jene Souveränitätsrechte begrenzt, welche die Nationalstaaten (noch) nicht preisgeben wollen. Mit der Herausbildung und Entwicklung des common concern of humankind-­ Prinzips hat sich dieser Trend eines (jedoch nur mühsam) voranschreitenden „sukzessiven Souveränitätsverzichts“ der Nationalstaaten fortgesetzt und verstärkt. Nur ansatzweise ist in der internationalen Staatenpraxis der Gedanke erkennbar, die staatliche Souveränität über natürliche Ressourcen unter einen allgemeinen „Vorbehalt einer Umweltpflichtigkeit“ zu stellen. Auf die common ­concern-­Kompromissformel

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XVI. Zusammenfassung und Ausblick

einigten sich die Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention nicht etwa in der Absicht, ihre Souveränität aufzugeben, sondern um sie zu wahren und sie nur über eine Selbstverpflichtung zur Erhaltung der Biodiversität durch einen Verzicht auf die freie Ausübung ihrer Souveränitätsrechte ein klitzekleines Stückchen einzuschränken. Der Blick auf die dem CCM-Prinzip zugrunde liegenden völkerrechtlichen Dokumente zeigt vielmehr, dass die Staatenpraxis nach wie vor von der Gültigkeit des althergebrachten Lotus-Prinzips ausgeht, wonach souveränen Staaten nach dem Völkerrecht grundsätzlich alles erlaubt ist, was ihnen nicht durch jene anerkannten Regeln oder Prinzipien ausnahmsweise verboten ist, zu denen sich die Staaten selbst vertraglich verpflichtet haben oder die sich ihrer das Gewohnheitsrecht begründenden Staatenpraxis entnehmen lassen. Indem die meisten Staaten der Welt sich (etwa) in der Biodiversitätskonvention selbst verpflichtet haben, ihre (eigene) Biodiversität zu bewahren und nachhaltig zu nutzen, haben sie eine weitere eng umgrenzte Ausnahme von ihrer grundsätzlichen Befugnis begründet, als territoriale Souveräne ihre eigenen natürlichen Ressourcen auszubeuten. Und dennoch ist das Lotus-Prinzip angesichts der sukzessiven Zunahme von derartigen „Ausnahmen von der grundsätzlichen staatlichen Souveränität“ mittlerweile in einem anderen, in einem „gemeinnützigeren“ Licht zu sehen. Ob sich in der Zukunft eine konsistente Staatenpraxis entwickelt, die jenen vom common concern of humankind-Prinzip aufgegriffenen und beförderten funktional-gemeinnützigen Souveränitätsbegriff weiterführt, bleibt daher abzuwarten (Kap. XI). Schließlich hat eine Gegenüberstellung von common heritage- und common concern-­Prinzip ergeben, dass zwischen ihnen zwar durchaus Gemeinsamkeiten bestehen, sie sich jedoch in vielen wesentlichen Aspekten unterscheiden, anhand derer sich die eigenständige Bedeutung des common concern of humankind-Prinzips im Umweltvölkerrecht aufzeigen lässt (Kap. XII): Erstens lassen sich common heritage- und common concern-Grundsatz einem unterschiedlichen Prinzipientypus zuordnen. Während die common concern of humankind-­Maxime ein allgemeines Prinzip des Umweltvölkerrechts darstellt, handelt es sich beim common heritage of mankind-Grundsatz um ein Statusprinzip, das einen Unterfall des allgemeinen Prinzips darstellt, indem es den Umweltgütern bestimmter staatsfreier Räume einen eigenen völkerrechtlichen Status zuweist. Während das common concern-Prinzip von Anfang an gleichsam als umweltvölkerrechtliches Korrektiv bereits bestehender Regelungsmodelle konzipiert war und daher insofern funktionell begrenzt ist, enthält das common heritage-Statusprinzip selbst ein umfassendes Nutzungs-, Umweltschutz- und Verteilungsmodell für Umweltgüter der jeweiligen Territorien, für die es gilt.15 Zweitens haben common heritage- und common concern-Prinzip einen unterschiedlichen räumlichen Anwendungsbereich: Das CHM-Prinzip ist nach der bisherigen völkerrechtlichen Staatenpraxis – nicht zuletzt aufgrund des in ihm enthaltenen Okkupationsverbotes  – nicht auf jene Ressourcen anwendbar, die in staatlichen Hoheitsbereichen belegen sind. Vielmehr ist seine Anwendung auf die hoheitsfreien Räume begrenzt, sodass es von vornherein globale Umweltprobleme 15

 Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. a). Siehe hierzu bereits Durner, Common Goods, S. 303.

IV.

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nicht zu ­erfassen vermag, die von Aktivitäten innerhalb staatlicher Hoheitsgebiete herrühren. Diese fallen vielmehr potenziell in den weiter gefassten räumlichen Anwendungsbereich des common concern of humankind-Prinzips, der daneben außerdem grundsätzlich auch solche globalen Umweltbelastungen erfasst, die sich aus dem Verbrauch von Ressourcen ergeben, die in den staatsfreien Räumen lokalisiert sind.16 Daran anknüpfend kommt beiden Prinzipien – drittens – eine unterschiedliche funktionale Bedeutung innerhalb der internationalen Umweltschutzordnung zu: Das common heritage-Prinzip zielt über eine Umverteilung darauf ab, eine weitere Verschärfung des Wohlstandsgefälles zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu verhindern, die daraus entsteht, dass zwar einerseits alle Staaten ein wirtschaftliches Interesse an der Nutzung der staatsfreien Räume haben, doch andererseits nur wenige Industriestaaten technisch und wirtschaftlich zur Erbeutung der dortigen Ressourcen in der Lage sind. Demgegenüber schließt das common concern-­ Prinzip die Schutzlücke, die daraus entsteht, dass globale Umweltprobleme nicht vom traditionellen völkerrechtlichen Nachbarschutz erfasst werden und daher die jeweiligen „Verschmutzerstaaten“ für ihr Verhalten völkerrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden können.17 Viertens unterscheiden sich beide Prinzipien im Hinblick auf ihren Normierungszweck sowie auf den Umfang, in welchem sie den von ihnen erfassten Anwendungsfall völkerrechtlich normieren. Während das CCM als genuin umweltschützendes Prinzip ganz und gar auf die Bewahrung bestimmter Ressourcen beschränkt ist, deren Erhalt im Interesse der Staatengemeinschaft liegt, zielt das CHM darauf ab, die Nutzung und Verteilung der in den staatsfreien Räumen befindlichen Ressourcen im Interesse der internationalen Staatengemeinschaft zu regeln und verfügt damit über einen weiter gefassten Normierungszweck, aus dem außerdem ein größerer Normierungsumfang folgt: Während das common concern-Prinzip von Anfang an gleichsam als „rein umweltvölkerrechtliches Korrektiv bereits bestehender Regelungsmodelle“18 konzipiert war und daher insofern gewissermaßen funktionell begrenzt ist, liefert das common heritage-Statusprinzip selbst ein umfassendes Nutzungs-, Umweltschutz- und Verteilungsmodell für Umweltgüter innerhalb der jeweiligen Territorien, für die es gilt. Hieraus folgt auch ein unterschiedlicher Abstraktions- bzw. Konkretisierungsgrad: Während das common concern-Prinzip keinerlei Konkretisierungen enthält, wird der common heritage-Grundsatz über seine unterschiedlichen materiellen Rechtssätze konkretisiert, ohne hierdurch allerdings die Konkretisierungsschwelle zu einer völkerrechtlichen Regel zu überschreiten.19 Fünftens unterscheiden sich beide Prinzipien in ihrer Interessenausrichtung. Während nämlich das common heritage-Prinzip in erster Linie auf einen „schonenden Souveränitätsausgleich“ zwischen den konkurrierenden Nutzungsinteressen  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. b).  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. c). 18  So Durner, Common Goods, S. 303. 19  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. d). 16 17

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XVI. Zusammenfassung und Ausblick

unterschiedlicher Nationalstaaten abzielt und zusätzlich ein Staatengemeinschaftsinteresse an der gerechten Ressourcenverteilung artikuliert, dient das common concern-­Prinzip ausschließlich einem Interesse der Staatengemeinschaft am Schutz vor globalen Umweltbelastungen. In der Entwicklungslinie des Völkerrechts ausgedrückt, ist das CHM-Prinzip somit teilweise noch in der bilateralen Konflikt­ bewältigung im koexistenzvölkerrechtlichen Sinne verhaftet und schützt daneben kollektive oder gar gemeinschaftliche Interessen, wohingegen das CCM-Prinzip ausschließlich Interessen der Staatengemeinschaft sichert und somit gewissermaßen „in Reinform“ das moderne Umweltvölkerrecht der Kooperation verkörpert.20 Sechstens sind beide Prinzipien durch einen unterschiedlichen Schutzgüterbezug gekennzeichnet: Das common heritage of mankind-Prinzip legt als Statusprinzip den völkerrechtlichen Zustand der Ressourcen in bestimmten staatsfreien Räumen fest und bezieht sich daher direkt auf räumlich-gegenständlich fixierbare Schutzgüter. Demgegenüber erfasst das common concern of humankind-Prinzip nicht direkt bestimmte Ressourcen als solche, sondern diffuse, nicht lokalisierbare globale Belastungen von universalen Umweltgütern wie der Biodiversität und des Klimas und weist somit höchstens mittelbar einen räumlich-gegenständlichen Bezug auf.21 Siebtens haben beide Prinzipien auch unterschiedliche materielle Rechtswirkungen. Während das common heritage-Prinzip infolge seines unmittelbaren Schutzgüterbezugs darauf abzielt, dingliche Rechtswirkungen zu erzeugen, scheitert eine dingliche Rechtswirkung des common concern-Prinzips von vornherein daran, dass es im Gegensatz zum common heritage-Grundsatz gerade keinen unmittelbaren räumlich-gegenständlichen Schutzgüterbezug aufweist.22 Achtens erhebt das CCM-Prinzip als allgemeines Prinzip keinen Anspruch auf Ausschließlichkeit, weshalb es grundsätzlich auch neben anderen allgemeinen Prinzipien anwendbar ist. Dagegen weist das CHM als sogenanntes „Statusprinzip“ den Ressourcen in bestimmten staatsfreien Räumen einen eigenen völkerrechtlichen Status zu und ist daher exklusiv und somit nur alternativ auf die jeweilige Ressource anwendbar.23 Infolgedessen unterscheiden sich schließlich – neuntens – beide Prinzipien darin, wie zuverlässig sich letztlich ihre Rechtswirkungen bestimmen lassen. Während es beim common concern-Prinzip infolge seiner kumulativen Anwendbarkeit neben anderen allgemeinen Prinzipien auf ein und dieselbe Frage durchaus denkbar ist, dass sein Anliegen eines globalen Umweltschutzes sich – gerade aufgrund seiner Kollision mit dem Prinzip der Souveränität über natürliche Ressourcen – in unterschiedlichem Ausmaß verwirklichen lässt, vermag das common heritage-Prinzip infolge seiner exklusiven Anwendbarkeit auf die Resssourcen im jeweiligen staatsfreien Raum „in Reinform“ zu erhalten, da es nicht durch eine Abwägung mit etwaigen gegenläufigen Statusprinzipien in seiner Geltungskraft modifiziert wird.24  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. e).  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. f). Siehe zu diesen Merkmalen bereits Durner, Common Goods, S. 294 f. 22  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. g). 23  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. h). Siehe hierzu bereits Durner, Common Goods, S. 297 ff. 24  Siehe Vierter Teil, Kap. XII. 2. i). Siehe zudem Durner, Common Goods, S. 297 ff. 20 21

IV.

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Weiterhin wurde anhand von Kriterien aus der Prinzipienlehre die Prinzipienqualität des common concern of humankind begründet (Kap. XIII). Hierzu wurde zunächst unter Rückgriff auf die Vorarbeiten aus dem Zweiten Teil der Arbeit zur Staatenpraxis im Hinblick auf den Begriff der „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ dargelegt, dass der common concern of humankind-Rechtssatz sowohl im Hinblick auf den Klimaschutz als auch auf die Erhaltung der Biodiversität zwar völ­ kervertraglich verankert wurde, jedoch bislang noch kein Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts geworden ist. Anhand seines hohen Generalitätsgrades25 und seiner genuinen Normstruktur26 ließ sich außerdem belegen, dass es sich beim common concern of humankind-­ Begriff auch um einen „prinzipientauglichen Rechtssatz“27 und völkerrechtstheoretisch um ein allgemeines Prinzip handelt.28 Zum einen belegen sowohl der Blick auf die sprachliche Form des CCM-Begriffs als auch seine bisherige Verwendung in der Vertragspraxis dessen vergleichsweise hohen Generalitätsgrad. Die Formulierung einer „gemeinsamen Sorge der Menschheit“ kann sich ihrer offenen sprachlichen Fassung wegen auf sämtliche Probleme der internationalen Staatengemeinschaft beziehen. Zugleich lässt sich an der bisherigen Verwendung des common concern-­ Begriffs in der Praxis des Umweltvölkerrechts ablesen, dass er als verallgemeinerter Rechtssatz im Rahmen mehrerer völkerrechtlicher Instrumente auf verschiedene, besonders gravierende Umweltprobleme Anwendung finden kann,29 dort einheitliche Rechtsfolgen auslöst30 und daher ein hinreichend hohes Abstraktionsniveau aufweist, um als ein allgemeines Prinzip im Umweltvölkerrecht fungieren zu können. Zum anderen zeigt ein Blick auf die Ausgestaltung des common concern-­ Rechtssatzes in seinen bisherigen Anwendungsfällen, dass er ein Optimierungsgebot mit relativer Geltung in sich trägt, das einen ausfüllungsbedürftigen Rahmen mit Leitlinien zur Entwicklung spezifischer Regelungsinstrumente setzt, die durch nachfolgende Protokolle schrittweise konkretisiert und präzisiert werden können. Dieser Befund ergibt sich zunächst einmal aus dem Umstand, dass der Schlüsselbegriff des common concern of humankind bislang nie im operativen Teil, sondern ausschließlich in Präambeln völkerrechtlicher Übereinkommen und somit dort niedergelegt worden ist, wo sich nach Art. 31 Abs. 2 WVK üblicherweise die Zwecke und grundlegenden Prinzipien des jeweiligen völkerrechtlichen Vertrages finden. Eigenständige Verpflichtungen der Vertragsstaaten vermag er daher nicht zu begründen. Vielmehr ist der common concern-Rechtssatz kraft seiner hervorgehobenen Stellung als „Fixstern“ an der Spitze der jeweiligen Präambeln gemäß Art. 31 Abs. 1 WVK als Leitlinie für den nachfolgenden Vertragstext heranzuziehen. Die  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 1. a) aa).  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 1. a) bb). 27  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. a). 28  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. b) und c). 29  Siehe die Ausführungen zur (rechts-)geschichtlichen Entwicklung des Begriffs common concern weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. und 2. Siehe außerdem zu den Übertragungsversuchen im Kontext des Boden- und Waldschutzes weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 3. 30  Siehe weiter oben, Dritter Teil, Kap. IX. 1. und 2. und Vierter Teil, Kap. XIV. 1. und Kap. XV. 25 26

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XVI. Zusammenfassung und Ausblick

konkreten Umweltschutzpflichten in den operativen Vertragsteilen sind daher „im Lichte“ des CCM-Prinzips auszulegen. Überdies lässt sich am systematischen Zusammenhang, in welchem der common concern of humankind-Satz sowohl in der Klimarahmen- als auch in der Biodiversitätskonvention steht, seine relative Geltung als Optimierungsgebot ablesen. In beiden Konventionen haben die Vertragsstaaten jeweils ausdrücklich klargestellt, dass ihre nationale Souveränität über natürliche Ressourcen im Grundsatz weiterhin fortbesteht. Wie sich hieran erkennen lässt, beansprucht der CCM-Rechtssatz  – etwa im Unterschied zum common heritage-­ Statusprinzip  – keine Exklusivität, sondern erlaubt vielmehr, dass neben ihm im Hinblick auf ein und dasselbe globale Umweltproblem andere Prinzipien zur Anwendung gelangen. In Bezug auf die Bekämpfung des Klimawandels und die Erhaltung der Biodiversität kommen daher die gegenläufigen Prinzipien der territo­ rialen Souveränität und des common concern of humankind gleichermaßen zur Anwendung. Völkerrechtstheoretisch ist diese Prinzipienkollision in einem Abwägungsvorgang aufzulösen, bei welchem zwischen beiden Prinzipien im Wege praktischer Konkordanz ein möglichst schonender Ausgleich anzustreben ist, damit beide in den gegenläufigen Prinzipien enthaltenen Optimierungsgebote möglichst weitgehend verwirklicht werden.31 Damit weist der CCM-Rechtssatz ein „Kollisionsverhalten“ auf, das für ein allgemeines Prinzip charakteristisch ist: Infolge seiner Kollision mit dem Prinzip der nationalen Souveränität über natürliche Ressourcen kann das im common concern of humankind enthaltene Optimierungsgebot, Klimastabilität und Biodiversität im Interesse der gegenwärtigen und zukünftigen Menschheitsgenerationen zu bewahren, schwerlich vollständig erfüllt werden. Vielmehr vermag jenes von ihm angestrebte „ideale Sollen“ nur in unterschiedlichem Ausmaß, das heißt mehr oder weniger umfassend, verwirklicht zu werden. Das common concern-Prinzip ist somit nicht absolut im Wege eines „Alles-­ oderNichts“-Verfahrens anwendbar, sondern kann auch teilweise erfüllt werden, sodass ihm eine Dimension des Gewichts innewohnt und es somit relative Geltung hat.32 Damit weist die Normstruktur des CCM-Rechtssatzes jene Qualitätsmerkmale auf, die für ein allgemeines Prinzip charakteristisch sind. In seiner Leitlinienfunktion wurde es – im Bereich des Klimaschutzes – zunächst durch die Klimarahmenkonvention aus dem Jahre 1992, sodann im Jahre 1997 durch das Kyoto-Protokoll und zuletzt durch den Copenhagen Accord im Jahre 2009 und das Pariser Abkommen im Jahre 2015 weiter ergänzt, präzisiert und konkretisiert. Der common concern of humankind-­Ansatz dient damit geradezu als Paradebeispiel für die gewichtige praktische Rolle, die allgemeine Prinzipien bei der Lösung globaler Umweltprobleme im mehrstufigen Lern- und Konkretisierungsprozess des modernen Umweltvölkerrechts spielen können.33 Infolge seiner Prinzipienqualität hat das in den Präambeln der Klimarahmenund der Biodiversitätskonvention sowie des Pariser Abkommens verankerte common concern of humankind-Prinzip eine „Ausstrahlungswirkung“ auf sämtliche in  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 1. a) bb).  Siehe zu diesen Kriterien bereits die Darstellung weiter oben, Vierter Teil, Kap. XIII. 1.a) bb). 33  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. c). 31 32

IV.

601

ihnen niedergelegten umweltschutzbezogenen Verpflichtungen, die ihrerseits im Lichte des common concern of humankind auszulegen sind. Diese Ausstrahlungswirkung auf die Auslegung völkerrechtlicher Verträge im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. c) WVK ist im Gegensatz zu seiner Funktion als Ausdruck eines Staatengemeinschaftsinteresses keine hierarchiespezifische, sondern eine prinzipienspezifische Funktion des common concern of humankind.34 Über diese „prinzipienspezifische Ausstrahlungswirkung“ hinaus entfaltet der common concern of humankind-­ Grundsatz aufgrund seiner Eigenschaft als Staatengemeinschaftsnorm eine weitere, „hierarchiespezifische Ausstrahlungswirkung“, die aus seinem Zusammenhang mit dem erga omnes-Konzept der Staatenverantwortlichkeit folgt: Als Ausdruck eines Staatengemeinschaftsinteresses an der Bewahrung bestimmter Umweltgüter transformiert das common concern-Prinzip hinreichend konkrete Pflichten, die operabel sind und dem Staatengemeinschaftsinteresse zu dienen bestimmt sind, zu erga omnes (partes)-Verpflichtungen. Oder anders formuliert: Die vom common concern of humankind-Zweck erfassten Verpflichtungen sind „in seinem Lichte“ so auszulegen, dass sie gegenüber allen (Vertrags)Staaten zu erfüllen sind. Bei noch genauerer Betrachtung hebt das common concern-Prinzip bislang lediglich mangels gewohnheitsrechtlicher Anerkennung35 und wegen der Vorgaben des erga omnes-Rechtsfolgenregimes sowie des pacta-tertiis Grundsatzes die von ihm erfassten Umweltschutzpflichten (noch) nicht in den Rang einer erga omnes-­Pflicht, deren Erfüllung von allen Staaten und mithin auch von Nicht-­Vertragsparteien verlangt werden kann.36 Stattdessen transformiert das CCM jene Verpflichtungen zu solchen erga omnes partes, das heißt zu solchen gegenüber sämtlichen Parteien (partes) der jeweiligen Übereinkommen zu erfüllenden Pflichten. Zumindest was die Klimaschutzabkommen anbelangt, die von (nahezu) allen völkerrechtlich anerkannten Staaten der Erde ratifiziert wurden (Klimarahmenkonvention sowie Kyoto-­Protokoll und Pariser Abkommen), wirkt sich dies allerdings infolge ihres quasi-­universellen Geltung auf der Rechtsfolgenseite kaum nennenswert aus. Der Rechtssatz des common concern of humankind ist somit ein hoffnungsvolles Prinzip zur Bekämpfung des Klimawandels. Sein Potenzial als Schlüsselprinzip beim Schutz der Biodiversität wird mit weiteren Ratifikationen der globalen Artenschutzabkommen noch steigen. Bei diesem erga omnes partes-Effekt handelt es sich allerdings um eine Rechtswirkung, die nicht aus der Prinzipienqualität des common concern of humankind, sondern aus seiner hierarchiespezifischen Eigenschaft als Staatengemeinschaftsnorm folgt. Als Prinzip strebt der common concern of humankind-Grundsatz im Rahmen der Auslegung der vertraglichen Pflichten aus Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention sowie aus ihren entsprechenden Protokollen und dem Pariser Abkommen auf seine optimale Verwirklichung, indem es mit seiner hohen Wichtigkeit deren Auslegung beeinflusst. Das Gewicht des common concern of humankind wirkt sich dort – in den genannten Abkommen, Konventionen und Protokollen – zugunsten derjenigen Rechte und/oder Pflichten aus, die seiner Verwirklichung dienen.  Vierter Teil, Kap. XIII. 5. a).  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 4. a). 36  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b). 34 35

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XVI. Zusammenfassung und Ausblick

Neben dieser vertraginternen Wirkung kann das common concern of humankind-­ Prinzip infolge seiner Prinzipienqualität auch eine Ausstrahlungswirkung außerhalb seiner eigenen umweltvölkerrechtlichen Anwendungsbereiche entfalten, indem es in andere, externe Regime des fragmentierten Völkerrechts hineinstrahlt.37 Auch innerhalb des GATT 1994 drängt der common concern of humankind-­ Grundsatz daher bei der Auslegung vertraglicher Rechte und Pflichten der GATT-­ Vertragsparteien auf seine optimale Verwirklichung, indem es mit seiner hohen Wichtigkeit deren Auslegung beeinflusst. Das Gewicht des common concern of humankind wirkt sich dort zugunsten derjenigen Rechte und/oder Pflichten aus, die seiner Verwirklichung dienen. Auf ähnliche Weise wie innerhalb der Klimarahmenund Biodiversitätskonvention sowie des Pariser Abkommens kann das common concern of humankind-Leitprinzip über seine Ausstrahlungswirkung und seine Wirkung als Abwägungsbelang nach Art. 31 Abs. 1, 2 und 3 lit. c) WVK die Auslegung und Anwendung des GATT-Regimes leiten und steuern. Der common concern-­ Status des Weltklimas und der Biodiversität fließt mit seinem Gewicht in die Auslegung des GATT ein und kann so zu einem entscheidenden Auslegungs- und Abwägungsbelang bei der Rechtfertigungsprüfung nach Art. XX GATT 1994 werden.38 Aufgrund der Ausstrahlungswirkung des common concern of humankind-Prinzips können international vereinbarte Handelsbeschränkungen als erlaubt anzusehen sein, wenn sie dem Schutz eines Gegenstandes „gemeinsamer Sorge der Menschheit“ als einem legitimen öffentlichen Schutzinteresse dienen. Vor dem Hintergrund der US – Shrimp/Turtle-Rechtsprechung der Berufungsinstanz dürfte daher Art. XX GATT nicht statisch, sondern evolutiv im Lichte des common concern of humankind so auszulegen sein, dass Vereinbarungen und (zuvor vereinbarte) unilaterale Maßnahmen zum Schutz des Weltklimas in den Schutzbereich von Art. XX lit. b) GATT fallen. Zudem öffnet die WTO-Rechtsprechung grundsätzlich Art. XX GATT 1994 für eine prinzipienspezifische Ausstrahlungswirkung des common concern of humankind ins Welthandelsrecht. Die durch das CCM-Prinzip artikulierte hohe Wichtigkeit eines globalen Klima- und Artenschutzes ist von den WTO-Schiedsgerichten als Auslegungs- und Abwägungsbelang zu berücksichtigen. Die Rechtfertigungsvorschrift für umweltschutzbezogene Handelsbeschränkungen (Art.  XX GATT 1994) ist evolutiv „im Lichte“ eines Staatengemeinschaftsinteresses am globalen Schutz des Weltklimas und der Biodiversität weit auszulegen. Multilaterale Vereinbarungen oder einzelstaatliche Maßnahmen zum Schutz des Weltklimas oder der Biodiversität können daher unter Umständen nach Art. XX lit. b) und/oder g) GATT 1994 gerechtfertigt sein, weil sie legitimen Staatengemeinschaftsinteressen dienen. Wann genau die Voraussetzungen für eine solche Ausstrahlungswirkung nach Art. 31 Abs. 1 und 3 lit. c) WVK vorliegen, kann angesichts der insoweit bislang inkonsistenten Spruchpraxis der WTO-Schiedsgerichte noch nicht als gesichert gelten.

 Vierter Teil, Kap. XIII. 5. b).  Vierter Teil, Kap. XIII. 5. b) bb).

37 38

IV.

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Selbst wenn im Einzelfall aufgrund der Ausstrahlungswirkung des CCM-­ Prinzips die Voraussetzungen nach Art. XX lit. b) oder g) GATT 1994 erfüllt sein sollten, dürfen einzelne Nationalstaaten bzw. eine Staatengruppe zur Durchsetzung von common concerns handelsbeschränkende Maßnahmen nur ergreifen, wenn auch die übrigen GATT-spezifischen Voraussetzungen für eine Rechtfertigung von handelsbeschränkenden Maßnahmen zum Schutz der Umwelt vorliegen. Bislang wurde zwar noch in keiner GATT-Streitigkeit der common concern of humankind-­ Grundsatz als Auslegungs- oder Abwägungsgesichtspunkt ausdrücklich geltend gemacht oder vom Schiedsgericht besonders hervorgehoben. Analysiert man indes die bisherigen Schiedssprüche der WTO-Streitbeilegungsinstanzen, so erscheint dies für die Zukunft durchaus denkbar, zumal ein Staatengemeinschaftsinteresse am globalen Umweltschutz in der Vergangenheit durchaus bereits eine entscheidende Rolle im Rahmen der WTO-Schiedsspruchpraxis zu Art. XX GATT gespielt hat. Schließlich ist auch eine Ausstrahlung des CCM-Prinzips ins nationale Recht im Einzelfall grundsätzlich denkbar. Auch außerhalb von Art. 25 GG können Prinzipien selbst unmittelbare Wirkung beanspruchen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes auch außerhalb von Art. 25 GG, dass nationale Regelungen völkerrechtsfreundlich auszulegen sind. Dementsprechend können im Einzelfall einfache Bundesgesetze im Lichte des durch den common concern of humankind-­ Grundsatz artikulierten Staatengemeinschaftsinteresses an der Bekämpfung des Klimawandels und des Artensterbens auszulegen sein und das CCM-Prinzip – ähnlich wie innerhalb des Völkerrechts – auch bei einer Kollision zwischen Völkerrecht und staatlichem Recht auf sekundärer Ebene die Abwägung (mit)steuern.39 Die Auslegung der common concern of humankind-Formel hat ergeben, dass sie den bereits vorhandenen umweltbezogenen Rechtspflichten einen erga omnes (partes)-Charakter verleiht (Kap. XIV).40 Denn alleine diese Rechtsauffassung schlägt eine genuin völkerrechtliche Wirkung des Prinzips vor, die zum einen im Einklang mit juristischen Auslegungsmethoden steht und zum anderen von der Staatenpraxis gestützt wird. Bereits der Wortlaut common concern of humankind legt nahe, dass die UN-Generalversammlung in ihrer berühmten Resolution 43/53 terminologisch bewusst an die bahnbrechenden Ausführungen des IGH in seinem Barcelona Traction-­Urteil anknüpfen wollte, wonach Verpflichtungen erga omnes wirken, sofern sie bereits ihrer Natur nach ein „concern to all States“ sind. Auch die Entstehungsgeschichte des CCM spricht für seine erga omnes-Wirkung; denn sie belegt, dass es den UN-Mitgliedsstaaten bzw. den Vertragsstaaten der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention sowie des Pariser Abkommens darum ging, ein gemeinsames Interesse am jeweiligen globalen Umweltproblem zu artikulieren, und sie ­infolgedessen von einer erga omnes-Wirkung des common concern of humankind ausgingen.

 Vierter Teil, Kap. XIII. 5. b) cc).  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 1. a) gg) und b) [common concern of humankind als Ausdruck eines Staatengemeinschaftsinteresses und Grundlage von erga omnes-Verpflichtungen]. 39 40

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XVI. Zusammenfassung und Ausblick

Neben dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des common concern-­ Begriffs spricht bei systematischer Betrachtung auch die Verortung des Prinzips in den Präambeln der Klimarahmen- und Biodiversitätskonvention sowie des Pariser Abkommens für seine erga omnes (partes)-Rechtswirkung. „Vorsprüche“ zu einer Konvention können zwar im Einzelfall bereits vorhandenes Gewohnheitsrecht bestätigen.41 Doch sind sie für sich genommen rechtlich unverbindlich und werden grundsätzlich nur herangezogen, um den eigentlichen Vertragstext des jeweiligen Übereinkommens auszulegen.42 Somit spricht auch der von den Vertragsstaaten in allen drei bisherigen Anwendungsfällen konsistent gewählte Standort der common concern-Passage in den Präambeln dafür, dass die Staaten nicht etwa eigenständige Pflichten begründen, sondern vielmehr bloß anerkennen und bestätigen wollten, dass die in den Übereinkommen niedergelegten Rechtspflichten erga omnes (partes) gelten. Ein erga omnes-Effekt des CCM löst außerdem ein Kernproblem, das sich gerade bei der Bekämpfung globaler Umweltbelastungen wie dem Klimawandel und seinen nachteiligen Auswirkungen in besonderem Maße stellt: Globale Umweltbeeinträchtigungen zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Ursprung zwar in einem oder in mehreren Staaten liegt, ihre Folgen sich aber nicht nur in einem anderen Staat oder in einem staatsfreien Raum bemerkbar machen, sondern die Erde in ihrer Gesamtheit betreffen.43 Zwar verbietet bereits das gewohnheitsrechtlich anerkannte Prinzip 21 den Nationalstaaten, ein Verhalten (zu dulden), das sich auf die Umwelt in den Territorien anderer Nationalstaaten oder in den staatsfreien Räumen nachteilig auswirkt. Doch wird aufgrund der Komplexität des globalen Klimasystems ein klagender Staat im Einzelfall schwerlich den Nachweis führen können, dass ein anderer (beklagter) Staat etwa durch die Nichterfüllung seiner CO2-­ Reduktionsverpflichtungen messbar zum Klimawandel beigetragen hat und sich dieser wiederum messbar nachteilig auf die Umwelt des Klägerstaates ausgewirkt hat. Genau in diese Lücke im Rechtsschutz gegen globale Umweltbeeinträchtigungen stößt nun die erga omnes-Konstruktion des common concern of humankind, indem sie allen (Vertrags-)Staaten das Recht gewährt, auch ohne unmittelbare subjektive Betroffenheit die Einhaltung und Durchsetzung der völkerrechtlichen Klimaschutzvorgaben einzufordern.44 Ohne nachweisen zu müssen, dass der Verstoß eines oder mehrerer Staaten gegen die CO2-Reduktionsverpflichtungen aus der Klimarahmenkonvention und dem Kyoto-Protokoll kausal zu Umweltbeeinträchtigungen auf ihrem eigenen Territorium geführt hat, kann jeder (Vertrags)Staat somit  Vgl. Durner, Common Goods, S. 49. Zu dieser gerade auch für die vorliegende Untersuchung eminent wichtigen Funktion der Präambel als Beleg für eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung durch die Staatenpraxis die Ausführungen von Mbengue, „Preamble“, in: MPEPIL online (2006), Rn. 9, abrufbar unter: www.mpepil.com. 42  Treviranus, Preamble, in: EPIL VII, S. 393 f.; Durner, Common Goods, S. 49. 43  Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. a). Wie bereits aufgezeigt werden konnte, lassen sich die oben diskutierten Phänomene des Klimawandels, des Artensterbens, des Waldsterbens und der Wüstenbildung unter jene Definition einer „globalen Umweltbelastung“ subsumieren. Siehe Vierter Teil, Kap. XI. 3. b) aa) - ee). 44  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 2. und Kap. V. 41

IV.

605

Rechtsschutz vor dem IGH suchen. Hilfsweise können demnach alle (Vertrags) Staaten gegebenenfalls sogar jeweils entsprechende Repressalien verüben und auf diese Weise das klimagefährdende Verhalten sanktionieren und den Verletzerstaat zur Erfüllung seiner CO2-Reduktionsverpflichtungen bewegen. Mit einem erga omnes-­Effekt des common concern of humankind ließe sich somit gewissermaßen der neuralgische Punkt des globalen Umweltschutzes „therapieren“, der zum einen aus einer Diskrepanz zwischen der örtlichen Reichweite der nationalstaatlichen Regelungen und des komplexen Sachproblems „globale Umweltbelastung“ resultiert und zum anderen eine Folge der dezentralen Völkerrechtsordnung ist, die es den Nationalstaaten erlaubt, sich in ihren Souveränitätspanzer zurückzuziehen.45 Daher führt die Auffassung, das CCM-Prinzip verleihe den Umweltschutzpflichten der Klimarahmen- und der Biodiversitätskonvention sowie des Pariser Abkommens einen erga omnes-Charakter, letztlich zu einem sinnvollen Ergebnis, das bei teleologischer Betrachtung dem Anliegen entspricht, den die UN-Mitgliedsstaaten mit der Schaffung des common concern of humankind-Begriffs verfolgt haben dürften. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik des common concern of human­ kind-Prinzips sowie die Notwendigkeit eines Rechtsschutzes gegen globale Umweltbelastungen und die Staatenpraxis sprechen dafür, dass jenes Prinzip ein Interesse der gesamten Staatengemeinschaft artikuliert und daher die Pflichten der Staaten zum Schutz des Klimas und der Biodiversität in den Rang einer erga omnes-­ Verpflichtung hebt, sodass alle (Vertrags)Staaten wechselseitig berechtigt sind, ihre Erfüllung geltend zu machen, notfalls vor dem IGH. Daneben konnte unter Heranziehung des erga omnes-Konzepts, wie es sich im Recht der Staatenverantwortlichkeit herausgebildet hat,46 der Nachweis erbracht werden, dass das common concern of humankind-Prinzip inhaltlich die Voraussetzungen einer „Staatengemeinschaftsnorm“ erfüllt und infolgedessen Verpflichtungen erga omnes partes erzeugt.47 Erfüllt ein Staat seine völkervertragsrechtlichen erga omnes-Pflichten aus der Klimarahmen- und der Biodiversitätskonvention, dem Pariser Abkommen oder aus dem Kyoto-Protokoll nicht, so sind – auf der „Sekundärebene“ – alle (Vertrags)Staaten berechtigt, diese Verletzung geltend zu machen – und zwar unabhängig davon, ob sie jeweils nachweisen können, dass die Verletzung der betreffenden Umweltschutzpflicht einen greifbaren und messbaren Schaden auf ihrem Territorium verursacht hat (Kap. XV). Indem das CCM-Prinzip ein Interesse am Schutz des Klimas und der Biodiversität artikuliert, verleiht es allen (Vertrags) Staaten die Befugnis, auch ohne unmittelbare Betroffenheit in eigenen subjektiven Rechten die Einhaltung des Klima- und Artenschutzrechts nicht nur einzufordern, sondern auch durchzusetzen. Die erga omnes (partes)-Wirkung des CCM-Prinzips bietet somit allen (Vertrags)Staaten ein Rechtsinstrument gegen die für globale ­Umweltprobleme charakteristischen „Summationsschäden“, die nicht durch einzelne Staaten separat verursacht werden, sondern nur durch Akkumulation der  Vgl. insoweit die Ausführungen von Wolfrum, DVBl. 1984, S. 493 (493) in Bezug auf das Pro­ blem der grenzüberschreitenden Umweltbelastung. 46  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. a). 47  Siehe Vierter Teil, Kap. XIV. 2. b). 45

606

XVI. Zusammenfassung und Ausblick

Schadensbeiträge aller Staaten entstehen und sich daher nicht einzelnen „Verletzerstaaten“ zurechnen lassen. Verletzt ein (Vertrags)Staat seine erga omnes-Verpflichtungen zum Schutz des Klimas oder der Biodiversität, so sind alle anderen (Vertrags)Staaten befugt, diese Pflichtverletzungen vor dem Internationalen Gerichtshof geltend zu machen.48 Erst in jüngerer Zeit ist die erga omnes partes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips in einem aktuellen Fall vor dem IGH indirekt bestätigt worden: Im Jahre 2010 hat mit Australien erstmals ein Staat unmittelbar die in dieser Arbeit dargelegte erga omnes-Wirkung des common concern of humankind-Prinzips geltend gemacht und einen anderen Staat (Japan) wegen exzessiven Walfangs in der Antarktis vor dem Internationalen Gerichtshof auf Unterlassung verklagt.49 In seiner Klageschrift macht Australien als „unverletzter“ Staat nicht bloß einen Verstoß Japans gegen seine erga omnes partes-Verpflichtungen aus der Walfangkonvention geltend, sondern führt zur Begründung außerdem aus, Japan habe mit seinem exzessiven Walfang seine erga omnes-Verpflichtungen aus der Biodiversitätskonvention verletzt.50 Zwar ging der Gerichtshof in seinem jüngsten Urteil vom 31. März 2014 auf die geltend gemachten Verletzungen der Biodiversitätskonvention – ohne weitere Begründung – nicht näher ein. Allerdings gelangte der IGH zu dem Ergebnis, Japan habe seine Pflichten aus der Walfangkonvention verletzt und gab der Klage Australiens statt.51 Damit bejahte der IGH implizit, dass die Pflichten aus der Walfangkonvention mit der Erklärung des Schutzes der Walfischbestände zum „common interest“  – ein frühes Vorbild des common concern52 – zu erga omnes (partes) Pflichten transformiert sind. Mit Blick auf die weiteren Rechtsfolgen des common concern of humankind-­ Prinzips ist höchst fraglich, ob das Kyoto-Protokoll gegenwärtig noch nicht über ein hinreichend effektives Kontrollsystem verfügt, um als self-contained régime qualifiziert zu werden und den Rückgriff auf die allgemeinen Durchsetzungsrechte im Sinne der IGH-Rechtsprechung und der Artt. 49 ff. ASR versperren. Zwar verfügt das Kyoto-Protokoll seit dem Jahre 2001 über eine derartige vertragsinterne Erfüllungskontrolle. Ob es sich in Zukunft zu einem hinreichend effektiven Kontrollsystem entwickelt, um das Kyoto-Protokoll insgesamt als self-contained régime zu ­qualifizieren, wird sich allerdings noch in der Praxis zeigen müssen. Berücksichtigt man außerdem, dass etwaige Kriterien für die Identifizierung von „geschlossenen 48  Eine gerichtliche Geltendmachung der erga omnes-Verpflichtung setzt selbstredend voraus, dass die allgemeinen Voraussetzungen für eine Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs nach den Artikeln 34 ff. IGH-Statut vorliegen. 49  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Application Instituting Proceedings of 31 May 2010, abrufbar unter https://www.icj-cij.org/en/case/148/institution-proceedings (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2019). 50  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan: New Zealand intervening), Application Instituting Proceedings (2010), Z. 38  f., abrufbar unter https://www.icj-cij.org/en/case/148/institution-proceedings (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2019). 51  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan: New Zealand intervening), Judgment 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 247. 52  Siehe Dritter Teil, Kap. VII. 3.

IV.

607

Durchsetzungsregimen“ noch höchst unklar sind, dürfte ein derartiger Ausschluss des gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechts unilateraler Gegenmaßnahmen nur mit größter Zurückhaltung zu bejahen sein. Angesichts der Tatsache, dass sich das erga omnes-Konzept sowohl in der Rechtsprechung des IGH als auch durch seine Kodifikation in Art. 48 ASR zunehmend verfestigt hat, dürfte ein derartiges „con­ tracting out“ der allgemeinen Durchsetzungsrechte, wenn überhaupt, nur in Betracht kommen, sofern die Vertragsstaaten sich im betreffenden völkerrechtliche Vertrag ausdrücklich darauf einigen und an seiner Stelle ein umfassendes Durchsetzungsregime statuieren. Weder für die Klimarahmenkonvention noch für das Kyoto-­ Protokoll lässt sich dies gegenwärtig bejahen. Aus alledem folgt auch für alle Unterzeichnerstaaten des Kyoto-Protokolls, dass sie zur Durchsetzung der wechselseitigen erga omnes-Verpflichtungen auf das allgemeine Recht zu unilateralen Gegenmaßnahmen im Sinne der IGH-Rechtsprechung im israeli wall-­Gutachten und nach den Artt. 49 ff. ASR zurückgreifen dürfen, solange sie deren allgemeine Anforderungen erfüllen. Für die Zukunft wird mit Blick auf die völkerrechtliche Bedeutung des common concern of humankind-Prinzips zu beobachten sein, ob es in der Staatengemeinschaft zu weiteren Übertragungsversuchen kommt und wie diese im Einzelnen ausgestaltet sind: Wird der common concern-Begriff in völkerrechtlich verbindlichen Dokumenten auf weitere genuin globale Umweltprobleme übertragen? Oder auf die „Umwelt als Ganzes“? Oder gar auf andere globale Völkerrechtsprobleme wie den internationalen Menschenrechtsschutz? Wenn dies geschieht, wird die common concern of humankind-Formel dann ebenfalls zuerst in entsprechenden UN-­ Resolutionen verwandt und anschließend in Präambeln der daraufhin abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge niedergelegt?  – wenn ja, kommt darin dann im Einzelfall ebenfalls eine „Leitlinienfunktion“ des CCM oder gar die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung eines Staatengemeinschaftsinteresses zum Ausdruck? Wird sich darin eine Referenz an das Konzept der „intergenerationellen Gerechtigkeit“, der Gerechtigkeit gegenüber zukünftigen Generationen wiederfinden? Wie entwickelt sich das dem CCM-Prinzip zugrunde liegende und in dieser Arbeit beschriebene „gemeinnützige Souveränitätsverständnis“ weiter? Auch wird für die Abgrenzung des common concern- vom common heritage of mankind-­ Prinzip interessant zu beobachten sein, ob das zuletzt Genannte weiterhin  – wie zuletzt im Meeresboden-Fall vor dem Internationalen Seegerichtshof im Jahre 2011 geschehen53  – auf Verteilungsfragen im Zusammenhang mit Ressourcen in den staatsfreien Räumen angewandt wird und wie sich das räumlich-funktionale Verhältnis dieser beiden Prinzipien zueinander weiter entwickelt. Bislang gibt es keine genuine Anwendungspraxis zum common concern of humankind.54 Zwar sind viele  Siehe Dritter Teil, Kap. VIII. 2. b).  Die von Durner und Wustlich angeführten Fallbeispiele stellen keine Anwendungspraxis des common concern of humankind-Prinzips dar. Staatliche Importverbote für Holz aus tropischen Regenwäldern (Durner, Common Goods, S.  272) sind zwar denkbar, allerdings fällt der Waldschutz bislang nicht in den Anwendungsbereich des CCM-Prinzips, siehe Dritter Teil, Kap. IX. 3. Aus dem gleichen Grund sind Handelsbeschränkungen im Montrealer Protokoll (Durner, Com-

53 54

608

XVI. Zusammenfassung und Ausblick

Konstellationen denkbar, in denen das common concern of humankind-Prinzip eine Rolle spielen könnte. Der jüngere Whaling in the Antarctic-Fall55 zeigt zudem, dass Staaten durchaus die Erfüllung umweltschutzbezogener erga omnes-­Verpflichtungen vor dem Gerichtshof einklagen und die vertragsinterne Ausstrahlungswirkung oder die Eigenschaft des common concern of humankind als Staatengemeinschaftsnorm zur Begründung einer erga omnes-Wirkung von Verpflichtungen aus Klimarahmenoder Biodiversitätskonvention oder dem Pariser Abkommen in solchen Fällen entscheidungserheblich werden könnte.56 Genauso sind vielfältige Konstellationen denkbar, in denen die vertragsexterne Ausstrahlungswirkung des CCM im Konflikt mit dem GATT eine entscheidende Rolle in gerichtlichen Streitigkeiten spielen könnte.57 Doch hat sich bisher kein Staat – explizit oder implizit – vor dem IGH unmittelbar auf das common concern of humankind-Prinzip berufen. Schließlich ist mit besonderer Spannung abzuwarten, ob das common concern of humankind-­ Prinzip gewissermaßen seinen „Praxistest“ besteht, wenn weitere Nationalstaaten die Erfüllung von diesbezüglichen erga omnes partes-Verpflichtungen einklagen oder gar zu ihrer Durchsetzung auf das Repressalienrecht zurückgreifen. Alle diese Fragen und – mehr noch – ihre Beantwortung werden zeigen, ob und inwieweit das common concern of humankind-Prinzip auch für die Zukunft als völkerrechtliches Schlüsselprinzip im Umweltvölkerrecht dienen kann.

mon Goods, S. 269 f.; Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 226) kein Anwendugsfall des common concern of humankind. Schließlich handelt es sich bei dem von Wustlich (ders., Die Atmosphäre als globales Umweltgut, S. 227) gebildeten Beispiel des Emissionsrechtehandels nach dem Kyoto-Protokoll um eine bloß fiktive Kollision zwischen Kyoto-Protokoll und dem GATT, bei der in der Tat die vertragsexterne „Ausstrahlungswirkung“ des common concern of humankind im Rahmen einer Rechtfertigung einer Handelsbeschränkung nach Art. XX GATT relevant werden könnte, siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 5. b) bb). 55  Whaling in the Antarctic (Australia v. Japan), Judgment on 31 March 2014, ICJ Reports 2014, Z. 55–58. Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 5. a). 56  Siehe Vierter Teil, Kap. XIII. 5. a). 57  Siehe dazu Vierter Teil, Kap. XIII. 5. b) bb).

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English Summary

Common concern of humankind is one of the most enigmatic notions of contemporary international law. It has fascinated international lawyers for quite some time. Ever since the United Nations General Assembly in its resolution 43/53 of December 1988 declared climate change and its adverse effects to be a common concern of mankind, this term has raised high hopes regarding the protection of humankind against global environmental problems as fundamental interest shared by the international community as a whole. Therefore, ever since 1988 the common concern-term has been used in an almost inflationary manner whenever a new global environmental threat surfaced at the horizon. As a consequence, international literature dealing with the topic is shoreless as are its various interpretations. And, yet, its precise implications remain, at best, uncertain. Therefore, a thorough examination seemed inevitable. The present study demonstrates that the precise legal implications cannot simply be deduced. In more general terms, it may be doubted whether principles of international law as such can at all be thoroughly and firmly established through deduction. Instead, this analysis has sought to apply the method of induction as to examine whether the common concern of humankind-term has legal consequences or remains a merely philosophical ideal. The idea of a common concern of humankind has not developed in a vacuum. Therefore, a thorough examination of its roots had to take a closer look at its philosophical foundations. The present study elaborates that the philosophical roots of the common concern of humankind lie in a moderate anthropocentric approach, according to which the environment – though being in itself an original object of protection – is not being protected merely for its own sake but rather as a livelihood of humankind. As the historical review of this study further unveils, the common concern-notion has roots reaching back to its first reference in the Fur Seal Arbitration as early as

© Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 O. Strank, Common Concern of Humankind im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 289, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60430-4

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English Summary

1893. A thorough examination of the sources of international law, and, in particular, the recirculation of the common concern of humankind in all binding legal instruments of international law since 1988 (UNFCC, UNCAD, Paris Agreement) reveal that it is not merely a political slogan. Rather, through the vast support of virtually the whole international community the aboriginal philosophical idea of a common concern of humankind has developed into a binding principle of international law with tangible legal implications and practical legal consequences. A thorough examination of the existing principles of international environmental law has shown that they do not grasp genuinely global environmental problems like climate change and loss of biodiversity. It could be demonstrated that the common concern-principle is well-suited to fill this ever important gap in the fragmentary international legal system of environmental protection. Future state practice will show whether the common concern of humankind will encompass other global environmental problems such as tropical deforestation, the protection of the ozone layer or the earth’s atmosphere or even might develop into a universal key principle of customary international law capturing all potential global environmental problems. The common concern of humankind is evidence of a modern and more community oriented understanding of sovereignty. As part of a more recent development of international environmental law the common concern-idea demands the states to take more responsibility for the environmental aspects of their sovereignty and for the global environment as such. The common concern of humankind gingerly fosters the trend of states gradually though reluctantly waiving their sovereignty in favour of a higher and greater community interest. In this regard, a closer look at the relevant international agreements illustrates that the State Parties still assume the validity of the traditional lotus principle whereby international law in general allows sovereign states everything that is not forbidden by way of exceptions the States have agreed upon or which are part of the custom founded by state practice. By joining the Convention on Biological Diversity and committing themselves to preserve and sustainably use the biodiversity located on their territory, most states of the international community have created carefully circumvented exceptions to their general rights as sovereign states to freely exploit their own natural resources as they wish. In the face of such ever-increasing exceptions from the principle of state sovereignty the lotus principle is to be seen in the light of more frequently serving the global common good. This study has shown that although the notions of the common concern of humankind and of the common heritage of mankind share some features, they differ on a large number of essential characteristics highlighting the original significance of the common concern-principle: While the common heritage follows a rather comprehensive approach and, thus, seeks to regulate not only the utilization, but also the distribution and the protection of common goods located in areas outside national jurisdiction, the functional scope of the common concern of humankind is somewhat narrower as it merely serves as a corrective aiming at environmental protection within an existing regime. Furthermore, both principles differ regarding their areas of application: While the common heritage-principle – due to its prohibition of occupation – is only applicable in areas outside national jurisdiction,

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the common concern-principle captures global environmental problems located in areas under as well as outside of national jurisdiction. Moreover, both principles play different roles in international law: By way of redistribution the common heritage aims at reducing the wealth gap between the developed and the developing countries. In contrast, the common concern of humankind seeks to close the protection gap in traditional international law regarding global environmental problems. The common heritage primarily seeks to reconcile the interests of competing states and articulates – over and above – the need for an equitable distribution of resources as a state community interest. By contrast, the common concern of humankind solely serves the state community interest regarding the protection of the international community from global environmental problems. While the common heritage-principle directly captures the resources in question and regulates their legal status, the common concern of humankind-principle aims at the protection of diffuse global environmental problems without direct reference to concrete resources. As a consequence thereof, both principles differ insofar, as the common heritage of mankind exclusively regulates the legal status of the respective resource and, thus, insofar does not leave any room for any other principle to be applied. In contrast, the common concern of humankind does not raise any claim of exclusiveness and is therefore applicable alongside other principles like, for instance, the principle of sovereignty in the case of the Convention of Biological Diversity. Consequently, both principles differ in the predictability and reliability of their legal effects: Due to the potential collision of the common concern of humankind with opposing principles it is possible that its purpose – to combat the respective global environmental problem – is fulfilled more or less and, therefore, to a varying extent. The common heritage of mankind, on the other hand, because of its exclusive scope of application, is not at risk of being balanced against opposing principles and, thus, unfolds its legal effect without any modifications whatsoever. This study has further shown that the common concern of humankind-notion fulfils the relevant criteria of a general principle according to the theory of international law: It reveals a high level of abstraction, it carries in itself a dimension of weight and sets forth guidelines for the rules laid down in the Framework Convention on Climate Change, the Kyoto Protocol, the Convention on Biological Diversity and the Paris Agreement which in turn are to be interpreted and developed in light of the purpose of the common concern of humankind. Here, this study has shown, that the common concern of humankind-notion articulates the protection of the international community against climate change and the loss of biodiversity as state community interests. Therefore, it transforms all obligations laid down in the previous international agreements serving the protection of biodiversity and of humankind against climate change (UNFCC, Kyoto Protocol, UNCAD, Paris Agreement) into obligations erga omnes partes. Therefore, all state parties to these contracts – regardless of their own injury – have standing to claim fulfilment of multilateral obligations at the International Court of Justice. The Whaling in the Antarctic case demonstrated that states are ready to do so and, therefore, the erga omnes-effect of the common concern of humankind-principle can have tangible practical consequences.

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This legal effect, however, is not limited to the above mentioned international agreements in which the common concern of humankind-principle has been anchored. Rather, it unfolds its legal effect as a principle also in other regimes of the evermore fragmented international legal order such as the GATT, where it can under specific circumstances of international trade law justify international trade restrictions serving the protection of the international community against climate change or the loss of biodiversity as common concerns of humankind. To date no state has yet – explicitly or implicitly - invoked the legal consequences of the common concern of humankind-principle before the International Court of Justice. Once this happens and the common concern of humankind-principle and its legal effects are challenged by practice it will be seen if and to what extent this principle can fulfill the high hopes it raised ever since it surfaced in the global arena by finally developing into a key principle of international environmental law serving the protection of humankind against global environmental problems as fundamental interest shared by the international community as a whole.

Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Hrsg.: A. von Bogdandy, A. Peters Bde. 27–59 erschienen im Carl Heymanns Verlag KG Köln, Berlin (Bestellung an: Max-Planck-Institut für Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg); ab Band 60 im Springer-Verlag GmbH 289 Oliver Strank: Common Concern of Humankind im Völkerrecht. 2019. X, 715 Seiten. Geb. € 112,14 288 Alix Schlüter: Beweisfragen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. 2019. XVIII, 500 Seiten. Geb. € 119,99 287 Martin Philipp Sommerfeld: Staatensouveränität und ius cogens. 2019. XVI, 424 Seiten. Geb. € 99,99 286 Laura Hering: Fehlerfolgen im europäischen Eigenverwaltungsrecht. 2019. XXI, 385 Seiten. Geb. € 99,99 285 Marten Breuer (ed.): Principled Resistance to ECtHR Judgments - A New Paradigm?. 2019. XVIII, 350 Seiten. Geb. € 109,99 zzgl. landesüblicher MwSt. 284 Stephan G. Hinghofer-Szalkay: Verfassungsrechtsentwicklung aus rechtstatsächlicher Perspektive. 2019. XVII, 383 Seiten. Geb. € 109,99 283 Arthur Brunner: Subsidiaritätsgrundsatz und Tatsachenfeststellung unter der Europäischen Menschenrechtskonvention. 2019. XVI, 188 Seiten. Geb. € 53,49. Open Access 282 María Pía Carazo Ortiz: Das Länderberichtsverfahren der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte. 2019. XX, 475 Seiten. Geb. € 109.99. 281 Romy Klimke: Schädliche traditionelle und kulturelle Praktiken im internationalen und regionalen Menschenrechtsschutz. 2019. XVIII, 530 Seiten. Geb. € 99,99 280 Elisabeth Veronika Henn: International Human Rights Law and Structural Discrimination. 2019. XVI, 237 Seiten, € 89,99 zzgl. landesüblicher MwSt. 279 Eike Blitza: Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs auf maritime Grenzen. 2019. XIII, 294 Seiten. Geb. € 89,99 278 Anna Katharina Struth: Hassrede und Freiheit der Meinungsäußerung. 2019. XV, 472 Seiten. Geb. € 109,99 277 Franziska Sucker: Der Schutz und die Förderung kultureller Vielfalt im Welthandelsrecht. 2018. XXIV, 635 Seiten. Geb. € 109,99 276 Clemens Mattheis: Die Konstitutionalisierung des Völkerrechts aus systemtheoretischer Sichtweise. 2018. XXIV, 557 Seiten. Geb. € 109,99 275 Aydin Atilgan: Global Constitutionalism. 2018. X, 312 Seiten. Geb. € 114,99 zzgl. landesüblicher MwSt. 274 Andreas Kolb: The UN Security Council Members’ Responsibility to Protect. 2018. XXI 624 Seiten. Geb. € 199,99 zzgl. landesüblicher MwSt. 273 Matthias Goldmann, Silvia Steininger (eds.): Democracy and Financial Order: Legal Perspectives. 2018. V, 230 Seiten. Geb. € 114,99 zzgl. landesüblicher MwSt. 272 Jochen Rauber: Strukturwandel als Prinzipienwandel. 2018. XXXIV, 970 Seiten. Geb. € 159,99 271 Anja Höfelmeier: Die Vollstreckungsimmunität der Staaten im Wandel des Völkerrechts. 2018. XX, 356 Seiten. Geb. € 89,99 270 Rudolf Bernhardt, Karin Oellers-Frahm: Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. 2018. XII, 344 Seiten. Geb. € 89,99 269 Philine Wehling: Wasserrechte am Nil. 2018. XVI, 351 Seiten. Geb. € 84,99 268 Katharina Berner: Subsequent Agreements and Subsequent Practice in Domestic Courts. 2018. XLV, 298 Seiten. Geb. € 114,99 zzgl. landesüblicher MwSt. 267 Josephine Asche: Die Margin of Appreciation. 2018. XII, 255 Seiten. Geb. € 84,99 266 Nele Yang: Die Leitentscheidung. 2018. XI, 362 Seiten. Geb. € 84,99 265 Roya Sangi: Die auswärtige Gewalt des Europäischen Parlaments. 2018. XV, 179 Seiten. Geb. € 69,99 264 Anna Krueger: Die Bindung der Dritten Welt an das postkoloniale Völkerrecht. 2018. XII, 434 Seiten. Geb. € 89,99 263 Björnstjern Baade: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als Diskurswächter. 2017. XVIII, 543 Seiten. Geb. € 99,99 262 Felix Lange: Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. 2017. XIV, 403 Seiten. Geb. € 94,99 261 Johanna Elisabeth Dickschen: Empfehlungen und Leitlinien als Handlungsform der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden. 2017. XIX, 277 Seiten. Geb. € 84,99 260 Mohamed Assakkali: Europäische Union und Internationaler Währungsfonds. 2017. XV, 516 Seiten. Geb. € 99,99 259 Franziska Paefgen: Der von Art. 8 EMRK gewährleistete Schutz vor staatlichen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte im Internet. 2017. XV, 220 Seiten. Geb. € 69,99

258 Tim René Salomon: Die internationale Strafverfolgungsstrategie gegenüber somalischen Piraten. 2017. XXXII, 743 Seiten. Geb. € 129,99 257 Jelena Bäumler: Das Schädigungsverbot im Völkerrecht. 2017. XIX, 379 Seiten. Geb. € 89,99 256 Christopher Peters: Praxis Internationaler Organisationen - Vertragswandel und völkerrechtlicher Ordnungsrahmen. 2016. XXVIII, 498 Seiten. Geb. € 99,99 255 Nicole Appel: Das internationale Kooperationsrecht der Europäischen Union. 2016. XVIII, 608 Seiten. Geb. € 109,99 254 Christian Wohlfahrt: Die Vermutung unmittelbarer Wirkung des Unionsrechts. 2016. XIX, 300 Seiten. Geb. € 84,99 253 Katja Göcke: Indigene Landrechte im internationalen Vergleich. 2016. XVII, 818 Seiten. Geb. € 139,99 252 Julia Heesen: Interne Abkommen. 2015. XXI, 473 Seiten. Geb. € 94,99 251 Matthias Goldmann: Internationale öffentliche Gewalt. 2015. XXIX, 636 Seiten. Geb. € 109,99 250 Isabelle Ley: Opposition im Völkerrecht. 2014. XXIII, 452 Seiten. Geb. € 94,99 249 Matthias Kottmann: Introvertierte Rechtsgemeinschaft. 2014. XII, 352 Seiten. Geb. € 84,99 248 Jelena von Achenbach: Demokratische Gesetzgebung in der Europäischen Union. 2014. XVI, 522 Seiten. Geb. € 94,99 247 Jürgen Friedrich: International Environmental “soft law”. 2014. XXI, 503 Seiten. Geb. € 94,99 zzgl. landesüblicher MwSt. 246 Anuscheh Farahat: Progressive Inklusion. 2014. XXIV, 429 Seiten. Geb. € 94,99 245 Christina Binder: Die Grenzen der Vertragstreue im Völkerrecht. 2013. XL, 770 Seiten. Geb. € 119,99 244 Cornelia Hagedorn: Legitime Strategien der Dissensbewältigung in demokratischen Staaten. 2013. XX, 551 Seiten. Geb. € 99,99 243 Marianne Klumpp: Schiedsgerichtsbarkeit und Ständiges Revisionsgericht des Mercosur. 2013. XX, 512 Seiten. Geb. € 94,99 242 Karen Kaiser (Hrsg.): Der Vertrag von Lissabon vor dem Bundesverfassungsgericht. 2013. XX, 1635 Seiten. Geb. € 199,99 241 Dominik Steiger: Das völkerrechtliche Folterverbot und der “Krieg gegen den Terror”. 2013. XXX, 821 Seiten. Geb. € 139,99 240 Silja Vöneky, Britta Beylage-Haarmann, Anja Höfelmeier, Anna-Katharina Hübler (Hrsg.): Ethik und Recht - Die Ethisierung des Rechts/Ethics and Law - The Ethicalization of Law. 2013. XVIII, 456 Seiten. Geb. € 94,99 239 Rüdiger Wolfrum, Ina Gätzschmann (eds.): International Dispute Settlement: Room for Innovations? 2013. XIV, 445 Seiten. Geb. € 94,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 238 Isabel Röcker: Die Pflicht zur rahmenbeschlusskonformen Auslegung nationalen Rechts. 2013. XXIII, 410 Seiten. Geb. € 89,95 237 Maike Kuhn: Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Mehrebenensystem. 2012. XIII, 325 Seiten. Geb. € 79,95 236 Armin von Bogdandy, Ingo Venzke (eds.): International Judicial Lawmaking. 2012. XVII, 509 Seiten. Geb. € 94,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 235 Susanne Wasum-Rainer, Ingo Winkelmann, Katrin Tiroch (eds.): Arctic Science, International Law and Climate Change. 2012. XIX, 374 Seiten. Geb. € 84,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 234 Mirja A. Trilsch: Die Justiziabilität wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte im innerstaatlichen Recht. 2012. XIX, 559 Seiten. Geb. € 99,95 233 Anja Seibert-Fohr (ed.): Judicial Independence in Transition. 2012. XIII, 1378 Seiten. Geb. € 169,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 232 Sandra Stahl: Schutzpflichten im Völkerrecht - Ansatz einer Dogmatik. 2012. XXX, 505 Seiten. Geb. € 94,95 231 Thomas Kleinlein: Konstitutionalisierung im Völkerrecht. 2012. XLII, 940 Seiten. Geb. € 149,95 230 Roland Otto: Targeted Killings and International Law. 2012. XVIII, 661 Seiten. Geb. € 109,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 229 Nele Matz-Lück, Mathias Hong (Hrsg.): Grundrechte und Grundfreiheiten im Mehrebenensystem - Konkurrenzen und Interferenzen. 2012. VIII, 394 Seiten. Geb. € 89,95 228 Matthias Ruffert, Sebastian Steinecke: The Global Administrative Law of Science, 2011. IX, 140 Seiten. Geb. € 59,95 zzgl. landesüblicher MwSt. 227 Sebastian Pritzkow: Das völkerrechtliche Verhältnis zwischen der EU und Russland im Energiesektor. 2011. XXIV, 304 Seiten. Geb. € 79,95 226 Sarah Wolf: Unterseeische Rohrleitungen und Meeresumweltschutz. 2011. XXIII, 442 Seiten. Geb. € 94,95 225 Clemens Feinäugle: Hoheitsgewalt im Völkerrecht. 2011. XXVI, 418 Seiten. Geb. € 89,95 224 David Barthel: Die neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur der Afrikanischen Union. 2011. XXV, 443 Seiten. Geb. € 94,95