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German Pages 562 [568] Year 2008
Certified Rating Analyst herausgegeben von
Dr. Oliver Everling
OldenbourgVerlag MünchenWien
Korrespondierende Webseite: http://www.certified-rating-analyst.eu
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
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Vorwort Dies ist für Ratinganalysten das erste Lehr- und Lernbuch in deutscher Sprache. Nach meinen Recherchen dürfte es auch international kaum einen vergleichbaren Titel geben, zumindest kann ich dies für im Buchhandel befindliche Titel in chinesischer, englischer, französischer, italienischer, persischer, portugiesischer, spanischer, rumänischer und russischer Sprache ausschließen; für Nachforschungen in weiteren Sprachen erwarte ich kaum andere Ergebnisse. Die Aufgaben des „Ratinganalysten“ haben zwar in den Finanzsystemen in Amerika, Asien, Europa und auch in Afrika ihren festen Platz, spiegeln sich aber kaum in der Literatur. Das mag den Studierenden insofern erstaunen, als dass doch Ratingagenturen zumindest in Amerika bereits seit einem Jahrhundert unverändert mit den für sie typischen Symbolen wie AAA oder BB ihre Urteile veröffentlichen. Die führenden wie auch viele andere Agenturen sind in Medienkonzerne eingebunden beziehungsweise gingen aus Verlagen hervor. Die erste Publikation der Ratings von John Moody im Jahre 1909 wurde in der Art eines Buches angeboten, das wichtige Unternehmensdaten und Ratings von Eisenbahngesellschaften enthielt. Schon in den 1920er Jahren nahm John Moody – wie auch andere Agenturen – die Aufgabe des Ratings nicht mehr alleine wahr, sondern bediente sich der Analysten, die dazu besondere Expertise entwickelten. Warum wurden daher nicht schon früher Bücher veröffentlicht, die gezielt der Lehre und Ausbildung im Rating dienten? Obwohl es die international führenden Ratingagenturen Fitch Ratings, Moody’s Investors Service (Moody’s) und Standard & Poor’s (S&P’s) schon in ihren Anfängen auch mit kleineren Konkurrenten und Nachahmern zu tun hatten, zeigte sich bald eine erhebliche Marktkonzentration. Aufgrund kapitalmarktstrukturelle Faktoren war das Ratinggeschäft in den 1950er und 1960er Jahren – unter den Bedingungen des Bretton-Woods-Systems – de facto eine Angelegenheit von wenigen Analysten im „Big Apple“ von New York. Das sollte sich erst ändern, als am 21. Juni 1970 das amerikanische Finanzsystem durch Penn Central (Pennsylvania and New York Central Transportation Company) mit der bis dahin größten Insolvenz der US-Wirtschaftsgeschichte schockiert wurde. Die Zahlungsunfähigkeit dieser Gesellschaft erschütterte nicht nur tausende von Haushalte, die auf das Einkommen angewiesen waren, sondern von noch mehr Anlegern, die Anleihen der Gesellschaft gezeichnet hatten und nun vor dem Verlust ihrer Ersparnisse standen. Ferner brach das am 22. Juli 1944 auf der Konferenz von Bretton Woods (New Hampshire, USA) von 44 Staaten noch während des Zweiten Weltkrieges beschlossene Währungssystem mit festen Wechselkursen 1971 zusammen, so dass die Komplexität der Finanzanalyse auch dadurch rasch anstieg. Ratingagenturen geben Investoren mit ihren Klassifizierungen die notwendigen Hilfestellungen, um die wirtschaftliche Fähigkeit, rechtliche Bindung und Willigkeit von Emittenten zu
VI
Vorwort
untersuchen, ihre zwingend fälligen Zahlungsverpflichtungen stets vollständig und rechtzeitig nachzukommen. Mit ihren Ratings erlauben die Agenturen eine erste Einschätzung auf einen Blick, denn wie eine Schulnote fassen Ratinganalysten die Quintessenz ihrer Beurteilung in einem einzigen Symbol zusammen. Der Grundgedanke des Ratings ist so einfach, dass er buchstäblich jedem Schulkind schnell begreifbar gemacht werden kann. Die Treffgenauigkeit ihrer Urteile ließ die Publikationen der Ratingagenturen schnell auf die Stärke von Telefonbüchern anschwellen. Wie bei Verlagen für Telefon- oder Wörterbücher bestehen auch bei Ratingagenturen erhebliche wirtschaftliche Skaleneffekte in der Konzentration des Wissens und Zusammenführung aller Beurteilungen nach einheitlichen Maßstäben. Für die Konzentration des Ratingmarktes gibt es daher plausible ökonomische Gründe. Noch heute schätzen allein die führenden Agenturen Moody’s und S&P’s, nicht nur rund 80 % der gesamten Weltkapitalströme zu kontrollieren, sondern auch annähernd 80 % des weltweiten Ratingmarktes – gemessen an Umsätzen – auf sich zu vereinigen. Als Fitch Investors Service Ende der 1980er Jahre zudem noch von der Eigentümerfamilie zum Verkauf gestellt wurde, konzentrierten sich die Marktanteile bei Moody’s und S&P’s. Erst Ende der 1990er Jahre gelang es Fitch Ratings, sich nach einer Vielzahl von Fusionen und Übernahmen kleinerer Agenturen im Ausland als dritte Agentur zu positionieren, gefolgt von DBRS aus Kanada. Erst die Wettbewerber Fitch und DBRS brachen das einstige Tabu, die qualifiziertesten Analysten auch von ihren Konkurrenten abzuwerben und sich überlegenes Knowhow einzukaufen. Dadurch veränderte sich der Arbeitsmarkt für Ratinganalysten: Früher fingen sie als „Juniors“ bei Moody’s oder S&P’s an, stiegen zum „Senior“ auf und hatten kaum alternative Aufstiegschancen beim Konkurrenten. Manche verbrachten fast ihr ganzes Arbeitsleben bei einer Agentur, während andere den Verlockungen von Investmentbanken folgten, die mit teils vielfach höheren Gehältern die Analysten aus der „Schule der Agenturen“ abwarben. Eine Ratinganalystenausbildung außerhalb der Hochhäuser Manhattans gab es praktisch nicht. Die Philosophie zumindest der früheren Führungskräfte von Moody’s und S&P’s zielte darauf, Kenntnisse und Verfahrensweisen im Rating in der Art eines Betriebsgeheimnisses zu schützen; angesichts der Gewinne durch hohe Ratinggebühren konnte kaum ein Interesse an der öffentlichen Verbreitung des notwendigen Wissens bestehen. Heute müssen umgekehrt Investmentbanken befürchten, ihre besten Analysten an die Ratingagenturen zu verlieren, da sich die Ausbildung in Ratingfragen unter anderem auch auf agenturexterne Träger verlagert hat. Im historischen Rückblick dürfte der Wende 1989 eine übergeordnete Bedeutung für die Entwicklung der Ratingbranche beigemessen werden. In zentralverwaltungswirtschaftlichen Systemen haben Ratingagenturen kaum Platz: Nur unter marktwirtschaftlichen Bedingungen ist es interessant der Frage nachzugehen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit der Zahlungsunfähigkeit einer wirtschaftlichen Einheit einzuschätzen ist. Wer mit öffentlichen Garantien und staatlich kontrolliert nach Plan arbeitet, für den sind Ratings von marginaler Bedeutung. Ende der 1980er Jahre wurden daher nicht nur in Nord-, Mittel- und Südamerika, sondern auch in Asien, Europa und Afrika Ratingagenturen insbesondere auch in den Ländern gegründet, die unter kommunistischer Führung standen bzw. noch stehen. Obwohl die führenden amerikanischen Agenturen in der letzten Dekade dazu übergegangen sind, diese kleineren Wettbewerber in verschiedenen Ländern aufzukaufen, so dürfte doch die Vermutung einige Plausibilität haben, dass es langfristig nicht bei einem – nach den Lehren der Mikro-
Vorwort
VII
ökonomie – beschränkten Duopol bleiben wird, sondern es zu einem beschränkten Oligopol kommt, in dem auch unabhängige Ratingagenturen in Asien oder sogar in Europa eine Rolle spielen könnten. Angesichts der immensen volkswirtschaftlichen Bedeutung unabhängiger Ratings für die effiziente Allokation der Ressource „Kapital“ darf ferner damit gerechnet werden, dass der Aus- und Weiterbildung von Ratinganalysten nicht nur innerhalb der Ratingagenturen, sondern auch von Seiten der Teilnehmer an den Finanzmärkten sowie der Finanzdienstleistungsaufsicht erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wie bei vielen anderen Berufen könnte auch bei Ratingagenturen der Schlüssel ihres guten Funktionierens in der Qualifikation ihrer Mitarbeiter gesehen werden. Zurzeit gibt es diesbezüglich keinerlei wirksame Kontrolle; die Agenturen sind grundsätzlich in der Wahl der Personen völlig frei, denen sie das Rating von Emittenten überlassen. So ist es kaum ganz auszuschließen, dass im Vorteilhaftigkeitskalkül der erwerbswirtschaftlich geführten und teils börsennotierten Ratingagenturen etwa berufsethische Aspekte der Unternehmensführung zu kurz kommen. Die weltweit von Notenbankpräsidenten und Aufsichtsbehörden artikulierten Forderungen nach einer schärferen Trennung von Rating und Beratung deuten in diese Richtung. Viele der Entwicklungen, die den Bedarf für eine Ausbildung zum „Certified Rating Analyst“ heute offensichtlich machen, waren kaum absehbar, als 1999 in Deutschland die ersten Schritte hin zu einem Ausbildungsangebot gemacht wurden. Insbesondere waren die Konsequenzen der neuen Eigenkapitalvereinbarung für Banken nach Basel II nur grob einschätzbar. Das erste Konsultationspapier war nur wenige Tage alt, als ich mich im Sommer 1999 erstmalig in Frankfurt mit Vertretern des Zentrums für Weiterbildung und Wissenstransfer von der Universität Augsburg traf, um über Inhalte und Ablauf eines Zertifikatskurses zum Ratinganalysten nachzudenken. Schon der dann realisierte, erste Durchgang war ein Erfolg, und bereits aus dem ersten Kurs gingen nicht nur Ratinganalysten, Ratingexperten in Banken und Berater hervor, die ihre Dienste als Rating Advisors Unternehmen zur Verfügung stellen konnten, sondern auch Initiativen für weitere Bildungsangebote zum Rating. Das geschaffene Modell einer Ausbildung zum „Certified Rating Analyst“ fand rasch auch an anderen Hochschulen eine erfolgreiche Entsprechung. Gemeinsam ist diesen Angeboten, dass sie zum Abschluss eines zertifizierten Ratinganalysten führen. Diesen Titel zu pflegen und zu schützen, ist ein Anliegen des Bundesverbandes der Ratinganalysten und Ratingadvisor e. V., der schon 1999 Grundsätze des Unternehmensratings veröffentlichte – also lange bevor US-Agenturen damit begannen, sich mit einem Wohlverhaltenskodex zu befassen. Dass an die Arbeit von Ratinganalysten bestimmte ethische Mindeststandards angelegt werden müssen, darüber besteht inzwischen internationaler Konsens. Hinsichtlich der Umsetzung in die Praxis gehen die Agenturen jedoch unterschiedliche Wege. Unterschiedliche Wege führen auch zu dem inzwischen begehrten Titel des „Certified Rating Analyst“. Da es sich nicht um eine staatlich geschützte Bezeichnung handelt, lockte die Nachfrage leider auch schon Ausbildungsträger an, deren Sachkompetenz umstritten ist; in einem Fall musste gegen den Initiator wegen Betrugs ermittelt werden. Transparenz über die zu vermittelnde Materie, die Inhalte der Prüfungen, den Ablauf der Ausbildungsgänge und die Qualifikation der Referenten trägt – wie das vorliegende Buch – dazu bei, möglichen Entwicklungen von Missständen schon im Keim entgegenzutreten.
VIII
Vorwort
Die Autoren dieses Buches wurden ausschließlich aus dem Kreis erfahrener Referenten und Dozenten gewählt. Damit wird gewährleistet, dass die über Jahre hinweg gewonnenen praktischen Erfahrungen mit dem Kenntnisstand und den Fragen der Teilnehmer von Ausbildungen zum „Certified Rating Analyst“ berücksichtigt werden. In den Teilnehmerkreisen dominieren zwar Praktiker, die zuvor bereits akademische Titel zum Beispiel in den Wirtschaftsoder Rechtswissenschaften erworben haben, jedoch kann die Zusammensetzung doch als heterogen bezeichnet werden: Schon vom Alter her springt hervor, dass nicht nur junge Leute, die beispielsweise ihr Studium als „Diplom-Kaufmann“ bzw. mit einem Mastertitel abgeschlossen und einige Jahre Berufserfahrung in der Finanzwirtschaft gesammelt haben, diesen Titel anstreben, sondern auch erfahrene Banker, Consultants, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer bis hin zu Geschäftsführern mittelständischer Unternehmen. Das vorliegende Buch kann den Besuch eines Ausbildungsganges zum „Certified Rating Analyst“ nicht ersetzen. Es kann auch nicht annähernd alle Unterlagen bereitstellen, die im Zuge der Ausbildung von den Teilnehmern durchgearbeitet werden müssen. Hier bleiben die Ausbildungsträger gefordert, die notwendigen Materialien bereitzustellen. Dieses Buch kann aber einen ersten Überblick über die Materie vermitteln und ein steter Begleiter in der Ausbildung sein, denn hier werden von Dozenten auch Fragen und Lösungsskizzen aufgezeigt, wie sie praktisch Einsatz finden. Mit dem Titel „Certified Rating Analyst“ sind nicht nur diejenigen angesprochen, die eine Tätigkeit als Ratinganalyst anstreben, vielmehr auch alle, die als Rating Advisors mit der Beratung in Ratingfragen befasst sind. Wer Ratingprozesse vorbereiten oder Unternehmen zu einem besseren Rating verhelfen will, muss wissen, worauf es Ratinganalysten in der Praxis ankommt. Wer sich mit den spezifischen Problemstellungen im ratingbezogenen Consulting befassen will, kann darüber hinaus zu dem Titel „Rating Advisory“ greifen, den ich 2003 mit Frau Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner in der Buchreihe von Gabler und der Financial Times Deutschland herausgab. Dieses Buch ist nur durch das Zusammenwirken zahlreicher Personen möglich geworden. An vorderster Stelle danke ich den Autoren, die durch ihre fachlichen Beiträge verschiedene Aspekte des Themas beleuchtet haben, für die Projektbetreuung Frau Sonja Hackling sowie Frau My Linh Trieu von der RATING EVIDENCE GmbH wie auch Herrn Dr. Jürgen Schechler aus der Leitung des Lektorats Wirtschafts- und Sozialwissenschaften beim Oldenbourg Wissenschaftsverlag. Kommentare und Anregungen unserer Leser greifen wir gern auf: Bitte zögern Sie nicht, die Herausgeber per E-Mail an [email protected] zu kontaktieren! Frankfurt im November 2007 Dr. Oliver Everling
Inhaltsübersicht
IX
Inhaltsübersicht Vorwort Abbildungsverzeichnis
V XIII
Tabellenverzeichnis
XVII
Autorenverzeichnis
XIX
1
Grundlagen zum Rating
1
1.1
Konzepte des KMU-Rating im Vergleich ...................................................................3 Beat Bernet, Simone Westerfeld
1.2
Einsatz von Ratingsystemen......................................................................................21 Ottmar Schneck
2
Internes Rating der Banken
2.1
Rating mittelständischer Kunden in der HypoVereinsbank......................................39 Patrick Schmitt
2.2
Bankinternes Rating aus der Sicht einer auf die Unternehmensfinanzierung spezialisierten Bank...................................................................................................51 Marcus Richter
2.3
Inhaltliche Konzeption eines internen Ratingverfahrens und dessen praktische Umsetzung.............................................................................63 Diethard B. Simmert, Rainer Gith, Andreas Stephan Huber
2.4
Wettbewerbsfähig durch internes Rating ..................................................................77 Eberhard Brezski
3
Ratingverfahren unabhängiger Agenturen
3.1
Rating von Industrieunternehmen .............................................................................93 Britta Holt
3.2
Integriertes Kundenrisikomanagement....................................................................105 Michael Munsch
3.3
Das unabhängige Rating der URA Unternehmens Ratingagentur ..........................117 Dieter Pape
37
91
X
Inhaltsübersicht
3.4
Kreditrisikomessung mit Hilfe der Optionspreistheorie ......................................... 129 Christian Thun
3.5
Externes Rating aus Unternehmenssicht................................................................. 143 Heinrich Degenhart
4
Unternehmensanalyse
4.1
Mathematisch-statistische Verfahren und Fuzzy-Expertensysteme ....................... 159 Heinrich Rommelfanger
4.2
Auswirkungen der Rechnungslegungsnorm auf das Ratingergebnis...................... 187 Harald Ewig
4.3
Working Capital Optimierung im Ratingprozess.................................................... 203 Ernst Fahling
5
Ratingansätze und -faktoren
5.1
Branchenrating zur Beurteilung marktspezifischer Risiken ................................... 227 Wolfgang Hauke
5.2
Bewertungsansätze für die industrielle Forschung und Entwicklung..................... 239 Eike Böhm
5.3
Innovationsstärke eines Unternehmens – Messkriterien und Bedeutung für das Ratingergebnis............................................................................................. 247 Ottmar Schneck, Bernhard Drüner
5.4
Bewertung gewerblicher Schutzrechte.................................................................... 259 Alexander Wurzer
5.5
Nachhaltigkeitsrating .............................................................................................. 283 Matthias Bönning
6
Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
6.1
Bilanzratings bei der Vergabe hybrider Finanzinstrumente ................................... 299 Jörg Baetge, Thorsten Melcher, Christian Thun
6.2
Mezzanine Kapital und dessen Bedeutung im Rahmen von Ratings...................... 325 Frank Golland, Lars Gehlhaar
6.3
Programm-Mezzanine zur Steigerung des wirtschaftlichen Eigenkapitals mittelständischer Unternehmen............................................................................... 343 Ingo Natusch
7
Credit Research und Rating
7.1
Bonitätsanalyse für die Kapitalmarktanlage ........................................................... 363 Klaus Holschuh
7.2
Qualität von Ratings – ein marktorientierter Ansatz .............................................. 379 Hans-Ulrich Templin
157
225
297
361
Inhaltsübersicht
XI
8
Operative und strategische Aspekte des Ratings
389
8.1
Ratingprognosen und simulationsbasierte Ratings .................................................391 Werner Gleißner
8.2
Entwicklung einer Ratingstrategie ..........................................................................407 Werner Gleißner
8.3
Sanierung und Rating: Eine interessante Wechselbeziehung .................................425 Wolfgang Nölle, Barbara Schwab
8.4
Rating und Kommunikation ....................................................................................445 Rudolf Schüller
8.5
Finanz- und Kapitalmarktkommunikation der Sparkassen-Finanzgrupppe – Rolle und Bedeutung des Ratings ...........................................................................455 Thomas Keidel, Barbara Schwab
9
Prüfungsfragen zum Ratingadvisor und Ratinganalyst mit Lösungshinweisen Armin Jäger
475
XII
Inhaltsübersicht
Abbildungsverzeichnis
XIII
Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1.1:
Basisbausteine von Ratingmodellen .................................................................10
Abb. 1.2-1:
Eingabemaske bei der Ratingsoftware R-CockpitTM ........................................25
Abb. 1.2-2:
Auswertungsmaske der Ratingsoftware R-CockpitTM ......................................27
Abb. 1.2-3:
Exemplarische Daten für Gini-Test ..................................................................33
Abb. 2.1-1:
Die Ratingklassen der HypoVereinsbank .........................................................41
Abb. 2.1-2:
Maja-Modelle in der HVB ................................................................................42
Abb. 2.1-3:
Schematischer Aufbau Scoring/Rating Geschäftskunden ................................43
Abb. 2.1-4:
Schematischer Aufbau Mittelstandsrating ........................................................44
Abb. 2.1-5:
Softfacts im Mittelstandsrating.........................................................................45
Abb. 2.2-1:
Aufbau des IKB-Mittelstandsratings ................................................................54
Abb. 2.2-2:
Kennzahlendefinitionen ....................................................................................55
Abb. 2.2-3:
Qualitative Beurteilungsparameter und Analysetiefe .......................................57
Abb. 2.4-1:
Grundstruktur eines internen Ratings ...............................................................80
Abb. 2.4-2:
Die typische Ratingstruktur im deutschen Mittelstand ...................................86
Abb. 3.2-1:
Insolvenzverfahren in Deutschland ................................................................108
Abb. 3.2-2:
Die drei Säulen des Risikomanagement-Prozesses der Unternehmensgruppe Creditreform ..........................................................109
Abb. 3.2-3:
Beispielhafte Klassifizierung der Ratingklassen des Bonitätsindex...............111
Abb. 3.2-4:
Sichere Liquidität durch Factoring .................................................................113
Abb. 3.4-1:
Pay-off Funktion eines Fremdkapitalgebers ...................................................131
Abb. 3.4-2:
Pay-off Funktion eines Eigenkapitalgebers ....................................................133
Abb. 3.4-3:
Zusammenhänge im Modell ...........................................................................135
Abb. 3.4-4:
Kalibrierungsfunktion .....................................................................................137
Abb. 3.4-5:
Verlauf der 1-Year EDF™ (2002–2007) .......................................................138
Abb. 3.4-6:
Verlauf von Unternehmenswert (Asset Value) und Default-Point (2002–2007) ...................................................................................................138
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 3.4-7:
Vergleich der 1 Year EDF™ mit dem Median bzw. Quartilen der Branche (2002–2007)................................................................................................... 139
Abb. 3.5-1:
Entscheidungsbaum zum Rating .................................................................... 147
Abb. 4.1-1:
Zweifache univariate Diskriminanzanalyse.................................................... 162
Abb. 4.1-2:
Lineare Multivariate Diskriminanzanalyse .................................................... 163
Abb. 4.1-3:
Normalverteilte Diskriminanzvariable YA und YB ..............................................164
Abb. 4.1-4:
Verschiedene Yi*-Verteilungen ...................................................................... 166
Abb. 4.1-5:
Entscheidungsbaum für die Vergabe eines Privatkredits ............................... 168
Abb. 4.1-6:
Dendogramm .................................................................................................. 172
Abb. 4.1-7:
Architektur von Expertensystemen ................................................................ 174
Abb. 4.1-8:
Hierarchisches Bewertungssystem „Materielle Kreditwürdigkeit“................ 176
Abb. 4.1-9:
Beschreibung linguistischer Bewertungen durch disjunkte Intervalle ........... 177
Abb. 4.1-10: Trapezförmige Fuzzy-Intervalle ..................................................................... 178 Abb. 4.1-11: Empirische Ermittlung der Zugehörigkeitsfunktionen ................................... 179 Abb. 4.1-12: Subaspekte des Analysefelds „Eigenkapital“ ................................................. 179 Abb. 4.1-13: Fuzzy-Beurteilung des Analysefelds „Eigenkapitals“.................................... 182 Abb. 4.1-14: Hierarchische Beurteilung der materiellen Kreditwürdigkeit ........................ 182 Abb. 4.2-1:
Informationsbasis............................................................................................ 188
Abb. 4.2-2:
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen IFRS und HGB .................... 197
Abb. 4.2-3:
Veränderungen nach IFRS-Umstellung.......................................................... 197
Abb. 5.1-1:
Prognosehierarchie der Länder....................................................................... 231
Abb. 5.1-2:
Prognosehierarchie der Branchenmodule....................................................... 232
Abb. 5.1-3:
Branchenmodul Einzelhandel......................................................................... 233
Abb. 5.1-4:
Zusammenfassende Darstellung im Branchendossier .................................... 237
Abb. 5.2-1:
Zusammenspiel des „was?“, „wie?“ und „wer?“ in einer Forschung & Entwicklung................................................................................................ 240
Abb. 5.2-2:
Zeitliche Verfügbarkeit des Projektportfolios einer Forschung & Entwicklung................................................................................................ 241
Abb. 5.2-3:
Exemplarische Darstellung eines standardisierten Entwicklungsablaufs....... 242
Abb. 5.1-4:
Kriterien für ein erfolgreiches Projektmanagement in einer Forschung & Entwicklung................................................................................................ 243
Abb. 5.1-5:
Schritte zum Finden externer Innovationspartner .......................................... 244
Abbildungsverzeichnis
XV
Abb. 5.2-6:
Beispiele für Checklistenpunkte zur Ermittlung der Güter einer Forschung & Entwicklung ................................................................................................245
Abb. 5.2-7:
Kategorien der Güte von Forschungs- und Entwicklungsorganisationen ......246
Abb. 5.3-1:
Zusammenhang Ratingbewertung und Innovationspotential .........................249
Abb. 5.4-1:
Wahrscheinlichkeitsverteilung der Werte in einem Patent-Portfolio .............272
Abb. 5.5-1:
Grundlegende Struktur des Ratings ................................................................288
Abb. 5.5-2:
Beispiel Detailkriteriologie.............................................................................290
Abb. 5.5-3:
Ratingprozess..................................................................................................291
Abb. 6.1-1:
Kennzahlen Moody’s KMV RiskCalc® v1.0..................................................305
Abb. 6.1-2:
Das deutsche RiskCalc-Modell v1.0...............................................................305
Abb. 6.1-3:
Übersicht hybrider Finanzinstrumente............................................................309
Abb. 6.1-4:
Übersicht über die Bilanzen und GuV des fiktiven Unternehmens in den Jahren 2003–2005 ...............................................................................314
Abb. 6.1-5:
Kurzgliederungsschema Moody’s KMV RiskCalc v1.0 ................................315
Abb. 6.1-6:
PD-Verlauf 2003–2005 ..................................................................................316
Abb. 6.1-7:
Entwicklung der PD in den Jahren 2003–2005..............................................316
Abb. 6.1-8:
Kennzahlen des Musterunternehmens ............................................................317
Abb. 6.1-9:
Positiver Kapitalstruktur-Effekt......................................................................318
Abb. 6.1-10: Positiver Zins- und Steuereffekt .....................................................................318 Abb. 6.2-1:
Einordnung von Mezzanine Kapital zwischen Eigen- und Fremdkapital ......327
Abb. 6.2-2:
Rechtliche Gestaltungsformen für Mezzanine Kapital...................................327
Abb. 6.2-3:
Vergütungsbausteine Mezzanine Kapital – Individuelle Gestaltbarkeit ........330
Abb. 6.2-4:
Varianten des Kickers .....................................................................................331
Abb. 6.2-5:
Einsatzmöglichkeiten für Mezzanine..............................................................332
Abb. 6.2-6:
Ablösung des Gesellschafterdarlehens durch Mezzanine Kapital..................335
Abb. 6.2-7:
Durchschnittliche Gesamtverzinsung 2002 bis 2006.....................................337
Abb. 6.2-8:
Durchschnittliche Gesamtverzinsung der Jahre 2000 bis 2006 im Rahmen von europäischen LBO-Transaktionen ...........................................................338
Abb. 6.2-9:
Rating und Mezzanine Kapital .......................................................................338
Abb. 6.3-1:
Programm-Mezzanine seit 2004 .....................................................................347
Abb. 6.3-2:
Beurteilung von Mezzanine-Kapital im internen Ratingverfahren der Kreditinstitute ...........................................................................................352
Abb. 7.1-1:
Zweistufige Analyse .......................................................................................365
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abb. 7.1-2:
Vom Dateninput zum Rating.......................................................................... 366
Abb. 7.1-3:
Von der Bonitätsanalyse zur Einzelwertempfehlung ..................................... 367
Abb. 7.1-4:
Ratingentwicklung von Ahold........................................................................ 368
Abb. 7.1-5:
Zusammensetzung des Spreads ...................................................................... 371
Abb. 7.1-6:
Tausch vergleichbarer Anleihen zweier Emittenten....................................... 371
Abb. 7.1-7:
Tausch zweier Anleihen eines Emittenten unterschiedlicher Laufzeit........... 372
Abb. 7.1-8:
Beispiel für einen Relative-Value-Trade........................................................ 375
Abb. 7.1-9:
Beispiel eines (negativen) Basis-Trades......................................................... 376
Abb. 7.2-1:
Spreadniveaus nach Laufzeiten und Rating.................................................... 381
Abb. 7.2-2:
Überrenditereaktionen bei Ratingänderungen und Watchlistings.................. 382
Abb. 7.2-3:
Verlauf der Creditspreads im Euromarkt........................................................ 383
Abb. 7.2-4:
Anleihen des A-Segmentes (September 2003)............................................... 384
Abb. 7.2-5:
Anleihen des BBB-Segmentes (September 2003).......................................... 385
Abb. 7.2-6:
Anleihen des BBB-Segmentes (August 2007) ............................................... 386
Abb. 8.1-1:
Ratingkriterien ................................................................................................ 393
Abb. 8.1-2:
Finanzkennzahlen (Beispiel) .......................................................................... 394
Abb. 8.1-3:
Darstellung des Rating-Cockpits am Beispiel der Rüsselsheimer Spritzguss GmbH ............................................................. 395
Abb. 8.1-4:
Entwicklung der Eigenkapitalquote mit risikobedingter Bandbreite ............. 397
Abb. 8.1-5:
Methodik der Risikosimulation ...................................................................... 400
Abb. 8.1-6:
Verteilungsfunktion des Gewinns .................................................................. 400
Abb. 8.1-7:
Ratingprognose mit risikobedingten Bandbreiten .......................................... 403
Abb. 8.2-1:
Elemente eines Rating-Advisory-Projekts von FutureValue Group AG ....... 410
Abb. 8.2-2:
Kernbereiche der Unternehmensstrategie....................................................... 413
Abb. 8.2-3:
Durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeiten der Risiken.......................... 416
Abb. 8.2-4:
Maßnahmen zur Optimierung des Ratings ..................................................... 420
Abb. 8.4-1:
Darstellung der Ursachen für Kreditausfälle .................................................. 452
Tabellenverzeichnis
XVII
Tabellenverzeichnis Tab. 4.1-1:
Bewertung der „Änderung der Vorrate“.........................................................175
Tab. 4.1-2:
Regelsatz Eigenkapital....................................................................................180
Tab. 4.1-3:
Relevante Regeln zu Bewertung des Analysefelds „Eigenkapital“................181
Tab. 4.1-4:
Übersicht über Ratingsysteme ........................................................................184
Tab. 5.1-1:
Gewichte zur Summierung über die Jahre......................................................235
Tab. 5.1-2:
Gewichtungen der Kriterien............................................................................235
Tab. 5.1-3:
Ergebnisdarstellung mit Bewertung der Einzelindikatoren für eine Branche..............................................................................................236
Tab. 5.4-1:
Übersicht der Schutzrechte in Deutschland und jeweilige Rechtsgrundlage .......................................................................265
Tab. 5.4-2:
Risikostruktur und typische Einflussfaktoren bei der Bewertung gewerblicher Schutzrechte ..............................................................................273
Tab. 6.3-1:
Übersicht Programm-Mezzanine (I) ...............................................................348
Tab. 6.3-2:
Übersicht Programm-Mezzanine (II)..............................................................349
Tab. 6.3-3:
Insolvente Nutzer von Programm-Mezzanine ................................................354
Tab. 7.1-1:
Beispiele für unterschiedliche Ausstattungsmerkmale von Anleihen ............370
Tab. 7.2-1:
Regressionsergebnisse ....................................................................................385
Tab. 7.2-2:
Regressionsergebnisse incl. HI-SCORE.........................................................387
XVIII
Tabellenverzeichnis
Autorenverzeichnis
XIX
Autorenverzeichnis Baetge, Jörg Herr Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge ist seit 2002 Leiter eines Forschungsteams an der Universität Münster und Honorarprofessor der Universität Wien. Davor war er ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Frankfurt/M. (1972), Wien (1977) und von 1980 bis zu seiner Emeritierung in 2002 als Direktor des Instituts für Revisionswesen der Universität Münster. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, in zwei Arbeitskreisen der Schmalenbach Gesellschaft für Betriebswirtschaft (AKEU und AKEIÜ), in zwei Arbeitskreisen der Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA), in einem Arbeitskreis des Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) sowie in zwei Ausschüssen des Vereins für Socialpolitik („Unternehmenstheorie“ und „Unternehmensrechnung“). Bernet, Beat Herr Prof. Dr. Beat Bernet studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Zürich, wo er auch promovierte. Nach Tätigkeiten in einer internationalen Unternehmensberatungsfirma und einer grossen Privatbank widmete er sich ab 1983 dem Aufbau seiner Unternehmensgruppe im Bereich Unternehmensberatung für Finanzinstitutionen und Technologiemanagement. Er ist im Verwaltungsrat von börsenkotierten Banken sowie von Technologiefirmen aktiv, darunter auch als Präsident der Zuger Kantonalbank. An der Universität St.Gallen habilitierte er sich als Privatdozent für Bankbetriebslehre; 1996 wurde er als ordentlicher Professor auf den Bankenlehrstuhl der HSG berufen. Er ist geschäftsführender Direktor des Schweizerischen Instituts für Banken und Finanzen der HSG. 1999–2001 führte er die Betriebswirtschaftliche Abteilung der Universität als Dekan. Herr Prof. Dr. Bernet ist Autor zahlreicher Publikationen zu bank- und finanzwirtschaftlichen Themen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Strukturwandel im Finanzwesen, Wettbewerbsstrategie von Finanzinstitutionen sowie Wertschöpfungs-/Geschäftsmodelle von Banken und Versicherungen.
XX
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Böhm, Eike Herr Dr. Eike Böhm ist Leiter des Produktentwicklungsbereiches „Chassis Components“ innerhalb der Entwicklungsorganisation von Daimler Trucks. Er ist Lehrbeauftragter der Hochschule Esslingen, Mitglied der Jury des deutschen Project Excellence Awards, sowie Senior Industrial Fellow des European Institute for Technology and Innovation Management (EITIM). Außerdem ist er Beirat der protics GmbH und Mitglied des Forschungsbeirats der Gesellschaft für Projektmanagement. Herr Dr. Böhm hat sich während seiner gesamten beruflichen Laufbahn mit Innovationsmanagement beschäftigt und dabei besonders mit der Frage, welchen Einfluß die Güte einer F&EOrganisation auf den Wert des Gesamtunternehmens ausübt. Bönning, Matthias Herr Matthias Bönning ist Head of Research und Vorstandsmitglied der oekom research AG, einer der weltweit führenden Nachhaltigkeits-Ratingagenturen. Zudem fungiert er seit 2004 als Lehrbeauftragter an der Technischen Universität München und an der Universität Augsburg. Nach einer Berufsausbildung zum Bankkaufmann im Bankhaus Sal. Oppenheim studierte er Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln und am Western State College of Colorado, USA. Seit 1998 ist er für die oekom research AG tätig.
Brezski, Eberhard Herr Dr. Eberhard Brezski studierte Betriebswirtschaftslehre an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main. Im Anschluss war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Marketing der Johann Wolfgang Goethe-Universität tätig und schloss diese Tätigkeit mit einer Promotion über die Thematik Competitor Intelligence ab. Anschließend arbeitete er mehrere Jahre international als Unternehmensberater mit Schwerpunkten im Strategiemanagement, Controlling und Geschäftsprozessmanagement. Seit 1996 ist er bei der NORD/LB tätig und wurde dort mit diversen Führungsaufgaben betreut. Diese umfassten unter anderem die Leitung der Unternehmensberatung, der Privatisierungsberatung und eines Teilprojektes zu Basel II. Seit 2004 widmet er sich der Konzipierung, Markteinführung und Betreuung des Mezzanine-Programmes der NORD/LB. Darüber hinaus war Herr Dr. Brezski lange Jahre als Lehrbeauftragter für Investition und Finanzierung an der Fachhochschule Osnabrück tätig. Neben seiner beruflichen Tätigkeit ist er Verfasser mehrerer Bücher sowie diverser Fachbeiträge zum Thema Basel II, Rating und Mezzanine. Ferner ist er an verantwortlicher Stelle ehrenamtlich in Fördervereinen und in der Kommunalpolitik tätig.
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Degenhart, Heinrich Herr Prof. Dr. Heinrich Degenhart lehrt und forscht an der Leuphana Universität Lüneburg im Bereich der Finanz- und Bankwirtschaft und ist dort Vizepräsident für Finanzentwicklung. Im Nebenamt ist er Mitglied des Vorstands des Verbands Deutscher Treasurer (VDT) e.V. und wissenschaftlicher Leiter der Ausbildung zum Certified Corporate Treasurer (CCT). Für den VDT hat Herr Degenhart diverse Arbeitskreise und Veranstaltungen zum Thema Rating begleitet. Außerdem ist er Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Investor Relations Verbands e.V. DIRK. Vor der Tätigkeit als Hochschullehrer war Herr Degenhart als Controller in der Zentrale und Direktor und Leiter des Firmenkundengeschäfts im Filialbereich einer deutschen Großbank tätig. Drüner, Bernhard Nach einer Trainee-Ausbildung hat Herr Bernhard Drüner 10 Jahre diverse Assistenz- und Führungsaufgaben in der Öffentlichkeitsarbeit und Vertriebsorganisation bei einem der weltweit führenden Automobil- und Technologiekonzerne übernommen. Anschließend war er über 6 Jahre als Geschäftsführer und Vorstand von Beteiligungsgesellschaften mit der Gründung, Finanzierung und Beratung von Technologie- und Wachstumsunternehmen befasst. Seine umfangreichen Praxiserfahrungen im Aufbau, der Führung und Finanzierung mittelständischer Unternehmen setzt er heute in der von ihm gegründeten Beratungsgesellschaft QualiSafe GmbH mit Sitz im Schweizerischen Adligenswil ein. Die QualiSafe GmbH unterstützt ihre Kunden bei der Vorbereitung und Durchführung von Firmenkäufen und -verkäufen, dem Management von Beteiligungsgesellschaften sowie der Führung von Franchisesystemen. Zusätzlich zu einem Diplomstudium der Verwaltungswissenschaften an der Universität Konstanz hat Herr Drüner ein MBA-Studium (Master of Business Administration) an der Steinbeis Universität Berlin absolviert.
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Ewig, Harald Seit mehr als 25 Jahren ist die Beratung und Prüfung mittelständischer Unternehmen im Fokus der beruflichen Tätigkeit von Herrn Harald Ewig, als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Seit 3 Jahren leitet er als Partner bei PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Düsseldorf den Bereich „Unternehmen Mittelstand“ für die Region Nordrhein-Westfalen sowie das Kompetenzcenter „Kooperationen und Verbundgruppen“ und verfügt über umfangreiche Kenntnisse in der Prüfung und Beratung von Handelskooperationen. Neben zahlreichen Referententätigkeiten ist Herr Ewig Lehrbeauftragter an der Bergischen Universität Wuppertal. Zu seinen Publikationen im Bereich Kooperationen gehört das Werk: „Das Management von Verbundgruppen“ (zusammen mit Prof. Dr. Günter Olesch). Herr Ewig arbeitete an mehreren Studien mit, darunter: „Unternehmenskooperation – Auslauf – oder Zukunftsmodell?“ In Kooperation mit dem F&C. Dabei stellt neben der klassischen Jahresabschlussprüfung die Strategische Beratung, Nachfolgeberatung, die Beratung zur Errichtung von Risikomanagementsystemen und die Prüfung von Ratingsystemen den Tätigkeitsschwerpunkt dar. Fahling, Ernst Herr Prof. Dr. Ernst Fahling hat ein VWL-Studium abgeschlossen, mit Promotion sowie Forschungsaufenthalt an der University of California, Berkeley. Treasury-Verantwortung im Ford-Konzern und in der DaimlerChrysler AG, zuletzt als Direktor Konzern-Treasury. Mitgründer und Gesellschafter einer Privatbank. Gründung von Finanz-Consulting-Gesellschaften. Ab 2002 Leitung des Studiengangs Finanz- und Anlagemanagement an der International School of Management (ISM), Dortmund. Vorstandsmitglied Institut für Rating und Corporate Finance im Mittelstand.
Gehlhaar, Lars Herr Gehlhaar gehört dem Führungsteam von M Cap Finance seit der Gründung als Partner an. Zuvor war Herr Gehlhaar mehrere Jahre Team Leader im Bereich Private Equity bei der KPMG in Frankfurt. Dort begleitete er als verantwortlicher Prokurist Management Buy-outs, Wachstumsfinanzierungen sowie Mezzanine- und Fremdkapitalstrukturierungen. Davor hat Herr Gehlhaar unterschiedliche Führungspositionen im Mannesmann-Konzern im In- und Ausland besetzt. Herr Gehlhaar hat Wirtschaftswissenschaften an der GerhardMercator-Universität Duisburg (Diplom-Kaufmann) studiert und ist Industriekaufmann.
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Gith, Dr. Rainer Herr Dr. Rainer Gith studierte von 1992–1997 Rechtswissenschaften mit Schwerpunkt Gesellschaftsrecht/Steuerrecht an der Westfälischen Wilhelms Universität in Münster. Nach Beendigung des Referendariates im Jahre 2000 promovierte Herr Dr. Gith bei Prof. Hoeren an der Universität Münster im Europäischen Kartellrecht. Anschließend war Herr Dr. Gith für verschiedene Wirtschaftskanzleien, zuletzt für die Kanzlei Brinkmann & Partner als Wirtschaftsanwalt tätig. Im Zuge seiner anwaltlichen Tätigkeit hat Herr Dr. Gith eine Vielzahl von Finanzierungsvorhaben für mittelständische Unternehmen begleitet. Seit April 2007 ist Herr Dr. Gith als Geschäftsführender Gesellschafter für die auf Unternehmensfinanzierung und Rating spezialisierte GDS Finance Concept GmbH in Düsseldorf tätig. Gleißner, Werner Herr Dr. Werner Gleißner ist Vorstand der FutureValue Group AG in Leinfelden-Echterdingen. Er ist Dipl. Wirtschaftsingenieur und hat an der Universität Karlsruhe in Volkswirtschaftslehre promoviert. Seine Beratungsschwerpunkte liegen im Bereich Risikomanagement, Rating und Strategieentwicklung sowie der Weiterentwicklung von Methoden der Risikoaggregation und der wertorientierten Unternehmenssteuerung. Er nimmt Lehraufträge an den Universitäten Stuttgart, Hohenheim sowie an der European Business School wahr. Herr Dr. Gleißner ist Autor zahlreicher Fachbücher und Artikel. Seine Forschungsschwerpunkte sind Bewertungs- und Entscheidungsverfahren bei Unsicherheit und unvollkommenen Kapitalmärkten. In diesem Kontext hat er spezielle Verfahren für die Bewertung und wertorientierte Steuerung von Beteiligungen von Konzernen und Private Equity Gesellschaften entwickelt und umgesetzt. Golland, Frank Herr Dr. Frank Golland ist Senior Partner und Mitbegründer von M Cap Finance. Zuvor war Herr Dr. Golland Partner und Head of Private Equity im Bereich Corporate Finance der KPMG. Bei der WestLB im Geschäftsbereich Equity Investments leitete Herr Dr. Golland zuvor als Direktor zahlreiche Beteiligungs- und Mezzanine-Projekte. Zudem war er Geschäftsführer der Beteiligungsgesellschaft der WestLB, Equity & Mezzanine Solutions und Manager im Bereich Private Equity bei der Dresdner Kleinwort Benson Group. Herr Dr. Golland ist Bankkaufmann und hat Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Köln, Los Angeles und Wien (DiplomKaufmann) studiert und promoviert. Zudem hält er einen International Master of Science und einen MBA.
XXIV
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Hauke, Wolfgang Herr Prof. Dr. Wolfgang Hauke ist Professor an der Hochschule Kempten, University of Applied Sciences, Fakultät für Betriebswirtschaft. Nach der wissenschaftlichen Tätigkeit an der Universität Augsburg war er im Bereich Banken (Bayerische Vereinsbank) und bei Feri Rating & Research GmbH angestellt. Bei Feri verantwortlich als Abteilungsdirektor für den Bereich Zinsprognosen und Rating. Seit 2004 Vorstand des Kompetenzzentrums für Unternehmensentwicklung und -beratung (KUBE e.V.).
Holschuh, Klaus Herr Klaus Holschuh ist Direktor der DZ BANK und leitet den Bereich Research und Volkswirtschaft, in dem – direkt dem Vorstand unterstellt – alle Researchaktivitäten der Bank zusammengefasst sind. Der diplomierte Volkswirt studierte in Heidelberg und Mannheim und war zwölf Jahre Leiter des Fixed-Income-Research der Commerzbank, bevor er 1999 zur genossenschaftlichen Zentralbank kam. Herr Holschuh ist Vorstand der Takarekbank, der ungarischen Genossenschafts-Zentralbank in Budapest, Schatzmeister der DVFA, der deutschen Berufsvereinigung der Investment Professionals, und im Vorstand der Gesellschaft für Bankhistorische Forschung. Holt, Britta Frau Dr. Britta Holt ist Direktor bei Fitch Ratings. Sie ist seit 2002 für Fitch in London als Analystin tätig und verfolgt dort europäische Healthcare- und Konsumgüterunternehmen. Von 2000 bis 2002 war Britta Holt bei Standard & Poor’s in Frankfurt/Main tätig. Sie hält einen Doktortitel für Betriebswirtschaftslehre an der UniversitätGesamthochschule Essen. Vor ihrer Promotion studierte Frau Dr. Holt an der Universität Passau Betriebswirtschaftslehre.
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Huber, Andreas Herr Diplom-Ökonom Dr. Andreas Stephan Huber hat sein Studium an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg mit den Schwerpunkten Unternehmensführung, Wirtschaftprüfung, Controlling und Steuerrecht abgeschlossen. Anschließend Gesamtprojektleiter im Bereich Risikomanagement beim Verband der Vereine Creditreform e.V., Neuss. Mitwirkung bei der Gründung der Creditreform Ratingagentur und federführend verantwortlich für die Entwicklung interner Ratingsysteme. Hierzu zählten das Interne Ratingsystem des Verband Deutscher Bürgschaftsbanken e.V., das Scoringsystem für das gewerbliche Retailportfolio der VW Financial Services GmbH sowie das Ratingsystem des Internationalen Bankhaus Bodensee AG; 2004 bis 2007 Leiter des Bereichs Kreditrisiko- und Portfolioanalysen. Seit Mitte 2007 Mitglied in der GDS-Unternehmensgruppe und Partner in der GDS Finance Concept GmbH. Hier zeichnet er verantwortlich für die Themen Risikomanagement, Unternehmensbewertung, Entwicklung von Ratingsystemen und alternative Finanzierungsformen für den Mittelstand. Externe Promotion am Lehrstuhl Finanzwirtschaft und Banken an der Universität Duisburg-Essen. Das ecfs (european center for financial services) verlieh Herrn Dr. Andreas Huber für seine Dissertation 2006 den Nationalbankpreis. Jäger, Armin Armin Jäger ist Institutsleiter von RaFIn – Rating & Finance Institute, einem Transfer Institut der Steinbeishochschule Berlin, sowie Geschäftsführer des „Bundesverbandes der Ratinganalysten und Ratingadvisor e.V.“. Außerdem betreut er als Tutor die Ratingausbildung der Europäischen Fernhochschule Hamburg. Er ist von Hause aus Banker und war lange Jahre als Geschäftsbereichsleiter und Direktor einer großen Zentralbank für den Bereich „IT – Organisation und Verwaltung“ verantwortlich. Als Geschäftsführer hat er einige Tochterfirmen aufgebaut und geleitet. Er war Gründer und Vorstandssprecher einer Unternehmensberatung im Bankenumfeld. Als erfahrener Unternehmer begleitet er insbesondere den Aufbau und die Organisation neuer Unternehmen.
XXVI
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Keidel, Thomas Herr Dr. Thomas Keidel ist Leiter der Abteilung Financial Market Relations im Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Zuvor hat er über fünf Jahre eine Beteiligungsgesellschaft der Freien Sparkassen aufgebaut und als Geschäftsführer geleitet. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann und Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg hat er seine Promotion an der European Business School in Oestrich-Winkel abgeschlossen. Im Anschluss arbeitete Herr Dr. Keidel im Inhaberbüro sowie im Bereich Corporate Finance bei M.M. Warburg & CO. Er war von 1991 bis 1998 Deputierter der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg. Herr Dr. Keidel war Mitglied in verschiedenen Aufsichtsräten und Beiräten mittelständischer deutscher Unternehmen. Er verfügt über zahlreiche internationale Bankerfahrungen. Melcher, Thorsten Herr Dipl.-Ök. Thorsten Melcher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsteam von Prof. Dr. Dr. h.c. Baetge an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Munsch, Michael Herr Dr. Michael Munsch ist im Vorstand der Creditreform Rating AG, eine führende Ratingagentur für mittelständische Unternehmen. Herr Dr. Munsch studierte Finanzwirtschaft an der Gesamthochschule Essen. Er promovierte im Bereich des internationalen Finanzrisikomanagements. Herr Dr. Michael Munsch wurde im August 2000 zum Vorstand der Creditreform Rating AG bestellt. Zuvor war er Leiter des Zentralbereichs Risikomanagement des Verbandes der Vereine Creditreform e.V. und Mitglied der Geschäftsleitung. Nach Abschluss seines Studiums war er im Bereich Firmenkundenbetreuung bei einer Großbank tätig. Daran schloss sich eine Tätigkeit in der Finanzabteilung eines internationalen Konzerns an.
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XXVII
Natusch, Ingo Herr Dr. Ingo Natusch hat nach Banklehre und Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Münster promoviert. Von 1995–2000 war er bei der Deutschen Bank beschäftigt (Projekt „Begleitung innovativer wachstumsstarker Technologieunternehmen“, Begleitung schwergängiger Kreditengagements und Leiter Corporate Finance/Geschäftssteuerung). Seit 2000 ist er bei der IKB Deutsche Industriebank tätig. Dort war er zunächst für das Krisenmanagement des Geschäftsfelds Private Equity verantwortlich. Zurzeit ist er Teamleiter im Bereich Risikomanagement (Risikoanalyse und Betreuung schwergängiger Engagements aus dem Bereich Akquisitionsfinanzierung). Nebenher übernimmt er Dozenten-/Autorentätigkeiten und ist Mitglied des Beirats der Zeitschrift FinanzBetrieb. Nölle, Wolfgang Herr Diplom-Ingenieur Wolfgang Nölle ist geschäftsführender Gesellschafter der Nölle Management GmbH. Er ist seit 20 Jahren in der Sanierung von mittelständischen Unternehmen tätig. Parallel hat er einen eigenen Seminarbereich aufgebaut, der sich zum Ziel gesetzt hat, Führungskräfte in mittelständischen Unternehmen für die Zukunftssicherung auszubilden. Hier hat er eine eigene Lehrmethode entwickelt. Er ist Mitautor des Buches: Mittelstand hat Zukunft – Praxishandbuch für eine erfolgreiche Unternehmenspolitik –, erschienen im Gabler und Deutscher Sparkassen Verlag. Pape, Dieter Herr Dieter Pape, Jahrgang 1949, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, ist Seniorpartner in den Sozietäten Pape & Co. GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft, München und Traunstein. Seit 1975 ist er in der betriebswirtschaftlichen, wirtschaftsrechtlichen und steuerlichen Beratung kleiner und mittlerer Unternehmen tätig. Er übt seit 1989 Aufsichts- und Beiratsmandate bei Aktiengesellschaften wie auch bei Familiengesellschaften verschiedener Rechtsformen aus. Seit Juli 1998 ist er Aufsichtsratsvorsitzender der URA Unternehmens Ratingagentur AG, München. Als Vorstandmitglied des BdRA Bundesverband der Ratinganalysten und Ratingadvisor e.V. 1999 bis 2007 und Mitglied der DVFA-Kommission für Ratingstandards, als Leiter der Arbeitsgruppe „Input“ seit 2000, wirkt er daran mit, einen einheitlichen Standard für das Mittelstandsrating zu schaffen.
XXVIII
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Rommelfanger, Heinrich Herr Prof. Dr. Heinrich J. Rommelfanger ist seit 1976 Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsmathematik im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der J. W. Goethe-Universität Frankfurt am Main. Nach Abschluss des Studiums der Mathematik und Physik arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten in Saarbrücken und Heidelberg auf den Gebieten Statistik, Entscheidungstheorie, Mathematische Wirtschaftstheorie, Ökonometrie, Mathematische Optimierung und deren Anwendungen auf ökonomische Fragestellungen. 1971 berief in die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität des Saarlandes in den neu gegründeten Lehrstab. Herr Prof. Rommelfanger hat neben 16 Monographien mit z. T. mehrfachen Auflagen über 90 Aufsätze in referierten Zeitschriften und internationalen Sammelbänden veröffentlicht. Seit 1984 arbeitet er auf dem Gebiet der Fuzzy-Mengentheorie und ist ein international anerkannter Experte in Fuzzy-Entscheidungstheorie und Fuzzy-Optimierung. Mit dem Thema Kreditwürdigkeitsprüfung beschäftigt sich Herr Prof. Dr. Rommelfanger seit 20 Jahren; die innovativen Fuzzy-Expertensysteme basieren auf seinen Publikationen. Ein weiteres aktuelles Forschungsgebiet ist die Messung und Aggregation operationeller Risiken. Richter, Marcus Herr Dr. Marcus Richter ist Direktor im Marktbereich Firmenkunden Inland der IKB Deutsche Industriebank AG und leitet dort die Abteilung Förderbanken und Produkte. Die Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen in der Betreuung des Förder- und Eigenmittelgeschäfts der Bank sowie vertriebsunterstützender Produkte wie das IKB-Mittelstandsrating. Von 1988 bis 1993 war er in der Kreditabteilung der IKB zuständig für Kreditentscheidungen und betreute bis 2000 in der Hamburger Niederlassung als Firmenkundenberater mittelständische Unternehmen. Bis 2004 leitete er die Grundsatzabteilung im Risikomanagement und befasste sich mit Themenschwerpunkten wie Basel II, MaK, bankinterne Ratingverfahren, Kreditrisikostrategie, Portfoliosteuerung. Parallel zu seinen beruflichen Aufgaben ist er als Dozent tätig und hält zahlreiche Vorträge.
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Simmert, B. Diethard Nach Studium und wissenschaftlicher Tätigkeit (Geld, Kredit, Banken) war Herr Prof. Dr. Simmert von 1978 bis 1986 beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband, Bonn, zuletzt als Berater des Präsidenten. Im gleichen Zeitraum war er Chefredakteur der wissenschaftlichen Zeitschrift „Kredit und Kapital“. Anschließend übernahm er die Funktion eines Chefvolkswirtes einer Frankfurter Großbank. Von 1989 bis 2003 war er Bereichsleiter (Direktor) bei der Provinzial Rheinland AG in Düsseldorf. In dieser Zeit war er u.a. verantwortlich für die Kapitalanlage, den Vertrieb Verbund (Sparkassen) und die Kommunikation. Nach langjähriger Lehrbeauftragung (Geld und Kredit) an der Universität Bonn 1979–1989) wurde ihm 1997 eine Professur an der International School of Management (ISM) in Dortmund verliehen. Er ist dort Studiengangsleiter für „BA Corporate Finance“. Seit 2005 ist er Vorstandssprecher des „Instituts für Rating und Corporate im Mittelstand“ (IRCF) an der ISM, Dortmund. Neben seinen zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Fachpublikationen ist er Herausgeber bzw. Koordinator der newsletter „SAnlagebrief aktuell“ und „SFirmenberatung aktuell“ sowie des „Handbuchs für die Anlageberatung“ (HfA). Seit 2001 ist er Mitglied des Kuratoriums der Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe e.V. (DSGV), Bonn. Schmitt, Patrick Herr Patrick Schmitt ist als Vorstandsassistent des Risikovorstands der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG in München tätig. Nach Studium der Betriebswirtschaftslehre und internationalen Managements an der Universität zu Köln war er mehrere Jahre im Firmenkundengeschäft der HypoVereinsbank tätig. Herr Schmitt ist Referent des Rating-Analysten Lehrgangs am Management Institut der GeorgSimon-Ohm Fachhochschule Nürnberg.
XXX
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Schneck, Ottmar Herr Prof. Dr. Ottmar Schneck, gelernter Bankkaufmann und vor seiner Hochschullaufbahn in zahlreichen Finanzierungsfunktionen tätig, lehrt aktuell an der European School of Business ESB Reutlingen mit dem Schwerpunkt Banking, Finance & Rating. Er ist als Lehrbuchautor, als Beirat und Aufsichtsrat von Unternehmen sowie in zahlreichen Gremien zum Thema Finanzierung und Rating aktiv. Seit einigen Jahren fokussiert sich seine Forschungstätigkeit auf das Thema Basel II und Rating. So entstand auch 2002 die Prof. Dr. Schneck Rating GmbH, die inzwischen marktführend Ratingsoftware für Unternehmen entwickelt und Ratinggutachten für mittelständische Unternehmen erstellt (www.schneck-rating.de). Schneck ist wissenschaftlicher Leiter der Ratingausbildung der RaFIn (www.rafin.de). Seien Lehrbücher (Grundlagen BWL, Finanzierung, Rating, Lexikon der BWL u. a.) sind Standardwerke und z. T. Bestseller. Im Juli 2007 wurde er zum Dekan der ESB Reutlingen berufen und erhielt im November 2007 den badenwürttembergischen Landeslehrpreis für herausragende Lehre an der Hochschule. Schüller, Rudolf Herr Rudolf Schüller qualifizierte sich nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann in der Sparkassenorganisation durch die Weiterbildung zum Sparkassenbetriebswirt und Verbandsrevisor. Die Schwerpunkte seiner praktischen Tätigkeiten als Firmenkundenleiter und Vorstandsmitglied lagen im Kreditgeschäft und in der Risikosteuerung bei regionalen Kreditinstituten. 1999 gründete er die Advisory Services & Consulting Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt Rating Advisory. Diese begleitet Unternehmen bei der Vorbereitung auf bankinterne und externe Ratings. Darüber hinaus konzipiert sie Finanzierungsmodelle für mittelständische Unternehmen. Herr Schüller ist Gründungspartner des CompetenceCenter Rating, Dortmund. Er war Herausgeber des Rating-Leitfadens für den Mittelstand (Kognos-Verlag, Augsburg), darüber hinaus ist er Autor zahlreicher Fachbeiträge zu Rating- und Finanzierungsthemen. Bei Gabler erschien im Frühjahr 2004 sein Werk zum Lieferantenrating; für die KfWBankengruppe verfasste er Rating-Beiträge im Rahmen der Ratgeber-Reihe. Seit 2005 verantwortet er im Vorstand des IRCF Institut für Rating und Corporate Finance im Mittelstand an der ISM International School of Management in Dortmund den Bereich Rating. Gleichzeitig nimmt er einen Lehrauftrag an der ISM wahr.
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XXXI
Schwab, Barbara Frau Barbara Schwab ist Inhaberin der BS Advisory & PR Services, Iserlohn und Mitglied des Vorstandes des Instituts für Rating und Corporate Finance im Mittelstand IRCF an der International School of Management (ISM), Dortmund. Die Public Relations- und Ratingspezialistin arbeitet für mittelständische Unternehmen, Dienstleistungs- und Finanzunternehmen sowie Weiterbildungsinstitute. Zu ihren Aufgaben zählen die Beratung zur strategischen Kommunikationsarbeit, die laufende Medienarbeit, die Begleitung der internen Kommunikation sowie die Konzeption, Organisation und Begleitung von Veranstaltungen. Im Bereich der Ratingberatung und -qualifizierung spezialisierte sie sich auf die Themenbereiche, die im Zusammenhang mit der Ratingkommunikation stehen. Nach der Ausbildung zur Bankkauffrau war Schwab von 1984 bis 1993 bei zwei Kreditinstituten – Volksbank Wertheim eG und Wiesbadener Volksbank eG – für die Betreuung mittelständischer Unternehmen im Auslandsgeschäft verantwortlich. Anschließend wechselte sie in die Unternehmensberatung. Von 1999 bis Ende 2003 wirkte sie beim Aufbau der URA UNTERNEHMENS RATINGAGENTUR AG, München mit und trug darüber hinaus die Verantwortung für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Die BS Advisory & PR Services gründete Schwab Anfang 2001. In den Vorstand des Instituts für Rating und Corporate Finance im Mittelstand wurde sie Anfang 2005 berufen. Templin, Hans-Ulrich Herr Dr. Hans-Ulrich Templin ist Mitglied der Geschäftsführung der Helaba Invest GmbH, einer der führenden deutschen Kapitalanlagegesellschaften, sowie der Helaba Northern Trust, einem Joint Venture von Helaba Invest, Helaba Trust und Northern Trust, Chicago. Die Helaba Invest verwaltet inzwischen mehr als € 30 Mrd. in den Geschäftsbereichen Master KAG und Quantitative Investmentkonzepte und ist damit die führende KAG im Landesbankenbereich. Herr Dr. Templin war nach einer Bankausbildung sowie nachfolgendem Studium und Assistenz an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel bei der Datev in Nürnberg sowie der DZ Bank in Frankfurt tätig. Herr Templin hat an der Martin-Luther-Universität zu Halle-Wittenberg promoviert. Seit 2001 ist er bei der Helaba Invest tätig, zuständig für das Fondsmanagement.
XXXII
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Thun, Christian Herr Dr. Christian Thun ist Director bei Moody’s KMV in London verantwortlich für das Beratungsgeschäft in Europa, Mittlerer Osten und Afrika. Zuvor war er sechs Jahre verantwortlich für die strategische Planung in Europa und den Vertrieb und die Betreuung der Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie maßgeblich an der Entwicklung der erfolgreichen Moody’s KMV RiskCalc-Modelle beteiligt, die er als Marktstandard etablierte. Vor seiner Tätigkeit bei Moody’s KMV arbeitete Herr Dr. Thun im Bereich Structured Finance der Dresdner Bank AG in Frankfurt und als Teamleiter für den Ratingentwickler Baetge & Partner GmbH in Münster. Er promovierte über die Entwicklung bilanzbasierter Ratingverfahren. Westerfeld, Simone Frau Dr. Simone Westerfeld ist seit Februar 2006 Dozentin für Banking am Schweizerischen Institut für Banken und Finanzen der Universität St. Gallen. Die Forschungsschwerpunkte von Frau Dr. Westerfeld liegen in den Bereichen Kreditrisiko, Kreditportfoliomanagement, Kreditderivate sowie Sekundärmärkte für Kreditrisiken. Frau Dr. Westerfeld studierte Betriebswirtschaftslehre in der Fachrichtung Finanzen und Kapitalmärkte an der Stockholm School of Economics (SSE) und der Universität St. Gallen (HSG), wo sie im Oktober 2004 promovierte. Nach Tätigkeiten bei mehreren renommierten Banken in Deutschland, der Schweiz und den USA war sie während 5 Jahren für die Unternehmensgruppe UBS Wealth Management & Business Banking in Zürich, zuletzt als Direktionsmitglied in leitender Funktion, tätig. Neben Forschung und Lehre gehören zu ihren Tätigkeiten Beratungsmandate zur Implementierung nachhaltiger Credit Risk Management Lösungen bei internationalen Banken, wobei zurzeit der Fokus auf Beratungsmandaten und Seminartätigkeiten bei Chinesischen Banken liegt. Außerdem ist Frau Dr. Westerfeld verantwortlich für die Implementierung des neuen Zertifikatslehrgangs „Certified Rating Analyst HSG“ an der Universität St. Gallen, der im Frühjahr 2007 in einem Pilotlehrgang erfolgreich gestartet ist.
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XXXIII
Wurzer, Alexander Herr Prof. Dr. Alexander J. Wurzer ist geschäftsführender Gesellschafter der PATEV ® GmbH & Co. KG, Gesellschaft für die Bewertung und Verwertung von Schutzrechten und Technologien. In der Berufspraxis betreut er Industrieunternehmen, Kreditinstitute und Finanzdienstleister, Patentanwälte sowie Insolvenzverwalter. Seine Arbeitsfelder liegen in der Bewertung und Analyse von Schutzrechten, dem Portfolio-Management, der Verwertung und der Lizenzierung von Technologie und Intellectual Property Assets sowie den Recherche- bzw. Informationssystemen im Patentwesen. Prof. Dr. Alexander J. Wurzer leitet das Institut für Intellectual Property Management der Steinbeis-Hochschule Berlin. Sein Forschungsinteresse gilt dem internationalem Technologietransfer und Lizenzierung, der Ökonomie und dem Management von Technologie und Innovation sowie allen Fragen zur Wertschöpfung durch IP. Prof. Dr. Wurzer ist Professeur Associé am Centre d’Etudes Internationales de la Propriété Industrielle, CEIPI der Universität Strasbourg und leitet dort den Master-Studiengang für Intellectual Property Law and Management. Er ist Lehrbeauftragter für Patentbewertung an der Universität Düsseldorf und der FH Amberg-Weiden im Studiengang Patentingenieurwesen. Alexander Wurzer ist Dozent für Patentbewertung an der European Patent Academy (EPA), an der Hochschule für Bankwirtschaft, der European Business School, der Akademie für Finanzmanagement sowie an der Bankakademie, Frankfurt/Main. Nach dem Studium der Physik, Mikro- und Molekularbiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und parallel zur Promotion in Biophysik, arbeitete er seit Mitte der 90er Jahre im IP-Management, u. a. für die Fraunhofer Gesellschaft. Alexander Wurzer ist Autor von über 120 Publikationen in nationalen und internationalen Journalen. Seit 1999 sind die Monographien und Herausgeberwerke „Wettbewerbsvorteile durch Patentinformationen“ (1. und 2. Aufl.), „Handbuch der Patentrecherche“, „Patentmanagement“, „Bewertung technischer Schutzrechte“ und das „Praxishandbuch Internationaler Know-how-Schutz“ von ihm erschienen. Er leitet beim DIN den Arbeitskreis Normung der Patentbewertung, ist Sprecher des Münchener Innovations- Arbeitskreis der IHK München und Oberbayern sowie Wirtschaftssenator in Bayern des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW). Alexander Wurzer ist Mitglied im Arbeitskreis Patentrecht der Universität Düsseldorf und im Arbeitskreis für Patentbewertung der Licensing Executives Society (LES). Er ist Mitglied in der German Association for the Protection of Industrial Property and Copyright Law (GRUR), der Vereinigung von Fachleuten des gewerblichen Rechtsschutzes (VPP), der Association European Policy for Intellectual Property (EPIP), der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. sowie der wissenschaftlichen Gesellschaft für Prüfung und Controlling an der Universität Augsburg und dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI).
XXXIV
Autorenverzeichnis
1.1 Konzepte des KMU Rating im Vergleich
1
Grundlagen zum Rating
1
2
1 Grundlagen zum Rating
1.1 Konzepte des KMU Rating im Vergleich
3
Prof. Dr. Beat Bernet Dr. Simone Westerfeld 1.1
Konzepte des KMU Rating im Vergleich
1.1.1
Einleitung
1.1.1.1 1.1.1.2
Vorwort .............................................................................................................. 4 Lernziele............................................................................................................. 4
4
1.1.2 1.1.2.1 1.1.2.2
Rating für KMU 4 Besonderheiten des Mittelstandsratings............................................................. 5 Mittelstandsrating im Wandel ............................................................................ 6
1.1.3 1.1.3.1 1.1.3.2 1.1.3.2.1 1.1.3.2.2 1.1.3.2.3 1.1.3.2.4 1.1.3.2.5 1.1.3.2.6 1.1.3.2.7 1.1.3.3 1.1.3.3.1 1.1.3.3.2 1.1.3.3.3
Ratingmodelle 8 Was ist ein Ratingmodell? ................................................................................. 8 Basisbausteine von Ratingmodellen .................................................................. 9 Informationsinput............................................................................................. 12 Ratingkriterien.................................................................................................. 12 Gewichtungsfaktoren ....................................................................................... 12 Regelset ............................................................................................................ 13 Statistische Datenbasis ..................................................................................... 13 Kalibrierung und Validierung .......................................................................... 13 PD-Mapping..................................................................................................... 14 Typologie von Ratingmodellen........................................................................ 14 Qualitative Ratingmodelle ............................................................................... 14 Quantitative Ratingmodelle ............................................................................. 15 Hybride Ratingmodelle .................................................................................... 15
1.1.4
Vergleich von Ratingmodellen
1.1.4.1 1.1.4.2 1.1.4.3
Ratingergebnis und Modellarchitektur............................................................. 16 Welches Modell für welche Problemstellung? ................................................ 16 Qualitätsanforderungen für Ratingmodelle...................................................... 17
1.1.5
Zusammenfassung
18
1.1.6
Übungsaufgaben
18
1.1.6.1 1.1.6.2
Aufgaben .......................................................................................................... 18 Lösungsschlüssel.............................................................................................. 18
1.1.7
Literaturhinweise
16
19
4
1 Grundlagen zum Rating
1.1.1
Einleitung
1.1.1.1
Vorbemerkung
Mit der Einführung des neuen Basler Accords hat die Diskussion vor allem bankinterner Ratingmodelle in Wissenschaft und Praxis an Bedeutung und Intensität gewonnen. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht spezifiziert konzeptionelle Anforderungen, denen interne Ratingmodelle zu genügen haben, um die Akzeptanz der Aufsichtsbehörden zu erreichen. Innerhalb dieser Leitplanken genießen Banken und Finanzinstitute bei der Ausgestaltung ihrer Ratingmodelle aber großen Freiraum. Als Konsequenz daraus werden sich auch bei der Anwendung des Standardansatzes in den kommenden Jahren bankinterne Ratingmodelle zur Beurteilung der Bonität von Klein- und Mittelunternehmen (KMU) hinsichtlich Ratingphilosophie, Systemarchitektur oder Parametrisierung weiterhin stark voneinander unterscheiden. Aus der Sicht einer KMU als Kreditnachfragerin bei einer Bank ist es essentiell, die unterschiedliche Ausgestaltung bankinterner Ratingmodelle verschiedener Kreditanbieter zu verstehen, da die Bonitätsklassifikationen die Kreditkonditionen substantiell beeinflussen. Der vorliegende Artikel leistet einen Beitrag zu diesem Verständnis: Zunächst werden die Besonderheiten und Veränderungen des KMU Ratings erläutert; anschließend die relevanten Bausteine von Ratingmodellen, wie sie bei Banken zum Einsatz kommen, erklärt und verschiedene Typen von Ratingmodellen analysiert und verglichen. 1.1.1.2
Lernziele
Der Ratinganalyst • kennt die Besonderheiten, Herausforderungen und Entwicklungen, die sich in Verbindung mit dem Rating mittelständischer Unternehmen ergeben; • versteht die Basisbausteine von Ratingmodellen sowie eine gängige Typologie für KMURatings; • ist in der Lage, Ratingmodelle im Vergleich zu analysieren und Vor- und Nachteile der entsprechenden Typen für die ex-ante Risikoklassifizierung von mittelständischen Unternehmen zu erkennen.
1.1.2
Rating für KMU
Veränderungen im Bankenmarkt und auf den Finanzmärkten sowie ein stärkeres Bewusstsein für die strategische Bedeutung des Kreditratings auch für KMU schaffen die Voraussetzungen für eine neue Bedeutung des Unternehmensratings. Rating ist nicht mehr nur ein Instrument des Kreditrisikomanagements. Ein strategisch verstandenes Unternehmensrating kann zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil für Unternehmen werden, wenn es zur Kommunikation im Netzwerk der KMUs eingesetzt wird. Dabei wird das Rating für KMU durch spezifische Eigenheiten der mittelständischen Unternehmen beeinflusst, die im Folgenden kurz skizziert werden. Anschließend werden aktuelle Entwicklungen im Rating von KMUs beschrieben.
1.1 Konzepte des KMU Rating im Vergleich 1.1.2.1
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Besonderheiten des Mittelstandsratings
Klein- und Mittelunternehmen, manchmal auch als ‚der Mittelstand’ bezeichnet, werden meistens anhand von quantitativen Kriterien beschrieben, da qualitative Merkmale schwer zu messen sind. Eine Studie der EU-Kommission definiert beispielsweise KMU als Unternehmen, die weniger als 250 Personen beschäftigen, einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro oder eine Jahresbilanzsumme von maximal 43 Mio. Euro haben und unabhängig sind. Wichtiger als eine genaue Definition sind jedoch einige typische Merkmale dieser Unternehmen, die besonderen Einfluss auf die Beschaffung ihrer finanziellen Mittel haben. Hier ist zunächst die Tatsache relevant, dass sich KMU in der Schweiz hauptsächlich über einige wenige Banken finanzieren und der Zugang zum Kapitalmarkt durch die starke Bilanzorientierung des Finanzintermediationssystems im Gegensatz zu den USA praktisch nicht gegeben ist. Studien über Schweizer Unternehmen belegen etwa, dass die wenigsten KMU über ein externes Rating von Ratingagenturen verfügen. Wo ein Rating vorhanden ist, ist es meist dem ‚sub-investment‘grade zuzuordnen. Deshalb wird in diesem Beitrag ein Fokus auf die internen Ratings bei Banken gelegt. Spezifisch für den Finanzierungskontext von KMU sind ausserdem ausgeprägte Informationsdefizite und asymmetrische Informationsverteilung zwischen den Unternehmen und den Kapitalgebern, die sich letztlich negativ auf das Rating als Prozess der Bonitätsbeurteilung sowie auf die Transaktionskosten der KMU Finanzierung auswirken. KMU verfügen oft nicht über die für ein Rating notwendigen Informationen, da Planungs- und Kontrollinstrumente fehlen, oder aber es werden mittels vorhandener Planungs- und Reportinginstrumente deutlich mehr Finanzinformationen erhoben, als den Kapitalgebern zugänglich gemacht werden. Beide Situationen selektiver Information sind unter mehreren Gesichtspunkten problematisch. Zum einen führt die zurückhaltende Informationspolitik seitens der Unternehmen dazu, dass die Banken die für eine Bonitätsbeurteilung maßgebenden Kennzahlen und Finanzinformationen selbst aufarbeiten müssen. Dies kann Zusatzkosten und Effizienzverluste im internen Ratingprozess der Banken verursachen und in direkter Folge die Kreditzinsen für KMU erhöhen. Zum anderen ist vielen Unternehmen viel zu wenig klar, welche Informationen in welcher Form für die Bonitätsbeurteilung notwendig sind. Mehr Transparenz erhöht jedoch die Zuverlässigkeit des Ratings und verbessert das Vertrauensverhältnis zwischen der Unternehmung und der Bank. Das Vertrauensverhältnis zu einer einzelnen Bank/zu einem einzelnen Kapitalgeber hilft zwar bei der Überwindung von Informationsasymmetrien, kann allerdings dazu führen, dass sich zwischen KMU und Banken (oder anderen Kapitalgebern) so genannte Hausbankbeziehungen entwickeln. Durch eine zu enge Beziehung kann es aus Unternehmersicht zu einer nachteiligen Situation kommen, die als nachvertragliches Verhaltensrisiko (‚Hold-up‘) bezeichnet wird: Der Kapitalgeber erhält ein Informationsmonopol bzw. einen Informationsvorsprung aus der Hausbankbeziehung, der sich negativ auf die Preisgestaltung auswirken kann. Durch das enge Vertrauensverhältnis wird für den Kunden zusätzlich die Flexibilität in der Wahl und Gestaltung seiner Finanzierungsbeziehungen eingeschränkt, was als ‚lock-in‘ bezeichnet wird.
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1 Grundlagen zum Rating
Solche auf asymmetrischer Informationsverteilung beruhenden Herausforderungen können durch Maßnahmen wie Rating (ex ante Bonitätseinschätzung) und Überwachung (Monitoring) reduziert werden. Neben Informationsdefiziten ist vor allem die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer eine Herausforderung bei der Finanzierung von KMU. Dieses Ungleichgewicht der Informationsverteilung begründet die Notwendigkeit von Unternehmensratings. 1.1.2.2
Mittelstandsrating im Wandel
Bei Banken und Unternehmen, Investoren und Kapitalgebern wächst das Bewusstsein für die strategische Bedeutung des Unternehmensratings. Die Treiber dieser Entwicklung des Ratings vom reinen Instrument des Kreditgeschäfts hin zum strategischen Erfolgsfaktor sind vielfältig und unterstreichen die Bedeutung des neuen Berufsbildes „Rating Analyst“. Im Folgenden werden die Veränderungen im Bereich des Mittelstandsratings anhand von vier zentralen Determinanten der Entwicklung untersucht: der Einfluss von Basel II, eine gestiegene Sensibilität im Umgang mit Risiko, eine veränderte Nachfrage nach Rating sowie technologisch getriebene Veränderungen. Zunächst fördert der neue aufsichtsrechtliche Rahmen von Basel II die ratingbasierte Eigenmittelunterlegung bei Banken. Zu den wichtigsten Zielsetzungen von Basel II gehören unter anderem die Sicherstellung eines funktionierenden Finanzsystems, die Beibehaltung der aktuellen Eigenkapitalausstattung des Bankensystems, die verstärkte Berücksichtigung des Risikogehaltes von Bankgeschäften sowie die umfassende Abdeckung aller wesentlichen Bankenrisiken. Viele Akteure im Bankenumfeld hatten sich technisch auf den Startschuss von Basel II im Januar 2007 eingestellt und die interne Umstellung erfolgreich gemeistert. Der neue Aufsichtsrahmen hat aber darüber hinaus auch direkte Auswirkungen auf das Verhalten der Bankkunden und damit auf die Kreditnachfrage, da den Fragen rund um das Rating vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt wird und die kreditnachfragenden Unternehmen zunehmend für ihre eigene Bonitätsbewertung sensibilisiert werden. Der neue aufsichtsrechtliche Rahmen von Basel II fördert die ratingbasierte Eigenkapitalunterlegung bei Banken. KMUs finanzieren sich in stark bilanzorientierten Finanzintermediationssystemen, wie sie in Europa überwiegend anzutreffen sind, noch fast ausschließlich über Banken. Dabei dient das Rating zunächst der Bonitätseinschätzung von Unternehmen. Hier wird es vor allem als ein Instrument des Kreditgeschäfts im Kreditvergabeprozess verwendet. Dieses Rating hat in der Vergangenheit für die Kreditnehmer eher eine untergeordnete Rolle gespielt, da die Kreditpreise nicht nach Risiko differenziert waren und die Risikokosten der schlechten Schuldner durch Quersubventionierung im Kreditbuch der Banken durch die guten Schuldner ausgeglichen wurden. Durch die Einführung einer verstärkt risikoadjustierten Preisgestaltung in den 90er Jahren wurden die individuellen Unterschiede in der Unternehmensbonität jedoch auch in den diffe-
1.1 Konzepte des KMU Rating im Vergleich
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renzierten nominellen Kreditzinsen bei der Finanzierung über Banken spürbar. Diese Preisdifferenzierung, die durch das Ratingurteil und die Sicherheitenstellung beeinflusst wird, schafft jedoch gerade die Anreize für Kreditnehmer, den Ratingprozess besser zu verstehen, die relevanten Kriterien zu analysieren und das Ratingergebnis durch gezielte Planung positiv zu beeinflussen. KMUs können mit entsprechendem Know-how, das entweder intern oder bei externen Beratern vorhanden ist, den Ratingprozess aktiv beeinflussen und die Gespräche im Kreditvergabeprozess mit ihrer Bank „auf Augenhöhe“ führen. Gut beratene Firmen mit starkem Rating profitieren von günstigen Kreditkonditionen, während schlecht beratene Kreditnehmer mit guter Kreditqualität aber mangelnder Transparenz oder schlechter Schuldnerqualität mit deutlich höheren Kreditzinsen rechnen müssen. Doch nicht nur die internen Ratings bei Banken gewinnen für den Mittelstand an Bedeutung. Bisher standen zwar alternative Finanzierungsformen, beispielsweise durch die Emittierung von Anleihen am Kapitalmarkt, eher großen Firmen offen. Vermehrt öffnen sich jedoch die Finanzmärkte auch für KMU und bieten alternative, kapitalmarktnahe Finanzierungsformen für das mittlere Marktsegment an. Ein Beispiel dafür sind die Transaktionen der Capital Efficiency Group mit dem Namen „Preferred Pooled Shares“ (PREPS). Durch diese Strukturen werden mittelständischen Unternehmen Mezzanine-Finanzierungen auf der Basis einer Asset Backed Finance Struktur zur Verfügung gestellt. Die Kreditrisiken werden bei diesen Transaktionen direkt bei den Investoren platziert und laufen nicht über eine Bankbilanz, was eine Innovation für den europäischen KMU-Finanzierungsmarkt darstellt. So entsteht auch für KMUs die Notwendigkeit, ein externes Rating durch eine anerkannte Ratingagentur für allfällige Kapitalmarkttransaktionen anzustreben und aktiv die Bonität des Unternehmens zu pflegen und zu kommunizieren. Außerdem gewinnen externe Ratings selbst für klassische Bankkredite an Bedeutung, da die externe Bonitätseinschätzung unter Basel II unter bestimmten Bedingungen von den Banken anstelle der internen Ratings angewendet werden darf. Deshalb konzentrieren sich auch die internationalen Ratingagenturen verstärkt auf das Mittelstandsrating. Gleichzeitig entstehen neue Anbieter, die speziell dieses Marktsegment abdecken. Das Interesse am Thema ‚Kreditrisiko‘ und an einer ex-ante Risikoeinschätzung mittels Rating nimmt zu, da Basel II kreditnachfragende Unternehmen für das Thema sensibilisiert, innovative Finanzierungsformen für KMU am Kapitalmarkt entstehen und risiko-adjustierte Preisgestaltung durch die Kreditnehmer über das Rating beeinflusst werden kann. Diese Veränderungen im KMU-Verhalten führen dazu, dass Banken verstärkt in die Technologie der Kreditrisikomanagementsysteme investieren. Hier gilt es zu entscheiden, ob die internen Ratingmodelle verfeinert werden sollen oder ob eher die internen Systeme auszubauen sind. Der Systemausbau kann hausintern oder durch Zukauf externer Systeme erfolgen. Damit steigen die Anforderungen an den Kundenberater der Bank, der zunehmend nicht nur mit den internen Modellen vertraut, sondern auch fähig sein sollte, alternative Ansätze zu managen – dies besonders dann, wenn seine Kunden auf der KMU-Seite professionell und informiert mit dem Thema Rating umzugehen wissen.
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1 Grundlagen zum Rating
Neben der Ressourcenintensität zeichnet sich eine weitere Dimension der Veränderung für Banken ab. Das gestiegene Bewusstsein für die strategische Rolle des Ratings und seiner Kommunikation gegenüber den Bankkunden wird die Art und Qualität der Nachfrage beeinflussen und damit eine höhere Beratungsintensität und -qualität auf Seiten der Banken erfordern. Diese Entwicklung wird sich mit dem Markteintritt spezialisierter Advisory-Firmen wie er etwa in Deutschland beobachtet werden konnte, noch akzentuieren. Banken stehen in diesem Fall direkt versierten Ratingprofis gegenüber und müssen umfassende Kompetenzen auch über die eigenen Prozesse hinaus unter Beweis stellen können, da sonst die Gefahr des Verlustes guter Kreditrisiken droht. Entwicklungen auf der Seite der Informations- und Kommunikationstechnologie fördern die Entwicklung besserer Ratings und der Ratingmodelle bei Banken. Die gestiegene Nachfrage und die höhere Qualität der Nachfrage durch informierte Bankkunden erfordert höhere Beratungsintensität und -qualität auf Seiten der Banken. Die genannten Entwicklungen führen dazu, dass das Rating eine neue Qualität bekommt: Es kann als strategischer Wettbewerbsvorteil der Unternehmen zur Kommunikation und zum Netzwerkmanagement genutzt werden. Durch die Kommunikation der Ratings an die Bankkunden können diese das Rating im eigenen Netzwerk strategisch einsetzen und beispielsweise das Bankrating wiederum in ihrer eigenen Kommunikation mit Kunden, Lieferanten oder anderen Kapitalgebern als Qualitätssiegel verwenden. Veränderungen entlang der Dimensionen Technologie, Nachfrage, Risiko und regulatorische Rahmenbedingungen führen also zu einem neuen Ratingverständnis. Genau dieses neue Bewusstsein um die Wichtigkeit des Firmenratings begründet die Notwendigkeit, Experten auszubilden, die nicht nur bei den Ratingagenturen und den Banken, sondern auch in den Unternehmungen und bei ihren Beratern mit dem Thema Rating in Theorie und Praxis vertraut sind. Aus diesem Spannungsfeld entsteht das neue Berufsbild des Rating Analysten. Veränderungen entlang den Dimensionen Technologie, Nachfrage, Risiko und regulatorische Rahmenbedingungen führen zu einem neuen, strategischen Ratingverständnis für KMU-Ratings und begründen das Berufsbild des Rating Analysten.
1.1.3
Ratingmodelle
1.1.3.1
Was ist ein Ratingmodell?
Ratingmodelle sind Instrumente zur standardisierten risikoorientierten Klassifizierung von Objekten wie Unternehmungen, Organisationen, Menschen, Projekte oder Transaktionen. Sie werden im Rahmen eines Ratingprozesses eingesetzt, welcher der Bestimmung von Kreditrisiken, der Zuweisung von Ratings und der Quantifizierung von Ausfall- und Verlustschätzungen dient. Dieser Prozess beinhaltet, unabhängig vom eingesetzten Ratingmodell, immer die gleichen Schritte:
1. Eine zuvor festgelegte Zahl von Merkmalen wird anhand der zum Ratingobjekt erhobenen Informationen bewertet.
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2. Die daraus resultierenden Merkmalswerte werden gewichtet und schliesslich zu einem Gesamtwert aggregiert. 3. Dieser Gesamtwert wird in eine Risikoklasse übersetzt, die meist eine bestimmte Bandbreite der Merkmalswerte abdeckt. 4. Diesen Risikoklassen werden schliesslich Ausfallwahrscheinlichkeiten zugeordnet. Ratingmodelle werden also zur Bestimmung der Bonität eines Ratingobjektes eingesetzt. Mit dem Begriff der Bonität wird die Bewertung der Erwartung bezeichnet, dass ein Schuldner in einem vorgegebenen Zeitraum seinen Verpflichtungen nicht (mehr) nachkommen kann. Sie kann in der Form ordinaler Skalen oder durch die direkte Zuordnung von Wahrscheinlichkeiten zu den Skalenwerten ausgedrückt werden. Ratingmodelle werden zur Bestimmung der Bonität eines Ratingobjektes eingesetzt. Die Bonität wird entweder in Form von ordinalen Skalen oder Ausfallwahrscheinlichkeiten ausgedrückt. Ratingmodelle lassen sich grundsätzlich anhand der folgenden Kriterien unterscheiden:
1.1.3.2
Ratingzweck
Berechnung von Risikozuschlägen im Pricing / Festlegung von Kreditlinien / Bestimmung von Sicherheiten und Covenants / Bonitätsbeurteilung der Ratingobjekte
Ratinginstanz
Agenturen, Banken, Zentralbanken, Unternehmer
Empfänger
Extern, intern, beide
Umfang
Kreditnehmer und Kreditrating
Zeithorizont
Lang- und kurzfristig, ‚point-in-time’ und ‚through-thecycle’
Frequenz
Einmalig, regelmäßig, anlassorientiert
Informationsart
Quantitativ, qualitativ
Ratingobjekt
Gegenpartei oder Transaktion (bzw. Fazilität) / Fondsrating – Emittentenrating – Bankenrating – Ökorating – Eigenkapitalrating - Emissionsrating - Länderrating
Formale Ausgestaltung
Anzahl Klassifikationsstufen / Verteilung der Exposures auf die Ratingstufen
Basisbausteine von Ratingmodellen
Jedes Ratingmodell besteht aus einer Anzahl von Basisbausteinen: Neben den zu erfassenden Basisinformationen zum Ratingobjekt sind das ein Kriterienkatalog, Gewichtungsfaktoren für die Kriterien bzw. Kriteriengruppierungen, ein Regelset zur Verknüpfung der Kriterien, eine Übersetzungstabelle von Funktionswerten in Ratingklassen, eine statistische Datenbasis mit vergangenheits- und ratingbezogenen Daten sowie einem Algorithmus zur Berechnung von Ausfallwahrscheinlichkeit und Verlusthöhe (vgl. Abb. 1.1.1, inklusive illustrativer Zahlenbeispiele).
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1 Grundlagen zum Rating
Ratingobjekt
Informationsinput
Ratingkriterien
Regelset Risikoklassifizierung
Gewichtungsfaktoren
Statistische Datenbasis
Kalibrierung Validierung
"A+"
EL "€ 100‘000"
PD-Mapping "0,4%/Jahr"
Abb. 1.1.1: Basisbausteine von Ratingmodellen
Diese Bausteine definieren den zentralen Prozess der Risikoklassifizierung und damit jedes in der Praxis eingesetzte Ratingmodell. Dass dennoch in Banken, Ratingagenturen und anderen mit Rating befassten Institutionen eine Vielzahl unterschiedlicher Ratingmodelle vorhanden ist, liegt an der individuellen Ausgestaltung dieser Basisbausteine im Rahmen der entsprechenden Modelle. Die aus dieser differenzierten Ausgestaltung resultierende Vielfalt der Ratingarchitekturen ist auch der wichtigste Grund dafür, dass ein Ratingobjekt je nach verwendetem Ratingmodell eine unterschiedliche Klassifizierung erhalten kann. Jedes Ratingmodell lässt sich durch eine Anzahl von Basisbausteinen beschreiben. Die unterschiedliche Ausgestaltung dieser Bausteine führt jedoch zu einer Vielfalt der Ratingarchitekturen in der Praxis. Ratingzweck, Ratingobjekt und Zeitdimension sind die wichtigsten Determinanten der Ratingphilosophie, welche das Design der Ratingmodelle prägt. Mit dem Ratingzweck wird die Funktion des Ratings beispielsweise im Rahmen des Risikomanagements der Bank definiert. Aus einer Portfoliosicht kann es etwa zur Steuerung der Eigenkapitalunterlegung, zur
1.1 Konzepte des KMU Rating im Vergleich
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Messung des Risikoexposures oder zur Analyse von Risikostreuung und anderer kreditbezogener Risikomasse eingesetzt werden. Auf der Ebene eines Einzelkontraktes können Ratingergebnisse für die Ableitung von PDs und anschließend für Pricingentscheidungen herangezogen werden. Aus Sicht der Bank sind interne Ratingmodelle damit einerseits Instrumente zum Steuern der Risikoexposition im KMU-Kreditportfolio, andererseits aber auch für die Gewinnung von Informationsgrundlagen für betriebswirtschaftliche Entscheidungen wie Pricing, Eigenkapitalsteuerung oder Verhaltenssteuerung von Kreditanalysten. Die objektorientierte Dimension unterscheidet Ratingmodelle, welche die Schuldnerbonität bewerten, von solchen, bei denen Finanzierungsobjekte oder Finanzinstrumente im Fokus der Risikobeurteilung stehen. Ratingobjekt ist im KMU-Umfeld überwiegend die ganze Unternehmung, wobei durch Kapitalmarktbedürfnisse durchaus auch ein wachsendes Bedürfnis nach Transaktions- bzw. Projektrating feststellbar ist. Die Zeitdimension schließlich unterscheidet zwischen Ratingaussagen, die sich auf eine meist mehrjährige Zeitperiode ('through-the-cycle’ bzw. TTC Rating) oder aber auf einen bestimmten Zeitpunkt beziehen ('point-in-time' bzw. PIT Rating). Während erstere die Risikoklassifizierung (und allenfalls daraus abzuleitende PDs) meist über einen ganzen Konjunkturzyklus hinweg ableiten und damit zu einer innerhalb des Zyklus relativ stabilen Ratingeinschätzung kommen, erkauft sich die zweite Kategorie die punktgenauere Risikobewertung mit einer höheren Volatilität der Ratingklassifizierung über die Zeit. Effizient wäre ein Kreditprozess im Bereich Rating dann, • wenn es einen Kreditantrag in einem Selektionsverfahren in Gewährung/Ablehnung einteilen und dabei die Zahl der fälschlicherweise akzeptierten schlechten Schuldner (Fehler der 1. Art) bzw. der fälschlicherweise abgelehnten guten Schuldner (Fehler der 2. Art) minimieren kann, • sowie im Fall der Kreditgewährung, eine Klassifizierung der Schuldner bezüglich aktueller und potentieller Ausfallwahrscheinlichkeit vornehmen und damit Grundlagen zur Entscheidung von Kontraktparametern wie Kreditlimite, Laufzeit, Risikoprämie etc. bereitstellen kann. Ratingzweck, Ratingobjekt und die Zeitdimension sind die wichtigsten Determinanten der Ratingphilosophie, welche das Design der Ratingmodelle prägt. Dem Ratingmodell kommt also die Aufgabe zu, die Zahl der in der ersten Selektionsstufe falsch klassifizierten Anträge zu minimieren, sowie die akzeptierten Anträge einer ex post betrachteten „richtigen“ Risikoklassifizierung zuzuordnen. Untersuchungen zeigen dabei zu Recht, dass dazu angesichts der vorhandenen Informationsasymmetrie MehrperiodenBetrachtungen angestellt werden müssten und die in der Praxis verbreiteten EinperiodenModelle ungeeignet sind, da man unter dem Aspekt der Gewinnmaximierung zum Zeitpunkt der Kreditgewährung nicht nur wissen müsste, ob ein Kredit in Default gerät, sondern auch wann dies mit welcher Wahrscheinlichkeit der Fall sein würde. In den folgenden Abschnitten werden die unterschiedlichen Bausteine eines Ratingmodells erklärt und im Zusammenhang dargestellt.
12
1 Grundlagen zum Rating
1.1.3.2.1 Informationsinput Zu jedem Ratingobjekt stehen Informationen in unterschiedlicher Form und Menge zur Verfügung. Das können qualitative Informationen sein (beispielsweise zu Managementqualität, Transaktionsstruktur, Projektplanung), oder aber quantitative Informationen (etwa Bilanzkennzahlen, Marktanteile oder Mengenangaben). Viele Informationen beinhalten sowohl qualitative wie quantitative Elemente (beispielsweise die Schätzung einer Gewinnentwicklung). Welche Informationen wichtig sind für den Ratingprozess und in welcher Form sie bereitzustellen sind (metrisch, ordinal, kardinal), wird durch die Ratingkriterien bestimmt. 1.1.3.2.2 Ratingkriterien Der Katalog der Ratingkriterien fasst die Merkmale zusammen, anhand derer die Bonität des Ratingobjektes beschrieben und bewertet werden soll. Diese Kriterien lassen sich auf verschiedene Arten ermitteln: • Deduktive Ableitung: Hier werden Beurteilungskriterien auf Grund theoretischer Überlegungen („Illiquidität verhindert Rückzahlung von Schulden“) oder aufgrund von generellen Erfahrungen abgeleitet („Unternehmer ohne solide Ausbildung im Finanzbereich werden eher illiquide“). • Induktive Ableitung: Beim induktiven Ableitungsverfahren werden Kriterien auf der Grundlage konkreter Daten eines beschränkten Samples evaluiert. („Die Analyse des Samples zeigt, dass ein statistischer Zusammenhang besteht zwischen FK/EK-Ratio und Illiquidität, was wir auf die Gesamtheit aller Kreditnehmer übertragen können“). • Empirische Ableitung: Die empirische Ableitung von Beurteilungskriterien basiert ebenfalls auf statistischen Daten, geht aber in der Differenzierung wesentlich weiter als die induktiven Vorgehensweisen. Hier werden beispielsweise Unternehmungen zusätzlich segmentiert (beispielsweise nach Branchen, Umsatz oder anderen Kriterien), und die Datenanalyse wird auf einer sehr viel breiteren Basis vorgenommen. 1.1.3.2.3 Gewichtungsfaktoren Den einzelnen Beurteilungskriterien kommt für die Evaluation des Klassifizierungskriteriums natürlich nicht dieselbe Bedeutung zu. Es gibt solche, die sind generell wichtiger als andere; daneben gibt es Kriterien, deren Gewicht im Klassifizierungsalgorithmus ihrerseits eine Funktion von Umweltzuständen ist (Beispiel: Dem Kriterium Managementqualität kommt in einem schwierigen konjunkturellen Umfeld oder in einer Krisensituation der Unternehmung eine größere Bedeutung zu). Die Gewichtungsfaktoren bestimmen die Bedeutung der einzelnen Kriterien bzw. der Kriteriengruppen: • Jedes Einzelkriterium i wird mit einem Faktor ki gewichtet; das Gewicht drückt seine relative Bedeutung im Vergleich mit den anderen Kriterien sowie seinen Anteil an der resultierenden Ratingklassifizierung aus. • Jede Kriteriengruppe (beispielsweise „Gruppe qualitative Ratingkriterien“) kann wiederum als Summe gewichtet werden. So kann ein Ratingmodell vorsehen, die Summe quantitativer Kriterien mit dem Faktor 2 zu gewichten, qualitative Kriterien dagegen nur mit dem Faktor 1.
1.1 Konzepte des KMU Rating im Vergleich
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Die Festlegung der Gewichtungsfaktoren ist grundsätzlich ein Vorgang, der auf Grund statistischer Prozesse vorzunehmen ist. Die Gewichtungsfaktoren wären dann optimal festgelegt, wenn die Fehlerquote des Modells (Alpha- und Betafehler) minimiert und die auf der Klassifizierung und dem dazugehörigen PD-Mapping resultierende Trefferquote maximiert würde. Das setzt wiederum voraus, dass die richtigen Klassifizierungskriterien bestimmt wurden. Diese Voraussetzungen sind in der Ratingpraxis nicht gegeben, so dass auch die Festlegung der Gewichtungsfaktoren ein wichtiges Differenzierungsmerkmal von Ratingmodellen ist. 1.1.3.2.4 Regelset Jedes Ratingmodell basiert auf einem Set von Regeln, welche die Verknüpfung der Informationselemente sowie den Mechanismus der Transformation von Inputelementen zu einem Klassifizierungsmerkmal definieren. Dazu zählen beispielsweise: • die Bestimmung des Klassifizierungsverfahrens (Regressionsmodelle wie Logit- und Probitmodelle, Diskriminanzanalysen, Verfahren der künstlichen Intelligenz etc.); • die Bestimmung der Gewichtungsfaktoren bzw. allfälliger funktioneller Verknüpfungen dieser Faktoren mit Umweltzuständen oder Unternehmenssituationen); • die Verknüpfungsvorschriften für unterschiedliche Kriterien oder Kriteriengruppen (beispielsweise: „Ab Ratingklassifizierung C werden qualitative Kriterien nicht mehr bzw. mit reduzierter Gewichtung in den Ratingalgorithmus einbezogen“). • die Beschreibung von Scoretabellen (z.B. 1-6, AAA-CCC etc.) • das Vorgehen für Kalibrierung und Validierung. In diesem Regelset steckt ein wesentliches Differenzierungselement von Ratingverfahren, die zwar alle aus den gleichen Grundbausteinen aufgebaut sind, sich in der Ausgestaltung und Verknüpfung der einzelnen Grundelemente jedoch stark unterscheiden können. Da die Definition der Regeln immer eine normative Entscheidung ist, steckt auch in so genannten 'objektiven' Ratingmodellen (die etwa ausschliesslich auf quantitativen Daten basieren) immer ein starkes subjektives Element. 1.1.3.2.5 Statistische Datenbasis Der Nutzen von Ratingmodellen wird durch die vorhandene statistische Datenbasis mitbestimmt. Sie sammelt vergangenheitsbezogene Werte zu Schuldnern, zu Transaktionen, zu den Ratingkriterien, zu Umfeldereignissen und -zuständen und wertet ex post Erkenntnisse zu Verlusten aus. Teilweise fliessen Informationen aus der statistischen Datenbasis direkt in die Ratingkriterien ein (beispielsweise Branchenwerte oder Benchmarks), teilweise werden sie zur statistischen Bestimmung von Gewichtungsfaktoren genutzt oder sie werden für die Kalibrierung und Validierung der Modelle herangezogen. Und nicht zuletzt bildet die statistische Datenbasis die Grundlage für die Zuordnung von Ausfallwahrscheinlichkeiten zu einzelnen Ratingklassen (PD-Mapping). Indirekt wirken sich Erkenntnisse aus der vergangenheitsbezogenen Datenbasis auch auf die Festlegung der Modellregeln und -mechanik aus. 1.1.3.2.6 Kalibrierung und Validierung Ein Ratingmodell muss daraufhin überprüft werden, ob das von ihm ex ante berechnete Ergebnis auch tatsächlich dem ex post eingetretenen Ergebnis entspricht. Zum einen geht es
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1 Grundlagen zum Rating
darum festzustellen, welche Ausfallwahrscheinlichkeit einer bestimmten Ratingklassifizierung zugeordnet werden soll (PD-Mapping). Diesen Vorgang bezeichnet man als Kalibrierung des Modells. Zum andern gilt es, Gütekriterien für ein Ratingmodell zu entwickeln und damit die Qualität des Modells zu überprüfen (Validierung). Dabei unterscheidet man zwischen einer quantitativen Validierung, bei der Aspekte wie Trennschärfe, Kalibrierung oder Ratingkonsistenz durch statistisches Backtesting oder anhand eines Benchmarking gegen andere Ratingmodelle überprüft werden, sowie einer qualitativen Validierung, die Modelldesign, Datenqualität und Anwendungsprozesse kritisch überprüft. 1.1.3.2.7 PD-Mapping Die Zuordnung von Ausfallwahrscheinlichkeiten zu den einzelnen Ratingklassifikationen (PD-Mapping) sowie die anschließende Berechnung des statistisch erwarteten Verlustes (,Expected Loss‘, meistens berechnet aus Ausfallwahrscheinlichkeit (‚PD‘), Verlustquote (‚LGD‘), erwartetem Exposure bei Verlusteintritt (‚EAD‘)) gehört nicht direkt zu den Kernelementen des Ratingmodells. Da aber die Kalibrierung und Validierung von Ratingmodellen in der Praxis untrennbar mit der Zuordnung von Ausfallwahrscheinlichkeiten zu Ratingklassifikationen verbunden sind, wird auch das PD-Mapping den Basisbausteinen eines modernen Ratingmodells zugerechnet. Jedes Ratingmodell besteht aus den Basisbausteinen Informationsinput, Ratingkriterien, Gewichtungsfaktoren, Regelset zur Verknüpfung der Kriterien, statistische Datenbasis, PD-Mapping und Elementen zur Kalibrierung und Validierung des Modells. 1.1.3.3
Typologie von Ratingmodellen
Theorie und Praxis kennen eine Vielzahl unterschiedlicher Klassifikationen für Ratingmodelle. Basierend auf den verwendeten Verfahren unterscheidet man einerseits quantitative und qualitative, andererseits hybride Ratingmodelle. Qualitative Verfahren basieren auf Punktbewertungsverfahren, quantitative Modelle auf statistischen Verfahren (wie Regressionsmodelle oder Diskriminanzanalysen), künstlicher Intelligenz oder sonstigen mathematischen Verfahren. 1.1.3.3.1 Qualitative Ratingmodelle In qualitativen Ratingmodellen bewerten Experten die definierten Ratingkriterien. Die erfassten Merkmale lassen sich meist nur subjektiv bestimmen, erfassen, gewichten, verknüpfen und bewerten, selbst wenn sie quantitativ bestimmt werden können wie beispielsweise im Fall von Marktanteilen. Im qualitativen Modell ordnet der Ratingexperte den einzelnen Modellkriterien anhand einer Skala Werte zu. Der Experte (oder das Modell) verknüpft Teilbewertungen auf der Grundlage der vom Modell vorgegebenen Regeln zu einem Gesamtscore. Dabei besteht in der Ratingpraxis ein oft beträchtlicher Ermessensspielraum für den Ratingexperten. Softwarebasierte Ratingmodelle, welche den Bewertungsprozess menschlicher Experten nachzubilden versuchen, bezeichnet man als Expertensysteme. Grundlage ist eine dynamisch aktualisierte Wissensbasis, in welcher Zahlen, Fakten, Regeln, aber auch unscharfe
1.1 Konzepte des KMU Rating im Vergleich
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Erfahrungswerte und Entscheidungsheuristiken von Experten gespeichert werden. Aus Inputdaten und Elementen der Wissensbasis werden Schlussfolgerungen gezogen und Bewertungen abgeleitet. Wo Expertenmodelle auch unscharfe Werte und Entscheidungsheuristiken in den Klassifizierungsprozess einbeziehen, spricht man von ‚Fuzzy Logic‘ Modellen. 1.1.3.3.2 Quantitative Ratingmodelle Quantitative Modelle basieren auf standardisierten, objektiven und mathematischstatistischen Verfahren. Ratingklassifikationen werden ohne abschließende Beurteilung durch einen Experten oder ein Expertensystem vorgenommen. Oft enthalten aber auch diese Modelle noch subjektive Elemente, wie etwa die Definition von Regeln zur Verknüpfung von Elementen oder die Bestimmung von Gewichtungsfaktoren. Auch Vorentscheidungen über die Relevanz und Bedeutung von Informationen sind subjektive Faktoren, die sich aus keinem quantitativen Ratingmodell ganz eliminieren lassen. Mittels mathematischstatistischer Verfahren wird jedoch versucht, Relevanz und Bedeutung von Informationen und Architekturelementen objektiv zu evaluieren und damit die in das Modell einfließende Subjektivität zu minimieren. So wie qualitative Modelle auch quantitative Daten verarbeiten, können quantitative Modelle auch qualitative Daten verwenden – maßgeblich für die Zuordnung ist nicht die Art der Information, sondern die Art der Informationsverarbeitung. 1.1.3.3.3 Hybride Ratingmodelle Ratingmodelle, die qualitative und quantitative Verfahren simultan oder iterativ verwenden, werden als hybride Modelle bezeichnet. Die meisten in der Praxis eingesetzten Modelle gehören dieser Kategorie an. Dabei lassen sich hinsichtlich der verwendeten Ratingkriterien Modelle beobachten, die entweder • quantitative und qualitative Kriterien konstant über alle Ratingkategorien hinweg gewichten (beispielsweise 50:50) oder • quantitative und qualitative Kriterien als Funktion des Ratingergebnisses einer Kriteriengruppe gewichten (Beispiel: Primäreinteilung durch quantitatives Rating; wenn die Ratingklassifizierung > Kategorie x ausfällt, wird ein zweiter Ratingprozess unter Einbezug der qualitativen Kriterien vorgenommen, andernfalls wird das Rating durch den ersten Klassifizierungsdurchgang bestimmt) oder • quantitative und qualitative Kriterien konstant halten, aber mit unterschiedlicher Gewichtung je Segmentierungskriterium gewichten (Beispiel: im Baugewerbe höhere Gewichtung der quantitativen Kriteriengruppe als im Dienstleistungsbereich). Basierend auf den verwendeten Verfahren unterscheidet man quantitative und qualitative Ratingmodelle. Qualitative Verfahren basieren auf Punktbewertungsverfahren, quantitative Modelle auf statistischen Verfahren (wie Regressionsmodelle oder Diskriminanzanalysen), künstlicher Intelligenz oder sonstigen mathematischen Verfahren. Hybride Modelle verwenden quantitative und qualitative Verfahren.
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1 Grundlagen zum Rating
1.1.4
Vergleich von Ratingmodellen
1.1.4.1
Ratingergebnis und Modellarchitektur
Eigentlich müssten Ratingklassifikationen, die mit verschiedenen Ratingmodellen durchgeführt werden, bei sorgfältiger Kalibrierung und Validierung der Modelle für einen bestimmten Kreditnehmer zu identischen Ausfallwahrscheinlichkeiten führen. Empirische Untersuchungen aus Europa und den USA zeigen aber, dass eine Ratingklassifikation und damit die Bestimmung der Ausfallwahrscheinlichkeit bzw. des Risikopreises im Rahmen der Preiskalkulation als Ergebnis eines Ratingprozesses stark von der Architektur des eingesetzten Ratingmodells abhängen. Die Ausgestaltung der einzelnen Basisbausteine beeinflusst offensichtlich ganz direkt das Ratingergebnis. Auch wenn zwei Ratingmodelle das gleiche Ziel verfolgen, die gleichen Risiken messen und die gleiche Grundstruktur aufweisen, unterscheiden sie sich doch hinsichtlich der Wahl der Beurteilungskriterien, der Gewichtung quantitativer und qualitativer Kriterien, der Kalibrierung und vieler anderer das Endergebnis mitbestimmender Elemente. Für Kreditgeber wie Kreditnehmer können aus dieser Erkenntnis einige Schlussfolgerungen abgeleitet werden: • Für den Kreditnehmer ist wichtig, die Architektur und „Mechanik“ des Ratingsystems, anhand dessen seine Risikozuschläge berechnet werden, zu verstehen. Nur so kann er gezielt seine Unternehmung auf eine künftige Verbesserung des Ratings ausrichten. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, ein externes Rating als Benchmark für ein Bankenrating zu verwenden. Resultiert aus dem Bankenrating eine abweichende Risikoklassifizierung, so gilt es wiederum deren Begründung zu hinterfragen und entsprechende Konsequenzen abzuleiten. • Der Kreditgeber muss sich bewusst sein, dass der Kreditnachfrager künftig verstärkt „Ratingarbitrage“ betreiben wird, indem er dort um eine Ratingklassifikation nachsucht, wo aufgrund der Modellarchitektur eine positivere Risikoklassifizierung zu erwarten ist. Es ist deshalb wichtig, sein eigenes Ratingmodell immer wieder mit alternativen Modellen zu vergleichen und ein entsprechendes Benchmarking zu betreiben. Die Modellarchitektur sollte zudem durch ein regelmäßiges Backtesting immer wieder adjustiert werden. Der Kreditnehmer sollte die Architektur und „Mechanik“ des Ratingsystems verstehen, um gezielt seine Unternehmung auf eine künftige Verbesserung des Ratings auszurichten. Der Kreditgeber muss sich bewusst sein, dass der Kreditnachfrager künftig verstärkt „Ratingarbitrage“ betreiben wird, indem er dort um eine Ratingklassifikation nachsucht, wo aufgrund der Modellarchitektur eine positivere Risikoklassifizierung zu erwarten ist. 1.1.4.2
Welches Modell für welche Problemstellung?
Die Ratingpraxis kennt eine Vielzahl unterschiedlicher Modellarchitekturen. Alle können, etwas vereinfachend, entsprechend ihrer Gewichtung von quantitativen und qualitativen Elementen charakterisiert werden. Das Spektrum reicht dabei von rein qualitativen bis zu rein quantitativen Verfahren. Die meisten in der Praxis eingesetzten Modelle kombinieren
1.1 Konzepte des KMU Rating im Vergleich
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quantitative und qualitative Verfahren und gehören damit zur Gruppe der hybriden Modelle. Qualitative Ratingmodelle werden dort eingesetzt, wo Kreditgesuche nur begrenzt standardisiert werden können, wo die Zahl der zu beurteilenden Kreditgesuche mit einem identischen Kontraktprofil zum Einsatz mathematisch-statistischer Verfahren zu gering ist, oder wo pro Kreditnehmer nicht genügend quantitative Daten verfügbar sind. Die Verwendung quantitativer Ratingmodelle setzt einen genügend großen Datenbestand voraus, um mittels statistischer Verfahren zuverlässige Informationen zu Kreditausfällen und Ratingmigrationen gewinnen zu können. Sie werden deshalb in erster Linie im Massengeschäft eingesetzt (Beispiel: Beurteilung von Konsumkreditgesuchen, Kreditkartenanträge etc.). Aller Forschung zum Trotz hat sich bisher weder in der Theorie noch in der Praxis ein einheitliches Modell zur Beschreibung, Analyse, Erklärung und Prognose von Unternehmensinsolvenzen herauskristallisiert. Empirische Untersuchungen zur Qualität von Ratingmodellen zeigen aber immerhin, dass eine Kombination von qualitativen und quantitativen Kriterien im Rahmen der Ratingarchitektur den rein qualitativ wie auch den rein quantitativ ausgerichteten Modellen überlegen zu sein scheint. Es hat sich bisher kein einheitliches Ratingmodell zur Bewertung von Bonitäten von KMU Kreditnehmern in Theorie und Praxis durchsetzen können. 1.1.4.3
Qualitätsanforderungen für Ratingmodelle
Da es hinsichtlich Risikoklassifizierung kein in allen Situationen überlegenes Ratingmodell gibt, muss man die Modellarchitektur der jeweiligen Entscheidungssituation anpassen. Für individuelle Schuldner oder Transaktionen werden qualitative Kriterien höher gewichtet werden als quantitative. Für standardisierte Kreditentscheidungen im Massengeschäft werden umgekehrt quantitative Architekturelemente ein größeres Gewicht erhalten. Grundsätzlich müssen Ratingmodelle den drei Kriterien Treffsicherheit, Objektivität und Wirtschaftlichkeit genügen: Treffsicherheit: Das Modell muss gute und schlechte Risiken gemäß den subjektiven Vorgaben der Ratinginstanz trennen und innerhalb der als 'gut' klassifizierten Risiken die zur Berechnung der Risikoprämien benötigten Ausfallwahrscheinlichkeiten in der Ratingskala möglichst genau abbilden können. Objektivität: Die Bestimmung der Ratingklassifizierung muss systematisch und nachvollziehbar sein. Sie muss auf einer genügend großen Zahl von Daten aus der Vergangenheit beruhen. Das angewendete Verfahren muss periodisch validiert, einem Backtesting unterzogen und allenfalls angepasst werden. Mit der Objektivität direkt verbunden ist auch die Akzeptanz des Modells im Markt, d.h. sowohl bei Gläubigern als auch bei Schuldnern. Wirtschaftlichkeit: Nicht zuletzt muss das Modell den Ansprüchen der Wirtschaftlichkeit genügen. Ein qualitativ besseres Modell führt zwar zu weniger Fehlurteilen und geringeren Ausfallkosten (Fehler der 1. Art) bzw. Opportunitätskosten aus entgangenen Gewinnen (Fehler der 2. Art). Dafür steigen die mit dem Ratingprozess verbundenen Prüfkosten.
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1 Grundlagen zum Rating
Die Modellarchitekturen sind der jeweiligen Entscheidungssituation individuell anzupassen. Die Architektur sollte jedoch den Kriterien Treffsicherheit, Objektivität und Wirtschaftlichkeit genügen.
1.1.5
Zusammenfassung
Das Rating von KMU ist von verschiedenen Herausforderungen wie Informationsdefiziten und asymmetrischer Informationsverteilung zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer geprägt. Diese Tatsache begründet gerade die Notwendigkeit von Ratings, die immer mehr auch strategische Bedeutung für den mittelständischen Unternehmer bekommen. Entwicklungen entlang der aufsichtsrechtlichen Vorschriften von Basel II, die Einführung risikoadjustierter Preisgestaltung und die Sensibilisierung der Kreditnehmer auf die Bonitätseinschätzungen unterstreichen die Wichtigkeit des Ratings. Die KMU-Ratingmodelle in der Praxis lassen sich anhand einer bestimmten Anzahl von Basisbausteinen beschreiben. Diese sind der Informationsinput (durch die notwendigen Ratingkriterien bestimmt), die Gewichtungsfaktoren, das Regelset zur Verknüpfung und Transformation der Informationselemente, die statistische Datenbasis zur Kalibrierung und Validierung der Modelle sowie die Zuordnung von Ausfallwahrscheinlichkeiten. Diese Bausteine definieren jedes in der Praxis eingesetzte Ratingmodell. Ausserdem lässt sich eine Typologie von Ratingmodellen ermitteln, die qualitative, quantitative und hybride Modelle unterscheidet. Dass dennoch in Banken, Ratingagenturen und anderen mit Rating befassten Institutionen eine Vielzahl unterschiedlicher Ratingmodelle vorhanden ist, liegt an der individuellen Ausgestaltung dieser Basisbausteine im Rahmen der jeweiligen Modelle. Ein Vergleich der Modelle unterstreicht jedoch die Notwendigkeit für den Kreditnehmer, die Architektur und Mechanik des Ratingsystems zu verstehen, um gezielt seine Unternehmung auf eine künftige Verbesserung des Ratings auszurichten und Rating strategisch als Wettbewerbsvorteil nutzen zu können.
1.1.6
Übungsaufgaben
1.1.6.1
Aufgaben
1. Erläutern Sie die Herausforderungen, die sich durch asymmetrische Informationsverteilung im Ratingprozess ergeben. 2. Welche Entwicklungen treiben die Entwicklung des Ratings hin zum strategischen Erfolgsfaktor für KMU? 3. Erläutern Sie die wichtigsten Basisbausteine eines Ratingmodells im Zusammenhang. 1.1.6.2
Lösungsschlüssel
1. Gestiegene Transaktionskosten, fehlende Transparenz, Hold-up und Lock-in z.B. bei Hausbankbeziehungen (Abschnitt 1.1.2.1) 2. Basel II, Umgang mit Risiko, verändertes Nachfrageverhalten, technologische Entwicklungen (Abschnitt 1.1.2.2) 3. Siehe dazu Abbildung 1 sowie die Ausführungen in Abschnitt 1.1.3.2.
1.1 Konzepte des KMU Rating im Vergleich
1.1.7
19
Literaturhinweise
Bernet, B. / Denk, C. (2000). Finanzierungsmodelle für KMU. Haupt Verlag, Bern 2000. Büschgen, H. / Everling, O. (2007). Handbuch Rating. 2. Auflage 2007, Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler, Wiesbaden 2007. Basler Ausschuss (2006): Internationale Konvergenz der Kapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – Überarbeitete Rahmenvereinbarung; April 2006. Kley, C. (2003): Mittelstands-Rating. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2003. Krahnen, J. / Weber, M. (2001): Generally Accepted Rating Principles: A Primer. Journal of Banking and Finance, Vol. 25 (2001), S. 3–23. Östereichische Nationalbank (2004). Guidelines on Credit Risk Management. Rating Models and Validation. Internet: www.oenb.at.
20
1 Grundlagen zum Rating
1.2 Der Einsatz von Ratingsystemen
21
Ottmar Schneck 1.2
Der Einsatz von Ratingsystemen
1.2.1
Einführung
21
1.2.2
Anforderungen an ein Ratingsystem
22
1.2.2.1 Regulatorische Vorgaben an ein Ratingsystem ................................................... 22 1.2.2.2 Allgemeine Anforderungen an ein Rating-Testsystem........................................ 24 1.2.2.3 Funktionale Anforderungen an eine Ratingsoftware ........................................... 26 1.2.3
Anwendung und Nutzen für die Ratingausbildung
29
1.2.3.1 Exemplarische Anwendungen in der Ausbildung................................................ 29 1.2.3.2 Nutzen des Softwareeinsatzes in der Ausbildung ................................................ 30 1.2.4
Fazit und Ausblick
31
1.2.5
Übungsfragen und Lösungsskizze
32
1.2.6
Literatur
34
Lernziel Der Einsatz von Ratingsystemen ist nach Basel II für Banken nach dem IRB-Ansatz zwingend. Hier werden Anforderungen genannt, die solche Systeme erfüllen müssen. Diese Anforderungen können auch an Ratingsoftwarelösungen gestellt werden, die bei der Ratingausbildung zum Einsatz kommen. Die Anforderungen und den Nutzen solcher Systeme bzw. Softwarelösungen zu kennen, stellt das Lernziel dieses Beitrages dar.
1.2.1
Einführung
Rating im Sinne der Kreditwirtschaft ist die Bewertung der künftigen Zahlungsfähigkeit eines Schuldners. Sowohl Objekt als auch Zielsetzung ist damit klar definiert. Es geht also nicht um ein Ranking, d.h. die Herstellung von Rangfolgen i.S. einer Ordinalskala, welche fälschlicherweise häufig auch als Rating bezeichnet und von Akkreditierungs- oder Prüfinstitutionen (u.a. für Hochschulrankings) erteilt werden. Dass dieses Rating im Sinne der Kre-
22
1 Grundlagen zum Rating
ditwirtschaft lehr- und lernbar ist, wird seit Jahren in zahlreichen Ausbildungs- und Studiengängen zum Ratingadvisor und Ratinganalysten bewiesen. Es handelt sich also nicht um Erfahrungswissen, das nur durch eigene langjährige Anwendung gewonnen werden kann, sondern um Wissen über Gesetze, Richtlinien, Methoden und Prozesse, die von erfahrenen Dozenten vermittelbar sind. Dass für ein qualifiziertes Rating letztlich auch Erfahrung gehört, ist unstrittig. Dass ein Lernerfolg durch professionelle Methoden in der Ausbildung und dem Trainings erhöht werden kann, ist auch hinlänglich bekannt. Eine der Methoden bei der Ratingausbildung ist sicherlich der Einsatz von Ratingsoftware. Solche Ratingsoftware bzw. Ratingtools gibt es nicht in der Kreditwirtschaft und damit als regulatorische Voraussetzung für Banken, die den IRB-Ansatz fahren wollen, sondern auch als bankenunabhängige Tools für Ratingadvisor und Ratinganalysten, die außerhalb von Banken ihre Betätigung finden. Wenn wir von professioneller Ratingsoftware sprechen, so sind zunächst diejenigen Programme auszuschließen, die lediglich ein Ranking im eingangs dargestellten Sinne ermöglichen. Dass auch diese auf Checklisten oder einfachen EXCELAnwendungen basierenden Instrumente ihren Zweck erfüllen, sei nicht in Frage gestellt. Wenn eine Ratingausbildung allerdings dazu befähigen soll, eine für Banken akzeptierte und international vergleichbare Ratingnote zu generieren, sollte auch die Ratingsoftware am Markt akzeptiert sein und international vergleichbare Ergebnisse liefern. Ein weiterer Aspekt neben der Akzeptanz und internationalen Vergleichbarkeit ist die Systematik des Ratingprozesses. Wenn dieser Prozess leidglich manuell oder auf Basis haptischer Checklisten erfolgt, ist nicht gewährleistet, dass ceteris paribus bei gleicher Datenlage auch zu späteren Zeitpunkten oder bei einer intersubjektiven Überprüfung auch gleiche Ratingergebnisse entstehen. Daher ist sowohl der Prozess wie die Generierung eines Ratingergebnisses i.S. einer dokumentierten Meinungsäußerung oder gutachterlichen Stellungnahme systematisch nur mit einer Ratingsoftware möglich. Wählt eine Ratingausbildung zur überprüfbaren und systematischen Erstellung eines Ratinggutachtens eine Ratingsoftware, i.S. eines IT- oder EDV-gestützten Ratingsystems bzw. -verfahrens, so wird dies aufgrund von Kosten-, Zeit- oder Qualitätsaspekten erfolgen. Insbesondere bei großen Entscheidungsmengen bietet sich ein standardisiertes Verfahren an, das zudem als offenes System die Integration von Datenflüssen ermöglicht und durch Schnittstellen deren Verarbeitung kostengünstig und zeitlich vorteilhaft darstellen lässt. Unter Qualitätsansprüchen sollte die objektive Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Verständlichkeit des Ratingurteiles im Vordergrund stehen. Diese Anforderungen werden im folgenden Abschnitt näher beleuchtet.
1.2.2
Anforderungen an ein qualifizierte Ratingsoftware
1.2.2.1
Regulatorische Vorgaben an ein Ratingsystem
Bevor auf die allgemeinen Anforderungen an jegliche „gute“ Software und die speziellen Anforderungen an eine „gute“ Ratingsoftware eingegangen werden soll, sind die regulatorischen bzw. aufsichtsrechtlichen Vorgaben von Seiten der Aufsichtsbehörden und Gesetzgeber in der Kreditwirtschaft zu prüfen.
1.2 Der Einsatz von Ratingsystemen
23
Nach der Basel Rahmenvereinbarung für Banken ist ein Rating System (gem. TZ 394) „all of the methods, processes, controls and data collection and TI systems, that support the assessment of credit risk, the assigment of internal risk ratings, and the quantification of default and loss estimates“. Somit ist ein Ratingsystem nach Basel II weit mehr als nur ein Rechenkern oder eine Ratingsoftware. Dementsprechend kommen beim Ratingsystem weitere Anforderungen hinzu, wie die einheitliche Ausfalldefinition (TZ 452), konsistente Portfolioabgrenzung (TZ 395), verlässliche Datenbasis (TZ 414), umfassende Dokumentation (TZ 418), Basel II nennt hier weiterhin unterschiedliche Anforderungen an den Standardansatz oder den IRB-Ansatz. Banken, die den IRB-Ansatz nutzen, müssen zunächst allgemeine Mindestanforderungen für die Zulassung der bankinternen Ratingverfahren erfüllen. Diese Anforderungen sollen sicherstellen, dass das Ratingsystem, der Ratingprozess und die geschätzten Risikokomponenten einer Bank adäquat sind. Unter diesen Mindestanforderungen ist insbesondere die interne Validierung hervorzuheben. Durch ein regelmäßiges Backtesting mit den Kreditdaten, soll die Verlässlichkeit der Ratingaussage den Aufsichtsbehörden nachgewiesen werden. Dass dies mit dem so genannten Gini-Koeffizienten erfolgen kann, der die Trennschärfe der verwandten Ratingkriterien misst, ist hinlänglich bekannt. Auch die Nutzung einer Alpha-Beta-Fehlerfläche ist hierbei möglich. Diese misst die Abweichungen von fälschlicherweise als solvent eingestuften insolventen Schuldnern (Alpha-Fehler) sowie die fälschlicherweise als insolvent eingestuften solventen Schuldnern (Beta-Fehler). Gem. dem Basel II-Papier sind folgenden Mindestanforderungen an IRB-Ansatz-Systeme zu stellen. (1) Angemessene Differenzierung des Kreditrisikos nach Ratingklassen (mindestens 7 Risikoklassen) (2) Vollständigkeit und Glaubwürdigkeit der Ratingzuordnung (d.h. Zuordnung der Ratingklassen zu Ausfallwahrscheinlichkeiten PD) (3) Regelmäßige Überwachung und Validierung der Ratingsysteme und -prozesse (d.h. Überwachungssysteme i.S. von Backtesting und Stresstests) (4) Trennscharfe Kriterien (z.B. aufgrund von Diskrimininanzanalysen gewonnenen Kriterien, die trennscharf solvente und insolvente Schuldner erkennen) die mit einer mehrjährigen Datenhistorie gewonnen bzw. validiert wurden. Will die Bank den so genannten fortgeschrittenen Ansatz des IRB-Ansatzes nutzen, bei dem ja bekannter maßen eigene Prognosen und Schätzungen zum Ansatz kommen, so sind weitere Mindestanforderungen im Basel II-Papier genannt (1) Aussagekräftige LGD-Schätzungen (Loss Given Default) (2) Aussagekräftige EAD-Schützungen (Exposure at Default) (3) Aussagekräftige Einstufung von Garantien und Kreditderivaten (d.h. Aussagen zu Haircuts, also Sicherheitsanrechungen sowie der Granularität der Kreditengagements) Im Standardansatz sind diese Mindestanforderungen nicht zu finden, d.h. kann eine bankextern durchgeführtes Rating auch auf Basis anderer Ratingsysteme bzw. -verfahren zustande kommen. Sollte eine Bank allerdings dieses externe Rating als Basis für seine Eigenkapitalunterlegung nutzen wollen, so ist auch dieses Verfahren von den Aufsichtsbehörden zunächst zu genehmigen. Es ist dann davon auszugehen, dass die o.g. Anforderungen auch für diese externen Verfahren angewandt werden. Betont werden muss hier allerdings, dass entgegen
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1 Grundlagen zum Rating
mancher Publikationen ein bankexternes Verfahren nicht in jedem Fall ein mathematischstatistisches Verfahren sein soll, das man ja auch als Scoring bezeichnen kann. Ein Ratingurteil muss methodisch begründet sein. Diese Begründung muss allerdings nach herrschender Meinung und Lehre nicht mathematisch-statistisch oder gar einschränkend stochastisch erfolgen, sondern kann in vielerlei Ausprägungen entwickelt worden sein. Im Basel-Papier ist unter TZ 389 auch ausdrücklich von einer so genannten „Methodenfreiheit“ die Rede, d.h. das Ratingsystem soll lediglich aussagekräftige Einschätzungen der Kreditnehmer erbringen. Eine mathematisch-statistische Notwendigkeit wird nicht erhoben. So sind Expertensysteme, Systeme auf Basis neuronaler Netzte oder Monte-Carlo-Simulationen ebenso denkbar wie die bei IRB-Verfahren üblichen mathematischen Verfahren auf Basis logistischer Regression bzw. Diskriminanzanalyse. Letzlich muss die Trennschärfe und damit der Nachweis über einen hohen Gini-Koeffizienten der Software genügen, auch wenn diese ggf. nur auf Basis subjektiver Einschätzungen qualitativer und quantitativer Kriterien zu einem Ergebnis kommt. Ratingsoftware sollte also standardisiert, objektiv, aktuell und nachvollziehbar sein und nicht unbedingt mathematisch-statistisch begründet. Wir wissen alle wie Statistik zu Fehlurteilen führen kann und nicht zuletzt der Self-Fullfilling-Effekt auftreten kann. Denn wird statistisch nachweist, dass „kleine Kreditnehmer“ insolvenzgefährdeter seien, nur weil sein (meist geringer) Datenbestand dies „zufällig“ aussagt, wird bei Ausselektion dieser Schuldnergruppe nie mehr feststellen können, ob die Auswahl ex post die richtige war. Als Zwischenergebnis kann aus der Ableitung regulatorischer Vorgaben für den Einsatz von RAtingsystemen in Banken auf den Einsatz von Ratingsystemen in der Ratingausbildung gesagt werden, dann zumindest eine Validierung bei dem eingesetzten System vorliegen sollte. Ob das System auf einer logistischen Regression, einer Diskriminanzanalyse, neuronalen Netzen oder anderen mathematischen und statistischen Grundlagen basiert, ist dabei zweitrangig. Wichtig ist lediglich, dass die Validierung zum Ergebnis kommt, dass verlässliche, d.h. trennscharfe Ergebnisse erzielt werden. Dass jede Software auch allgemeine und softwarespezifischen Anforderungskriterien zu erfüllen hat, leuchtet ein. Diese sollen in den beiden folgenden Abschnitt genannt werden. 1.2.2.2
Allgemeine Anforderungen an ein Ratingsystem
Allgemeine Anforderung an alle wissenschaftlich fundierten Testsysteme sind die Kriterien der routinemäßigen Durchführbarkeit, intersubjektiven Überprüfbarkeit der Objektivität der Prozesse, der Reliabilität und Validität des Systems. Die Möglichkeit einer routinemäßigen Durchführung erfordert ein „Tool“, das von einem normalen Nutzer (z.B. Bankangestellten, Analysten) keine überdurchschnittlichen SoftwareAnwenderfähigkeiten erfordert, sondern selbsterklärend und einfach bzw. leicht durchzuführen ist. Jeder Test muss sich letztlich selbst erläutern können. Die Verständlichkeit bedingt weiterhin die zweite allgemeine Anforderung der intersubjektiven Überprüfbarkeit, d.h. dass bei gleichen Bedingungen (ceteris paribus) ein „gleichwertiger“ Anwender auch zu gleichen Ergebnissen kommen muss. Diese Willkürfreiheit und Widerspruchsfreiheit setzt vor allem eindeutig messbare Indikatoren voraus.
1.2 Der Einsatz von Ratingsystemen
25
Da es sich bei jedem Rating trotz aller Standardisierungsbemühungen letztlich um einen subjektiven Prozess handelt und daher auch das Ergebnis nie in aller Totalität objektiv sein wird, ist das Vorhandensein messbarer Indikatoren sehr wichtig. Bei den zu messenden Indikatoren muss es sich um empirisch beobachtbare, klar und eindeutig abgrenzbare Merkmale handeln. Die Auswahl der Ausprägung bzw. Skalierung eines Indikators sollte daher eindeutig möglich sein. Dies kann durch die Hinterlegung von Hilfetexten oder eindeutigen Merkmalen je Indikator erfolgen. Wenn also z.B. bei einer qualitativen Fragestellung („Wie hoch ist die Abhängigkeit von den Lieferanten?“) der Messindikator ordinal skaliert ist (z.B. Ausprägungen in 10-Punkteschritten von sehr niedrig bis sehr hoch) und die ordinale Skala wiederum eindeutig den Ratingsymbolen zugeordnet ist, so werden sowohl die Anforderung der Messbarkeit also auch die der intersubjektiven Überprüfbarkeit der Fragestellung erfüllt.
Quelle: Prof. Dr. Schneck Rating, 2007. Abb. 1.2-1: Eingabemaske bei der Ratingsoftware R-CockpitTM
Unter der Objektivität einer Ratingsoftware verstehen wir den Grad, in dem die Ergebnisse eines Ratingprozesses unabhängig von der Person des Untersuchenden sind. Die Ratinganalysten dürfen im Idealfall keinerlei Einfluss auf das Ratingurteil haben, welches ja gerade objektiv, also sachlich und unabhängig vom Untersucher sein sollte. Dies scheint zunächst widersinnig, da doch Ratinganalysten eben genau solche Urteile zu fällen haben. Wir sollten
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1 Grundlagen zum Rating
hier allerdings von dem objektiven Erfahrungsschatz und dem subjektiven und individuellen Einfluss des Ratinganalysten unterscheiden. Ersterer wird Basis eines Ratingurteils vor allem bei qualitativen Faktoren sein. Letzterer ist durch das System, z.B. durch Plausibilitätsfragen auszuschließen. Die Wissenschaft unterscheidet drei verschiedene Aspekte dieser Objektivität und zwar die Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität. Die Durchführungsobjektivität als ersten Aspekt meint nichts anderes als den jeweiligen Grad der Unabhängigkeit des Ratingergebnisses von möglichen Verhaltensvariationen des Untersuchers. Das kann gewährleistet werden, indem man die Instruktionen an die Personen, welche mit der Untersuchung beauftragt sind, so genau wie möglich festlegt und die Untersuchungssituation selbst so weit wie möglich standardisiert. Die Auswertungsobjektivität, also die Unabhängigkeit des Ratingergebnisses von subjektiven Faktoren, wird dann erreicht, wenn die verwendeten Fragen nur eindeutig zu beantworten sind. Das wäre z.B. bei geschlossenen Fragen oder Auswahlfragen („Multiple Choice“) der Fall. Schließlich die Interpretationsobjektivität. Sie ist definiert als der Grad der Unabhängigkeit der Ergebnisse von den Interpreten, also den Personen, die letztlich das Ratingurteil zu bewerten haben. Die Interpretationsobjektivität ist dann gegeben, wenn aus gleichen Auswertungsergebnissen gleiche Schlüsse gezogen werden. Relativ einfach kann das erreicht werden durch die Verwendung von einheitlichen Ratingsymbolen (AAA, AA etc.), die wiederum textlich mit Standardurteilen hinterlegt sind. Die Reliabilität ist der Grad der Genauigkeit, mit dem ein bestimmtes Merkmal gemessen wird. Dabei ist es allerdings zunächst gleichgültig, ob der Test dieses Merkmal auch zu messen beansprucht. Ein Rating ist dann reliabel, wenn die mit seiner Hilfe erzielten Ergebnisse das untersuchte Unternehmen genau, das heißt fehlerfrei beschreiben bzw. auf der jeweiligen Testskala lokalisieren. Diese Genauigkeit betrifft aber lediglich den beobachteten Messwert und nicht auch seinen Interpretationswert, also nicht die Frage, ob auch das gemessen wird, was gemessen werden soll. Zusammenfassend ist also eine Ratingsoftware in der Ausbildung einzusetzen, die nicht nur validiert ist, sondern routinemäßig angewandt, objektiv, reliabel ist. Weitere funktionale und damit softwarespezifische Anforderungen werden im Folgenden genannt. 1.2.2.3
Funktionale Anforderungen an eine Ratingsoftware
Neben den wissenschaftlichen Anforderungskriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität sollte jede „gute“ Ratingsoftware auch diejenigen Anforderungen erfüllen, die an eine „gute“ Software allgemein gestellt werden. Diese Anforderungen wären die Verständlichkeit der Eingabemasken und die Einfachheit der Auswertung. Die Klarheit der Zielsetzung, die Offenheit der Gewichtung der Kriterien, die Übersichtlichkeit der Auswertung und die Selbsterklärung der Analyse sollten speziell für praxistaugliche Ratingsysteme gelten. Zunächst sollten die Eingabemasken bzw. -möglichkeiten der Ratingsoftware allgemein verständlich sein. Das bedeutet, dass die Benutzerschnittstelle des Systems so gestaltet sein
1.2 Der Einsatz von Ratingsystemen
27
muss, dass Eingabefehler möglichst von Anfang an vermieden werden und somit die Durchführungs- und Auswertungsobjektivität der Erhebung gewährleistet wird. Das bedingt auch eindeutige Schnittstellen zu anderen Systemen oder Programmen. Wenn z.B. das Controllingsystem eines Unternehmens oder die Software eines Steuerberaters nicht vollständig in die Ratingsoftware übertragbar ist, wird dies zu Fehlerquellen führen. Eine qualitativ hochwertige Ratingsoftware hat daher ausreichend Schnittstellen zu Standardsoftwareprodukten. Damit ist außerdem eine Vereinfachung und Zeitersparnis bei der Eingabe von Daten verbunden, auch wenn diese unmittelbar in einer Ratingausbildung nicht genutzt werden können. Im Zusammenhang mit der Auswertungsobjektivität steht auch die Einfachheit und Transparenz der Auswertung. Nur wenn der Schritt vom Ratingprozess zum Ratingergebnis unkompliziert ist, können Fehler vermieden werden und das Verfahren ökonomisch gestaltet werden. Im Idealfall sollte das Ratingsystem die Auswertung ganz von alleine vornehmen, d.h. die Software sollte dazu in der Lage sein, die Eingaben so auszuwerten, dass das Ergebnis direkt in Textform ausgegeben und unter Verwendung von farblichen Markierungen (z.B. in Form eines „Ampelsystems“) dargestellt wird. Die Besprechung von Ratingergebnissen
Quelle. Prof. Dr. Schneck Rating, 2007 Abb. 1.2-2: Auswertungsmaske der Ratingsoftware R-CockpitTM
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1 Grundlagen zum Rating
aus Hausarbeiten oder Fallstudien in der Ratingausbildung ist umso effizienter, je transparenter die zu besprechenden Auswertungen sind. Das gilt in ähnlicher Weise auch für die Übersichtlichkeit der Auswertung, denn nur wenn die klar und verständlich ist, kann das Ratingsystem seinen eigentlichen Zweck, ein Ratingurteil zu erstellen, erfüllen. Die Ratingsymbolik ist die komprimierte Form des Ratingurteiles. Solche Symbole (z.B. AA-, BBB+ etc.) sind auf den Finanzmärkten seit langem etabliert, wenngleich viele Ratingsysteme versuchen ihre eigenen Symbole zu erfinden. Dies erscheint töricht angesichts des Wunsches von Investoren, Werturteile zu vergleichen. Es ist daher sinnvoll, die seit über hundert Jahren bei Standard & Poor’s bzw. Moody’s verwandten amerikanischen Schulnoten von AAA bis D zu nutzen und keine eigenen Symbole zu erfinden, die der internationale Kapitalmarkt nicht vergleichen kann. Nur wenn ein Fondsrating, Anleiherating oder Schuldnerrating letztlich über ein einziges Ratingsymbol vergleichbar wird, kann von einem guten Ratingsystem gesprochen werden. Alle übrigen Versuche eigene Symbolstandards zu entwickeln (z.B. Sterne entsprechend den Hotelstandards) scheiterten in der Vergangenheit oder sind auf eine Publikation beschränkt. Es ist außerdem wünschenswert, dass bei Bedarf ebenso direkt aus dem System heraus Verbesserungsvorschläge abgegeben werden, wie das geratete Unternehmen seine Bewertung in bestimmten Bereichen verbessern könnte. So könnten z.B. für den Fall, dass das Verhältnis der Vorräte zum Umsatz (siehe auch unter Abschnitt 1.2.4.1.1) sehr hoch wäre, vom Ratingsystem aus Hinweise zu diesem Sachverhalt, Ergebnistipps oder Lernhinweise abgegeben werden, damit der Anwender erfährt, wie diese Kennzahl verbessert werden kann. Dass hier kein totaler Automatismus gefordert wird, scheint klar. Aber Hilfestellungen für typische Stärken-/Schwächenprofile je Branche sind sicher denkbar. Gerade in einer Ratingausbildung zum Ratingadvisor ist diese Funktionalität wichtig. Es muss den Teilnehmern vermittelt werden, welche Optimierungsmöglichkeiten bei einem Fallbeispiel bestehen. Schließlich gibt es noch zwei weitere besondere Bedingungen, die ebenfalls erfüllt werden sollten: Zum einen die Offenheit und Transparenz der Gewichtung der Kriterien und zum anderen die Selbsterklärung der Analyse. Mit der offenen Gewichtung meinen wir die Fähigkeit des Systems, flexibel auf besondere Anforderungen des Ratings reagieren zu können. So könnte z.B. die Notwendigkeit bestehen, bestimmte Faktoren bei verschiedenen Unternehmen unterschiedlich stark zu gewichten, wenn diese einen stärkeren Einfluss auf das Ratingurteil haben werden. Dies ist insbesondere bei einem Branchenrating oder einem speziellen Verbandsrating wichtig, welches lediglich nur einer internen Vergleichbarkeit dient. Auch diese Simulationsmöglichkeit ist in der Ausbildung wichtig. Die Selbsterklärung der Analyseauswertung dient wiederum der Einfachheit des Verfahrens und damit der effizienten Durchführung. Eine selbsterklärende Auswertung sollte bezüglich des Layouts so komfortabel gestaltet sein, dass quasi bildhaft die Qualität des Ratings deutlich wird. Farbsymbole können hier ebenso helfen wie charttechnische Aufbereitungen mit Balkendiagrammen oder Häufigkeitsverteilungen. Letztlich ist eine nur textliche Auswertung für ein Scoring- bzw. Ratingsystem wenig hilfreich.
1.2 Der Einsatz von Ratingsystemen
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Zusammenfassend kann für die softwaretechnischen Funktionalitäten eine allgemein verständliche, transparente und übersichtliche, in den Gewichtungen offene und selbsterklärende Funktionalität von einem Ratingsystem gefordert werden. Die Ratingausbildung wird mit jedem dieser Kriterien, die erfüllt wird, an Qualität und Nutzen für die Teilnehmer gewinnen.
1.2.3
Anwendung und Nutzen für die Ratingausbildung
1.2.3.1
Exemplarische Anwendungen in der Ausbildung
Bei der Anwendung von Ratingsoftware in der Ratingausbildung ist stets zwischen der Ausbildung zum Ratinganalysten oder zum Ratingadvisor zu unterscheiden. Während der Analyst zu einer unabhängigen Begutachtung ausgebildet wird und fachlich sehr fundiert die Vielfalt an Einflussgrößen auf ein Ratingurteil erlernen soll, hat der Ratingadvisor das Ziel der Beratung seines Mandanten hinsichtlich der Optimierung der Ratingnote. Beide Ziele sind unterschiedlich, wenngleich das Instrumentarium d.h. die Ratingsoftware identisch sein kann. Bei der Analyse muss die Ratingsoftware mit transparenten Kriterien und Gewichtungen zu einem Ratingurteil kommen. Hier wird in den einschlägigen Ratingausbildungen stets mit Fallbeispielen und Hausarbeitsfällen gearbeitet. Diese Fälle exakt zu analysieren und deren Fallstricke zu erkenne, kann mit Hilfe einer professionellen Ratingsoftware erleichtert werden. Wenn die Software in der Auswertungsfunktionalität auf solche Fallstricke und Ausreißer durch Warnhinweise oder „rote Ampeln“ hinweist, wird der angehende Ratinganalyst sensibilisiert und erfährt einen effizienten Lernfortschritt. Bei der Ausbildung zum Ratingadvisor sollen ebenfalls mit zahlreichen Fallstudien und Beispielen die Möglichkeiten zur Optimierung eines Ratingergebnisses für den Beratungskunden erörtert werden. Auch hier kann durch anschauliche Auswertungen bei verschiedenen Simulationen von Veränderungsmaßnahmen, das Lernen erleichtert werden. Wenn z.B. die Veränderung des Vorratsvermögens oder die Erhöhung einer Eigenkapitalquote durch Thesaurierung oder Einlagen auf die Veränderung der Ratingnote hin simulierbar ist, wird die Beratungsqualität auch für den Kunden verbessert. Dass Rating Advisory sich nicht nur auf die Vorbereitung auf ein Bankgespräch reduzieren lässt, ist inzwischen in den vielen Publikationen zu Themen wie Lieferantenrating, Kundenrating, Branchenrating u.v.a. deutlich. Gerade beim erstgenannten Bewerten von Lieferanten spielen zunehmend auch Bonitätsfragen eine Rolle. Was nutzt einem Hersteller eine pünktliche und qualitativ perfekte Anlieferung von Waren, wenn der Lieferant in einer finanziellen Schieflage ist und evtl. durch Insolvent unerwartet komplett ausfällt. So hat die deutsche Automobilwirtschaft, die im VDA (Verband der Automobilwirtschaft) organisiert ist, bereits im Jahre 2002 einen so genannten VDA-Ratingstandard definiert, der ebenfalls auf einer Ratingsoftware basierend (R-CockpitTM), die Bonität der Lieferanten für die Hersteller bzw. OEM einschätzen soll. Ergänzende zur klassischen Bewertung von Produkteigenschaften eines Lieferanten, wird so mit der international verständlichen Ratingnomenklatur von S&P eine Bonitätseinschätzung durch ein so genanntes Eigenrating der Lieferanten abgegeben, das von einem Wirtschaftsprüfer testiert wird. Der OEM erhält damit keine umfangreiche Einsicht in die Jahresabschlüsse, sondern eine komprimierte Ratingnote, die der Lieferant
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1 Grundlagen zum Rating
zusammen mit seinem Wirtschaftsprüfer erstellt. Letzterer ist damit im Sinne eines Ratingadvisors tätig und sollte daher auch die Qualifikation einer Ratingausbildung erfahren. Ähnliche Modelle einer Anwendung von Ratingsoftware wurden in anderen Verbänden, so z.B. dem GWA (Gesamtverband der Werbeagenturen) in Deutschland für all seinen Mitgliedern in der Werbewirtschaft oder dem VDEW (Verband der Elektrizitätswirtschaft), dem BfT (Bundesverband freier Tankstellen) sowie gdbm (Gesamtverband der Mineralölhändler) eingeführt. Ratingausbildung kann damit auch zu einem Eigenrating und damit einer Eigeneinschätzung genutzt werden. Dies stellt neben einer konkreten Anwendung gleichzeitig einen Nutzen für den Anwender dar. Weitere Nutzenpotentiale sind im folgenden Abschnitt zusammengefasst. 1.2.3.2
Nutzen einer Ratingsoftware für Unternehmen
Wenn in einer Ratingausbildung Ratingsoftware eingesetzt wird, so hat dies zahlreiche Nutzenpotentiale. Mit Hilfe einer Ratingsoftware lassen sich Stärken und Schwächen systematisch analysieren. Gerade für die Betrachtung eigentümergeführter, kleiner Unternehmen hat der Einbezug qualitativer Fragestellungen z.B. zur Qualität der Geschäftsführung den Vorteil, dass auch die Leistungen und Ideen des Eigentümers analysiert und offengelegt werden. Durch die Ratingfragestellungen aus der Ratingsoftware wird das ganze Unternehmen inklusive den Eigentümer auf den Prüfstand gestellt. Zahlreiche betriebswirtschaftlich relevante und für die Zukunft des Unternehmens entscheidende Faktoren werden analysiert und unter dem Aspekt des Risikos bewertet. Die Analysen des neutralen Analysten zeigen Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken sämtlicher Unternehmensbereiche auf. Die Einschätzung des Advisors kann Schwächen- und Risikovermeidungsstrategien erarbeiten. Aufbauend auf dieser Stärken-Schwächen-Analyse können im Unternehmen Verbesserungspotentiale sichtbar gemacht werden. Es bietet sich so die Möglichkeit, aufgedeckte Schwachstellen zu beseitigen. Zu ratende Unternehmen erhalten meist vor dem Ratingtermin im Hause einen Fragenkatalog zugesandt, bei dessen Beantwortung zur Vorbereitung des Ratingtermins bereits Probleme angesprochen werden oder zumindest eine Problemsensibilisierung erfolgt. Wenn dieser Fragenkatalog in der Ratingausbildung, basierend auf der eingesetzten Ratingsoftware, erlernt wird, ist die spätere Datenaufnahme nicht nur systematisch, sondern auch einfacher. Mit Hilfe der Ratingsoftware kann der Analyst und Advisor die Jahresabschlussdaten gründlich überprüfen. Gerade aus der quantitativen Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage lassen sich Risiken, die langfristig zur finanziellen Schieflage führen können, ableiten. Mit Bilanzkennzahlen, insbesondere der Kapitalstrukturrelation, der Ertrags-Kapital-Relation oder künftige finanzielle Liquiditätsgrade sollten Risiken deutlich werden. Auch bei aller Kritik an vergangenheitsorientierten Bilanzdaten muss deren Relevanz für die Sensibilisierung finanzieller Risiken herausgestellt werden. Eine professionelle Ratingsoftware ermittelt all die ratingrelevanten Kennziffern automatisch und liefert darüber hinaus auch branchenbezogene Benchmarkwerte, die sowohl dem Analysten wie dem Advisor in deren Einschätzung der Unternehmens wertvoll sind.
1.2 Der Einsatz von Ratingsystemen
31
Wenn der Analyst oder Advisor die erkannten Risiken zudem in einem Risikoinventar dokumentiert und in einer kritischen Risikoanalyse mit nachvollziehbaren Risikogewichtungen eine Risikostrategie definiert und ggf. ein Frühwarnsystem installiert, so kann das Rating zu einem Risikomanagement ausgebaut werden. Dies stabilisiert nicht nur die Bonität, sondern eröffnet neue Handlungsspielräume für den geschäftlichen Erfolg. Ein Unternehmer kann bei der Konfrontation mit den „nackten Zahlen“ und einer reellen Risikoeinschätzung objektive und zielgenaue Entscheidungen treffen. Ein Rating kann hierbei genutzt werden Risiken zu prüfen und über ein Bewertungsraster einzuordnen, um der Gefahr entgegenzuwirken, Entscheidungen aus dem Bauch heraus zu treffen. Der Analyst oder Advisor kann einen durch die Ratingsoftware generierten Bericht für alle Stakeholder seiner Mandanten, insbesondere die Kapitalgeber und Gläubiger nutzen und durch einen aussagekräftigen Ratingbericht ein Investor Relations bzw. Banking Relation betreiben. So stärkt ein Rating die Verhandlungsposition gegenüber Kreditgebern entscheidend, wenn es um das Aushandeln von günstigeren Kreditkonditionen geht. Für potenzielle Investoren wie z.B. Private Equity-Fonds, Venture-Capital-Gesellschaften oder Mezzanine-Fonds nutzt schon heute das Ratingurteil als Risikobeurteilung. Erstellt ein Analyst bzw. Advisor auf Basis seiner Ratingsoftware nach seiner Ratingausbildung einen solchen Ratingbericht, kann dies als erste Indikation für den Investor dienen und für den Unternehmer die .Suche nach neuen Investoren erleichtern. Ein Ratingbericht auf Basis einer Ratingsoftware ist außerdem geeignet, um das Unternehmen in der Öffentlichkeit gegenüber den Finanzmedien und der Wirtschaftspresse darzustellen. Auch wenn keine aktive Kommunikation betrieben wird, kommt es ständig zu einer Bewertung und Begutachtung von Dritten. So kann der Ratingbericht, der ggf. vom Steuerberater oder Wirtschaftprüfer noch testiert wurde, dazu genutzt werden um Spekulationen und Vermutungen den Nährboden zu entziehen, da es Offenheit durch objektive Daten signalisiert. Das Vertrauen in eine solide Unternehmensführung wird durch die Veröffentlichung nachhaltig gestärkt. Der Einsatz von Ratingsoftware in der Ratingausbildung birgt also weit über die Erhöhung des Lernerfolges auch nach der Ausbildung und damit in der Folgepraxis erhebliche Nutzenpotentiale. Es ist demnach nicht nur ein Instrument zur Ausbildung sondern ein wichtiges Werkzeug für die spätere Analyse und Beratung. So sieht auch die geplante ISO-Norm „Ratingservices“ in einem Passung den Einsatz eines validierten Ratingsystems im Ratingprozess vor.
1.2.4
Fazit und Ausblick
Ratingsoftware als eine spezielle Ausprägung von Ratingsystemen, soll den Anwender in die Lage versetzten, standardisiert, transparent und jederzeit nachvollziehbar zu Bonitätsurteilen von Schuldnern zu gelangen. Während Banken nach Basel II bei Anwendung des IRBAnsatzes aufsichtsrechtliche Anforderungen erfüllen müssen, die auch die Ratingsysteme betreffen, so ist bei Anwendung des Standardansatzes und damit der Nutzung externer Ratings ein Ratingsystem bzw. eine Ratingsoftware nicht zwingend erforderlich. Das Ratingmodell wird allerdings ebenfalls von den Aufsichtsbehörden geprüft werden, wenn dessen
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1 Grundlagen zum Rating
Urteil von Banken für die Eigenmittelunterlegung genutzt werden soll. Nutzen Ratingagenturen, Rating Advisor oder Unternehmen selbst eine Ratingsoftware, so sind allgemeine Anforderungen an eine „gute“ Software zu stellen und funktionale Kriterien einer Anwenderfreundlichkeit zu prüfen. Insbesondre für den Einsatz bei einer Ratingausbildung ist der Einsatz von qualifizierter Ratingsoftware sinnvoll, da Urteile systematisch und transparent erzeugt werden und Advisoryansätze leichter zu entwickeln sind. Ratingsoftware sollte verständliche, transparente und übersichtliche, in den Gewichtungen offene und selbsterklärende Funktionalität aufweisen, vor allem validiert sein und einen hohen Nutzwert auch über die Ausbildung hinaus erzeugen. Die Ratingsoftware R-CockpitTM von Prof. Dr. Schneck Rating wird u.a. in der Ratingausbildung des Universitätsinstitutes RaFIn (Rating & Finance Institute) der Steinbeishochschule Berlin (www.rafind.de) sowie bei der Ausbildung des Zertifikatskurses Ratingadvisor der Europäischen Fernhochschule Hamburg (www.euro-fh.de) eingesetzt.
1.2.5
Übungsfragen und Lösungsskizze
(1) Welche Anforderungen können aus regulatorischer Sicht nach Basel II an Ratingsysteme gestellt werden ? (2) Was versteht man unter Trennschärfe eines Ratingsystems ? (3) Welchen Nutzen hat der Einsatz von Ratingsoftware in der Analyse und dem Advisory. Zu (1) Regulatorische Anforderungen an ein Ratingsystem Ratingsysteme sind gem. TZ 394 des Basler Akkords „all of the methods, processes, controls and data collection and TI systems, that support the assessment of credit risk, the assigment of internal risk reatings, and the quantification of default and loss estimates“. Anforderungen sind eine einheitliche Ausfalldefinition (TZ 452), konsistente Portfolioabgrenzung (TZ 395), verlässliche Datenbasis (TZ 414) und umfassende Dokumentation (TZ 418). Mindestanforderungen ist insbesondere die interne Validierung durch ein regelmäßiges Backtesting. Ein Maß kann der so genannten Gini-Koeffizienten oder die Alpha-BetaFehlerfläche sein. Im IRB-Ansatz gibt es folgende weitere Anforderungen: (1) Angemessene Differenzierung des Kreditrisikos nach Ratingklassen (mindestens 7 Risikoklassen), (2) Vollständigkeit und Glaubwürdigkeit der Ratingzuordnung (d.h. Zuordnung der Ratingklassen zu Ausfallwahrscheinlichkeiten PD) (3) Regelmäßige Überwachung und Validierung der Ratingsysteme und -prozesse (d.h. Überwachungssysteme i.S. von Backtesting und Stresstests) (4) Trennscharfe Kriterien (z.B. aufgrund von Diskriminanzanalysen gewonnenen Kriterien, die trennscharf solvente und insolvente Schuldner erkennen) die mit einer mehrjährigen Datenhistorie gewonnen bzw. validiert wurden. Beim Fortgeschrittenen IRB-Ansatz sind zusätzlich folgende Anforderungen zu erfüllen: (1) Aussagekräftige LGD-Schätzungen (Loss Given Default) (2) Aussagekräftige EADSchätzungen (Exposure at Default) (3) Aussagekräftige Einstufung von Garantien und Kreditderivaten (d.h. Aussagen zu Haircuts, also Sicherheitsanrechungen sowie der Granularität der Kreditengagements)
1.2 Der Einsatz von Ratingsystemen
33
Im Standardansatz sind diese Mindestanforderungen nicht zu finden. Zu (2) Trennschärfe Trennschärfe ist die Überschrift über alle Maße zur möglichst genauen Erkennung bzw. Trennung von insolventen und solventen Fällen durch ein Ratingsystem. Dies kann durch den Gini-Koeffizient, AUC-Kurven oder Alpha-Beta-Fehlerflächen erfolgen. In jedem Fall kann dies nur durch eine Validierung bzw. ein Backtesting des Verfahrens erfolgen, bei dem solvente und insolvente Daten mit dem Ratingmodell geratet werden und die Treffergenauigkeit, d.h. die Aussage, ob Solvente auch als solvent und Insolvente auch als insolvent erkennt wurden, ermittelt wird. Neben der Trennschärfe auf Basis einer Validierung ist die Objektivität und Reliabilität eines Ratingsystems als Maß für die Güte des Systems zu nennen. Als statistisches Gütemaß für die Beurteilung der Trennschärfe des quantitativen Segments wird das „Cumulative Accuracy Profile“ (CAP) herangezogen. Dessen Grundprinzip wird im Folgenden exemplarisch erläutert:
Beispiel: In einem Ratingverfahren mit 10 Ratingklassen, wobei die Ratingklasse 10 die Kreditnehmer mit der besten und die Ratingklasse 1 diejenigen mit der schlechtesten Bonität beinhalten soll, werden folgende Verteilungen angenommen. Anzahl gerateter Unternehmen: Anzahl ausgefallener Unternehmen: (A) Ratingklasse 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Summe: Ginikoeffizient (%)
10.000 320
(B) (C) Anzahl Optimales Unternehmen Ausfallin Ratingverhalten klasse 100 100 150 150 750 70 1500 1200 1300 1100 1600 1100 1200 10000 79,73
Abb. 1.2-3: Exemplarische Daten für Gini-Test
(D) Kumulierters optimales Ausfallverhalten 100 250 320 320 320 320 320 320 320 320 2910
(E) (F) TatsächKumulierliches tes tatsächAusfallliches Ausverhalten fallverhalten 50 50 110 160 30 190 25 215 25 240 20 260 20 280 15 295 15 310 10 320 320 2320
34
1 Grundlagen zum Rating
In der Tabelle s.o. ist ein exemplarischer Datensatz aufgeführt. Von 10.000 gerateten Unternehmen sind im Betrachtungszeitraum 320 Unternehmen durch Insolvenz ausgefallen. In Spalte (B) ist aufgeführt, wie viele Unternehmen jeder der 10 Ratingklassen zugeordnet wurden. Ein optimales Ratingsystem würde sämtliche insolventen 320 Unternehmen den schlechtesten Ratingklassen im Vorfeld zuordnen. Die 320 Insolvenzen würden sich im obigen Beispiel demnach auf die Ratingklassen 1–3 verteilen. Alle Unternehmen der Ratingklassen 1 und 2 und 70 der 750 Unternehmen in Ratingklasse 3 wären insolvent geworden. In den höheren Ratingklassen hingegen wäre keine einzige Insolvenz aufgetreten: Spalte (C). Bei einer kumulierten Betrachtung des optimalen Ausfallverhaltens ergeben sich die Werte entsprechend Spalte (D). In Spalte (E) wird nun das tatsächlich beobachtete Ausfallverhalten – in der Tabelle s.o. rein exemplarisch – dokumentiert. So wurden z.B. von den 100 Unternehmen in Ratingklasse 1) 50 Unternehmen insolvent. Bei den 150 Unternehmen in Ratingklasse 2) wurden 110 insolvent, usw.. In Spalte (F) wird nun das tatsächliche Ausfallverhalten in diesem exemplarischen Datensatz kumuliert. Die sich hieraus ergebende Summe (2320) wird ins Verhältnis gesetzt zu der Summe des kumulierten tatsächlichen Ausfallverhaltens (2910). Aus dem Quotienten ergibt sich als Accuracy Ratio ein Ginikoeffizient von 79,73 % als Gütemaß für das oben betrachtete exemplarische Ratingsystem. Zu (3) Nutzen von Ratingsoftware Wenn in einer Ratingausbildung Ratingsoftware eingesetzt wird, so hat dies zahlreiche Nutzenpotentiale. − Systematisches Erkennen von Stärken und Schwächen im Unternehmen − Systematische Erarbeitung von Verbesserungspotentialen durch Simulation von Optimierungsmaßnahmen − Erkennung von Chancen und Risiken im Unternehmen − Benchmarking der Kennzahlen und Kriterien mit Branchendurchschnitten − Erstellung aussagekräftiger Ratingberichte für alle denkbaren Stakeholder (OEM; Banken, Versicherungen, Lieferanten)
1.2.6
Literatur
Lehrbücher Schneck, O.: Alternative Finanzierungsformen, Wiesbaden 2006. Schneck, O.: Betriebswirtschaft konkret, Wiesbaden 2006 Schneck, O.: Lexikon der Betriebswirtschaft, 6. Aufl., München 2005. Schneck, O.; Everling, O.: Rating ABC, Wiesbaden 2004. Schneck, O.: Finanzierung, 2. Aufl., München 2003. Schneck, O.; Morgenthaler; Yesilhark,: Rating, Wie sie sich effizient auf Basel II vorbereiten können, München 2002.
1.2 Der Einsatz von Ratingsystemen
35
Aktuelle Aufsätze Schneck, O.: Rating-Aufwärtsspirale in Gang gesetzt, in: die Führungskräfte, Heft 11–12/2006, S. 5. Schneck, O.: Wird Basel II verschoben?, in: Kredit & Ratingpraxis, 12/2006, S. 12–15. Schneck, O.: Möglichkeiten der Standardisierung von Ratingservies, in: Moderne Dienstleistungen, hrsg. V. D. Streich u.a., Frankfurt S. 361–373. Schneck, O.: Der Controller als Rating-Advisor, in: REFA-Nachrichten, Ausgabe 5, 2006, S. 32–39. Schneck, O.: Möglichkeiten der Standardisierung von Ratingservices, in: Kredit & Ratingpraxis, Heft 5, 2006, S. 13–17. Schneck, O.: Lieferantenrating in der Auotmobilindustrie, in: Kredit & Ratingpraxis, Heft 4, 2006, S. 6–9. Schneck, O.: Finanzrating am Beispiel der Automobilindustrie, in: Finanzrating, hrsgg. Von O. Everling, Wiesbaden 2006. Schneck, O.: Der Steuerberater als Ratingberater, in: Die Steuerberatung, Heft Juli 2006, S. 354–358. Schneck, O.: Der VDA_Ratingstandard, in: Management & Qualität, 7/06, S. 1–3. Schneck, O.: Rating als Chance begreifen, in: Holz-Zentralblatt, Nr. 17, S. 482 v. 28.4.2006. Schneck, O.: Softwaregestützte Kredit-Ratings in der Versicherungswirtschaft, in: Kredit & Ratingpraxis, Heft 1, 2006, S. 1–3. Schneck, O.: Rating verändert die Finanzwelt, in RAS, Heft 2, 2006, S. 28–29. Schneck, O.: Externes und internes Rating, in Unternehmermagazin Heft 10, 2005, S. 46–47. Schneck, O.: R-Cockpit, in : Rating-Software, Methoden, Bewertung, Nutzen, von: Gleißner, Everling, Füßer, München 2006 Schneck, O.: Ratingsoftware in der Lieferantenbewertung, in Kredit & Ratingpraxis, 5/2005, S. 6–7. Schneck, O.: Grüne Welle in Sachen Rating, in: IT Mittelstand, 11/2005, S. 58–61 Schneck, O.: Ratingsoftware zur Lieferantenbewertung, in: Kredit & Ratingpraxis, Heft 5, 2005, S. 1–2. Schneck, O.; Engels, R.: Softwaregestützte Kreditratings in der Versicherungswirtschaft, in: Everling u.a. Versicherungsrating, Wiesbaden 2005. Schneck, O.: Basel II hat begonnen, in: Bundesanzeiger, Heft 6, 2004, S. 5. Schneck, O.: Die Macht der Ratingagenturen, in DSWR, Heft 10, S. 44–45. Schneck, O.: Sovereign Credit Rating, in: Kredit & Ratingpraxis, Heft 4, 2004, S. 1–3. Schneck, O.: Bilanzkennzahlen als Rating-Faktoren, in: RATINGaktuell, Heft 2, 2003, S. 14–16. Schneck, O.: Rating aus dem Rechner, in: Cash, Heft 9, 2003, S. 8. Schneck, O.: Bewertung des Goodwill, eine Herausforderung für das Rating, in: DSWR, Heft 8, 2003, S. 225–228. Schneck, O.: Warum Basel II mehr Chancen als Risiken bietet, in: Interaktiv, Heft 3, 2002, S. 18–21.
36
1 Grundlagen zum Rating
2.1 Rating von mittelständischen Kunden in der HypoVereinsbank
2
Internes Rating der Banken
37
38
2 Internes Rating der Banken
2.1 Rating von mittelständischen Kunden in der HypoVereinsbank
39
Patrick Schmitt 2.1
Rating von mittelständischen Kunden in der HypoVereinsbank
2.1.1
Einleitung
40
2.1.2
Lernziele
40
2.1.3
Ratingverfahren in der HypoVereinsbank
41
2.1.3.1
Allgemeine Übersicht über die Ratingverfahren................................................ 41
2.1.3.2
Die Ratingskala der HypoVereinsbank .............................................................. 41
2.1.3.3
Bonitätsermittlung und Maja-Modelle ............................................................... 42
2.1.4
Scoring/Rating Geschäftskunden
2.1.4.1
Anwendung und schematischer Aufbau............................................................. 43
2.1.4.2
Komponenten Scoring GK ................................................................................. 44
2.1.4.3
Komponenten Rating GK ................................................................................... 44
2.1.4.4
Kombination der Einflussfaktoren im Scoring/Rating GK ................................ 45
2.1.5
Mittelstandsrating
2.1.5.1
Anwendung und schematischer Aufbau............................................................. 45
2.1.5.2
Teilrating Wirtschaftliche Verhältnisse.............................................................. 46
2.1.5.3
Teilrating Unternehmenssituation ...................................................................... 47
2.1.5.4
Ermittlung der Bonitätsklasse ............................................................................ 47
2.1.6
Zusammenfassung
48
2.1.7
Übungsfragen
48
43
45
Übungsfrage 1: ................................................................................................................... 48 Übungsfrage 2: ................................................................................................................... 48 Übungsfrage 3: ................................................................................................................... 48
40 2.1.8
2 Internes Rating der Banken Lösungsskizzen zu den Übungsfragen
48
Lösung zu Übungsfrage 1: ..................................................................................................48 Lösung zu Übungsfrage 2: ..................................................................................................49 Lösung zu Übungsfrage 3: ..................................................................................................49
2.1.1
Einleitung
Die Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG (HVB) beschäftigt sich insbesondere auch durch ihr Vorgängerinstitut Bayerische Vereinsbank AG bereits seit mehr als zwanzig Jahren sehr intensiv mit dem Einsatz von statistischen Systemen zur Risikoerkennung und -bewertung. Zu dieser Zeit hat die Bank begonnen, Daten über Finanzkennzahlen und deren Aussagekraft über das Ausfallrisiko einer Unternehmung zu sammeln, mit dem Ziel Kreditentscheidungen zu unterstützen. Bereits Mitte der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde das erste Ratingmodell zur maschinellen Jahresabschlussanalyse von inländischen, bilanzierenden Firmenkunden eingeführt. Seitdem wurden eine Vielzahl von Ratingsystemen für die unterschiedlichsten Kundengruppen und Produkte einer Groß- und Universalbank entwickelt, die national wie international tätig ist und heute in das Netzwerk der UniCredit Group eingebunden ist. Die Ratingsysteme der heutigen Zeit basieren auf der Methode einer logistischen Regressionsanalyse, die gemäß den Erfahrungen der HVB zu den besten Ergebnissen bzgl. der Trennschärfe der Ratingsysteme führt. Neben den Zielen der Bank eine Klassifizierung der Kreditnehmer vorzunehmen, Kreditentscheidungen zu unterstützen, risikoadjustierte Preise festzulegen und die Risiken im Kreditgeschäft besser zu quantifizieren, spielt die Einführung von Basel II seit mehreren Jahren eine entscheidende Rolle. Ziel der HVB wie der UniCredit ist die Nutzung des fortgeschrittenen internen Ansatzes (IRBA-Ansatz) von bankinternen Ratingsystemen. Die nachfolgenden Ausführungen beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit den maßgeblichen Ratingverfahren für mittelständische Kunden, d.h. insbesondere mit dem Scoring/ Rating Geschäftskunden (GK) und dem Mittelstandsrating.
2.1.2
Lernziele
(1) Der Leser erhält einen allgemeinen Überblick über die Ratingverfahren der HypoVereinsbank, die Ratingskala und die Grundsätze der Bonitätsermittlung. (2) Der Leser lernt die beiden maßgeblichen Ratingverfahren für mittelständische Kunden der HVB kennen in Bezug auf Anwendung, schematischen Aufbau, Komponenten und Ermittlung der Bonitätsnote.
2.1 Rating von mittelständischen Kunden in der HypoVereinsbank
41
2.1.3
Ratingverfahren in der HypoVereinsbank
2.1.3.1
Allgemeine Übersicht über die Ratingverfahren
In der HypoVereinsbank gibt es aktuell mit ca. 30 Verfahren eine große Anzahl von Ratingsystemen. Hierunter fallen die kundengruppenspezifischen Verfahren wie z.B. • • • • • •
Scoring- und Ratingsysteme für Privatkunden Scoring und Rating für gewerbliche Kunden und Freiberufler Rating für mittelständische Firmenkunden im Inland Rating für mittelständische Firmenkunden im Ausland Rating für in- und ausländische Großkunden und Konzerne Ratingsysteme für das kommerzielle Immobiliengeschäft unterteilt nach verschiedenen Subsegmenten.
Daneben gibt es produktspezifische Scoring- und Ratingsysteme z.B. für Kreditkarten, Konsumenten-, Projekt- oder Akquisitionsfinanzierungen. 2.1.3.2
Die Ratingskala der HypoVereinsbank
Die Ratingskala der HVB umfasst zehn Stufen, wobei ein Rating von 1 die beste und ein Rating von 10 die schlechteste Stufe bezeichnet. Zur Feindifferenzierung werden in den Ratingklassen 1 bis 8 zusätzlich „+“ und „–“ Zeichen verwendet. Die Ratingklassen 1 bis 6 werden als die normalen Ratingklassen bezeichnet, Rating 7 und 8 betrifft das Risikovorfeld. Rating 8-, 9 und 10 stellen die Ausfall-Ratingklassen dar. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Ratingklassen der HypoVereinsbank.
Bonit ät s k lasse
Beschr eibung
Konsequenzen
10
Abwicklungsfall
Abwicklung
9
Bestandsgefähr detes Engagement mit EWB
Sanier ung
8
Bestandsgefähr detes Engagement ohne EWB
Sanier ung
7
Schlechte Bonität / Pr oblemkr edit
Intensivbetr euung
6
Eher schlechte Bonität
5
Befriedigende Bonität
4
Eher gute Bonität
3
Gute Bonität
2
Sehr gute Bonität
1
Exzellente Bonität
Abb. 2.1-1: Die Ratingklassen der HypoVereinsbank
St eigende Anfor der ungen an Infor mat ionsbeschaffung und Analyse abhängig von Rat ingklassen
42
2 Internes Rating der Banken
Der im Rahmen von Basel II definierte Zahlungsverzug findet sich in den Ratingsystemen dergestalt wieder, dass nach Überschreitung eines definierten Zeitraums automatisch eine Einstufung in die aufgeführte Bonitätsklasse stattfindet: • nach 90 Tagen Zahlungsverzug: automatische Einstufung in Bonitätsklasse 8. • nach 150 Tagen Zahlungsverzug: automatische Einstufung in Bonitätsklasse 9. 2.1.3.3
Bonitätsermittlung und Maja-Modelle
Die Bonität eines Unternehmens wird auf Basis des letzten erfassten Jahresabschlusses anhand eines sogenannten Maja-Modells (Maja = Maschinelle Jahresabschlussanalyse) ermittelt. Die Maja-Modelle sind Rechenmodelle mit Kennzahlen, auf Basis derer die Bonitätsnote eines Kunden ermittelt wird. Die verschiedenen Maja-Modelle verwenden z.T. unterschiedliche Kennzahlen, die für das entsprechende Branchensegment besonders aussagekräftig sind.
Unternehmensgrösse (BL) in Mio €
Für bilanzierende Firmen existieren verschiedene Maja-Modelle in Abhängigkeit der Branche (Produktion, Handel, Bau, Dienstleistung) sowie Unternehmensgröße (Betriebsleistung). Daneben gibt es ein weiteres Maja-Modell für nicht-bilanzierende Betriebe, die lediglich eine Einnahmen-Überschussrechnung erstellen, sowie für Freie Berufe. Die Branchenzuordnung erfolgt über die Klassifikation der Wirtschaftsbereiche 2003 des Statistischen Bundesamtes (WZ 2003). Produktion
Handel
Bau
Dienstleistung
Modell 1
Modell 2
Modell 3
Modell 4
14
Freie Berufe
Modell 11
13 Sonstige
12 Gastgewerbe
10 Großhandel
Modell 7
9 Autohandel
5
8 Einzelhandel
10
Branchenbereich Abb. 2.1-2: Maja-Modelle in der HVB
Als Ergebnis liefern die Maja-Modelle den so genannten Maja-Wert. Dieser entspricht der Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kreditnehmers innerhalb des nächsten Jahres auf Basis der Jahresabschlussanalyse. Beispielhaft bedeutet ein Maja-Wert von 0,0816, dass das Unternehmen mit einer Wahrscheinlichkeit von 8,16 % innerhalb von zwölf Monaten ausfällt.
2.1 Rating von mittelständischen Kunden in der HypoVereinsbank
43
Neben den Maja-Modellen finden sich in den Ratingsystemen für mittelständische Firmenkunden Branchenratings und Verhaltensscores wieder: Das Branchenrating wird von Experten der Bank für alle Wirtschaftsbereiche nach WZ 2003 basierend auf quantitativen Größen und Expertenurteilen erstellt. Beim Verhaltensscoring handelt es sich um einen monatlichen Batchlauf, bei dem das Kontoführungsverhalten sämtlicher Kunden innerhalb der letzten zwölf Monate anhand quantitativer Größen automatisch beurteilt wird.
2.1.4
Scoring/Rating Geschäftskunden
2.1.4.1
Anwendung und schematischer Aufbau
Das Scoring/Rating Geschäftskunden (GK) findet für Gewerbliche Kunden und Freiberufler Anwendung, die maximal eine Betriebsleistung von 3 Mio. Euro erzielen. Diese Kundengruppe ist im Allgemeinen dadurch gekennzeichnet, dass eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen betrieblicher Betätigung und Privatseite vorliegt, z.B. durch gesellschaftsrechtliche Organisationform oder Übernahme persönlicher Haftung für die Firmenseite. Das Scoring/Rating GK setzt sich aus einer Scoring- und einer Ratingkomponente zusammen und eignet sich sowohl für einfache Konstellationen mit maximal einer Betriebs- und ggf. Privatseite als auch für komplexere Beteiligungs- und Haftungsverhältnisse. Die Scoringvariante kommt bei den einfachen Konstellationen zur Anwendung, die Ratingvariante bei den komplexeren. Privat- und Betriebsseite werden durchgängig getrennt erfasst. Die nachfolgende Abbildung zeigt den schematischen Aufbau des Ratingmodells:
Scor ing GK
Betriebsseite – Maja-Wer t – Br anchenr ating – Ver haltensscor ing Privatseite: Ver schuldungsgr ad (falls Pr ivatkunden vor handen und pr ivate Haftung vor liegt)
Rating GK
Betriebsseite(n) – Maja-Wer t – Dauer Geschäftsver bindung* – Br anchenr ating* – Ver haltensscor ing Har dfactrating * bei Bau statt+ dessen Mor ix Softfacts: – Hauptbankver bindung – Ausnutzung Limit – Aktualität der Unter lagen Teilr ating Betriebsseite(n)
Endgültige Bonität
Abb. 2.1-3: Schematischer Aufbau Scoring/Rating Geschäftskunden
Privatseite(n) – Ver schuldungsgr ad – Anteil fr ei ver fügbar es Einkommen am Gesamteinkommen – Ver haltenscor ing
Teilr ating Pr ivatseite(n)
Gewichtungsfunktion
44
2 Internes Rating der Banken
2.1.4.2
Komponenten Scoring GK
Bei der methodischen Variante des Scoring GK wird die betriebliche Sphäre anhand der folgenden Werte beurteilt: • Maja-Wert • Branchenrating • Verhaltensscoring. Die Beschreibungen dieser Komponenten finden sich unter Abschnitt 2.1.3.3. Zur Beurteilung der Privatseite dient ausschließlich der private Verschuldungsgrad. Dieser fließt immer dann über das Scoring GK in die Kreditwürdigkeitsprüfung ein, wenn eine private Haftung gegeben ist. 2.1.4.3
Komponenten Rating GK
Die Betriebsseite im Rating GK setzt sich aus einem Hardfactrating und Softfacts zusammen. Das Hardfactrating wird über die folgenden Kriterien ermittelt: • • • •
Maja-Wert Branchenrating Verhaltensscoring Dauer der Geschäftsverbindung.
Neben den Kriterien Maja-Wert, Branchenrating und Verhaltensscore, die bereits unter Abschnitt 2.1.3.3 erläutert sind, wird zusätzlich die Dauer der Geschäftsverbindung herangezogen. Diese sagt etwas über die Erfahrungen der Bank mit dem Kreditnehmer aus. Im Allgemeinen kommen Kreditnehmer mit einer langen bzw. beständigen Geschäftsverbindung zu einer Bank ihren Zahlungsverpflichtungen eher nach als solche Kunden, die die Bankverbindung häufiger wechseln. Gehört das zu ratende Unternehmen zur Baubranche wird statt der Kriterien Branchenrating und Dauer der Geschäftsverbindung ein Markt- und Objektrating (Morix) berücksichtigt. Morix ist ein Expertensystem der Immobiliengutachter des Zentralbereichs Immobilienbewertung der HypoVereinsbank, die für jeden Postleitzahlenbereich eine Teilnote für den Bau- und Immobiliensektor vergeben. Neben den harten Kriterien (Hardfacts) gibt es weiche Kriterien (Softfacts), die in die Beurteilung der Betriebsseite einfließen. Dies ist zum einen die Aktualität der Unterlagen. Wird der Jahresabschluss erst später als ein Jahr nach Geschäftsjahresende des Kreditnehmers bei der Bank eingereicht, erfolgt eine Abwertung der Ratingnote. Zum anderen gibt es eine Kombination aus Kriterien, über die der Einfluss des Verhaltensscorings gesteuert wird. Dabei wird abgefragt, ob die HypoVereinsbank Hauptbankverbindung ist, d.h. ob ein Großteil der betrieblichen Umsätze über bei der HVB geführte Konten abgewickelt werden, ob die eingeräumte Kreditlinie permanent hoch in Anspruch genommen wird und ob eine höhere Linie gerechtfertigt wäre. Zur Beurteilung der Privatseite dienen im Rating folgende Determinanten: • Privater Verschuldungsgrad
2.1 Rating von mittelständischen Kunden in der HypoVereinsbank
45
• Anteil des frei verfügbaren Einkommens am Gesamteinkommen • Verhaltensscoring. Der errechnete Score fließt in die Gesamtbeurteilung des Rating GK ein. 2.1.4.4
Kombination der Einflussfaktoren im Scoring/Rating GK
Die Gesamtbonitätsnote im Scoring/Rating GK erfolgt über eine Kombination der Einzelnoten aus der Analyse von Betriebs- und Privatseite. Die Gewichtung der Privatseite erfolgt in Abhängigkeit von der Höhe der Beteiligung der privaten Gesellschafter und beträgt maximal 50 %.
2.1.5
Mittelstandsrating
2.1.5.1
Anwendung und schematischer Aufbau
Das Mittelstandsrating der HVB wird auf mittelständische Firmenkunden in Deutschland angewendet. Diese umfassen: • Bilanzierende Firmenkunden mit Sitz in Deutschland mit einer Betriebsleistung größer 3 Mio. Euro und kleiner 500 Mio. Euro p.a. • Privatrechtliche Töchter öffentlicher Körperschaften. Das Mittelstandsrating besteht aus zwei Modulen. Über das quantitative Modul wird das Teilrating Wirtschaftliche Verhältnisse errechnet. Dieses Hardfactrating ermittelt sich über ein statistisches Modell auf Basis einer logistischen Regression. Das Teilrating Unternehmenssituation wird über ein qualitatives Modul beurteilt, welches ein als Expertenmodell entwickeltes System ist, sogenanntes Softfactrating. Für die Gesamtbonitätsnote werden die beiden Teilratings im Verhältnis 70 % zu 30 % gewichtet. Schematisch stellt sich das Modell wie folgt dar: Beurteilungsbereich Wirtschaftliche Verhältnisse (Hard Facts) Bilanzbonität
Beurteilungsbereich Unternehmenssituation (Soft Facts) Checkliste Unternehmenssituation - Mar kt/Pr odukt/Br anche - Management - Finanzielle Ver hältnisse - Spezielle Risiken
Zusatzfaktoren - aktuelle Geschäftsentwicklung - Negative Qualität des Jahr esabschlusses - Br anchenspezifische Kennzahlen
Teilr ating wir tschaftliche Ver hältnisse
Teilr ating Unter nehmenssituation
Gewichtung: 70 %
Gewichtung: 30 % Bonit ät sklasse
Abb. 2.1-4: Schematischer Aufbau Mittelstandsrating
46
2 Internes Rating der Banken
2.1.5.2
Teilrating Wirtschaftliche Verhältnisse
Das Teilrating Wirtschaftliche Verhältnisse ist zweigeteilt aufgebaut. Es besteht aus den Bausteinen Bilanzbonität und Zusatzfaktoren, wobei der Schwerpunkt auf dem Modul Bilanzbonität liegt. Die Bilanzbonität wird über die maschinelle Jahresabschlussanalyse in den Maja-Modellen ermittelt. Dabei handelt es sich wie in Abschnitt 2.1.3.3 ausgeführt um statistisch entwickelte, branchenorientierte Kennzahlenmodelle. Das entsprechende Maja-Modell wird über den Branchenschlüssel und die Betriebsleistung automatisch angesteuert. Die Basis der Berechnung ist der jeweils aktuelle, vollständig vorliegende und fehlerfrei erfasste Jahresabschluss, ergänzt um für die Ermittlung bestimmter Kennzahlen erforderliche Vorjahreswerte. Aus diesen Daten werden je nach anzuwendendem Maja-Modell zwischen fünf und sieben Kennzahlen automatisch errechnet. Die bewertungsrelevanten Kennzahlen decken die folgenden Beurteilungsbereiche ab: • • • • • • • •
Kapitalbindung Kapitalbindungsdauer Verschuldung/Vermögen Finanzkraft Liquidität Rentabilität Produktivität Wachstum/Größe.
Aus der gewichteten Kennzahlenkombination ergibt sich ein Scorewert. Die anschließende Kalibrierung der Scores auf die HVB Masterskala führt zu einer Ausfallwahrscheinlichkeit innerhalb von zwölf Monaten, die sich im so genannten Maja-Wert ausdrückt. Dieser Maja-Wert wird in eine Bonitätsklasse überführt, die die Bilanzbonität abbildet. Diese wiederum ist durch die Kalibrierung auf die einheitliche Masterskala mit den Bonitätsklassen aus anderen Ratingverfahren unmittelbar vergleichbar. Das maschinell ermittelte Ergebnis ist durch den Anwender nicht beeinflussbar. Über die Berücksichtigung von Zusatzfaktoren hat der Anwender die Möglichkeit, die automatisch ermittelte Bilanzbonität in definierten Grenzen zu korrigieren. Dadurch soll Fakten Rechnung getragen werden, die nicht oder nur unzureichend in die maschinelle Bewertung eingeflossen sind: • Aktuelle Geschäftsentwicklung • Negative Qualität des Jahresabschlusses • Branchenspezifische Kennzahlen oder Bilanzkonstellationen. Der Anwender ist verpflichtet zu prüfen, ob relevante Informationen vorliegen, die die Vergabe von Zusatzfaktoren rechtfertigen. Über die Vergabe von Zusatzfaktoren kann die Bilanzbonität um maximal zwei Bonitätsklassen verbessert werden. Eine Verschlechterung ist um bis zu sechs Bonitätsklassen möglich. Der zugrunde liegende Sachverhalt muss entsprechend dokumentiert werden, um ihn für Dritte nachvollziehbar zu machen.
2.1 Rating von mittelständischen Kunden in der HypoVereinsbank 2.1.5.3
47
Teilrating Unternehmenssituation
Beim Teilrating Unternehmenssituation erfolgt die Bewertung rein qualitativer Faktoren, deren Auswahl und Gewichtung Expertenschätzungen zugrunde liegen. Das Teilrating deckt folgende Beurteilungsbereiche ab: M ARKT / PRODUKT / BRANCHE • Br anchenentwicklung • Pr odukte, Leistungen • Mar ktstellung, Wettbewer b, Abhängigkeiten
M ANAGEM ENT
FINANZIELLE VERHÄLTNISSE
SPEZIELLE RISIKEN
• Managementqualität /-str uktur
• Liquidität
• Betr iebsgr öße, Existenzzeit
• Geschäftssteuer ung, Planung, Contr olling
• Spezielle Risiken
Teilrating Unternehmenssituation
Abb. 2.1-5: Softfacts im Mittelstandsrating
Insgesamt umfassen die vier Beurteilungsbereiche 32 Einzelfaktoren, die in einer Checkliste abgefragt werden. Für jeden Faktor muss aus fest definierten Antwortmöglichkeiten die Passende ausgewählt werden. Dabei ist nur eine Antwort zulässig: • • • • • •
Ausgezeichnet Gut Zufriedenstellend Eher schwach Schwach Nicht bekannt.
Zu jeder Antwortalternative gibt es vorgegebene Einstufungskriterien. Die Bewertung erfolgt über Vergabe von Punkten, die mittels fest vorgegebener Gewichte zu einer Gesamtrisikopunktzahl aggregiert werden. Diese wird in Bandbreiten eingeordnet, aus denen sich die zugewiesene Bonitätsklasse des Teilratings Unternehmenssituation ergibt. 2.1.5.4
Ermittlung der Bonitätsklasse
Die Gesamtbonitätsklasse ergibt sich aus der Zusammenführung der Ergebnisse der beiden Teilratings Wirtschaftliche Verhältnisse und Unternehmenssituation. Dabei geht das Teilrating Wirtschaftliche Verhältnisse mit 70 %, das Teilrating Unternehmenssituation mit 30 % in die Gesamtnote ein.
48
2.1.6
2 Internes Rating der Banken
Zusammenfassung
Die HypoVereinsbank hat in den vergangenen Jahrzehnten umfangreiche Erfahrungen mit Ratingsystemen gesammelt. Für die komplette Bandbreite der Geschäfte einer Universalbank – vom Privatkunden über den Mittelstand bis zum internationalen Großkonzern, von der Projektfinanzierung in Südamerika bis zur Strukturierten Immobilienfinanzierung und vieles mehr – hat sich eine umfangreiche Landschaft an Ratingsystemen entwickelt. Für den Mittelstand in Deutschland nutzt die HVB im Wesentlichen zwei Verfahren. Für Gewerbliche Kunden und Freiberufler mit einer Betriebsleistung unter drei Mio. Euro und in Abhängigkeit der Komplexität das Scoring/Rating GK, für mittelständische Firmenkunden mit einer Betriebsleistung größer drei Mio. Euro das Mittelstandsrating. Im Scoring/Rating GK spielt insbesondere auch die private Seite des Unternehmers eine Rolle. Im Mittelstandsrating ermittelt sich das Rating aus den finanziellen Verhältnissen und den Beurteilung der Unternehmenssituation. Trotz sehr zufriedenstellender Ergebnisse im Hinblick auf die Güte der beschriebenen Ratingsysteme ist festzuhalten, dass Ratingsysteme nur Hilfsmittel und im individuellen Kreditgeschäft nur Entscheidungshilfe sein sollten. Zur Kreditentscheidung sind daneben unbedingt auch weitere Umstände zu berücksichtigen, die immer auch eine qualifizierte Meinung des jeweiligen Verantwortlichen erfordern.
2.1.7
Übungsfragen
Übungsfrage 1: Wie ist die Ratingskala der HypoVereinsbank strukturiert und wie erfolgt grundsätzlich die Bonitätsermittlung eines Unternehmens? Übungsfrage 2: Auf welche Kunden wird das Scoring/Rating Geschäftskunden angewendet und was sind die maßgeblichen Kriterien und Parameter? Übungsfrage 3: Beschreiben Sie die Struktur und Anwendung des Mittelstandsratings der HVB.
2.1.8
Lösungsskizzen zu den Übungsfragen
Lösung zu Übungsfrage 1: Die Ratingskala der HVB umfasst 10 Ratingklassen, wobei 1 die beste und 10 die schlechteste Stufe bezeichnet. Eine Feindifferenzierung innerhalb der Ratingklassen erfolgt durch +/– Zeichen. In Abhängigkeit von der Ratingklasse steigen die Anforderungen an die Informationsbeschaffung und Analyse. Grundsätzlich wird die Bonität eines Unternehmens auf Basis des Jahresabschlusses ermittelt. Mit Hilfe von Kennzahlenmodellen, sog. Maja-Modellen, wird eine Bewertung vorgenommen und eine Ausfallwahrscheinlichkeit zugeordnet. Daneben gibt es weitere Kriterien wie Branchenratings oder Verhaltensscorings.
2.1 Rating von mittelständischen Kunden in der HypoVereinsbank
49
Lösung zu Übungsfrage 2: Das Scoring/Rating GK wird für Gewerbliche Kunden und Freiberufler mit einer Betriebsleistung von maximal 3 Mio. Euro angewendet. Da sich diese Kundengruppe allgemein durch eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen betrieblicher und privater Seite auszeichnet, werden im Ratingmodell sowohl die Privatseite als auch die Betriebsseite bewertet und dann über eine Gewichtungsfunktion in Abhängigkeit der Beteiligungsverhältnisse aggregiert. Für einfache Beteiligungs- und Haftungsverhältnisse wird das Scoring GK angewendet, für komplexere Konstellationen das Rating GK. Lösung zu Übungsfrage 3: Das Mittelstandsrating der HVB wird für alle bilanzierenden Firmenkunden in Deutschland mit einer Betriebsleistung zwischen 3 und 500 Mio. Euro sowie die privatrechtlichen Töchter öffentlicher Körperschaften angewendet. Die Bonitätsklasse des Kunden ermittelt sich zu 70 % aus dem Teilrating wirtschaftliche Verhältnisse und zu 30 % aus Teilrating Unternehmenssituation. Das Teilrating Wirtschaftliche Verhältnisse wird über eine maschinelle Jahresabschlussanalyse ermittelt sowie unter Berücksichtigung von Zusatzfaktoren, die solchen Faktoren Rechnung tragen sollen, die nicht oder nur unzureichend in die maschinelle Bewertung eingeflossen sind. Das Teilrating Unternehmenssituation bewertet rein qualitative Faktoren, die sogenannten Softfacts.
50
2 Internes Rating der Banken
2.2 Bankinternes Rating
51
Marcus Richter 2.2
Bankinternes Rating aus Sicht einer auf die Unternehmensfinanzierung spezialisierten Bank
2.2.1
Einführung
52
2.2.1.1
Neue Anforderungen....................................................................................... 52
2.2.1.2
Lernziele.......................................................................................................... 52
2.2.2
Ratingprozess und Ratingverfahren
2.2.3 2.2.3.1 2.2.3.2 2.2.3.2.1 2.2.3.2.1.1 2.2.3.2.1.2 2.2.3.2.1.3 2.2.3.2.2 2.2.3.2.3 2.2.3.2.3.1 2.2.3.2.3.2 2.2.3.2.3.3 2.2.3.2.4 2.2.3.2.5
Zielsetzung und Aufbau eines bankinternen Ratings 53 Zielsetzung ...................................................................................................... 53 Aufbau am Beispiel des IKB Mittelstandsratings........................................... 53 Jahresabschlussrating ...................................................................................... 54 Jahresabschlussanalyse – Quantitatives Rating .............................................. 54 Unternehmensplanungen – Quantitatives Rating............................................ 56 Fragen zur Bilanzpolitik / Anhanganalyse...................................................... 56 Liquiditätsrating – Fragen zur Liquidität ........................................................ 56 Qualitatives Rating.......................................................................................... 57 Management.................................................................................................... 58 Wertschöpfung ................................................................................................ 58 Unternehmensumfeld ...................................................................................... 58 Branchenrating ................................................................................................ 59 Länderrating .................................................................................................... 59
2.2.4
Gewichtung der Rating-Komponenten
59
2.2.5
Konzernintegration – Basis der Bonitierung
60
2.2.6
Ratinganlässe und Fristen
61
2.2.7
Zusammenfassung
61
2.2.8
Übungsaufgaben
62
2.2.9
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
62
2.2.10
Literaturhinweise
62
52
52
2 Internes Rating der Banken
2.2.1
Einführung
2.2.1.1
Neue Anforderungen
Das Kreditgeschäft der Kreditinstitute ist nichts anderes als ein Spagat zwischen dem Eingehen und dem Verhindern von Risiken. Der Erfolg der Kreditinstitute misst sich an ihren Auszahlungen, ihren Margen, die sie generieren, aber auch an ihren Risiken, die sie eingehen. Das professionelle Management von Kreditrisiken hat heute einen hohen Stellenwert. Die Aufgabenstellungen sind vielseitiger geworden, es geht heute nicht mehr ausschließlich um die Einzelrisiken einer Bank, sondern auch um deren Portfoliorisiken, also um die entscheidende Frage, ob bestimmte Kreditrisiken in das unter Risikogesichtspunkten optimale Kreditportfolio einer Bank passen. Hierzu bedarf es einer durchdachten Kreditrisikostrategie, eindeutiger Risikobenchmarks zur Steuerung des Kreditgeschäfts, geeigneter Risikomessverfahren zur Beurteilung der Ausfallrisiken und natürlich hieran angepasster Kreditentscheidungsprozesse. Solche Anforderungen erfüllen heute bankinterne Ratingverfahren in Anlehnung an die Anforderungen der MaRisk. Am Beispiel des IKB Mittelstandsratings werden diese Aspekte im folgenden Beitrag vertieft. 2.2.1.2
Lernziele
Der Ratinganalyst soll am Beispiel des IKB Mittelstandsratings die Anforderungen an ein bankinternes Ratingverfahren kennenlernen und verstehen, wie Ratingprozesse und Ratingverfahren bei deutschen Kreditinstituten funktionieren.
2.2.2
Ratingprozess und Ratingverfahren
Zentrales Element des gesamten Kreditprozesses ist die Bonitätsbeurteilung der Kreditnehmer. Dabei sollte eine Bank bei der Auswahl ihrer Geschäftspartner strenge Anforderungen an die Bonität und die Werthaltigkeit der Sicherstellung ihrer Engagements stellen. Zur Bonitätsbeurteilung verfügen Kreditinstitute über verschiedene DV-gestützte, auf das jeweilige Kundensegment bzw. die spezifische Finanzierungsart zugeschnittene Ratingverfahren – so auch für die klassische Unternehmensfinanzierung. Im Ergebnis werden bei jedem Verfahren die jeweils modellspezifischen Risikoparameter zusammengeführt und damit jedem Kunden eine Bonitätsklasse – bei der IKB innerhalb einer 11-stufigen internen Skala von 1,0 (bestes Rating) in 0,5er-Schritten bis 6,0 – zugewiesen. Kalibriert wird diese Ratingskala mit der Höhe der Ausfallwahrscheinlichkeit auf der Grundlage statistischer Analysen historischer Ausfälle. Neben ihrer Funktion als Bonitätsbeurteilungsinstrument dienen die Ratingverfahren somit auch zur Ermittlung risikoadäquater und damit risikodifferenzierter Margen. Sie sind unentbehrliche Grundlage für die Ermittlung des Ökonomischen Kapitals für das Kreditrisiko.
2.2 Bankinternes Rating
53
Jedes bankinterne Ratingverfahren muß mindestens sieben kreditnehmerbezogene Ratingklassen für nicht ausgefallene Schuldner und eine Klasse für ausgefallene Schuldner haben, damit eine sinnvolle Verteilung der Kredite über die Risikoklassen und keine übermäßigen Konzentrationen in einzelnen Klassen erreicht werden.
2.2.3
Zielsetzung und Aufbau eines bankinternen Ratings
2.2.3.1
Zielsetzung
Mit einem bankinternen Ratingverfahren werden die folgenden Ziele verfolgt: • Das Rating bildet den Entscheidungs- / Beurteilungsprozess der Bank ab, unterstützt den Mitarbeiter methodisch-didaktisch bei der Bonitätsanalyse und dokumentiert diese. • Das Rating bewirkt eine ganzheitliche am Entscheidungsprozess orientierte Kreditwürdigkeitsprüfung. • Das Rating bildet die Grundlage für die aufsichtsrechtliche und ökonomische Eigenkapitalallokation. Zudem sollte ein Ratingverfahren – losgelöst von Basel II – folgende Anforderungen sicherstellen: • Ein Ratingverfahren muß für ein bestimmtes Kundensegment / Zielgruppe und Finanzierungsstruktur – wie z. B. für etablierte Unternehmen, Projektfinanzierungen oder Finanzierung von Existenzgründern – maßgeschneidert sein. • Alle kreditentscheidungsrelevanten Risikoparameter müssen synchronisiert werden (z.B. Länder-/Branchenrisiken, strategische Risiken, finanzielle Risiken, Umwelt- und Unternehmensumfeldrisiken etc.). • Alle möglichen Risiken müssen ausreichend differenziert werden, damit es genügend Bonitätseinstufungen gibt. • Subjektive Einschätzungen in der Bonitätsbeurteilung müssen zur Erhöhung der Entscheidungssicherheit objektiviert und quantifiziert werden. • Ein Frühwarnsystem bei Bonitätsverschlechterungen muß die Stabilität der Bonitätseinschätzung im Zeitablauf – auch über Konjunkturzyklen hinweg – gewährleisten. 2.2.3.2
Aufbau am Beispiel des IKB Mittelstandsratings
Der typische Aufbau eines bankinternen Ratingverfahrens für Finanzierungen an etablierte mittelständische Unternehmen wird in diesem Kapitel ausführlich am Beispiel des IKBMittelstandsratings dargestellt, das sich aus den folgenden fünf Subratings zusammensetzt: • Jahresabschlussrating = Jahresabschlussanalyse + Unternehmensplanungen = Quantitatives Rating + Fragen zur Bilanzpolitik / Anhanganalyse • Liquiditätsrating = Liquiditätskennzahlenanalyse + Fragen zur Liquidität • Qualitatives Rating = Fragen zum Management, zur Wertschöpfung, zum Unternehmensumfeld • Branchenrating • Länderrating
54
2 Internes Rating der Banken
Die einzelnen Bewertungsergebnisse werden zu einer Gesamtbewertung der wirtschaftlichen Bonität – also einem Rating – zusammengefasst (vgl. Abb. 2.2-1). Diese Zusammenfassung der Einzelbewertungen erfolgt mit Hilfe eines komplexen Rechenwerks. Mit diesem Modell wird ein hybrider Ansatz verfolgt. Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Situation des Kreditnehmers auf Basis finanzwirtschaftlicher Kennzahlen wird ein mathematischstatistisches Verfahren eingesetzt. Die Beurteilung der individuellen Kunden- und Branchenmerkmale erfolgt auf Basis eines Expertensystems. Die Kombination dieser beiden Ergebnisse sichert eine hohe Güte und Trennschärfe des Ratings.
Jahresabschluss Jahresabschluss Quantitatives Quantitatives Rating Rating Unternehmensplanung(en) Unternehmensplanung(en) Fragen Fragen zur zur Bilanzpolitik Bilanzpolitik
Liquidität Liquidität lt. lt. Planung(en) Planung(en)
Liquiditätsrating Liquiditätsrating Fragen Fragen zur zur Liquidität Liquidität
Fragen Fragen zum zum Management Management Fragen Fragen zur zur Wertschöpfung Wertschöpfung Quantitatives Modell Fragen Fragen zum zum Expertenmodell Unternehmensumfeld Unternehmensumfeld Ergebnisse/(Sub-)Ratings Quantitatives Modell mit Experteneinschätzung
Qualitatives Qualitatives Rating Rating
Kreditnehmerbonität Kreditnehmerbonität
Liquidität Liquidität lt. lt. Jahresabschluss Jahresabschluss
JahresabschlussJahresabschlussrating rating
Branchenrating Branchenrating Länderrating Länderrating
Abb. 2.2-1: Aufbau des IKB-Mittelstandsratings
Die Banken sind verpflichtet, bei der Zuordnung von Ratings zu Kreditnehmern oder Geschäften alle relevanten verfügbaren Informationen zu berücksichtigen. Die Informationen müssen aktuell sein. 2.2.3.2.1
Jahresabschlussrating
2.2.3.2.1.1 Jahresabschlussanalyse – Quantitatives Rating Gegenstand der Analyse sind Daten der jeweils drei letzten Jahresabschlüsse (Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung), aus denen exemplarisch folgende Bilanz-, Ertrags- und Liquiditätskennziffern gebildet werden (vgl. Abb. 2.2-2):
2.2 Bankinternes Rating
55
Verschuldungsgrad Gesamtverbindlichkeiten + 50% des SoPo - Betriebsmittel Betriebs- und Finanzergebnis + Normal-AfA (= Cash Flow)
Zinsdeckungsgrad Betriebsergebnis + Normal-AfA Zinsaufwand
Gesamtkapitalrendite Betriebs- und Finanzergebnis + Zinsaufwand Bilanzsumme
Kapitalstruktur Eigenmittel Bilanzsumme – Immaterielles Vermögen – Kasse – Grundstücke/Bauten
Cash Flow Betriebs- und Finanzergebnis + Normal-AfA (absolute Größe!)
Abb. 2.2-2: Kennzahlendefinitionen
Der Verschuldungsgrad spiegelt die Effektivverschuldung des Unternehmens in Relation zum Cashflow wider. Er gibt damit einen Hinweis auf die Schuldentilgungsfähigkeit des Unternehmens und bemisst die Anzahl von Jahren, in denen ein Unternehmen bei gleichbleibendem Cashflow entschuldet werden könnte, sofern der gesamte Cashflow ausschließlich zur Schuldentilgung herangezogen würde. Der Zinsdeckungsgrad setzt den liquiditätsmäßigen Ertragsüberschuss in Beziehung zum Zinsaufwand. Er gibt an, wie oft mit dem zur Verfügung stehenden Überschuss der Zinsaufwand abgedeckt werden könnte, wenn er ausschließlich hierfür verwendet würde. Die Gesamtkapitalrendite veranschaulicht die Ertragskraft der insgesamt in einer Periode durchschnittlich eingesetzten eigenen und fremden Mittel. Die Kapitalstruktur stellt eine modifizierte Eigenmittelquote dar. Dabei wird die als Bezugsgröße dienende Bilanzsumme um die liquiden Mittel und die schwer zu bewertenden immateriellen Vermögensgegenstände bereinigt. Darüber hinaus eliminiert die Kapitalstruktur-Kennziffer mögliche Unterschiede der Eigenmittelquote, die sich alleine daraus ergeben können, dass in einem Falle ein Grundstück oder Gebäude gekauft und im anderen Falle gemietet oder geleast worden ist. Der Cashflow beschreibt in finanzwirtschaftlicher Sicht den Mittelrückfluss aus dem Umsatzprozess, der nicht in Kürze zu Auszahlungen führt, also dem Unternehmen zur Verfügung steht. Er ist somit eine Nährungsgröße für das Innenfinanzierungsvolumen des Unternehmens.
56
2 Internes Rating der Banken
Das quantitative Rating basiert auf harten Fakten, die aus dem Jahresabschluss eines Unternehmens abgeleitet und mit Hilfe eines statistischen Modells in einer Ratingnote abgebildet werden. Das quantitative Rating ist kennzahlenbasiert. 2.2.3.2.1.2 Unternehmensplanungen – Quantitatives Rating Die zukunftsbezogene Analyse erfolgt anhand der gleichen Kennzahlen wie die vergangenheitsbezogene Analyse. Hat ein Unternehmen in der Vergangenheit die Weichen für eine nachhaltige Verbesserung des Bilanzbildes gestellt, schlägt sich das auch in einer Verbesserung des Ratings nieder. Im umgekehrten Fall führt eine Verschlechterung der Planzahlen gegenüber den Vergangenheitsdaten zu einer Bonitätsherabstufung. Die eingereichten Planungen werden auf Konsistenz und Plausibilität geprüft. Die IKB berücksichtigt dabei die bisherige Unternehmensentwicklung sowie die Markt- und Konkurrenzsituation. Zusammen mit der Analyse des Themenkomplexes „Jahresabschlussanalyse“ bildet die Bewertung der mittelfristigen Unternehmensplanung das Quantitative Rating. Im Rating werden – sofern vorhanden – zwei Planjahre berücksichtigt, in das Quantitative Ergebnis geht nur das jeweils schlechtere Planungsjahr ein. 2.2.3.2.1.3 Fragen zur Bilanzpolitik / Anhanganalyse Das statistische Ratingmodell analysiert lediglich die „harten“ Fakten, kann jedoch nicht beurteilen, inwieweit die Zahlen durch bilanzpolitische Maßnahmen (Ausnutzung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten) geprägt bzw. beeinflusst sind. Eine umfassende Jahresabschlussanalyse beinhaltet daher auch die Würdigung der Bilanzpolitik. Über die Bewertung der Abschreibungsmethoden (degressiv oder linear, Behandlung von geringwertigen Wirtschaftsgütern) und der Ausnutzung von Ansatzwahlrechten (Aktivierung von Ingangsetzungskosten) hinaus fließt u. a. auch die Beurteilung der Angemessenheit von Risikovorsorgen (Wertberichtigungen, Rückstellungen) in das Ergebnis ein. Zudem unterscheiden sich die Rating-Fragen je nachdem, ob das zu beurteilende Unternehmen nach HGB oder IFRS bilanziert. So wird bei Bilanzierung nach IFRS unter anderem danach gefragt, welcher Rechnungszins für die Passivierung von Pensionsrückstellugen unterstellt wird, wie hoch die nicht gedeckten Pensionsrückstellungen ausfallen oder wie Risiken im Forderungsbestand unabhängig von bestehenden Kreditversicherungen bewertet werden. Das Ergebnis aus diesen Fragen und Antworten wiederum kann bei besonders konservativer Bilanzierung als positives Korrektiv, bei besonders progressiver Bilanzierung entsprechend als negatives Korrektiv zum Quantitativen Rating wirken. Quantitatives Rating und die Analyse der Bilanzpolitik ergeben das Jahresabschlussrating als ersten Teil des IKB Mittelstandsratings. 2.2.3.2.2 Liquiditätsrating – Fragen zur Liquidität Die jederzeit ausreichende Liquiditätsausstattung ist zwingende Voraussetzung für die Existenzfähigkeit eines Unternehmens. Um die aktuelle und zukünftige Liquiditätssituation eines Unternehmens hinreichend beurteilen zu können, müssen neben Liquiditätskennzahlen auch qualitative Faktoren abgefragt bzw. analysiert werden. Dem Ergebnis dieser zukunftsgerichteten Liquiditätsfragen ist letztlich sogar ein höheres Gewicht beizumessen als der (quantitativen) Liquiditätsnote. Dies gilt um so mehr, als die quantitative Beurteilung der Liquidität bereits im Quantitativen Rating berücksichtigt wird.
2.2 Bankinternes Rating
57
Die Fragen zur Liquidität befassen sich insbesondere mit dem Umfang und der Ausnutzung von Kreditlinien sowie den Quellen von Liquiditätsüberschüssen. Basis einer fundierten und adäquaten Analyse ist die Vorlage eines aktuellen Bankenspiegels sowie einer Liquiditätsplanung. 2.2.3.2.3 Qualitatives Rating Erfahrungen aus der Vergangenheit haben immer wieder gezeigt, dass man sich allein aufgrund einer Kennzahlenbasis kein ausreichendes Bild von einem Unternehmen machen kann, nicht zuletzt, weil sich häufig Erfolge aus Umstrukturierungsmaßnahmen erst mit gewisser Zeitverzögerung in den Kennzahlen widerspiegeln. Umgekehrt können Kennzahlen über latente Risiken in der Unternehmensstruktur, -organisation oder -ausstattung hinwegtäuschen. Neben den Kennzahlen aus Jahresabschlüssen und Planungen bezieht das IKBMittelstandsrating daher auch qualitative Chancen- und Risikofaktoren („Qualitatives Rating“) in die Gesamtbewertung ein. Das Qualitative Rating setzt sich dabei aus den Beurteilungsfeldern Management, Wertschöpfung und Unternehmensumfeld zusammen. Bei der Analyse von Wertschöpfung und Unternehmensumfeld fließen branchenspezifische Erfolgs- und Risikofaktoren in das Ergebnis ein, die z. B. bei produzierenden Unternehmen anders gelagert sind als bei Dienstleistungs- oder Handelsunternehmen. Darüber hinaus kann die Analysetiefe in Abhängigkeit vom Ergebnis des Jahresabschlussratings variieren, wobei der Grundsatz gilt: Je mehr Detailinformationen vorliegen, desto höher ist die Qualität der Analyse! Liegen für die Erstellung des Qualitativen Ratings wesentliche Informationen nicht vor, schlägt sich dies tendenziell negativ auf das Ergebnis aus (vgl. Abb. 2.2-3).
Qualitatives Rating Qualitatives Rating Schlagworte Branchenspezifische Fragen
• • • • •
Prod. Gewerbe Bau Dienstleistung Großhandel Einzelhandel
Unternehmensführung Unternehmensführung
Management Management
Informationspolitik Informationspolitik Controlling Controlling
Bonitätsabhängige Fragen
Je besser das Quantitative Rating, Desto weniger
Qualitätssicherung Qualitätssicherung
Wertschöpfung Wertschöpfung
Marktanalyse Marktanalyse
Fragen
Kritische Fragen und Fragen
Warnhinweise, Fehlerhinweise, K.O.-Kriterien bei kritischen Antworten
Anpassungsfähigkeit Anpassungsfähigkeit
Standort Standort // Infrastruktur Infrastruktur
UnternehmensUnternehmensumfeld umfeld
Abb. 2.2-3: Qualitative Beurteilungsparameter und Analysetiefe
Produkte Produkte // Sortiment Sortiment Absatz Absatz // Beschaffung Beschaffung
58
2 Internes Rating der Banken
Wesentliche Grundlage eines aussagefähigen Qualitativen Ratings und der anschließenden Diskussion der Ergebnisse ist somit der offene Dialog zwischen Unternehmen und Kreditinstitut. Die Schwerpunkte der qualitativen Analyse sind auf den folgenden Seiten zusammengefasst, wobei es sich um keine abschließende Aufzählung der Erfolgs- bzw. Risikoparameter handelt. Das qualitative Rating ist expertenbasiert; hier geht es um weiche Fakten, die über gezielte Fragen und Antworten zu den Umfeldbedingungen eines Unternehmens ermittelt und ebenfalls in einer Ratingnote abgebildet werden. 2.2.3.2.3.1
Management
Unternehmensführung Dieser Bereich beschäftigt sich im Wesentlichen mit den Managementstrukturen (Führungserfahrung, Branchenerfahrung, Krisenerfahrung, Aufgabenverteilung im Management) und der strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Auch Nachfolgefragen fließen bei gegebener Altersstruktur des Managements in die Bewertung ein. Ebenso kann die Einbindung / der Einfluss von Beratungs- und Kontrollgremien in die Bewertung eingehen. Informationspolitik Analysiert wird der Umfang und die Qualität der vorliegenden Unterlagen (z. B. Jahresabschlüsse, Planungen, Zwischenzahlen, sonstige wesentliche Informationen zum Geschäftsverlauf) und ob diese Unterlagen / Informationen zeitnah vorliegen. Auch die Frage, ob und mit welchem Ergebnis sich das Unternehmen den Vorschriften des KonTraG unterzieht, kann in die Bewertung einfließen. Controlling Betrachtet werden Detaillierungsgrad der Unternehmensplanung und Planungshorizont sowie die Qualität des Ertragscontrollings (Kostenrechnung). Sofern eingetreten, werden auch Ursachen für Planverfehlungen und – falls erforderlich – eingeleitete Gegenmaßnahmen hinterfragt. Ferner fließen das Debitoren- und Währungsmanagement des Unternehmens in das Ergebnis ein. 2.2.3.2.3.2 Wertschöpfung Abhängig von der Branchenzugehörigkeit werden verschiedene Schwerpunkte bei der Beurteilung gelegt. Ziel ist es, die gewonnenen Eindrücke zu den Wertschöpfungsprozessen adäquat zu bewerten und die Flexibilität des Unternehmens hinsichtlich möglicher Marktveränderungen einzuschätzen. Ebenso werden Fragen zur systematischen Qualitätssicherung sowie zum Zustand des Warenwirtschaftssystems berücksichtigt. 2.2.3.2.3.3
Unternehmensumfeld
Standort / Infrastruktur Beurteilt wird die Qualität des Standortes/der Standorte des Unternehmens. Dabei werden Faktoren wie Entwicklungsmöglichkeiten (Ersatzflächen), Verkehrsanbindung sowie Umwelt- bzw. Altlastenproblematik berücksichtigt. Bei Handelsunternehmen werden zusätzlich Wettbewerbsumfeld und -intensität bewertet.
2.2 Bankinternes Rating
59
Produkte / Sortiment Neben der Einschätzung zur Breite und Tiefe des Produktsortiments fließen Fragen nach Alleinstellungsmerkmalen, zum Produktmix (Produktlebenszyklen und Umsatzverteilung) sowie zur Substitutionsgefahr der Produkte in das Ergebnis ein. Absatz- und Beschaffungsmarkt Hinterfragt werden Abhängigkeiten auf Absatz- und Beschaffungsseite sowie die Möglichkeit, bei entsprechendem Erfordernis alternative Lieferanten / Kunden zu gewinnen. Ferner werden die Marktstrukturen hinsichtlich der Preisvolatilität, Konzentrationstendenzen und Marktanteilsentwicklungen analysiert. 2.2.3.2.4 Branchenrating Ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens und seine potenzielle Entwicklung ist das wirtschaftliche Branchenumfeld (makroökonomisches Umfeld). Die Bewertung des Branchenrisikos erfolgt über die branchenspezifische Insolvenzhäufigkeit, die anhand der branchenspezifische Faktoren Wachstumspotenzial, Wettbewerbsfähigkeit, Ertragspotenzial und Konjunkturabhängigkeit ermittelt wird. Dazu greift die IKB im Rahmen ihres Mittelstandsratings auf die Expertise der Feri Group of Financial Services zu, die umfangreiche Datenbanken zur wirtschaftlichen Entwicklung von Branchen in Europa und den USA zur Verfügung stellt. Weiterhin werden globale Branchenentwicklungen identifiziert, neue Trends analysiert und die relativen Positionen einzelner Branchen zueinander bewertet. Schließlich werden auf Basis ökonometrischer Modelle detaillierte Branchenprognosen entwickelt, die in Rating-Kennziffern für das Wachstumspotenzial, die Profitabilität und Bonität der Gesamtbranche (Ausfallrisiko) überführt werden. 2.2.3.2.5 Länderrating Das Länderrisiko wird durch das Länderrating des Sitz- bzw. abweichenden Risikolandes des Kreditnehmers bestimmt. Wenn das Länderrisiko eine bestimmte Bonität im Bereich des Investment Grade überschreitet, legt die Länderbonität die Obergrenze für die Kreditnehmerbonität fest. Das bedeutet, dass das Kreditnehmerrating in diesen Fällen nie besser sein kann als die Bonität des Sitz- bzw. abweichenden Risikolandes.
2.2.4
Gewichtung der Rating-Komponenten
Die Aggregation der behandelten Themenkomplexe zur Kreditnehmerbonität erfolgt beim IKB Mittelstandsrating im Wesentlichen nach folgender Methodik, wobei die Zielsetzung des Mittelstandsratings – die Zukunftsperspektiven des Unternehmens abzubilden – im Fokus der Betrachtung steht: • Die einzelnen Subratings – Jahresabschlussrating, Liquiditätsrating, Qualitatives Rating, Branchenrating und Länderrating – fließen mit einer variablen, d.h. fallspezifischen Gewichtung in das Mittelstandsrating ein, damit mögliche Risikotreiber, die von Fall zu Fall variieren, angemessen in der Kreditnehmerbonität Berücksichtigung finden. • Die fallspezifische Gewichtung der einzelnen Subratings weicht von bestimmten Orientierungsgrößen im Normalfall ab, sobald die Subratings deutlich unterschiedlich beurteilt
60
2 Internes Rating der Banken
werden. Das Gewicht relativ schlechter beurteilter Subratings steigt in diesen Fällen, das Gewicht relativ besser beurteilter Subratings sinkt entsprechend. • Jahresabschlussrating, Liquiditätsrating und Länderrating spiegeln die aktuelle Bonität des Unternehmens wider, d.h. isoliert betrachtet erlauben beide nur eingeschränkte Aussagen über die zukünftige Entwicklung, auch wenn Planungen im Jahresabschlussrating berücksichtigt werden. Somit stellen Jahresabschlussrating, Liquiditätsrating und Länderrating den „Anker“ bzw. die Ausgangsbasis für die spätere Kreditnehmerbonität dar. • Während Jahresabschlussrating, Liquiditätsrating und Länderrating eher Aussagen über die kurzfristige Ausfallwahrscheinlichkeit zulassen, dienen Qualitatives Rating und Branchenrating der Abbildung mittel- bis langfristiger Perspektiven bzw. potentieller Erfolgs- bzw. Risikofaktoren. • Die zukunftsgerichteten qualitativen Faktoren (Management, Wertschöpfung, Unternehmensumfeld) und das Branchenrating müssen dann maßgeblichen Einfluss auf die Kreditnehmerbonität nehmen, wenn sich erkennbare potentielle Chancen und Risiken eines Unternehmens noch nicht in den „Zahlen“ des Unternehmens niedergeschlagen haben. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass „turn-around“-Situationen bereits erkannt und positiv bewertet werden, auch wenn sich dies noch nicht in Jahresabschlüssen niedergeschlagen hat – genauso wie eine erkannte strategische Krise bei (heute) noch guten Kennziffern des Unternehmens Niederschlag in der Bewertung findet. An dieser Stelle werden auch stützende bzw. belastende Effekte der jeweiligen Branchenentwicklung berücksichtigt, wobei auch hier der Schwerpunkt auf der erwarteten künftigen und nicht auf der aktuellen Branchensituation liegt. Eine variable Systematik stellt sicher, dass für jedes Unternehmen eine individuelle Gewichtung der verschiedenen Ratingkomponenten bzw. der Erfolgs- und Risikofaktoren erfolgt, die sowohl die aktuelle Lage als auch die künftig erwartete Bonitätsentwicklung adäquat in das Gesamtergebnis einfließen lässt.
2.2.5
Konzernintegration – Basis der Bonitierung
Bei jedem Rating sind die Chancen und Risiken einzuschätzen, die einem Unternehmen oder einem Verbund von haftenden Unternehmen aus seiner Einbindung in Konzernstrukturen erwachsen können. Folglich ist zu klären, ob entweder das Rating des Konzerns oder das des zu beurteilenden Unternehmens (oder Haftungsverbundes) entscheidungsrelevant ist. So kann das Rating des Konzerns immer dann das entscheidende Rating sein, wenn das zu beurteilende Unternehmen • den „überwiegenden“ Teil des Konzern-Cashflows generiert oder • die Obergesellschaft mit Konzernführungsfunktionen und eigenen operativen Aktivitäten ist oder • börsennotiert ist oder • den Namen des Konzern trägt, unter einheitlicher Leitung steht, in die Wertschöpfungskette des Konzerns integriert ist und „wesentlich“ zum Konzern-Cashflow beiträgt.
2.2 Bankinternes Rating
61
Sofern das zu beurteilende Unternehmen • eine schlechtere Bonität als der Konzern hat und • wesentlich zum Konzern-Cashflow beiträgt und • entweder als Finanzholding agiert oder in die Wertschöpfungskette des Konzerns integriert ist oder unter einheitlicher Konzernleitung steht, dann kann ein aus Unternehmensrating einerseits und Konzernrating andererseits ermitteltes Mischrating gelten. Die Beurteilung, ob das Rating des Konzerns oder das des Einzelunternehmens entscheidungsrelevant ist, ergibt sich aus der wirtschaftlichen Möglichkeit, daß ein guter Konzern eine schwache Tochtergesellschaft fallen lassen oder ein schwacher Konzern eine gute Tochtergesellschaft aushöhlen kann.
2.2.6
Ratinganlässe und Fristen
Grundsätzlich muss jedes eingegangene Kreditengagement einmal jährlich geratet werden. Im Einzelfall können auch kürzere Bearbeitungsfristen greifen. Das ist immer dann der Fall, wenn neue Informationen vorliegen, die Einfluss auf die Bonitätsbeurteilung des Kreditnehmers / Konzerns / Mithaftenden haben. Im Einzelnen können das sein: • ein neuer endgültiger oder vorläufiger Jahresabschluss oder ein Planabschluss • aktuelle Informationen zum Geschäftsverlauf • neue Informationen zum Management, zum Wertschöpfung oder zum Unternehmensumfeld • aktuelle Informationen zur Liquiditätslage, die offensichtlich zu einer anderen Bonitätseinschätzung führen • eine veränderte Einschätzung der Branchenentwicklung. Die Kreditnehmerratings sind mindestens einmal jährlich zu aktualisieren. Bestimmte Kredite, insbesondere an Kreditnehmer mit höherem Risiko oder problembehaftete Engagements, sind in kürzeren Abständen zu überprüfen.
2.2.7
Zusammenfassung
Wenn Unternehmen des deutschen Mittelstandes Kredite oder alternative Finanzierungen aufnehmen wollen, dann müssen sie sich einem bankinternen Rating unterziehen. Dazu müssen sie für ein quantitatives Rating die aktuellen Jahresabschlüsse und Planzahlen sowie Informationen zu bilanzpolitischen Maßnahmen beibringen, die aktuelle und zukünftige Liquiditätssituation erläutern und Einblick in ihr Unternehmensumfeld gewähren. Alle diese Informationen sind Bestandteil einer ganzheitlichen am Kreditentscheidungsprozess orientierten Kreditwürdigkeitsprüfung. Denn das bankinterne Rating bildet den Entscheidungsund Beurteilungsprozess der Bank ab, unterstützt den Mitarbeiter methodisch-didaktisch bei der Bonitätsanalyse, objektiviert subjektive Einschätzungen in der Bonitätsbeurteilung zur Erhöhung der Entscheidungssicherheit und dokumentiert diesen Prozess.
62
2 Internes Rating der Banken
Bankinterne Ratingverfahren sind heute risikoadjustiert, das heißt, sie dienen neben ihrer Funktion als Bonitätsbeurteilungsinstrument auch zur Ermittlung risikoadäquater und damit risikodifferenzierter Margen. Das erfordert Ratingverfahren, die Chancen und Risiken von Unternehmen genau abbilden und bewerten können. Hiervon profitieren Unternehmen, die auf einer gesunden wirtschaftlichen Basis und in einem wachstumsstarken Marktumfeld agieren. Unternehmen, auf die diese Kriterien nicht zutreffen, werden tendenziell mit einer Erhöhung ihrer Kreditkosten rechnen müssen.
2.2.8
Übungsaufgaben
Übungsaufgabe 1 Der Firmenbetreuer F bereitet ein Rating-Gespräch mit seinem Kunden K vor. K ist geschäftsführender Gesellschafter eines mittelständischen Unternehmens, das für ein größeres Investitionsvorhaben eine langfristige Finanzierung sucht. Welche Informationen benötigt F von K, um ein ganzheitliches Rating - bestehend aus quantitativen und qualitativen Ratingdurchführen zu können? Übungsaufgabe 2 Beim Kundengespräch will K von F wissen, worin sich quantitatives und qualitatives Rating unterscheiden. Nennen Sie die jeweiligen Merkmale beider Subratings und zeigen so die relevanten Unterscheidungskriterien auf!
2.2.9
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
Lösung zu Übungsaufgabe 1 Jahresabschluss und Planzahlen zur Ermittlung der ratingrelevanten Kennziffern und Durchführung des Quantitativen Ratings, Anhang und Lagebericht für die Beurteilung bilanzpolitischer Maßnahmen, Bankenspiegel und Liquiditätsplanung für die Beurteilung der aktuellen und zukünftigen Liquiditätssituation, Antworten auf zahlreiche Fragen zum Management, zur Wertschöpfung und zum Unternehmensumfeld zur Durchführung des Qualitativen Ratings. Lösung zu Übungsaufgabe 2 Quantitatives Rating als klassische Kennziffernanalyse (GuV, Bilanz) vs. Qualitatives Rating als „expertenbasierter“ Fragen-/Antwort-Katalog, Quantitatives Rating wird über harte Fakten abgebildet, in der Regel vergangenheitslastig, Qualitatives Rating wird über weiche Fakten abgebildet, mit klarem Zukunftsbezug.
2.2.10
Literaturhinweise
Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (Hrsg.), Konsultationspapier Die Neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung, April 2003. IKB Deutsche Industriebank AG (Hrsg.), Rating-Broschüre der IKB, Juli 2006. Gabler-Verlag (Hrsg.), Bankrisikomanagement, Erscheinungsdatum vor. Herbst 2007.
2.3 Inhaltliche Konzeptionierung eines Internen Ratingverfahrens
63
Diethard B. Simmert, Rainer Gith, Andreas Stephan Huber 2.3
Inhaltliche Konzeptionierung eines Internen Ratingverfahre eines Internen Ratingverfahrens und deren praktische Umsetzung
2.3.1
Anforderungen, Ziele und Rahmenbedingungen........................................ 63
2.3.2
Informationskomponenten ............................................................................ 64
2.3.2.1 2.3.2.1.1 2.3.2.1.2 2.3.2.1.3
Qualitative Informationen ................................................................................ 64 Die Auswahl geeigneter Fragen ....................................................................... 65 Die Zuordnung der „quantitativen“ Bedeutung ............................................... 66 Darstellung der Scorefunktion ......................................................................... 66
2.3.2.2 2.3.2.2.1 2.3.2.2.2 2.3.2.2.3
Quantitative Informationen .............................................................................. 67 Finanzrating...................................................................................................... 67 Einnahmen-Überschuss-Rechnung .................................................................. 68 Methoden zur Feststellung der geeigneten Kennzahlen .................................. 70
2.3.2.3 2.3.2.3.1 2.3.2.3.2
Externe Informationen ..................................................................................... 75 Die Auswahl potenzieller Quellen ................................................................... 75 Strukturierung der Wertigkeit .......................................................................... 76
2.3.3
Erfahrungen aus der Praxis .......................................................................... 76
2.3.1
Anforderungen, Ziele und Rahmenbedingungen
Im Zuge der Umsetzung der neunen Eigenkapitalrichtlinien beschließen immer mehr Finanzdienstleistungsunternehmen interne Ratingsysteme zu entwickeln und anzuwenden. Kreditinstitute sind bereits verpflichtet Ratingsystem bzw. Risikoklassifizierungsverfahren zu unterhalten. Die Anforderungen zur Entwicklung eines internen Ratingsystems ergeben sich einerseits aus der rechtlichen Sphäre und andererseits aus dem marktspezifischen Umfeld. Antrieb für Finanzdienstleister ist sicherlich die Gefahr der Adversen Selektion, in dem durch Informationsasymmetrie und objektivierten Einschätzungen die Umschichtung der
64
2 Internes Rating der Banken
Portfolios in Richtung nicht klassifizierter Ratingverfahren mit tendenziell höheren Risiken zu erwarten ist. Hinzu kommt, dass Kapitalmärkte von der Globalisierung am stärksten betroffen sind, sie verstärken die Tendenz einer höheren Transparenz. Zur Ermittlung des Risikos bedienen sich Kreditinstitute eines Ratings, das für das jeweilige Geschäftsegment entwickelt wurde. Die zentrale Aussage liegt in der genauen Bemessung des Kreditausfalls, mithin, inwieweit das untersuchte Objekt (Unternehmen, Privatperson etc.) in der Lage ist seinen gegenwärtigen und zukünftigen Zahlungsverpflichtungen vollständig und fristgerecht nachzukommen. Die Qualität der Aussage kommt durch die sog. Trennschärfe zum Ausdruck. Die Trennschärfe bezeichnet die Fähigkeit potenziell ausfallgefährdete Kreditnehmer möglichst genau von sicheren Engagements zu unterschieden. Je stärker dies dem entwickelten Ratingsystem gelingt, desto – statistisch – leistungsfähiger ist es zu bezeichnen. Dies bedeutet, dass Engagements, die bereits in der Vergangenheit als insolvent identifiziert worden sind, mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auch mit einem „schlechten“ Rating beurteilt (prognostiziert) werden. Eine weitere Bedeutung kommt der differenzierten Vergleichbarkeit zu. Durch Klasseneinteilungen und Punktvergaben lassen sich einzelne Kreditnehmer hinsichtlich ihrer Risikoneigung unterscheiden und vergleichen. Diese Skalierung dient wiederum dazu, die Verteilung des Portfolios zu optimieren, in dem die prognostizierten Ausfallwahrscheinlichkeiten die Entwicklung der Risikokonzentrationen widerspiegeln. Die Rahmenbedingungen zur Entwicklung solcher Ratingsysteme sind demnach von mathematisch-statistischer und formaler Natur. Hierzu zählen: • Kriterien zur Sicherstellung einer aussagekräftigen Risikodifferenzierung mit Hilfe statistischer Methoden • Vollständigkeit, Objektivität, Widerspruchsfreiheit und damit Glaubwürdigkeit der Ratingzuordnung • Regelmäßige Überwachung von Ratingsystem und -prozessen • Inhaltliche Ausgestaltung des Ratingsystems • Einheitliche Definition des Kriteriums „Ausfall“ Es ist in der Entwicklung darauf zu achten, dass facettenreiche Informationen in ausreichender Datentiefe mit entsprechender Historie vorliegen. Somit unterscheiden sich je nach Segment die bonitätsrelevanten Informationen, die verfügbaren Daten und deren individuelle Risikoneigung. Sie erleichtern die Strukturierung und Aufbereitung zur Validierung des Systems. Dabei lassen sich drei wesentliche Informationsbereiche unterscheiden, die nachstehend unter Ziffer 2. näher erörtert werden.
2.3.2
Informationskomponenten
2.3.2.1
Qualitative Informationen
Informationen außerhalb der jahresabschlussbasierten Risikoanalyse liegen meist nicht in auswertbarer Form vor. Da sie aber hinsichtlich der Risikomessung und zur Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten einen Beitrag leisten können, ist bei der standardisierten Erhebung darauf zu achten, dass sie einheitlich, strukturiert und auswertbar historisiert werden.
2.3 Inhaltliche Konzeptionierung eines Internen Ratingverfahrens
65
Bei der Risikobeurteilung der qualitativen Informationen ist besonders darauf zu achten, dass sich die im Rahmen der checklistengestützten Befragung zugrunde gelegten Prüfkriterien mit den Inhalten der mit dem Objekt (Unternehmen, Privatpersonen etc.) tatsächlich geführten Erhebung (Gespräch) decken. Es ist bei der Formulierung der Fragen äußerst wichtig, dass es sich um geschlossene Fragen handelt. Die Auswahlantworten sollen dabei die prüfungsbedingten Interpretationsspielräume kanalisieren. Hierdurch wird ein Maximum an Vergleichbarkeit in der Risikomessung erreicht. 2.3.2.1.1 Die Auswahl geeigneter Fragen Bei der Entwicklung der Fragen ist sorgfältig vorzugehen. Entscheidend ist, dass möglichst umfangreiche für die Risikomessung relevante Informationen qualitativ erhoben werden. Zu diesem Zweck ist die Durchführung eines Workshops mit Kreditanalysten sinnvoll. Die bereits vorhandenen spezifischen Kenntnisse dienen dazu, die Erfahrungen aus dem speziellen qualitativen Prüfungsprozess aufzugreifen und in Themensegmente zu strukturieren. Eine mögliche Strukturierung für die qualitative Analyse von Unternehmen ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle: Segmente
Anzahl der Fragen
Bedeutung
Qualifikation
4 Abstufungen
Hoch
Unternehmensstruktur
3 Abstufungen
Mittel
Organisation
2 Abstufungen
Niedrig
Rechnungswesen
3 Abstufungen
Mittel
Controlling
2 Abstufungen
Mittel
Risikomanagement
2 Abstufungen
Mittel
Funktionsbereiche
3 Abstufungen
Hoch
Die Segmente geben einen Überblick über die relevanten Risikothemen. Sie sind im Rahmen der Abstimmung mit den Kreditanalysten mit Leben zu füllen. Es ist besonders darauf zu achten, dass sich die Inhalte nicht überschneiden. So ist beispielsweise im Segment Qualifikation darauf Wert zu legen, dass die schulische und berufliche Ausbildung zum Tragen kommt. Zudem sind branchenspezifische Erfahrungswerte in der Analyse zu berücksichtigen. Verstärkt wird diese Herausforderung in der Differenzierung einzelner Auswahlantworten. Sie müssen eine Abstufung im Risiko semantisch zulassen und eindeutige kausale Aussagen umfassen. Sie bilden damit eine bedeutende Grundlage Interpretationsspielräume zu kanalisieren um im Anschluss eine verwertbare statistische Überprüfung zu ermöglichen. Ob die Fragestellungen ausreichen und die Auswahlantworten tatsächlich die Aussagekraft widerspiegeln, die man mit der Erhebung qualitativer Informationen verbindet, lässt sich erst im Nachgang eines standardisierten Fragenkataloges beantworten. Hierzu ist es erforderlich, schon durch die inhaltliche Bedeutung einzelner Fragen im Vorfeld eine auf die Risikorelevanz bezugnehmende Reflexion zu erhalten. Die Fragen sind generisch geprägt, so dass in einem ersten Schritt die subjektive Einschätzung auf Grundlage der Erfahrungen der Analysten ein standardisiertes Abbild in der Erhebung der qualitativen Informationen ergibt.
66
2 Internes Rating der Banken
2.3.2.1.2 Die Zuordnung der „quantitativen“ Bedeutung Ist generisch ein Datenbestand mit erhebbaren und auswertbaren qualitativen Informationen vorhanden, so kann im Anschluss die Zuordnung der Bedeutung statistisch nachgewiesen werden. Die subjektive Skalierung einzelner Merkmale und Merkmalsausprägungen wird durch Maßnahmen im Anschluss quantifiziert. Für die Entwicklung wird anhand der Gesamtstichprobe eine univariate statistische Analyse der einzelnen Antworten pro Frage durchgeführt. Sie geben Aufschluss über die Trennschärfe jeder einzelnen Frage mit ihren differenzierten Auswahlantworten. Für die einzelnen Antworten wurden gemäß einer kausalen Skalierung Punktwerte vergeben. Anhand der Ergebnisse der univariaten Analyse wird vorselektiert, in wie weit die einzelnen Fragen mit ihren Antworten für eine kombinatorische Verknüpfung auf statistischer Ebene (multivariate Analyse) geeigneten sind. Diese Vorgehensweise erhöht ganzheitlich die statistische Leistungsfähigkeit des zu entwickelnden Ratingsystems. Für die Analyse wird im Vorfeld eine Hypothesenbildung hinsichtlich der Ausprägungen der einzelnen Merkmale vorgenommen. Die Hypothesenbildung beruht auf ökonomischen Überlegungen und gibt an, ob die Merkmalsausprägungen für „insolvente“ Unternehmen nach dem Verlauf der univariaten Ausfallwahrscheinlichkeiten kleiner bzw. größer sind als für solvente Unternehmen. Diese Verläufe werden auf Grundlage der betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge kritisch reflektiert. In einem zweiten Schritt werden die einzelnen Ausfallwahrscheinlichkeiten der historischen Datensätze der jeweiligen Antworten pro Frage ermittelt und bezüglich der aufgestellten Hypothesen mit Hilfe von Trennschärfeprofilen analysiert. Bei Übereinstimmung der Ausfallwahrscheinlichkeit mit der Hypothese muss mit zunehmend negativer Bewertung des (Unternehmens)Risikos eines Kreditnehmers infolge der entsprechenden Antworten auch seine Ausfallwahrscheinlichkeit steigen. Das qualitative Merkmal der Nachvollziehbarkeit kommt hier zum Tragen. Die Beurteilung eines Unternehmens folgt dadurch der Punktskalierung. D.h., dass der betriebswirtschaftlich kausale Zusammenhang, bei dem ein niedriger Punktwert einer risikoreicheren Antwort entspricht in der Rangfolge zum Ausdruck kommt. Für die anschließende multivariate Statistik ist die Rangfolge in Abhängigkeit ihrer Ausfallwahrscheinlichkeit zu transformieren und zu normieren. 2.3.2.1.3 Darstellung der Scorefunktion Die multivariate Statistik verbindet die Auswertungen und Analysen der univariaten Statistik. Ziel ist es die Merkmalkombination zu finden, die aufgrund der verdichteten Struktur die Trennschärfe des Ratingsystems erhöht und damit die Prognose und Vorhersagekraft ausfallgefährdeter Unternehmen weiter verbessert. Es sollten hierbei möglichst viele unabhängige Variablen (Fragen) einbezogen werden. Dadurch wir die Hebelwirkung einzelner Variablen begrenzt oder kompensiert. Das abschließende Modell beinhaltet die größtmögliche Anzahl an Variablen (Fragen), die zu einem plausiblen Ergebnis führen. In dieser Phase der Modellierung unterscheidet sich die Vorgehensweise von den jahresabschlussbasierten Modellen. Es ist in der qualitativen Analyse darauf zu achten, dass umfangreiche Risikokomponenten statistisch eingebunden werden. Ansonsten läuft man Gefahr, die subjektiv geprägten Fragenkataloge so weit zu reduzieren, dass hinsichtlich ihrer Anwend-
2.3 Inhaltliche Konzeptionierung eines Internen Ratingverfahrens
67
barkeit die Akzeptanz bei den Kreditanalysten nicht mehr vorhanden ist. Die Identifikation würde leiden und das System würde nicht mehr angemessen mit Daten und Informationen versorgt. Das Scheitern des System wäre die Folge. Mit der multivariaten Modellbildung wird für jede Adresse die Ausfallwahrscheinlichkeit berechnet. In der Regel bietet sich für die statistische Analyse qualitativer Merkmale (Fragen) die logistische Regression an. Sie abstrahiert von der Normalverteilung der relevanten Merkmale und ist dadurch robuster gegenüber linearen Modellierungen (z.B. Diskriminanzfunktion). Die errechneten Ausfallwahrscheinlichkeiten dienen der Überprüfung der gesamten Trennschärfe und zur Ableitung der Scorewerte. Die Scorewerte helfen eine Skalierung auf geschlossene Intervalle zu übertragen, damit die anschließende Kalibrierung leichter fällt. Um die Vergleichbarkeit und Verwendbarkeit der qualitativen Informationen für das Ratingsegment zu erreichen, werden die Gewichtungsfaktoren der einzelnen Fragen unter Berücksichtigung Ihrer Aussagekraft auf den definierten Scorebereich transformiert. Dabei entspricht die Summe aller höchsten Scorewerte dem Maximum des Wertebereichs und die Summe aller niedrigen Scorewerte dem Minimum des Wertebereichs. Dies erleichtert die Nachvollziehbarkeit in den einzelnen Segmenten und erhöht die Transparenz im Gesamtsystem. Je höher der abschließende Scorewert, desto besser das betrachtete Unternehmen und geringer die Ausfallwahrscheinlichkeit. Fragestellungen, die bei der univariaten und multivariaten Modellbildung aufgrund ihrer Unplausibilität ausgeschlossen werden, sollten auf jeden Fall im System weiter „bearbeitet“ werden. Im Laufe der Entwicklung eines Ratingsystems können diese Fragen an Bedeutung gewinnen und ihre Berechtigung unter Beweis stellen. 2.3.2.2
Quantitative Informationen
Im Rahmen des internen aber auch externen Ratings kommt dem Jahresabschluss mit seinen detaillierten Informationen eine zentrale Bedeutung zu. Inwieweit das Unternehmen einer kritischen Finanzanalyse zur Feststellung der Kreditwürdigkeit respektive Ausfallwahrscheinlichkeit Stand hält, entscheidet insbesondere die Außendarstellung. Spiegelbild dessen ist die Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und der Anhang. Zur Entwicklung solcher Systeme werden eine Vielzahl von Jahresabschlüssen gesammelt und datentechnisch aufbereitet. Sie bilden die Grundlage für univariate und multivariate Statistiken. Obwohl häufig immer wieder gleiche Kennzahlenkombinationen Finanzratings inhaltlich gestalten, ergeben sich Unterschiede in den Gewichtungen und je nach Branchenbetrachtung in den Kennzahlendefinitionen. Schwierigkeiten ergeben sind häufig dann, wenn keine Jahresabschlussinformationen vorliegen. Bei nichtbilanzierenden Gewerbekunden oder Freiberuflern sind diese Informationen nicht vorhanden. Hier besteht die Notwendigkeit auf ein steuerrechtliches Konstrukt auszuweichen. Die sog. Einnahmen-Überschuss-Rechnung ergänzt die Analyse und Ableitung der Ausfallwahrscheinlichkeiten auf dem Gebiet der quantitativen Informationen. 2.3.2.2.1 Finanzrating Allgemein gilt, dass das Finanzrating eines Unternehmens umso besser ausfällt, je wirtschaftlich stabiler es sich darstellen kann. Dies kommt im Wesentlichen in zwei zentralen
68
2 Internes Rating der Banken
Komponenten, dem Eigenkapital und dem Cashflow, zum Ausdruck. Eigenkapital bedeutet zunächst Sicherheit für ein Unternehmen. Besonders in Krisenzeiten ist dieser Risikopuffer notwendig, um die gewöhnliche Geschäftstätigkeit aufrecht zu erhalten. Eine geringe Eigenkapitalquote geht mit einer hohen Verschuldung einher. Ein hoher Verschuldungsgrad bedeutet hohe Kosten und Mittelabfluss. Der Abfluss von liquiden Mitteln aufgrund hoher Zinsanspannung belastet nachhaltig den Cashflow. In einer solchen Situation führen Änderungen im wirtschaftlichen Umfeld des Unternehmens und Konjunktureinbrüche zu einer erhöhten Insolvenzgefahr und damit auch zu einer Erhöhung der Ausfallwahrscheinlichkeit. Damit dies im Vorfeld durch eine umfangreiche Auswertung im Rahmen der Jahresabschlussanalyse durch Hinzuziehung geeigneter Kennzahlen erkennbar wird, ziehen interne Ratingsysteme neben qualitativen Informationen auch sog. quantitative Informationen heran. Sie werden häufig stärker mit mathematisch-statistischen Methoden entwickelt. Die häufigsten Kennzahlen, die in Finanzratings zum Einsatz kommen, sind: • Eigenkapitalquote; die Kennzahl gibt Auskunft darüber, wie das Kapital der Beteiligten (Gesellschafter, Aktionäre) verzinst wurde. Ziel eines Unternehmens muss es sein, eine Rendite zu erwirtschaften, die über dem Kapitalmarktzins zzgl. Risikoprämie liegt. • Dynamischer Verschuldungsgrad; sie besagt, wie viele Jahre ein Unternehmen braucht, wenn es den gesamten Cashflow zur Schuldentilgung heranziehen würde. Sie spiegelt auch die Kapitaldienstfähigkeit wider. • Cashflow zur Effektivverschuldung; sie ist ein Indikator für die Verschuldungsfähigkeit des Unternehmens. • Zinsdeckungsquote; in welchem Umfang der Zinsaufwand durch das operative Ergebnis gedeckt wird, beschreibt diese Kennzahl. • Anlagendeckung; Kennzahl über den Einsatz des vorhandenen Kapitals. Sie steht mit der fristenkongruenten Finanzierung in Beziehung. • Zinsdeckungsquote; sie gibt Auskunft über den Umfang des Zinsaufwandes, der durch das operative Ergebnis gedeckt wird. Je niedriger dieser Anteil ist, desto höher ist die zusätzliche Ergebnisbelastung bei steigenden Fremdkapitalkosten. • Gesamtkapitalrentabilität; sie ermittelt die Verzinsung des eingesetzten Kapitals sowohl für Fremd- als auch Eigenkapital. • Liquidität; hieraus wird erkennbar, wie schnell sich kurzfristige Verbindlichkeiten mit liquiden Mitteln tilgen ließen. Die Übersicht der vorgestellten Kennzahlen kann nur einen Auszug der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen geben. Sie besitzt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 2.3.2.2.2 Einnahmen-Überschuss-Rechnung Bei nicht bilanzierenden Gewerbekunden kann eine statistische Überprüfung anhand von Jahresabschlusskennzahlen nicht erfolgen. Dieser Umstand kann durch die Hinzuziehung der steuerrechtlichen Gewinnermittlung nach §4 Abs. 3 EstG geheilt werden. Die Entwicklung muss sich dabei auf ein einheitliches Erfassungsschema beziehen, damit Kennzahlen und Datenbankstrukturen konsistent und widerspruchsfrei zur Modellentwicklung zur Verfügung stehen. Hilfreich zur standardisierten Eingabe ist das Formular vom Bundesministerium für Finanzen: Die nachstehende Abbildung zeigt einen Ausschnitt:
2.3 Inhaltliche Konzeptionierung eines Internen Ratingverfahrens
69
Um eine Einstufung des zu bewertenden Unternehmens vornehmen zu können, werden aus der verdichteten Ausgabe Kennzahlen ermittelt, die im Anschluss in das Rating eingehen. Für die Zusammensetzung der Kennzahlen kommen wie auch in der Jahresabschlussanalyse statische und dynamische Kennzahlen in Betracht. Auf Basis der Summe der Betriebseinnahmen werden die Kennzahlen ermittelt, die eine detaillierte Beurteilung der finanziellen Situation der zu risikobeurteilenden Unternehmen
70
2 Internes Rating der Banken
ermöglichen, da die verdichteten Angaben von absoluten Werten in relative Werte überführt werden. Um einmalige Effekte, die bei ihrer Berücksichtigung nachhaltige Auswirkung auf die Einstufung hätten, auszuschließen, werden die Kennzahlen bereinigt. Durch diese Bereinigungen werden bereits im Vorfeld Schwankungen geglättet, die auch die anschließende Volatilität der Ausfallwahrscheinlichkeiten verringern. 2.3.2.2.3 Methoden zur Feststellung der geeigneten Kennzahlen Die gängigsten Verfahren sind die Diskriminanzanalyse und die logistische Regression. Damit Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Gruppen rechnerisch herausgefunden werden können, behelfen sich Analysten mit mathematisch-statistischen Verfahren. Die Verfahren die herangezogen werden um Gruppen zu trennen, beziehen sich im Rahmen der Entwicklung eines Finanzratings auf betriebswirtschaftliche Kennzahlen. Damit diese herausgearbeitet werden können ist es erforderlich, die Eigenschaften der Gruppen genau zu spezifizieren. Je umfangreicher die Eigenschaften der einzelnen Merkmale und Merkmalsausprägungen ausgestaltet werden, desto schwieriger wird es für die ermittelte Trennfunktion zwischen den Gruppen eindeutig zu „diskriminieren“. Aus diesem Grund besteht gerade für die Gruppe der insolventen Unternehmen das Erfordernis, eindeutige Kriterien heranzuziehen. Um mathematisch-statistische Gruppenunterschiede von einander abgrenzen (diskriminieren) zu können, wird häufig das Verfahren der Diskriminanzanalyse angewendet. Ziel ist es, mit Hilfe einer Linearkombination die Werte einer abhängigen Variable mit Werten von einer oder – in der Regel – mehreren Variablen, die unabhängig von einander sind, zu den definierten Gruppenunterschieden heranzuziehen. Innerhalb der durchgeführten Analyse werden auch Zusammenhänge (Korrelationen) der unabhängigen Variablen untereinander hinsichtlich ihres Aussagegehaltes diagnostiziert. Sie beschreiben innerhalb der Korrelationsanalyse in Form einer Matrix diese statistischen Zusammenhänge. Es handelt sich demnach um eine Methode, die die Trennung von Gruppenunterschieden durch eine lineare Funktion optimiert. Die signifikanten Gruppenunterschiede werden durch die eindeutigen Definitionen und Abgrenzungen zwischen solventen und insolventen Unternehmen im Rahmen der vorliegenden Analysetatbestände festgelegt. Die zweite Frage beschäftigt sich mit der grundsätzlichen Ausgestaltung der Diskriminanzfunktion. D.h., welche unabhängigen Variablen sind dazu geeignet, die definitorisch festgelegten Gruppenunterschiede (Solvenz vs. Insolvenz) bestmöglich heraus zu arbeiten. Die unabhängigen Variablen beziehen sich bei der ökonomischen Betrachtung in diesem Fall auf Jahresabschlüsse und hier genauer auf Kennzahlen. Eine Mehrzahl dieser ausgewählten und festgelegten Variablen wird bei minimalem Informationsverlust durch eine Linearkombination zu einer einzigen Variable verdichtet und in Form eines Diskriminanzwertes ausgewiesen. Die Diskriminanzanalyse dient dazu herauszufinden, welche dieser ausgewählten Kennzahlen den höchsten Erklärungswert besitzen und mit welcher Gewichtung diese innerhalb der Funktion zum Tragen kommen sollen. Die formale Schreibweise der Funktion lautet:
2.3 Inhaltliche Konzeptionierung eines Internen Ratingverfahrens
71
Y = Diskriminanzwert = b0 + b1X1 + b2X2 + ... + biXi Wobei Xi die festgelegte Kennzahlen beschreibt und Bi die Gewichtungswerte (Erklärungswerte) angibt Die Auswahl der relevanten Kennzahlen ergibt sich aus den einzelnen Analysen, die ausschließlich auf die univariate Aussagefähigkeit abzielt. Hierzu wurden die mathematischstatistischen Verfahren (vier Momente) herangezogen.1 • 1. Moment: Der Mittelwertvergleich Bei der Betrachtung einer betriebswirtschaftlich festgelegten Kennzahl werden nach den jeweiligen solventen und insolventen Unternehmensgruppen Mittelwertvergleiche herangezogen. Je entfernter sich die jeweiligen Mittelwerte der Gruppen positionieren können, desto trennfähiger wird diese Kennzahl – univariat – angesehen. N
µ=
∑x i =1
i
N
Wobei µ den Mittelwert bezeichnet, Xi die Merkmalsausprägung der Grundgesamtheit beschreibt und N die Anzahl der Merkmale der Grundgesamtheit angibt. • 2. Moment: Die Streuung Damit Qualität und Aussagegehalt des Mittelwertvergleiches überprüft werden können, spielt das 2. Moment eine wichtige Rolle. Je geringer die Streuungen der Mittelwertvergleiche ausfallen, desto aussagefähiger kann der jeweilige Mittelwert interpretiert werden. N
σ2 =
∑ (µ − x ) i
i =1
2
N
Wobei σ2 die Varianz definiert, µ den Mittelwert bezeichnet, Xi die Merkmalsausprägung der Grundgesamtheit beschreibt und N die Anzahl der Merkmale der Grundgesamtheit angibt. • 3. Moment: Die Schiefe Die Diskriminanzanalyse ist ein Verfahren, welches auf normalverteilte Stichproben bzw. Grundgesamtheiten aufbaut. Dieser Anforderung müssen auch einzelne Variablen genügen. In diesem Zusammenhang wird auch die Symmetrie von Verteilungen innerhalb der univariaten Analyse untersucht. Abweichung der Symmetrie wird als Schiefe interpretiert. Somit beschreibt die Aussage: Je schiefer bzw. steiler die Verteilung einer betriebswirtschaftlichen 1
Ob univariat eine betriebswirtschaftliche Kennzahl zur Trennfähigkeit einen Beitrag leisten kann, hängt einerseits von der Interpretierbarkeit und andererseits von der Formulierung der 0-Hypothese ab.
72
2 Internes Rating der Banken
Kennzahl ausfällt, desto geringer ist diese Kennzahl dazu geeignet, die festgelegten Gruppenunterschiede mathematisch-statistisch zu erklären. Schiefe =
∑ (x − µ)
3
σ3
Wobei σ3 die potenzierte Varianz definiert, µ den Mittelwert bezeichnet und X die Merkmalsausprägung der Grundgesamtheit beschreibt. • 4. Moment: Die Kurtosis Mit der Kurtosis wird die Wölbung einer Kennzahlenverteilung überprüft. Bei einer Normalverteilung nimmt die Kurtosis einen Wert von „0“ an. Sie legt in ihrer Berechnung ihre Konzentration auf die Ränder der untersuchten Verteilung. Je mehr Freiheitsgrade zur Verfügung stehen, desto eher folgt die Verteilung der Binomialverteilung und verläuft etwas flacher als die Normalverteilung. Kurtosis =
∑ (x − µ)
4
σ4
Wobei σ4 die potenzierte Varianz definiert, µ den Mittelwert bezeichnet und X die Merkmalsausprägung der Grundgesamtheit beschreibt. Nach diesen univariaten Analysen werden die entsprechenden Kennzahlen selektiert und zur Diskriminanzanalyse herangezogen. Damit die Qualität und Aussagekraft (Trennschärfe) der ermittelten Diskriminanzanalyse überprüft werden kann, ziehen die Entwickler solcher Systeme Fehlerverteilungen als Gütekriterien heran. Die dichotomistische Analyse unterscheidet dabei 2 Fehlerarten, die durch die ökonomische Interpretation die Auswirkungen der Fehler offenlegt. Der Fehler 1. Art, auch α-Fehler bezeichnet, beschreibt die Fehleinschätzung, dass ein Unternehmen, welches insolvent ist, als solvent im Rahmen der Diskriminanzfunktion eingeschätzt worden ist. Dies führt zu Abschreibungen bzw. zum adressspezifischen Totalausfall aus dem Kreditportfolio. Der Fehler 2. Art, auch β-Fehler bezeichnet, dokumentiert das Fehlverhalten der Funktion spiegelbildlich. D.h., in wie weit wurde ein solventes Unternehmen durch die Diskriminanzanalyse als insolvent ausgewiesen. Solche Situationen führen dazu, dass Unternehmen im Rahmen einer Kreditentscheidung abgelehnt werden, obwohl sie für das Gesamtgeschäft einen Benefit leisten könnten. Es entstehen in dieser Konstellation Opportunitätskosten. Weitere Gütekriterien sind modellspezifische Mittelwertvergleiche und Eigenwertanalysen. Die Gruppenmittelwerte, die sich aus der Anwendung der Diskriminanzfunktion ergeben, zeigen den jeweiligen Gruppen ihren inneren Wert. Ziel dieser Untersuchung ist es, herauszufinden, inwieweit sich die durchschnittlichen Funktionswerte der einzelnen Gruppen von-
2.3 Inhaltliche Konzeptionierung eines Internen Ratingverfahrens
73
einander unterscheiden. Je entfernter sich die Werte positionieren, desto aussagefähiger ist das entwickelte Modell. Nach Fertigstellung des Modells wird durch den Eigenwert die Trennfähigkeit aus dem Quotienten der Quadratsumme zwischen den Gruppen untersucht. Der Eigenwert besitzt hohe Verwandtschaft zur Varianzanalyse. Je größer der Eigenwert ausfällt, desto leistungsfähiger wird das entwickelte Modell eingeschätzt. Ein großer Eigenwert ergibt sich, wenn die Streuung zwischen den Gruppen im Verhältnis zur Streuung innerhalb der Gruppen hoch ist. Im Gegensatz zur Linearkombination, die sich aus der Diskriminanzanalyse ergibt und dabei die Gruppenzugehörigkeit berechnet, betrachtet die logistische Regression in einem (0,1)Intervall, die (nicht beobachtete) Wahrscheinlichkeit der Gruppenzugehörigkeit. D.h., dass yi nicht der Linearkombination entspricht, sondern p(yi = 1) zum Gegenstand der Untersuchung definiert. Diese p(yi = 1) betrachtet die Chancenverteilung zwischen Eintrittswahrscheinlichkeit der betrachteten Gruppe zur entsprechenden Gegenwahrscheinlichkeit. Diese Chancenverteilung wird auch als „odds“ bezeichnet. Im Rahmen der logistischen Regression besteht die Notwendigkeit das logarithmierte Chancenverhältnis heranzuziehen, da erst durch diese Anpassung der Wertebereich für die abhängige Variable yi zwischen –∞ und +∞ zugelassen wird. Darüber hinaus lässt sich durch diese Transformation der Störterm der Ursprungsgleichung vernachlässigen. Der Störterm beschreibt zwar weitere Einflussfaktoren, diese können aber nicht durch ein diskretes Merkmal beschrieben bzw. formuliert werden. Indes beeinflussen diese die Wahrscheinlichkeit der Gruppenzugehörigkeit und konvergieren durch die Annahme der Unendlichkeit tendenziell gegen eine Normalverteilung. Somit ergibt sich folgender formaler Aufbau:
p(yi = 1) ln = ln (odds) = β0 + yi1 + … + βk x ik (1 − p(yi = 1) Durch Umformung und Auflösung nach der Wahrscheinlichkeit der Gruppenzugehörigkeit p(yi = 1) beschreibt der Term: p ( y i = 1) =
1 1+ e
− ( β 0 + β 1 x il + … + β k x ik )
die logistische Regression. Konvergieren x und β gegen +∞, dann tritt die Wahrscheinlichkeit der Gruppenzugehörigkeit von „1“ ein, wenn sie gegen –∞ streben, nimmt die Wahrscheinlichkeit der Gruppenzugehörigkeit den Wert „0“ an. Somit beschränkt sich die Wahrscheinlichkeit auf die Werte zwischen „0“ und „1“. Demzufolge besitzt die logistische Funktion folgende grafische Gestalt.
74
2 Internes Rating der Banken
Die Bezeichnung „Probability“ beschreibt die Wahrscheinlichkeit der Gruppenzugehörigkeit p(yi = 1) und „x“ den Wert aus β0 + x il + .... + βk x ik . Durch die geschätzte Wahrscheinlichkeit der Gruppenzugehörigkeit, kann auf der Basis der ökonomischen Betrachtung (Interpretation) eine Aussage über den wirtschaftsichtlichen Zustand von Unternehmen getroffen werden. Damit wird die Frage beantwortet, inwieweit Bestandsfestigkeit aufgrund seiner Positionierung in der errechneten Regression unter Einbeziehung der relevanten Jahresabschlusskennzahlen gegeben ist. Schätzt die Funktion ein Unternehmen „eher“ stabil (Gruppenzugehörigkeit „solvent“) ein, so positioniert sich dieses Unternehmen weiter rechts auf der Funktion; wird das Unternehmen „eher“ instabil (Gruppenzugehörigkeit „insolvent“) eingeschätzt, befindet sich das Unternehmen weiter links von der Funktion (unterhalb des Wendepunktes). Somit beschreibt die logistische Regression den Wahrscheinlichkeitsübergang der betrachteten Gruppenzugehörigkeit; im betriebswirtschaftlichen Sinne zwischen solventen und insolventen Unternehmen. Die Auswahl der relevanten (trennscharfen) Kennzahlen zur Insolvenzdiagnostik nimmt die EDV-technische Entwicklungsprozedur zur Herleitung geeigneter logistischer Regressionen selbst vor, so dass die Entwicklungseffizienz hinsichtlich der Schätzung einer Gruppenzugehörigkeit gegenüber der Diskriminanzfunktion gesteigert werden kann. Gütekriterien der logistischen Regression hängen, wie bei der Diskriminanzfunktion sowohl von der Trennfähigkeit als auch von der geschätzten Gruppenzugehörigkeit ab. Als grafisches „Gütekriterium“ eignet sich die Verlaufsbetrachtung des entwickelten Modells. Je steiler die Funktion verläuft, desto stärker sind die geschätzten Wahrscheinlichkeiten der Gruppenzugehörigkeit zu interpretieren.
2.3 Inhaltliche Konzeptionierung eines Internen Ratingverfahrens
75
Die Steile der logistischen Regression wird durch die Gewichtungsparameter βi bestimmt.2 Die geschätzten Gewichtungsparameter werden durch die Anwendung der logarithmierten Likelihood-Funktion berechnet. Da durch die logarithmierte Likelihood-Funktion sich der Wertebereich bei Maximierung zwischen –∞ und „0“ bewegt, bietet sich als Gütemaß der Likelihood-Ratio-Test an. Dieser Test besagt, dass, je aussagefähiger das entwickelte Modell trennt, desto näher befindet sich dieser Wert in seinem Maximum bei „0“. 2.3.2.3
Externe Informationen
Eine umfassende Risikomessung ist erst dann möglich, wenn Informationen herangezogen werden, die nicht direkt und unmittelbar vom Unternehmen bzw. von Privatpersonen beeinflusst werden können. Es handelt sich hierbei um Informationen aus dem wirtschaftlichen Umfeld des zu untersuchenden Objektes. Von Bedeutung ist dabei, dass die Daten regelmäßig erhoben werden und zur Risikomessung aktuell zur Verfügung stehen. 2.3.2.3.1 Die Auswahl potenzieller Quellen Grundsätzlich ist für eine nachhaltige Risikomessung jede Information, die einen Beitrag zur Trennschärfe liefert, für die Modellentwicklung von Bedeutung. In der Analyse des wirtschaftlichen Umfeldes steht gerade das Branchenrisiko, also die Insolvenzanfälligkeit einzelner Wirtschaftszweige im Fokus. Verschiedene Anbieter haben sich auf diese Themen spezialisiert und bieten für die nachhaltige Risikomessung aufbereitete Informationen an. FERI hat hierzu ein eigenes Branchenrating entwickelt und wird von vielen Kreditinstituten zur Branchenrisikoanalyse eingesetzt. Diese Nutzung geht über die Einbindung der entwickelten Ratingsysteme hinaus und wird auch für die Messung von Marktrisiken verwandt. Weitere Anbieter sind Wirtschaftsinformationsdienstleister, wie Creditreform, Microm, D&B, etc. Aber auch die volkswirtschaftlichen Abteilungen der Großbanken erstellen Branchenberichte und spezielle Auswertungen zur Kreditrisikomessung. Diese werden auch vertrieben und eröffnen gerade kleinen Instituten die Möglichkeit von den umfangreichen Datenquellen und Auswertungen zu partizipieren. Insbesondere regional tätige Kreditinstitute, wie Sparkassen und Volksbanken betrachten in der Analyse des wirtschaftlichen Umfeldes die Wirtschaftsregion. Es werden von den Verbänden hierzu spezielle Berichte erstellt, die für die einzelnen Banken geeignet sind spezifische Risiken mit strukturellen Informationen zu steuern und zu bewerten. In diesem Fall kommt die enge Verzahnung zwischen adressbezogener Risikomessung und eigener Portfoliosituation zum Ausdruck. Zu berücksichtigen ist bei der Auswahl der Kriterien, dass eine konsistente Aussage über das Ausfallrisiko getroffen wird. Abweichende Definitionen erschweren den Vergleich und die Kalibrierung. Streuungen und Fehleinschätzungen können die Stabilität der Aussage (Ausfallwahrscheinlichkeit) negativ beeinflussen und die gewünschte statistische Leistungsfähigkeit einschränken. Aus diesem Grund scheint es sinnvoll, auch in diesem Bereich eng mit den Kreditanalysten zusammen zu arbeiten. Die Erfahrungen und Informationsquellen, die bereits einen wichtigen Beitrag zur Risikomessung leisten, sind in jedem Fall generisch einzubinden, sofern noch keine historisierten Auswertungen zu einzelnen Adressen vorliegen. 2
Dies ist auch die zentrale Aufgabe der logistischen Regression.
76
2 Internes Rating der Banken
2.3.2.3.2 Strukturierung der Wertigkeit Bei der generischen Beurteilung sind die Erfahrungen der Kreditanalysten von zentraler Bedeutung. Durch die subjektive Einschätzung lassen sich die recherchierten externen Datenquellen ordinal skalieren, wodurch sich bereits eine erste Einschätzung der Risikoposition ergibt. Obwohl die qualitative Anforderung zur Entwicklung von internen Ratings darin besteht, unabhängig von subjektiven Einflüssen zu sein, ist es erforderlich, die Einschätzungen der Kreditanalysten zu systematisieren und im System abzubilden. Reicht die Datenbasis im Zeitablauf aus, um diese subjektiven Eindrücke mit ihrer ersten „Wertschätzung“ statisch zu überprüfen, so ergibt sich daraus für die Anwender des Ratingsystems eine höhere Akzeptanz und Nachvollziehbarkeit. Die Statistik dient dazu, die subjektiven Eindrücke zu objektivieren. Durch die Signifikanztests der univariaten Analysen zur Ableitung der Trennschärfe, ergibt sich die Wertigkeit der externen Datenquellen. Reichen diese Ergebnisse nicht aus, um ein separates Ratingsegment „externe Informationen“ zu unterhalten, erscheint eine Integration in das qualitative Ratingsegment zielführend. Die Sammlung einer ausreichend großer Stichprobe ist auch hier von Bedeutung. Nur so lässt sich sicherstellen, dass statistisch signifikante Aussagen Bestand haben. Die in Frage kommenden Bonitätskriterien sind dann Elemente der zu entwickelten Scoringfunktion, die durch die empirisch gestützte Quellensuche in Ausfallwahrscheinlichkeiten überführt wird.
2.3.3
Erfahrungen aus der Praxis
Bei der Entwicklung von internen Ratingsystemen ist die enge Einbindung der Anwender aus den Bereichen Risikomanagement, Risikocontrolling und EDV unerlässlich. Sie erhöhen den Erfolg ein qualitatives internes Ratingsystem zu konzipieren. Die Erfahrungen aus dem Kreditbereich werden angemessen gewürdigt und erhöhen im Anschluss die erforderliche Akzeptanz. Nicht zuletzt durch die statische Überprüfung und Objektivierung dieser Erfahrungen gibt es eine bilaterale Rückkopplung aus Berufserfahrung und wissenschaftlicher Empirie. Die einzelnen Scorefunktionen, die durch ihre Verdichtung auf Punktwerte bezogene Ausfallwahrscheinlichkeiten abbilden, lassen sich in Ratingklassen überleiten und bilden damit das Risiko objektiviert ab. Die Merkmale, die durch die Einbindung der Kreditanalysten ein statistisches Abbild ihrer Erfahrungen darstellen, ermöglichen positive Effekte in der segmentübergreifenden Nachvollziehbarkeit (Portofolioebene). Die Gefahr einer sog. „Black-Box“ ist nicht gegeben, da die Offenlegung der relevanten Kriterien im entwickelten Ratingsystem bekannt ist. Der modulare Aufbau in qualitative, quantitative und externe Informationen bietet sich an, da im Rahmen anstehender Monitorings und Backtestings segmentspezifisch vorgegangen werden kann. Die Transformation auf einheitliche Scorebänder und der damit transparenten Abbildung der Portfolioverteilungen bildet dabei die ideale Basis zur Ermittlung des Portfoliorisikos. Die Kompatibilität zu Portfoliorisikomodellen ist dadurch gegeben und ist Grundstein zur funktionsübergreifenden Steuerung. Die risikoadjustierte Vertriebssteuerung ist nur durch die Einbindung der „Marktfolge“ möglich und stellt damit eine abgestimmte Markt-Risiko-Situation für die strategische Gesamtsteuerung zur Verfügung.
2.4 Wettbewerbsfähigkeit durch internes Rating
77
Eberhard Brezski 2.4
Wettbewerbsfähigkeit durch internes Rating
2.4.1
Einleitung
77
2.4.2
Das interne Rating – Ein inhärenter Best Practice-Ansatz
78
2.4.2.1
Der holistische Analyse- und Bewertungsansatz ............................................... 78
2.4.2.2
Die Bewertungsvorschriften............................................................................... 81
2.4.2.3
Die Beratungsperspektive des internen Rating .................................................. 82
2.4.3
Empirische Erkenntnisse zur Wettbewerbsfähigkeit
85
2.4.4
Voraussetzungen zur Nutzung der Beratungsperspektive
86
2.4.4.1
Ratingkommunikation der Banken..................................................................... 86
2.4.4.2
Beratungsoffenheit der Unternehmen ................................................................ 87
2.4.4.3
Qualität der Ratinganalysten .............................................................................. 88
2.4.5
Fazit
89
2.4.6
Literatur
89
2.4.7
Übungsaufgaben
89
2.4.8
Lösungshinweise
90
2.4.1
Einleitung
Interne Ratings sind Einschätzungen der Banken über die künftige Fähigkeit eines Unternehmens zur vollständigen und termingerechten Rückzahlung seiner Verbindlichkeiten. Mit dieser Aussage stellen sie im Rahmen des Kreditvergabeprozesses einen wichtigen Baustein für die Kreditgenehmigung und für die Konditionsfestlegung dar. Ferner werden sie auch in der internen Kreditrisikosteuerung von Banken und bei der Ermittlung der gesetzlich vorgeschriebenen Eigenkapitalunterlegung der Kredite berücksichtigt. Im Ergebnis können die internen Ratings – wie es im Vor- und Umfeld der Einführung von Basel II umfassend und
78
2 Internes Rating der Banken
mitunter eher emotional diskutiert wurde – die finanziellen und in Folge die unternehmenspolitischen Handlungsspielräume von Unternehmen erheblich beeinflussen. Vor diesem Hintergrund ist es offensichtlich, dass Banken und Unternehmen ein hohes Interesse an einer möglichst genauen Bonitätseinschätzung haben. Darüber hinaus haben aber viele Unternehmen auch ein vitales Interesse an ratingverbessernde Maßnahmen. Denn in dem Ausmaß, in dem das Rating den finanziellen Spielraum zur Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen determiniert, stellt sich automatisch die Frage nach Aktivitäten zur Verbesserung des Rating und damit zum Erhalt bzw. zur Erweiterung des Handlungsspielraumes. Diese Frage kann durch das Rating selbst beantwortet werden, da dieses alle relevanten Informationen enthält. Die Erstellung einer genauen Bonitätseinschätzung setzt nämlich voraus, dass das Unternehmen holistisch analysiert und bewertet wird. Angesichts dieses Aspektes kann das Rating auch als eine auf eine Note verdichtete Form einer Stärken- / Schwächenanalyse interpretiert werden. In dieser Ausprägung kann es bei sorgfältiger Vorbereitung auf seine Erstellung und bei einer offenen Ratingkommunikation auch zur Verbesserung bzw. zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit genutzt werden. Der Nutzen des internen Rating kann folglich weit über seine eigentliche Aufgabenstellung hinausgehen. Lernziele Der Ratinganalyst soll • erkennen, dass das Rating für Unternehmen mehr ist als eine Aussage über die Ausfallwahrscheinlichkeit von Verbindlichkeiten • lernen, dass das Rating eine umfassende Stärken- / Schwächenanalyse darstellt und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit aktiv genutzt werden kann • verstehen, dass er gemeinsam mit dem Unternehmen auch von der Kommunikation des internen Rating durch die Banken profitieren kann
2.4.2
Das interne Rating – Ein inhärenter Best Practice-Ansatz
2.4.2.1
Der holistische Analyse- und Bewertungsansatz
Nach Basel II dienen die internen Ratings der Banken der Ermittlung der einjährigen Ausfallwahrscheinlichkeiten, um die Eigenkapitalunterlegung von Kreditrisiken zu bestimmen. Im Rahmen der rendite-/risikoorientierten Geschäfts- bzw. Kreditpolitik der Banken werden sie überdies noch zur Bestimmung der Kreditkonditionen und zur Gestaltung des Kundenportfolios herangezogen. Das interne Rating beeinflusst nicht nur die Höhe der Kreditzinsen, sondern auch die Aufnahme und Ausgestaltung der Kundenbeziehungen. Ab einem gewissen – von den jeweiligen Banken definierten – Ausfallrisiko, werden Unternehmen gegebenenfalls keine Kredite erhalten oder ihre bestehenden Kredite werden an Spezialisten für „Non Performing Loans“ verkauft oder sie werden einer Intensivbetreuung zugeführt, um das Risiko für die Bank(en) zu minimieren. Überdies führen Ratingnoten unterhalb des Investmentgrade auch dazu, dass Unternehmen zum Beispiel der Zugang zu kapitalmarktorientierten Produkten verweigert wird. Der unternehmens- und finanzpolitische Spielraum wird daher in einem erheblichen Ausmaß durch die Ratingnote bestimmt. Insgesamt
2.4 Wettbewerbsfähigkeit durch internes Rating
79
kann somit festgehalten werden, dass die internen Rating – zusätzlich zu ihrer aufsichtsrechtlichen Bedeutung – zu einem nicht unerheblichen Teil und in einer mitunter relativ mechanistischen Art und Weise das Vertrauen der Banken in ihre aktuellen und potenziellen Kunden determiniert. Die internen Ratings beeinflussen aufgrund ihrer gewollten Bedeutung für die Kredit- und Geschäftspolitik der Banken in einem erheblichen Ausmaß die Beziehung zwischen Bank und Kunde sowie das Ausmaß an Vertrauen zwischen beiden Parteien. Aufgrund dieser Zielsetzung des internen Rating sowie seiner Implikationen für die Beziehung zwischen der Bank und ihren Unternehmenskunden stellt sich automatisch die Frage nach den Kriterien für die Ermittlung der Ausfallwahrscheinlichkeiten. Eine Annäherung an die potenziellen Kriterien lässt sich aus einer Analyse von Insolvenzursachen in Deutschland generieren. In einer Befragung von Insolvenzverwaltern durch Euler Hermes in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Insolvenz und Sanierung an der Universität Mannheim e.V. wurden unter anderem die folgenden häufigen Insolvenzursachen identifiziert: • • • • •
Fehlendes Controlling Finanzierungslücken Unzureichendes Debitorenmanagement Autoritäre, rigide Führung Ungenügende Transparenz und Kommunikation (sowohl im Unternehmen als auch nach außen (Kunden, Lieferanten, Banken etc.)) • Investitionsfehler • Falsche Produktionsplanung
Bereits diese Aufzählung verdeutlicht, dass die Insolvenz-/Ausfallgründe im gesamten Unternehmen vorkommen können. Dies wird noch deutlicher, wenn man sich die Entwicklung von Unternehmenskrisen verdeutlicht. Danach steht am Anfang eine – in der Regel nicht leicht zu erkennende – strategische Krise, die von einer Ertragskrise gefolgt wird, bevor es schließlich zu einer Liquiditätskrise und gegebenenfalls zu einer Insolvenz kommt. Vor diesem Hintergrund lassen sich noch andere Insolvenzursachen vorstellen. Dies können z.B. Managementfehler, fehlende bzw. falsche Unternehmensstrategie, falsche Produkte, falsche Kundenansprache etc. sein. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Ermittlung der Ausfallwahrscheinlichkeiten durch das interne Rating zwangsläufig eine holistische Analyse des Unternehmens voraussetzt. Alle anderen Ansätze würden keine differenzierte Beurteilung des Gefährdungspotenzials für einen Ausfall zulassen und zwangsläufig zu Fehleinschätzungen führen. Nur durch eine holistische Analyse lassen sich die in einem Unternehmen vorhandenen Risikopotenziale erkennen, erfassen, bewerten und zu einer Aussage über die Ausfallwahrscheinlichkeit verdichten.
80
2 Internes Rating der Banken
Dieser Schlussfolgerung wurde auch von den Banken erkannt und in ihren internen Ratings beachtet. Auch hier stand am Anfang der Ratingkonzeption eine saubere, auf Vergangenheitsdaten basierte Analyse von Indikatoren, die eine hohe Trennschärfe bezüglich der Unterscheidung zwischen hohen und niedrigen Ausfallrisiko haben und in ihrer Gesamtheit ein zutreffendes, differenziertes Risikoprofil des Unternehmens zeichnen. Alle internen Ratings bestehen daher vor diesem Hintergrund grundsätzlich aus mehreren Beurteilungsbereichen, die sich wie folgt klassifizieren lassen: 1. Das Bilanzrating enthält Kennzahlen zur Finanz- und Ertragslage sowie zur Liquidität, die empirisch-statistisch ermittelt wurden und mit denen eine ausreichende Unterscheidungsqualität zwischen hohen und niedrigen Risiken gewährleistet wird. 2. Die qualitativen Faktoren beinhalten eine Analyse und Bewertung der Wettbewerbssituation, der Kundenbasis, der Organisationsstrukturen, der Managementqualität etc. und damit von Faktoren, die für die vollständige Beurteilung des Unternehmens zwingend nötig sind und einen Beitrag zur Risikodifferenzierung liefern. 3. Durch Warnsignale, Haftungsverbünde werden Aspekte, die aus Vertragsverletzungen, aus dem Kontoführungsverhalten oder der Einbindung eines Unternehmens in eine Gruppe oder einen Konzern etc. resultieren im internen Rating berücksichtigt. Aus der Gesamtheit dieser vielfältigen Kriterien bzw. Faktoren lassen sich dann – sofern die Analyse und die ihr vorausgehende Informationsaufnahme mit der nötigen Sorgfalt betrieben wird – die Stärken und Schwächen des Unternehmens deutlich erkennen und zu einem zutreffenden Risikoprofil verdichten. Dies bedeutet, neben einer, das Ausfallrisiko des Unternehmens beschreibende Ratingnote, liegen auch differenzierte Aussagen zu allen Unternehmensbereichen und -funktionen vor. Letztere können natürlich auch zur Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen genutzt werden.
Abb. 2.4-1: Grundstruktur eines internen Ratings
2.4 Wettbewerbsfähigkeit durch internes Rating
81
Das interne Rating liefert dem Ratinganalysten sowie dem Unternehmen – eine adäquate Ratingkommunikation vorausgesetzt – eine Fülle von Informationen über dessen Stärken bzw. Schwächen und damit zur Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen. 2.4.2.2
Die Bewertungsvorschriften
Genauso wichtig, wie die Frage nach den Kriterien ist die Frage nach den Bewertungsmaßstäben, denn diese bestimmen, welches Merkmalsausprägung mit dem Prädikat „niedriges Risiko“, „mittleres Risiko“ oder „hohes Risiko“ verbunden ist. Konkret beinhalten die Bewertungsmaßstäbe Aussagen über • • • •
die Bedeutung des Kriteriums im jeweiligen Unternehmenskontext (z.B. Branche) die optimale Ausprägung eines Kriteriums die Abstufungen des Erfüllungsgrades und des mit der Ist-Ausprägung verbundenen Risikopotenzials
Erst aus der Verknüpfung von Kriterium und Bewertungsmaßstab ergibt sich dann ein den Idealzustand eines Unternehmens beschreibendes Soll-Profil, welches durch den Vergleich mit dem Ist-Profil die potenziellen Stärken und Schwächen identifiziert und zu einem Urteil über das Ausfallrisiko verdichtet. Die Gesamtheit aller Kriterien und Bewertungsmaßstäbe stellt implizit das abstrakte Idealbild eines wettbewerbsfähigen Unternehmen in seinem jeweiligen Branchenund Größenkontext dar, dass durch die Gegenüberstellung mit dem Ist-Profil eine Bewertung des Ausfallrisikos des konkreten Unternehmen gestattet. Darüber hinaus kommt den Bewertungsmaßstäben bzw. -vorschriften noch eine weitere wichtige Funktion zu. Sie stellen für den Ratinganalysten einen Wegweiser bei der Analyse und Bewertung der einzelnen Ratingkriterien dar und sichern damit – trotz der vor, allem bei den qualitativen Kriterien, nicht auszuschließenden Subjektivität bei der Bewertung – eine gewisse Vergleichbarkeit in den Ratingurteilen. Gleichwohl ist bereits an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Ratingqualität und die damit verbundene Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen in einem nicht unwesentlichen Ausmaß von der Qualität der Ratinganalysten bestimmt wird. Angesichts dieser Bedeutung stellt sich automatisch die Frage nach der Herkunft der Bewertungsmaßstäbe. Auf Basis welcher Informationen wurden die Bewertungsmaßstäbe und -vorschriften abgeleitet? Die Antwort hierauf ist relativ einfach: • Aus eine Vergleich von erfolgreichen Unternehmen mit nicht erfolgreichen bzw. insolventen Unternehmen. • Aus den allgemein anerkannten Finanzierungs- und Bilanzierungsregeln im Zusammenspiel mit den jeweiligen Branchenbesonderheiten. • Aus dem erkannten „State of the Art-Wissen“ der betriebswirtschaftlichen Forschung bezüglich der einzelnen Unternehmensfunktionen. • Aus der langjährigen Erfahrung der Kreditinstitute.
82
2 Internes Rating der Banken
Im Hinblick auf das Bilanzrating bedeutet dies, dass auf Basis eines empirischstatistischen Verfahrens Kennzahlen und Bewertungsmaßstäbe abgeleitet wurden, die ein allgemeingültiges Risikomuster bzw. -profil ergeben. Die Besonderheit ist hierbei, dass sich die Bedeutung der einzelnen Kennzahlen im Zeitablauf und in Bezug zu den anderen Kennzahlen ändern bzw. relativieren kann. Daher wird das Bilanzrating in der Regel automatisch erstellt, indem der Jahresabschluss und/oder unterjährige Zahlen in das System eingegeben und von diesem dann analysiert und bewertet werden. Bei den qualitativen Faktoren ist es dagegen so, dass diese durch den jeweiligen Ratinganalysten – unterstützt durch die Bewertungsvorschriften, die auf Basis der oben skizzieren Informationen gebildet wurden – sorgfältig analysiert und bewertet werden müssen. Häufig sieht man diesbezüglich Bewertungsvorschriften, die nach einem quasi Schulnotensystem beschreiben, mit welcher Merkmalsausprägung welche „Teilnote“ einhergeht. Dies kann jedoch nicht in Form einer mechanisch auszuführenden und in jedem Einzelfall geltenden Bewertungsvorschrift (Wenn-Dann-Anweisung) erfolgen. In der Realität gibt es immer wieder Ausnahmesituationen, die eine andere Note, als die auf den ersten Blick angemessene, erfordern. Dies sei an einem kurzen Beispiel erörtert. Sicherlich ist eine sehr hohe Abhängigkeit von einem einzelnen Kunden per se eher negativ zu beurteilen. Jeder Auftragseinbruch kann in solchen Situationen kurzfristig nicht kompensiert werden und wird automatisch die wirtschaftliche Situation deutlich verschlechtern. Noch drastischer wären die Folgen, wenn der Kunde in solchen Situationen den Lieferanten wechseln würden. Unter Risikoaspekten wäre dann sicherlich eine sehr schlechte Note angemessen. Aber ist dies auch in Situationen angemessen, in denen eine hohe gegenseitige Abhängigkeit vorliegt. Aus meiner Sicht nein. Zwar rechtfertigen solche Situationen sicherlich keine guten Noten, aber genauso sicher muss das eigentlich in diesem Kriterium zum Ausdruck gebrachte Risiko relativiert und in Form einer etwas besseren Note umgesetzt werden. Damit wird auch plastisch deutlich, dass dem Ratinganalysten trotz aller Bewertungsmaßstäbe eine erhebliche Bedeutung zukommt. In seiner Gesamtheit kann die Summe der Bewertungsmaßstäbe bzw. -vorschriften im Zusammenspiel mit den Ratingkriterien als inhärenter Best-Practice-Ansatz skizziert werden, der durch einen Vergleich mit dem „Ist“ Risikopositionen und grundsätzliche Verbesserungsmaßnahmen aufzeigt. Insgesamt gesehen steckt folglich hinter den Bewertungsmaßstäben und -vorschriften ein umfangreiches Wissen über betriebswirtschaftliche Zusammenhänge, welches die Unternehmen hinsichtlich der Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit nutzen können und sollten. 2.4.2.3
Die Beratungsperspektive des internen Rating
In seiner Summe liefert das interne Rating, wie die beiden vorangegangenen Abschnitte gezeigt haben, dem Ratinganalysten eine umfangreiche Stärken / Schwächen-Analyse über die Unternehmen. Diese umfasst nicht nur die Ausprägungen der jeweiligen Kriterien sondern auch die Höhe der Abweichung von dem definierten Soll. Für die Unternehmen sind dies – soweit eine Kommunikation dieser Erkenntnisse erfolgt – ausgesprochen wertvolle Informationen, da sie dadurch eine ganzheitliche Bewertung ihres Geschäftsmodells, ihrer
2.4 Wettbewerbsfähigkeit durch internes Rating
83
Organisation, ihrer implementierten Systeme etc. und damit letztlich ihrer Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Da sich auch nur wettbewerbsfähige Unternehmen auf Dauer in ihrem Markt nachhaltig positionieren und überdurchschnittliche Erträge erwirtschaften können, ist dies auch ein logischer Zusammenhang. Schließlich werden gerade derartige Unternehmen auch ein gutes Rating erzielen. Nur wettbewerbsfähige Unternehmen werden auf Dauer eine gute Ratingnote haben. Es ist offensichtlich, dass diese Informationen eine Beratungsperspektive eröffnen. Diese ergibt sich aufgrund des Aspektes, dass aus diesen Informationen direkt Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet werden können. Diese können aufgrund der holistischen Beurteilung grundsätzlich alle Teilebereiche bzw. Funktionen eines Unternehmens betreffen. Beispiele für derartige Verbesserungspotenziale sind unter anderem: • • • • • • •
Einführung des Controllingsystems Überprüfung und Optimierung von Geschäftsprozessen Änderung der Aufbauorganisation zur Vermeidung von Doppelspurigkeiten Verbesserung des Forderungsmanagement Neuausrichtung der Kundenstruktur Aufbau von Lieferantenalternativen zur Generierung von Einkaufsvorteilen Verbesserung der Finanzkommunikation gegenüber Banken etc. Das internen Rating eröffnet den Unternehmen aufgrund seines inhärenten BestPractice-Ansatzes eine Beratungsperspektive. Die daraus resultierenden Verbesserungspotenziale können alle Teilbereiche eines Unternehmens betreffen.
Diese Potenziale müssen natürlich in einem zweiten Schritt vom Unternehmen auf die Form und Fristigkeit ihrer Umsetzbarkeit sowie ihrer Bedeutung für die jeweilige Entwicklungsperspektive des Unternehmens überprüft werden. Dies ist in mehrerlei Hinsicht von Bedeutung: • Schnell erfolgswirksam werdende Maßnahmen können identifiziert und unmittelbar umgesetzt werden. • Es kann eine Kosten/Nutzen-Beurteilung der Maßnahmen vorgenommen werden, da diese nicht alle im gleichen Ausmaß für die Wettbewerbsfähigkeit und das Rating von Bedeutung sind. Überdies können diese Überlegungen zur Festlegung einer Reihenfolge zwischen den Maßnahmen genutzt werden. • Längerfristige Maßnahmen, die entsprechende Investitionen erfordern, können geplant und in die Unternehmensplanung eingestellt werden. Damit ist dann zugleich auch die Kommunikation der Maßnahmen in Richtung Banken sichergestellt. Diese Ausführungen machen deutlich, dass das interne Rating den Unternehmen umfassende Beratungsansätze zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und damit auch zur Verbesserung der Ratingnote liefert. Allerdings müssen diese Beratungsansätze häufig noch in Form von konkreten Maßnahmenbündeln ausdifferenziert und geplant werden.
84
2 Internes Rating der Banken
Viele Unternehmen werden dies aber zunächst nur unter der Zielsetzung Steigerung der Ratingnote und damit der Verbesserung der Finanzierungssituation bzw. -konditionen durchführen. Zwar ist dies eine legitime Zielsetzung, doch verführt sie die Unternehmen häufig zu einem isolierten Abarbeiten einzelner Schwächen. Dies wird aber in der Regel zu keiner nachhaltigen Verbesserung des Rating führen, da die Auswirkungen einer Maßnahme auf andere Unternehmensbereiche und Ratingkriterien vernachlässigt werden und damit dem ganzheitlichen Analyse- und Bewertungsansatz nicht ausreichende Rechnung getragen wird. Deutlich wird dies zum Beispiel an der Einführung eines Controllingsystems. Eine isolierte Implementierung eines solchen Systems im Sinne einer mechanistischen Planung mit integrierten Soll/Ist-Vergleich kann zwar kurzfristig zu einer besseren Bewertung dieses Kriterium führen, doch wird das Unternehmen davon nicht hinsichtlich der Unternehmenssteuerung profitieren. Dies würde sich dann auch im Rating entsprechend negativ auswirken. Um dies zu vermeiden, wäre es vielmehr nötig, dass die Einführung eines Controllingsystems einhergeht mit • • • •
der Überprüfung, Definition und Dokumentation der Unternehmensstrategie der Ableitung von konkreten Zielen aus der Unternehmensstrategie der Überprüfung der Ziele sowie der Strategie- und Planungsprämissen der frühzeitigen Ableitung von Gegenmaßnahmen im Falle von Zielabweichungen oder Änderungen in den Prämissen
Nur ein derart implementiertes und ausgestaltetes Controllingsystem wird dem Unternehmen bei dem Erhalt bzw. dem Ausbau seiner Wettbewerbsfähigkeit / Marktposition helfen, da es sich nur systematisch mit seinen Chancen und Risiken auseinandersetzt. Die Beratungsperspektive des internen Ratings entfaltet folglich nur dann seine volle Wirkung, wenn die Unternehmen die Auswirkungen der kommunizierten Verbesserungspotenziale auf den gesamten Betrieb erfassen und ein entsprechend abgestimmtes Maßnahmenbündel planen und implementieren. Nur in diesem Fall werden sie auch eine nachhaltig gute Ratingnote erzielen. Ein isoliertes Beseitigen einzelner Schwächen wird sich internen Rating in aller Regel nicht auf Dauer positiv auswirken. Besser ist auch bei der Planung und Implementierung von Verbesserungsmaßnahmen eine holistische Vorgehensweise. Angesichts des Charakters des internen Ratings ist diesbezüglich aber zu beachten, dass die Nutzung der Beratungsperspektive erst ex-post, das heißt nach der Erstellung des Ratings möglich ist. Eine entsprechend ausgerichtet Ratingkommunikation der Banken ist folglich eine zwingende Voraussetzung für die Ausschöpfung der Verbesserungspotenziale. Nur auf dieser Basis kann das Unternehmen von dem jahrelang erworbenen Know-how der Banken beim Erkennen von Unternehmensrisiken bzw. der Einschätzung von Märkten, Strategien etc., die aus der sehr großen Anzahl der analysieren und bewerteten Unternehmen resultieren, partizipieren.
2.4 Wettbewerbsfähigkeit durch internes Rating
85
Die Beratungsperspektive des internen Ratings steht den Unternehmen erst ex post zur Verfügung und setzt eine entsprechende Ratingkommunikation voraus. Insgesamt ist damit festzuhalten, dass das interne Rating den Unternehmen eine interessante Beratungsperspektive und damit wichtige Informationen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bietet. Letzteres auch noch dadurch, dass eine gute Wettbewerbsfähigkeit in der Regel ein gutes Rating und damit die Erweiterung des unternehmenspolitischen Spielraumes aufgrund des Zuganges zu weiteren, auch kapitalmarktorientierten Finanzierungsalternativen eröffnet. Durch ein gutes internes Rating stehen dem Unternehmen auch vermehrt Finanzierungsalternativen zur Verfügung, die sich wiederum positiv auf die unternehmenspolitischen Handlungsspielräume und die Wettbewerbsfähigkeit auswirken können.
2.4.3
Empirische Erkenntnisse zur Wettbewerbsfähigkeit
Nach den bisher eher theoretischen Ausführungen stellt sich jetzt die Frage nach der Realität, d.h. nach den Ausprägungen der Ratingnoten und der Wettbewerbsfähigkeit von insbesondere mittelständischen Unternehmen. Insbesondere stellt sich die Frage nach dem Bedarf zur Nutzung der Beratungsperspektive. Einer Untersuchung von „zeb rolfes schierenbeck“ zufolge, haben über 50 % der mittelständischen Unternehmen ein Subinvestmentgraderating. Diese Unternehmen haben in einem mehr oder minder großen Ausmaß Schwächen, die sich negativ auf ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihr Rating auswirken. Da diese Unternehmen auch in der Folge von Finanzierungen ausgeschlossen oder aber diese mit zumindest deutlich höheren Zinsen bezahlen müssen, besteht gerade bei diesen Ratingstufen ein erheblicher Verbesserungsbedarf. Diese Unternehmen können daher grundsätzlich in einem erheblichen Ausmaß vom internen Rating und der Ratingkommunikation der Banken profitieren. Dies gilt umso mehr, als auch die Auswirkungen von Maßnahmen im Rating simuliert werden können. Den Unternehmen kann folglich relativ schnell und deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Ausmaß sie von den Maßnahmen profitieren. Dies dürfte dazu beitragen, dass sich der Mittelstand häufiger als in der Vergangenheit Beratungsansätzen und -mandaten gegenüber öffnet. Aber auch bei den nahezu 50 % der Unternehmen mit einem Investmentgraderating lassen sich durch das Rating noch Schwachpunkte erkennen, deren Beseitigung sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit und das Rating auswirkt. Auch diese Unternehmen können daher von einer qualitativ guten Ratingkommunikation profitieren. Typische Schwächen, die im Rahmen langjähriger Ratingberatungen immer wieder in unterschiedlichen Kombinationen identifiziert werden konnten sind unter anderem: • • • • •
Niedrige Eigenkapitalquote Keine fristenkongruente Finanzierung Kurzfristige Finanzierungsstruktur Schwache Cashflows und niedriger ROI Hohe Lagerbestände
86 • • • • • • •
2 Internes Rating der Banken Schlechtes bzw. nicht vorhandenes Forderungsmanagement Mangelhafte strategische Auseinandersetzung mit Märkten und Kunden Fehlendes bzw. mangelhaftes Controlling Unzureichende Einbindung der zweiten Managementebene Hohe Abhängigkeit von einzelnen Kunden Kein systematisches Einkaufsmanagement Unzureichendes Geschäftsprozess- und Risikomanagement 25
20
Anteil in %
15
10
5
0 AAA bis AA
AA- bis A
A-
BBB+
BBB
BBB-
BB+
BB
BB-
B+
B
B-
CCC
Abb. 2.4-2: Die typische Ratingstruktur im deutschen Mittelstand 1
Im Mittelstand ist insgesamt gesehen ein hoher Beratungsbedarf und damit ein hoher Bedarf zur Nutzung der Beratungsperspektive des internen Rating gegeben. Angesichts der mit einem guten Rating verbundenen Vorteile, dürfte auch die Bereitschaft zur Umsetzung von Verbesserungspotenzialen höher ausgeprägt sein wie in der Vergangenheit. Empirisch gesehen existiert im Mittelstand ein hoher Beratungsbedarf und damit ein hoher Bedarf zur Nutzung der Beratungsperspektive des internen Ratings.
2.4.4
Voraussetzungen zur Nutzung der Beratungsperspektive
2.4.4.1
Ratingkommunikation der Banken
Eine zentrale Voraussetzung zur Nutzung der Ratingerkenntnisse durch Unternehmen ist, wie oben dargestellt, die Durchführung einer entsprechenden Ratingkommunikation durch die Banken. Ansonsten fehlen die Ansatzpunkte zur Beseitigung von Schwächen bzw. die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dies ist der Fall, weil viele Banken die internen 1
Vgl. zeb Jansen, Sven: Auswirkungen von Basel II auf Kreditinstitute und Mittelstand, zeb/Themen, Juli 2002, S. 5
2.4 Wettbewerbsfähigkeit durch internes Rating
87
Ratings oft nur auf Basis der vorhandenen Informationen erstellen und nicht durch eine fundierte Informationsaufnahme vor Ort, in der sie auch Informationen an die Unternehmen weitergeben, absichern. Erfolgt dann kein Ratinggespräch, so sind dem Unternehmen bestenfalls die Ratingnote nicht aber die dafür ausschlaggebende Gründe bekannt. Für die Unternehmen folgt hieraus, dass sie – sofern sie ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihr Rating dauerhaft verbessern wollen – von den Banken informiert werden müssen über • das dem Rating zugrunde liegende individuelle Stärken/Schwächenprofil • den sich daraus ergebenden Verbesserungspotenzialen • die – soweit nötig – grundsätzlichen betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Kriterien • die tendenziell möglichen Verbesserung im Rating bei holistischer Beseitigung der festgestellten Schwächen An einer derart ausgerichteten Ratingkommunikation sollten auch die Banken ein erhebliches Eigeninteresse haben, da es keinen besseren Schutz vor potenziellen Ausfällen gibt, als ein wettbewerbsfähig aufgestelltes Unternehmen. Dies gilt zumal angesichts der Tatsache, dass sich die Verbesserung von Ratingnoten bei Banken auch positiv auf die Eigenkapitalhinterlegung auswirken kann und wird. Darüber hinaus, kann damit eventuell auch bei interessanten, nachhaltig wachsenden Unternehmen ein Kundenbindungseffekt generiert werden, der den Banken wiederum einen gewissen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten verschafft.2 Eine aktive Ratingkommunikation ist sowohl für die Banken als auch für die Unternehmen vorteilhaft. 2.4.4.2
Beratungsoffenheit der Unternehmen
Auch die Unternehmen müssen zwei wesentliche Voraussetzungen erfüllen, sofern sie vom internen Rating im beschriebenen Sinne profitieren wollen: 1. Unternehmen dürfen das interne Rating nicht nur als aufsichtsrechtliches Instrument verstehen, welches die Kreditentscheidungen der Banken wesentlich beeinflusst. 2. Unternehmen müssen offen sein für die aus dem Rating resultierenden Verbesserungspotenziale und diese zumindest partiell umsetzen. Ersteres bedeutet, dass die Unternehmen das Rating auch als eine institutionalisierte Stärken/Schwächenanalyse verstehen sollten, die ihnen jährlich von ihren Banken geliefert wird. In dieser Form kann das Rating – auch nach dem Selbstverständlich von einigen Unternehmen – einen kontinuierlichen Beitrag zur Unternehmensentwicklung machen. Das interne Rating ist auch eine institutionalisierte Stärken/Schwächenanalyse.
2
Vgl. hierzu Brezski, Eberhard: Das interne Rating der Banken als Kundenbindungsinstrument im Mittelstand, in: Wiedmann, Klee, Buxel, Buckler: Ertragsorientiertes Zielkundenmanagement für Finanzdienstleister, Wiesbaden 2003, S. 267–282
88
2 Internes Rating der Banken
Der zweite Aspekt bedeutet, dass die Unternehmen durch Veränderungsprozesse auch das Rating aktiv gestalten können. Da die Veränderungsprozess zudem wieder durch das Rating angestoßen wird, ergibt sich hieraus ein Regelkreis, der sich aufgrund der externen Beurteilung des unternehmerischen Handelns immer wieder positiv auf Marktposition und Rating auswirkt. Eventuell kann dies dazu führen, das sich ein Unternehmen im Vorfeld zur Einschaltung eines Ratinganalysten entschließt und die dabei gewonnen Erkenntnisse bereits ex-ante den Banken mitteilen. In beiden Fällen besteht aber auch der zusätzliche Vorteil, dass die Auswirkungen der Maßnahmen auf das interne Rating simuliert werden können. Unternehmen sollten sich der strategischen Bedeutung des Rating bewusst sein und offen sein für kommunizierte Verbesserungspotenziale. Ingesamt gesehen ist zu konstatieren, dass sich die Unternehmen der strategischen Bedeutung des internen Ratings bewusst sein sollten und dieses aktive für Zwecke der Unternehmensentwicklung nutzen sollten. 2.4.4.3
Qualität der Ratinganalysten
Eine besondere Bedeutung – sowohl bei der Ratingerstellung als auch bei der Ratingkommunikation – kommt den Ratinganalysten zu. Ihre Qualität entscheidet letztlich über die Güte der Stärken/Schwächenanalyse sowie der abgeleiteten Verbesserungspotenziale. Die besondere Herausforderung liegt dabei in der Analyse und Bewertung einer Vielzahl von unterschiedlichen Kriterien und dem Verantwortungsbewussten Umgang mit subjektiven Bewertungsspielräumen. Eine rein mechanistische Bewertung von Kriterienausprägungen würde zu einer nicht sachgerechten Beurteilung von Unternehmen und dem Aufbau von Widerständen gegen das Rating führen, so das die positiven Aspekte dieser institutionalisierten Kommunikation zwischen Bank und Kunde nicht mehr erschlossen werden können. Daraus wird deutlich, dass an die Ausbildung und Qualifikation von Ratinganalysten hohe Anforderungen zu stellen sind. Nur Analysten, die über eine fachlich sehr gute Ausbildung und genügend Erfahrung (nicht zwangsläufig als Analyst) verfügen, können • das Unternehmen holistisch analysieren und bewerten • die einzelnen Kriterien und Berücksichtigung der individuellen Umstände adäquat beurteilen • Verbesserungsmaßnahmen ableiten, die auch die Interdependenzen zwischen Unternehmensbereichen und Kriterien berücksichtigen und • werden von den Unternehmen als Gesprächspartner und potenzieller Berater angenommen Den Ratinganalysten kommt eine hohe Bedeutung in der Bank-Kunde-Kommunikation zu, so dass sie auch über qualitativ hochwertige Ausbildung verfügen sollten. Insoweit kann festgehalten werden, dass eine hohe Qualität der Ratinganalysten eine unabdingbare Voraussetzung für die beschriebene Nutzung des internen Rating in einer aktiv gestalteten Bank-Kunde-Beziehung ist.
2.4 Wettbewerbsfähigkeit durch internes Rating
2.4.5
89
Fazit
Die internen Ratings wurden aus aufsichtsrechtlichen Gründen im Zusammenhang mit Basel II eingeführt. Der Nutzen für Unternehmen und Banken kann aber deutlich über diesen Aspekt hinausgehen. Dies ist der Fall, weil hinter dem internen Rating eine holistische Beurteilung der Unternehmen und ein inhärenter „Best Practice-Ansatz“ steht. Aus diesem heraus kann ein qualifizierter Ratinganalyst vielfältige Verbesserungspotenziale ableiten, die das Unternehmen bei dem Erhalt bzw. dem Ausbau seiner Wettbewerbsfähigkeit unterstützen können. Eine adäquate, offene Ratingkommunikation vorausgesetzt ergeben sich aus dem Rating heraus vielfältige Möglichkeiten zur Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Bank und Unternehmen. Diese können sein, dass die Bank dem Unternehmen strategiekonforme, individuelle, das Bilanzrating optimierende Finanzierungsinstrumente anbietet oder durch die Darlegung seiner Sichtweise des Geschäftsmodells, des Marktes oder der Aufbauorganisation etc. das Unternehmen zu einer Überprüfung von bisher vorherrschenden Sichtweisen veranlasst. Natürlich können auch konkrete Maßnahmen vorgeschlagen werden, die sich wiederum relativ schnell im Rating auswirken. Das interne Rating kann damit für die Unternehmen zu einem wichtigen Informationsinstrument in der Ausgestaltung seiner Unternehmensentwicklung sein. Eine intensive Nutzung des Ratings in diesem Sinne kann sogar dazu führen, dass dieses zur Erhöhung der Kundenbindung beitragen kann und so auch der Bank Wettbewerbsvorteile bei interessanten Unternehmen verschaffen kann. Die Bedeutung des internen Ratings geht bei einem offensiven Umgang mit diesem deutlich über dessen aufsichtsrechtliche Bedeutung hinaus. Es ist vielmehr ein Instrument zu aktiven Gestaltung der Kundenbeziehung.
2.4.6
Literatur
Jansen, Sven: Auswirkungen von Basel II auf Kreditinstitute und Mittelstand, zeb/Themen, Juli 2002. Brezski, Eberhard: Das interne Rating der Banken als Kundenbindungsinstrument, in: Wied mann, Klee, Buxel, Buckler: Ertragsorientiertes Zielkundenmanagement für Finanzdienstleister, Wiesbaden 2003, S. 267–282.
2.4.7
Übungsaufgaben
(1) Wieso ist gerechtfertigt beim internen Rating von einem inhärenten Best-Practice-Ansatz zu sprechen? (2) In welchem Umfang können auch Banken von einer offenen Ratingkommunikation profitieren und welche Voraussetzung müssen hierzu erfüllt sein? (3) Worin liegt die Beratungsperspektive des internen Rating anhand einer typischen Schwäche. Was ist in diesem Zusammenhang zu beachten, damit sich eine nachhaltige Verbesserung des Ratings einstellt?
90
2.4.8
2 Internes Rating der Banken
Lösungshinweise
(1) Das interne Rating verlangt eine holistische Analyse und Beurteilung des Unternehmens. Andernfalls kann hinreichende Trennschärfe zwischen hohe und niedrigen Ausfallrisiken erreicht werden. Außerdem orientieren sich die Bewertungsmaßstäbe an Unternehmen, die Wettbewerbsfähig, Cashflow-Stark und Ertragsstark sind. Damit besitzt jedes Rating eine indirekte Aussage über das Optimum. (2) Banken profitieren in mehrerer Hinsicht von einer offenen Ratingkommunikation. Sofern Unternehmen die Verbesserungsvorschläge annehmen, verbessern diese ihre Wettbewerbsfähigkeit und werden damit weniger anfällig für Krisen. Mithin verringert sich das Ausfallrisiko. Darüber hinaus müssen Banken, sofern sich auch die Ratingnote verbessert, ihre Kredite mit weniger Eigenkapital hinterlegen. Aufgrund der aus dem Rating resultierenden Beratungsansätze können die Banken zudem ihre Beziehung zu interessanten Unternehmen durch individuelle Angebote vertiefen. Aufgrund der dadurch möglichen Kundenbindung können sie sich bei diesen Unternehmen Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Banken verschaffen. (3) Jede festgestellte Schwäche bietet eine Beratungsperspektive. Dies gilt erst recht angesichts des Aspektes, dass eine Beseitigung der Schwäche auch zu einer Verbesserung des Ratings führen kann. Allerdings ist dabei zu beachten, dass die Interdependenzen zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen und Ratingkriterien beachtet werden. Diesbezüglich sei auf das Beispiel „Einführung des Controllingsystem“ verwiesen.
3.1 Rating von Industrieunternehmen
3
Ratingverfahren unabhängiger Agenturen
91
92
3 Ratingverfahren externer Agenturen
3.1 Rating von Industrieunternehmen
93
Britta Holt 3.1
Rating von Industrieunternehmen
3.1.1
Einführung
93
3.1.2
Qualitative Faktoren
94
3.1.2.1
Branchenrisiko.................................................................................................... 94
3.1.2.2
Operatives Umfeld.............................................................................................. 95
3.1.2.3
Marktpositionierung ........................................................................................... 95
3.1.2.4
2.4 Management ................................................................................................. 96
3.1.2.5
2.5 Rechnungslegung ......................................................................................... 96
3.1.3
Quantitative Faktoren
3.1.3.1
Ertragskraft und Cashflow.................................................................................. 97
3.1.3.2
Kapitalstruktur.................................................................................................... 98
3.1.3.3
Finanzielle Flexibilität........................................................................................ 99
3.1.4
Cashflow-Maßstäbe
3.1.5
Deckungsgrade Brutto- und Nettoverschuldung
101
3.1.6
Profitabilitätskennziffern
103
3.1.7
Literaturhinweise
103
3.1.1
Einführung
97
99
Ein Issuer Default Rating (IDR) beurteilt die Fähigkeit eines Emittenten, seine Finanzschulden fristgerecht zurückzuzahlen und ist länder- und branchenübergreifend vergleichbar. Credit Ratings basieren sowohl auf qualitativen wie auch auf quantitativen Faktoren, um das operative sowie das Finanzrisiko eines Emittenten zu bestimmen. Die Analysen erfolgen grundsätzlich auf Basis relevanter Brancheninformationen und Finanzdaten von mindestens den letzten fünf Jahren, sowie der Angaben des Unternehmens und der Einschätzung von Fitch Ratings über die zukünftige Unternehmensperformance. Um zu einer besseren Beurteilung der relativen Performance eines Unternehmens zu kommen, ist es erforderlich, im
94
3 Ratingverfahren externer Agenturen
Rahmen einer vergleichenden Analyse, Stärken und Schwächen eines Unternehmens mit denen anderer Unternehmen seiner Branche zu vergleichen. Über die Durchführung von Sensitivitätsanalysen mit Hilfe von "Was wäre wenn"-Szenarien wird zudem die Fähigkeit eines Unternehmens getestet, sich auf Veränderungen des operativen Umfeldes einzustellen. Ein wichtiger Faktor beim Credit Rating ist die finanzielle Flexibilität des Unternehmens. Sie wird zum Großteil durch die Fähigkeit des Unternehmens, einen positiven freien Cashflow aus dem operativen Geschäft zu erwirtschaften, dargestellt. Ratings einzelner Schuldenemissionen verlangen zusätzlich Informationen über den Rang der Schulden und der wahrscheinlichen Recovery (Wiederherstellung) im Fall der Zahlungsunfähigkeit. Das Rating eines einzelnen Schuldentitels kann höher, auf gleicher Ebene oder niedriger als das IDR sein, abhängig vom Rang und der Besicherung sowie anderen Aspekten der Kapitalstruktur. Fitchs Kriterienreport „Recovery Ratings: Exposing the Components of Credit Risk“, vom 26. Juli 2005, liefert eine komplette Erklärung der Methodologie.
3.1.2
Qualitative Faktoren
Bei den qualitativen Faktoren stehen bei Fitch Ratings fünf Faktoren im Vordergrund: • Branchenrisiko: Beurteilung, ob sich das zu bewertende Untenehmen eher in einer risikoarmen oder risikoreichen Branche befindet. • Operatives Umfeld: Beurteilung der Chancen und Risiken für das Unternehmen, durch soziale, demographische, gesetzliche und technologische Veränderungen. • Marktpositionierung: Beurteilung der Fähigkeiten des Unternehmens sowie seiner Produkte und Dienstleistungen sich in seinem Wettbewerbsumfeld zu behaupten. • Management: Beurteilung der Unternehmensstrategie, Risikobereitschaft und Finanzierungspolitik des Unternehmens. • Rechnungslegung: Beurteilung, inwieweit die Rechnungslegungsgrundsätze die Finanz-, Wirtschafts- und Ertragslage des Unternehmens akkurat wiedergeben. Die Gewichtung dieser Faktoren bei der Ratingerstellung wird unternehmensindividuell festgelegt. Dadurch ist gesichert, dass außerordentlich stark ausgeprägte Merkmale nicht durch Festlegung einer starren Gewichtung bei der Gesamtbeurteilung in den Hintergrund treten. 3.1.2.1
Branchenrisiko
Nach Ansicht von Fitch werden Branchen, die einen hohen Reifegrad, eine hohe Wettbewerbs- und Kapitalintensität, sowie einen starken Branchenzyklus und Nachfrageschwankungen aufweisen, als vergleichsweise risikoreich angesehen. Im Gegensatz dazu gelten stabile Branchen mit wenigen Marktteilnehmern, hohen Markteintrittsschranken, einem eher national als international geprägtem Wettbewerbsumfeld sowie gut vorhersehbaren Nachfrageniveaus als relativ risikoärmer. Die für die jeweiligen Branchen feststellbaren Entwicklungstrends finden über die Beurteilung ihrer wahrscheinlichen Auswirkung auf die Unternehmensperformance Eingang in die Analyse. Das Branchenrisiko kann zur Einführung einer absoluten Obergrenze für Ratings von Unternehmen in diesem Bereich führen. In diesem Falle wird ein Emittent dieser Branche selbst
3.1 Rating von Industrieunternehmen
95
bei sehr konservativer Finanzpolitik das bestmögliche Rating („AAA“ = höchste Kreditqualität) nicht erreichen. Ebenso wird ein Emittent in einer Industrie mit geringerem Branchenrisiko nicht automatisch ein hohes Rating erhalten. Vielmehr werden die Charakteristika von Unternehmens- und Branchenrisiko im Zusammenhang betrachtet, um zur ausgewogenen Beurteilung der Kreditqualität zu gelangen (hier mögliche Folie Long term Rating von Fitch einfügen). 3.1.2.2
Operatives Umfeld
Fitch beurteilt zum einen Chancen und Risiken für das betriebliche Umfeld, die sich aus sozialen, demographischen, gesetzlichen und technologischen Veränderungen ergeben können. Zum anderen bewertet die Ratingagentur Auswirkungen der geographischen Verteilung von Produktionskapazitäten und Umsätzen sowie den etwaigen Einfluss von Wachstumsoder Konsolidierungstrends der Branche auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Das Vorhandensein von Überkapazitäten stellt ein wesentliches Beurteilungskriterium dar. Diese können zum Druck auf die Preise und damit auf die Gewinne führen. Ebenfalls bedeutend sind die gegenwärtige Position im Zyklus der Gesamtbranche sowie der Reifegrad einzelner Produkte. Dieser Grad bestimmt die Notwendigkeit zu expandieren sowie die Höhe des Investitionsniveaus. Bei der Beurteilung von zyklischen Unternehmen steht die Analyse der Kennzahlen „durch den Zyklus hindurch“ im Vordergrund. Dabei ermittelt die Agentur Kennzahlen, welche Messwerte für den Gläubigerschutz darstellen (zum Beispiel Verschuldungs- und Deckungsgrade). Anschließend vergleicht sie deren Verlauf „durch einen vollen Zyklus hindurch“, um den Gleichgewichts- oder Mittelwert des Ratings zu bestimmen. Eine besondere Herausforderung beim Rating von zyklischen Unternehmen ist die Bestimmung des Zeitpunktes, ab dem sich die Finanzpolitik oder das operative Umfeld der Unternehmung derart verändert haben, dass eine Anpassung des Ratings erforderlich wird. 3.1.2.3
Marktpositionierung
Fitch analysiert die Position des zu bewertenden Unternehmens in Relation zu deren Mitbewerbern. Aus Sicht der Agentur wird die Fähigkeit eines Unternehmens, dem Wettbewerbsdruck standzuhalten, durch mehrere Faktoren beeinflusst. Dazu gehören zum Beispiel die Positionierung in Schlüsselmärkten, die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte sowie die Möglichkeit, Einfluss auf den Marktpreis auszuüben. Die Höhe des operativen Ergebnisses wird oft entscheidend geprägt durch: Diversifikation der Produktpalette, geographische Verteilung der Umsätze, Streuung der Kunden- und Lieferantenbasis sowie durch komparative Kostenvorteile. Die Größe eines Unternehmens kann eine Rolle spielen, sofern mit ihr positive Effekte für die Produktivität, die Skaleneffekte, die finanzielle Flexibilität und die Wettbewerbsposition einhergehen. Bei der Produktion von Massengütern ist die Unternehmensgröße weniger wichtig als die individuelle Kostensituation. Grund: Der einzelne Anbieter kann den Weltmarktpreis für dieses Gut in der Regel nicht signifikant beeinflussen.
96 3.1.2.4
3 Ratingverfahren externer Agenturen 2.4 Management
Die Zielstruktur des Unternehmens gibt Auskunft darüber, ob das Management einen aggressiven Wachstumskurs mit kurzfristiger Gewinnmaximierung verfolgt, oder ob eher konservativ die langfristige Optimierung des Cashflows angestrebt wird. Eine Wachstumsstrategie durch Akquisitionen ist nicht notwendigerweise ein negativer Kreditfaktor. Dies gilt besonders für Branchen im Konsolidierungsstadium, in denen Neukapazitäten das Marktpreisniveau negativ beeinflussen. Zu berücksichtigende Schlüsselfaktoren sind: das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital bei der Wachstumsfinanzierung, die Fähigkeit des Unternehmens, die erhöhten Finanzierungskosten zu tragen, sowie die Eignung der neu erworbenen Unternehmen beziehungsweise Unternehmensteile, die gewählte Wachstumsstrategie zu verwirklichen. Das bisherige Verhältnis von externem und internem Wachstum ermöglicht einen Aufschluss über die Risikoneigung der Geschäftsleitung. Während die Beurteilung der Managementqualität zwangsläufig subjektiver Natur ist, erweist sich die historische Gewinnentwicklung als objektiveres Maß für die Managementleistungen. Fitch überprüft die Fähigkeit des Managements („track record“), die verschiedenen Geschäftsbereiche erfolgreich miteinander zu kombinieren, ihre Wettbewerbspositionen zu stärken, um dadurch die Rentabilität des Gesamtunternehmens zu verbessern. Bei der Beurteilung von Wachstumsprognosen und Finanzplanungen bewertet die Ratingagentur, ob das Management in der Vergangenheit gemachte Vorgaben erfüllt hat und ob früher beschlossene Strategien beibehalten wurden. Schließlich analysiert Fitch auch die Qualität des Corporate Governance. Fitchs Report „Evaluating Corporate Governance: The Bondholders’ Perspective” vom 12. April 2004, beschreibt den Ansatz zur Beurteilung der Corporate Governance. 3.1.2.5
2.5 Rechnungslegung
Ein Credit Rating ist keine zusätzliche Prüfung des Jahresabschlusses eines Unternehmens. Die für die Analyse von Unternehmen verwendeten Zahlen und Daten beruhen auf dem testierten Jahresabschluss eines Unternehmens und zusätzlichen Informationen aus dem internen Rechnungswesen. Fitch untersucht die Rechnungslegung im Hinblick auf die Frage, inwieweit sie die Finanz-, Wirtschafts- und Ertragslage der Unternehmung akkurat wiedergeben. Von besonderem Interesse sind hier Konsolidierungs-, Ansatz- und Bewertungsgrundsätze (zum Beispiel Vorräte), verwendete Abschreibungsmethoden, Modalitäten zur Bildung und Auflösung von Rücklagen und Rückstellungen, sowie die Behandlung von Goodwill und außerbilanziellen Positionen. Ziel ist es, die Progressivität der Rechnungslegung zu beurteilen, um eventuell Umgliederungen vorzunehmen, die einen Vergleich des Zahlenmaterials mit anderen Unternehmen desselben Sektors erleichtern. Zusätzlich werden die Unterschiede zwischen den nationalen Rechnungslegungsstandards und die daraus resultierenden Einflüsse auf die Jahresabschlüsse von in unterschiedlichen Ländern ansässigen Unternehmen derselben Industrie analysiert. Da unterschiedliche Rechnungslegungssysteme zu einem unterschiedlichen Ausweis der Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und des ausgewiesenen Gewinns eines Unternehmens
3.1 Rating von Industrieunternehmen
97
führen können, nimmt die Ratingagentur Bereinigungen vor, um die Vergleichbarkeit von Unternehmen des gleichen Industriezweiges auf internationaler Ebene zu gewährleisten. Solche Bereinigungen betreffen: die Einkommensrealisierung, Bewertung der Vermögensgegenstände, Leasing von Anlagevermögen, Rückstellungen für Eventualverbindlichkeiten, Firmenwert, latente Steuern und außerbilanzielle Positionen. Hierbei zielt Fitch generell auf Zahlungsströme ab und vermeidet die Verwendung von Fair Value-Werten, es sei denn, diese geben eine Indikation über reale Zahlungsströme (hier: Übersichtsfolie Analyse von Unternehmen möglich).
3.1.3
Quantitative Faktoren
Der quantitative Aspekt eines Ratings berücksichtigt die operative Unternehmenspolitik, die eventuell geplante Übernahme oder Verkäufe von Unternehmensteilen, die angestrebte Verschuldung, sowie die Dividendenpolitik und Finanzziele. Ausschlaggebend für die Analyse ist die Fähigkeit des Unternehmens, einen Finanzmittelüberschuss zu erwirtschaften. Dieser spiegelt sich in den Kennzahlen wider, die Rentabilität und Zinsdeckung im Verhältnis zum Cashflow messen. Die Nachhaltigkeit dieser Kennzahlen wird über einen gewissen Zeitraum ausgewertet, um die Stärke der Unternehmensaktivitäten, die Wettbewerbsfähigkeit sowie ihre Fähigkeit zur Eigenfinanzierung zu bestimmen. Bei der Finanzanalyse verwendet Fitch vor allem Cashflow-gestützte Verhältniszahlen für Gewinne, Deckungs- und Verschuldungsgrade. Ein hoher operativer Cashflow stärkt das Kreditprofil des Unternehmens eher als die Rückgriffsmöglichkeit auf externe Finanzierungsquellen. Darüber hinaus misst Fitch bei der Analyse von quantitativen Faktoren der Trendanalyse einer Reihe von Kennzahlen mehr Bedeutung bei als der Höhe einer einzelnen Kennzahl zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Ratingagentur zieht Cashflow-gestützte Verhältniszahlen solchen vor, die auf dem Eigenkapital basieren. Da das Eigenkapital eine Buchwertgröße ist, erlaubt es keine akkurate Bewertung der Vermögensgegenstände im Hinblick auf Generierung künftiger Cashflows. Vermögenswerte können zudem entweder über- oder unterbewertet sein, während die Bewertung der Verbindlichkeiten eher ihrem Marktwert entspricht. Kennzahlen wie zum Beispiel das Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital oder von Fremdkapital zur Gesamtkapitalisierung sind weniger relevant. Diese Werte basieren auf formalisierten Rechnungslegungsstandards, die unterschiedlich auslegbar sind. Zudem zeigen diese Werte die Fähigkeit zur Schuldendeckung schwächer als diejenigen, die auf CashflowGenerierung basieren. Dennoch ist die Anwendung solcher Kennzahlen in vielen Teilen der Welt verbreitet, da sie Investoren helfen, das Finanzprofil von Unternehmen besser zu verstehen. 3.1.3.1
Ertragskraft und Cashflow
Ertrag und Cashflow bilden die Hauptelemente für die Beurteilung der Finanzkraft eines Unternehmens. Sie gewährleisten die Aufrechterhaltung der Betriebstätigkeit sowie internes Wachstum und Expansion. Sie sichern den Zugang zu externen Finanzierungsquellen und Widerstandsfähigkeit gegen mögliche Konjunkturrückgänge. Der Jahresüberschuss bildet
98
3 Ratingverfahren externer Agenturen
den Ausgangspunkt für die Berechnung des Cashflows. Korrekturen betreffen Posten wie zum Beispiel zahlungsunwirksame Rückstellungen, Abschreibungen auf das Anlagevermögen und außerordentliche Posten. Die Analysen von Fitch konzentrieren sich auf die Stabilität der Erträge und Cashflows aus den Hauptgeschäftsfeldern der Unternehmung. Ein nachhaltiger Cashflow ermöglicht es, Finanzschulden zu bedienen, Betriebsmittel zu finanzieren und Investitionen zu tätigen, ohne dabei von externer Fremdkapitalaufnahme abhängig zu sein. 3.1.3.2
Kapitalstruktur
Eine Ratingagentur analysiert die Kapitalstruktur eines Unternehmens, um die Abhängigkeit von Fremdfinanzierung festzustellen. Um die Kreditimplikationen des Verschuldungsgrades beurteilen zu können, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden, unter anderem das allgemeine Geschäftsumfeld und die Hauptquellen der Zahlungsmittelströme (siehe Definition von Cashflow-Maßgrößen auf Seite X). Da sich Industrien in ihrem Kapitalbedarf und ihrer Entschuldungskraft unterscheiden, ist die Beurteilung des Verschuldungsgrades von Unternehmen branchenabhängig. Bei der Bewertung aller Finanzschulden werden die so genannten „Unter-dem-Strich“ oder auch „Off Balance Sheet“-Positionen mitberücksichtigt. Diese beinhalten − Ausleihungen von beteiligten Unternehmen oder nicht konsolidierten Tochtergesellschaften, aus denen ein Anspruch gegen die Muttergesellschaft entstehen kann − Finanzschulden, die mit der Verbriefung von Forderungen in Zusammenhang stehen, wenn Rückgriff auf das geratete Unternehmen besteht − Bei Schulden ohne Rückgriffsmöglichkeit auf die zu ratende Unternehmung überprüft die europäische Ratingagentur im Einzelfall, ob eine Zurechnung dieser Schulden zu den gesamten Finanzschulden gerechtfertigt ist − Verpflichtungen aus operativem Leasing − Pensionen, Gesundheits- und sonstige „Post Retirement“-Obligationen In den Situationen, in denen die Schulden herausgerechnet wurden, stellt der Analyst sicher, dass der mit diesem Fremdkapital verbundene Cashflow oder Ertrag ebenfalls aus der Bewertung herausgenommen wird. Für das Einrechnen von Fremdkapital, für das keine formale Garantie oder Patronatserklärung besteht, spielt ein Faktor eine entscheidende Rolle: die Neigung der Muttergesellschaft aus der Vergangenheit, Geschäftsbereiche, für die Off-Balance-Sheet–Verbindlichkeiten bestehen, im Bedarfsfall mit zusätzlichem Kapital auszustatten. Vorzugsaktien mit fixen Dividendenzahlungen oder Rückzahlungsterminen können als Quasi-Finanzschuldtitel betrachtet werden. Außerdem können hybride eigenkapitalähnliche Finanzierungsformen, besonders für Schuldner mit einer guter Bonität (Investment-Grade), bis zu 80 Prozent als Eigenkapital angerechnet werden. Die damit verbundenen Zinszahlungen werden bei Berechnung des Deckungsgrades nicht in den Zinsaufwand eingerechnet. Diese Wertpapiere bieten Emittenten Kapital zu günstigen, steuerabzugsfähigen Finanzierungskosten, dass bei Bedarf gleichzeitig Eigenkapital darstellt. Strukturelle Merkmale, die
3.1 Rating von Industrieunternehmen
99
Fitch als wesentlich für eine teilweise Einrechnung in das Eigenkapital einer Unternehmung ansieht, sind unter anderem: Rangrücktritt zugunsten aller anderen Finanzschulden, Laufzeiten von mindestens 30 Jahren, eine regelmäßig wiederkehrende Option auf Zahlungsaufschübe von mindestens fünf Jahren, beschränkte Möglichkeit zur Fälligstellung sowie eine schwache Gläubigerstellung im Konkursfall. Ausstehende Zinsen und Tilgungen können zwar bis zum nächsten Zahlungstermin gestundet werden, dürfen jedoch weder eine Nicht- noch eine Teilzahlung darstellen, weil diese das Insolvenzrisiko erhöhen würden. Hybridinstrumente, die sowohl Fremdkapital- als auch Eigenkapitalcharakter aufweisen, können abhängig von ihrer spezifischen Ausgestaltung als verschuldungsähnlich behandelt werden. Die Zuweisung von Eigenkapitalkredit zu Hybriden wird umfassend beschrieben in Kriterienreport „Equity Credit for Hybrids & Other Capital Securities“, vom September 2006. 3.1.3.3
Finanzielle Flexibilität
Die finanzielle Flexibilität erlaubt einem Unternehmen, seinen Schuldendienst zu leisten und Phasen finanzieller Anspannungen ohne eine Verschlechterung der Kreditqualität zu meistern. Je konservativer ein Unternehmen finanziert ist, umso größer ist seine finanzielle Flexibilität. Eine moderate Verschuldung ermöglicht es zudem, Einflüsse infolge unerwarteter Vorkommnisse auf die Bilanzstruktur aufzufangen. Andere Ausdrucksformen der finanziellen Flexibilität sind die Fähigkeit, Vermögensgegenstände alternativ zu nutzen, Investitionsvorhaben zu strecken, sowie gute Bankbeziehungen und Zugang zum Kapitalmarkt zu haben. Von Banken fest zugesagte Kreditlinien mit einer Laufzeit von mehreren Jahren tragen zusätzlich zur Stärkung der finanziellen Flexibilität bei. Faktoren, die die finanzielle Flexibilität reduzieren, sind ein großer Anteil kurzfristiger Verschuldung in der Kapitalstruktur, hohe ungedeckte Pensionsverbindlichkeiten, Eventualverbindlichkeiten und ungedeckte andere „post-employment benefits“ (OPEB). Jede dieser Verpflichtungen kann zu Auszahlungen führen, die die finanzielle Flexibilität vollständig wegnehmen oder aber stark reduzieren kann (so zum Beispiel bei zahlreichen asbestbezogenen Insolvenzen).
3.1.4
Cashflow-Maßstäbe
Fitch verwendet eine Vielzahl quantitativer Kenngrossen von Cashflow, Gewinn, Verschuldung und Zinsdeckung, um das Kreditrisiko zu bewerten. Nachfolgend werden die wichtigsten von Fitch analysierten Kenngrößen zusammenfassend dargestellt. Diese beinhalten „funds flow from operations“ (FFO), „cash flow from operations“ (CFO) und „free cash flow“ (FCF) zusammen mit Verschuldungs- und Zinsdeckungsratios, die auf diesen Größen basieren. In Anbetracht der Grenzen von EBITDA (operating earnings before interest, taxes, depreciation and amortization) als Maßgröße für den Cashflow einer Unternehmung, zieht die Ratingagentur eine Reihe anderer Maßgrößen heran, um die Fähigkeit zur Schuldenrückführung zu bestimmen. EBITDA als ein wichtiger Maßstab für die Fähigkeit einer Unternehmung
100
3 Ratingverfahren externer Agenturen
betriebliche Einkünfte zu generieren, ohne dabei die Verschuldung der Unternehmung oder die Steuersituation zu berücksichtigen, wird jedoch weitläufig bei Bewertungen nach dem Grundsatz der Unternehmensfortführung gebraucht. Als solcher spielt er auch eine wichtige Rolle in Fitchs recovery analysis im Kriterienreport „Recovery Ratings: Exposing the Components of Credit Risk“, vom 26. Juli 2006. Nachfolgend genannte Definitionen bieten lediglich allgemeine Anhaltspunkte. Detaillierte Definitionen und Beispielrechnungen finden sich im Kriterienreport: „Cash Flow Measures in Corporate Analysis“ vom 12. Oktober 2005. Hiervon abweichend können Industriezweige, wie zum Beispiel Medien und Telekommunikation, branchenspezifische Definitionen und Verfahren aufweisen. Funds flow from operations nach Zinsen und Steuern, vor „Working Capital“ FFO ist ein zentrales Maß für den Cashflow einer Unternehmung nachdem betriebliche Auszahlungen (einschließlich Steuer- und Zinszahlungen) geleistet wurden. FFO wird berechnet nach Auszahlungen für Steuern, Zinsen und Vorzugsdividenden aber vor Einzahlungen und Auszahlungen für Working Capital. Fitch eliminiert auch die nicht zum Kerngeschäft der Unternehmungen gehörigen oder nicht betrieblichen Zahlungsein- und ausgänge bei der Berechnung dieser Maßzahl. FFO liefert eine Maßgröße für die Fähigkeit eines Emittenten Cashflow zu generieren, bevor Investitionszahlungen getätigt werden und bevor die Volatilität des Working Capitals zum Tragen kommt. Für die Ermittlung von ZinsdeckungsKennziffern werden die gezahlten Zinsen zum FFO hinzuaddiert. Cashflow from operations nach Zinsen und Steuern und Working Capital Die Größe CFO zeigt den verfügbaren Cashflow aus dem Kerngeschäft nachdem Zahlungen für laufende betriebliche Erfordernisse, Zinsen, Vorzugsdividenden und Steuern geleistet wurden. CFO ist gemessen vor Reinvestitionen in den Betrieb über Investitionsaufwand, vor Vermögensveräußerung, vor Käufen und Verkäufen von Unternehmensteilen und vor Dividendenzahlungen, Aktienrückkäufen und -emissionen. Free Cashflow: Nach Zinsen, Steuern, Working Capital, Investitionsaufwand und Dividenden Die Maßgröße FCF misst den CFO eines Emittenten nach Investitionsaufwand, nichtwiederkehrenden oder nicht betrieblichen Aufwendungen und Dividendenzahlungen. Ebenso wie der CFO wird der FCF ermittelt vor Vermögensveräußerung, vor Käufen und Verkäufen von Unternehmensteilen und vor Dividendenzahlungen, Aktienrückkäufen bzw. -emissionen. Betriebliches EBITDA und EBITDAR Betriebliches EBITDA ist eine weit verbreitete Kennzahl für die Fähigkeit eines Emittenten, Geldmittel aus dem laufenden Betrieb zu generieren, ohne dass dabei die Verschuldung der Unternehmung oder die Steuersituation berücksichtigt wird. Die Kennzahl EBITDA schließt außergewöhnliche Posten aus, wie zum Beispiel Wertberichtigungen auf Vermögensgegenstände und Restrukturierungsaufwendungen. Sollte ein Unternehmen jedoch regelmäßig als außergewöhnlich deklarierte Posten aufweisen, so schauen die
3.1 Rating von Industrieunternehmen
101
Analysten bei diesen Positionen noch genauer hin. Fitch schließt auch Aufwendungen für Aktienoptionen aus der Berechnung von EBITDA aus. Die Verwendung vom betrieblichen EBITDA plus Bruttoleasingaufwand (EBITDAR) ermöglicht die Vergleichbarkeit hinweg über unterschiedliche Industrien mit unterschiedlich hohem Rückgriff auf die Finanzierung mit operativem Leasing (zum Beispiel Handel und Produktion). Es verbessert auch den Vergleich von Unternehmungen innerhalb derselben Industrie (zum Beispiel Fluggesellschaften) mit unterschiedlicher Inanspruchnahme von operativem Leasing.
3.1.5
Deckungsgrade Brutto- und Nettoverschuldung
Finanzschulden beinhalten die Summe der Schulden eines Unternehmens gegenüber Kreditinstituten oder Anleihegläubigern; Nettoschulden stellen die um die liquiden Mittel verminderten Finanzschulden dar. Um den weltweit unterschiedlichen Gepflogenheiten von Finanzanalysten und Investoren bei der Unternehmensanalyse gerecht zu werden, berechnet die Ratingagentur alle Verschuldungsmaße auf Brutto- und Nettobasis. Unterschieden wird auch zwischen Brutto- und Nettozinszahlungen. Die folgenden Definitionen dienen Illustrationszwecken und beinhalten lediglich Bruttozinsen und -verschuldung. (Eine detaillierte Beschreibung der Berechnungen auf Basis der Nettoverschuldung und -verzinsung findet sich im Kriterienreport: „Cash Flow Measures in Corporate Analysis“ vom 12. Oktober 2005). FFO Interest Coverage (FFO + Bruttozinsen +Vorzugsdividenden) / (Bruttozinsen + Vorzugsdividenden) Dies ist ein zentraler Maßstab für die finanzielle Flexibilität einer Unternehmung. Die Kennziffer vergleicht die Finanzierungskosten mit der Fähigkeit eines Emittenten, betriebliche Cashflows (nach Steuern) zu generieren. Viele Faktoren beeinflussen die Zinsdeckungskennziffer, einschließlich der relativen Höhe des Zinsniveaus in unterschiedlichen Jurisdiktionen, der Mix von variabler und festverzinslicher Finanzierung, die Benutzung von Nullkuponanleihen oder Payment-In-Kind (PIK)-Verschuldung u.s.w. Aus diesem Grund sollten Zinsdeckungsratios zusammen mit Verschuldungskennziffern analysiert werden. FFO Fixed Charge Coverage (FFO + Bruttozinsen + Vorzugsdividenden + Zahlungen für operatives Leasing) / (Bruttozinsen + Vorzugsdividenden + Zahlungen für operatives Leasing) Dieser Maßstab der finanziellen Flexibilität ist speziell wichtig für Unternehmen mit einem hohen Anteil an Finanzierung über operatives Leasing. Die Kennziffer gibt ein konservativeres Bild ab als die FFO interest coverage-Kennziffer (coverage ratios für Unternehmen mit operativem Leasing und ohne sind nicht direkt vergleichbar), da Zahlungen für operatives Leasing sowohl im Zähler als auch im Nenner einbezogen werden. FCF Debt-Service Coverage (FCF + Bruttozinsen + Vorzugsdividenden) / (Bruttozinsen + Vorzugsdividenden + kurzfristige Finanzschulden mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr)
102
3 Ratingverfahren externer Agenturen
Dies ist ein Maßstab für die Fähigkeit eines Emittenten seine kurzfristigen Schulden, Zinszahlungen und Dividendenzahlungen aus organischem Cashflow (nach Investitionsaufwand) zu tilgen. FFO Adjusted Leverage (FFO + Anpassung für operatives Leasing – Eigenkapitalanteil Hybridinstrumente + Vorzugsaktien / (FFO + gezahlte Bruttozinsen + Vorzugsdividenden + Zahlungen für operatives Leasing) Diese Kennziffer misst die Schuldenlast einer Unternehmung relativ zu ihrer Fähigkeit Cash zu generieren. Dabei wird die Verschuldung um operatives Leasing und den Eigenkapitalkredit von hybriden Instrumenten angepasst. Fitch kapitalisiert die Verpflichtungen aus operativem Leasing als den Nettogegenwartswert der zukünftigen Verpflichtungen wo angemessen und wenn genügend Informationen darüber zur Verfügung stehen. Ansonsten werden Verpflichtungen aus operativem Leasing als Vielfaches der Leasingzahlungen kapitalisiert. Der Multiplikator hängt ab von der Industrie ab, in der der Emittenten operiert. Total Adjusted Debt /Operating EBITDAR (Bruttoverschuldung unter Berücksichtigung des Eigenkapitalanteils bei Hybridinstrumenten und der Verschulung unter dem Bilanzstrich) / Betriebliches EBITDAR Total Debt with Equity Credit /Operating EBITDA (Bruttoverschuldung unter Berücksichtigung des Eigenkapitalanteils bei Hybridinstrumenten) / Betriebliches EBITDA Diese Verschuldungskennziffern helfen die finanzielle Flexibilität und Zahlungsfähigkeit zu messen. Sie sind konzeptionell ähnlich zu den weit verbreiteten Verschuldung/ EBITDAKennziffern mit Anpassungen für den Eigenkapitalanteil von Hybriden und für operatives Leasing. Pension-Adjusted Leverage Der generelle Anstieg von ungedeckten Pensionsverpflichtungen sollte in der Finanzanalyse Berücksichtigung finden. Bei Ratings in Europa wird dies im Rahmen einer Zusatzbetrachtung gemacht, wo Pensionsdefizite zur Finanzverschuldung hinzugerechnet werden. (Der Kriterienreport: „European Pensions – Implications for Contingent Funding of Pension Schemes on Corporate Credit Ratings“, vom 22. Februar 2006 und „The European Pension Debate“, vom 26. März 2003 behandeln die Thematik detailliert). In den USA machen die Defizite in der gegenwärtigen Rechnungslegung bezüglich Pensionen und die Tatsache, dass die Rechnungslegung für Pensionen überarbeitet werden soll, eine Anpassung der Finanzverbindlichkeiten weniger sinnvoll. Aus diesem Grund fokussiert sich Fitch auf künftige Cash-Auszahlungen, gemessen an den erforderlichen Beiträgen und bewertet diese im Zusammenhang mit dem betrieblichen Cashflow des Emittenten. Das
3.1 Rating von Industrieunternehmen
103
Ratingunternehmen sieht auch die langfristige und volatile Natur der ungedeckten Positionen. Die Fähigkeit eines Emittenten diesen Obligationen zu entsprechen wird analysiert, jedoch wird das bilanzierte GAAP-Defizit nicht in die US-Kennzahlenanalyse eingeschlossen, da dies aus Fitch’s Sicht ein unzulängliches Maß für potentielle zukünftige Zahlungen zur Deckung des Defizits darstellt. Total Debt / Total Capitalization Diese Größe misst das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital bei der Unternehmensfinanzierung. Die Aussagekraft ist dadurch begrenzt, dass das Eigenkapital zu historischen Buchwerten angegeben wird, so dass keine genauen Angaben über den aus den Vermögensgegenständen erzielbaren Liquiditätsüberschuss getroffen werden kann. Allerdings nutzen viele Unternehmen diese Kennzahl, besonders solche mit stark schwankenden Cashflows, um Dritten die Zusammensetzung ihrer Kapitalstruktur darzulegen.
3.1.6
Profitabilitätskennziffern
Operating Income/Revenues Operating EBITDAR/Revenues Die operative oder Profitabilitätsmarge stellt ein nützliches Maß der Profitabilität eines Emittenten von einer Perioden zur nächsten dar. Diese Kennziffern sind außerdem recht nützlich um die relative Profitabilität von Unternehmen innerhalb derselben Branche mit ähnlichem Wettbewerbsdruck zu vergleichen. Ein Vergleich der operativen Margen über verschiedene Industrien hinaus als Maßstab der relativen Kreditwürdigkeit ist nicht relevant aufgrund der Unterschiede in den anhaftenden Kostenstrukturen und Risikoprämien.
3.1.7
Literaturhinweise
„Equity Credit for Hybrids & Other Capital Securities”, vom 27. September 2006 „Recovery Ratings: Exposing the Components of Credit Risk“, vom 26. Juli 2006 „Evaluating Corporate Governance: The Bondholders’ Perspective”, vom 12. April 2004 „Cash Flow Measures in Corporate Analysis“, vom 12. October 2005. „European Pensions – Implications for Contingent Funding of Pension Schemes on Corporate Credit Ratings“, vom 22. Februar 2006 „The European Pension Debate“, vom 26. März 2003.
104
3 Ratingverfahren externer Agenturen
3.2 Integriertes Kundenrisikomanagement
105
Michael Munsch 3.2
Integriertes Kundenrisikomanagement
3.2.1
Einführung und Überblick
105
3.2.2
Optimierung durch Outsourcing
106
3.2.2.1
Risiken erkennen .............................................................................................. 106
3.2.2.2
Die Unternehmensgruppe Creditreform – gestern und heute........................... 107
3.2.3
Integriertes Kundenrisikomanagement
3.2.3.1
Kundenidentifikation........................................................................................ 109
3.2.3.2
Risikomanagement ........................................................................................... 110
3.2.3.3
Liquiditätsmanagement .................................................................................... 112
3.2.4
Schlussbetrachtung und Ausblick
114
3.2.5
Übungsaufgaben
115
3.2.6
Lösungsansätze
115
3.2.1
108
Einführung und Überblick
Risikobereitschaft und Entscheidungsfreude gehören zu den wichtigsten Eigenschaften eines erfolgreichen Unternehmers. Ohne sie lassen sich keine neuen Geschäftsbeziehungen anbahnen und keine neuen Märkte erschließen. Aber nicht jedes Geschäft hält, was es verspricht. Unbekannte Partner und fremde Märkte können die Gefahr von Forderungsausfällen in sich bergen. So überschreiten manche Unternehmen systematisch Zahlungsziele, um lang laufende Lieferantenkredite in Anspruch nehmen zu können. Doch nicht nur hohe Außenstände sind problematisch. Oft sind Verzögerungen dieser Art das erste Anzeichen für die endgültige Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz des Kunden. Es gilt, nach Wegen zu suchen, ein integriertes Kundenmanagement zu betreiben.
106
3 Ratingverfahren externer Agenturen
Lernziele Der Rating-Analyst soll • lernen, welche Gründe für ein integriertes Kundenrisikomanagement sprechen, • Warnzeichen erkennen können, die eine mangelnde Bonität bei (potenziellen) Kunden ankündigt, • beispielhaft anhand des Dienstleistungsportfolios der Unternehmensgruppe Creditreform erkennen, welche Möglichkeiten im Rahmen eines integrierten Kundenrisikomanagements zur Verfügung stehen.
3.2.2
Optimierung durch Outsourcing
3.2.2.1
Risiken erkennen
Ein häufig anzutreffender Grund für Forderungsverluste ist die Insolvenz des Geschäftspartners. Nach einer aktuellen Analyse der Creditreform Wirtschaftsforschung ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr 2007 zwar weiterhin rückläufig, umfasst aber noch immer 14.100 Fälle.1 Der durch die Unternehmensinsolvenzen verursachte Schaden belief sich auf insgesamt 16,2 Milliarden Euro. Die durchschnittliche uneinbringliche Forderungssumme pro Unternehmensinsolvenz betrug dabei 766.000 Euro. Hinzu kommt die Gefahr von Verbraucherinsolvenzen. Deren Zahl steigt weiter deutlich an. 51.600 Betroffene wurden gemäß der Analyse im ersten Halbjahr 2007 registriert, was verglichen mit dem Vorjahreszeitraum einem Anstieg um 18,2 Prozent entspricht.2 Ein effizientes Risikomanagement ist daher auch in Zeiten des konjunkturellen Aufschwungs von elementarer Bedeutung für den unternehmerischen Erfolg. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen ist die Implementierung eines adäquaten Risikomanagementsystems jedoch nicht ohne weiteres zu realisieren. Neben dem betriebswirtschaftlichen Know-how, das nicht in jedem Kleinbetrieb vorhanden ist, fehlen vor allem finanzielle und personelle Ressourcen, um die gesamte Wertschöpfungskette von der Neukundengewinnung über das Risikomanagement bis hin zum Forderungs- und Liquiditätsmanagement zu überwachen. Hier ist das Outsourcing des Risikomanagements oft die einzige Lösung. Wirtschaftsauskunfteien liefern beispielsweise Informationen zur Struktur, finanziellen Situation und Kreditwürdigkeit (Bonität) von Unternehmen und machen so Geschäftsrisiken kalkulierbar. Nicht nur bei einem neuen Geschäftspartner ist die Überprüfung sinnvoll. Auch schon bestehende Geschäftsbeziehungen werden durch Wirtschaftsauskünfte sicherer, zum Beispiel wenn sich die Zahlungsweise eines Kunden plötzlich verschlechtert. Schon einzelne Forderungsausfälle können die Stabilität und Liquidität eines Unternehmens gefährden. Wirtschaftsauskünfte können hier Abhilfe schaffen.
1 2
Vgl. Verband der Vereine Creditreform (2007): Insolvenzen Neugründungen Löschungen 1. Halbjahr 2007. Neuss. Vgl. ebd.
3.2 Integriertes Kundenrisikomanagement
107
Allerdings reicht die reine Überprüfung potenzieller Kunden in der Regel nicht aus, um ein erfolgreiches Risikomanagement zu betreiben. Gefragt sind daher Dienstleister, die über die reine Auskunftstätigkeit hinaus integrierte Services anbieten und das Unternehmen in allen relevanten Bereichen des Kundenrisikomanagements unterstützen. 3.2.2.2
Die Unternehmensgruppe Creditreform – gestern und heute
Die Unternehmensgruppe Creditreform blickt auf eine lange Tradition zurück. Gegründet im Jahr 1879 in Mainz stand zunächst die Erteilung von Wirtschaftsauskünften zur Sicherung von Unternehmensbeziehungen im Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit. Kleine Gewerbetreibende und Handwerker schlossen sich zusammen und vereinbarten, denjenigen Kunden keine Ware mehr auf Kredit zu liefern, die einem anderen Mitglied noch etwas schuldeten. Die Organisation nannte sich „Verein Barzahlung Mainz“. Seine zunächst 25 Mitglieder wollten den Kreditmissbrauch durch die Beseitigung des Kredits überhaupt bekämpfen. Die Kunden sollten ihre Ware nur noch bar bezahlen. Allerdings erwies sich der Kampf gegen den Kredit schnell als aussichtslos, denn ohne Kredite kommt keine Volkswirtschaft aus. Also verlegte sich der Verein auf die Reform des Kreditwesens: Statt den Kredit abzuschaffen, versuchte man nun, die Schwierigkeiten und Missstände im gewerblichen Zahlungs- und Kreditwesen zu beseitigen und das Kreditwesen zu reformieren: Creditreform war geboren. Am 9. August 1879 wurde in Mainz beschlossen, den Verein mit diesem neuen Reformziel künftig „Verein Creditreform zum Schutze gegen schädliches Creditgeben“ zu nennen. Von Anfang an wurden vier Aufgaben verfolgt: • der Schutz der Mitglieder gegen den Missbrauch des Kredits, • das Einziehen von Außenständen, • eine sichere Auskunftserteilung durch Verbindung mit anderen Vereinen nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit sowie • eine allgemeine und zeitgemäße Reform der Kreditverhältnisse. Das Dienstleistungsangebot wurde im Wandel der Zeit ständig optimiert und erweitert, so dass Creditreform heute als moderner Full-Service-Anbieter entlang der Prozesskette im integrierten Debitoren- und Risikomanagement positioniert ist: Neben der Erteilung von Firmenauskünften unterstützt Creditreform Inkasso Unternehmen im Bereich Forderungsmanagement, um Außenstände zu minimieren. Das Kreditrisikomanagement hilft, Geschäftspartner richtig einzuschätzen und ein Kreditfrühwarnsystem im Unternehmen zu installieren. Moderne Marketingmanagement-Tools ermöglichen es Unternehmen, eine geeignete Zielgruppenanalyse durchzuführen, um so die „richtigen“ Kunden zu finden. In der Creditreform Datenbank sind 3,6 Mio. Unternehmen erfasst. Damit verfügt die Gruppe über die größte Unternehmensdatenbank Deutschlands und gehört zu den führenden Anbietern von Wirtschaftsinformationen. Creditreform ist dezentral organisiert und agiert deutschlandweit mit 130 selbstständigen Geschäftsstellen und 125.000 Mitgliedern. Creditreform International ist heute in 19 europäischen Ländern mit eigenen Landesgesellschaften vertreten. Im internationalen Bereich engagiert sich das Unternehmen verstärkt in Mittel- und Osteuropa und hat dort eine überdurchschnittliche Marktposition erreicht.
108
3 Ratingverfahren externer Agenturen
Die dezentrale Struktur der Creditreform Gruppe sowie seine internationale Erfahrung in allen Bereichen des integrierten Risikomanagements ermöglichen die effiziente Implementierung eines Kundenrisikomanagementsystems.
3.2.3
Integriertes Kundenrisikomanagement
Das gesamtwirtschaftliche Umfeld des Kreditrisikomanagement-Prozesses hat sich in den vergangenen Jahren fundamental gewandelt. Lag die durchschnittliche Insolvenzquote bezogen auf die wirtschaftsaktiven Unternehmen in den 90er Jahren noch bei etwa einem Prozent p.a., ist die Quote der von Insolvenz betroffenen Betriebe vor allem in der jüngeren Vergangenheit deutlich angestiegen. Manche Branchen erreichen Insolvenzanfälligkeiten von über vier Prozent p. a. Im Jahr 2006 wurden insgesamt 31.300 Unternehmen insolvent. Auch wenn sich die konjunkturelle Stimmung in den letzten Monaten aufgehellt hat und die Insolvenzquoten wieder leicht rückläufig sind, bleibt festzustellen, dass sich die „Bonitätswelt“ in den letzten Jahren grundlegend verändert hat – übrigens bereits lange vor Basel II. Die Anforderungen an die Kreditrisikovorsorge, die nicht nur für Banken lebensnotwendig ist, sind deutlich gestiegen.3
Abb. 3.2-1: Insolvenzverfahren in Deutschland (Quelle: Creditreform)
Die Summe der Insolvenzschäden beläuft sich für das Gesamtjahr 2006 auf 31,1 Milliarden Euro. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Risiken, die mit einem jeden Geschäft 3
Vgl. Verband der Vereine Creditreform e.V. (2006): Insolvenzen Neugründungen Löschungen Jahr 2006. Neuss.
3.2 Integriertes Kundenrisikomanagement
109
zusammenhängen. Fällt eine Forderung wegen Zahlungsunfähigkeit des Kunden aus, muss der Gläubiger nicht nur den Umsatzausfall verkraften, sondern auch die ihm selbst entstandenen Kosten tragen.4 Hier setzt das integrierte Kundenrisikomanagement an. Ein integriertes Kundenrisikomanagement passt die unternehmerischen Prozesse dem veränderten gesamtwirtschaftlichen Umfeld an. Im Folgenden sollen die drei Säulen des Risikomanagement-Prozesses der Unternehmensgruppe Creditreform im Einzelnen dargestellt werden.
Wirtschaftsinformationen
" " "
Firmenauskunft Telefonauskunft …
KundenIdentifikation
" " " "
Standortanalysen Zielgruppenmarketing Adressmanagement …
Kunden identifizieren
Inkasso
" " "
Mahnwesen Individual-Inkasso …
Risikomanagement
" " " "
Bonitätsprüfung Mittelstandsrating Risikoanalysen …
Kundenrisiken steuern
Liquiditätsmanagement
" " " "
Mengeninkasso Inkasso-Scoring Forderungskauf …
Mengenrisiken beitreiben
Abb. 3.2-2: Die drei Säulen des Risikomanagement-Prozesses der Unternehmensgruppe Creditreform
3.2.3.1
Kundenidentifikation
Ein integriertes Risikomanagementsystem setzt bereits lange vor der Anbahnung einer Geschäftsbeziehung an. Schon im Rahmen der Kundenidentifikation sollten im Idealfall nur solvente und zahlungswillige potenzielle Kunden selektiert und im Zuge der Neukundengewinnung angesprochen werden. Doch diesen wesentlichen Erfolgsfaktor, die Qualität und Aktualität ihrer Kundendatenbank, lassen viele Unternehmen außer Acht. Da es in der deutschen Firmenlandschaft pro Jahr zu knapp einer Million Veränderungen wie Umzügen, Umfirmierungen oder Insolvenzen kommt, die in den Informationssystemen der Unterneh4
Vgl. ebd.
110
3 Ratingverfahren externer Agenturen
men nur bedingt registriert werden, gelten zehn bis dreißig Prozent der Adressen in den Informationssystemen als fehlerhaft. Diese Veränderungen können in den Datenbanken von Unternehmen nur dann registriert werden, wenn ein regelmäßiger Kontakt zu den Adressaten besteht. Gleiches gilt bei Insolvenzen und Löschungen. Werden diese nicht erkannt, können die Auswirkungen gravierend sein: Zahlungsprobleme sind vorprogrammiert, wenn die Zusammenarbeit fortgesetzt wird. Aussendungen an erloschene Firmen verursachen darüber hinaus unnötige Herstellungs- und Portokosten. Weitere typische Fehlerquellen in Adressbeständen sind Dubletten und fehlende Verbindungen sowie Mehrfachnennungen. Maßnahmen zur Qualitätssteigerung der Adressbestände, wie die professionelle Pflege der Adressbestände oder der Kauf neuer bonitätsgeprüfter Adressen, können diese Probleme verhindern. Dazu bietet Creditreform beispielsweise bonitätsgeprüfte Marketingadressen wirtschaftsaktiver Unternehmen zur Neukundengewinnung und Kundenbestandspflege an. Diese Adressen von Firmen, Freiberuflern, Behörden und Institutionen ermöglichen Unternehmen den Zugang zu hochqualifizierten Marketingzielgruppen und Unternehmensinformationen. In den Adressdatenbanken können auch Angaben zu Umfirmierung, Adressänderungen oder Handelsregisterlöschungen recherchiert werden. Ruhende Geschäftsbetriebe oder Firmen mit risikoauffälligen Merkmalen wie z.B. Insolvenz- oder Mahnverfahren sind in den Adressdatenbanken nicht vorhanden. Die Grundlage der in punkto Aktualität und Informationstiefe hohen Adressqualität ist die Zusammenarbeit mit einem Netzwerk von renommierten Partnerunternehmen und Wirtschaftsauskunfteien. Die Prüfung der bestehenden Adressbestände wird regelmäßig durchgeführt und kann durch Zusatzdaten wie Unternehmensgröße, Branche, richtige Ansprache sowie passender Kommunikationskanal eines Kunden ergänzt werden. Moderne IT-Systeme ermöglichen dem Anwender mittlerweile eine Integration der Datensätze in bestehende Systeme. Somit wird ein schnelles und komfortables Arbeiten möglich. Durch die laufende Pflege arbeitet das Unternehmen immer mit aktuellen Adressen. So bleibt die Datenqualität auf einem konstant hohen Niveau und das Unternehmen spart Zeit und Geld. Die Aktualität und Qualität der verwendeten Daten sind entscheidende Erfolgsgaranten für das integrierte Kundenrisikomanagement. Hier bestehen bereits am Anfang des Prozesses eines integrierten Kundenriskomanagements erhebliche Synergie- und Optimierungspotenziale. 3.2.3.2
Risikomanagement
Ist eine erste Geschäftsanbahnung im Zuge der Neukundengewinnung erfolgt, steht im Rahmen des „klassischen“ Risikomanagements eine Reihe von Maßnahmen zur Verfügung, welche die potenzielle oder bestehende Geschäftsbeziehung absichert. So enthalten Wirtschafts- und Privatpersonenauskünfte wichtige Informationen zu dem potenziellen neuen Geschäftspartner, die seine finanziellen und strukturellen Verhältnisse bestimmen. In der Auskunft werden Schlüsselwerte ausgewiesen, die den Entscheidungsprozess objektivieren und eine EDV-gestützte Verarbeitung der Bonitätsinformationen ermöglichen. Sie gliedert sich in vier Abschnitte. Die Strukturinformationen enthalten Angaben zur Rechtsform, den Gründungsdaten und den Beteiligten des Unternehmens. Die Finanzinformationen nennen das Kapital, den Jahresumsatz, die vorhandenen Immobilien sowie die Aktiva-
3.2 Integriertes Kundenrisikomanagement
111
und Passivapositionen des angefragten Unternehmens. Die sonstigen Informationen enthalten Angaben zur Unternehmensentwicklung und Auftragslage, die Mitarbeiterzahl, die Bankverbindungen sowie weitere Informationen zum Unternehmen. Die Bonitätsinformationen schließlich umfassen alles, was mit der Zahlungsfähigkeit des angefragten Unternehmens in Zusammenhang steht. Dazu gehört neben der Zahlungsweise und dem Bonitätsindex auch ein Krediturteil. Wirtschaftsauskünfte können einen ersten Überblick über die finanzielle Situation von potenziellen Neukunden, aber auch von Bestandskunden geben. Damit ergänzen sie die Pflege der Kundendatenbanken im Rahmen des Marketingmanagements. Zum Zwecke der „Beurteilung auf einen Blick“ hat Creditreform den Bonitätsindex eingeführt. Er erlaubt eine schnelle Beurteilung der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens und fasst alle relevanten Informationen zu einem Wert zusammen, der das abgefragte Unternehmen in Form einer dreistelligen Zahl beurteilt. Vom übrigen Text abgehoben, steht er am Anfang der Auskunft und ermöglicht eine schnelle und sichere Beurteilung der Kreditwürdigkeit. Der Bonitätsindex wird IT-gestützt errechnet und setzt sich aus einer Vielzahl von Informationen zusammen, welche die Bonität eines Unternehmens beschreiben. Hinter dem Bonitätsindex steht eine lineare Diskriminanzfunktion, anhand derer die einzelnen Risikofaktoren in einem Score-Wert abgebildet werden. Dabei werden insgesamt 15 harte (quantitative) und weiche (qualitative) Risikofaktoren je nach ihrer Relevanz prozentual gewichtet. Die gewichteten Faktoren werden anschließend zu einem Gesamtwert zusammengefasst, der in Form einer dreistelligen Zahl dargestellt wird. Je höher der Wert des Bonitätsindex, desto höher ist das Ausfallrisiko des Kunden. Das Bonitätsspektrum reicht von 100, einer sehr guten Bonität, bis 600 – in diesem Fall liegen harte Negativmerkmale vor. Abb. 3.2-3 verdeutlicht die Bedeutung der einzelnen Bonitätsklassen. Rating-Klasse
Kreditwürdigkeit
Bonitätsindex
1
Ausgezeichnet Bonität
100–149
2
Sehr gute Bonität
150–200
3+
Gute Bonität
201–250
3
Mittlere Bonität
251–300
3-
Angespannte Bonität
301–350
4
Sehr schwache Bonität
351–499
5
Massive Zahlungsverzüge
500
6
Harte Negativmerkmale
600
Abb. 3.2-3: Beispielhafte Klassifizierung der Ratingklassen des Bonitätsindex (Quelle: Creditreform)
112
3 Ratingverfahren externer Agenturen
Durch den Bonitätsindex wird der Analysierende also in die Lage versetzt, die Prognose von Ausfallrisiken zu messen. Die Gliederung in sechs Klassen basiert auf dem CreditreformRisiko-Indikator, der die Insolvenzanfälligkeit einer Branche misst. Erfasst werden die Negativmerkmale wie unternehmerisches Insolvenzverfahren, Verbraucherinsolvenzverfahren von unternehmerisch tätigen Personen, Insolvenzverfahren über den Nachlass sowie Haftanordnung und Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung. 3.2.3.3
Liquiditätsmanagement
Vor allem seit dem Inkrafttreten der Regelungen nach Basel II zum 1. Januar 2007 gewinnt der Bereich des Liquiditätsmanagements zunehmend an Bedeutung. Zwar gilt die akute Kreditklemme mittlerweile als überwunden, die Anforderungen an kleine und mittlere Unternehmen im externen Finanzierungsprozess bleiben jedoch hoch. Im Zusammenhang mit Kreditprüfungen gilt es, Transparenz zu zeigen und eine solide Eigenkapitalausstattung vorweisen zu können, um ein positives Rating zu erreichen. Die von den Banken eingesetzten internen oder externen Ratingverfahren dienen dazu, die zukünftige Bonität des Kunden so gut wie möglich einzuschätzen. Unabhängig von der Ausgestaltung des Ratingverfahrens bedeutet ein niedriges Unternehmens-Rating ein geringeres Kreditvolumen, höhere zu zahlende Zinsen und damit insgesamt mehr Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe. Ein effektives Liquiditätsmanagement beinhaltet daher gleich zwei entscheidende Vorteile: Durch ein gut dokumentiertes Liquiditätsmanagement erreicht das Unternehmen selbst eine positive Wahrnehmung für seine eigene Refinanzierung, andererseits erhöht es die Unabhängigkeit von Fremdkapital.
Eine komfortable Lösung zur Straffung des unternehmenseigenen Liquiditätsmanagements ist die Auslagerung des Forderungsmanagements an einen externen Inkasso-Dienstleister. Die Auswahl ist hier inzwischen beachtlich, fast 750 Unternehmen sind am Markt aktiv. 512 Anbieter sind im Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen zusammengeschlossen, der Qualitätsmaßstäbe für seine Mitglieder setzt. Angesichts der Vielzahl der InkassoAnbieter kommt der Auswahl eines geeigneten Inkasso-Partners eine wichtige Rolle zu. Idealerweise sollte das beauftragte externe Inkasso-Unternehmen auch als Wirtschaftsauskunftei tätig sein. In diesem Fall kann vor dem Beginn des Inkasso-Verfahrens die Bonität des Schuldners überprüft werden, um die Erfolgsaussichten des Inkassos bestimmen zu können. Darüber hinaus sind vor allem ein guter Ruf, die Zahl der Repräsentanzen, die Spezialisierung auf bestimmte Geschäftsfelder, die Ausbildung der Mitarbeiter, die verwendeten Informationsquellen und der „Tonfall“ in der Kommunikation mit den Schuldnern Kriterien, die bei der Auswahl eines Inkasso-Unternehmens eine wichtige Rolle spielen. Ein umfassendes und transparentes Liquiditätsmanagement senkt die eigenen Refinanzierungskosten und erhöht die Unabhängigkeit von Fremdkapital. Der Wahl des richtigen Partners kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Zusätzliche Unabhängigkeit bieten alternative Finanzierungsinstrumente wie zum Beispiel Factoring, die auch für kleinere Unternehmen immer stärker an Bedeutung gewinnen. Die Vorteile dieser Finanzierungsform liegen auf der Hand: Die Liquidität des Unterneh-
3.2 Integriertes Kundenrisikomanagement
113
mens verbessert sich, das Unternehmen wird vom Debitorenmanagement entlastet und kann sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren. Gerade für stark expandierende Unternehmen bietet das Factoring eine exzellente Möglichkeit, um ihren steigenden Liquiditätsbedarf zu decken und Zahlungsausfälle und -verzögerungen zu überbrücken. Kommt ein Vertrag zustande, überprüft der Factor laufend die Bonität der Debitoren und setzt für jeden Debitor ein individuelles Limit fest. Der Factoringkunde beantragt Kreditlimite in Höhe der maximal zu erwartenden Außenstände bei seinen Debitoren. Nach positiver Prüfung wird je Debitor ein Kreditlimit eingeräumt, innerhalb dessen der Factor verpflichtet ist, Forderungen des Kunden anzukaufen. Das Kreditlimit wird gegebenenfalls der Bonitätsentwicklung angepasst. Bei Ablehnung eines Kreditlimits wird der Kunde umgehend über die eingeschränkte oder gar mangelhafte Bonität seines Auftraggebers informiert. Der Kunde hat die Möglichkeit, seine Vertriebssteuerung je nach Bonitätsentwicklung unmittelbar anzupassen. Factoring wird auch für kleine und mittlere Unternehmen immer interessanter. Es entlastet das unternehmenseigene Debitorenmanagement und steigert die Liquidität, was besonders für expandierende Unternehmen von entscheidender Bedeutung ist. Die professionelle Debitorenbearbeitung und Bonitätsprüfung schaffen im Unternehmen freie Kapazitäten, das Zahlungsverhalten der Kunden verbessert sich und führt zu mehr Liquidität. Alles in allem steht Factoring also für stärkeres Wachstum und erhöhte Liquidität. Gerade mittelständische Unternehmen profitieren von diesem Finanzierungsinstrument. Abbildung 4 verdeutlicht noch einmal die Vorteile des Factorings für das Unternehmen.
Abb. 3.2-4: Sichere Liquidität durch Factoring
Eine weitere Möglichkeit zur Steigerung der Liquidität stellt der Verkauf zahlungsgestörter Forderungen dar. Er setzt einen Schritt nach dem Factoring an, d.h. es werden diejenigen Forderungen abgetreten, die der Schuldner bei Fälligkeit nicht beglichen hat. Es eignet sich sowohl für den B2B- als auch für den B2C-Bereich, also auch für Forderungen gegenüber Privatpersonen, bei denen das kaufmännische Mahnverfahren nicht zum gewünschten Erfolg
114
3 Ratingverfahren externer Agenturen
geführt hat. Somit bietet der Verkauf von zahlungsgestörten Forderungen eine interessante Möglichkeit, sich zu einem Zeitpunkt von der Forderung zu lösen, an dem die Bearbeitung zeit-, personal- und damit letztlich auch kostenintensiv wird. Gegen Zahlung des Kaufpreises entledigt sich der Verkäufer seiner Problemforderungen. Wichtig für die Beurteilung der abzutretenden Forderungen ist ein Überblick zu den vorangegangenen internen Mahnabläufen. Der Verkauf zahlungsgestörter Forderungen ermöglicht es dem Unternehmen, sich von der ressourcenintensiven Bearbeitung notleidender Forderungen zu lösen. Somit gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, auch in kleinen und mittleren Unternehmen Kundenrisikomanagement-Systeme zu etablieren. Allerdings sollte dabei immer auf einen kompetenten und erfahrenen Partner zurückgegriffen werden, der die einzelnen Elemente betreut und dem Unternehmen beratend zur Seite steht.
3.2.4
Schlussbetrachtung und Ausblick
Ein effizientes Risikomanagement muss sämtliche Risiken umfassend aufdecken und entsprechende Maßnahmen bereitstellen, Risiken zu vermindern. Dazu gehört der Aufbau interner Frühwarnsysteme. Creditreform entwickelt entsprechende Systeme und fördert damit die Kundenbindung. Intelligente Schnittstellen integrieren die Auskunftsdaten in codierter und strukturierter Form in die Anwendungen der Kunden. Als Beispiel ist das Modul CREFOsprint für SAP R/3-Anwender zu nennen. Es bietet die Möglichkeit, Daten aus dem Forderungsmanagement für den Aufbau von Managementinformationssystemen vorzubereiten. Es entstehen Listen, die eine standardisierte Kundenklassifikation aus Risikogesichtspunkten ermöglichen. Durch die Integration der Auskunftsdaten in die Systeme der Kunden wird die Basis für die Weiterentwicklung von Frühwarnsystemen und die Entwicklung von individuellen Score-Karten geschaffen. Doch neben der einzelnen Prüfung des Kreditrisikos ist es für Unternehmen immer wichtiger einzuschätzen, welches Geschäft sie mit welchen Kunden abschließen können. Der Kundenwert rückt zunehmend in den Mittelpunkt, um ein gezieltes und vertriebsorientiertes Risikomanagement betreiben zu können. Wesentlich ist es dabei, dass Antragsprüfung und Kreditvergabe objektiv erfolgen. Definierte Entscheidungsvorlagen kombiniert mit gezielten Rating- und Scoringverfahren bieten hier Abhilfe. In der heutigen IT-Welt stehen zahlreiche Software-Lösungen zur Verfügung, die die Kreditentscheidung objektivieren und automatisieren. Wichtig ist dabei, dass sich die hierzu implementierten Systeme so gut wie möglich in die bestehenden IT-Lösungen, z. B. CRM- oder ERP-Lösungen im Unternehmen, integrieren lassen. Der Fokus verschiebt sich allerdings mehr und mehr von Einzellösungen zu einer Gesamtsteuerung im Unternehmen, die den gesamten Kundenlebenszyklus unterstützt – von der Kundenselektion über den Verkauf bis hin zum Forderungsmanagement. Inzwischen gibt es auf dem Markt verschiedene Softwarelösungen, die all diese Anforderungen erfüllen und sich flexibel in die unternehmerischen Prozesse integrieren lassen. Beispielsweise setzt die von Creditreform angebotene Lösung CrefoSystem als integrierte Gesamtlösung überall da ein, wo in der Wertschöpfungskette Schwächen auftreten können und
3.2 Integriertes Kundenrisikomanagement
115
das Risiko eines Forderungsausfalls besteht. Dabei bietet die Online-Systemplattform Unterstützung für die Bereiche Geschäftspartner- und Marketingmanagement, Kreditrisikomanagement sowie Forderungs- und Limitmanagement. Damit sind alle vertriebs- und risikorelevanten Informationen zu Interessenten und Kunden in einem System vereint. Durch die Nutzung moderner Technologien werden Informationen schneller verfügbar und lassen sich schneller verteilen. Gerade mittelständische Unternehmen profitieren von CrefoSystem, denn sie erhalten eine flexible und modulare Lösung, die problemlos erweiterbar ist, um auch zukünftigen Anforderungen im Unternehmen gerecht zu werden.
3.2.5
Übungsaufgaben
Übungsaufgabe 1 Nennen und erläutern Sie die Elemente eines integrierten Kundenrisikomanagement! Übungsaufgabe 2 Diskutieren Sie die Vorteile des Factorings als alternatives Finanzierungsinstrument! Übungsaufgabe 3 Welche Möglichkeiten bieten sich dem Unternehmen, die Ausfallwahrscheinlichkeit von Forderungen gegen potenzielle Kunden zu bewerten?
3.2.6
Lösungsansätze
zu Übungsaufgabe 1: Kundenidentifikation: Aktualisierung und Pflege der Kundendatenbanken, Rückgriff auf bonitätsgeprüfte Adressdaten, Implementierung der entsprechenden Software; Risikomanagement: Einholen von Wirtschaftsauskünften, Rating/Scoring, Risikoanalysen; Liquiditätsmanagement: Outsourcing des Debitorenmanagements in Form von Inkasso, Factoring, und/oder den Verkauf zahlungsgestörter Forderungen. zu Übungsaufgabe 2: Steigerung der unternehmenseigenen Liquidität; Entlastung des Debitorenmanagements; Schutz vor Forderungsausfall zu Übungsaufgabe 3: mittels des Bonitätsindexes; Scoring
116
3 Ratingverfahren externer Agenturen
3.3 Das unabhängige Rating der URA Rating Agentur
117
Dieter Pape 3.3
Das unabhängige Rating der URA Rating Agentur
3.3.1
Einleitung
3.3.1.1
Kapitalmärkte brauchen Rating........................................................................ 117
3.3.1.2
Lernziele ........................................................................................................... 118
3.3.2
Rating der URA Rating Agentur
3.3.2.1
Externes Rating ................................................................................................ 119
3.3.2.2
Credit Rating .................................................................................................... 120
3.3.2.3
Ratingobjekt ..................................................................................................... 120
3.3.2.4
Ratingprozess ................................................................................................... 121
3.3.2.5
Bewertung der Covenants ................................................................................ 123
3.3.2.6
Monitoring........................................................................................................ 123
3.3.2.7
Haftung ............................................................................................................. 124
3.3.3
Zusammenfassung
125
3.3.4
Übungsaufgaben und Lösungen
126
3.3.5
Literaturverzeichnis
128
3.3.1
Einleitung
3.3.1.1
Kapitalmärkte brauchen Rating
117
119
Deutschland und mit ihm der Mittelstand als Rückgrat der Wirtschaft durchläuft derzeit eine Phase des gesellschaftlichen und politischen Wandels. Es hat sich mittlerweile folgender politische Konsens herausgebildet: die deutsche Volkswirtschaft wird künftig im globalen Wettbewerb nur dann zur Spitzengruppe zählen, wenn sie sich grundlegend wandelt. Die Kernfrage hierbei lautet, wie sich Markt- und Gemeinwohl trotz dieses Wandels im Gleichgewicht halten lassen. Wie kann es gelingen, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen
118
3 Ratingverfahren externer Agenturen
und des gesamten Standorts mit der Formel vom „Wohlstand für alle“ (Ludwig Erhard) harmonisch zu verbinden? Im Mittelstand überwiegen „Eigentümer-Unternehmer“. Dies spiegelt die Einheit von Eigentum und der damit verbunden Haftung sowie der Leitung des Unternehmens wider. Beim größeren Teil der deutschen Unternehmen liegt die Mehrheit der Gesellschaftsanteile in den Händen einer oder weniger Familien. Dabei unterscheidet die persönliche Haftung des Unternehmers den Mittelständler vom Manager, der einen Konzern bei Schwierigkeiten verlassen kann. Diese Verknüpfung ist nicht ohne Folgen: viele mittelständische Unternehmen werden nachhaltig geführt, die langfristige Bestands- und Zukunftssicherung hat Priorität. Beschäftigte des Unternehmens werden vor diesem Hintergrund als „Kapital“ angesehen, was keineswegs abfällig gemeint ist, sondern Ausdruck ist für das Wissens des Unternehmers um den Wert des Mitarbeiters. Der deutsche Mittelstand setzt zunehmend Finanzierungsformen wie Mezzanine-Kapital oder Private Equity ein. Allerdings mangelt es vielfach noch an der Bereitschaft, solche innovativen Instrumente aktiv zu prüfen und strategisch zu nutzen. Ein noch stärkerer Einsatz würde nachweislich dringend nötige Wachstumsimpulse erzeugen sowohl auf betriebswirtschaftlicher Ebene in einzelnen Unternehmen als auch in der Gesamtwirtschaft. Darum sind die Unternehmen ebenso wie die Finanzdienstleister und die Politiker aufgefordert, sich verstärkt mit den Wirkungen kapitalmarktnaher Finanzierungsformen auseinanderzusetzen. Erst das unabhängige Rating von Unternehmen und ihrer Finanzierungsinstrumente macht diesen Teil des Kapitalmarktes transparent und funktionsfähig. 3.3.1.2
Lernziele
Die nachfolgende Darstellung der Ratingdienstleistungen der URA Rating Agentur AG, München. Sie befasst sich mit den grundlegenden Begrifflichkeiten, dem Ratingprozess wie auch mit Fragen der Haftung. Dieser Beitrag soll helfen, folgende Lernziele zu erarbeiten: Lernziel I: Gutachten versus Rating Ist das Gutachten bzw. die Due Diligence in Konkurrenz zu Ratingdienstleistungen zu sehen? Oder sind diese Dienstleistungen zueinander komplementär? Lernziel II: Methodik versus Bauchgefühl Wer hat nicht schon erlebt, dass er sich bei der Einschätzung eines Sachverhalts von ersten Eindrücken, Stimmungen oder der Meinung eines Kollegen hat beeinflussen lassen, was dann auch Auswirkung auf die Tendenz bei der Bewertung hatte. Welche Methodik ist notwendig, um das Bauchgefühl bei der Erbringung von Ratingdienstleistungen zu beherrschen? Lernziel III: Mensch versus Maschine „Die Maschine macht keine Fehler“. Ist das wirklich so? Sind quantitative Ratingsysteme dem Rating eines Ratingkomitees überlegen?
3.3 Das unabhängige Rating der URA Rating Agentur
119
Lernziel IV: Ratingstandards Seit 1999 währt in Deutschland der Streit zwischen den etablierten und den jungen Ratingagenturen, ob festgeschriebene Ratingstandards notwendig sind. Mit dem Code of Conduct der IOSCO International Organisation of Securities Comissions, veröffentlicht am 23.12.2004, existieren Grundsätze für die Ratingstandards von Ratingagenturen. Welches Ziel verfolgen die Ratingstandards?
3.3.2
Rating der URA Rating Agentur
3.3.2.1
Externes Rating
Die URA Rating Agentur AG (im folgenden kurz: URA), München, am 01.07.1998 gegründet, ist seit ihrer Gründung Innovator für das Mittelstandsrating in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die URA erstellt so genannte externe Ratings in der Regel im Auftrage des zu ratenden Unternehmens. Sie ist anders als die internen Ratinginstitutionen neutral und von Finanzierungsinstituten unabhängig. Sie beachtet die Ethikgrundsätze des BdRA Bundesverband der Ratinganalysten und Ratingadvisor e.V. für das Unternehmensrating. Hiernach hat sie als Ratingagentur folgende Grundsätze zu beachten: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.
Unabhängigkeit Verbot der widerstreitenden Interessen, Neutralität Qualifikation der Analysten Ganzheitlicher Ratingansatz Sicherung der gewissenhaften Analysedurchführung Sicherung der Vertraulichkeit Objektivität der Analysemethoden Sicherung der qualifizierten Urteilsfindung Verwendung international anerkannter Ratingsymbole Berücksichtigung landestypischer Gegebenheiten Festlegung des Ratingobjekts
Hinzu kommen Erhebungs- und Beurteilungsgrundsätze und die allgemeinen Pflichten der Analysten. Die IOSCO International Organisation of Securities Comissions veröffentlichte am 23.12.2004 unter www.IOSCO.org den IOSCO Code of Conduct Fundamentals of Credit Rating Agencies. Hiermit bestehen erstmalig weltweit konkrete, detaillierte und verlässliche Verhaltensregeln für Ratingagenturen, Emittenten und Investoren. Die URA Rating Agentur befolgt einen auf ihr Geschäftsmodell angepassten „Code of Conduct“ und hat diesen gegenüber den Marktteilnehmern offengelegt. Externes Rating: unabgängige und neutrale Ratinganalyse ECAI: External Credit Assesment Institute IOSCO: International Organisation of Securities Comissions
120 3.3.2.2
3 Ratingverfahren externer Agenturen Credit Rating
Unter einem Credit Rating ist die durch bestimmte Symbole ausgedrückte Bewertung der Fähigkeit, der rechtlichen Bindung und der Bereitschaft eines Emittenten zu verstehen, die ihm durch die Herausgabe verzinslicher Wertpapiere entstandenen Zahlungsverpflichtungen rechtzeitig und im vollen Umfang zu erfüllen. Soweit die Definition von Dr. Oliver Everling in Die Bank aus dem Jahr 1991. Mit Blick auf die am Markt befindlichen Ratingsysteme lassen sich das Credit Rating eines Emittenten, das Credit Rating eines Finanztitels, das Credit Rating einer Kunden- bzw. Lieferantenbeziehung sowie das Equityrating unterscheiden. Die DVFA-Rating Standards vom November 2001 fordern: ein Rating umfasst die ganzheitliche Analyse eines Unternehmens unter Einbeziehung aller verfügbaren und als relevant erkannten Informationen mit dem Ziel, eine Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit (propability of default, PD) gemäß der allgemein gültigen Referenz-Ausfalldefinition vorzunehmen. Durch das Rating erfolgt keine genaue Quantifizierung der Ausfallwahrscheinlichkeit eines Wertpapiers bzw. Titels. Vielmehr ergibt sich durch die Zuordnung der Symbole lediglich hinsichtlich der Bonität die Stellung eines Wertpapiers bzw. Titels gegenüber anderen benoteten Finanztiteln. Aus dem Rating lässt sich also herleiten, ob ein bestimmter Finanztitel sicherer ist als andere. Auch die Einordnung in die oberste Kategorie der Ratingskala ist nicht mit der absoluten Sicherheit der Anlage gleichzusetzen. Die URA Rating Agentur verwendet die international übliche Ratingskala mit Noten von AAA bis D. Sie unterscheidet bei ihren Skalen für die idealisierte Ausfallwahrscheinlichkeit zwischen einjährigen und mehrjährigen (vier bis fünf Jahre) Ausfallwahrscheinlichkeiten. Die URA bezeichnet das Credit Rating eines Emittenten als „Unternehmensrating“ und das Credit Rating eines Finanztitels als „Credit Rating“. Credit Rating: Bewertung der Fähigkeit, die Zahlungsverpflichtungen rechtzeitig und in vollem Umfang zu erbringen. PD:
Ausfallwahrscheinlichkeitsschätzung • einjährige nach Basel II durch Kreditinstitute bzw. short term rating der Ratingagentur • mehrjährige (vier- bis fünfjährige) der Ratingagentur
Ratingskala:
Skala der Ratingagentur zur Einordnung der Bonitätsaussage i. R. mit Angabe der idealisierten Ausfallwahrscheinlichkeit.
3.3.2.3
Ratingobjekt
Das Credit Rating der URA bezieht sich beispielsweise auf das Genussrecht eines Unternehmens, also auf einen einzelnen Finanztitel, dessen spezifische Ausstattungsmerkmale bei der Bewertung berücksichtigt werden. Dem Credit Rating für den Finanztitel liegt das Unternehmensrating, das sich generell auf die Bonität des Emittenten bezieht, zugrunde. Da die Durchsetzbarkeit des Anspruchs des Gläubigers des Finanztitels aber gerade von der Ausgestaltung der Finanzierungsbedingungen abhängt und diese bei unterschiedlichen Emissionen desselben Unternehmens divergieren können, kann sich das Credit Rating von dem Unternehmensrating unterscheiden.
3.3 Das unabhängige Rating der URA Rating Agentur
121
Ratingobjekte: • Unternehmen • Finanztitel (Kredit, Genussrecht, Forderung u.a.) 3.3.2.4
Ratingprozess
Die Einzelheiten des Ratingprozesses der URA sind von der Größe und der Art des Emittenten abhängig. Die nachfolgenden Ausführungen sollen sich daher überwiegend auf das typische Ablaufschema beziehen, wie es im Falle eines großen mittelständischen Unternehmens zur Anwendung kommt. Grundsätzlich wird der Ratingprozess durch einen Antrag des Emittenten auf Erstellung eines Ratings initiiert. Der Ratingprozess kann beim ersten Rating bis zu drei Monate in Anspruch nehmen. Gründe für die Einholung eines Ratings reichen von der Suche nach risikoadäquaten Finanzierungskosten bis hin zur generellen Ermöglichung der Platzierung des Finanztitels. Unternehmen mit einem Rating im oberen Bereich der Bewertungsskala bieten dem Investor eine verhältnismäßig sichere Anlage und können somit ihre Finanztitel mit einer niedrigeren Verzinsung bzw. einem höheren Ausgabekurs auf den Markt bringen. Andererseits lassen sich ungeratete Finanztitel i.d.R. kaum platzieren. Das Rating kann insbesondere für jüngere und kleinere Unternehmen die Kapitalmarktfähigkeit erhöhen. Schließlich versprechen sich die Gesellschaften von einem guten Rating darüber hinaus einen Imagegewinn, der auch auf andere Geschäftsbeziehungen, wie zum Beispiel auf das Kunden- und Lieferantenverhältnis, positiv ausstrahlen kann. Am Anfang des Ratingprozesses steht dabei das Zusammenstellen aller zur Analyse des Emittenten bzw. seiner (geplanten) Emission notwendigen Informationen. Mithilfe hauseigener Bibliotheken sowie diverser Datenbanken ermittelt das zuständige Analyseteam zunächst das gesamte öffentlich verfügbare Material. Darüber hinaus kommt der Kooperation des Emittenten mit der Ratingagentur größte Bedeutung zu. So wird der Emittent häufig von einem Ratingadvisor begleitet, dessen Aufgabe es in erster Linie ist, die Zurverfügungstellung der notwendigen Unterlagen zu organisieren und für deren Aktualität und Fundiertheit zu sorgen. In einem ersten Schritt werden die jüngsten drei Jahresabschlüsse einem Insolvenzcheck unterzogen. Das heißt, die signifikanten Kennzahlen des Jahresabschlusses werden einer Diskriminanzanalyse mit Insolvenzprognose unterzogen. Im Anschluss daran wird ein Bilanzpolitik-Test durchgeführt. So gewinnt das Analyseteam einen ersten Einblick in die Qualität der Bilanzzahlen des Unternehmens. Informationen zur Branche bezieht die URA aus aktuellen Berichten von Branchenpublikationen und Verbänden und aus dem einschlägigen Branchenrating von FERI Research GmbH, Bad Homburg. Branchenvergleichszahlen werden bei der Datev e.G., Nürnberg, und bei anderen Researchorganisationen abgerufen. Darüber hinaus werden die aktuellsten Kreditauskünfte angefordert. Hiernach beginnen die beauftragten Ratinganalysten, in der Regel ein Wirtschaftsprüfer und ein Branchenexperte, mit der Datenerhebung zu den von ihnen bearbeiteten Ratingbereichen: Die Bereiche „Management und Organisation“ sowie „Finanzwirtschaft“ obliegen dem Wirtschaftsprüfer, „Personal“, „Produkte und Märkte“, „Produktions- und Informationstechnologie“ und „Standort und Ökologie“ dem Branchenexperten. Diese Erhe-
122
3 Ratingverfahren externer Agenturen
bungen geben Aufschluss über die Perspektiven des Unternehmens und seine Fähigkeit zur Schuldentilgung. Im Vordergrund stehen hierbei Fragen wie die Abhängigkeit des Geschäftszweiges von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Auswirkungen von Wechselkursschwankungen, die Empfindlichkeit der Branche gegenüber technischen Erneuerungen und ihre Alleinstellung sowie die Wahrscheinlichkeit branchenspezifischer wirtschaftspolitischer Maßnahmen. In einem nächsten Schritt werden die unternehmensbezogenen Aspekte analysiert. Diese Unternehmensanalyse lässt sich in zwei Teilbereiche gliedern, von denen sich der eine mit dem Geschäftsrisiko und der andere mit dem finanziellen Risiko befasst. Im Rahmen der Untersuchung des Geschäftsrisikos wird unter Betrachtung der Bereiche Technologie, Marketing und Effizienz die Wettbewerbsposition des Emittenten gegenüber seinen Konkurrenten ermittelt. Eine wesentliche Komponente stellt daneben die Einschätzung der Qualität des Managements dar. Die Überprüfung des finanziellen Risikos basiert überwiegend auf der Analyse von Finanzierungskennzahlen, die sich aus den vorliegenden Jahresabschlüssen herleiten. Zur Ermittlung der künftigen Zahlungsfähigkeit wird die Kapitalstruktur analysiert und es werden Prognosen über Zahlungsströme und Erträge erstellt. Zu den untersuchten unternehmensspezifischen Gesichtspunkten zählt schließlich die Struktur des Unternehmensverbundes, zu welchem der Emittent gehört, und die sich aus dieser ergebenden besonderen Beziehungen beispielsweise in Form von Unterstützungsvereinbarungen, wie etwa Patronatserklärungen und Ergebnisabführungsverträge. Alle diese Erhebungen sind Grundlage für das generelle Unternehmensrating. In einem gesonderten Schritt der Analyse werden die jeweiligen Vertrags- und Emissionsbedingungen des Finanztitels geprüft. Während sich das Unternehmensrating in erster Linie mit der Frage beschäftigt, ob die Gesellschaft ihren finanziellen Verpflichtungen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit nachkommen kann, geht es bei der Emissionsanalyse, d.h. dem Credit Rating, vornehmlich um die Situation des Gläubigers des Finanztitels im Falle von Zahlungsschwierigkeiten und Insolvenz. Entscheidend ist hierbei die Ausgestaltung der Besicherung sowie die Stellung des Gläubigers gegenüber anderen Kreditoren. Die einzelnen Analyseergebnisse werden von den Analysten zusammen mit dem Leadanalysten um einen Bewertungsvorschlag ergänzt. Dieser wird dem URA Ratingausschuss vorgestellt, welcher sich zusammensetzt aus einem Senioranalysten, einem Experten der Wissenschaft und dem Leadanalysten. Nach eingehender Erörterung aller Aspekte trifft der URA Ratingausschuss daraufhin die Entscheidung über das Rating. Welchen Kriterien bei der Entscheidungsfindung Bedeutung zukommt und welches Gewicht diesen beigemessen wird, hängt dabei vom Wesen des Emittenten ab und wird insbesondere durch das von der URA eingesetzte Ratingsystem bestimmt. Der URA Ratingausschuss stellt sodann das Unternehmensrating als generelle Bonitätseinstufung fest. In einem zweiten Schritt kommt es zur Feststellung des Credit Ratings, das unter Berücksichtigung der Bedingungen des Finanztitels das Investitionsrisiko für die Anleger bestimmt. Ratingprozess: • Erhebung • Bewertung • Bonitätsurteil
3.3 Das unabhängige Rating der URA Rating Agentur 3.3.2.5
123
Bewertung der Covenants
Der Bewertung der Bedingungen des Finanztitels, häufig Covenants genannt, kommt beim Credit Rating besondere Bedeutung zu. Nachfolgende Kriterien entscheiden darüber, wo der Finanztitel in der hierarchischen Reihenfolge der im Insolvenzfall bevorrechtigten oder nachrangigen Gläubiger zu finden ist. Bereits in einer vorübergehenden Krise des Unternehmens richtet sich die Bedienung mit Zins nach dieser Rangfolge: Somit ist die individuelle Ausfallwahrscheinlichkeit des einzelnen Finanztitels anders als die generelle Bonität des Unternehmens von krisenhaften Veränderungen des Geschäftsgangs unterschiedlich betroffen. Die Vertragselemente der Covenants haben in unterschiedlicher Intensität Einfluss auf die Risikoausprägung des Finanztitels. Die Ratinganalysten sind angehalten, die Beurteilung in einer Kriterienmatrix vorzunehmen, um den kumulierten Erfüllungsgrad für die relative Sicherheit des Finanztitels im Krisenfall einordnen zu können. Bewertung der Covenants des Finanztitels: höchste Auswirkung
1. Nachrang 2. Vergütung 3. Verlustteilnahme 4. Beteiligung am Liquidationserlös
mittlere Auswirkung
1. Gläubiger 2. Laufzeit 3. Kündigungsabrede 4. Aufschiebbarkeit der Zinszahlung 5. Wandelungsrechte 6. Bonuszins 7. Recoverymanager im Krisenfall
geringe Auswirkung
1. Rechtstypus des Finanztitels 2. Rechtsgeltung
3.3.2.6
Monitoring
Das Ratingverfahren der URA ist darauf gerichtet, ein über die gesamte Laufzeit des Finanztitels gültiges Bonitätsurteil zu ermitteln. Unvorhergesehene Veränderungen der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie anderer wesentlicher Faktoren können jedoch eine Anpassung des Ratings notwendig machen. Diesem Erfordernis trägt die URA Rating Agentur durch eine laufende Überwachung ihrer Bewertungen – ein so genanntes Monitoring – Rechnung, das auch ohne Beantragung durch den Emittenten erfolgt. Hierbei wird jedes Rating mindestens einmal jährlich einer Revision unterzogen, wobei neu vorliegende Daten analysiert und gegebenenfalls Gespräche mit Firmenvertretern geführt werden. Daneben wird bei Bekanntwerden von für das Rating relevanten Ereignissen, Entwicklungen wie Restrukturierungs-, Fusions-, Akquisitions- und Übernahmevorhaben ein besonderes Überprüfungsverfahren eingeleitet. Eine so genannte Watchlist mit regelmäßiger Veröffentlichung – wie bei börsennotierten Finanztiteln üblich – wird von der URA jedoch nicht geführt.
124
3 Ratingverfahren externer Agenturen
Monitoring: • Beobachtung von ratingrelevanten Ereignissen • Positionierung auf der Watchlist • unterjährige Veränderung des Ratings 3.3.2.7
Haftung
Rechtlich ist die Veröffentlichung eines Ratings durch eine Ratingagentur in der Regel als Wertung bzw. Meinungsäußerung einzustufen. Entsprechend scheiden etwaige Ansprüche eines Emittenten auf Widerruf oder Richtigstellung gegen eine ihn belastende Bonitätsbewertung grundsätzlich aus. Gleichwohl kommt eine Haftung der Ratingagenturen innerhalb der deutschen Rechtsordnung sowohl gegenüber Emittenten, als auch gegenüber der Investorenschaft in Betracht – und zwar ebenso auf vertraglicher wie auf außervertraglicher Grundlage. Indes darf die praktische Bedeutung der Dritthaftung von Ratingagenturen, also gegenüber denjenigen Anlegern, die in keinem Vertragsverhältnis mit ihnen stehen, nicht überschätzt werden. Fälle, in denen eine Ratingagentur bei Erstellung eines Ratings zu einer unsachgemäßen und nicht mehr vertretbaren Wertung gelangt, dürften unter den haftungsrelevanten Sachverhalten eher die Ausnahme darstellen. Während in verschiedenen Staaten mehr oder weniger explizit geregelte Anerkennungsverfahren für Ratingagenturen bestehen und einige wenige Rechtsordnungen konkrete Regulierungen der Ratingbranche vorsehen, unterliegen die Ratingagenturen in Deutschland keinerlei spezifischer Regelung oder Aufsicht. Die URA Rating Agentur und ihre Analysten haben sich freiwillig verpflichtet, den URA Code of Conduct, die „Grundsätze für das Unternehmensrating“ des BdRA Bundesverband der Ratinganalysten und Ratingadvisor e.V. wie auch den Code of Conduct Fundamentals of Credit Rating Agencies der IOSCO International Organisation of Securities Commissions zu beachten. Das Credit Rating der URA wird stets im Auftrag des Emittenten angefertigt. Der Ratingbericht enthält die fachkundigen Beurteilungen der Ratinganalysten zur Qualität des beurteilten Unternehmens und des zu ratenden Finanztitels. Der Gesamtbericht genießt Urheberschutz. Er stützt sich auf Informationen und Unterlagen, die einzeln aufgelistet sind. Die Methoden für die Ermittlung des Ratings werden im Abschnitt „Auftrag und Auftragsdurchführung“ des Ratingberichts beschrieben. Die Geschäftsführung des Unternehmens erteilt der Ratingagentur eine Vollständigkeitserklärung. Die Haftung der URA Rating Agentur für Vermögensschäden, die auf etwaige Berufsversehen (Pflichtverletzung) bei Auswertung der überlassenen Unterlagen und gegebenen Informationen zurückzuführen sind, wird vertraglich ausdrücklich ausgeschlossen, soweit die Haftung nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht und nicht das Ergebnis einer Verletzung der besonderen wesentlichen Vertragspflichten (Kardinalpflichten) ist. Der vorstehende Haftungsausschluss gilt nicht für Ansprüche, die wegen arglistigen Verhaltens entstanden sind, sowie für Schäden auf der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit. Auf jeden Fall haftet die URA Rating Agentur nicht über die vertraglich vereinbarte Haftungshöchstgrenze hinaus.
3.3 Das unabhängige Rating der URA Rating Agentur
125
Der Gesamtbericht über das Rating wird ausschließlich für die Verwendung durch das auftraggebende Unternehmen erstellt. Nur das auftraggebende Unternehmen und die URA Rating Agentur können aus dem Ratingbericht gegenseitig Ansprüche geltend machen. Eine Haftung gegenüber Dritten, ohne dass eine ausdrückliche und schriftliche Zustimmung der URA Rating Agentur zur Weitergabe des Berichts an Dritte erfolgt ist, ist ausdrücklich ausgeschlossen. Das geratete Unternehmen verpflichtet sich, die URA Rating Agentur von jeglicher Haftung gegenüber Personen freizustellen, die von dem Ratingbericht Kenntnis erlangt haben, es sei denn, die Kenntnisnahme erfolgt aufgrund der schriftlichen Zustimmung der URA oder durch eine Handlung, die von dieser zu vertreten ist. Haftung gegenüber dem Auftraggeber: • aus dem Auftrag des Emittenten oder des Kreditgebers • aus Kardinalpflicht der Ratingagentur Haftung gegenüber Dritten: • bei Schutzwirkung gegenüber Dritten • Haftungsanschluss ist erschwert durch Rechtssprechung zu AGB’s und zu Kardinalpflichten
3.3.3
Zusammenfassung
Lernziel I: Gutachten versus Rating Was ist eigentlich das neue, das besondere am Rating? Beurteilungen und Bewertungen gab es doch bisher schon. Jedes Gutachten, jede Due Diligence schließt mit einer bewertenden Zusammenfassung. Es ist die fehlende Vergleichbarkeit bei den Inhalten und Bewertungsmethoden von Gutachten. Selbst bei Fortführungsgutachten für Unternehmen im Auftrag von Banken gibt es keine Standards für die Gewichtung der Befunde und die Benotung der Urteile. Erst ist die Methodik des Ratings fasst die gutachterlichen Befunde zu einer Gesamtbetrachtung und – bewertung zusammen. Gutachten bzw. Due Diligence und Rating sind zueinander komplementär. Lernziel II: Methodik versus Bauchgefühl Jede Ratingagentur verpflichtet sich auf eine bei der jeweiligen Ratingdienstleistung eingesetzte Methodik. Sie legt diese gegenüber ihren Auftraggebern wie auch in geeigneter Weise gegenüber der Öffentlichkeit offen. Sie arbeitet bei vergleichbaren Ratingprozessen mit einheitlichen Gewichtungen der untersuchten Ratingbereiche. Herr Dr. Oliver Everling nannte die von international tätigen Ratingagenturen verwandten Ratingskalen einmal das Esperanto des Kapitalmarkts. Was sich hinter einem AAA oder BBB verbirgt, versteht man überall auf der Welt. Damit dies so ist, bedarf es der Aufklärung durch die Ratingagentur, welche Bonitätsbeurteilung sie mit der jeweiligen Ratingnote verbindet und der Gewähr, dass die Ratingprozesse so organisiert und gestaltet sind, dass die Einschätzung realistisch und auch bei einer veränderten Besetzung des Analyseteams wiederholbar ist. Dies macht die Qualität
126
3 Ratingverfahren externer Agenturen
einer Ratingagentur aus, ein Anspruch, der nicht von heute auf morgen erworben werden kann. Lernziel III: Mensch versus Maschine Naturgemäß ist die größte Unsicherheit beim Rating der Faktor Mensch. Deshalb bedarf es der Erfahrung und der gleichgerichteten Ausbildung der Ratinganalysten. Dennoch ist die Tendenz erkennbar, mathematisch-statistische Verfahren nicht mehr ausschließlich zum Backtasting der Analystenurteile zu verwenden. Quantitative Ratingsysteme erhalten für die Beurteilung des Unternehmens auf der Grundlage der Jahresabschlüsse ein besonderes Gewicht. Die Trennfähigkeit dieser Systeme hat zugenommen. Für die angemessene Beurteilung der qualitativen Ratingkriterien ist der Ratinganalyst unverzichtbar. Die Systematik seiner Arbeit wird jedoch durch geeignete EDV-Systeme unterstützt. Neben diesen methodischen und systematischen Anforderungen an die Prozesse von Ratingagenturen ist die Grundlage für deren Qualität ihre Unabhängigkeit. Lernziel IV: Ratingstandards Der ethische Anspruch der Unabhängigkeit ist das Ziel aller Ratingstandards. Er umfasst • Freiheit von Weisungen Dritter, • wirtschaftliche Unabhängigkeit von Auftraggeber oder Beurteilten, • Neutralität. Die URA Rating Agentur AG, München, ist sowohl als Organisation als auch mit seinen Ratinganalysten unabhängig. Sie ist nicht Teil eines Kreditinstituts oder einer Unternehmensorganisation. Sie ist ein Zusammenschluss von Ratinganalysten vor allem aus dem Berufsstand der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mit langjähriger Erfahrung, in Prüfungsund Bewertungsaufgaben. Alle Mitglieder dieser Organisation verpflichten sich, die seit 1999 gültigen „Grundsätze für das Unternehmens Rating“ des ersten Berufsverbandes der Ratinganalysten, des BdRA Bundesverband der Ratinganalysten und Ratingadvisor e. V., Berlin, und den URA Code of Conduct bei ihren Ratingdienstleistungen zu beachten.
3.3.4
Übungsaufgaben und Lösungen
Welche Arten von Ratings bei Unternehmen kennen Sie? Musterlösung:
1. 2. 3. 4.
Credit-Rating eines Emittenten, Credit-Rating eines Finanztitels, Credit-Rating einer Kunden-/ Lieferantenbeziehung, Equity-Rating.
Welche Ratingverfahren kennen Sie? Musterlösung:
1. Rating mit mathematisch-statistischen Modellen. 2. Rating mit mathematisch-statistischen Modellen und standardisierten Expertenanalysen. 3. Rating mit nicht standardisierten Expertenbeobachtungen.
3.3 Das unabhängige Rating der URA Rating Agentur
127
Welche Informationsquellen werden für das Rating von Unternehmen üblicherweise herangezogen? Musterlösung:
1. Daten des Rechnungswesens basierend auf Daten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung, 2. Ergänzende Daten zum Rechnungswesen (Anhang, Lagebericht, freiwillige Berichte), 3. Vergleichsdaten anderer Betriebe (Branchendaten, Konkurrenzdaten, Daten über Branchenentwicklungen und Branchenrisiken, volkswirtschaftliche Rahmendaten), 4. Daten über interne Eigenschaften des beurteilten Unternehmens (Absatz, Beschaffung, Marketing, forschungsrechtliche Entwicklung, Personal, Organisation, Management, etc.), 5. Einbeziehung externer Ratingergebnisse, 6. Planungen. Auf welchen Märkten findet das Rating derzeit Anwendung? Musterlösung:
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Kapitalmarkt für Corporate Bonds, Kapitalmarkt für Commercial Papers, ABS-Transaktionen, Aktienfonds, Offene Immobilienfonds, Rentenfonds, Kreditvergabe von Banken.
Nennen Sie die Formel zur Berechnung des erwarteten Verlustes? Musterlösung:
Erwarteter Verlust (Expected Loss, EL) = Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) x Risikovolumen (EAD)
x
(1- Recovery Rate)
Loss Given Default (LGD)
Was ist das Monitoring einer Ratingagentur, und wer benötigt es? Musterlösung: Monitoring ist die ständige Beobachtung der Bonität eines Finanztitels durch eine externe Ratingagentur mit der Verpflichtung, über Veränderungen zu berichten. Das Monitoring wird insbesondere von Kapitalmärkten benötigt.
128
3.3.5
3 Ratingverfahren externer Agenturen
Literaturverzeichnis
BdRA Bundesverband der Ratinganalysten und Ratingadvisor e.V.: Grundsätze des Unternehmensratings, www.bdra-ev.de, 1999. DVFA: DVFA – Rating Standards, www.dvfa.de, 2001. Everling, Oliver: Die Bank, Jahrgang 1991, S. 151. IOSCO: Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies, www.iosco.org, 2004. Peters, Andreas C.: Die Haftung und Regulierung von Ratingagenturen, 2001.
3.4 Kreditrisikomessung mit Hilfe der Optionspreistheorie
129
Christian Thun 3.4
Kreditrisikomessung mit Hilfe der Optionspreistheorie
3.4.1
Einleitung
129
3.4.2
Modellierung von Kreditrisiken mit Hilfe der Optionpreistheorie
130
3.4.2.1
Faktoren des Modells ....................................................................................... 130
3.4.2.2
Kreditgeber als Stillhalter einer Verkaufsoption.............................................. 131
3.4.2.3
Eigenkapital als Kaufoption ............................................................................. 132
3.4.2.4
Herleitung der Modellfaktoren ......................................................................... 134
3.4.3
Fallstudie
137
3.4.4
Zusammenfassung
140
3.4.5
Übungsaufgaben
140
3.4.6
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
141
3.4.7
Literaturhinweise
141
3.4.1
Einleitung
Die Idee, Optionspreistheorie bei der Messung von Kreditrisiken anzuwenden, findet sich in der wissenschaftlichen Literatur bereits seit über 30 Jahren. Hervorzuheben sind hier vor allem die wegweisenden Arbeiten von Fischer Black und Myron Scholes sowie Robert Merton aus den frühen 1970er Jahren, welche die Grundlagen für die heute gebräuchlichen Anwendungen der Optionspreistheorie zur Kreditrisikomessung bilden. Im Wesentlichen beruhen die auf dieser Theorie basierenden Kreditrisikomodelle auf der Annahme, dass Fremd- und Eigenkapital Verkaufs- bzw. Kaufoptionen auf die Vermögenswerte eines Unternehmens darstellen, deren Wert durch externe Marktbedingungen beeinflusst wird. Fällt der Wert des Unternehmens unter den Wert des Fremdkapitals so ist die Option wertlos und das Unternehmen fällt aus.
130
3 Ratingverfahren externer Agenturen
Da der Marktwert des Eigenkapitals vor allem für börsennotierte Unternehmen leicht verfügbar ist, eignet sich ein optionspreistheoretischer Ansatz vor allem für die Kreditrisikobewertung börsennotierter Unternehmen. In diesem Aufsatz soll anhand nachvollziehbarer Bespiele der methodische Ansatz erläutert werden und dessen prakische Umsetzung am Beispiel des Kreditrisikomodells von Moody’s KMV gezeigt werden. Der Ratinganalyst soll in diesem Beitrag • ein generelles Verständnis für den methodischen Ansatz entwickeln, • den Optionscharakter von Eigen- und Fremdkapital nachvollziehen können und • die Leistungsfähigkeit marktbasierter Verfahren bei der Früherkennung drohender Unternehmenskrisen erkennen.
3.4.2
Modellierung von Kreditrisiken mit Hilfe der Optionpreistheorie
3.4.2.1
Faktoren des Modells
Für die Messung des Kreditrisikos von Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren und Jahrezehnten eine ganze Reihe methodischer Ansätze entwickelt. Die Anwendung optionpreisbasierter Modelle hat sich dabei als ein zuverlässiger und leistungsstarker Ansatz erwiesen. Kern dieser Modelle ist die Annahme, dass ein Ausfallereignis immer dann eintritt, wenn der Marktwert des Unternehmens unter den Wert der fälligen Verbindlichkeiten fällt. Ein weiterer Grund für die weite Verbreitung dieser Art von Kreditrisikomodellen ist der grundsätzlich recht einfache Aufbau. Als Modellparameter werden dabei neben dem Marktwert des Unternehmens und den fälligen Verbindlichkeiten nur die Volatilität des Unternehmenwertes benötigt. Drei Faktoren bestimmen die Ausfallwahrscheinlichkeit: der Marktwert des Unternehmens, die Volatilität des Unternehmenswertes und die Höhe der fälligen Verbindlichkeiten. Während die Höhe der fälligen Verbindlichkeiten recht einfach aus Jahresabschlüssen entnommen werden kann, kann der Marktwert eines Unternehmens und dessen Volatilität nicht direkt beobachtet werden. Für die Modellierung dieser Werte bedient man sich der Optionspreistheorie. Im Folgenden soll die Herleitung des Marktwerts des Unternehmens mit Hilfe der Optionspreistheorie näher erläutert werden. Eine Option räumt dem Erwerber das Recht ein, einen Vermögensgegenstand (z.B. eine Aktie) innerhalb eines bestimmten Zeitraums (amerikanische Option) oder an einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft (europäische Option) zu einem vorher festgelegten Preis (dem Ausübungspreis oder Strike) zu kaufen (Kaufoption oder Call) oder zu verkaufen (Verkaufsoptions oder Put). Der Erwerber zahlt für diese Rechte eine Prämie, die Optionsprämie. Der Verkäufer oder Stillhalter der Option hat im Gegenzug den Vermögensgegenstand zu den vorher definierten Konditionen zu verkaufen oder abzunehmen. Er erhält dafür
3.4 Kreditrisikomessung mit Hilfe der Optionspreistheorie
131
die Optionsprämie. Da die Ausübung des Optionsrecht in der Regel von exogen vorgegebenen Marktparametern abhängt, werden diese Geschäfte auch als zustandsbedingte Ansprüche oder Contingent Claims bezeichnet, da ihr Wert vom Zustand (z.B. aktueller Kurs) eines anderen Wertes (z.B. einer Aktie) abhängt. Wie sich diese Zustandsabhängigkeit auch auf die Bewertung von Fremd- und Eigenkapital auswirkt, soll in den folgenden beiden Kapiteln erläutert werden. 3.4.2.2
Kreditgeber als Stillhalter einer Verkaufsoption
Rückzahlungsbetrag
Um den Optionscharakter von Fremdkapital zu erläutern, soll der grundsätzliche Zusammenhang anhand eines einfachen Beispiels dargestellt werden. In der Abbildung 3.4-1 ist dieser Zusammenhang zwischen Unternehmenswert und Wert des Fremdkapitals nochmals grafisch dargestellt. Nehmen wir einmal an, ein Unternehmer erhält von der Bank einen bestimmten Geldbetrag (B) als Kredit mit einer Laufzeit von einem Jahr und bereits abdiskontierten Zinsen. Der Unternehmer nutzt dieses Geld, um durch Investitionen in verschiedene Projekte oder Maschinen den Wert seines Unternehmens (U) zu steigern. Am Ende des Jahres steht der Kredit zur Rückzahlung an. Für den Fall, dass der geschaffene Unternehmenswert (U2) den Kreditbetrag übersteigt, hat der Unternehmer den Anreiz (oder die Option), den Kredit zu tilgen und den Überschuss (U2 – B) als Gewinn zu behalten. Haben sich indes die Investitionen als falsch herausgestellt und der Unternehmenswert (U1) ist unter den Kreditbetrag gesunken, hat der Unternehmer den Anreiz (oder die Option) seine Zahlungsunfähigkeit zu erklären. In diesem Fall erhält die Bank den verbliebenen Unternehmenswert (U1) zur (anteiligen) Tilgung des offenen Kreditbetrages.
0
U1
B
U2
Unternehmenswert U
Abb. 3.4-1: Pay-off Funktion eines Fremdkapitalgebers
Die Grafik veranschaulicht deutlich, dass für sämtliche Unternehmenswerte oberhalb des Kreditbetrags B der Fremdkapitalgeber – in diesem Beispiel die Bank – keine zusätzliche Vergütung erhält. Im Gegensatz hat die Bank für Unternehmenswerte unterhalb des Kredit-
132
3 Ratingverfahren externer Agenturen
betrages einen zunehmenden Verlust zu verbuchen, der im Extremfall sogar in einem Totalverlust des Kreditbetrages resultieren kann. Beim Betrachten des Kurvenverlaufs fällt sofort auf, dass dieser der Pay-Off Funktion des Stillhalters einer Verkaufsoption auf eine Aktie gleicht. Liegt der Aktienkurs über dem Ausübungspreis verdient der Stillhalter die Optionsprämie. Liegt der Kurs indes unter dem Ausübungspreis, so verliert der Stillhalter zunehmend grössere Beträge. Der Kreditgeber ist der Stillhalter einer Verkaufsoption auf die Vermögensgegenstände eines Unternehmens. Robert Merton erkannte 1974 die grosse Ähnlichkeit der Position eines Stillhalters einer Verkaufsoption auf Aktien und der Position eines Kreditgebers als Stillhalter einer Verkaufsoption auf die Vermögenswerte eines Unternehmens. Wenn es möglich war, den Wert der Verkaufsoption auf eine Aktie zu ermitteln, so war dies auch möglich für den Wert der Verkaufsoption (des Kredites) auf die Vermögensgegenständes eines Unternehmens. Fisher Black und Myron Scholes hatten bereits 1973 in ihrem viel bachteten Aufsatz „The Pricing of Options and Corporate Liabilities“ eine Formel mit fünf Variablen abgeleitet, mit der Optionen auf Aktien bewertet werden konnten. Merton wandelte diese leicht ab, so dass sich der Wert eines risikobehafteten Kredites über den folgenden funktionalen Zusammenhang ermitteln lässt. Wert eines risikobehafteten Kredites = f(U, σU, B, r, τ)
(1)
Die benötigten Variablen sind der bereits erwähnte Unternehmenswert U, der Kreditbetrag B sowie der Zinsatz r für kurzfristige Kredite, die Volatilität des Unternehmenswertes σU und die Laufzeit der Verkaufsoption bzw. des Kredites τ. Während für Optionen auf Aktien sämtliche Variablen am Markt beobachtet werden bzw. leicht abgeleitet werden können, ist dies bei Krediten nur für den Kreditbetrag B, den Zinssatz r und die Laufzeit τ möglich. Die beiden unbekannten Variablen Unternehmenswert U und Volatilität σU können mit Hilfe nur einer Gleichung nicht ermittelt werden. 3.4.2.3
Eigenkapital als Kaufoption
Seit der ersten Veröffentlichung über den Charakter von Krediten als Verkaufsoptionen hat es zahlreiche Versuche zur Lösung des oben beschriebenen Problems gegeben. In der Regel wurden Annahmen über den Unternehmenswert (z.B. Unternehmenswert = Buchwert) oder die Volatilität (Volatilität des Unternehmenswert = Volatilität des Aktienkurses) getroffen, die indes zu keiner zufriedenstellenden Lösung führten. Als wesentlich geeigneterer Ansatz zur Lösung hat sich die Umkehrung der Betrachtungsweise erwiesen. Anstatt die Position des Kreditgebers einzunehmen, stellt man das Problem auf den Kopf und nimmt die Position des Unternehmers oder Eigenkapitalgebers ein. In der folgenden Abbildung 3.4-2 ist der Zusammenhang zwischen dem Wert des Eigenkapitals E und dem Unternehmenswert U dargestellt.
133
Wert des Eigenkapitals E
3.4 Kreditrisikomessung mit Hilfe der Optionspreistheorie
0
U1
B
U2
Unternehmenswert U
Abb. 3.4-2: Pay-off Funktion eines Eigenkapitalgebers
Betrachtet man erneut das Beispiel aus Abschnitt 3.4.2.1, allerdings in diesem Fall aus der Sicht des Unternehmers, so ergeben sich am Ende der Laufzeit des Kredites folgende Szenarien. Liegt der Unternehmenswert (U2) über dem Kreditbetrag (B) so hat der Unternehmer den Anreiz den Kredit zu tilgen und den Überschuss (U2 – B) zu behalten. Je grösser der Unternehmenswert, desto grösser wird der Überschuss für den Unternehmer. Fällt der Unternehmenswert (U1) indes unter den Kreditbetrag (B), so hat der Unternehmer den Anreiz (oder die Option) seine Zahlungsunfähigkeit zu erklären und die Bank erhält den verbliebenen Unternehmenswert (U1) zur Tilgung des offenen Kreditbetrages. Hierbei ist hervorzuheben, dass das Verlustrisiko für den Unternehmer auf sein Eigenkapital beschränkt ist. Während die möglichen Gewinne unbegrenzt sind, kann er höchstens seinen Einsatz (das Eigenkapital des Unternehmens) verlieren. Erneut fällt auf, dass der Kurvenverlauf für den Wert des Eigenkapitals in Abbildung 3.4-2 dem Kurvenverlauf einer Kaufoption auf eine Aktie gleicht. Liegt der Aktienkurs über dem Ausübungspreis, lohnt es sich, die Option auszuüben und die Aktie mit Gewinn an der Börse zu verkaufen. Liegt der Kurs indes unter dem Ausübungspreis, kann die Aktie billiger an der Börse erworben werden. Die Option wird nicht ausgeübt und die Optionsprämie (oder der Einsatz) geht verloren. Das Eigenkapital ist eine Kaufoption auf die Vermögensgegenstände eines Unternehmens. Folgt man der Auffassung, dass es sich beim Eigenkapital um eine Kaufoption auf die Vermögensgegenstände eines Unternehmens handelt, so kann der Wert dieser Option mit Hilfe des folgenden funktionalen Zusammenhangs ausgedrückt werden. Marktwert des Eigenkapitals = h(U, σU, B, r, τ)
(2)
134
3 Ratingverfahren externer Agenturen
Es ist leicht ersichtlich, dass der Wert des Eigenkapitals von den gleichen Parametern abhängt, wie der Wert eines risikobehafteten Kredites in Abschnitt 3.4.2.2. Während in der Realität nur wenige Marktpreise für risikobehaftete Kredite zu beobachten sind, kann der Marktwert des Eigenkapitals für über 30,000 börsennotierte Unternehmen täglich oder häufiger abgelesen werden. Beobachtbare Aktienkurse haben den zusätzlichen Vorteil, dass sie die in Zukunft gerichteten Erwartungen der Investoren widerspiegeln. Drohende Unternehmenskrisen können daher besonders frühzeitig erkannt werden. 3.4.2.4
Herleitung der Modellfaktoren
Weder mit der in Abschnitt 3.4.2.2. genannten Gleichung 1 noch der in Abschnitt 3.4.2.3 genannten Gleichung 2 ist es möglich, die beiden fehlenden Variablen Unternehmenswert U und die Volatilität des Unternehmenswert σU mathematisch herzuleiten. Moody’s KMV nutzt daher eine weiteren funktionalen Zusammenhang zwischen der Volatilität des Marktwert des Eigenkapitals σE und der Volatilität des Unternehmenswert σU. Dieser lautet: σE = g(σU)
(3)
Mit Hilfe dieser zweiten Gleichung ist es nun möglich den Marktwert des Unternehmens U und die Volatilität σU über suzessive Iterationen herzuleiten. Die Iterationen beginnen mit einer ersten Annahme über die Volatilität des Unternehmenswerts, mit deren Hilfe eine Reihe möglicher Unternehmenswerte bestimmt werden. Für diese lassen sich erneut Volatilitäten ableiten, die neue Unternehmenswerte ergeben, bis der Prozess auf einen Wert konvergiert. Werden die Startwerte bei diesem Prozess vernünftig gewählt, so bedarf es nur weniger Iterationen um den Marktwert des Unternehmens und dessen Volatilität zu ermitteln. Wichtig ist hierbei festzuhalten, dass es zwischen der Verschuldung eines Unternehmens und der Volatitlität des Unternehmenswertes einen engen Zusammenhang gibt. Unternehmen mit einer hohen Verschuldung (z.B. Banken) haben niedrige Volatilitäten, während Unternehmen mit hohen Voltilitäten (z.B. Computer Software) in der Regel wenige Verbindlichkeiten aufweisen. Die Ermittlung der fälligen Verbindlichkeiten eines Unternehmens gestaltet sich einfacher. Hier werden die in den Jahresabschlüssen veröffentlichten Verbindlichkeiten herangezogen. Die ersten Kreditrisikomodelle auf Basis der Optionspreistheorie unterstellten, dass ein Ausfall eintritt, wenn der Unternehmenswert unter die gesamten Verbindlichkeiten fällt. Diese Annahme hat sich als falsch erwiesen. Die Forschungsarbeiten der Gründer von Moody’s KMV Oldrich Vasicek und Stephen Kealhofer haben gezeigt, dass ein Ausfallereignis erst dann eintritt, wenn der Unternehmenswert unter ein Niveau fällt, das in etwa 100% der kurzfristigen und 50% der langfristigen Verbindlichkeiten entspricht. Der Grund hierfür liegt an der Tatsache, dass nicht sämtliche Verbindlichkeiten im Fall einer Unternehmenskrise sofort fällig werden, sondern dass langfristige Kreditgeber auch in schlechteren Zeiten zunächst zu einem Unternehmen stehen. In der Literatur hat sich für dieses „kritische“ Niveau der Verbindlichkeiten der Begriff Default Point herausgebildet. Um das korrekte Niveau des Default Points zu ermitteln, wurden von Oldrich Vasicek und Stephen Kealhofer mehrere tausend Insolvenzen börsennotierter Unternehmen seit den frühen 1970er Jahren analysiert. Dank dieser Arbeiten konnte die Praxistauglichkeit der optionspreistheoretischen Kreditrisikomodelle wesentlich erhöht werden.
3.4 Kreditrisikomessung mit Hilfe der Optionspreistheorie
135
Die drei Faktoren Unternehmenswert, Verschuldung und Volatilität können nun zu einem einheitlichen Mass kombiniert werden, welche die Differenz zwischen Unternehmenswert und Verschuldung ins Verhältnis zu der Volatilität des Unternehmenswertes setzt. Dieses Mass ist bekannt als Distance-to-Default (DD). Distance-to-Default =
Unternehmenswert − Default Point Unternehmenswert ⋅ Volatilität
Die Distance-to-Default gibt an, um wieviele Standardabweichungen der Marktwert eines Unternehmens fallen darf, bevor der Default Point erreicht ist und das Unternehmen ausfällt. Durch die Verwendung von Marktinformationen zur Herleitung der Modellfaktoren, berücksichtigt die Distance-to-Default implizit den möglichen Einfluss von Branchenzugehörigkeit, Herkunft und Grösse des Unternehmens. Die Distance-to-Default ist die Zahl der Standardabweichungen des Unternehmenswert zwischen Unternehmenswert und Default Point. In der folgenden Abbildung 3.4-3 werden die Zusammenhänge nochmals dargestellt. Verteilung der Unternehmenswerte am Analysehorizont (z.B. 1 Jahr)
Wert
Unternehmenswerte
1
2 Volatilität (1 Standardabweichung) 4
Default Point
Distance-to-Default
3
EDF™ Heute
1 Jahr
Zeit
Abb. 3.4-3: Zusammenhänge im Modell
Zwischen dem Zeitpunkt der Analyse des Unternehmens (Heute) und dem Analysehorizont (1 Jahr) kann der Unternehmenswert (1) zahlreiche Ausprägungen annehmen. Da im Voraus nicht bekannt ist, welchen Wert dieser am Analysehorizont annehmen wird, kann lediglich eine Verteilung möglicher Unternehmenswerte angenommen werden. Für diese Verteilung kann die Volatiliät (gemessen als eine Standarabweichung) (2) ermittelt werden. Das Mass Distance-to-Default fragt nun, um wieviele Standardabweichungen der Unternehmenswert sinken darf, bevor der Default Point (3) erreicht wird. In diesem Beispiel ist der Unternehmenswert drei Standardabweichungen vom Default Point entfernt. Die Distance-to-Default beträgt 3 (4). DieWahrscheinlichkeit, dass der Unternehmenswert unter den Default Point
136
3 Ratingverfahren externer Agenturen
fällt ist als schraffierte Fläche dargestellt. Sie entspricht der Ausfallwahrscheinlichkeit oder Expected Default Frequency™ (EDF™). Anhand der Abbildung 3.4-3 lassen sich die Zusammenhänge im Modell leicht nachvollziehen. Eine höhere Verschuldung würde den Default Point nach oben verschieben, so dass die Zahl der Standardabweichungen, die der Unternehmenswert abnehmen darf, sinkt. Die Distance-to-Default wird kleiner. Das gleiche gilt für den Fall, dass der Unternehmenswert schrumpft. Die Analyse zahlreicher Insolvenzen der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass in der Tat Unternehmen in Schwierigkeiten (d.h. mit sinkenden Unternehmenswerten) zusätzliches Fremdkapital aufnehmen, um z.B. Restrukturierungsmassnahmen zu finanzieren oder Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Auf die obige Abbildung 3.4-3 übertragen bedeutet dies, dass der „Puffer“ zwischen Unternehmenswert und Default-Point von oben und unten „in die Zange“ genommen wird. Eine Änderung der Volatilität würde sich in der Abbildung 3.4-3 in einer geänderten Form der Verteilung der Unternehmenswerte am Analysehorizont darstellen. Nimmt die Ungewissheit über die mögliche Geschäftsentwicklung zu (d.h. die Volatilität steigt) wird die Verteilung flacher. Mit der Zunahme der Volatilität sinkt die Zahl der Standardabweichungen, die der Unternehmenswert fallen darf, bevor der Default Point erreicht wird. Die Distance-to-Default sinkt. Steigt hingegen die Gewissheit über die Geschäftsentwicklung, so sinkt die Volatilität und mehr Standardabweichungen passen in den Puffer zwischen Unternehmenswert und Default-Point. Die Distance-to-Default nimmt zu. Damit das Modell für den Einsatz im Kreditrisikomanagement von Kreditgebern und Investoren geeignet ist, müssen die Ergebnisse (d.h. die Distance-to-Default) in eine Ausfallwahrscheinlichkeit transformiert werden. Bei Moody’s KMV verwendet man für die Übersetzung der Distance-to-Default in eine Ausfallwahrscheinlichkeit die grösste Datenbank ihrer Art. Anhand von über 250.000 Unternehmensjahren und mehr als 4.700 Ausfällen ist es möglich Ausfallwahrscheinlichkeiten für einzelne Distance-to-Defaults abzuleiten. Um zum Beispiel die Frage zu beantworten, welche 1-Jahres EDF™ Unternehmen mit einer Distance-to-Default von sieben aufweisen, betrachtet man sämtliche Unternehmen mit einer Distance-to-Default von sieben, die innerhalb der folgenden zwölf Monate einen Ausfall erlitten haben und vergleicht sie mit der Zahl sämtlicher Unternehmen mit einer Distance-to-Default von sieben. Das Ergebnis beträgt etwa 0,05% bzw. eins von 2.000 Unternehmen mit einer Distance-to-Default von sieben erleidet innerhalb von zwölf Monaten einen Ausfall. Diese Analysen werden für samtliche Distance-to-Default Werte durchgeführt, so dass sich der beobachtete Zusammenhang zwischen Distance-to-Default und Ausfallwahrscheinlichkeit durch eine Funktion, die Kalibrierungsfunktion, approximieren lässt. Mit Hilfe dieser Funktion lässt sich jede ermittelte Distance-to-Default problemlos in eine Ausfallwahscheinlichkeit überführen. In der folgenden Abbildung 3.4-4 ist diese Funktion einmal beispielhaft dargestellt. Umfangreiche Datenbestände sind nötig, um eine Distance-to-Default in eine Ausfallwahrscheinlichkeit (Expected Default Frequency) zu überführen.
3.4 Kreditrisikomessung mit Hilfe der Optionspreistheorie
137
EDF
0,05% 7
DD
Abb. 3.4-4: Kalibrierungsfunktion
3.4.3
Fallstudie
Um Anwendbarkeit der theoretischen Überlegungen des Abschnitts 3.4.2 zu demonstrieren und leichter nachvollziehbar zu gestalten, wird im folgenden der Ausfall der Bally Total Fitness Holding Corporation näher dargestellt. Am 16. April 2007 war die Bally Total Fitness Holding Corporation, der grösste Fitnessclub-Betreiber in den USA, nicht mehr in der Lage, fällige Zinszahlungen in Höhe von US$ 15 Mio aufzubringen. Zu diesem Zeitpunkt unterhielt die Bally Total Fitness Holding Corporation ca. 400 Fitneßstudios in den USA, Kanada und Asien mit annähernd 4 Millionen Mitgliedern und erzielte einen Umsatz von etwa US$ 1 Mrd. Abbildung 3.4-5 zeigt den Verlauf der monatlichen EDF™ vom Mai 2002 bis zum April 2007. Die 1-Jahres-EDF™ (1 Year EDF™) ist dabei auf einer Skala auf der rechten Seite abgetragen. In den letzten 12 Monaten vor dem Ausfall ist die 1 Year EDF™ von etwa 3% auf 20% rasant gestiegen. Für die Kreditgeber bzw. Investoren können sich diese paar Monate der Frühwarnung als extrem wertvoll erweisen, um z.B. bestehende Kreditengagements zu prüfen oder Positionen abzubauen. Der Anstieg des Kreditrisikos war vor allem durch den deutlichen Rückgang des Unternehmenswertes begründet. Dieser sank von etwa US$ 2.000 Mio. im April 2006 auf einen Wert von US$ 1.292 Mio. im März 2007. Verantwortlich hierfür war der Vertrauenverlust der Investoren, aufgrund der schwachen Entwicklung bei den Mitgliederzahlen, in das künftige Geschäft von Bally Total Fitness Holding Corporation. Bis zum selben Zeitpunkt im Frühjahr 2007 waren die fälligen Verbindlichkeiten (Default Point) von etwa US$ 900 Mio. im Mai 2002 auf US$ 1.291 Mio. angewachsen. In der folgenden Abbildung 3.4-6 ist die Entwicklung des Unternehmenswertes (Asset Value) und der fälligen Verbindlichkeiten (Default Point) zwischen Mai 2002 und April 2007 dargestellt.
138
3 Ratingverfahren externer Agenturen
BALLY TOTAL FITNESS HLDG CP 1 Year EDF 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 05/02 10/02
04/03
10/03
04/04
10/04
04/05
10/05
04/06
10/06
04/07
Abb. 3.4-5: Verlauf der 1-Year EDF™ (2002-2007)
Asset Value
Default Point
2200 2100 2000 1900 1800 1700 1600 1500 1400 1300 1200 1100 1000 900
05/02 10/02
04/03
10/03
04/04
10/04
04/05
10/05
04/06
10/06
04/07
Abb. 3.4-6: Verlauf von Unternehmenswert (Asset Value) und Default-Point (2002-2007)
Die Ermittlung von Ausfallwahrscheinlichkeiten als einheitliches, objektives Mass für das Kreditrisiko erlaubt es dem Analysten zudem, das betrachtete Unternehmen mit anderen Unternehmen aus der gleichen Branche oder aus dem gleichen Land zu vergleichen, um weitere Gründe für das Scheitern oder die Stärke eines Unternehmens heraus zu filtern.
3.4 Kreditrisikomessung mit Hilfe der Optionspreistheorie
139
In der folgenden Abbildung 3.4-7 ist der Verlauf der 1-Jahres EDF™ der Bally Total Fitness Holding Corporation (dicke Linie) der mittleren 1-Jahres EDF™ (dünne Linie) sowie dem oberen und unteren Quartil der 1-Jahres EDF™ (gestrichelte Linie) der Branche Unterhaltung & Freizeit in Nordamerika gegenübergestellt. Wie in den vorhergehenden Abbildungen 5 und 6 ist auf der Abzisse der Zeitraum von Mai 2002 bis April 2007 abgetragen. Auf der Ordinate findet sich in Abbildung 3.4-7 hingegen die 1-Jahres EDF™ (1 Year EDF™) auf einer logarithmischen Skala. Sie reicht von 0,02% bis zu 20%. Da Ausfallwahrscheinlichkeiten oberhalb eines Wertes von 20% nur noch schwer zu messen sind, wurde die Skala bei diesem Werten begrenzt. Ein Wert von 20% sollte demnach als Mindestwert interpretiert werden. Der Analyst erkennt zunächst, dass sich die Bonität der Vergleichsbranche seit dem Sommer 2002 deutlich verbessert hat. Die mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit (1 Year EDF™) is von ca. 12% im August 2002 auf etwa 0,7% im April 2007 gesunken. Im gleichen Masse sinken die oberen und unteren Quartile von 20% auf etwa 5% bzw. 1,6% auf 0,12%. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Nordamerika hat sich demnach auch in der Vergleichsbranche positiv ausgewirkt. Im Vergleich hierzu zeigt der EDF™-Verlauf der Bally Total Fitness Holding Corporation eine nahezu gegenläufige Entwicklung. Während die EDF™ im Mai 2002 noch dem oberen Quartil der Vergleichsbranche entsprach (d.h nur etwa 25% der Unternehmen in der Vergleichsbranche hatten niedrigere EDFs™), entsprach sie von März 2003 bis Januar 2004 in etwa der mittleren EDF™ der Vergleichsbranche. Während sich die Bonität der Branche weiter verbesserte, stieg die EDF™ der Bally Total Fitness Holding Corporation ab Februar 2005 auf den Wert des unteren Quartils der Vergleichsbranche (d.h nur etwa 25% der Unternehmen in der Vergleichsbranche hatten noch höhere EDFs™). Seit August 2006 stieg das Kreditrisiko auf ein noch höheres Niveau. 20 15 10 7 5 2 1 ,50 ,20 ,15 ,10 ,05 ,02 05/02 10/02 04/03 10/03 04/04 10/04 04/05 10/05 04/06 10/06 04/07
Abb. 3.4-7: Vergleich der 1 Year EDF™ mit dem Median bzw. Quartilen der Branche (2002–2007)
140
3 Ratingverfahren externer Agenturen
Der Vergleich mit den Branchen- EDFs™ bietet dem Analysten eine weitere wichtige Information zur Beurteilung des Unternehmens. Aufgrund der monatlichen bzw. sogar täglichen Aktualisierungsmöglichkeit können drohende Unternehmenskrisen besonders frühzeitig erkannt werden.
3.4.4
Zusammenfassung
Die Verfügbarkeit von Marktpreisen für das Eigenkapital hat die Anwendung optionspreistheoretischer Modelle vor allem bei der Bonitätsbeurteilung börsennotierter Unternehmen zu einem verbreiteten methodischen Ansatz werden lassen. Für die Ermittlung des Kreditrisikos werden lediglich drei Faktoren benötigt: der Marktwert des Unternehmens, die Volatilität dieses Marktwertes und die fälligen Verbindlichkeiten. Diese drei Faktoren werden zu dem Mass Distance-to-Default verknüpft, welches dann anhand umfangreicher Datenbestände in eine Ausfallwahrscheinlichkeit (Expected Default Frequency, EDF™) überführt wird. Anhand des Beispiels der im April 2007 ausgefallenen Bally Total Fitness Holding Corporation wurde gezeigt, dass die EDF™ bereits mehrere Monate vor dem Ausfall signifikant angestiegen ist und die Kreditgeber und Investoren frühzeitig auf die bevorstehende Unternehmenskrise hingewiesen hat. Im weiteren wurde gezeigt, wie die Gründe für die Änderung der EDF™ leicht nachvollzogen werden können. Darüber hinaus können Branchenvergleiche erstellt werden, die weitere wertvolle Informationen für die Analyse ergeben können. Der grosse Vorteil von Kreditrisikomodellen auf der Basis von Optionspreistheorie ist die Möglichkeit, die Beurteilung börsennotierter Unternehmen bei einem neuen Aktienkurs kurzfristig aktualisieren zu können. Desweiteren nutzen die Modelle die Eigenschaft der Aktienmärkte, künftige Erwartungen in die Preisbildung einfliessen zu lassen. Die auf Basis dieser Informationen abgeleiteten Ausfallwahrscheinlichkeiten können daher drohende Unternehmenskrisen wesentlich besser anzeigen, als z.B. jahresabschlussbasierte Ausfallwahrscheinlichkeiten.
3.4.5
Übungsaufgaben
Übungsaufgabe 1 Ein börsennotiertes Unternehmen beabsichtigt, einen Kredit für eine Reihe von Investitionsprojekten aufzunehmen. Dabei besteht die Möglichkeit lang- oder kurzfristige Mittel zu verwenden. Wie wirkt sich die Laufzeit der Kredite auf die Ausfallwahrscheinlichkeit aus? Übungsaufgabe 2 In den späten 1990er Jahren verloren die Telekommunikationsanbieter ihre Monopolstellung in Europa. In der Folge stiegen die Ausfallwahrscheinlichkeiten zum Teil deutlich an. Welche möglichen Faktoren können für diese Entwicklung verantwortlich sein? Übungsaufgabe 3 Wie in Abschnitt 3.4.2.2 erläutert, sind die Kreditgeber Stillhalter einer Verkausoption auf die Vermögenswerte eines Unternehmens. In zahreichen Kreditverträgen finden sich so ge-
3.4 Kreditrisikomessung mit Hilfe der Optionspreistheorie
141
nannte Covenants, Sonderbedingungen die den Vertragspartnern besondere Pflichten und Rechte einräumen (z.B. Mindestwerte für Kennzahlen oder Kündigungsrechte bei Change of Control). Welche Gründe sprechen aus Sicht der Optionspreistheorie für solche Covenants?
3.4.6
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
Lösung zu Übungsaufgabe 1 Die Ausfallwahrscheinlichkeit (Expected Default Frequency) wird ansteigen. Indes fälllt der Zuwachs bei langfristigen Verbindlichkeiten geringer aus, da diese nur zur Hälfte in die Berechnung des Default Points eingehen. Bei Aufnahme kurzfristiger Verbindlichkeiten steigen der Default Point und die Ausfallwahrscheinlichkeit stärker an, da diese in voller Höhe in die Berechnung des Default Points eingehen. Lösung zu Übungsaufgabe 2 Mit der Deregulierung des Telekommunikationsmarktes in Europa sahen sich die Unternehmen (z.B. Deutsche Telekom, France Telecom) einem verstärkten Wettbewerb ausgesetzt. Neue Anbieter drängten in den Markt und machten den bisherigen Anbietern Marktanteile streitig. Das Geschäftsmodell der bisherigen Monopolisten geriet zunehmends unter Druck und die künftigen Cash-Flows wurden unsicherer. Unsichere Erwartungen indes drücken sich in steigenden Volatilitäten der Aktienkurse und somit der Volatilität des Unternehmenswertes aus. Neben der gestiegenen Volatilität trug aber auch die verstärkte Verschuldung der Telekommunikationsunternehmen zur Finanzierung der Investitionen in das wachsende Mobilfunkgeschäft (z.B. Vergabe der UMTS-Lizenzen) bei. Für das Modell bedeutet die zusätzliche Verschuldung eine Zunahme des Default Points. Lösung zu Übungsaufgabe 3 Wie in Abschnitt 3.4.2.2 erläutert, nimmt ein Kreditgeber an den Steigerungen des Unternehmenswerts über den Wert der Verbindlichkeiten nicht Teil. Sein „Upside“ ist auf die Erträge aus Zinszahlungen und eventuelle Gebühren begrenzt. Damit der Wert des Unternehmens möglich nicht unter den Wert der Verbindlichkeiten fällt, ist der Kreditgeber an einem stabilen Geschäftsmodell interessiert, d.h. die Volatilität des Unternehmenswertes ist gering. Die Covenants in den Kreditverträgen sollen z. B. sicherstellen, dass der Unternehmen die Mittel nicht in zu risikoreiche Projekte investiert, die die Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Unternehmenswertes, d.h. dessen Volatilität nach oben treiben.
3.4.7
Literaturhinweise
Aktiencheck.de, Bally Total Fitness: CEO tritt zurück, Finanzlage schwierig, www.aktiencheck.de/ artikel/news-Ausland-1344170.html. Black, Fischer/Scholes, Myron, The Pricing of Options and Corporate Liabilities, Journal of Political Economy, Bd. 81, S. 637–654, 1973. Bohn, Jeff/Crosbie, Peter, Modeling Default Risk, San Francisco 2003.
142
3 Ratingverfahren externer Agenturen
Caouette, John B./Altman, Edward I./Narayanan, Paul, Managing Credit Risk – The Next Great Financial Challenge, New York 1998. Gaida, Stefan, Kreditrisikokosten-Kalkulation mit Optionspreisansätzen, Münster 1997. Merton, Robert C., On the Pricing of Corporate Debt: The Risk Structure of Interest Rates, Journal of Finance, Bd. 29, S. 449–470, 1974. Saunders, Anthony/Allen, Linda, Credit Risk Measurement, 2. Aufl., New York 2002.
3.5 Externes Rating aus Unternehmenssicht
143
Heinrich Degenhart 3.5
Externes Rating aus Unternehmenssicht
3.5.1
Einleitung
143
3.5.2
Die Unternehmensentscheidung zum externen Rating
144
3.5.2.1
Externe Rahmenbedingungen der Ratingentscheidung im Unternehmen........ 144
3.5.2.2
Interne Rahmenbedingungen der Ratingentscheidung im Unternehmen......... 145
3.5.2.3
Beiträge der Ratinganalysten zur Ratingentscheidung..................................... 148
3.5.3
Die Umsetzung der Ratingentscheidung
3.5.3.1
Organisation des Ratingprozesses im Unternehmen ........................................ 148
3.5.3.2
Arbeitsschritte des Ratings im Unternehmen................................................... 149
3.5.3.3
Erwartungen der Unternehmen an die Ratingagenturen .................................. 150
3.5.4
Die Überwachung und Aktualisierung des Ratings
3.5.4.1
Tätigkeiten des Corporate Treasurers in der Überwachungsund Aktualisierungsphase .............................................................................. 151
3.5.4.2
Zusammenarbeit zwischen Corporate Treasury und Ratinganalysten ............. 152
3.5.5
Zusammenfassung
153
3.5.6
Übungsaufgaben
154
3.5.7
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
154
3.5.8
Literaturhinweise
155
3.5.1
Einleitung
148
151
Die Entscheidung, ein externes Kreditrating durchführen zu lassen, gehört in den Bereich der strategischen Unternehmensführung. Sie ist kaum reversibel und hat langfristig beachtliche Wirkungen auf die Geschäftspolitik und die geschäftliche Entwicklung des gesamten Unternehmens. Der Corporate Treasurer bereitet die Rating-Entscheidung der Geschäftsleitung
144
3 Ratingverfahren externer Agenturen
vor. Er ist für die Umsetzung der Entscheidung und später den laufenden Kontakt zu den Ratingagenturen verantwortlich. Für Ratinganalysten ist es wichtig, das Rating auch aus Sicht des Unternehmens und der dort Verantwortlichen zu betrachten, weil ein externes Rating im Gegensatz zum internen Bankenrating in der Regel weder quasi zwangläufig stattfindet noch automatisch bei einer bestimmten Agentur geschieht. Ein Ratingauftrag muss im Unternehmen eingeworben und in der Folge gehalten werden. Die folgenden Ausführungen beruhen wesentlich auf den Erkenntnissen des Arbeitskreises „Rating im Unternehmen“ des Verbandes Deutscher Treasurer e.V., den der Verfasser im Jahr 2006 geleitet hat. Eine umfassende Darstellung enthält der entsprechende Leitfaden des Verbandes. Lernziele Der Ratinganalyst • soll die Position des Unternehmens bei der Entscheidung über die Vornahme externer Ratings verstehen, • lernen, wie Unternehmen intern bei der Entscheidung, Durchführung und Überwachung von Ratings vorgehen, • erkennen, wie er den Finanzbereich des Unternehmens in den verschiedenen Phasen des Ratings unterstützen kann.
3.5.2
Die Unternehmensentscheidung zum externen Rating
Aus Unternehmenssicht stellt sich zunächst die Frage, ob überhaupt ein externes Rating durchgeführt werden soll. Bei dieser Entscheidung sind die externen und die internen Rahmenbedingungen zu beachten. 3.5.2.1
Externe Rahmenbedingungen der Ratingentscheidung im Unternehmen
Externe Rahmenbedingungen ergeben sich aus − den Interessen der Investoren: Gibt es genügend Bankkredite, die kein externes Rating erfordern? Verlangen Kapitalmarktinvestoren ein externes Rating? − den Entwicklungen des Kapital- und Bankenmarktes: Ist der Kapitalmarkt im Hinblick auf Volumina, Laufzeiten und Konditionen ergiebig? Gibt es aufsichtsbehördliche Aktivitäten, die den Kapitalmarkt begünstigen oder benachteiligen? − dem Ruf des Unternehmens auf den Finanzmärkten: Ist das Unternehmen auf den Finanzmärkten auch ohne ein externes Rating hinreichend bekannt? Wird ein bestimmtes externes Rating implizit vorausgesetzt? Die Geldbeschaffung am Kapitalmarkt ist nicht immer der günstigste oder einfachste Weg, den Finanzbedarf zu decken. Solange die Banken als Investoren eine hohe Kreditbereitschaft in einem wettbewerbsgeprägten Markt haben, lohnt sich für viele Firmen die Geldaufnahme am Kapitalmarkt nicht. Cross Selling-Preisstellungen der Banken und geringe
3.5 Externes Rating aus Unternehmenssicht
145
Dokumentations- und Covenantanforderungen lassen Kredite, die kein externes Rating voraussetzen, häufig attraktiver erscheinen. Bei sehr großen Unternehmen mit stabiler Geschäftsentwicklung und guter Branchenbeurteilung kann der gute Ruf eines Unternehmens in Investorenkreisen das Rating ersetzen. Für private Investoren kann der Markenname eine größere Rolle spielen als das Rating. Solche Unternehmen können Anleihen mit kleinerem Volumen im Retailbereich ohne Rating zu günstigen Konditionen unterbringen. Die jeweils aktuellen Verhältnisse an den Finanzmärkten und Markttrends bestimmen, ob ein gegebener Finanzbedarf eines Unternehmens am Kapitalmarkt gedeckt wird und ob dazu ein externes Rating erforderlich ist. 3.5.2.2
Interne Rahmenbedingungen der Ratingentscheidung im Unternehmen
Am Anfang der Überlegungen steht der Finanzbedarf. Ein Rating kommt aus Unternehmenssicht vor allem − bei wachsendem Finanzbedarf, − bei großvolumigem Finanzierungsbedarf, − zur Umsetzung der Finanzierung und zur Sicherung der Flexibilität der zukünftigen Investitionen in Betracht. Ein Rating ist aus Unternehmenssicht insbesondere dann vorteilhaft, wenn eine größere Anzahl neuer Investoren wiederkehrend und laufend mit größeren Beträgen angesprochen werden soll. Ein Rating kann als Instrument der Unternehmenssteuerung bereits sinnvoll sein, um die Liquiditätsversorgung des Unternehmens auch bei geänderten Marktbedingungen vorausschauend längerfristig zu sichern. Schließlich kann ein Rating dazu benutzt werden, um die Finanzierungskosten zu senken bzw. steigenden Kreditfinanzierungskosten durch Margenausweitung der Banken entgegenzuwirken. Unternehmen müssen überlegen, ob der zukünftige Finanzbedarf so ausfällt, dass dauerhaft Kapitalmarktinstrumente zum Einsatz kommen können. Die Unternehmensstrategie kann die Entscheidung für ein Rating begünstigen oder hemmen. Ein Rating verlangt gegenüber der Ratingagentur Publizität und Transparenz. Unternehmen, deren Geschäftspolitik die erforderliche Publizität und Transparenz nur eingeschränkt zulässt, werden sich u.U. gegen ein Rating entscheiden. Ein Rating erfordert im Allgemeinen auch Veränderungen der Reporting- und Informationswege sowie der Datenauswertung in Unternehmen. Ist die erforderliche Infrastruktur nicht vorhanden oder die Geschäftsleitung nicht bereit, notwendige Veränderungen auch in personeller und/oder organisatorischer Hinsicht vorzunehmen, kommt ein Rating nicht in Betracht. Unabhängig vom konkreten Finanzierungsbedarf werden Unternehmen ein Rating aus folgenden Gründen in Erwägung ziehen:
146
3 Ratingverfahren externer Agenturen
− Verbesserung des Images zur Unterstützung von Investor Relations oder zur besseren Akzeptanz bei Kunden und Lieferanten, − Förderung der strategischen Flexibilität gegenüber dem Wettbewerb, − Unabhängigkeit von Kreditgebern durch Nutzung alternativer Finanzierungsmöglichkeiten. Aus Unternehmenssicht ist ferner zu bedenken, dass die Ratingagenturen ihre Ratings laufend überprüfen. Ein späterer Ausstieg aus dem Rating ist nur schwer möglich. Unternehmen müssen überlegen, ob die Gründe für ein Rating dauerhaft vorliegen und ob man dauerhaft bereit ist, den Ratingagenturen die gewünschten Informationen zu liefern. Ferner wird ein Unternehmen stets beachten, − wie das Ratingergebnis intern und extern interpretiert wird und ob man diese Interpretationen wünscht, − ob und inwieweit im Vorhinein Aufklärungsbedarf zur Erläuterung möglicher Ratingergebnisse besteht und ob und wie man ggf. diesem Aufklärungsbedarf nachkommen will. Schließlich muss auch bedacht werden, dass sich durch die dauerhafte Verbindung zu den Ratingagenturen auch Konsequenzen für den Handlungsspielraum eines Unternehmens ergeben. So sollten z.B. im Hinblick auf die erforderliche Unterrichtung der Ratingagenturen die Folgen bisher frei zu treffender Unternehmensentscheidungen daraufhin analysiert werden, welche Auswirkungen sie auf das Rating haben können und welche Konsequenzen sich daraus im Vorfeld ableiten lassen. Manche Akquisition erweist sich als nicht durchführbar, wenn die Ratingagentur eine Ratingherabstufung in Aussicht stellt. Aus der Unternehmensstrategie ergibt sich auch, welche Finanzierungsquellen das Unternehmen verwenden möchte, um seine strategischen Ziele zu erreichen (und damit wird auch der Bedarf nach Kapitalmarktfinanzierungen festgelegt). Außerdem ergibt sich aus der Unternehmensstrategie, in welchem Ausmaß das Unternehmen bereit ist, ein Finanzierungsrisiko, z.B. Leverage, auf sich zu nehmen. Da die Finanzierungsstrategie eine wesentliche Determinante des Ratings ist, legt sich ein Unternehmen mit einem publizierten Rating implizit auf bestimmte Finanzierungsgrundsätze fest, um ein Zielrating zu erreichen und langfristig zu erhalten. Eine bestimmte Unternehmens- und Gesellschafterstruktur ist keine Voraussetzung für das externe Rating. Erfahrungsgemäß tun sich aber Unternehmen, die börsennotiert sind, mit einer Entscheidung zugunsten des Ratings leichter. Andererseits sind die Interessengegensätze zwischen den Eigentümern und den Sicherheitsbedürfnissen von Anleiheninvestoren bei sehr langfristig orientierten Familiengesellschaften geringer als bei den eher kurzfristig ausgerichteten börsennotierten Aktiengesellschaften.
3.5 Externes Rating aus Unternehmenssicht
Abb. 3.5-1: Entscheidungsbaum zum Rating
147
148
3 Ratingverfahren externer Agenturen
Bei gegebenen Marktverhältnissen und Finanztrends sind die unternehmensspezifischen Aspekte für die Entscheidung über ein externes Rating maßgeblich. Wichtig sind hier der Finanzbedarf des Unternehmens, die Unternehmensstrategie und die Unternehmens- und Gesellschafterstruktur. 3.5.2.3
Beiträge der Ratinganalysten zur Ratingentscheidung
Die Entscheidung über ein Rating wird in den Unternehmen nicht ohne umfassende Vorbereitung getroffen. Die Durchführung eines Ratings ist oft das Ergebnis eines längeren unternehmensinternen Annäherungsprozesses an den Kapitalmarkt. Treasurer informieren sich auf Workshops, Tagungen und – wenn es konkreter wird – auch bei Kolleginnen und Kollegen, und dies lange bevor die Entscheidungsvorlage geschrieben wird. Der Treasurer muss auf den Eventualfall eines Ratings vorbereitet sein. Ratinganalysten können hier allgemeine Informationen geben, so dass der Treasurer informiert ist, worauf sich das Unternehmen bei einer Entscheidung für ein Rating einlässt. Informationen, die eine grobe Kalkulation des Ratings zulassen oder die Simulationsrechnungen für verschiedene Unternehmensstrategien ermöglichen, werden gerne gesehen. Es kann zu einer Reihe von Gesprächen zwischen Treasurern und Analysten kommen. Mit schnellen Akquisitionserfolgen darf aber nicht gerechnet werden. Wenn sich die Entscheidung konkretisiert, möchte der Treasurer möglichst genau wissen, was bei einem Rating herauskommt, bevor er die Entscheidungsvorlage für die Geschäftsleitung schreibt. Diese Information wird benötigt, weil die Ratingstufe die Finanzierungskosten wesentlich bestimmt. Es geht primär um die Entscheidung über verschiedene Finanzierungslösungen, wobei das Rating häufig nur für eines von mehreren Instrumenten benötigt wird. Manchmal wird ein Rating nur für den Eventualfall eines Ganges an den Kapitalmarkts gewünscht. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass selbst das vorhandene und bezahlte Rating nicht zur Geldaufnahme genutzt und nicht veröffentlicht wird. Der Ratinganalyst ist in dieser Vorbereitungsphase gefordert, konkrete und durchaus auch unternehmensspezifische Beratung und Informationen zum Rating zu geben und den Treasurer damit bei Erstellung der Entscheidungsvorlage zu unterstützen. Die Durchführung eines Ratings ist oft das Ergebnis eines längeren unternehmensinternen Annäherungsprozesses an den Kapitalmarkt. Für die Entscheidung über das Rating werden am Ende auch sehr konkrete und durchaus auch unternehmensspezifische Beratung und Informationen zum Rating gewünscht.
3.5.3
Die Umsetzung der Ratingentscheidung
3.5.3.1
Organisation des Ratingprozesses im Unternehmen
Nach der Grundsatzentscheidung der Unternehmensleitung für ein externes Rating beginnt der Umsetzungsprozess mit der Bildung des Projektteams. Er endet aus Unternehmenssicht mit der Erteilung des Ratings nach etwa 4 bis 5 Monaten. Die einzelnen Schritte ergeben sich aus der nachfolgenden Grafik.
3.5 Externes Rating aus Unternehmenssicht
149
Abb. 3.5-2: Zeitlicher Ablauf des Ratings im Unternehmen
Der kritische Zeitfaktor ist aus Unternehmenssicht die Beschaffung und Aufarbeitung der für die Ratingagentur erforderlichen Daten. Ein günstiger Zeitpunkt für den Beginn des Prozesses ist der Abschluss einer Planungsrunde, weil dann alle für das Rating erforderlichen Daten aktuell vorliegen. Das Projektteam muss folgende Funktionen abdecken: Geschäftsleitung, Treasury, strategische Planung/Unternehmensplanung, Controlling und Rechnungswesen/Bilanzierung. Hinzu kommen fallweise je nach Unternehmenssituation weitere Funktionen wie z.B. Vertrieb oder Produktion. Der Bereich Treasury wird dabei in der Regel die Projektleitung und den laufenden Kontakt zur Ratingagentur übernehmen. Ein internes Projektteam deckt alle Unternehmensfunktionen ab, die für das Rating wesentlich sind. 3.5.3.2
Arbeitsschritte des Ratings im Unternehmen
Bei der Umsetzung des Ratings wird auf Unternehmensseite mindestens beim erstmaligen Rating häufig ein so genannter Rating Advisor eingesetzt. Die Aufgabe dieses Beraters kann in einem ersten Schritt in der Ermittlung des maximal erreichbaren Ratingergebnisses bestehen. Darüber hinaus gibt er Anleitungen zur effizienten, professionellen Durchführung des Ratingprozesses und ist behilflich bei der Erstellung der Ratingpräsentation. Der Ratingberater hat in der Regel folgende Aufgaben: − − − −
zielgerichtete Vorbereitung der Gespräche mit der Ratingagentur, Unterstützung bei der Aufbereitung des Zahlenmaterials, Mitwirkung bei der Erarbeitung der Präsentation für die Ratingagentur, Unterstützung bei der Auswahl der geeigneten Ratingagentur.
Rating Advisor werden häufig von Emissionsbanken gestellt. Einige Unternehmen legen jedoch Wert darauf, die Beratung von der Kapitalmarkttransaktion zu trennen. Die erste Aufgabe des Projektteams ist die Vorbereitung der Entscheidung über die Auswahl der geeigneten Ratingagentur. In Deutschland bieten sowohl international als auch national orientierte Ratingagenturen ihre Dienste an. Die Wahl der Agentur hängt davon ab, welchen Zweck das Unternehmen mit dem Rating verfolgt. Eine Ratingagentur muss einen hohen Bekanntheits- und Akzeptanzgrad bei der Investorenzielgruppe besitzen. In Verbindung mit der Art der geplanten Transaktion, z.B. einer internationalen Anleiheplatzierung, reduziert sich das Feld der möglichen Agenturen deutlich. Die zweite wichtige Aufgabe des Projektteams ist die Aufbereitung der Präsentationsunterlagen. Die Mitglieder des Projektteams werden dabei aus ihren Bereichen alle wichtigen
150
3 Ratingverfahren externer Agenturen
Informationen übersichtlich zusammenstellen, die für das Rating benötigt werden. Der Zusammenstellung liegen entsprechende Vorgaben der Ratingagenturen und ggf. Hilfestellungen der Ratingberater zugrunde. Über reine Unternehmensinformationen hinaus sind hier auch Daten zur Branchen- und Wettbewerbsstruktur erforderlich. Die dritte Aufgabe des Projektteams ist die Vorbereitung und Durchführung des Ratinggesprächs. Ratingagenturen erwarten, dass sich das Unternehmen durch die Geschäftsleitung vorstellt. Diese Art der Präsentation ist in den Unternehmen, die nicht börsennotiert sind, in der Regel unbekannt. In Gesprächen mit Bankenvertretern ist eine solche Darstellung nicht üblich. Vor dem eigentlichen Termin mit der Ratingagentur wird daher ein Briefing der Teilnehmer für dieses Gespräch stattfinden. Ziel ist es, sich auf die zu erwartenden Fragestellungen vorzubereiten und Antwortraster zu generieren. Gerade im Hinblick auf eine einheitliche Darstellung der Managementstrategien wird häufig klar festgelegt, welche Aussagen von welchen Teilnehmern zu den relevanten Punkten gemacht werden sollen. Gegebenenfalls können hier geeignete Trainings stattfinden. An dem Ratinggespräch nimmt das Projektteam unter Leitung des für die Finanzen verantwortlichen Geschäftsführers teil. Zeitweise werden auch andere Mitglieder der Geschäftsführung teilnehmen. Weitere Funktionsträger im Unternehmen halten sich für Rücksprachen bereit. Sofern Fragen der Ratinganalysten nicht sofort beantwortet werden können, ist es üblich, diese Informationen nachzureichen. Die Unternehmensvertreter sind auf sehr tief gehende Fragen vorbereitet. Sie sind sich klar darüber, dass Ratinganalysten einen besonderen Blick auf mögliche negative Unternehmensentwicklungen haben. Die Vorbereitung und die Durchführung des Gesprächs mit den Vertretern der Ratingagentur sind Kern der Umsetzungsphase. Eine Hauptschwierigkeit ist die Zusammenstellung und Aufbereitung der für das Rating benötigten Informationen. 3.5.3.3
Erwartungen der Unternehmen an die Ratingagenturen
Unternehmen erwarten die Fähigkeit der Ratingagentur, ein jederzeit faires Rating zu gewährleisten. Ein faires Rating spiegelt die jeweilige Bonität des Unternehmens im Vergleich zu anderen Unternehmen in möglichst objektiver Weise wider. Dazu gehören neben der Fachkompetenz der Ratingagentur die Transparenz des Ratingprozesses und eine Differenzierung der Ratingkategorien, die das Unternehmen gegenüber dem Wettbewerb entsprechend abgrenzt. Ratingagenturen, die ein großes Branchenspektrum und eine entsprechende Anzahl von Unternehmen bewertet haben (Track Record), können den Unternehmen nützliche Zusatzerkenntnisse über Marktentwicklungen, Bonitätsbeurteilung usw. vermitteln. Es ist wichtig, dass die jeweilige Ratingagentur bei den entsprechenden Investoren bekannt ist und Vertrauen genießt. Vertrauen kann eine Ratingagentur dann erreichen, wenn sie über tief gehende und aktuelle Kenntnisse der Branche und des jeweiligen Unternehmens verfügt und somit in der Lage ist, Veränderungen des Ratings möglichst zielgerichtet zu antizipieren bzw. das Rating durch einen Konjunkturzyklus stabil einschätzen zu können.
3.5 Externes Rating aus Unternehmenssicht
151
Aus Unternehmenssicht ist das Managementgespräch mit den Ratingagenturen von größter Bedeutung, da es die Basis für eine langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit bilden soll. Entsprechend hoch sind auch die Anforderungen der Unternehmen an Kompetenz und Verlässlichkeit der Gesprächspartner auf der Seite der Ratingagentur. Der Ratingprozess endet mit der Erteilung des Ratings. Für die Unternehmen ist es in diesem Zusammenhang sehr wichtig, dass das Ergebnis plausibel und für sie nachvollziehbar ist. Auch wenn die Agenturen erfahrungsgemäß nicht bereit sind, über das Ergebnis ihrer Einschätzung zu diskutieren, ist es für die Unternehmen sehr wichtig, die Beweggründe der Agenturen für die vorgenommene Einschätzung möglichst genau zu erkennen. Im Rahmen einer Soll-Ist-Analyse werden im Unternehmen die Ursachen einer Abweichung zwischen dem erwarteten und dem tatsächlichen Rating zu betrachten sein. Diese Analyse ist für die Unternehmen besonders wichtig, weil sich daraus Konsequenzen für die Unternehmensstrategie ergeben können. Die Kommunikation des Ratingergebnisses ist aus Unternehmenssicht von größter Bedeutung. In der Regel werden die Unternehmen versuchen, mit der Ratingagentur bereits vor der Mandatierung zu vereinbaren, wie im Falle eines unerwarteten Ratingergebnisses mit dessen Veröffentlichung verfahren werden soll. Für die Unternehmen ist es besonders wichtig, dass sowohl Zeitpunkt als auch Inhalt der Ratingmitteilung der Agentur abgestimmt wird, um sich auf eventuelle Marktreaktionen einstellen zu können. Beim Inhalt des Berichtes werden die Unternehmen besonderen Wert darauf legen, dass der Text keine Falschinformationen enthält oder dem Markt Informationen zukommen, die noch nicht öffentlich sind. Unternehmen müssen versuchen zu verhindern, dass durch bestimmte Formulierungen Insiderinformationen oder Unternehmensgeheimnisse veröffentlicht werden. Ratingagenturen müssen hohes Vertrauen auf der Investoren- und der Unternehmensseite genießen. Unternehmen erwarten von den Analysten Kompetenz und Fairness. Analysten müssen sich auf die Besonderheiten des Unternehmens einstellen.
3.5.4
Die Überwachung und Aktualisierung des Ratings
3.5.4.1
Tätigkeiten des Corporate Treasurers in der Überwachungsund Aktualisierungsphase
Nach Abschluss des Erstratings beginnt ein kontinuierlicher Kommunikationsprozess zwischen Ratingagentur und Unternehmen. Ratingagenturen werden mindestens einmal jährlich zu einem umfassenden Gespräch mit der Unternehmensleitung über das vergangene Geschäftsjahr eingeladen und über strategische und wirtschaftliche Entwicklungen der absehbaren Zukunft informiert. Separate Informationen erfolgen vor bedeutenden Entwicklungen des Unternehmens, die das Rating beeinflussen können. Darüber hinaus pflegt der Corporate Treasurer den laufenden Kontakt zur Ratingagentur. Unternehmen stellen den Ratingagenturen kontinuierlich, entsprechend dem zeitlichen Anfall die auch für das Erstrating benötigten Informationen zur Verfügung. Im Gegenzug wird eine kontinuierliche Betreuung durch einen erfahrenen und kompetenten Ratinganalysten
152
3 Ratingverfahren externer Agenturen
erwartet. Dieser Analyst muss nicht nur Branchenkenntnisse mitbringen, sondern auch die Situation des Unternehmens verstehen und sich entsprechend mit den gelieferten Daten auseinandersetzen. Insbesondere wird erwartet, dass der so genannte Lead Analyst auch die Besonderheiten des Unternehmens in den Entscheidungsgremien der Agentur übermitteln und vertreten kann. Wichtig ist den Unternehmen darüber hinaus auch eine personelle Kontinuität in der Betreuung durch den Ratinganalysten. In diesem Zusammenhang kann es von Bedeutung sein, dass die Agentur vertretungsweise einen zweiten Analysten in den Prozess einbindet, um Informationsverluste bei Personalwechseln zu vermeiden. Insbesondere bei den Managementgesprächen ist es aus Unternehmenssicht nützlich, wenn auch ein höherrangiger Vertreter der Ratingagentur am Gespräch teilnimmt. Unternehmen erwarten von den Analysten ein kontinuierliches Engagement in der Zusammenarbeit mit dem Unternehmen und in den Entscheidungsgremien der Agenturen. 3.5.4.2
Zusammenarbeit zwischen Corporate Treasury und Ratinganalysten
In der täglichen Zusammenarbeit mit den Ratingagenturen werden von der Unternehmensseite immer wieder fünf Themenkomplexe kritisch erwähnt: (1) Transparenz der Ratingmethoden Wegen des engen Zusammenhanges zwischen Unternehmensstrategie und Rating ist es für die Unternehmensseite besonders wichtig, dass die Ratingmethoden bekannt sind. Bei jeder wichtigen Finanzierungsentscheidung und auch bei vielen anderen strategischen Entscheidungen wird der Corporate Treasurer gefragt, welche Auswirkungen diese oder jene Entscheidungen auf das Rating des Unternehmens haben könnten. Diese Frage kann der Treasurer nur dann beantworten, wenn die entsprechenden Methoden in einer verständlichen Form bekannt gemacht und diese Methode auch angewendet werden. (2) Kontinuität der Ratingmethoden Strategische Entscheidungen binden die Unternehmen längerfristig. Wenn bestimmte strategische Entscheidungen mit bestimmten Ratings verknüpft wurden, ist es für die Unternehmen wichtig, dass die Ratingmethoden in den zentralen Punkten eine gewisse Kontinuität aufweisen. Plötzliche, nicht vorhersehbare und nicht frühzeitig kommunizierte Methodenveränderungen führen nicht nur dazu, dass bereits getroffene Entscheidungen sich nachträglich als falsch erweisen. Auch die kurzfristigen Marktreaktionen auf methodenbedingte Ratingveränderungen oder sogar auf reine Methodenveränderungen ohne konkrete Auswirkungen können die Refinanzierung eines Unternehmens wesentlich beeinträchtigen. Um sich auf Marktreaktionen einstellen zu können, ist es wichtig, geplante Methodenveränderungen frühzeitig zu erfahren. Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, betroffene Unternehmen in einen Diskussionsprozess über Methodenveränderungen einzubeziehen, um deren Argumente zu prüfen.
3.5 Externes Rating aus Unternehmenssicht
153
(3) Adjustierung und Bewertung von Kennzahlen Im quantitativen Teil der Analyse lässt sich das Vorgehen der Ratingagenturen am leichtesten nachvollziehen. Im Unternehmen können hier sehr gut Verknüpfungen zu den vorhandenen Steuerungsmodellen hergestellt werden. Daher ist es in diesem Bereich aus Unternehmenssicht besonders wichtig, die präzisen Definitionen der Kennzahlen der Ratingagenturen zu kennen. Erwartet wird daher eine Veröffentlichung der so genannten Adjustments der Agenturen bei den benutzten Kennzahlendefinitionen und eine gewisse Kontinuität. Gegebenenfalls sollten die Berechnungen in einem Gespräch zwischen Analyst und Treasurer transparent gemacht werden. Dadurch können ggf. „Überraschungen“ bei den Ratingergebnissen vermieden werden. (4) Ratinganpassungen Unternehmen erwarten, dass die Ratingagenturen nicht nur auf negative Ereignisse reagieren, sondern auch positive Veränderungen zur Kenntnis nehmen und im Rating berücksichtigen. Das asymmetrische Reaktionsverhalten der Agenturen stößt auf Unternehmensseite sehr häufig auf Kritik. (5) Auswirkungen auf die Unternehmenssteuerung Die Einhaltung der gegenüber der Ratingagentur formulierten finanzpolitischen Grundsätze, d.h. die Verpflichtung zur Einhaltung von Obergrenzen fest definierter Finanzkennzahlen, kann die unternehmerische Entscheidungsfreiheit beeinflussen. So kann die Finanzierung eines Akquisitionsvorhabens eine Überschreitung des vereinbarten Verschuldungs-Koeffizienten bedeuten. Insofern kann es zu einem Interessenkonflikt zwischen unternehmerisch notwendigen Aktivitäten und daraus drohender Verschlechterung des Ratings kommen. Aus Unternehmenssicht sind daher Prioritäten zu setzen. Damit Ratingergebnisse nicht zu sehr im Zeitablauf schwanken und keine unerwünschten negativen Marktreaktionen ausgelöst werden, legen Unternehmen Wert darauf, in Zusammenarbeit mit den Agenturen ein (Ziel-)Rating anzustreben, das auf Dauer tragfähig ist. Ratinganalysten müssen bedenken, dass Ratings die strategischen Unternehmensentscheidungen und die finanzielle Unternehmenssteuerung maßgeblich beeinflussen können. Deshalb werden von den Unternehmen hohe Anforderungen an die Transparenz und die Kontinuität der Ratingmethoden und Berechenbarkeit von Ratingveränderungen gestellt.
3.5.5
Zusammenfassung
Überlegungen zum Rating aus Unternehmenssicht gliedern sich in drei Phasen: Entscheidung, Umsetzung und Aktualisierung. In einer durchaus längeren Annäherung an das RatingThema erfolgt letztlich die Grundsatzentscheidung darüber, ob ein Rating durchgeführt wird. Diese Entscheidung ist selten von der Entscheidung über den Einsatz bestimmter Finanzierungsinstrumente zu trennen. Sie ist stets auch unternehmensspezifisch. Sie bedarf einer guten Vorbereitung im Unternehmen. Ratinganalysten können durch Information und Beratungsleistungen die Entscheidungen unterstützen.
154
3 Ratingverfahren externer Agenturen
Die positive Grundsatzentscheidung zum Rating ist der Auftakt zur Umsetzung. Hier wird mit hohem internem Aufwand versucht, die geeignete Ratingagenturen zu identifizieren und die für das Rating benötigten Informationen zu beschaffen, aufzubereiten und diese dann den Ratingagenturen zu vermitteln. Ratingagenturen benötigen hohe Akzeptanz auf Investorenund Unternehmensseite. Unternehmen erwarten von den Agenturen Kompetenz und Fairness und plausible und nachvollziehbare Ratingergebnisse. Nach der erstmaligen Durchführung des Ratings findet ein kontinuierlicher Informationsprozess zur Überwachung und Aktualisierung des Ratings statt. Unternehmens liefern kontinuierlich und anlassbezogen die benötigten Informationen. Sie erwarten im Gegenzug eine kompetente, kontinuierliche Betreuung und eine Berechenbarkeit der Ratingveränderungen.
3.5.6
Übungsaufgaben
Übungsaufgabe 1 Das Unternehmen U beabsichtigt, die Passivseite der Bilanz (Refinanzierung) neu zu strukturieren. Bisher sind zu viele Banken mit zu kurzfristigen Krediten engagiert. U überlegt, kurzfristige Bankkredite im Volumen von 500 Mio. € zu ersetzen. Dies soll entweder durch einen größeren langfristigen syndizierten Kredit oder eine Anleihe (Senior Debt) geschehen. Im Vorstand steht die Entscheidung über die Durchführung eines externen Ratings an. Welche Aspekte sind in der Vorstandsvorlage zu erläutern bzw. im Vorfeld dieser Vorlage zu besprechen? Übungsaufgabe 2 Das Unternehmen U hat ein externes Rating BBB-/Baa- und eine ausstehende Anleihe über 200 Mio. €. Das Treasury hat die Aufgabe, an der 5-Jahresplanung des Unternehmens mitzuwirken. Was raten Sie dem Treasurer unter Ratingaspekten zu beachten und in den Planungsprozess einzubringen? Übungsaufgabe 3 Der Ratinganalyst A übernimmt die Betreuung des gerateten Unternehmens U. Mit welchen Erwartungen des Corporate Treasurers an ihn muss er rechnen?
3.5.7
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
Lösung zu Übungsaufgabe 1 Einstellung des Vorstands zu Kapitalmarkttransaktionen und der damit verbundenen Publizität feststellen; vermutlich zu erhaltende und intern gewünschte Ratingausprägung ermitteln, ggf. mit Vertretern der Ratingagenturen vorbesprechen, ggf. vorher einen Rating Advisor einschalten; zukünftige Entwicklungs- und Wachstumsperspektive und damit verbundene Veränderungen, insbesondere in den ratingrelevanten Kennzahlen und Finanzierungsstrukturen feststellen.
3.5 Externes Rating aus Unternehmenssicht
155
Lösung zu Übungsaufgabe 2 Gewünschtes Zielrating beim Vorstand hinterfragen und ausdrücklich bestätigen lassen; Zusammenhänge zwischen Finanzbedarf, Deckung des Finanzbedarfs und Zielrating bei den verschiedenen Planungsszenarien herstellen; Finanzierungsmaßnahmen unter dem Aspekt prüfen, ob und wie sie das Zielrating fördern oder behindern; Diskussion mit den beauftragten Ratingagenturen über verschiedene denkbare Szenarien, um deren Reaktionen zu erkennen und in die Planung einzubringen. Lösung zu Übungsaufgabe 3 Persönliche und fachliche Kompetenz; sehr gute Branchen- und Unternehmenskenntnisse bzw. die Bereitschaft, sich mit den Besonderheiten des Unternehmens vertraut zu machen, Gesprächs- und Informationsbereitschaft; Fähigkeit und Bereitschaft, die Besonderheiten des Unternehmens agenturintern zu vertreten; externe Verlässlichkeit bzw. interne Durchsetzungsstärke in den Gremien.
3.5.8
Literaturhinweise
Verband Deutscher Treasurer e.V. (Hrsg.), Rating im Unternehmen, 3. überarbeitete Aufl. Frankfurt/ Main 2007. Verband Deutscher Treasurer e.V. (Hrsg.), Internes Bankenrating, Frankfurt/Main 2004. Verband Deutscher Treasurer e.V. (Hrsg.), Finanzmarktkommunikation, Frankfurt/Main 2002. Degenhart, Heinrich und Team, Berufsbild des Corporate Treasurers, Frankfurt/Main 2003.
156
3 Ratingverfahren externer Agenturen
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
4
Unternehmensanalyse
157
158
4 Unternehmensanalyse
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
159
Heinrich Rommelfanger 4.1
Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
4.1.1
Einleitung
159
4.1.2
Mathematisch-statistische Ratingverfahren
161
4.1.2.1
Diskriminanzanalyseverfahren....................................................................... 161
4.1.2.2
Logistische Regression................................................................................... 165
4.1.2.3
Entscheidungsbaumverfahren ........................................................................ 167
4.1.2.4
Clusteranalysen .............................................................................................. 169
4.1.3
Fuzzy-Expertensysteme
4.1.3.1
3.1 Expertensysteme ...................................................................................... 173
4.1.3.2
Fuzzy-Modellierung....................................................................................... 177
4.1.3.3
Fuzzy-Inferenz ............................................................................................... 179
4.1.4
Zusammenfassung
183
4.1.5
Übungsaufgaben und Lösungshinweise
184
4.1.6
Literaturempfehlungen
185
4.1.1
173
Einleitung
Das Kreditgeschäft ist weiterhin einer der zentralen Tätigkeitsbereiche deutscher Banken, auch wenn es in den letzten Jahren aufgrund stetig steigender Insolvenzzahlen sowie geringerer Zinsmargen schwieriger geworden ist. Durch das gestiegene Zinsbewusstsein der Kunden und die verschärfte Konkurrenz unter den Banken ist auch in absehbarer Zeit nicht mit einem Anstieg der Margen zu rechnen. Daher lässt sich die Gewinnsituation der Kreditinstitute im Wesentlichen nur durch die Verringerung des Betriebsaufwandes und der Risikokosten verbessern. Die Kreditinstitute stehen daher vor der Aufgabe, verbesserte Methoden zur standardisierten Kreditwürdigkeitsprüfung zu entwickeln, ohne dabei den Prüfungsaufwand zu erhöhen.
160
4 Unternehmensanalyse
Während in der Vergangenheit vorwiegend reine Kreditvergabeentscheidungen zu treffen waren, stellt sich mit der im Juni 2004 vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht verabschiedeten endgültigen Fassung der Rahmenvereinbarung zur Eigenkapitalunterlegung für Kreditinstitute, kurz Basel II genannt, das Problem, die Kreditnehmer entsprechend ihrer Bonität in Ratingklassen einzuteilen. Zielsetzung der Neufassung ist es, die Eigenmittelunterlegung von Krediten künftig risikoadäquat zu gestalten. Wegen der geringen Verbreitung externer Ratings außerhalb des angelsächsischen Raums wurde den Banken erlaubt, interne Ratings bei der Ermittlung der aufsichtlichen Eigenkapitalanforderungen zugrunde zu legen. Dabei müssen die internen Ratingverfahren bestimmten Mindestanforderungen genügen, um die Zulassung seitens der nationalen Aufsichtsbehörde zu erhalten. Diese Anforderungen beziehen sich u.a. auf die Auswahl der berücksichtigten Kennzahlen und die Prognosegüte der internen Ratingsysteme. Ein Unternehmensrating soll unter Einbeziehung aller verfügbaren Unternehmensinformationen eine Aussage über die Bestandsfestigkeit eines Unternehmens geben, ausgedrückt in der Wahrscheinlichkeit für den Ausfall eines Unternehmens in einem vorgegebenen Zeitraum. Bei den derzeit von Banken benutzten internen Ratingverfahren wird häufig zunächst mittels mathematisch-statistischer Methoden die materielle Kreditwürdigkeit bewertet und dann durch Hinzuziehung weiterer Informationen über Management-Qualitäten, Marktumfeld, Branchenrating, Länderrating etc. die endgültige Einteilung in die Ratingklassen vorgenommen. Da mathematisch-statistische Verfahren, wie Lineare Multivariate Diskriminanzanalyse, Regressionsanalytische Verfahren (Logit, Probit), Clusteranalyse metrisch skalierte Daten benötigen, sind sie nicht geeignet, die über die Jahresabschlussbilanzen hinausgehenden „weichen“ Einflussfaktoren adäquat zu berücksichtigen. Andererseits wird von Kreditexperten immer wieder betont, dass gerade die qualitativen Faktoren (soft facts), wie z.B. fachliche Qualität des Managements, unternehmerische Mentalität, Nachfolgereglung, Mitarbeiterzufriedenheit usw. bei der Beurteilung von Unternehmen besonders wichtig sind. Dies wurde in den letzten Jahren in mehreren empirischen Untersuchungen bestätigt und wird auch von Basel II ausdrücklich gefordert. Um die Bewertung dieser qualitativen Faktoren nicht der subjektiven Einschätzung eines Sachbearbeiter zu überlassen sondern nachvollziehbar zu beurteilen und zu verdichten, eignen sich Expertensysteme. Dabei sind insbesondere Fuzzy-Logik basierte Expertensysteme in der Lage, die Entscheidungsweise von Experten realitätsnah abzubilden. Lernziele Der Ratinganalyst soll • die Wirkungsweise ausgewählter mathematisch-statistischer Verfahren zur Aggregation von Inputinformationen zu einem Ratingurteil verstehen, • den Aufbau von Expertensystemen kennen lernen, • die Modellierung linguistischer Bewertungen mittels Fuzzy-Intervalle und die FuzzyInferenz erfassen, • die Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren gegeneinander abwägen können.
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
4.1.2
161
Mathematisch-statistische Ratingverfahren
Aus Platzgründen werden hier nur mathematisch-statistische Verfahren im engeren Sinne behandelt. Auf die Darstellung von Punktwertverfahren (Scoring-Methoden) und Neuronaler Netze wird verzichtet, da erstere einem strengeren theoretischen Anspruch nicht genügen und letztere von den Kreditsachbearbeitern als „Black Boxes“ nicht akzeptiert werden. Den Lernzielen entsprechend werden nur die einfachen Modellausführungen besprochen. Bzgl. der komplexeren Ansätze und der dazugehörigen Schätzverfahren wird auf die Literaturempfehlungen verwiesen. 4.1.2.1
Diskriminanzanalyseverfahren
Die Diskriminanzanalyse ist eine Methode zur Analyse von Gruppenunterschieden, die es ermöglicht, zwei oder mehr Gruppen simultan hinsichtlich mehrerer Merkmalsvariablen zu untersuchen. Das Ziel diskriminanzanalytischer Verfahren ist es, eine Grundgesamtheit anhand aussagefähiger Merkmale in (möglichst überschneidungsfreie) Gruppen einzuteilen. Zunächst lässt sich mit Hilfe der Diskriminanzanalyse, genauer anhand des Diskriminanzmaßes bzw. durch Interpretation der Diskriminanzkoeffizienten, die folgenden Fragen beantworten: • “Wie stark unterscheiden sich die Gruppen?” • “Wie lassen sich die Gruppenunterschiede erklären?” Ein zweites Anwendungsgebiet der Diskriminanzanalyse bildet die Klassifizierung: • “In welche Gruppe ist ein Objekt, dessen Gruppenzugehörigkeit nicht bekannt ist, aufgrund seiner Merkmalsausprägungen einzuordnen?” Diskriminanzanalytische Verfahren lassen sich einteilen in verteilungsfreie und verteilungsabhängige Verfahren. Bei letzteren wird eine bestimmte Verteilung der unabhängigen Variablen in den einzelnen betrachteten Gruppen unterstellt. Hier wird als Beispiel für eine verteilungsfreie die univariate und als Beispiel für eine verteilungsabhängige die lineare multivariate Diskriminanzanalyse betrachtet. Die univariate Diskriminanzanalyse untersucht die Trennfähigkeit der einzelnen Gruppen, z.B. solvente oder insolvente Unternehmen, mit Hilfe mehrerer Kennzahlen, die getrennt voneinander untersucht werden. Dabei werden die Kennzahlen so ausgewählt, dass sie das Trennergebnis zwischen solventen und insolventen Unternehmen am besten widerspiegeln. Basierend auf vorliegenden Daten (Lernstichprobe) wird versucht, einen Trennpunkt (cutoff-point) so festzulegen, dass die Anzahl der Fehlklassifikationen minimal ist. In Abb. 4.1-1 sind bzgl. der Kennzahl „Eigenkapitalquote“ 3 insolvente Unternehmen (gefüllter Kreis) und 3 solvente (offener Kreis) falsch eingeordnet; bei der Kennzahl „Cash Flow“ sind 3 insolvente und 4 solvente Unternehmen falsch klassifiziert. Bei gleichzeitigem Heranziehen beider univariaten Diskriminanzanalyseverfahren werden hier zwar die Extrembereiche fehlerfrei, die „Grauzonen“ lassen sich aber nicht klar zuordnen und sind noch stärker Fehler behaftet.
162
4 Unternehmensanalyse
Eigenkapitalquote
Cash Flow Abb. 4.1-1: Zweifache univariate Diskriminanzanalyse
Vorteile der univariaten Diskriminanzanalyse: • einfach und leicht nachvollziehbar • keine Verteilung für die Kennzahlen notwendig Nachteile der univariaten Diskriminanzanalyse: • bei Verwendung von sehr wenigen Kennzahlen werden nur Teilaspekte berücksichtigt • die Auswertung vieler Kennzahlen führt zu einer Komplexität, die eine Prognose nicht mehr zulässt Die lineare multivariate Diskriminanzanalyse (LMD) ermöglicht eine Gruppeneinteilung, bei der simultan mehrere Merkmalsvariable berücksichtigt werden. Das Grundprinzip von LMD besteht darin, dass mehrere Variable bei minimalem Informationsverlust durch eine Linearkombination zu einer einzigen Variablen zusammengefasst werden. Die zur Kombination der Merkmalsvariablen verwendete Funktion heißt Diskriminanzfunktion (Trennfunktion). Sie hat allgemein die folgende Form: Y = b 0 + b1X1 + b2 X 2 + ... + b J X J .
Dabei ist Y die nominal skaliert Diskriminanzvariable, Xj die metrisch skalierte Merkmalsvariable j (j = 1, 2,..., J), bj der reellwertige Diskriminanzkoeffizient zur Merkmalsvariable j und b0 eine konstante reelle Zahl. Eine Aufgabe der Diskriminanzanalyse besteht darin, die Parameter bj der Diskriminanzfunktion so zu schätzen, dass sich eine möglichst optimale Trennung zwischen solventen und insolventen Unternehmen ergibt. Die Klassenzuordnung erfolgt dann auf Basis eines errechneten Diskriminanzwerts Z, der definiert ist als Abstand von der Diskriminanzfunktion, vgl. dazu Abb. 4.1-2. Definitionsgemäß weisen normalverteilte Zufallsvariablen auf der Menge der reellen Zahlen positive Dichten auf und sind daher nie punktfremd. Der α-Fehler gibt den Anteil der tat-
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
163
sächlich kranken Unternehmen an, die aufgrund ihres Kennzahlenwertes als gesund angesehen werden können. Der β-Fehler gibt den Anteil der tatsächlich gesunden Unternehmen an, die aufgrund ihres Kennzahlenwertes als krank einzustufen sind, vgl. Abb. 4.1-3. Durch Verschieben des Diskriminanzfunktion kann die α-β-Fehlerkombination verändert werden. Dabei kann das Ziel verfolgt werden, die Gesamtzahl der Fehler – unabhängig von der Art – zu minimieren. Ein anderes Ziel wäre die Minderung der Kosten, die durch eine Fehlklassifizierung hervorgerufen werden. Dabei führt der α-Fehler zu Ausfallkosten, da Kreditnehmer den Kredit nicht mehr zurückzahlen können, und der β-Fehler zu Opportunitätskosten für den entgangenen Gewinn, da der Kredit nicht vergeben wird. Sind dann die Ausfallkosten höher als die Opportunitätskosten, so müsste der α-Fehler zu Lasten des β-Fehler verringert werden.
Fremdkapitalquote
Rentabilität
Abb. 4.1-2: Lineare Multivariate Diskriminanzanalyse
Unter den Voraussetzungen • Die ausgewählten Kennzahlen müssen in der Grundgesamtheit normalverteilt sein. • Die Kennzahlen müssen voneinander unabhängig sein. • Die Varianzen der Kennzahlen müssen in der Grundgesamtheit gleich groß sein. (Varianzhomogenität). Diese Bedingung lässt sich durch Normierung der Kennzahlen errei-
164
4 Unternehmensanalyse
chen, indem man z. B. die Standartabweichung aller Kenzahlen auf 1 normiert durch die ˆ = Substitution X j
Xj σj
.
lässt sich die LMD einfach durchführen, da sich dann in den beiden Teilmengen solvente und insolvente Unternehmen die Normalverteilungen der Merkmale mittels der linearen Diskriminanzfunktion zu Normalverteilungen der Diskriminanzvariable Y zusammensetzen lassen. Für normalverteile unabhängige Zufallsvariablen mit E(X j ) = µ j und Var(X j ) = σ2 ist auch die abhängige Variable Y normalverteilt mit E(Y) = b 0 + b1µ1 + b2µ 2 + " + b J µ J und Var(Y) = (b1 + b 2 + " + b J ) ⋅ σ2 . Anhand einer Lernstichprobe, die nochmals aufgeteilt wird in die Mengen A (solvente Unternehmen) und B (insolvente Unternehmen), lassen sich dann für beliebige Koeffizienten bj zwei normalverteilte Diskriminanzvariable YA und YB bestimmen. Die Gewichte bj sind dann so zu schätzen, dass sich die Gruppen maximal unterscheiden.
relative Häufigkeit
Trennwert
Insolvente
solvente
Graubereich
-5
0
5
10
15
20
Gesamtkennzahl Abb. 4.1-3: Normalverteilte Diskriminanzvariable YA und YB
Als Maß für die Unterschiedlichkeit von zwei Gruppen reicht die Distanz im Diskriminanzraum YA − YB nicht aus, wobei Yg = Centroid der Gruppe g (g = A, B) ist. Ein besseres Maß der Diskriminanz für die Gruppen A und B erhält man deshalb, wenn auch die Streuung in den Gruppen berücksichtigt wird. Wählt man die Standardabweichung s als Maß für die Streuung einer Gruppe, so bietet sich als ein geeignetes Diskriminanzmaß an:
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
U=
YA − YB s
oder
U2 =
(Y
A
− YB ) s
165
2
.
Die optimale Diskriminanzfunktion Y für die Gruppen A und B ist dann diejenige, hinsichtlich derer das Diskriminanzmaß U bzw. U2 maximal wird. Vorteile der linearen multivariaten Diskriminanzanalyse: • relativ einfaches Verfahren, das zu guten Diskriminanzergebnissen führt, • gute betriebswirtschaftliche Interpretierbarkeit der Diskriminanzkoeffizienten bj. Nachteile der linearen multivariaten Diskriminanzanalyse: • es sind die auf Seite 167 genannten Voraussetzungen zu erfüllen, die in der Praxis kaum für alle Kennzahlen erfüllt sind, • um die Bedingung der Unkorrreliertheit zu erfüllen, dürfen nicht zu viele Kennzahlen verwendet werden, • da die Kenzahlen metrisch skaliert sein müssen, lassen sich „weiche“ Inputfaktoren nicht direkt berücksichtigen, sie müssen durch aufwändige Methoden, z.B. mittels Lancaster-Skalierung, in annähernd metrisch skalierte Daten transformiert werden. 4.1.2.2
Logistische Regression
Ausgangspunkt der Logistischen Regression ist ein ökonometrisches Regressionsmodell, bei dem für jede einzelne Variable die Abweichungen vom Mittelwert in dem Störterm zusammengefasst sind Yi * = b0 + b1x i1 + b 2 x i 2 + ... + b J x iJ + U i = z i + U i
mit
Y i* xij bj Ui
= = = =
nicht beobachtete Variable beim i-ten Objekt, Ausprägung der Merkmalsvariable j (j = 1, 2,..., J) beim i-ten Objekt, Koeffizient der j-ten unabhängigen Variable, b0 = Konstantes Glied. Störterm, der eine logistische Verteilung aufweist
Die dichotome latente Variable yi („Insolvenzgefährdung“) nimmt die beiden Werte 1 („insolvenzgefährdet“) oder 0 („nicht insolvenzgefährdet“) an. Beobachtet wird nun 1 falls Yi * > 0 yi = . sonst 0
Die Wahrscheinlichkeit für yi = 1 ist dann Pi = Pr ob [yi = 1] = Pr ob [Yi * < 0] = Pr ob [U i > −(b 0 + b1x i1 + … + b J x iJ )] = 1 − F[− (b 0 + b1 x i1 + … + b J x iJ )],
wobei F die kumulierte Verteilungsfunktion der Störvariablen Ui ist.
166
4 Unternehmensanalyse
z
0
z2
z1
Abb. 4.1-4: Verschiedene Y*i -Verteilungen
Weist Ui eine symmetrische Dichtefunktion auf, so lässt sich Pi vereinfachend schreiben als: Pi = Pr ob [yi = 1] = F (b 0 + b1 x i1 + … + b J x iJ ) .
Diese Symmetrieeigenschaft ist für die unterstellte logistische Verteilung gegeben. Die kumulierte Verteilungsfunktion der logistische Verteilung ist definiert als Pi = F(z i ) =
e zi 1 = mit z i = b0 + b1x i1 + b2 x i 2 + ... + b J x iJ . 1 + e zi 1 + e − z i
Die zugehörige Dichtefunktion ähnelt der bekannten Gaußschen Glockenkurve der Normalverteilung. Eine Änderung der Konstanten b0 führt zu einer horizontalen Verschiebung der Kurve von F(zi). Eine Erhöhung der Koeffizienten bj führt zu einem steileren Verlauf. Der Name „logistische Verteilung“ leitet sich her aus dem Zusammenhang log
Pi F(z i ) = log = z i = b0 + b1 x i1 + b2 x i 2 + ... + b J x iJ 1 − Pi 1 − F(zi )
“Logistic Probability Unit”. Man spricht daher auch von Logit-Modellen. Da die Werte yi Realisierungen eines binomialen Prozess mit der Wahrscheinlichkeit Pi sind, ist die Likelihoodfunktion, die gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilung der Stichprobe (y1 , y2 ,…, y n ) gleich
L = ∏ Pi ⋅ ∏ (1 − Pi ) . yi =1
yi = 0
Im Rahmen eines Maximum-Likelihood-Schätzverfahren sind die Parameter bj iterativ so zu bestimmen, dass diese Wahrscheinlichkeit maximal ist. Da der Logarithmus eine monoton steigende Funktion ist, lässt sich diese Berechnung vereinfachen durch Maximierung von ln L = ∑ ln Pi ⋅ ∑ ln (1 − Pi ) = − ∑ ln (1 + e − zi ) − ∑ z i . yi =1
yi = 0
yi =1
yi = 0
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
167
Vorteile der Logistischen Regression • Da die Kennzahlen der einzelnen Unternehmen direkt in die Bewertung eingehen, sind keine Verteilungsannahmen für die einzelnen Kennzahlen nötig. Die Abweichungen aller Kennzahlen vom Mittelwert werden für jedes Unternehmen durch die Störvariable beschrieben • Dieses Verfahren lieferte bei mehreren empirischen Untersuchungen gute Ergebnisse und ist daher die aktuell favorisierte Methode beim Aufbau neuer Ratingverfahren. Nachteile der Logistischen Regression • Da die bj nun die Änderung des Logit der abhängigen Variablen bei einer Änderung einer unabhängigen Variablen um eine Einheit darstellen, ist die Überprüfung der geschätzten Klassifikationsfunktion auf betriebswirtschaftliche Widerspruchsfreiheit nicht so einfach wie bei der LMD. • Zu der in der Literatur zu findenden Behauptung, dass die Merkmalsvariablen bei der logistischen Regression ein beliebiges Skalenniveau aufweisen können, ist festzustellen, dass dies maßtheoretisch falsch ist. Eine lineare Gleichung verlangt metrisch skalierte und unkorrelierte Daten. Um die Parameter bj sinnvoll interpretieren zu können, müssen die Maßstäbe für die einzelnen Variablen vergleichbar sein und die gleiche Dimension aufweisen. 4.1.2.3
Entscheidungsbaumverfahren
Beim Entscheidungsbaumverfahren erfolgt die Einteilung von Objekten in Klassen durch die hintereinander geschaltete Abfrage der Ausprägung bestimmter, vorher festgelegter Eigenschaften. Die Anwendung des Entscheidungsbaumverfahrens ist relativ einfach. Viel komplexer ist die Konstruktion eines Entscheidungsbaums. Dafür werden rekursive Partitionierungs-Algorithmen eingesetzt. Eine Lernstichprobe mit bekannten Klassenzugehörigkeiten der beinhalteten Stichprobenelemente bildet dabei die Datenbasis zur Gewinnung optimaler Trennkriterien für jede Abfrage. Die Ermittlung der optimalen Baumgröße, d.h. der optimalen Anzahl hintereinander geschalteter Abfragen, und die Auswahl der Merkmale mit der besten Trennschärfe, die zu möglichst homogenen Untergruppierungen der Lernstichprobe führen und letztlich eine einfache Zuweisung der Klassenzugehörigkeit zu den Endknoten ermöglichen, ist ein hochdimensionaler kombinatorischer Prozess. Der bekannteste rekursive Partitionierungs-Algorithmus ist das CART-Verfahren „Classification Regression Trees“, das nur rein binäre Entscheidungsbäume unterstützt. D.h. die Aufteilung einer Stichprobe von Objekten erfolgt bei jedem Schritt des Verfahrens nur in jeweils zwei Teilmengen. Ausgehend von einem Wurzelknoten, der alle Elemente der Lernstichprobe enthält, entstehen durch eine Ja/Nein-Frage zwei Tochterknoten als disjunkte Teilmengen der Lernstichprobe. Als Zwischenknoten können diese zu weiteren Tochterknoten führen oder sie sind bereits Endknoten. Jeder Endknoten wird eindeutig einer Klasse (bspw. einer Rating-Klasse) zugeordnet. Einer Klasse können aber mehrere Endknoten zugeordnet sein. Die Gestalt des Baumes hängt ab von:
168
4 Unternehmensanalyse
(1) der Art der Aufteilung der Eltern- in Tochterknoten (Trennkriterium), (2) der Entscheidung einen Knoten als Endknoten zu deklarieren oder weiter aufzuteilen (Baumgröße) und (3) der Bestimmung der Klassenzugehörigkeit der jeweiligen Endknoten. Wie schwierig der Aufbau eines optimalen Entscheidungsbaums ist erkennt man schon an dem nachfolgenden fiktiven Beispiels für die Unterstützung der Vergabe eines Privatkredits, vgl. Abb. 4.1-5. Bei dem heute üblichen Kredit-Scoring von Privatpersonen werden diese oft durch mehr als 15 Merkmale charakterisiert, die zum Teil nominal, ordinal und zum geringen Teil kardinal skaliert sind. Selbst in diesem einfachen Fall liegt ein hochdimensionales kombinatorisches Problem vor, bei dem nicht nur die Reihenfolge der Fragen sondern auch die Festlegung der Trenngröße viele Möglichkeiten zulässt. JA
NEIN Gutes Konto ? *
1
NEIN
JA Laufzeit < 24,5 Monate ?
JA
NEIN Beschäftigungsdauer > 1,5 Jahre ? **
JA
1
0
NEIN Laufzeit < 12,5 Monate ? JA
0
NEIN Kreditsumme < 500 € ?
0
1
Abb. 4.1-5: Entscheidungsbaum für die Vergabe eines Privatkredits * Gehaltskonto seit mindestens 1 Jahr oder stets ≥ 100 € auf dem Konto ** Ist seit mehr als 1,5 Jahre bei dem aktuellen Arbeitgeber beschäftigt 1 bedeutet kreditwürdig, 0 steht für nicht-kreditwürdig
Vorteile von Entscheidungsbäumen • Es können beliebig skalierte Informationen verarbeitet werden • Das Entscheidungsbaumverfahren ist leicht verständlich, gut interpretierbar und lässt sich leicht in der Praxis anwenden. • Die Endknoten lassen sich auch zu mehr als zwei Klassen zuordnen.
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
169
Nachteile von Entscheidungsbäumen • Die Konstruktion eines Entscheidungsbaumes ist ein komplexes kombinatorisches Problem. Die im Handel erhältlichen Statistikpakete führen nur zu suboptimalen Bäumen, da hier die Reihenfolge der Fragen von der Erklärungskraft der Merkmale in Voranalysen (z.B. mittels univariaten Diskriminanzanalysen) abhängt oder subjektiv vorgegeben wird. 4.1.2.4
Clusteranalysen
Mit dem Sammelname „Clusteranalyse“ bezeichnet man mathematisch-statistische Verfahren, mit deren Hilfe eine Menge von Objekten zu homogenen Teilmengen (Klassen, Cluster) gruppiert werden kann. Die Klassenbildung erfolgt dabei so, dass Objekte mit möglichst ähnlichen Eigenschaften in einer Klasse zusammengefasst und „unähnliche“ Objekte unterschiedlichen Klassen zugeordnet werden. Eine Klasse ist hierbei Element einer Partition P = {P1 ,…, Pc } , d.h. die Gesamtmenge wird in paarweise disjunkte, nicht leere Teilmengen zerlegt. Im Gegensatz zur LMD und logistischer Regression, bei denen zunächst nur eine Trennung in solvente und insolvente Klassen erfolgt und darauf aufbauend weitere Unterklassen konstruiert werden, ist die Clusteranalyse das geeignete Instrumentarium um Ratingklassen zu bilden und inhaltlich zu interpretieren. Da eine Aufteilung der Kunden in Ratingklassen erst mit Basel II notwendig wird, sind Clusteranalyse basierte Credit-RatingSysteme erst in der Entwicklung. Favorisiert werden dabei Vektor Support-Algorithmen. Die Ermittlung einer Partition läuft generell nach dem folgenden Schema ab: Um eine Menge von n Objekten in Cluster zu partitionieren, sind zunächst Merkmale festzulegen, die für die Verwandtschaft zweier Objekte ausschlaggebend sind oder diese möglichst eindeutig im Kontext der jeweiligen Zielsetzung der Klassifizierung diskriminieren. Die Anzahl der Merkmale sollte nicht zu groß sein, um zu vermeiden, dass diese miteinander korreliert sind. Der Anwender hat dann für jedes Objekt Oi, i = 1, ..., n, einer Menge E die Ausprägungen der Merkmale Mj, j = 1,...,f, zu quantifizieren; sie werden durch mij symbolisiert. Die sich so ergebende n × f-Matrix M wird als Datenmatrix bezeichnet. M1 m11 m2l M= " m n1
M2 . m12 m 22 " mn 2
Mf ... m1f O1 ... m 2 f O2 " " ... m nf O n
Merkmal Objekt Objekt " Objekt
Im nächsten Schritt ist für jedes Objektpaar Ok und Ol ein Ähnlichkeits- oder Distanzwert (Proximitätsmaße) zu ermitteln, der unter Einbeziehung sämtlicher relevanter Merkmale Mj dessen Ähnlichkeit bzw. Verschiedenheit repräsentiert. Da die meisten Verfahren mit Distanzen arbeiten, wird hier die Darstellung auf diesen Typ beschränkt. Bezeichnet mi den
170
4 Unternehmensanalyse
Merkmalsvektor (mi1 , mi 2 ,…, mif ) , so wird ein Distanzwert zwischen zwei Objekten Ok und Ol mittels einer Distanzfunktion d berechnet, die den Merkmalsvektoren mk und ml eine reelle Zahl zuordnen: d kl = d(m k , m l ) . Distanzmaße sind nicht-negativ und erfüllen die so genannte Dreiecksungleichung d kl ≤ d kr + d rl . Die wichtigsten Proximitätsmaße sind die Spezialfälle der Lq-Distanz bzw. Minkowskif
1
Metrik d kl = [∑ | m kj − m lj |q ]q , wobei q eine natürliche Zahl größer oder gleich eins ist. j=1
Von großer praktischer Relevanz ist die euklidische Distanz, bei der q = 2 gewählt wird. Bei der Verwendung der Distanzen sind oft die Merkmale von unterschiedlicher Wichtigkeit und weisen verschiedene Maßstäbe auf. Um die Bedeutung der Merkmale zu berücksichtigen und diese auf eine einheitliche Skala zu transformieren wird in der Literatur die Verwendung f
einer gewichteten euklidischen Distanz vorgeschlagen: d kl = [∑ g j (m kj − m lj )2 ]2 1
j=1
Da sowohl das Gewichten der Merkmale als auch die Angleichung der unterschiedlichen Maßstäbe nur nach subjektiven Kriterien erfolgen kann, besteht die Gefahr, dass die Ergebnisse der Clusteranalyse durch die Festlegung der Gewichte gj vom Anwender manipuliert werden. Auf der anderen Seite ist davon auszugehen, dass ein Nutzer der Clusteranalyse im Regelfall kein Interesse daran haben wird, Ergebnisse bewusst zu verzerren. Dennoch sollte man sich darüber im Klaren sein, dass Gewichtungen durch korrelierte Merkmale verstärkt bzw. abgeschwächt werden können, so dass es zu Verzerrungen der Gruppierungsergebnisse kommen kann. Um dies bei euklidischen Distanzen zu vermeiden, empfiehlt sich die Verwendung der Mahalanobis-Distanz: 1
d K−1 (m kj , m lj ) = [(m kj − m lj )T K −1 (m kj − m lj )]2
wobei K −1 die Inverse der Kovarianzmatrix der Variablen ist. Dieses Distanzmaß hat den Vorteil, dass es etwaige Korrelationen zwischen den Variablen eliminiert werden. Voraussetzung ist aber, dass die Kovarianzmatrix K bekannt ist und invertiert werden kann. Nach Auswahl eines Proximitätsmaßes ist die Datenmatrix M in eine Distanzmatrix D zu überführen: O1
O2
On
d11 d12 ... d1n O1 d 21 d 22 ... d 2 n O2 D= " " " " d n1 d n 2 ... d nn O n
Liegen alle Ähnlichkeits- bzw. Distanzwerte in Form einer Ähnlichkeits- oder Distanzmatrix vor, so ist im nächsten Schritt ein geeigneter Clusteralgorithmus zu wählen. In der Praxis
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
171
werden überwiegend hierarchische Verfahren zur Bildung der Cluster verwendet, wobei zwischen agglomerativen und divisiven Verfahren unterschieden wird. Ausgangspunkt divisiver Verfahren ist ein Gesamtcluster, das alle Elemente enthält. Die Cluster werden dann schrittweise in kleinere Cluster zerlegt. Da divisive Verfahren im Vergleich zu agglomerativen Varianten in der Regel zu schlechteren Ergebnissen führen und rechenaufwendiger sind, werden sie in der Praxis kaum verwendet. Im Gegensatz dazu geht man bei agglomerativen Algorithmen davon aus, dass zu Beginn jedes Objekt ein eigenes Cluster bildet. Diese Anfangspartition wird dann schrittweise modifiziert, indem die Cluster sukzessiv zu größeren Aggregaten zusammengefasst werden. Im Einzelnen sind die nachfolgenden Schritte durchzuführen: (1) Auswahl eines Proximitätsmaßes und eines hierarchisch-agglomerativen Verfahren. (2) Berechnung der Distanzen zwischen den Clustern. (3) Ermittlung der Cluster Pk und Pl, die zueinander die minimale Distanz aufweisen. Existieren bei einem Iterationsschritt mehr als zwei Cluster mit minimaler Distanz, so lässt der Algorithmus offen, welche dieser Cluster fusioniert werden sollen. Will man nicht willkürlich entscheiden, können zusätzliche Unterscheidungsmerkmale herangezogen werden. (4) Verschmelzung des Clusterpaars Pk und Pl zum Agglomerat Pq und Ersetzung der Cluster Pk und Pl durch das neue Cluster Pq. (5) Berechnung der Proximitäten zwischen dem neuen Cluster Pq und den verbleibenden Klassen Pr, r = 1,..., c | r ≠ k, l. Das Verfahren endet, wenn die gewünschte Anzahl an Clustern erreicht ist; dies ist spätestens nach n-1 Iterationen der Fall. Die einzelnen Varianten unterscheiden sich in den Schritten 3 und 5 des Algorithmus bei der Auslegung der Begriffe minimale Distanz (Schritt 3) und bei der Neuberechnung der Proximitäten (Schritt 5). Zu den wichtigsten Varianten agglomerativer Verfahren zählen das Single-Linkage- oder auch Nearest-Neighbour-Verfahren, das Complete-Linkage- oder auch Furthest-Neighbour-Verfahren und die Ward-Methode. Beispielhaft wird das Ward-Verfahren genauer beschrieben, da es meistens die besten Resultate liefert. Hier wird für jedes Cluster Pz, z = 1,..., c, zunächst der Clustercentroid berechnet, der die Klasse Pz repräsentiert und definiert ist als Vektor der Mittelwerte aller Merkmalsausprägungen der Elemente von Pz: 1 uz = ∑ mi , n z ist hierbei die Anzahl der Objekte des Clusters Pz . n z Oi∈Pz c
Dann berechnet man die Gesamtvarianz: w(P) = ∑ z =1
∑ |m
Oi ∈Pz
i
− u z |2 .
Beim Ward-Verfahren agglomeriert man jene Cluster, die zu einem minimalen Anstieg der Gesamtvarianz führen. Der Zuwachs der Gesamtvarianz Δw , der sich bei der Fusion zweier n n Cluster Pk und Pl ergibt, lässt sich durch bestimmen als Δw(Pk , Pl ) = k l | u l − u k |2 . nk + nl
172
4 Unternehmensanalyse
Im nächsten Iterationszyklus wird dann wieder die Gesamtvarianz als Summe der Intraclustervarianzen berechnet und jenes Clusterpaar fusioniert, das zum geringsten Zuwachs der Gesamtvarianz führt, usw. Da man oft nicht genau weiß, wie viele Cluster gebildet werden sollen bzw. kann man als optische Hilfe das Resultat des Algorithmus mittels eines so genannten Dendogramms grafisch aufbereiten, vgl. Abb. 4.1-6. Aus den metrischen Abständen der Hierarchieebenen lassen, Rückschlüsse auf die Clusterstrukturen ziehen. Beispielsweise deuten sprunghafte Veränderungen der Proximitäten bei der Aggregation darauf hin, dass die zuletzt fusionierten Cluster relativ wenige Gemeinsamkeiten aufweisen und daher ein heterogenes Aggregat bilden. Zudem lassen sich Ausreißerobjekte daran erkennen, dass sie erst relativ spät einem Cluster zugeordnet werden. Bleibt die Anzahl der Elemente eines Clusters über einen weiten Bereich der Distanzskala konstant, so kann das entsprechende Cluster als wohlsepariert angesehen werden.
Abb. 4.1-6: Dendogramm
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
173
Da bei hierarchisch-agglomerativen Verfahren einmal gebildete Cluster nicht wieder aufgelöst werden können, muss damit gerechnet werden, dass die Clusterbildung nicht optimal ist. Mittels partitionierender Verfahren kann dann die Klassenbildung verbessert werden. Zu den gebräuchlichsten partitionierender Verfahren zählt die Austauschmethode, bei der nach der Ermittlung einer Anfangspartition mit c Clustern ein Element aus einem Cluster entfernt und einer anderen Klasse zugefügt wird. Daraufhin ist für die betreffenden Cluster ein benutzerdefiniertes Gütekriterium, z.B. ein Homogenitäts- bzw. Heterogenitätsmaß, neu zu berechnen. Anschließend wird das Element nach und nach den verbleibenden c-2 Clustern zugefügt und die Berechnung der jeweiligen Gütekriterien durchgeführt. Schließlich wird jene Partition übernommen, die zur größten Verringerung der Heterogenität führt. Das Verfahren endet, wenn alle Elemente überprüft sind. Die ermittelte Lösung konvergiert dabei lediglich gegen ein lokales Optimum, da pro Iterationsschritt nur ein Objekt ausgetauscht wird. Da auch die Auswahl einzelner Clusterelemente bei mehreren Merkmalen unübersichtlich ist, existieren so genannte Fuzzy C-Mean-Cluster-Verfahren, die sich in der Anwendung als überlegen erwiesen haben. Vorteile von Clusteranalysen • Es werden direkt (Rating-)Klassen gebildet, die sich über die Merkmalsausprägungen inhaltlich interpretieren lassen. Nachteile von Clusteranalysen • Eine direkte Ermittlung von Proximitäten zwischen Objekten ist definitionsgemäß nur bei metrisch skalierten Merkmalen möglich, es existieren aber Hilfskonstruktionen, um auch mit ordinal skalierten oder nominal skalierten Attributen arbeiten zu können.
4.1.3
Fuzzy-Expertensysteme
Komplexe Entscheidungsfragen und Probleme mit unvollständigen Informationen lassen sich zumeist nicht hinreichend genau in Form eines mathematischen Systems modellieren. Oft führen die getroffenen Annahmen zu einer zu starken Vereinfachung des Modells oder für realistischere Modelle fehlen geeignete Lösungsverfahren. Im Gegensatz dazu sind Menschen in der Lage, auch komplizierte Fälle befriedigend zu lösen, und Personen die über anerkanntes Know-how auf einem bestimmten Wissensgebiet verfügen, werden als Experten bezeichnet. Eine Idee vor ca. 25 Jahren war es, anstelle des Problemgegenstandes das Entscheidungsverhalten von Experten zu modellieren. 4.1.3.1
Expertensysteme
Expertenwissen basiert normalerweise nicht auf einer strengen theoretischen Fundierung, es besteht vielmehr aus heuristischen Vorgehensweisen und Regeln, die der Experte bei seiner Entscheidungsfindung verwendet. In einem Expertensystem wird deshalb versucht, dem Konzept der Künstlichen Intelligenz folgend, intelligentes Problemlösungsverhalten von Menschen nachzubilden.
174
4 Unternehmensanalyse
Allgemein versteht man heutzutage unter einem Expertensystem ein wissensbasiertes Informationssystem, das • Fakten- und Erfahrungswissen der Experten von meist heterogener Struktur für ein definiertes Anwendungsgebiet repräsentiert, • bei der Akquirierung und Veränderung dieses Wissens hilft, • mit häufig heuristischen Methoden Schlüsse daraus zieht und • diese dem Anwender erklärt und dokumentiert. Die nachfolgende Abbildung gibt einen Überblick über den grundsätzlichen Aufbau und die wesentlichen Komponenten eines Expertensystems. Um für eine spezielle Problemstellung, z.B. ein Credit Rating, das Entscheidungsverhalten von Experten nachzubilden zu können, müssen zunächst Experten identifiziert werden, die über das benötigte Fach- und Erfahrungswissen verfügen. Dafür ist die Wissenserwerbskomponente zuständig, in der durch Befragung und Beobachtung von Experten die Wissensbasis aufgebaut und das problemspezifische Expertenwissen in eine für den Computer verarbeitbare Form transformiert wird. Benutzer
Erklärungskomponente
Experte
Dialogkomponente
Wissenserwerbskomponente
Inferenzkomponente
Wissensbasis Abb. 4.1-7: Architektur von Expertensystemen
Die Wissensbasis ist der Kern eines jeden Expertensystems. Hier werden die verschiedenen Arten an Wissen so abgelegt, dass sie möglichst klar und leicht in ihrem Wesen erkennbar sind und Struktur erhaltend repräsentiert werden. Das Wissen resultiert häufig aus Erfahrung und wird zumeist über individuelle Wenn-Dann-Regeln (Modus Ponens-Regeln) dargestellt, wobei normalerweise mehrere Prämissen miteinander konjunktiv verknüpft sind. Die Inferenzkomponente ist dafür verantwortlich, dass aus der Wissensbasis Schlussfolgerungen für konkrete Einzelfälle abgeleitet werden. Die Verarbeitung von Merkmalsausprägungen erfolgt zumeist mittels regelbasierter Aggregation. Die Inferenzkomponente steuert die Abarbeitung der Regeln und prüft anhand der Daten, ob die Voraussetzungen zur Anwendung einer Regel zutreffen. Ist eine solche Regel gefunden, wird die Schlussfolgerung dieser Regel aktiviert. Diese Vorgehensweise bietet einen sehr flexiblen Weg zur Aggrega-
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
175
tion von Kennzahlen, wie der Regelsatz zur Bewertung der „Änderung der Vorräte“ in Tabelle 1 demonstriert, der aus einer Dissertation über die Verwendung von Fuzzy-Logik in der Jahresabschlussprüfung stammt. In Tabelle 4.1-1 wird sichtbar, dass die 3. Kennzahl fast keine Rolle spielt. Einzige Ausnahme ist die Konstellation, bei der die 1. Kennzahl niedrig und die 2. Kennzahl durchschnittlich bewertet wird. Dann dominieren die Ausprägungen der 3. Kennzahl. Weiterhin erkennt man am Fettdruck innerhalb der Tabelle, dass der Einfluss der beiden ersten Kennzahlen wechselt. Eine feste Proportionalität der Unterziele auf das Oberziel, wie dies normalerweise in mathematischen Aggregationsformeln vorausgesetzt wird, liegt hier nicht vor. Ein weiterer bedeutender Vorteil dieser regelbasierten Verknüpfung von Merkmalen ist, dass die Skalierungen der Eingangsgrößen keine Rolle spielen, da alle Merkmale in verbale Beurteilungen, z.B. „niedrig“, „mittel“, „gut“, transformiert werden. Unterschiedlich skalierte Merkmale werden so vergleichbar gemacht. Umsatz GJ Umsatz VJ
Regel
Δ − Umsätze Δ − Vorräte
Δ − Auftragsbest. Δ − Vorräte
1
hoch
hoch
2
hoch
durchschnittlich
gut
3
hoch
niedrig
mittel
4
durchschnittlich
hoch
gut
5
durchschnittlich
durchschnittlich
mittel
6
durchschnittlich
niedrig
schlecht
7
niedrig
hoch
gut
8
niedrig
durchschnittlich
hoch
Änderung der Vorräte gut
gut
9
niedrig
durchschnittlich
durchschnittlich
mittel
10
niedrig
durchschnittlich
niedrig
schlecht
11
niedrig
niedrig
schlecht
Tabelle 4.1-1: Bewertung der „Änderung der Vorrate“
Das Dialogsystem umfasst neben der Wissenserwerbskomponente die Dialogkomponente und die Erklärungskomponente. Die Dialogkomponente ist die Schnittstelle zwischen Anwender und Expertensystem, die der Eingabe der Daten dient. Die Erklärungskomponente soll schließlich die Fähigkeit eines Experten simulieren, seinen Urteilsfindungsprozess und seine getroffenen Entscheidungen zu begründen. Komplexe oder nicht direkt messbare Ziele, wie z.B. Kreditwürdigkeit, können „verschärft“ werden, indem man sie durch ein hierarchisches System aus Unterkategorien oder Teilaspekten detaillierter beschreibt. Die Unschärfe solcher Begriffe rührt daher, dass es bei der praktischen Handhabung unmöglich oder nur mit unzumutbarem Aufwand machbar ist, alle benötigten Informationen zu sammeln und zu einem Gesamturteil zu aggregieren. Oft sind die
176
4 Unternehmensanalyse
Begriffe selbst bzw. die Unteraspekte nur qualitativ bewertbar und man versucht daher, sie mittels quantitativ fassbarer Hilfsgrößen genauer zu beschreiben. Bedingt durch die begrenzten Fähigkeiten des menschlichen Gehirns sollte beim Aufbau eines hierarchischen Zielsystems darauf geachtet werden, dass bei jedem Einzelschritt nicht mehr als 3 Inputmerkmale verknüpft werden. Ein Beispiel für eine solche Zielhierarchie gibt die Abbildung 4.1-8, bei der in einem „Top Down“-Ansatz die zu beurteilende Zielgröße „Materielle Kreditwürdigkeit“ stufenweise zerlegt wird.
Materielle Kreditwürdigkeit
Vermögenslage
Cash Flow
Eigenkapital
Fremdkapital
Finanzlage
Ertragslage
Selbstfinanzierungskraft
Liquidität
Rentabilität
Ergebnisstruktur
Aufwandsstruktur
Abb. 4.1-8: Hierarchisches Bewertungssystem „Materielle Kreditwürdigkeit“
Diese Beurteilungshierarchie wird noch ergänzt durch eine zusätzlichen vierte Zielebene mit zwanzig Jahresabschlusskennzahlen. Z.B. fließen in das Analysefeld „Eigenkapital“ die Beurteilungen der Kennzahlen „EK-Quote I“, „EK-Quote II“ und „Sachanlagendeckungsgrad“ ein. Die Auswahl der Kennzahlen und der Hierarchieaufbau basieren auf dem Wissen und den Erfahrungen der befragten Experten. Zusätzlich wurden Kennzahlen verwendet, die sich in anderen empirischen Untersuchungen als besonders aussagekräftig erwiesen haben. Ein großer Vorteil dieses Verfahrens liegt somit in der Möglichkeit, individuell angepasste, problem- und situationsspezifische Expertensysteme aufzubauen. Die wissensbasierte Aggregation erfolgt dann in einem „Bottom Up“-Ansatz, wobei die bewerteten Merkmale auf der Eingangsebene mittels Regeln und/oder Operatoren stufenweise zu einem Gesamturteil auf der obersten Ebene verdichtet werden. Ein Manko der ersten Expertensysteme war, dass die linguistischen Bewertungen durch klassische Intervalle beschrieben wurden. Für die Kennzahl „EK-Quote I“ könnte die Definition der verbalen Bewertungen wie folgt aussehen:
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
niedrig
mittel 10 %
177
hoch 30 %
EK-Quote I
Abb. 4.1-9: Beschreibung linguistischer Bewertungen durch disjunkte Intervalle
Der Nachteil der Verwendung klassischer Intervalle zur Beschreibung linguistischer Bewertungen wird hier gut sichtbar. Werte innerhalb eines Intervalls werden gleich bewertet, auch wenn sie sich stark unterscheiden; z.B. wird eine EK-Quote von 31 % gleichermaßen als „hoch“ bewertet wie eine EK-Quote von 100 %. Andererseits können relativ kleine Änderungen zu einer anderen Bewertung führen, wenn dabei die Intervallgrenze überschritten wird. Fällt z.B. die EK-Quote von 31 % auf 29 %, so wird sie als „mittel“ klassifiziert. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Experte kaum in der Lage ist, die Klassengrenzen ausreichend zu begründen; die Einteilung wird stets zu einem hohen Grad subjektiv beeinflusst sein. Eine „bessere“ Klassifizierung ließe sich zwar erreichen, indem man die Anzahl der Intervalle vergrößert. Dies hätte aber bei Verwendung der regelbasierten Aggregation zur Folge, dass die Zahl der benötigten Verarbeitungsregeln überproportional wachsen und damit auch das Risiko ansteigen würde, dass der Experte nicht mehr in der Lage ist, die Regeln inhaltlich zu begründen. 4.1.3.2
Fuzzy-Modellierung
Einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten die ab 1981 entwickelten Expertensysteme zur Steuerung technischer Prozesse, die unter dem Sammelnahmen „Fuzzy Control“ mittlerweile weltweit eingeführt und als besonders leistungsfähig anerkannt sind. Mittlerweile hat diese Technik in alle Bereiche des täglichen Lebens Einzug gehalten. In modernen Kameras und Camcordern sorgen Fuzzy-Chips dafür, dass Brennweiten und Belichtung richtig eingestellt werden und dass die Aufnahmen nicht verwackeln. Staubsauger und Waschmaschinen werden „elektronisch gesteuert“, in Deutschland eine Umschreibung für Fuzzy ControlSteuerungen. Diese Fuzzy–Expertensysteme werden heute vielfältig eingesetzt zur Steuerung chemischer Prozesse und technischer Prozesse, u.a. auch in der Robotersteuerung. Die Idee, das Grundprinzip dieser technischen Expertensysteme auch in Entscheidungs- und Bewertungsproblemen zu nutzen, wurde erstmals 1993 von Rommelfanger artikuliert. Der Kerngedanke ist die Beschreibung der linguistischen Bewertungen in Form von FuzzyIntervallen und die Verwendung der Fuzzy-Inferenz bei der Aggregation der einzelnen Hierarchiebereiche. Ausgenutzt werden hier die Vorteile der Fuzzy-Mengen-Theorie, die 1965 von Lotfi A. Zadeh publiziert wurde. Im Gegensatz zur klassischen Mengendefinition, bei der jedes Element entweder eindeutig in einer Menge enthalten oder nicht enthalten ist, können bei einer Fuzzy-(Teil-)Menge die Elemente auch nur zu einem gewissen Grad der betrachteten Menge angehören. Dieser Grad wird dann durch den Zugehörigkeitswert µ repräsentiert.
178
4 Unternehmensanalyse
Eine Fuzzy-Menge (fuzzy set) ist wie folgt definiert: Ist X = {x} eine Menge von Objekten, die hinsichtlich einer unscharfen Aussage zu bewerten sind, so heißt ~ A ={(x, µA(x)) | x ∈ X} mit µA : X → [0, 1] eine Fuzzy-(Teil-)Menge auf X. Die Bewertungsfunktion µA wird Zugehörigkeitsfunktion genannt. Zur Beschreibung der einzelnen verbalen Beurteilungen „niedrig“, „mittel“ und „hoch“ werden so genannte Fuzzy-Intervalle gebildet. Dabei werden die scharfen Intervallgrenzen aus Abbildung 4.1-9 nun dahingehend „aufgeweicht“. Dazu wird zunächst der Bereich definiert, den der Experte generell als eindeutig „mittel“ einschätzen würde. In vorliegenden Fall sind dies alle Werte zwischen 12 % und 28 %. Kennzahlenausprägungen, die in dieses Intervall fallen, gehören dann mit einem Zugehörigkeitsgrad von 1 zur Menge der mittleren Ausprägungen. Danach bestimmt der Experte die Werte, ab denen er eine Kennzahl keinesfalls mehr als „mittel“ einschätzen würde, z.B. alle Ausprägungen kleiner als 8 % oder größer als 32 %. Diese Werte besitzen einen Zugehörigkeitsgrad von 0 zur betrachteten Menge mittlerer Ausprägungen. Die Bereiche zwischen den Intervallen mit eindeutiger Zuordnung können mittels monoton steigender bzw. fallender Zugehörigkeitsfunktionen überbrückt werden, wobei diese im Allgemeinen unterschiedliche Formen haben können. Obgleich empirische Untersuchungen ergeben haben, dass s-förmige Zugehörigkeitsfunktionen das menschliche Beurteilungsverhalten besonders gut beschreiben, sollen dennoch zum leichteren Verständnis hier lineare Zugehörigkeitsfunktionen verwendet werden, vgl. Abb. 4.1-10.
µ 1
niedrig
mittel
hoch
0,5
8
10 12
28 30 32
EK-Quote I [%]
Abb. 4.1-10: Trapezförmige Fuzzy-Intervalle
Bei der Ermittlung der Zugehörigkeitsfunktionen sollte sowohl Experten- als auch Datenwissen genutzt werden. Dabei muss zunächst ein geeigneter Vergleichsmaßstab für die Beurteilung eines Unternehmens gefunden werden. In der Praxis sind dies z.B. Unternehmen gleicher Größe oder gleicher Rechtsform. Als Beispiel wird in Abb. 4.1-11 ein Ansatz dargestellt, der sich an Quartilwerten der zugehörigen Branche orientiert.
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
µ 1
mittel
niedrig
179
hoch
EK-Quote I 25 %
25 %
25 %
Abb. 4.1-11: Empirische Ermittlung der Zugehörigkeitsfunktionen
Diese standardisierte Vorgehensweise ist jedoch nicht in allen Fällen sinnvoll. Bei Kennzahlen, die eine Aussage über den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens zulassen, z.B. Rentabilitätskennzahlen, ist neben einer relativen auch eine absolute Kennzahlenbeurteilung notwendig, in dem Sinne, dass für die Zugehörigkeit zu einer Beurteilungsklasse gewisse Mindestbedingungen erfüllt werden müssen. 4.1.3.3
Fuzzy-Inferenz
Die Vorgehensweise der Fuzzy-Inferenz wird anhand eines Beispielunternehmens (EK-Quote I 11,19 %; EK-Quote II 37,58 %; Sachanlagendeckungsgrad 138,49 %) für den Analysebereiche „Eigenkapital“ veranschaulicht. Die aus den Kennzahlenausprägungen ermittelten Zugehörigkeitswerte für die einzelnen Urteilsklassen sind in der Tabelle in Abb. 4.1-12 angegeben. EK-Quote I
1
EK-Quote II
1 0,5
0,5 0 5,00
25,00
45,00
0 10,00
30,00
50,00
Tabelle der Zugehörigkeitswerte
Sachanlagendeckungsgrad 1
Kennzahl
0,5 0 50
150
250
350
450
70,00
550
Abb. 4.1-12: Subaspekte des Analysefelds „Eigenkapital“
Bewertung niedrig
mittel
hoch
EK-Quote I
0,66
0,34
0
EK-Quote II
0
1
0
0,36
0,64
0
Deckungsgrad
180
4 Unternehmensanalyse
Danach weist die Kennzahl „EK-Quote I“ einen Zugehörigkeitswert von 0,66 in die Klasse „niedrig“ und einen Zugehörigkeitswert von 0,34 in die Klasse „mittel“ auf. Die Kennzahl „EK-Quote II“ wird als „eindeutig mittel“ klassifiziert. Die Kennzahlenausprägungen werden durch den dargestellten Fuzzifizierungsprozess intuitiv nachvollziehbar in eine verbale Form transformiert, die eine regelbasierte Weiterverarbeitung ermöglicht. In Tabelle 4.1-2 ist der Regelsatz für das Beurteilungsfeld „Eigenkapital“ dargestellt, zu jeder Beurteilungsklasse der einzelnen Kennzahlen wird der entsprechende Zugehörigkeitswert angegeben. Um den Experten einen größeren Differenzierungsspielraum bei der Regelbeurteilung zu geben, wurden für die Beurteilung des Eigenkapitals neben den Kategorien „schlecht“, „mittel“ und „gut“ noch vier weitere Abstufungen eingeführt.
Regel
EK-Q I
µ
EK-Q II
µ
Deckungsg.
µ
EK
1
h
0,00
h
2
h
0,00
h
0,00
h
0,00
g
0,00
m
0,64
3
h
0,00
g
h
0,00
n
0,36
g
4
h
5
h
0,00
m
1,00
h
0,00
g–
0,00
m
1,00
m
0,64
6
g
h
0,00
m
1,00
n
0,36
g–
7
h
0,00
n
0,00
h
0,00
m–
8
h
0,00
n
0,00
m
0,64
m
9
h
0,00
n
0,00
n
0,36
m–
10
m
0,34
h
0,00
h
0,00
g–
11
m
0,34
h
0,00
m
0,64
g
12
m
0,34
h
0,00
n
0,36
g–
13
m
0,34
m
1,00
h
0,00
m
14
m
0,34
m
1,00
m
0,64
m+ m
15
m
0,34
m
1,00
n
0,36
16
m
0,34
n
0,00
h
0,00
s
17
m
0,34
n
0,00
m
0,64
s+
18
m
0,34
n
0,00
n
0,36
s
19
n
0,66
h
0,00
h
0,00
m–
20
n
0,66
h
0,00
m
0,64
m
21
n
0,66
h
0,00
n
0,36
m–
22
n
0,66
m
1,00
h
0,00
s+
23
n
0,66
m
1,00
m
0,64
m–
24
n
0,66
m
1,00
n
0,36
s+
25
n
0,66
n
0,00
h
0,00
s
26
n
0,66
n
0,00
m
0,64
s
27
n
0,66
n
0,00
n
0,36
s
Tabelle 4.1-2: Regelsatz Eigenkapital
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
181
Expertenregeln werden nur für die Fälle formuliert, in denen alle Ausprägungen mit dem Zugehörigkeitsgrad 1 erfüllt sind. Ihnen ist nach Ansicht des Experten die in der entsprechenden Regel als „Output“ genannte verbale Bewertung zuzuordnen. Die übrigen Fälle, in denen wenigstens eine „Input“-Kennzahl einen Zugehörigkeitswert kleiner als 1 aufweist, werden keine zusätzlichen Regeln formuliert, sondern man unterstellt, dass die vorliegenden Regeln auch auf benachbarte Zustände angewendet werden dürfen, allerdings mit geringerer Stringenz. Die Regeln werden damit „aufgeweicht“, mit der Folge, dass nun gleichzeitig mehrere Regeln in abgeschwächter Form zum Tragen kommen. Wir bezeichnen nun mit DOF (Degree of Fulfilment) den Grad der Übereinstimmung mit der Zustandsbeschreibung der der In- und Outputvariablen des Regelblocks, so lassen sich die DOFs der Inputvariablen an den entsprechenden Zugehörigkeitsfunktionen ablesen, vgl. Abb. 4.1-13. Zur Bestimmung des DOFs der Outputwerte wird üblicherweise der Minimum-Operator verwendet. Er hat den wesentlichen Vorzug, dass nur wenige Regeln mit positivem DOF übrigbleiben, während z.B. bei der Verwendung von kompensatorischen Operatoren fast alle Regeln positive DOFs aufweisen, was zumeist eine „mittlere“ Bewertung der übergeordneten Zielgröße zur Folge hat. Alle Regeln mit einem positiven Übereinstimmungsgrad beschreiben demnach die vorliegende Situation zumindest teilweise zutreffend und müssen deshalb in die Ableitung eines unscharfen Urteils einbezogen werden. Im betrachteten Beispiel bleiben somit folgende Regeln übrig: Regel
EK-Q I
µ
EK-Q II
µ
Deckungsgr.
µ
EK
DOF
14
m
0,34
m
1,00
15
m
0,34
m
1,00
m
0,64
m
0,34
n
0,36
m
23
n
0,66
m
0,34
1,00
m
0,64
m–
0,64
24
n
0,66
m
1,00
n
0,36
s+
0,36
Tabelle 4.1-3: Relevante Regeln zu Bewertung des Analysefelds „Eigenkapital“
Tabelle 4.1-3 zeigt, dass die Beurteilung „mittel“ durch zwei aktivierte Regeln erfolgt. Da es wenig überzeugend ist, lediglich die Regel mit dem höchsten DOF zu wählen, und bei einer Addition der DOF-Werte sich ein Wert größer als 1 einstellen kann, wird zur Berechnung des Gesamterfüllungsgrades die Verwendung der algebraischen Summe empfohlen: DOFmittel = [1 – (1 – 0,34) ⋅ (1 – 0,34)] = 0,56. Die Fuzzy-Beurteilung des Analysebereichs „Eigenkapital“ wird dan bei Verwendung der sogenannten Max-Prob-Inferenz durch die in Abbildung 4.1-13 dargestellte Fuzzy-Menge präsentiert.. Führt man nun analog diese Berechnungen für jedes Beurteilungsfeld schrittweise von der untersten bis zur obersten Hierarchieebene durch, so erhält man abschließend ein Urteil für das Oberziel „Materielle Kreditwürdigkeit“. In der Abbildung 4.1-14 wird die gesamte
182
4 Unternehmensanalyse
Beurteilungshierarchie dargestellt; die Höhe der einzelnen Balken entspricht dabei dem Zugehörigkeitswert der einzelnen Bewertungsklassen:
s
s+
m-
m+
g-
g
1
Abb. 4.1-13: Fuzzy-Beurteilung des Analysefelds „Eigenkapitals“
Materielle Kreditwürdigkeit
s- s
s+ m- m m+ g-
VL
EK
g
g+
FL
FK
CF
SFK
EL
Liq.
Rent.
Erg.
Aufw.
Abb. 4.1-14: Hierarchische Beurteilung der materiellen Kreditwürdigkeit
Im vorliegenden Beispiel ist die „Materielle Kreditwürdigkeit“ in Form einer Fuzzy-Menge beschrieben, die wohl als „mittel plus“ zusammengefasst werden kann. Dies hat den Vorteil, dass ein differenziertes Urteil über den Analysebereich abgegeben werden kann. Allerdings
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
183
ist dieser hohe Informationsgehalt mit dem Nachteil verbunden, dass daraus nicht automatisch eine eindeutige Handlungsanweisung folgt. Es existieren aber so genannte Defuzzifizierungsverfahren, mit denen man das Fuzzy-Urteil auf eine einzige Zahl reduzieren kann. Vorteile von Fuzzy-Expertensystemen • Selten vorhandenes Wissen wird gesichert, vervielfältigt und einem größeren Anwenderkreis zugänglich gemacht. • Durch effiziente Nutzung vorhandenen Wissens lässt sich eine Produktivitätssteigerung bzw. Kosteneinsparung erzielen. • Die Beurteilung komplexer Sachgebiete wird bezüglich ihrer Objektivität und Konsistenz verbessert, besonders dann, wenn mehrere Experten an der Entwicklung des wissensbasierten Systems beteiligt sind. • Durch die hohe Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Entscheidungsprozesses wird das Verständnis und die Akzeptanz von Seiten des Anwenders gesteigert. • Die Formulierung von Expertenregeln dient (auch) der Selbstreflektion des Experten. • Die Nachvollziehbarkeit des Entscheidungsprozesses ermöglicht es dem Anwender, begründete Änderungen vorzunehmen, so dass ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess Gewähr leistet wird. • Es können beliebig skalierte Merkmale verarbeitet werden. Fuzzy-Expertensysteme sind daher der ideale Weg zur Verwertung „weicher Faktoren“ Nachteil von Fuzzy-Expertensystemen • Die Güte eines Expertensystems hängt von dem Wissen der Experten ab. Daher sollte neben dem Erfahrungswissen auch stets Datenwissen beim Aufbau des Systems Verwendung finden. Auch sollten Expertensysteme empirisch überprüft werden.
4.1.4
Zusammenfassung
Werden mathematisch-statistische Methoden zum Aufbau von Credit Rating-Systemen verwendet, so müssen die „soft facts“ in einem zweiten Schritt ergänzend verarbeitet werden. Dies geschieht heute zumeist noch durch subjektive Bewertung des Kreditsachbearbeiters oder anhand simpler Bewertungsverfahren. Um die gestiegenen Anforderungen von Basel II zu erfüllen und auch aus Kostengründen sollte auch dieser Teil mithilfe künstlicher Intelligenz automatisiert werden. Hier bieten sich die Fuzzy-Expertensysteme als Ergänzung oder auch als ganzheitlicher Ansatz an. Mittlereile existieren auch leistungsfähige Softwaretools zur Erstellung ausdrucksstarker Expertensysteme. Die nachfolgende Tabelle 4.1-4 gibt einen Überblick über die erforderliche Skalenniveaus der Input-Merkmale, die Möglichkeit qualitative Merkmale zu verarbeiten, die betriebswirtschaftliche Nachvollziehbarkeit der Krediturteile und eine Grobeinschätzung der Trennschärfe, die natürlich stark vom individuellen Güte der realisierten Systeme abhängt.
184
4 Unternehmensanalyse
Verfahren Mehrfache Univariate Diskriminanzanalyse Lineare Multivariate Diskriminanzanalyse
Skalenniveau
Qualitative Merkmale
Nachvollziehbarkeit
Trennschärfe
ordinal
direkt
gut
schwach
gut
gut
eingeschränkt
sehr gut
gut
schwach
eingeschränkt
gut
sehr gut
gut
metrisch
Logistische Regression
metrisch
Entscheidungsbaumverfahren
beliebig
Clusteranalyse
metrisch
Fuzzy-Expertensysteme
beliebig
über Umskalierung auf metrisches Niveau über Dummy-Variable und Umskalierung auf metrisches Niveau direkt über Umskalierung auf metrisches Niveau direkt über linguistische Variable
Tabelle 4.1-4: Übersicht über Ratingsysteme
4.1.5
Übungsaufgaben und Lösungshinweise
Übungsaufgabe 1 Die Bank B benutzt ein LMD-System zur Bewertung der materiellen Kreditwürdigkeit von Firmenkunden. Durch welche formale Maßnahme kann das Kostenrisiko verringert werden? Übungsaufgabe 2 Vorstandsmitglied V schwärmt Ihnen vor, dass er bei der Konkurrenzbank K ein Entscheidungsbaumverfahren zur Bewertung der Kreditwürdigkeit von Privatkunden gesehen hat, dass einfach zu verstehen und leicht anzuwenden ist. Er fragt sie als CR-Analyst, warum die eigene Bank bisher kein Ratingsystem für Firmenkunden auf der Basis eines Entscheidungsbaumes entwickelt hat? Übungsaufgabe 3 Warum gilt für die meisten mathematisch-statistischen Verfahren die Beschränkung, dass nur metrisch skalierte Daten als Inputvariablen in Frage kommen. Welche weiteren Einschränkungen sind bei diesen Modellen zu beachten? Lösungshinweis zu Übungsaufgabe 1 Durch Verschieben des Diskriminanzfunktion kann die α-β-Fehlerkombination verändert werden. Dabei führt der α-Fehler zu Ausfallkosten, da Kreditnehmer den Kredit nicht mehr zurückzahlen können, und der β-Fehler zu Opportunitätskosten für den entgangenen Gewinn, da der Kredit nicht vergeben wird. Sind dann die Ausfallkosten höher als die Opportunitätskosten, so müsste der α-Fehler zu Lasten des β-Fehler verringert werden. Lösungshinweis zu Übungsaufgabe 2 Entscheidungsbäume sind zwar leicht zu verstehen und auch einfach anzuwenden, es ist aber äußerst schwierig, einen auch nur annähernd optimalen Entscheidungsbaum für das Credit
4.1 Mathematisch-statistische Verfahren; Fuzzy-Expertensysteme
185
Rating aufzustellen. Dies ist ein komplexes kombinatorisches Problem, da nicht nur die Reihenfolge der Merkmalsabfragen festgelegt werden muss sondern auch die jeweiligen Trennpunkte. Lösungshinweis zu Übungsaufgabe 3 Während Vergleichsoperationen, wie z.B. die Maximumbildung schon auf ordinal skalierte Daten angewendet werden darf, verlangen die arithmetischen Operatoren, wie etwa die Addition und die Multiplikation, metrisch skalierte Daten. Darüber hinaus macht z.B. eine Addition nur Sinn, wenn die Daten in einem vergleichbaren Maßstab gemessen werden. Es ist mathematisch zwar machbar aber unsinnig, die Anzahl der in einer Woche ausgelieferten Waschmaschinen mit der Anzahl der dabei zurückgelegten Kilometer zu addieren. Auch bei der Interpretation der Koeffizienten einer linearen Gleichung ist auf die Vergleichbarkeit der Dimensionen zu achten. Der „Einfluss“ eines Parameters vergrößert sich um den Faktor 1.000, wenn die Dimension der zugehörigen Variablen von EUR auf 1.000 EUR geändert wird.
4.1.6
Literaturempfehlungen
Backhaus, K.; Erichson, B.; et al. (2000) Multivariate Analysemethoden. Springer-Verlag, 162–197. Fahrmeir, L.; Hamerle, A.; Tutz, G. (1996) Multivariate statistischeVerfahren. Gruyter-Verlag, Berlin / New York, 425–435. Kraft, M. (1997) Der Ansatz der Logistischen Regression und seine Interpretation. ZfB 67 625–641. Rommelfanger, H. (1993), Fuzzy Logic basierte Verarbeitung von Expertenregeln, In: OR-Spektrum 1993, Springer Verlag, Heidelberg, 31–42. Rommelfanger, H. (1999), Fuzzy Logic-Based Processing of Expert Rules Used for Checking the Credit Solvency of Small Business Firms or for Supporting Analytic Procedures of Auditors. In: Ribeiro R.R. a.o. (Eds.) Soft Computing in Financial Engineering. Heidelberg, 371–387. Rommelfanger, H., Eickemeier, S. (2002) Entscheidungstheorie. Klassische Konzepte und FuzzyErweiterungen. Springer Verlag Heidelberg.
186
4 Unternehmensanalyse
4.2 Auswirkungen der Rechnungslegungsnorm auf das Ratingergebnis
187
Harald Ewig 4.2
Auswirkungen der Rechnungslegungsnorm auf das Ratingergebnis
4.2.1
Einleitung
187
4.2.2
Vielfalt der Rechnungslegungsnormen
188
4.2.2.1
Gründe für die Normenvielfalt....................................................................... 188
4.2.2.2
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen IFRS und HGB.................... 190
4.2.2.3
Veränderung von Jahresabschlusskennzahlen nach Umstellung von HGB auf IFRS......................................................................................... 197
4.2.2.4
HGB als dominierende Rechnungslegungsnorm ........................................... 198
4.2.3
Anwendungsbeispiel Eigenkapital
198
4.2.4
Zusammenfassung
199
4.2.5
Übungsaufgaben
200
4.2.6
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
200
4.2.7
Literaturverzeichnis
201
4.2.1
Einleitung
Die Qualität und damit die Entscheidungsnützlichkeit von Ratingergebnissen hängen von der Qualität der erhaltenen und einbezogenen Informationen über das Unternehmen und dessen Branche ab. Dies gilt für alle Bestandteile, wie das Jahresabschlussrating, das Liquiditätsrating und das qualitative Rating, das besonders das Management, die Wertschöpfung und das Unternehmensumfeld im Focus hat. Der Jahresabschluss als Einzel- und/oder Konzernjahresabschluss fließt mit einer großen Gewichtung in das qualitative Rating ein, und dieses wiederum mit der Bilanzpolitik in das Jahresabschlussrating das mit seinen Teilnoten eine Gewichtung von 60 % bis 70 % das Gesamtergebnisses beeinflusst.
188
4 Unternehmensanalyse
Die Rechnungslegungsnormen prägen damit die Informationen, die aus den jeweiligen Konzern- und Einzeljahresabschlüssen gewonnen werden. Damit wird deutlich, dass unreflektiert die jeweilige Rechnungslegungsnorm Auswirkungen auf die qualitativen Kennzahlen hat und dass ein „Neutralisierungsbedarf“ besteht. Dazu muss dieser „Neutralisierungsbedarf“ ermittelt und analisiert werden. Die Zusammenhänge werden in Abb. 4.2-1 dargestellt. Quantitatives Rating
Konzern-
IFRS
Jahres-
US-GAAP
Planung(en)
Regressionsformel
Jahresabschlussrating
Bilanzpolitik Liquiditätsrating
SteuerLiquidität lt. JA
recht
Liquidität lt. Planung(en)
Fragen zur Liquidität Management
Quantitatives Rating
Qualitatives Rating
Rating-Ergebnis
HGB
Wertschöpfung
Expertenmodell
Unternehmensumfeld (Zwischen-)Ergebnisse Quantitatives Modell mit Experteneinschätzung
Branchenrating
Die Teilnoten für quantitatives Rating und Bilanzpolitik fließen mit 60 % bis 70 % Gewicht in das Gesamt-Rating-Ergebnis ein.
Abb. 4.2-1: Informationsbasis
Lernziele Der Ratinganalyst • soll die Bedeutung der Qualität von Informationen erkennen, • soll die unterschiedlichen Rechnungslegungsnormen die Jahresabschlüssen zu Grunde liegen können und deren wesentlichen Unterschiede kennen, • soll die Auswirkungen der Rechnungslegungsnormen auf das Kennzahlensystem eines Unternehmens beurteilen können.
4.2.2
Vielfalt der Rechnungslegungsnormen
4.2.2.1
Gründe für die Normenvielfalt
Der deutsche Gesetzgeber hat im Zuge der Umsetzung der so genannten IAS-Verordnung1 aus dem Jahr 2002 durch das Bilanzrechtsreformgesetz ein Nebeneinander mehrerer Rechnungslegungssysteme geschaffen. So sind alle kapitalmarktorientierten Mutterunternehmen 1
IFRS International Financial Reporting Standard, IAS International Standard (alte Bezeichnung der IFRS)
4.2 Auswirkungen der Rechnungslegungsnorm auf das Ratingergebnis
189
seit 2005 verpflichtet, einen IFRS-Konzernabschluss sowie einen HGB-Einzelabschluss aufzustellen. An den landesrechtlichen Abschluss wird in gesellschafts-, steuer- und aufsichtsrechtlicher Hinsicht weiterhin angeknüpft. Sofern eine Gesellschaft in den USA börsennotiert ist, muss sie zusätzlich eine Überleitungsrechnung auf US-GAAP2 vornehmen. Damit kapitalmarktorientierte Unternehmen nicht auf Dauer bis zu drei Abschlüsse parallel erstellen müssen, ist eine Konvergenz von US-GAAP und IFRS notwendig. Es zeichnet sich zurzeit ab, dass die bis 2009 geplante Abschaffung der Überleitungsrechnung auf US-GAAP nur um den Preis der weitgehenden Übernahme U.S.-amerikanischer Vorstellungen möglich sein wird. Die an einer europäischen Börse notierten U.S.-amerikanischen Unternehmen sind bereits heute von einer Überleitung auf IFRS befreit. Besonders gefordert sind auch die Unternehmen des Mittelstands, wie die intensive Diskussion zu IAS 32 beziehungsweise zu den speziellen IFRS für den Mittelstand (IFRS for Small und Medium-sized entities) zeigt. Für die Besteuerung müssen buchführungspflichtige Kaufleute3 ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) ermitteln. Sie haben dabei das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs.1 EStG Maßgeblichkeitsprinzip). Enthält die Handels-Bilanz Ansätze oder Beträge, die den steuerlichen Vorschriften nicht entsprechen, so sind diese Ansätze oder Beträge durch Zusätze oder Anmerkungen den steuerlichen Vorschriften anzupassen. Anstatt der Zusätze oder Anmerkungen kann auch eine Steuerbilanz aufgestellt werden (§ 60 EstDV). Ausgangspunkt für die Einkommensermittlung bei Kapitalgesellschaften bildet also, wie bei allen buchführenden Kaufleuten, stets die Handelsbilanz (§ 8 Abs. 1 KStG), deren Wertansätze entsprechend den bilanzsteuerrechtlichen Vorschriften (§§ 4-7k EStG) anzupassen sind. Damit ergeben sich folgende zur Anwendung kommenden Rechnungslegungsnormen nach: (1) Steuerrecht (StR) (2) Handelsrecht (HGB) (3) IFRS (Full) (4) IFRS (SME-Version)4 (5) US-GAAP Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Rechnungslegungsnorm des StR, HGB und IFRS. Die derzeitig relevanten Rechnungslegungsformen mit denen sich ein Ratinganalyst auseinandersetzen muss, sind: HGB, IFRS und US-GAAP.
2 3 4
US-GAAP Generally accepted Accounting Prinzipies AG und GmbH sind Formkaufleute i.S. des § 6 HGB liegt bisher nur als Entwurf (draft) vor
190 4.2.2.2
4 Unternehmensanalyse Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen IFRS und HGB
Nachfolgend sind tabellarisch die Gemeinsamkeiten zwischen IFRS und HGB für grundsätzliche Fragen, Rechnungslegungsgrundsätze, Ansatzvorschriften dargestellt. Die Darstellung umfasst die wesentlichen Bereiche und hat Spezialfälle wie z.B. ABSFinanzierung, Hedging vernachlässigt. HGB
IFRS
Träger der Rechnungslegungsnormierung
deutscher Gesetzgeber (EU)
IASB
Normierung der Rechnungslegung
HGB und handelsrechtliche Spezialgesetze (z.B. AktG, GmbHG)
• Framework • IFRS • IFRIC/SIC-Interpretationen • Leitlinien der Implementierung
Bestandteile der Rechnungslegung
• Jahresabschluss • Bilanz • GuV • Anhang • Lagebericht
• • • •
Geltungsbereich
Unternehmen mit Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland
weltweite Anwendung in Abhängigkeit von der Übernahme in nationale Recht bzw. Börsenzulassungsverordnungen
Verhältnis Handelsbilanz Steuerbilanz
Maßgeblichkeitsprinzip
strikte Trennung
Funktionen
• Information • Gläubigerschutz • Ausschüttungsgrundlage für Steuerbilanz
• Informationen
Der Abschluss hat unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln; kein overriding principle
Der Abschluss hat ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln; eingeschränktes overriding principle
Grundlagen
Balance Sheet Income Statement Cashflow Statement Statement of Changes in Equity Notes
Rechnungslegungsgrundsätze Fair presentation
4.2 Auswirkungen der Rechnungslegungsnorm auf das Ratingergebnis
Periodenabgrenzung (Accrual basis) Unternehmensfortführung (going-concern)
Verständlichkeit (unterstandability) Relevanz (relevance)
HGB
IFRS
Abgrenzung der Sache und der Zeit nach Realisationsund Imparitätsprinzip Bilanzierung und Bewertung erfolgt unter der Annahme der Unternehmensfortführung – solange nicht rechtliche oder faktische Gründe der Annahme widersprechen
Abgrenzung der Sache und der Zeit nach Realisationsprinzip Bilanzierung und Bewertung erfolgt unter der Annahme der Unternehmensfortführung – so lange nicht rechtliche oder faktische Gründe der Annahme widersprechen Der Abschluss muss für sachverständige Dritte verständlich sein Entscheidungsrelevante Informationen sind nach Art bzw. Umfang bereitzustellen Der Abschluss muss zuverlässige Informationen vermitteln. Informationen sind dann zuverlässig, wenn sie richtig, neutral, vorsichtig, vollständig und im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise vermittelt werden Der Abschluss muss (objektiv) richtige Ansätze und Bewertungen nach IFRS enthalten Nicht das rechtliche, sondern das wirtschaftliche Eigentum ist entscheidend für die Bilanzierung Der Abschluss muss (subjektiv) richtige Ansätze und Bewertung beinhalten. Grundsatz der Willkürfreiheit
Der Abschluss muss für sachverständige Dritte verständlich sein Wesentliche Informationen sind nach Art bzw. Umfang bereitzustellen
Verlässlichkeit (reliability)
Kein expliziter Grundsatz. Der Abschluss genügt der Bilanzwahrheit, wenn die dort vermittelten Informationen richtig und neutral sind
glaubwürdige Darstellung (faithful representation)
Der Abschluss muss (objektiv) richtige Ansätze und Bewertungen nach HGB enthalten Nicht das rechtliche, sondern das wirtschaftliche Eigentum ist entscheidend für die Bilanzierung
wirtschaftliche Betrachtungsweise (substance over form)
Neutralität (neutrality)
191
Der Abschluss muss (subjektiv) richtige Ansätze und Bewertung beinhalten. Grundssatz der Willkürfreiheit
192
4 Unternehmensanalyse HGB Der Abschluss soll vorsichtig erstellt werden
IFRS Der Abschluss soll maßvoll vorsichtig erstellt werden
Vollständigkeit (completeness)
Der Abschluss muss grundsätzlich sämtliche Posten der Bilanz und GuV enthalten
Der Abschluss muss sämtliche Posten der Bilanz und GuV enthalten, die die Ansatzkriterien erfüllen und entscheidungsrelevant sind
Vergleichbarkeit (comparability)
Die Abschlüsse verschiedener Perioden müssen miteinander vergleichbar sein
Die Abschlüsse verschiedener Perioden müssen miteinander vergleichbar sein
Stetigkeit (consistency)
formelle und materielle Stetigkeit, Durchbrechung relativ leicht möglich
formelle und materielle Stetigkeit, Durchbrechung relativ schwer möglich
Einzelbewertung
Grundsätzlich sind die Posten des Abschlusses einzeln zu bewerten
Grundsätzlich sind die Posten des Abschlusses einzeln zu bewerten
Realisations- und Imparitätsprinzip
Strenges Realisations- und Imparitätsprinzip
Realisations- und Imparitätsprinzip unterliegen anderer Auslegung
Stichtagsprinzip und Wertaufhellung
Grundsätzlich sind die Informationen zu berücksichtigen, die das abgelaufene Geschäftsjahr betreffen. Nach dem Stichtag eintretende Ereignisse dürfen nicht berücksichtigt werden
Grundsätzlich sind die Informationen zu berücksichtigen, die das abgelaufene Geschäftsjahr betreffen. Nach dem Stichtag eintretende Ereignisse dürfen nicht berücksichtigt werden. Ausnahme: Ereignisse, die die Annahme der Unternehmensfortführung nicht mehr rechtfertigen
Vorsicht (prudence)
4.2 Auswirkungen der Rechnungslegungsnorm auf das Ratingergebnis
Ansatzvorschriften Vermögensgegenstand /asset
Bilanzierungshilfen
Rechnungsabgrenzungsposten Sonderposten mit Rücklageanteil Immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens Forschungs- und Entwicklungskosten
Firmenwert Schulden Rückstellungen
Bewertungsregeln Bewertung der Aktiva, Grundsätzliches
193
HGB
IFRS
Definition: Sachen, Rechte, sonstige wirtschaftliche Vorteile, die selbständig bewertbar und selbständig verwertbar sind
• Ingangsetzungs- und Erweiterungskosten: Wahlrecht • aktive latente Steuern: Wahlrecht Pflicht
Definition: Ressource eines Unternehmens auf Grund vergangener Ereignisse, von der zukünftig der Zufluss wirtschaftlichen Nutzens erwartet wird • Ingangsetzungs- und Erweiterungskosten: Verbot • aktive latente Steuern: Pflicht Pflicht
Wahlrecht
Verbot
• Originär: Verbot • Derivativ: Pflicht
Pflicht bei Erfüllung postenspezifischer Ansatzkriterien • Forschung: Verbot • Entwicklung: Pflicht, wenn postenspezifische Ansatzkriterien erfüllt werden • Originär: Verbot • Derivativ: Pflicht Umfang: Verbindlichkeiten und Rückstellungen • Verbindlichkeitsrückstellungen: Pflicht • Aufwandsrückstellungen: Verbot
• Forschung: Verbot • Entwicklung: Verbot
• Originär: Verbot • Derivativ: Wahlrecht Umfang: Verbindlichkeiten und Rückstellungen • Verbindlichkeitsrückstellungen: Pflicht • Aufwandsrückstellungen: Pflicht bzw. Wahlrecht Grundsatz: Anschaffungsoder Herstellungskosten (AHK) Obergrenze (keine Ausnahmen)
Grundsatz: Anschaffungs- oder Herstellungskosten (AHK) Obergrenze (zahlreiche Ausnahmen) Grundsätzlich Differenzierung zwischen Erst- und Folgebewertung
194
Anschaffungskosten Herstellungskosten
4 Unternehmensanalyse HGB Anschaffungspreis + Nebenkosten (Einzelkosten) ./. Preisminderungen Pflicht: Einzelkosten Wahlrecht: Gemeinkosten Verbot: Vertriebskosten
Sachanlagen
• Obergrenze AHK • planmäßige Abschreibung über die Nutzungsdauer • außerplanmäßige Abschreibung: • dauernde Wertminderung: Pflicht • vorübergehende Wertminderung: Wahlrecht bzw. für Kapitalgesellschaften Verbot • Zuschreibung: • Kapitalgesellschaften: Pflicht • andere Rechtsformen: Wahlrecht
als Finanzanlagen gehaltene Immobilien
• Erstbewertung: Anschaffungs-/Herstellungskosten • Folgebewertung: fortgeführte Anschaffungs- / Herstellungskosten
immaterielle Vermögensgegenstände
• Obergrenze AHK (originäre des AV Ansatzverbot) • planmäßige Abschreibung über Nutzungsdauer (AV) • außerplanmäßige Abschreibung wie bei Sachanlagen • Zuschreibung wie bei Sachanlagen
IFRS Anschaffungspreis + Nebenkosten (Einzelkosten) ./. Preisminderungen Pflicht: Einzelkosten und angemessene Teile der Gemeinkosten Verbot: Vertriebskosten • Obergrenze Erstbewertung AHK • Folgebewertung: • cost model: max. fortgeführte AHK • revaluation model: erfolgsneutrale Neubewertung über AHK hinaus (Neubewertungsrücklage) • planmäßige Abschreibung über die Nutzungsdauer • außerplanmäßige Abschreibung auf recoverable amount: Pflicht Zuschreibung: Pflicht • Erstbewertung: Anschaffungs- /Herstellungskosten • Folgebewertung: • erfolgswirksame Bewertung zum fair value • fortgeführte Anschaffungs- /Herstellungskosten • Obergrenze i.d.R. AHK • planmäßige Abschreibung über Nutzungsdauer • außerplanmäßige Abschreibung wie bei Sachanlagen • Zuschreibung wie bei Sachanlagen
4.2 Auswirkungen der Rechnungslegungsnorm auf das Ratingergebnis
Firmenwert
Wertpapiere des Anlagevermögens
Wertpapiere des Umlaufvermögens
HGB • kein Vermögensgegenstand • Obergrenze Unterschiedbetrag • Abschreibung: pauschal oder planmäßig • außerplanmäßige Abschreibung: Pflicht, falls Wert gesunden • Zuschreibungsverbot • Obergrenze AK • außerplanmäßige Abschreibung: • dauernde Wertminderung: Pflicht • vorübergehende Wertminderung: Wahlrecht • Zuschreibung: Pflicht für Kapitalgesellschaften
• Obergrenze AK • außerplanmäßige Abschreibung auf Börsenoder Marktpreis: Pflicht • Zuschreibung: Pflicht für Kapitalgesellschaften
195
IFRS • Asset • Obergrenze Unterschiedsbetrag • planmäßige Abschreibung: Verbot • außerplanmäßige Abschreibung auf recoverable amount: Pflicht • Zuschreibungsverbot • Held to Maturity Securities: • Bewertung: fortgeführte AK • Grundsätzlich erfolgswirksamer Ausweis von Wertminderungen • Available for Sale Securities • Bewertung zum fair value • Grundsätzlich erfolgsneutraler Ausweis von Kursänderungen • Ausnahme: • dauernde Wertminderung: erfolgswirksame Abwertungspflicht • Zuschreibung: erfolgswirksam bis AK, Rest in Rücklage • at fair value through profit or loss: • Obergrenze fair value • erfolgswirksamer Ausweis von Kursänderungen (auch über AK hinaus) • Available for Sale Securities: s. Wertpapiere des Anlagevermögens
196
Vorräte
Auftragsfertigung
4 Unternehmensanalyse HGB • Obergrenze AHK • außerplanmäßige Abschreibung auf Börsenoder Marktwert: Pflicht • Zuschreibung: Pflicht für Kapitalgesellschaftern verschiedene Verbrauchsfolgeverfahren, Festbewertung • Completed. ContractMethode
Forderungen
• Obergrenze AHK • außerplanmäßige Abschreibung bei Ausfallrisiko (Einzelwertberichtigung) • Pauschalwertberichtigung möglich
Verbindlichkeiten, Grundsätzliches Disagio
Rückzahlungsbetrag
Rückstellungen, Bewertung Pensionsverpflichtungen
aktienbasierte Vergütungen
sofortiger Aufwand oder Aktivierung grundsätzlich nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung Barwert (i.d.R. Teilwertoder Gegenwartswertverfahren), keine Berücksichtigung künftiger, noch nicht feststehender Gehaltsteigerungen, Diskontierung mit langfristigem Zinssatz Keine speziellen Regelungen
IFRS • Obergrenze AHK • außerplanmäßige Abschreibung auf net realisable Value: Pflicht • Zuschreibung: Pflicht • wenige Verbrauchsfolgeverfahren, keine Festbewertung • Grundsätzlich Percentage-of-CompletionMethode • Obergrenze AHK • außerplanmäßige Abschreibung bei Ausfallrisiko (Einzelwertberichtigung) Pauschalwertberichtigung grundsätzlich nicht vorgesehen fortgeführte AK nach Effektivzinsmethode Ansatzverbot grundsätzlich in Höhe der wahrscheinlichsten Belastung Barwert (Methode der laufenden Einmalprämien), Berücksichtigung zukünftiger Gehaltssteigerungen, Diskontierung mit aktuellem Marktzinssatz für Industrieobligatrionen Aktienbasierte Vergütungen mit Ausgleich durch Eigenkapitalinstrumente • Erstbewertung zum fair value der empfangenen Leistung • Folgebewertung: unveränderte Wertfortführung
4.2 Auswirkungen der Rechnungslegungsnorm auf das Ratingergebnis HGB
zum Verkauf klassifizierte langfristige Vermögenswerte und Vermögensgruppen
Buchwert
197
IFRS Aktienbasierte Vergütungen mit Barausgleich • Erstbewertung zum fair value der Verpflichtung Folgebewertung: Anpassung des fair values • Buchwert Fair value abzüglich Veräußerungskosten, wenn geringer als Buchwert
Abb. 4.2-2: Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen IFRS und HGB
4.2.2.3
Veränderung von Jahresabschlusskennzahlen nach Umstellung von HGB auf IFRS
Die synoptische Darstellung in Abschnitt 4.2.2.2 macht deutlich, dass die Unterschiede zu Veränderung im Rahmen der Bilanzansätze der Höhe und den Grunde nach führen. Wie stark die Ausprägung der Veränderungen durch die Umstellung ausfällt, hängt vom Einzelfall ab, es lassen sich aber aus der Erfahrung gewisse Spannbreiten herleiten. Die Abb. 4.2-3 gibt einen Überblick über die Spannbreiten. Bilanzposition/Kennzahl
Veränderung in %
Anlagevermögen Immaterielles Vermögen Eigenkapital
15–20% 80–120% 15–25%
Eigenkapitalquote
0–20%
Fremdkapital
5–20%
Pensionsrückstellungen
15–35%
Sonstige Rückstellungen
–20–20%
Verbindlichkeiten
15–25%
EBITA
10–25%
Eigenkapitalquote Gesamtkapitalrentabilität (Quelle: FR Finance Relation AG, St. Gallen /Rating Akademie St. Gallen 2007) Abb. 4.2-3: Veränderungen nach IFRS-Umstellung
0–20% 10–15%
198
4 Unternehmensanalyse
Damit wird deutlich, dass sich erhebliche Veränderungen nach der Umstellung von HGB auf IFRS ergeben können, die ohne Anpassungen das gesamte Kennzahlengefüge auf den Kopf stellen können. Konkrete Auswirkungen hätte dies bei den Financial Governance, soweit diese in den Kreditverträgen nicht eindeutig in Bezug auf den Rechnungslegungsnorm definiert sind. Die Abweichungen von HGB- zu IFRS-Abschluss hängen vom jeweiligen Einzelfall ab. 4.2.2.4
HGB als dominierende Rechnungslegungsnorm
Mehr als die Hälfte der insgesamt in Deutschland derzeit rund 1.000 inländischen Unternehmen, die an einer Börse notiert sind, bilanzieren jedoch aktuell immer noch nach den Normen des HGB – im Einzel- sowie im Konzernabschluss. Gleiches gilt für den nicht kapitalmarktorientierten Mittelstand, der mit rund 3,3 Mio. Unternehmen nach wie vor die treibende Wirtschaftskraft darstellt und nur in den seltensten Fällen eine IFRS-Rechnungslegung anwendet. Im Ergebnis dominiert das HGB damit die Rechnungslegung in Deutschland – sowohl auf einzelgesellschaftlier Ebene als auch nach wie vor für die Mehrheit der Konzernabschlüsse.
4.2.3
Anwendungsbeispiel Eigenkapital
Die Bestimmungskriterien zur Eigenkapitalqualifikation verdeutlichen die unterschiedlichen Betrachtungsansätze deutlich. Durch die Finanzierungsformen die unter dem Oberbegriff Mezzanine-Kapital summiert werden, ist die Einordnung bestimmter Mezzaninearten von großer Bedeutung. Die nachfolgende Tabelle zeigt die unterschiedliche Eigenkapitaleinordnung nach HGB und IFRS auf: Eigenkapital: HGB und IFRS im Vergleich IFRS
HGB
Laufzeit
unbegrenzt
längerfristig
Inhaber-Kündigungsrechte
keine
nicht geregelt
Nachrangigkeit
qualifiziert
qualifiziert
ZinsZahlungsverpflichtungen
dividendenabhängig
ergebnisabhängig
Gesellschaftsrechtliche Einordnung als Eigenkapital
unerheblich
indizgebend
Steuerliche Einordnung als Eigenkapital
unerheblich
unerheblich
4.2 Auswirkungen der Rechnungslegungsnorm auf das Ratingergebnis
199
Die internationalen Ratingagenturen qualifizieren Eigenkapital nach folgenden Kriterien und stellen dabei die wirtschaftliche Betrachtungsweise in den Vordergrund Standard & Poor’s
Moody’s
FitchRatings
• Dauerhaftigkeit der Mittelüberlassung • Kupon-Aufschiebbarkeit • Nachrangigkeit
• Dauerhaftigkeit
• Dauerhaftigkeit
• Kupon-Aufschiebbarkeit • Nachrangigkeit
• Verlustteilnahme • Kupon-Aufschiebbarkeit • Nachrangigkeit
Die internationalen Ratingagenturen wenden weitgehend die gleichen Kriterien an. Problematischer war in der Praxis das Nichtanerkennen als Eigenkapital bestimmter Mezzanine-Produkte der Konkurrenz seitens bestimmter Banken.
4.2.4
Zusammenfassung
Die Ratingverfahren sind durchweg auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ausgerichtet, bei der die Bonität des zu ratenden Unternehmens im Focus steht. Kreditgeber haben bisher immer schon Jahresabschlüsse die mehr z.T. steuerlich ausgerichtet waren oder das handelsrechtliche Vorrichtungsprinzip als Teil des Gläubigerschutzes hervorgehoben haben auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise neutralisiert, um die langfristige Kapitaldienstfähigkeit festzustellen. Die IFRS-Normen stellen durch ihre Informationsfunktionen sehr stark auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise ab. Dass diese sehr starke Ausrichtung auch für die Kreditentscheidungen „überschreitend“ sein kann, zeigen die Regeln zur Eigenkapitalqualifikation, um das gravierende Beispiel zu hervorzuheben. Ratinganalysten, gleichgültig ob sie im Dienste von Ratingagentur oder Kreditgeber stehen, müssen daher unabhängig zu der den Jahres- und/oder Konzernabschluss zugrundeliegenden Rechnungslegungsnormen Anpassungen vornehmen. Insofern scheint die Besorgnis mancher Unternehmer insbesondere derer die dem Mittelstand zuzurechnen sind, unbegründet. Denn ob ein Unternehmen kreditwürdig ist, ist nicht ausschlaggebend, welcher Rechnungslegungsstandard dem Jahresabschluss zugrunde liegt. Es würde auch ökonomisch gegen jede Vernunft sein, wenn gleiche Sachverhalte je nach Bilanzierungsnorm zu unterschiedlichen Ratingergebnissen führten. Diese „ökonomische Vernunft“ ist auch der Hintergrund, warum Basel II gerade keine Empfehlung für die Anwendung eines bestimmten Rechnungslegungsstandard ausspricht. Wie stark der Einfluss der Rechnungslegungsnorm auf das Ratingergebnis ist, hängt von den durch den Ratinganalysten vorgenommenen „Anpassungen“, d.h. von der Regressionsformel ab, insofern wird das Ratingergebnis im Teilbereich des Jahresabschlussratings betroffen.
200
4 Unternehmensanalyse
Für das Ratingergebnis ist es zurzeit noch unbedeutsam nach welcher Rechnungslegungsnorm das zu ratende Unternehmen bilanziert hat. Trotzdem muss man sehen, dass je stärker die Abweichungen von HGB zu IFRS einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise entsprechen, desto weniger ist im Rahmen der „Neutralisierung“ ein Korrekturbedarf der IFRS-Abschlüsse für das Rating notwendig. Der Neutralisierungsbedarf eines HGB-Abschlusses im Rahmen des Ratings hängt von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise der IFRS-Norm ab.
4.2.5
Übungsaufgaben
Übungsaufgabe 1 Welche Bilanzposition muss der Ratinganalyst besonders analysieren, wenn ein zu ratendes Unternehmen seinen Jahresabschluss nach IFRS aufgestellt hat und gegenüber dem HGBJahresabschluss einen Rückgang der Eigenkapitalquote zu verzeichnen ist? Übungsaufgabe 2 Das Unternehmen ABC fragt bei einem Ratinganalysten an, ob eine Umstellung von HGB auf IFRS ein vorteilhaftes Ratingergebnis ergibt? Übungsaufgabe 3 Wie werden Unterschiede der Rechnungslegungsnorm generell für Ratingzwecke behandelt?
4.2.6
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
Lösung zu Übungsaufgabe 1 Bei der Umstellung von HGB auf IFRS bei der Jahresabschlusserstellung können sich Änderungen in Bezug auf das Eigenkapital sowohl im absoluten Betrag wie auch in der Eigenkapitalquote ergeben. Hat sich ein Rückgang bei der Eigenkapitalquote herausgestellt, so sind alle Posten bei denen eine Veränderung des absoluten Betrages eingetreten sind zu analysieren: Z.B. Neuansatz der immateriellen Wirtschaftsgüter, Neubewertung von Immobilien, Neuberechnungen von Pensionsrückstellungen oder Rückgängigmachung von Forderungsverkäufen (true sale). Lösung zu Übungsaufgabe 2 Durch eine Umstellung von HGB auf IFRS können sich die Ratingergebnisse verbessern, soweit die IFRS-Bilanzierung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise näher kommt als die Bilanzierung nach HGB. Dies kann aber erst nach einer Art „Probebilanz“ nach IFRS und deren Analyse vorbehaltlich der konkreten Umstellung beantwortet werden. Es gibt also keine eindeutige Antwort auf eine solche „Vorfrage“.
4.2 Auswirkungen der Rechnungslegungsnorm auf das Ratingergebnis
201
Lösung zu Übungsaufgabe 3 Unterschiede der Rechnungslegungsnormen werden generell für Ratingzwecke neutralisiert, wobei zu beachten ist, dass evtl. IFRS näher an einer wirtschaftlichen Betrachtungweise an dem jeweiligen angewendeten Ratingsystem stellt als ein Abschluss nach HGB. Grundsätzlich wird kein Unternehmen deshalb kreditwürdiger, weil es von HGB auf IFRS oder US GAAP umstellt.
4.2.7
Literaturverzeichnis
Winkeljohann, N. Rechnungslegung nach IFRS 2. Aufl. Herne/Berlin 2006. Lüdenbach, N./Hoffmann W.-B. IAS/IFRS-Kommentar, 2. Auflage, Frankfurt/Freiburg 2004. PricewaterhouseCoopers, Gemeinsamkeiten und Unterschiede IFRS, US GAAP und deutsches Recht im Vergleich, 2005.
202
4 Unternehmensanalyse
4.3 Working Capital Optimierung im Ratingprozess
203
Ernst Fahling 4.3
Working Capital Optimierung im Ratingprozess
4.3.1
Vorbemerkung
203
4.3.2
Liquidität und Working Capital
204
4.3.3
Finanzwirtschaftliche Kennzahlen
208
4.3.3.1
Bilanzstrukturanalyse..................................................................................... 209
4.3.3.2
Return on Investment ..................................................................................... 210
4.3.3.3
Economic Value Added ................................................................................. 212
4.3.4
Maßnahmen zur Optimierung des Working Capital
4.3.4.1
Cash Management.......................................................................................... 214
4.3.4.2
Forderungsmanagement ................................................................................. 215
4.3.4.3
Währungsmanagement................................................................................... 216
4.3.4.4
Management der Vorratshaltung.................................................................... 217
4.3.4.5
Reverse Factoring........................................................................................... 218
4.3.5
Fazit
218
4.3.6
Lernziele
219
4.3.7
Literaturhinweise
219
4.3.8
Übungsaufgaben zum Beitrag sowie Lösungsskizzen
219
4.3.1
214
Vorbemerkung
Das Rating eines Unternehmens wird von qualitativen und quantitativen Faktoren bestimmt. Dabei kommt den messbaren finanzwirtschaftlichen Faktoren und Kennzahlen eine hohe Bedeutung zu. Die nachfolgenden Ausführungen thematisieren die Relevanz finanzwirtschaftlicher Parameter, die zu entscheidenden Bestimmungsgrößen im Ratingprozess werden
204
4 Unternehmensanalyse
können. Es soll der Fokus auf die Ebene des Working Capital sowie des damit eng verbundenen Cash Flows gerichtet werden. In einem ersten Schritt werden begriffliche und definitorische Abgrenzungen vorgenommen. Dem folgend wird der Stellenwert finanzwirtschaftlicher Kenngrößen in den verschiedenen Analysen – der Kapitalstruktur-, der Rentabilitäts- sowie der Liquiditätsanalyse – bestimmt. In diesem Kontext werden insbesondere die Kausalzusammenhänge zwischen dem Working Capital und dem „Return on Investment“ (RoI) sowie dem „Economic Value Added“ (EVA) identifiziert. Ergänzend werden Maßnahmen zur Optimierung des Working Capital zusammenfassend vorgestellt und die möglichen Auswirkungen auf den Ratingprozess thematisiert. Ein Fazit mit wesentlichen Aussagen zur Relevanz des Working Capital für den Ratingprozess beschließt die Ausführungen.
4.3.2
Liquidität und Working Capital
Ein wesentliches Unternehmensziel ist die Sicherstellung jederzeitiger Zahlungsfähigkeit, um gegenwärtig und im Planungszeitraum allen Zahlungsverpflichtungen uneingeschränkt nachkommen zu können. Zur Bestimmung dieser Zahlungsverpflichtungen dienen in einer Stichtagsbetrachtung die verschiedenen Liquiditätsgrade, von denen der Liquiditätsgrad auf mittlere Sicht unbedingt größer eins sein muss. Es gilt:
Liquidität dritten Grades:
Zahlungsmittel + kurzfr. Ford. + Vorräte Kurzfristige Verbindlichkeiten
Ob ein Unternehmen gemäß dieser Definition immer im Planungszeitraum liquide ist, lässt sich aus dieser Definition und den entsprechenden Bilanzpositionen nicht unmittelbar ableiten. Demzufolge ist es notwendig, diese Kennzahl auf einer dynamischen Basis für zukünftige Perioden auf täglicher Basis zu ermitteln. Zwecks Verbesserung dieser Relation ist auf den Geldkreislauf im Unternehmen abzustellen. Die Vermögensteile, die sich innerhalb eines Produktionsprozesses oder innerhalb eines Jahres wieder in liquide Mittel zurückverwandeln, sind dem sog. Working Capital (Betriebskapital) zuzurechnen. Im Rahmen des Umsatzprozesses werden liquide Mittel in Vorräten gebunden, wandeln sich bei Veräußerung in Forderungen um und werden bei Bezahlung wieder in liquide Mittel zurückgeführt1). Da die durch Verkauf ausscheidenden Vorräte durch neue ersetzt werden und ebenso der Forderungsbestand immer wieder aufgefüllt wird, ist ein bestimmter Prozentsatz des betrieblichen Vermögens als Working Capital vorhanden. 1
Perridon, Louis, Steiner Manfred: Finanzwirtschaft der Unternehmung, München 2002, S. 152 ff.
4.3 Working Capital Optimierung im Ratingprozess
205
Die Finanzmittel eines Unternehmens werden also in langfristig investierten Vermögensteilen sowie im Working Capital gebunden. Fasst man die Summe aus kurzfristigen Forderungen und die Vorräte zum kurzfristigen Umlaufvermögen zusammen, so gilt als absolute Größe: Working Capital = kurzfristiges Umlaufvermögen (UV) – kurzfristige Verbindlichkeiten (FKK) Es ist eine Bestandsgröße und zeigt als positive Größe den Überschuss des kurzfristigen Umlaufvermögens über die kurzfristigen Verbindlichkeiten. Diese Bestandsgröße ermöglicht Aussagen über die zukünftig zu erwartenden Liquiditätsveränderungen sowie der zukünftigen Finanzierungsmöglichkeiten und -defizite. Als relative Größe ausgedrückt gilt:
Working Capital Ratio:2)
kurzfristiges Umlaufvermögen Kurzfristige Verbindlichkeiten
Die liquiden Mittel, die grundsätzlich Teil des Umlaufvermögens sind, werden in diesem Kontext nicht als Teil des Working Capital betrachtet, da aus dem betrieblichen Umsatzprozess und seiner Optimierung letztendlich eine Verbesserung der Liquiditätsposition resultieren soll. Das Working Capital steht in enger Beziehung zum Cash Flow. Es ist das Bindeglied zwischen statischer und dynamischer Liquiditätsanalyse. Die dynamische Liquiditätsanalyse ist zeitraumbezogen und stellt vornehmlich auf den Cash Flow ab. Der Cash Flow kann gemäß folgender Definition im engeren und im weiteren Sinne betrachtet werden: Cash Flow im engeren Sinne = Thesaurierte Gewinne + Neu gebildete Rücklagen (netto) + Abschreibungen + Sonstige Wertberichtigungen Er zeigt den Spielraum zur Selbstfinanzierung eines Unternehmens an.
2
Megginson, William L., Smart, Scott B.: Introduction to Corporate Finance, USA, 2006, S. 756
206
4 Unternehmensanalyse
Cash Flow im weiteren Sinne = Jahresgewinn bzw. -verlust – Gewinnvortrag + Verlustvortrag + Erhöhung der Rücklagen zu Lasten des Ergebnisses – Auflösung der Rücklagen zugunsten des Ergebnisses + Erhöhung der langfristigen Rückstellungen – Auflösung langfristiger Rückstellungen zugunsten d. Ergebnisses + Abschreibungen/Wertberichtigungen auf Sachanlagen/Beteiligungen + außerordentliche, betriebs- und periodenfremde Aufwendungen – außerordentliche, betriebs- und periodenfremde Erträge Der Cash Flow in dieser Definition zeigt nicht nur die aus der Selbstfinanzierung stammenden, sondern auch die aus der Fremdfinanzierung resultierenden Mittel, die bis zum Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme im Unternehmen verbleiben. Der Cash Flow in der erweiterten Fassung ist ein Indikator für die Finanzkraft eines Unternehmens und zeigt das Potential zur laufenden Aufwandsfinanzierung, zur Bedienung des Eigen- und Fremdkapitals sowie zur Investitionsfinanzierung. Er zeigt zusammenfassend an, inwieweit das Unternehmen längerfristig in der Lage ist, die erforderlichen Finanzmittel für die Finanzierung der Aktivseite der Bilanz sowie des laufenden Aufwands einschließlich der Ansprüche der Kapitalgeber aus eigener Kraft zu generieren3). Der Cash Flow in seinen verschiedenen Definitionen ist also ein wichtiger Indikator für das Rating eines Unternehmens. Es gelten folgende Zusammenhänge: Nopat (Net Operating Profit after Tax) – Zunahme des Working Capital + Abnahme des Working Capital = Cash Flow aus operativer Geschäftstätigkeit = Zu- bzw. Abfluss liquider Mittel aus operativer Geschäftstätigkeit Formalisiert dargestellt: Nopat – Δ WC = OpCF Δ WC
=
Veränderung Working Capital
Op CF = operative Cash Flow 3
Olfert, Klaus: Finanzierung, 11. Auflage, Ludwigshafen 2001, S. 413
4.3 Working Capital Optimierung im Ratingprozess Δ WC =
207
Δ(UV – FKk)
Also wird der operative Cash Flow über eine Abnahme des Working Capital erhöht, über eine Zunahme des Working Capital reduziert. Die Abnahme beinhaltet eine Erhöhung der kurzfristigen Verbindlichkeiten (z.B. über eine Erhöhung der Kreditorenposition), die Zunahme eine Erhöhung des Umlaufvermögens (z.B. über eine Erhöhung der Debitorenposition oder der Vorräte). Neben dem operativen Cash Flow ist der Cash Flow aus den Investitions- sowie aus den Finanztätigkeiten zu berücksichtigen, um schließlich zum gesamten Cash Flow eines Unternehmens zu kommen, der die Veränderung der Liquiditätsposition (LM: liquide Mittel) eines Unternehmens reflektiert. Es gilt: Auszahlungen für Anlageinvestitionen – Rückflüsse aus Desinvestitionen = InvCF (Cash Flow aus Investitionstätigkeit) Dieses impliziert: Δ AV
> 0, dann ist InvCF negativ;
Δ AV
< 0, dann ist InvCF > 0
Dabei gilt. Δ AV = Auszahlungen für Anlageinvestitionen minus Rückflüsse aus Desinvestitionen Schließlich: Veränderung Eigenmittel (EK) + Veränderung Fremdkapital (FK) = FinCF Δ EK + Δ FK = FinCF (Cash Flow aus Finanztätigkeiten) Wenn: Δ (EK + FK) > 0, dann ist FinCF > 0 Zusammenfassend gilt für den gesamten Cash Flow (CF) eines Unternehmens:4) bzw.
OpCF + InvCF + FinCF = CF = Δ LM
(Nopat – Δ WC) – Δ AV + Δ (EK + FK) = CF = Δ LM
4
siehe auch: Zantow, Roger: Finanzierung. Die Grundlagen des modernen Finanzmanagements, München 2004, S. 194
208
4 Unternehmensanalyse
Also werden die liquiden Mittel eines Unternehmens durch eine Erhöhung des operativen Gewinns nach Steuern, durch eine Abnahme des Working Capital und des Nettoanlagevermögens sowie über eine verstärkte Außenfinanzierung erhöht und durch die entsprechenden gegenläufigen Maßnahmen reduziert. Somit eröffnen sich auf der Ebene des Cash Flows etliche Möglichkeiten, die Liquidität sowie die Bonität und damit das Rating eines Unternehmens nachhaltig positiv zu beeinflussen. Die Entwicklung des Working Capital spielt in diesem Kontext eine maßgebliche Rolle.
4.3.3
Finanzwirtschaftliche Kennzahlen
Im Zusammenhang mit der Ratinganalyse finden eine Vielzahl von finanzwirtschaftlichen Werten und Kennzahlen Berücksichtigung. Diese Kennzahlen stehen in der Regel untereinander in enger Beziehung und Abhängigkeit zueinander. Demzufolge ist es zielführend, sich auf einige wenige Kennzahlen und deren Analyse zu konzentrieren, um ein zutreffendes Urteil über den Unternehmensstatus bzw. die Bonität des Unternehmens fällen zu können. Diese Kennzahlen können unterschiedlichen Betrachtungsebenen zugeordnet werden – und zwar der Bilanzstruktur, der Rentabilität sowie der Liquiditätsentwicklung. Folgendes finanzwirtschaftliches Kennzahlentableau dient als Ausgangspunkt für eine fundierte Ratinganalyse. Zur Bilanzstrukturanalyse: Eigenkapitalquote:
Eigenmittel
× 100 %
Gesamtkapital
Fremdkapital – liquide Mittel
Dynamischer Verschuldungsgrad:
Cash Flow
Fremdkapital
Verschuldungskoeffizient:
Eigenkapital
× 100 %
Zur Rentabilitätsanalyse: Umsatzrentabilität:
EBIT Umsatz
Eigenkapitalrentabilität:
× 100 %
Gewinn Eigenmittel
× 100 %
4.3 Working Capital Optimierung im Ratingprozess
Gesamtkapitalrentabilität:
209
Gewinn + Fremdkapitalzinsen Eigenkapital + Fremdkapital
Return on Investment (RoI): Economic Value Added:
EBIT Investiertes Kapital
× 100 %
× 100 %
EBIT – (WACC × investiertes Kapital)
Zur Liquiditätsanalyse: Liquidität 1.; 2. Grades:
Deckungsgrad A ; B:
Cash Flow Rate:
4.3.3.1
Zahlungsmittel kurzfristiges FK
× 100 %;
Zahlungsmittel + Debitoren × 100 % kurzfristiges FK
Eigenkapital
Eigenkapital + langf. FK × 100%; × 100% Anlagevermögen Anlagevermögen
Cash Flow Umsatz
× 100 %
Bilanzstrukturanalyse
In der quantitativen Ratinganalyse hat die Höhe der Eigenkapitalquote ein ausschlaggebendes Gewicht von im Durchschnitt ca. 20 %. Geht man von einer Gewichtung von ca. zwei Drittel für quantitative Faktoren und einem Drittel für qualitative Faktoren aus, so ergibt sich für die Eigenkapitalquote ein Gewichtungsfaktor von ca. 13 % in der Ratinganalyse. Spiegelbildlich zur Eigenkapitalquote dient der Verschuldungskoeffizient als Indikator für die Solidität der Bilanzstruktur, denn es gilt, dass eine niedrige Eigenkapitalquote mit einem hohen Verschuldungskoeffizienten korrespondiert und umgekehrt. Vor dem Hintergrund der bekannten Eigenkapitalschwäche deutscher Unternehmen – und hier insbesondere des deutschen Mittelstandes – gewinnen alle Überlegungen und Maßnahmen zur Verbesserung der Eigenkapitalquote einen besonderen Stellenwert. In diesem Zusammenhang ist an erster Stelle für mittelständische Unternehmen die erhöhte Beteiligungsfinanzierung zu nennen – durch bisherige und durch neue Gesellschafter. Ergänzend kommen die Möglichkeiten, die der Private Equity Sektor gerade im mittelständischen Bereich bietet, hinzu. Jedoch wirken die hohen Renditeansprüche, die dieser Sektor umzusetzen versucht, in vielen Fällen investitionshemmend. Daneben bietet die Mezzanine Finanzierung mit ihren verschiedenen Finanzierungsformen sehr individuelle und maßgeschneiderte Möglichkeiten zur Verbesserung der langfristigen Kapitalstruktur. Aufgrund der Nachrangigkeit, der Langfristigkeit der Kapitalüberlassung
210
4 Unternehmensanalyse
sowie der Gewinn- und Verlustpartizipation kann diese Finanzierungsform als (wirtschaftliches) Eigenkapital klassifiziert werden, damit zur Verbesserung der Eigenkapitalquote und des Ratings beitragen. Neben der Beteiligungsfinanzierung lässt sich die Eigenkapitalquote durch bilanzverkürzende Maßnahmen verbessern. Zu diesen Maßnahmen zählt der regresslose Forderungsverkauf über das Factoring oder über ABS-Transaktionen. Mit den aus dem Forderungsverkauf resultierenden Mitteln kann das Unternehmen Verbindlichkeiten tilgen und die Eigenkapitalquote bei reduzierter Bilanzsumme verbessert werden. Darüber hinaus eröffnet sich durch das Leasing – über Sale und Lease Back Konstruktionen sowie den dadurch freigesetzten Mitteln – die Möglichkeit, die Fremdkapitalaufnahme zu reduzieren und die Eigenkapitalbasis zu verstärken. Ergänzend zur Eigenkapitalquote wird der dynamische Verschuldungsgrad zur Beurteilung der Bilanzstruktur eines Unternehmens herangezogen. Diese Kennzahl gibt an, wie viel Zeit ein Unternehmen benötigt, um die Nettoschulden (also nach Abzug der liquiden Mittel) durch den generierten jährlichen Cash Flow zurückzuzahlen. Sie dient also zur Beurteilung der Fähigkeit eines Unternehmens, seine Fremdmittel über den Cash Flow zu tilgen. Ein überdurchschnittlich hoher Wert dieser Kennzahl kann als Anzeichen für eine mögliche Gefährdung eines Unternehmens dienen. Unternehmen mit hoher Insolvenzgefährdung weisen im Regelfall einen hohen dynamischen Verschuldungsgrad auf. Alle Kennzahlen, die als Basis der Bilanzstrukturanalyse dienen, können über die Entwicklung des Working Capital positiv beeinflusst werden – z.B. über den Verkauf von Positionen des Umlaufvermögens und die Verwendung der daraus resultierenden liquiden Mittel zur Rückzahlung von Krediten, um die Eigenkapitalquote (über die Reduzierung der Bilanzsumme) anzuheben. Ergänzend zur Bilanzstrukturanalyse dienen die Kennzahlen im Rahmen der Liquiditätsanalyse, die in einer kurzfristigen Betrachtung (Liquidität 1. und 2. Grades) auf Werte des Working Capital Bezug nehmen sowie in einer langfristigen Betrachtung (Deckungsgrad A und B) die strukturelle Finanzierung des Anlagevermögens zum Ausdruck bringen. Die zur Liquiditätsanalyse herangezogene Cash Flow Rate ist ein Indikator dafür, in welchem Ausmaße über den Umsatz der Cash Flow generiert wird, der die Liquiditätsentwicklung beeinflusst. 4.3.3.2
Return on Investment
Die Ertragslage eines Unternehmens wird über die Rentabilitätsanalyse deutlich gemacht. Eine stabile Ertragslage ist die Basis für weiteres unternehmerisches Wachstum und bei den Kreditinstituten die Voraussetzung für eine Kreditgewährung. Die wesentlichen Kennzahlen zur Rentabilitätsanalyse sind: • Die Umsatzrentabilität (hier definiert als EBIT-Marge). Sie ermöglicht einen zeitlichen und branchenübergreifenden Vergleich und ist ein guter Indikator für die Beurteilung der Ertragskraft eines Unternehmens trotz möglicher Verzerrungen durch unterschiedliche Abschreibungsmethoden.
4.3 Working Capital Optimierung im Ratingprozess
211
• Die Eigenkapitalrentabilität als Verzinsung des von den Gesellschaftern eingebrachten Kapitals bzw. als Vergütung des unternehmerischen Risikos. Auch diese Größe kann durch unterschiedliche Methoden der Gewinnermittlung verzerrt sein. • Die Gesamtkapitalrentabilität, die neben dem erzielten Gewinn auch die Fremdkapitalzinsen berücksichtigt und die Verzinsung des im Unternehmen eingesetzten Gesamtkapitals widerspiegelt. Diese Kennzahlen können weiter aufgeschlüsselt werden, um eine genauere Analyse der Rentabilitätsentwicklung durchführen zu können. Es gelten folgende Zusammenhänge:5)
Return on Investment (RoI) =
EBIT Investiertes Kapital
× 100 %
Erweiterung durch Einbeziehung des Umsatzes ergibt: RoI =
EBIT Umsatz
×
Umsatz Investiertes Kapital
× 100 %
RoI = Umsatzrentabilität × Umschlagshäufigkeit des investierten Kapitals Diese Kennziffer gibt Auskunft darüber, ob die Entwicklung der Gesamtrentabilität auf einer Änderung der Umsatzrentabilität, des Kapitalumschlags oder auf einer Kombination beider Effekte beruht. Mit folgender weiterer Aufschlüsselung – gemäß der Du-Pont-Formel – können die genauen Ursachen für die Entwicklung des RoI identifiziert werden. Für die RoI-Ermittlung gilt:6) Umsatzrentabilität:
EBIT : Umsatz EBIT = Bruttoertrag – Aufwand Aufwand = + + +
5 6
Personalaufwand Materialaufwand Abschreibungen Sonstiger umsatzbedingter Aufwand
siehe auch Zantow, Roger: Finanzierung. S. 399 ff. siehe auch: Perridon, Louis, Steiner Manfred: Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 575 f.
212
4 Unternehmensanalyse
Kapitalumschlag:
Umsatz : Investiertes Kapital (Capital Employed, CE) CE = Anlagevermögen + Working Capital Working Capital = Forderungen + Vorräte – Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
Diese Aufschlüsselung eröffnet konkrete Ansatzpunkte zur Verbesserung des RoI. Ein zu geringer RoI kann durch die Ertrags- und Aufwandsstrukturen, durch zu niedrigen Kapitalumschlag oder durch eine Kombination beider wesentlicher Kenngrößen verursacht sein. Es wird deutlich, dass die Entwicklung des Working Capital über die Änderung des Kapitalumschlags einen wesentlichen Einfluss auf den RoI hat. Über einen Abbau der Forderungen und Vorräte kann beispielsweise der Working Capital reduziert, der Kapitalumschlag erhöht und somit der RoI verbessert werden. 4.3.3.3
Economic Value Added
Neben dem RoI ist der Economic Value Added (EVA) als weitere Kennzahl im Rahmen der Rentabilitätsanalyse hervorzuheben. Es gilt folgende Definition: Economic Value Added:
EBIT – (WACC × investiertes Kapital, CE)
Diese Kennzahl hat in den letzten Jahren als finanzwirtschaftliche Steuerungsgröße erheblich an Bedeutung gewonnen. Es misst die Wertschöpfung in einer Periode als absolute Größe und beinhaltet den Vermögenszuwachs der Gesellschaft, der nach Abzug der Kapitalkosten erzielt worden ist. Erst bei einem EBIT, der die Kapitalkosten übersteigt, wird ein positiver Wertbeitrag erzielt. Demzufolge kann ein Unternehmen über das Ziel der Steigerung des Unternehmenswertes das Rating an einem entscheidenden Punkt beeinflussen, indem wertsteigernde Maßnahmen identifiziert und umgesetzt werden. In diesem Kontext wird wieder auf den EBIT als Indikator für die Gewinngröße Bezug genommen, da gerade bei mittelständischen Unternehmen aufgrund unterschiedlicher steuerlicher Effekte bei unterschiedlichen Rechtsformen keine Vergleichbarkeit auf der Nachsteuerebene gewährleistet ist. Hinsichtlich des WACC (Weighted Average Cost of Capital) kann grundsätzlich folgende Definition verwendet werden:7)
7
siehe auch: Zantow, Roger: Finanzierung. S. 321–323
4.3 Working Capital Optimierung im Ratingprozess
i =
( iEK × EK) + (iFK × FK) EK + FK
213
, dabei gilt:
i
= WACC = Verzinsungsanspruch des Gesamtkapitals
iEK
= Verzinsungsanspruch Eigenkapital = irisikolos + ß (iAktienmarkt – irisikolos )
irisikolos
= Zins, der risikolos im Markt erzielt werden kann (z.B. über Festgeld)
ß
= branchenspezifischer Risikozuschlag für das spezifische Aktieninvestment
iAktienmarkt = allgemeine Verzinsung einer Anlage im Aktienmarkt iFK
= durchschnittlicher Zinssatz für das vom Unternehmen aufgenommene Fremdkapital
EK und FK = Marktwerte des Eigen- und des Fremdkapitals Die praktische Ermittlung des WACC ist für einzelne Unternehmen durchaus mit einigen Problemen behaftet und häufig nur mit vereinfachenden Annahmen möglich. Bezüglich mittelständischer und nichtbörsennotierter Gesellschaften werden folgende vereinfachende Prämissen empfohlen: Statt des Marktwertes für Eigen- und Fremdkapital werden die jeweiligen bilanziellen Werte als Basis genommen, möglicherweise ergänzt und korrigiert um bilanziell nicht sichtbare Faktoren. Statt der allgemeinen Verzinsung des Aktienmarktes dient die längerfristige durchschnittliche Eigenkapitalverzinsung nichtbörsennotierter mittelständischer Unternehmen, die statistisch ermittelbar ist, als Bezugspunkt. Der branchenspezifische Risikozuschlag kann unter Berücksichtigung der Rendite-/Risiko-Besonderheiten der jeweiligen Branche/des Unternehmens ermittelt werden, indem von der durchschnittlichen Eigenkapitalverzinsung des Mittelstandes entsprechende prozentuale Zu- bzw. Abschläge gemacht werden, die schließlich das jeweilige ß repräsentieren. Bezüglich der Ermittlung des Fremdkapitalzinssatzes sollte der durchschnittliche Zinsaufwand pro Periode in Beziehung zu dem durchschnittlich eingesetzten Fremdkapital gesetzt werden. In Anlehnung an die Du-Pont-Formel kann das nachfolgende Schema genutzt werden, um die Abhängigkeiten zu verdeutlichen. Für die EVA-Ermittlung gilt:
214
4 Unternehmensanalyse EVA = EBIT – Kapitalkosten EVA = EBIT – (WACC x CE)
EBIT = Bruttoertrag – Aufwand Aufwand = Personalaufwand + Materialaufwand + Abschreibungen + Sonstiger umsatzbedingter Aufwand Kapitalkosten =
WACC × CE CE = Anlagevermögen + Working Capital Working Capital = Forderungen + Vorräte – Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
Der EVA-Wert kann über das EBIT, den WACC, das gesamte Capital Employed einschließlich des Working Capital beeinflusst werden. Eine Erhöhung des EVA-Wertes hat einen signifikanten Einfluss auf das Rating und damit auf die Bonität eines Unternehmens. Diese Erhöhung gelingt über eine EBIT-Verbesserung, über eine Senkung der Kapitalkosten oder durch eine Kombination beider wesentlicher Einflussfaktoren. Die Senkung der Kapitalkosten wiederum wird – neben den Verzinsungsansprüchen der Kapitalgeber – über eine Reduzierung des Working Capital ermöglicht. Zusammenfassend hat – analog zum RoI – die Optimierung des Working Capital eine hohe Relevanz für den EVA-Wert eines Unternehmens
4.3.4
Maßnahmen zur Optimierung des Working Capital
4.3.4.1
Cash Management
Das Unternehmen hat im Rahmen des Cash Management die Zahlungsbereitschaft sicherzustellen, damit über den Planungszeitraum alle Zahlungsverpflichtungen jederzeit erfüllt werden können. Dabei sind nicht nur die Bestandsgrößen – die Primärliquidität (Kassenbestände und Bankguthaben) sowie die Sekundärliquidität (Liquiditätsreserven) – sondern auch die Bewegungsgrößen – der Cash Flow – einzubeziehen. Neben der Absicherung der jederzeitigen Zahlungsbereitschaft zählt die Optimierung der Nettozinsposition aus der Anlage und Aufnahme liquider Mittel zu den weiteren Zielen im Cash Management. In diesem Rahmen sind als Aufgaben die Zinsrisiken, die Debitoren- und Kreditorenpositionen sowie der Cash Flow zu kontrollieren und zu steuern.
4.3 Working Capital Optimierung im Ratingprozess
215
Die spezifischen Techniken, die im Cash Management zum Einsatz kommen und sich auf die Optimierung der Liquiditätsposition fokussieren, werden im Rahmen dieser Ausführungen nicht näher beleuchtet. 4.3.4.2
Forderungsmanagement
Dem Forderungsmanagement obliegt es, das in den gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen gebundene Kapital so gering wie möglich zu halten, die Kapitalbindungsdauer zu reduzieren und dadurch zu einer Optimierung des Working Capital beizutragen. Die entsprechenden Maßnahmen zur Begrenzung und Steuerung der Forderungsbestände sind • das Factoring. Es beruht auf einem Vertrag zwischen einem Unternehmen (Klient), das seine Forderungen an ein Finanzierungsinstitut (Factor) verkauft. Das Factoring-Institut kann für den Kunden folgende Funktionen übernehmen: Die Dienstleistungsfunktion (Leistungen im Zusammenhang mit der Administration der Forderungen); die Delkrederefunktion (Übernahme des Ausfallrisikos der Forderungen) sowie die Finanzierungsfunktion (Bezahlung der angekauften Forderungen). In Deutschland wird vor allem das Factoring, das alle drei Funktionen umfasst, praktiziert (echtes Factoring). Beim unechten Factoring verbleibt hingegen die Delkrederefunktion beim Klienten. Das Factoring ist in vielen Fällen eine zinsgünstige Alternative zur Nutzung einer bestehenden Kontokorrentlinie, schont bestehende Kreditlinien und kann zur Bilanzverkürzung und damit zur Verbesserung der Bilanzstruktur bzw. Eigenkapitalquote führen. Demzufolge ist zu beobachten, dass das Factoring zunehmend auf Akzeptanz bei mittelständischen Unternehmen stößt und das Factoringvolumen stetig ansteigt. • das ABS (Asset Backed Securities). Diese Maßnahme basiert auf einer Verbriefung (Securitisation) von Forderungen. Die Forderungen werden an eine Zweckgesellschaft (Forderungspool), die wiederum Wertpapiere zur Refinanzierung begibt, verkauft. Mit diesem Instrument werden alle Möglichkeiten des gesamten Kapitalmarkts zur Refinanzierung der verkauften Forderungen ausgeschöpft. Über dieses Vehikel wird eine günstigere Finanzierung als beim Factoring für den Forderungsverkäufer möglich, da durch die Bündelung und Diversifizierung einer Vielzahl von Einzelforderungen das Risiko geringer wird als beim Ankauf von Einzelforderungen durch ein einzelnes Factoring-Institut. ABS ist primär noch ein Instrument für größere Unternehmen, da das Mindestvolumen für die Etablierung einer Zweckgesellschaft einen zweistelligen Millionenbetrag erfordert, der in der Regel nur von einem Großunternehmen oder mehreren Unternehmen mittlerer Größenordnung zur Verfügung gestellt werden kann. Es gibt jedoch diverse Initiativen, dieses Programm auch für mittelständische Unternehmen mit einem relativ hohen Forderungsbestand verfügbar zu machen. Die vorgestellten Maßnahmen implizieren im Regelfall erhebliche Zinseinsparungen, führen zu einer Verbesserung der Liquiditätssituation, der Finanzkennzahlen sowie des Working Capital eines Unternehmens.
216 4.3.4.3
4 Unternehmensanalyse Währungsmanagement
Gebuchte und zukünftige Forderungen ebenso wie bereits gebuchte und zukünftige Verbindlichkeiten können auch in Fremdwährungen bestehen. Daraus resultiert das Risiko, dass mit dem Tausch der Fremdwährung in die Heimatwährung bzw. aus der Heimaltwährung in die Fremdwährung erhebliche Unsicherheiten des Umtauschkurses verbunden sind. Diese Unsicherheiten können sich in erheblichen Ertrags- und Aufwandsschwankungen niederschlagen und in hohem Maße die Gewinn- und Verlustrechnung beeinflussen. Die Währungsrisiken (oder Währungsexposure), die aus diesen operativen Umtauschverpflichtungen resultieren, werden als Transaktionsexposure betrachtet. Das Management dieser Risiken ist Teil des Working Capital Management. Diese Risiken können mit folgenden Instrumenten kontrolliert und gesteuert werden: • Devisentermingeschäfte, die auf aktueller Kurs- und Zinsbasis die Absicherung zukünftiger Forderungs- und Verbindlichkeitspositionen ermöglichen. Diese Termingeschäfte können für kürzere und längere Zeiträume abgeschlossen werden. Der Abschluss eines Devisenterminkontraktes ermöglicht die (heutige) definitive Festschreibung des Umtauschkurses zukünftiger Forderungs- oder Verbindlichkeitspositionen in bestimmte Währungen. Der Terminkurs ergibt sich auf Basis des Kassakurses sowie aus einem Auf- oder Abschlag, der sich an der Zinsdifferenz der gehandelten Währungen bemisst. Das Termingeschäft führt zur Risikoabsicherung unter Inkaufnahme des Verzichtes auf zukünftige Chancenwahrnehmung, die aus späteren positiven Kursentwicklungen resultieren können. • Devisenoptionsgeschäfte, die dem Unternehmen einen Ausweg aus der Inflexibilität des Temingeschäftes eröffnen, indem der Optionskäufer gegen Zahlung einer Optionsprämie das Recht erhält, eine bestimme Währung zu einem vorab festgelegten Kurs (den Strike Price) verkaufen (Put-Option) oder kaufen (Call-Option) zu können. Der Optionskäufer erhält gegen Zahlung einer Prämie ein Recht eingeräumt, das er ausüben oder nicht ausüben kann. Der Verkäufer eines Optionsrechtes ist der Stillhalter, der eine passive Rolle einnimmt und der Entscheidung des Optionskäufers unterworfen ist. Als Kompensation für diesen Risikoausgleich vereinnahmt er die Optionsprämie. Optionsgeschäfte verschaffen dem Unternehmen gegen die Zahlung einer Optionsprämie sowohl eine Risikoabsicherung als auch das Potential, zukünftig an aus Sicht des Unternehmens positiven Kursentwicklungen weiterhin partizipieren zu können. Hemmend für den Einsatz dieses innovativen Instrumentes wirkt auf viele Unternehmen die Optionsprämie, die im Regelfall zu Beginn des Optionskontraktes zu zahlen ist und wertlos verfallen kann. Sollte jedoch das Optionsrecht wertlos verfallen, ist die Implikation, dass der Markt dem Unternehmen ein günstigeres Umtauschverhältnis als den Strike Price offeriert, das Unternehmen also das (fast volle) Chancenpotential ausschöpfen kann. Spiegelbildlich verläuft das Risikoprofil für den Optionsverkäufer, der gegen Erhalt einer Optionsprämie das Risiko eingeht, zu einem bei Ausübung des Optionsgeschäftes für ihn ungünstigen Strike Price die vereinbarten Währungsbeträge umtauschen zu müssen.
4.3 Working Capital Optimierung im Ratingprozess
217
• Netting, das die Verrechnung/Aufrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten in ein und derselben Fremdwährung beinhaltet, um das Währungsexposure auf „natürliche Weise“ zu reduzieren. Diese Möglichkeit kann sowohl innerhalb eines Konzerns als auch zwischen verschiedenen Untenehmen genutzt werden. • Leading, bei dem, um erwartete Währungsschwankungen zu vermeiden, die Zahlungsziele vorgezogen, die Zahlungen also vor dem vereinbarten Zahlungsziel beglichen werden. Diese Alternative reduziert/vermeidet das Währungsrisiko, beinhaltet jedoch das Ausweichen auf den Geldmarkt, da vorgezogene Zahlungen Liquidität beanspruchen und demzufolge das Zinsergebnis belasten. Sollte ein Exporteur von seinen Kunden das Leading verlangen (soweit es überhaupt durchsetzbar ist), so werden diese versuchen, dem Unternehmen die entstehenden Zinskosten in Rechnung stellen. Die vorgestellten Instrumente des operativen Währungsmanagements können situationsabhängig sehr gezielt eingesetzt werden, um das Risiko aus zukünftigen Währungsschwankungen zu begrenzen bzw. zu eliminieren und ggf. weiterhin von positiven Kursentwicklungen profitieren zu können. Bei adäquatem Einsatz tragen sie in erheblichem Maße zur Optimierung des Working Capital bei. 4.3.4.4
Management der Vorratshaltung
Die Vorräte sind Teil des Umlaufvermögens sowie des Working Capital. Die Optimierung dieser Position vollzieht sich in dem Spannungsfeld zwischen notwendigen Vorräten einerseits, um Produktion und Absatz aufrechterhalten, und hohen Vorräten andererseits, um unmittelbar auf Produktions- und Absatzschwankungen reagieren zu können. Zur Bewältigung dieser Aufgabe kann auf folgende Relation zurückgegriffen werden: Vorratshaltung =
Vorräte Umsatz
× 100 %
Dieser Koeffizient muss unternehmensindividuell über einen längeren Zeitraum ermittelt werden. Er ist ein Indikator für die Wirtschaftlichkeit der Vorratshaltung. Bei steigenden Umsätzen sollte der Indikator unterproportional ansteigen, bei sinkenden Umsätzen überproportional zurückgehen. Ergänzt wird dieser Indikator durch die Umschlagshäufigkeit.
Lagerumschlagshäufigkeit: =
Umsatz Durchschnittlicher Bestand an Vorräten
× 100 %
Je geringer der Vorratsbestand, umso höher bei konstantem Umsatz die Umschlagshäufigkeit. Steigt der Umsatz, sollte der Vorratsbestand unterproportional ansteigen; fällt der Umsatz, sollte der Vorratsbestand überproportional zurückgehen, um eine Verbesserung der Umschlagshäufigkeit zu erreichen.
218
4 Unternehmensanalyse
Auch hier wird ersichtlich, dass durch eine effiziente Vorratshaltung über die dargestellten Wirkungsmechanismen eine Verbesserung des Working Capital erreicht werden kann. 4.3.4.5
Reverse Factoring
Bei diesem Ansatz, der die herkömmliche Forderungsfinanzierung umkehrt, stehen die Lieferantenverbindlichkeiten im Fokus der Verbesserung des Working Capital. Der Abnehmer von Waren und Dienstleistungen ist der Initiator, der mit einer Factoringgesellschaft (Faktor) einen Rahmenvertrag abschließt, revolvierend die Forderungen des Lieferanten an den Abnehmer (Initiator) anzukaufen. Ergänzend schließen auch der Lieferant und der Faktor einen vereinfachten Vertrag ab, der nur die Forderungen gegen den Initiator umfasst. Auf dieser Basis werden dem Lieferanten die Forderungen gegen den Initiator bis zum vollen Nominalbetrag finanziert. Analog zum klassischen Factoring übernimmt der Factor auch das Delkredererisiko für den Lieferanten. Der Initiator seinerseits bezahlt seine Verbindlichkeiten, die er nun gegen den Faktor hat, zum vereinbarten Zahlungstermin. Die Vorteile bestehen darin, dass der Initiator seinen finanziellen Spielraum durch die Verlängerung der Zahlungsziele, die mit dem Lieferanten und dem Faktor abgestimmt sein müssen, erweitern kann. Dieser so geschaffene finanzielle Spielraum kann wiederum zur Finanzierung zusätzlichen Umlaufvermögens – was einen Ausbau der Geschäftsaktivitäten beinhaltet – oder zum Abbau kurzfristiger Bankkredite genutzt werden. Zudem kann der Initiator aufgrund der umgehenden Begleichung seiner Verbindlichkeiten möglicherweise verbesserte Einkaufskonditionen sowie ein höheres Einkaufsvolumen bei seinem Lieferanten durchsetzen. Aufgrund des Umfangs der einbezogenen Lieferantenforderungen sowie der flexiblen Gestaltung der Zahlungsziele eröffnet sich dem Unternehmen, das dieses Instrument nutzt, eine gezielte Möglichkeit zur Optimierung seines Working Capital.
4.3.5
Fazit
Der Beitrag fokussiert sich ausschließlich auf die Bedeutung finanzwirtschaftlicher Kennzahlen im Ratingprozess. In diesem Kontext wird das Working Capital als sehr wichtige Stellgröße zur Verbesserung des Ratings identifiziert. Es werden die Interdependenzen zwischen der Liquidität, dem Cash Flow und dem Working Capital offen gelegt. Es wird deutlich, in welchem Ausmaß eine Reduzierung (Verbesserung) des Working Capital sowohl den Cash Flow als auch die Unternehmensliquidität, gemessen an entsprechenden Liquiditätsgraden, positiv beeinflusst. Wichtige Kennzahlen im Ratingprozess sind der Return on Investment und der Economic Value Added. Die Bestimmungsfaktoren für diese Kennzahlen werden transparent gemacht. Zugleich wird die Kausalität des Working Capital für die Entwicklung dieser Kennzahlen veranschaulicht. Neben der Demonstration der grundsätzlichen Abhängigkeiten werden Maßnahmen zur Optimierung des Working Capital benannt und in ihrer Wirkungsweise erläutert. Diese Maß-
4.3 Working Capital Optimierung im Ratingprozess
219
nahmen konzentrieren sich auf die Positionen des Umlaufvermögens sowie auf die Beeinflussung der Verbindlichkeiten. Mit dem Reverse Factoring wird ein im deutschen Mittelstand noch relativ wenig genutztes Instrumentarium zur Optimierung der Verbindlichkeitsposition vorgestellt.
4.3.6
Lernziele
1. Es sollen die wesentlichen finanzwirtschaftlichen Bestimmungsfaktoren für das Rating identifiziert und erklärt werden. 2. Zugleich sollen die Abhängigkeiten zwischen diesen Bestimmungsfaktoren deutlich gemacht werden. 3. Das Working Capital soll als kausaler Faktor für die Entwicklung wesentlicher finanzwirtschaftlicher Kennzahlen identifiziert werden. 4. Es sollen die wichtigsten Maßnahmen und Instrumente, die die Höhe und die Entwicklung des Working Capital bestimmen, benannt und erläutert werden. 5. Über abstrakte Ableitungen sollen schrittweise konkrete Schlussfolgerungen gezogen und Handlungsanweisungen gegeben werden. 6. Mit der skizzierten Methodik soll das Denken in grundsätzlichen Kategorien und Zusammenhängen befördert werden.
4.3.7
Literaturhinweise
Megginson, William L., Smart, Scott B.: Introduction to Corporate Finance, USA, 2006 Olfert, Klaus: Finanzierung, 11. Auflage, Ludwigshafen 2001 Perridon, Louis, Steiner Manfred: Finanzwirtschaft der Unternehmung, 11. Auflage, München 2002 Zantow, Roger: Finanzierung. Die Grundlagen des modernen Finanzmanagements, München 2004
4.3.8
Übungsaufgaben zum Beitrag sowie Lösungsskizzen
Aufgabe I: Folgende Ausgangsdaten liegen am Ende der Periode P1 vor: (Werte in € Mio.) Anlagevermögen: Forderungen: Vorräte Liquidität Eigenkapital Fremdkapital, langfristig Fremdkapital, kurzfristig Verbindlichkeiten aus Lieferungen u. Leistungen
20 25 30 10 10 25 30 20
220 Umsatz EBIT Cash Flow Risikoloser Zinssatz Durchschnittliche Eigenkapitalverzinsung im Mittelstand Beta der spezifischen Branche Durchschnittlicher Fremdkapitalzins Eigenkapital = Durchschnittswert in Periode P1 Durchschnittswert Fremdkapital in Periode P1
4 Unternehmensanalyse 120 7 25 4% 11 % 1,1 7,5 % 50
Berechnen Sie: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
Eigenkapitalquote den Verschuldungskoeffizient den dynamischen Verschuldungsgrad die Liquidität ersten, zweiten und dritten Grades den Deckungsgrad A und B die Cash Flow Rate das Working Capital die Working Capital Ratio den Return on Investment (RoI) den Weighted Average Cost of Capital Economic Value Added (EVA) ändert sich der RoI, wenn der Umsatz 10 % niedriger und das Capital Employed um 10 % höher wäre? 13. welchen Wert muss die Umschlagshäufigkeit des Capital Employed ansteigen, damit unter den Prämissen der Aufgabe 9 ein RoI von 15 % erzielt wird? 14. ändert sich der RoI, wenn – ausgehend von den Prämissen der Aufgabe 9 – die Umsatzrentabilität um 5 % fällt und gleichzeitig die Umschlagshäufigkeit des Capital Employed um 5 % ansteigt? 15. ändert sich der RoI, wenn – ausgehend von den Prämissen der Aufgabe 9 – die Umsatzrentabilität um 20 % steigt (25 % fällt) und gleichzeitig die Umschlagshäufigkeit des Capital Employed um 20 % fällt (25 % steigt)?
Aufgabe II: Ausgehend von den Prämissen der Aufgabe I werden in der Periode P2 (alle Werte in € Mio.) – – – – –
die Forderungen durch ABS-Maßnahmen um 15 sowie durch Factoring-Maßnahmen um 5 reduziert; die Vorräte durch eine Erhöhung der Lagerumschlagshäufigkeit um 5 abgebaut; das kurzfristige Fremdkapital um 25 zurückgeführt; die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen über Reverse Factoring um weitere 5 erhöht.
4.3 Working Capital Optimierung im Ratingprozess
221
Der Durchschnittswert des Fremdkapitals in der Periode P2 ergibt sich aus dem Durchschnitt der jeweiligen Endposition in P1 und P2. Ermitteln Sie nach Umsetzung dieser Maßnahmen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
das Working Capital die Working Capital Ratio die Veränderung der liquiden Mittel den Return on Investment (RoI) den Weighted Average Cost of Capital den Economic Value Added (EVA) den dynamischen Verschuldungsgrad die Bilanzsumme die Eigenkapitalquote den Verschuldungskoeffizient
Lösungsskizze zu Aufgabe I: 1. die Eigenkapitalquote EKQ = 10/85 = 11,7 % 2. den Verschuldungskoeffizient VK = 75/10 = 7,5 3. den dynamischen Verschuldungsgrad dVG = (75 – 10)/25 = 2,6 4. die Liquidität 1., 2. und 3. Grades 1. Grades: 10/50 = 20 % 2. Grades: (10 + 25)/50 = 70 % 3. Grades: (10 + 25 + 30)/50 = 130 % 5. den Deckungsgrad A und B Deckungsgrad A: 10/20 = 50 % Deckungsgrad B: (10 + 25)/20 = 175 % 6. die Cash Flow Rate CFR: 25/120 = 21 % 7. das Working Capital WC: = 25 + 30 – 20 = 35 8. die Working Capital Ratio WCR = (25 + 30)/20 = 2,75 9. den Return on Investment (RoI) RoI = 7/120 × 120 / (20 + 25 + 30 – 20) = 12,7 %
222
4 Unternehmensanalyse
10. den Weighted Average Cost of Capital Verzinsung EK = 4 % + 1,1 ( 11 % – 4 %) = 11,7 % WACC = ((11,7 % × 10) + (7,5 % × 50)) /(10 + 50) = 8,2 % 11. den Economic Value Added (EVA) EVA = 7 – 8,2 % (20 + 35) = 2,49 12. Wie ändert sich der Return on Investment, wenn der Umsatz 10 % niedriger und das Capital Employed um 10 % höher wäre? RoI = 7/108 × 108/60,5 = 11, 6 % 13. Auf welchen Wert muss die Umschlagshäufigkeit des Capital Employed (CE) ansteigen, damit unter den Prämissen der Aufgabe 9 ein RoI von 15 % erzielt wird? Umschlagshäufigkeit CE = 15 %/5,8 % = 2,58 (vorher: 2,18) 14. Wie ändert sich der RoI, wenn – ausgehend von den Prämissen der Aufgabe 9 – die Umsatzrentabilität um 5 % fällt und gleichzeitig die Umschlagshäufigkeit des Capital Employed um 5 % ansteigt? RoI = 0,95 × (7/120) × 1,05 × (120 / 55) = 12,7 % 15. Wie ändert sich der RoI, wenn – ausgehend von den Prämissen der Aufgabe 9 – die Umsatzrentabilität um 20 % steigt (25 % fällt) und gleichzeitig die Umschlagshäufigkeit des Capital Employed um 20 % fällt (25 % steigt)? RoI = 1,20 × (7 / 120) × 0,80 × (120 / 55) = 12,2 % RoI = 0,75 × (7 / 120) × 1,25 × (120 / 55) = 11,9 % Lösungsskizze zu Aufgabe II: 1. das Working Capital WC = (5 + 25) – 25 = 5 2. die Working Capital Ratio WCR = (5 + 25)/25 = 1,2 3. die Veränderung der liquiden Mittel Δ LM = Δ WC – Δ FK = ((25 + 30 – 20) – (5 + 25 – 25)) – 25 = 5 4. Return on Investment RoI = 7/(20 + 5) = 28 % 5. den Weighted Average Cost of Capital Verzinsung EK = 4 % + 1,1 ( 11 % – 4 %) = 11,7 % WACC = ((11,7 % × 10) + (7,5 % × 42,5))/(10 + 42,5) = 8,3 % 6. den Economic Value Added (EVA) EVA = 7 – 8,3 % (20 + 5) = 4,93
4.3 Working Capital Optimierung im Ratingprozess 7. den dynamischen Verschuldungsgrad dVG = ((25 + 5 + 25) – 15)/25 = 1,6 8. die Bilanzsumme BS = 10 + 25 + 5 + 25 = 65 9. die Eigenkapitalquote EKQ = 10/65 = 15,4 % 10. den Verschuldungskoeffizient VK = 55/10 = 5,5
223
224
4 Unternehmensanalyse
5.1 Branchenrating zur Beurteilung marktspezifischer Risiken
5
Ratingansätze und -faktoren
225
226
5 Ratingansätze und -faktoren
5.1 Branchenrating zur Beurteilung marktspezifischer Risiken
227
Wolfgang Hauke
5.1
Branchenrating zur Beurteilung marktspezifischer Risiken
5.1.1
Einleitung
227
5.1.2
Anwendungsmöglichkeiten und Konzept eines Branchenratings
228
5.1.2.1 Anwendungen .................................................................................................... 228 5.1.2.2 Konzeption ......................................................................................................... 229 5.1.3
Feri Branchen Rating: Vorgehensweise
229
5.1.3.1 Branchenabgrenzung.......................................................................................... 229 5.1.3.2 Auswahl der Bewertungskriterien...................................................................... 230 5.1.3.3 Prognose der Branchenentwicklung................................................................... 231 5.1.3.4 Kalkulation der Risikobewertung ...................................................................... 233 5.1.3.5 Ergebnisdarstellung und -analyse ...................................................................... 235 5.1.3.6 Differenzierungen der Rating-Ergebnisse.......................................................... 236 5.1.4
Ausblick
237
5.1.5
Übungsaufgaben
238
5.1.6
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
238
5.1.1
Einleitung
Bei Unternehmensbewertungen wird der Branchenentwicklung ein hohes Gewicht beigemessen. Neben der finanziellen Situation und der Marktstellung wird die Wahrscheinlichkeit eines Kreditausfalls insbesondere durch das Unternehmensumfeld beeinflusst. Für die Rating-Vorbereitung ist es daher unumgänglich, sich mit der Entwicklung der eigenen Branche auseinanderzusetzen. Die Zielsetzung eines Branchenratings ist die Beurteilung der Attraktivität von Branchen unter Risikogesichtspunkten. Eine vergangenheitsorientierte Analyse kann deshalb nicht ausreichend sein, bildet jedoch eine wichtige Grundlage für die Beurteilung zukünftiger
228
5 Ratingansätze und -faktoren
Entwicklungen in einer Branche. Das hier vorgestellte Branchenrating der Feri Rating & Research GmbH nutzt daher quantitative, sich durch Plausibilität und Konsistenz auszeichnende Prognosen geeigneter Branchenindikatoren zur Abschätzung der Branchenrisiken. Hieraus lassen sich wiederum Rückschlüsse auf die Ausfallwahrscheinlichkeit von Unternehmen ziehen. Weist eine Branche ein gutes Rating auf, so deutet dieses Ergebnis auf ein geringes marktspezifisches Risiko hin. Damit besitzt diese Branche eine hohe Attraktivität und umgekehrt. Da ein derart durchgeführtes Rating nichts anderes darstellt als die risikoorientierte Bewertung der Branchenprognose, wird die Qualität des Branchenratings entscheidend durch die Qualität der Prognose bestimmt. Damit kommt der Branchenprognose eine zentrale Bedeutung für die Branchenbewertung zu. Lernziele Der Ratinganalyst soll • die Zielsetzung eines Branchenratings kennen und verstehen lernen, • die Erstellung von Branchenprognosen als Grundlage zur Bewertung marktspezifischer Risiken nachvollziehen können und • das Ergebnis eines Branchenratings interpretieren können.
5.1.2
Anwendungsmöglichkeiten und Konzept eines Branchenratings
5.1.2.1
Anwendungen
Ein Branchenrating muss Informationen liefern, um Branchen analysieren und im Hinblick auf ihre Zukunftsfähigkeit bewerten zu können. Dazu wird im Feri Branchen Rating die historische Entwicklung mittels sorgfältig aufbereiteter Daten transparent dargestellt und durch die Prognosen einer Vielzahl von Indikatoren dem Nutzer ein Urteil über die künftige Entwicklung der Branchen zur Verfügung gestellt. Durch die noch zu beschreibende Vorgehensweise ist sichergestellt, dass die ausgewiesenen Branchenprognosen aktuell und in sich konsistent sind. Da die Ertragskraft der Branchen in die Bewertung integriert ist, eignet sich das System nicht nur zur Analyse mengenmäßiger Absatz- und Lieferströme, sondern berücksichtigt auch das Finanzergebnis. Eine der wesentlichen Anwendungen des Branchenratings liegt daher im Bereich der Unternehmensbewertung. Ob bei Direktinvestitionen oder im Private Equity Geschäft, am Beginn der Beurteilung steht immer die Einschätzung des Unternehmens nach seinem individuellen Potenzial- und Risikoprofil. Der unternehmensspezifischen Beurteilung der Managementqualität, der Qualität der Produkte und Prozesse sowie der Finanzkennzahlen fügt das Branchen Rating einen plausiblen Rahmen für die längerfristige Unternehmensentwicklung hinzu. Bei der Beurteilung junger Unternehmen ist die Bedeutung der Branche sogar besonders hoch, da in solchen Fällen kaum unternehmensspezifische Daten vorliegen. Eine systematische und konsistente Vorgehensweise bei der Kalkulation der Risikobewertung von Branchen prädestiniert das Branchen Rating auch als neutrale Informationsquelle für die risikoorientierte Steuerung von Kreditportfolios. Das Management des Risikos ge-
5.1 Branchenrating zur Beurteilung marktspezifischer Risiken
229
werblicher Kredite benötigt neben dem Bonitätsrating gemäß den Regeln von Basel II, insbesondere im europäischen Kreditgeschäft, eine individuelle Einschätzung von Ausfallrisiken. Durch die prognostisch unterlegte Bewertung liefert das Feri Branchen Rating hierzu einen wesentlichen Beitrag. Eine risikoorientierte Marktbewertung in Form eines Branchenratings ist unverzichtbarer Bestandteil bei – aus unterschiedlichen Anlässen durchgeführten – Unternehmenbewertungen und spielt auch bei der Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten nach Basel II eine wichtige Rolle. 5.1.2.2
Konzeption
Um die Zielsetzung einer plausiblen und konsistenten Bewertung der zukünftigen Entwicklung von Branchen erreichen zu können, gliedert sich das Konzept eines Branchen Ratings sinnvollerweise in die folgenden vier Stufen: (1) (2) (3) (4)
Detaillierte Einteilung der gesamten Wirtschaft in Branchen Auswahl von Kriterien zur Beurteilung der Chancen und Risiken einer Branche Prognose der Branchenentwicklung Bewertung der Analyse und Prognose auf Basis ausgewählter Indikatoren (Rating)
Die konkrete Umsetzung dieser Stufen innerhalb des Feri Branchen Rating wird im folgenden Abschnitt ausführlich dargestellt.
5.1.3
Feri Branchen Rating: Vorgehensweise
5.1.3.1
Branchenabgrenzung
Die Abgrenzung der Branchen erfolgt im Feri Branchen Rating auf Basis der international üblichen Wirtschaftszweigeinteilung NACE Rev. 1, die für Deutschland vom Statistischen Bundesamt durch die „Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003“ umgesetzt wird. Hierin werden sämtliche Wirtschaftssektoren (Bergbau, Verarbeitendes Gewerbe, Baugewerbe, Handel, Verkehr und Nachrichten, Gastgewerbe, Banken und Versicherungen, Sonstige Dienstleistungen) erfasst und können detailliert analysiert werden. Für das Branchenrating Deutschland können dadurch beispielsweise ca. 800 Branchen berücksichtigt werden. Die dazu notwendigen Daten können im Wesentlichen von den jeweiligen Statistischen Ämtern (Statistisches Bundesamt, European Commision, Eurostat, etc.), von Wirtschaftsforschungsinstituten der einzelner Länder und von Verbänden (beispielsweise Einzelhandelsverband oder Kraftfahrt-Bundesamt in Deutschland) bezogen werden. Die Einteilung der Gesamtwirtschaft in Branchen sollte so durchgeführt werden, dass Sparten, die divergierende Entwicklungen aufweisen, unterscheidbar sind. Diese Einteilung darf allerdings nicht dazu führen, dass eine Branche durch die Entscheidungen einzelner Unternehmen merklich geprägt wird. Es werden Informationen zu Geschäftsklima, Aufträgen, Produktion, Kapazitätsauslastung, Umsatz, Außenhandel, Preisen, Kosten, Beschäftigung sowie zur Gewinn- und Verlustrech-
230
5 Ratingansätze und -faktoren
nung auf Branchenebene erhoben. Die verfügbaren Daten werden aufbereitet, abgeglichen und in einem einheitlichen Datenbankformat abgespeichert, um sie den umfangreichen Analysen zugänglich zu machen. 5.1.3.2
Auswahl der Bewertungskriterien
Das Feri Branchen Rating als System zur Beurteilung marktspezifischer Risiken basiert auf einer Vielzahl von Kriterien, die sich sowohl nach theoretischen Überlegungen als auch in statistischen Untersuchungen als plausible Erklärungsgrößen erwiesen haben. Im Wesentlichen werden die Kriterien Marktexpansion, Wettbewerbssituation sowie Ertragskraft einer Branche benutzt und je nach Wirtschaftsbereich unterschiedlich definiert. Die benutzten Indikatoren stehen gleichzeitig für Chance und Risiko, da sie in beide Richtungen Extremwerte annehmen können. Das preisbereinigte Wachstum einer Branche zählt zu den wichtigsten Kriterien, da sich auch schwache Unternehmen bei expansiver Nachfrage behaupten können, obwohl sie Marktanteile verlieren. Umgekehrt müssen schwache Unternehmen in schrumpfenden Märkten sehr schnell aufgeben, da ihre Ertragskraft für Krisenzeiten in der Regel nicht ausreicht. Besondere Bedeutung erlangt dieser Indikator in Phasen, in denen sich aus strukturellen Gründen das Expansionstempo einer Branche merklich mindert, da relativ viele Unternehmen zur Aufgabe gezwungen sind bzw. freiwillig aus dem Markt ausscheiden. Die Wettbewerbsfähigkeit einer Branche gegenüber der Auslandskonkurrenz sowie die Wettbewerbsintensität zwischen den Unternehmen einer Branche sind weitere wichtige Kriterien. Ändert sich die Wettbewerbssituation heute, dann wird sich nach einer bestimmten branchenspezifischen Frist auch der Marktanteil ändern. Auf der Ebene der Unternehmen verändert sich der Wettbewerbsdruck und führt mit einer zeitlichen Verzögerung zu anderen Ausfallraten. Die Aussagekraft der Rentabilität einer Branche ist aus mehreren Gründen gemindert. Zum einen gibt es Branchen, in denen die Renditen je nach konjunktureller Entwicklung erheblich schwanken. Da die Unternehmen in der Regel darauf eingestellt sind, muss eine momentane Ertragsschwäche keinen wesentlichen Einfluss auf die Bonität zeigen. Zum anderen ist der Gewinnausweis, der rechnerisch als Saldogröße ermittelt wird, durch statistische Unschärfen in den Ausgangsgrößen geprägt. Im Bewertungsverfahren wird diesem Indikator daher eine geringere Bedeutung zugemessen. Analog zum Problem der Liquiditätsversorgung eines Unternehmens stellen auch auf der Branchenebene die Schwankungen in der Umsatzentwicklung ein erhebliches Risiko dar. Wesentliches Merkmal hierfür ist die Konjunkturabhängigkeit einer Branche. Allerdings ist festzustellen, dass in den letzten Jahren die Liquiditätssteuerung in den Unternehmen an Bedeutung gewonnen hat. Verschärfte Kontrollmechanismen einerseits und eine aktivere Liquiditätspolitik andererseits mindern heute dieses Risiko.
5.1 Branchenrating zur Beurteilung marktspezifischer Risiken 5.1.3.3
231
Prognose der Branchenentwicklung
Der nächste Schritt – die Erstellung einer Prognose der Branchenentwicklung – ist entscheidend für die Qualität und Aussagekraft der darauf aufbauenden Kalkulation des Ratings. Diese Prognosen werden mittels einer eigenentwickelten Software – dem so genannten Branchensimulator – durchgeführt. Die historischen Daten werden mit ökonometrischen Schätzungen verbunden, so dass für jede Branche eine detaillierte Prognose auf Basis einer Vielzahl ökonomischer Indikatoren erstellt werden kann. Da die Branchen vom jeweiligen wirtschaftlichen Umfeld erheblich beeinflusst werden, ist zum einen das gesamte Simulationssystem blockrekursiv aufgebaut, zum anderen sind die jeweiligen branchenunabhängigen Einflussfaktoren explizit erfasst. Dadurch ist gewährleistet, dass die Steuergrößen des Systems, wie z.B. nationale Geld-, Finanz- und Lohnpolitik, weltwirtschaftliche Größen wie Wechselkurse, Rohstoffpreise, Welthandel u.ä., in ihren Auswirkungen auf die Branchen kalkuliert werden können. Ebenso erfasst werden auch die Wechselwirkungen zwischen den Branchen und spezifische strukturelle Änderungen. Ausgangspunkt sind gesamtwirtschaftliche Prognosevorgaben, die aus dem ebenfalls von Feri angebotenen Länderrating stammen. Kernpunkt dieser Länderanalyse ist eine Prognosehierarchie mit den USA an der Spitze. Auf der darunter liegenden Stufe wird die ökonomische Entwicklung für die Europäische Währungsunion und Japan prognostiziert, gefolgt von Vorhersagen für die übrigen Industrie- sowie Entwicklungsländer (vgl. Abbildung 5.1-1).
Abb. 5.1-1: Prognosehierarchie der Länder
Die auf Länderebene gewonnenen Erkenntnisse sowie die Prognoseergebnisse für die übergreifenden Größen wie Welthandel, Rohstoffpreise, Wechselkurse, Produktion, Investitionen, Konsum oder Industriepreise werden anschließend als Rahmendaten in die eigentliche
232
5 Ratingansätze und -faktoren
Branchenanalyse übernommen und stellen die Grundlage für die sich daran anschließende detaillierte Branchenprognose dar. Die dadurch erreichte Einbindung der Branchen in die Gesamtwirtschaft wird ergänzt durch die in den Branchenmodellen berücksichtigte wechselseitige Beziehung zwischen den verschiedenen Branchen. Ähnlich wie bei dem beschriebenen Länderrating wird auch hier von einer Prognosehierarchie – auf Branchenebene – ausgegangen. Dies ist so zu interpretieren, dass beispielsweise die weitere Entwicklung des Dienstleistungssektors als abhängig von der Entwicklung der vorgelagerten Branchen „Verarbeitendes Gewerbe“, „Bauwirtschaft“ sowie „Großhandel“ gesehen wird (vgl. Abbildung 3.2).
Abb. 5.1-2: Prognosehierarchie der Branchenmodule
Innerhalb gleichartiger Branchenmodule werden die Strukturen durch eine Vielzahl ökonometrischer Schätzungen (Regressionsgleichungen) konkretisiert, wobei auch die Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen in ihrer Wirkung auf die einzelnen Branchen berücksichtigt werden. Abbildung 5.1-3 verdeutlicht die Zusammenhänge für das Branchenmodul Einzelhandel und vermittelt so einen Eindruck in die Prognosestrukturen. Die weitere Entwicklung des Deckungsbeitrags wird in diesem Beispiel maßgeblich durch die Lohnsumme sowie den Wareneinsatz beeinflusst etc. Durch den modularen Aufbau des Prognosesystems wird eine hohe Transparenz erreicht. Zudem ermöglicht dieser Aufbau Flexibilität bei der Berücksichtigung neuer Erkenntnisse (z.B. neu erkannte Wirkungsmechanismen innerhalb einer Branche und strukturelle Änderungen). Die Schätzgleichungen werden laufend hinsichtlich ihrer statistischen Signifikanz überprüft, die Prognosen monatlich aktualisiert.
5.1 Branchenrating zur Beurteilung marktspezifischer Risiken
233
Abb. 5.1-3: Branchenmodul Einzelhandel
Da die Simulationsmodelle die Kalkulation von Szenarien erlauben, können die Rahmenbedingungen der Prognosen beliebig variiert werden. Damit ist die Möglichkeit gegeben, alternative Vorgaben in ihren Wirkungen auf die Branchen abzuschätzen und somit Risiken in der Prognoserechnung zu quantifizieren. Als Ergebnis der dritten Stufe des Branchenratings erhält man für jede Branche einen numerisch beschriebenen Entwicklungspfad, der branchenspezifische Eigenschaften und weltwirtschaftliche Entwicklungen konsistent berücksichtigt. 5.1.3.4
Kalkulation der Risikobewertung
Zur Bewertung der im zweiten Schritt ausgewählten Kriterien Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Rentabilität und Konjunkturabhängigkeit werden nun unterschiedliche Indikatoren herangezogen. Als Indikator für das Wachstum, der die quantitative Änderung messen soll, wird in der Industrie die prozentuale Veränderungsrate der preisbereinigten Nettoproduktion benutzt. In allen übrigen Branchen dient hierzu der preisbereinigte Umsatz. Der Indikator ist eine Messzahl für die mengenmäßige Veränderung der Nachfrage. Die Wettbewerbsfähigkeit der Branchen wird in der Industrie, d.h. in denjenigen Branchen, die einen regen Außenhandel aufweisen, durch den Vergleich mit den im Ausland produzierten Gütern bestimmt und getrennt nach Inland und Ausland berechnet. Als wichtiges Maß für die Wettbewerbsstärke werden die Preise der heimischen und der ausländischen Güter verglichen. Zur Erfassung der tatsächlichen Marktposition müssen noch die Außenhandelsquoten als weitere Messgrößen herangezogen werden. Außerhalb der Industrie wird die branchenspezifische Wettbewerbsfähigkeit durch den durchschnittlichen Marktanteil jedes Unternehmens gemessen. Sind viele Unternehmen am Markt, so sind die Marktanteile niedrig, die Branche ist wettbewerbsstark und die Marktzutrittsschwelle ist offensichtlich niedrig.
234
5 Ratingansätze und -faktoren
Die Rentabilität einer Branche als Indikator für die Ertragsstärke lässt sich direkt oder indirekt ermitteln. Liegen entsprechende Daten vor, wird die Umsatzrendite benutzt. Um branchenspezifischen Eigenheiten weitgehend Rechnung zu tragen, geht dieser Ertragsindikator sowohl als Niveaugröße als auch als Veränderungsrate in die Kalkulation ein. Wird die Rentabilität indirekt gemessen, so wird einerseits die Kostenentwicklung und andererseits der Marktpreis berücksichtigt. Die Lohnzahlungen spielen hierbei eine besondere Rolle, da sie als Folge der gesetzlichen und tariflichen Regelungen einen relativ starren Kostenblock bilden. Die übrigen Kosten bleiben weitgehend ohne größere Bedeutung, da sie in ihrer Höhe mit dem Umsatz schwanken oder relativ gering sind. Da sich Marktschwankungen unmittelbar auf den Branchenumsatz auswirken, wird innerhalb der Kalkulation für das Rating auch die Konjunkturabhängigkeit der Branche betrachtet. Der Indikator wird als Abweichung der tatsächlichen Umsatzentwicklung vom langfristigen Entwicklungstrend gemessen. Da Unternehmen und damit auch Branchen konjunkturellen und strukturellen Entwicklungen folgen, gilt eine Bewertung der Branchen immer nur für eine bestimmte Zeitperiode. Im Rating wird standardmäßig eine Periode von 7 Jahren gewählt, um von aktuellen konjunkturellen Auswirkungen unabhängig zu sein. Dieser Bewertungszeitraum setzt sich aus 2 historischen Jahren sowie 5 Prognosejahren zusammen. Die Berücksichtigung von 2 Vergangenheitsjahren sichert die Erfassung der branchenspezifischen aktuellen Wirtschaftslage. Zur Berechnung des Ratings sind die Indikatoren einer Normierung zu unterziehen, die gleichzeitig die Kalibrierung integriert. Hierzu wird für die einzelnen Jahre des Berechnungszeitraums jeder Indikator gemäß seinem jeweiligen Wert auf eine Punkteskala projiziert, die von 0 bis 100 Punkte reicht. Für jeden Indikator gibt es eine Benchmark, die auf dieser Ratingskala einem Wert von 50 Punkten entspricht. Liegt ein Indikatorwert über der Benchmark, erhält die Branche mehr als 50 Punkte, wenn dies für die Attraktivität der Branche positiv ist und umgekehrt. Die Bestimmung der Benchmark beruht entweder auf statistischen Erfahrungswerten oder Plausibilitätsüberlegungen. Die für jedes Jahr des Bewertungszeitraums vorliegenden Ergebnisse des Normierungsprozesses werden zu einem einzigen Wert zusammengezogen. Die hierbei benutzten Gewichte sind umso niedriger, je weiter das Jahr in der Zukunft liegt (vgl. Tabelle 5.1-1). Damit wird der mit zunehmender Länge des Prognosezeitraums abnehmenden Prognosegenauigkeit Rechnung getragen. Schließlich werden für jede Branche die Ergebnisse der Einzelindikatoren zu einem einzigen Wert addiert (vgl. Tabelle 5.1-2). Die bei dieser Aggregation benutzten Gewichte berücksichtigen die für die Branchenbonität unterschiedliche Bedeutung der Ratingkriterien. Die Werte für die Kriterien Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit bekommen ein hohes Gewicht, das Kriterium Konjunkturabhängigkeit ein niedriges Gewicht zugewiesen. Die Rentabilität liegt in ihrer Bedeutung etwa in der Mitte. Die Werte der Gewichte resultieren aus statistischen Tests sowie Plausibilitätsüberlegungen. Als Ergebnis der Ratingkalkulation ist jeder Branche eine Punktzahl, sog. Ratingpunkte, zugeordnet. Mit ihrer Hilfe werden die Branchen in Ratingklassen eingeordnet, die das spezifische Branchenrisiko quantifizieren.
5.1 Branchenrating zur Beurteilung marktspezifischer Risiken Erstes historisches Jahr Zweites historisches Jahr Laufendes Jahr Zweites Prognosejahr Drittes Prognosejahr Viertes Prognosejahr Fünftes Prognosejahr
235
12% 14% 16% 16% 16% 14% 12%
Tab. 5.1-1: Gewichte zur Summierung über die Jahre
Wachstum Wettbewerbsfähigkeit Preise im Inland Preise im Ausland Importquote Exportquote
Rohstoffgewinnung, Verarbeitendes Gewerbe 40 % 30 % 9% 9% 6% 6%
Rentabilität Lohnkostenentwicklung Spielraum für Preispolitik Konjunkturabhängigkeit
25 % 14 % 11 % 5%
Sonstige Dienstleistungen 30% 40% − − − − 25 % 14 % 11 % 5%
Übrige Branchen 40% 30% − − − − 25% 14% 11% 5%
Tab. 5.1-2: Gewichtungen der Kriterien
Ist die Bewertung der Branchen abgeschlossen, werden die Ergebnisse im Ratingkomitee der Feri diskutiert. Dieses Gremium, das mit Branchenexperten besetzt ist, prüft insbesondere Ratingänderungen und diskutiert gegebenenfalls nochmals die Branchenprognose. Revisionen in der Datenbasis und Modifikationen in der Prognose werden auf ihre Plausibilität geprüft und in ihrer Wirkung analysiert. Ergibt die Diskussion, dass die Ergebnisse gerechtfertigt sind, wird das Rating in Kraft gesetzt. Anderenfalls sind einzelne Schritte der aufgezeigten Vorgehensweise zu überarbeiten. Die Kalkulation des Feri Branchen Rating wird vierteljährlich durchgeführt. Dadurch ist sichergestellt, dass sich jeweils aktuelle Erkenntnisse über die konjunkturelle und strukturelle Entwicklung der Branchen zeitnah in die Analyse einbringen lassen. 5.1.3.5
Ergebnisdarstellung und -analyse
Um das Ergebnis der Risikobewertung verständlich und nachvollziehbar darzustellen, sind die Indikatorwerte für die einzelnen Ratingkriterien heranzuziehen. Sie zeigen die Stärken und Schwächen der Branchen unmittelbar an und lassen sich durch die ökonomische Analyse belegen (vgl. Tabelle 5.1-3)
236
5 Ratingansätze und -faktoren
Bewertung nach Einzelindikatoren: Indikator Insgesamt Wachstum Wettbewerbsfähigkeit Preise im Inland Preise im Ausland Importquote Exportquote Rentabilität Lohnkostenentwicklung Spielraum für Preispolitik Konjunkturabhängigkeit
Note durchschnittlich durchschnittlich schlecht sehr schlecht sehr schlecht gut gut sehr gut sehr gut durchschnittlich sehr schlecht
Punkte 51 50 43 34 32 57 58 65 77 49 33
Gewichte 100% 40% 30% 9% 9% 6% 6% 25% 14% 11% 5%
Tab. 5.1-3: Ergebnisdarstellung mit Bewertung der Einzelindikatoren für eine Branche
Um ein Frühwarnsystem aufzubauen, ist neben der Einstufung in die Ratingklassen die Veränderung des Ratings für eine Branche von Interesse. Betrachtet man die Besetzung der Ratingklassen im Zeitverlauf, lässt sich eine Migrationsmatrix aufbauen. Die Transformation der einzelnen Indikatorwerte in die Ratingpunktzahl erlaubt den Vergleich der Prognosen unterschiedlicher Branchen in sehr einfacher Weise. Unabhängig von der Dimension der Originalwerte sind Aussagen über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Ertragsstärke durch direkten Vergleich der Indikatorwerte zu treffen. Damit ist es möglich, Rangfolgen für die Branchen zu bilden. Den Ratingklassen lassen sich empirische Ausfallwahrscheinlichkeiten zuordnen. Je höher die Punktzahl im Rating, desto geringer das Risiko. Allerdings stimmen diese Ausfälle nicht mit den amtlichen Insolvenzzahlen überein. Der Grund hierfür liegt zum einen darin, dass das Insolvenzverfahren ein gesetzlich geregeltes Verfahren ist, das nicht alle Bonitätsproblemfälle umfasst. Zum anderen gehen in der Regel vorwiegend Kapitalgesellschaften in Insolvenz. Personengesellschaften u.ä. dagegen werden meist liquidiert, geschlossen oder gehen in die private Insolvenz. Dadurch liefert aber die amtliche Insolvenzstatistik ein verzerrtes Bild des Branchenrisikos. 5.1.3.6
Differenzierungen der Rating-Ergebnisse
Zusätzlich werden im Feri-System Differenzierungen der Ratingergebnisse vorgenommen. Die Ergebnisse des Immobilienmarktratings, in dessen Ablauf die regionale Wirtschaftskraft analysiert wird, ermöglichen eine fundierte regionale Differenzierung nach Wirtschaftsbereichen und Bundesländern. Für die Klassifizierung stehen fünf mögliche Werte von ++ (regional stark vermindertes Branchenrisiko) bis zu –– (regional stark erhöhtes Branchenrisiko) zur Verfügung. Eine weitere Differenzierung innerhalb der Branche – ebenfalls in fünf Stufen – erfolgt mittels der Unterscheidung in Klein-, Mittel- und Großunternehmen. Darüber hinaus stellt Feri vierteljährlich aktualisierte Überwachungslisten zur Verfügung. Sie betreffen Branchen, deren Ratingergebnisse sich seit einem halben Jahr verschlechtern, die aber bisher noch nicht in die nächste Klasse abgestuft wurden.
5.1 Branchenrating zur Beurteilung marktspezifischer Risiken
237
Die gesamten Ergebnisse für die einzelnen Branchen, sowie Branchenvergleiche und Differenzierungen werden innerhalb eines PC-Systems (Feri Online) aufbereitet. Die Branchendossiers, deren Aufbau im Zusammenhang mit dem Ablauf der Analyse in Abbildung 5.1-4 zusammenfassend wiedergegeben sind, können auch einzeln als PDF-Datei bezogen werden.
Abb. 5.1-4: Zusammenfassende Darstellung im Branchendossier
5.1.4
Ausblick
Das Feri Branchen Rating wird sich auch in Zukunft gemäß der sich wandelnden Anforderungen weiter entwickeln. Insbesondere wird sich die statistische Abdeckung der Branchen deutlich verbessern. Dadurch ergeben sich zusätzliche Möglichkeiten in der Analyse. Auf dieser Grundlage wird sich das Feri Branchen Rating im Informationsgehalt qualitativ steigern und sich neue Anwendungsfelder erschließen. Inhaltlich erlaubt die Ausweitung der statistischen Datenbasis eine nochmals tiefere Gliederung der Branchenmodelle und eine verbesserte Formulierung der Modellgleichungen. Mit der erhöhten Transparenz lassen sich weitere Branchenmerkmale herausfiltern, welche die Beurteilung der Branchen zusätzlich stützen. Dadurch nimmt die Qualität des gesamten Systems zu und erlaubt neue bzw. besser fassbare Aussagen über die Branchenentwicklung. In den vergangenen Jahren hat die Globalisierung merklich an Tempo gewonnen. Asien hat sich nicht nur dem internationalen Handel geöffnet, sondern erzwingt auf den Weltmärkten bereits heute tiefgehende strukturelle Änderungen. Daher wird es immer wichtiger, Branchenanalysen global zu betreiben und die Wechselwirkungen zwischen den Regionen zu berücksichtigen. Diese Anforderung lässt sich jedoch nur noch mit formalisierten Analysen in konsistenter Weise erfüllen. Daher muss ein Branchenrating zunehmend die asiatischen Wachstumsbranchen integrieren. Ähnliches trifft für Lateinamerika zu. Umgekehrt können in der Beurteilung von Unternehmen des Mittelstandes regionale Besonderheiten eine wichtige Rolle spielen. Insbesondere Branchen aus dem Handel oder dem
238
5 Ratingansätze und -faktoren
Dienstleistungsbereich werden durch lokale Kosten- und Nachfrageentwicklungen oftmals sehr stark geprägt. Aus diesem Grund nimmt die Bedeutung einer regionalen Differenzierung der Ergebnisse für die Branchenbewertung zu. Vor diesem Hintergrund geht es in der näheren Zukunft darum, die Branchenbewertung auf der internationalen Ebene an die neuen Erfordernisse, die aus der beschleunigten Globalisierung kommen, anzupassen und gleichzeitig für stärker lokal geprägte Branchen die regionale Differenzierung auszuweiten. Dann wird das Feri Branchen Rating auch weiterhin einen wesentlichen Beitrag zur Beurteilung marktspezifischer Risiken leisten können.
5.1.5
Übungsaufgaben
Übungsaufgabe 1 Beschreiben Sie zunächst ein allgemeines Konzept für das Rating von Branchen. Skizzieren Sie anschließend den Aufbau eines Feri-Prognosesystems für Branchen. Übungsaufgabe 2 Welche Kriterien benutzt das Feri Branchen Rating und wie werden diese operationalisiert?
5.1.6
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
Lösungsskizze zu Übungsaufgabe 1 Allgemeines Konzept: • Detaillierte Einteilung der Wirtschaft in Branchen • Vielzahl von Wirtschaftsindikatoren zur Beurteilung des Marktrisikos (Daten) • Zukunftsorientierte Bewertung des Branchenrisikos (Prognose) • Verdichtung der Prognoseergebnisse zu aussagekräftigen Indikatoren (Rating) Feri Prognosesystem: • Ökonometrisches Modell für jede Branche • Einbindung der Branchen in die Gesamtwirtschaft • Berücksichtigung wechselseitiger Einflüsse zwischen den Branchen und Einbau struktureller Änderungen Lösungsskizze zu Übungsaufgabe 2 Kriterium: Wachstum Wettbewerbsfähigkeit Rentabilität Konjunkturelle Abhängigkeit
Operationalisierung: reale Produktion, realer Umsatz Preiswettbewerbsfähigkeit Inland/Ausland Export-/Importquote Marktanteil Lohnkostenentwicklung Spielraum Preispolitik Abweichung vom Trendwachstum
5.2 Bewertungsansätze für die industrielle Forschung und Entwicklung
239
Eike Böhm 5.2
Bewertungsansätze für die industrielle Forschung und Entwicklung
5.2.1
Einleitung
239
5.2.2
Bewertungsrelevante Kenngrößen der Forschung & Entwicklung
240
5.2.3
Interpretation von Kenngrößen für das „was ?“
240
5.2.4
Interpretation von Kenngrößen für das „wie ?
241
5.2.5
Interpretation von Kenngrößen für das „wer ?
243
5.2.6
Konkrete Bewertungsansätze in der industriellen Praxis
244
5.2.7
Zusammenfassung und Ausblick
245
5.2.1
Einleitung
Die klassischen Ansätze für die Bewertung von Unternehmen gleich welcher Größe orientieren sich im Schwerpunkt an finanzwirtschaftlichen Kenngrößen. So tragfähig, ausgereift und belastbar solche ökonomischen Analysen auch sind, sie reichen oft nicht aus um ein wirklich rundes Bild davon zu bekommen wie die Leistung eines Unternehmens in der Zukunft tatsächlich sein wird. Denn mit ausschlaggebend für den Erfolg einer Firma in der Zukunft sind die Aktivitäten in der Forschung und Entwicklung heute. Oder etwas plakativer ausgedrückt – die F&E-Aktivität von heute ist nichts groß anderes als die vorweggenommene Geschäftstätigkeit in der Zukunft. Für Ratinganalysten ist es deshalb hilfreich, auch die Forschung & Entwicklungsbereiche von Unternehmen beurteilen zu können und deren Einfluss auf die Güte des Gesamtunternehmens zu verstehen. Schließlich setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass der F&E eines Industrieunternehmens eine zentrale Bedeutung zukommt für dessen Wettbewerbsfähigkeit und damit für dessen nachhaltige Überlebensfähigkeit. Die Position einer Forschung & Entwicklung zu kennen und beurteilen zu können ist deshalb eine wichtige Managementfähigkeit.
240
5.2.2
5 Ratingansätze und -faktoren
Bewertungsrelevante Kenngrößen der Forschung & Entwicklung
Obwohl es an F&E-Kenngrößen in Theorie und Praxis keinen Mangel gibt lohnt sich die Konzentration auf drei Themenfelder eines Forschungs- und Entwicklungsbereiches: Erstens auf das „was?“. An welchen Themen und Inhalten arbeitet die F&E, wie sieht das Projekt- bzw. Tätigkeitsportfolio aus, welche Aufgaben hat sie, passen die Projekte wirklich zur Strategie des Unternehmens ? Zweitens auf das „wie ?“. Nach welchen Prozessen läuft die Entwicklung, welche Tools und Methoden werden eingesetzt, wie konsequent werden die Entwicklungsaufgaben als Projekte strukturiert und gesteuert, welche Meßgrößen und Kennzahlen sind eingeführt ? Und drittens auf das „wer ?“. Was für Menschen arbeiten in der F&E, welche Qualifikationen haben sie, wie ist das Verhältnis von Eigenentwicklung („make“) und Fremdentwicklungsleistung („buy“), welche Innovationspartner sind in den Produktentstehungsprozess mit eingebunden ? Ein konsequentes und strukturiertes Analysieren des „was ?“, „wie ?“ und „wer ?“ liefert ein aussagefähiges Bild über die Güte einer Forschung und Entwicklung und lässt damit Rückschlüsse auf das Gesamtunternehmen zu.
Richtiges richtig tun mit den richtigen Personen
Was wir tun
Richtiges falsch tun
Falsches falsch tun
Falsches richtig tun
Wie wir es tun
Abb. 5.2-1: Zusammenspiel des „was?“, „wie?“ und „wer?“ in einer Forschung & Entwicklung
5.2.3
Interpretation von Kenngrößen für das „was ?“
Nicht immer ist in der industriellen Praxis festzustellen dass das Aufgabenportfolio einer F&E-Organisation vollumfänglich zur strategischen und operativen Ausrichtung des Unternehmens passt. Es muß deshalb sichergestellt sein dass sicher jeder (!) einzelnen Aufgabe
5.2 Bewertungsansätze für die industrielle Forschung und Entwicklung
241
und jedem einzelnen Projekt in der F&E ein konkretes unternehmerischen Ziel zuordnen lässt – z.B. Kostensenkung an einem bestehenden Produkt durch ein innovatives Fertigungsverfahren oder Erschließen eines neuen Marktes durch die Neuentwicklung einer Produktvariante. Im nächsten Schritt kann analysiert werden welchen Umfang die einzelnen Projekte haben – gibt es wenige sehr große Projekte oder gibt es sehr viele sehr kleine oder gibt es eine ausgewogene Verteilung der Projektgrößen mit ein oder zwei Großprojekten, einigen mittelgroßen und nicht allzu vielen kleinen ? Generelle Aussagen über die „richtige“ Ausgestaltung eines F&E-Projektportfolios lassen sich kaum machen, da Firmengröße, Branche und spezifischer Markt einen starken Einfluss haben. Tendenziell ist aber eine F&E mit ausgewogenen Projektgrößen im Vorteil. Ein weiterer Aspekt zur Bewertung der Güte eines F&E-Projektportfolios ist die Frage, wann denn die aktuell laufenden, einzelnen Entwicklungsprojekte abgeschlossen sein werden und wann die Produkte ihre Markteinführung haben. Ein „gutes“ Portfolio zeichnet sich dabei wieder durch Ausgewogenheit aus, weist also ein paar Projekte auf die kurzfristig abgeschlossen sein werden, hat mehrere Projekte mit mittelfristiger Marktreife und wenige mit langfristiger. Da üblicherweise die Projektportfolios jährlich rollierend aktualisiert werden (sollten?!) hilft oft auch ein Blick auf die Projektlandschaft der vergangenen 3–5 Jahre. Er zeigt wie professionell das Management des F+&E-Portfolios ausgeprägt ist. Ressourceneinsatz: • Geldeinsatz • Personaleinsatz • Anzahl der Projekte • %-Anteil • ...
„gesunde“ Verteilung Prinzip Hoffnung kaum Zukunftsvorsorge
1
2
3
4
5
6
Wirksamkeit der Ergebnisse in Jahren
Abb. 5.2-2: Zeitliche Verfügbarkeit des Projektportfolios einer Forschung & Entwicklung
5.2.4
Interpretation von Kenngrößen für das „wie ?
Selbst Firmen mit sehr gut ausgestalteten und geführten Projektportfolios, also Firmen die das „was ?“ perfekt beherrschen, scheitern manchmal mit ihren F&E-Bestrebungen weil sie das „wie ?“ nicht beherrschen. Ein gut aufgesetztes Entwicklungs-Projekt mit klarem unternehmerischen Ziel, ausreichender Mittelausstattung und eingebettet in ein präzise definiertes
242
5 Ratingansätze und -faktoren
Portfolio läuft oft wenig erfolgreich wenn es handwerklich schlecht geführt wird, wenn die Art und Weise wie im betroffenen Unternehmen gearbeitet wird ineffizient und wenn Projektsteuerungsinstrumente schlecht entwickelt sind. Zur Bewertung des „wie ?“ in einer F&E-Organisation lässt sich eine Reihe von Kriterien heranziehen, die Aussagen über die Güte der F&E-Organisation erleichtern. Ein wichtiges Kriterium sind etablierte und wiederholbar im Unternehmen verankerte Prozesse zur Produktentstehung mit klaren Meilensteinen, Messpunkten und Ablaufbeschreibungen, die vorgeben wie ein Produkt entwickelt wird. Freigabe Serienentwicklung
Projektbeschluß -40
-35
-25
Datenfreigabe PT1
ProduktPlanung Freigabe Rahmenheft
-30
Freigabe Lastenheft
SOP -20
-15
0
Markteinführung +5
1. Crash erfolgt 100.000 Dauerlauf-km
Produktionsfreigabe
letzter Crash erfolgt
Serienentwicklung
Teile-Meilenstein
-5
Datenfreigabe PT2
KonzeptAbsicherung
Modellauswahl
-10
Beginn Tryout
Abschluß Bemusterung: 100% Grünteile erbracht
Serienvorbereitung Designfreigabe
Design-Meilenstein Entscheidungs-Meilenstein
Job Nr. 1
Serie
Leistungs-Meilenstein Konstruktions-Meilenstein
Abb. 5.2-3: Exemplarische Darstellung eines standardisierten Entwicklungsablaufs
Als weiteres Kriterium kann eine eingeführte und gelebte Projektkultur gelten mit fest etablierten Prinzipien des Projektmanagements – je nach Unternehmensgröße kann die Breite und Tiefe der angewendeten Projektmanagement-Tools und -Methoden dabei allerdings durchaus unterschiedlich ausfallen. Wichtig für eine gut aufgestellte F&E-Organisation ist aber in jedem Fall das Vorhandensein einer transparenten Berichterstattung, die z.B. monatlich oder quartalsweise einen präzisen Überblick erlaubt über alle wichtigen Parameter des Entwicklungsprojektes. Diese sind im Einzelnen jeweils mit Soll-/Ist-Vergleich: die Terminschiene, der Reifegrad des zu entwickelten Produktes, die prognostizierte Erfüllung der angestrebten Produkteigenschaften, der Mittelabfluss, die Kostenposition des Produktes und die Gesamtwirtschaftlichkeit des Projektes. Diese Gesamtwirtschaftlichkeit lässt sich ermitteln durch den Kapitalwert oder auch den Value Added (Wertbeitrag) des Projektes.
5.2 Bewertungsansätze für die industrielle Forschung und Entwicklung
1.
Terminplanung mit Gate-orientiertem Masterplan und aufeinander abgestimmten Teilterminplänen für alle Projekt- und Teilprojektaktivitäten im Sinne einer Terminplanhierarchie
2.
Projektstrukturplan / Arbeitspaketstruktur mit definierten Arbeitspaketen für alle Projekt- und Teilprojektumfänge
3.
Reifegraderfassung des Prozesses / Projektes durch permanente Messung des Projektfortschritts im Sinne eines Soll-/ Ist-Abgleichs und durch kontinuierliche ToDo-Verfolgung
4.
Reifegraderfassung des Produktes durch einen periodischen Soll-/ Ist-Abgleich der Lastenheftanforderungen (wie Verbrauch, Gewicht, etc.) im Sinne eines “Lastenheftcontrollings”
5.
Reifegraderfassung des Produktes mit statischer Beurteilung, dynamischer Beurteilung, Beurteilung der Montierbarkeit und Einzelreifegraderfassung aller Neuteile
6.
Projektcontrolling durch eine projektbegleitende Zielkostenverfolgung des Produktes und durch eine projektbegleitende Wirtschaftlichkeitsrechnung mit einem Ausweis der Projektwirtschaftlichkeit und des Projektkapitalwerts zu allen Berichtsterminen
7.
Projektcontrolling durch ein Budgetcontrolling aller Teilprojekte und Arbeitspakete (Soll-/ Ist-Abgleich)
8.
Projektcontrolling durch Aufbau und Nutzung einer Beschluß-Datenbank mit periodischer Überprüfung der Beschlußkonformität des Projekts sowie durch kontinuierliche To-Do-Verfolgung
243
Abb. 5.1-4: Kriterien für ein erfolgreiches Projektmanagement in einer Forschung & Entwicklung
Wenn in einer F&E-Abteilung alle F&E-Aktivitäten nach reproduzierbar in der Organisation verankerten Prozessen klar gesteuert werden, wenn sie transparent berichtet und von jeweils einem Projektleiter verantwortet werden, wenn die Projektteams wirklich interdisziplinär besetzt sind, wenn es für alle Projekte konkrete Reviewtermine mit entsprechender Beachtung durch das Management gibt, wenn erkennbar ist dass die festgelegten Berichts- und Steuerungsprinzipien in der Organisation auch erkennbar gelebt werden, dann kann davon ausgegangen werden dass diese Organisation auch das „wie ?“ einer guten Entwicklung beherrscht.
5.2.5
Interpretation von Kenngrößen für das „wer ?
Da Erfolge oder Misserfolge – auch in der F&E – am Ende immer von Menschen gemacht werden und nicht von Prozessen ist ein zentrales Beurteilungskriterium für die Güte einer F&E-Organisation die Güte der dort tätigen Menschen. Welche Menschen arbeiten dort, welche Qualifikation haben sie, welches Durchschnittsalter, welche Erfahrung und damit welche Einsatzdauer in der jeweiligen Aufgabe, welche Kernkompetenzen des Unternehmens verkörpern diese Menschen und mit welchen Menschen außerhalb der eigenen Organisation arbeitet die F&E zusammen? Direkt damit im Zusammenhang steht die Entwicklungstiefe der Organisation – welche Umfänge werden intern von eigenen Mitarbeitern entwickelt und welche von externen Entwicklungspartnern (wie Ingenieurbüros, Zulieferanten oder auch Universitäten und Forschungseinrichtungen)? Dabei muss ein sinnvolles Verhältnis von Eigen- und Fremdleistung erreicht werden, wobei „sinnvoll“ von der Branche, von den Kernkompetenzen des Unternehmens und von der Unternehmensgröße abhängt. Signifikant erfolgreicher sind in der Regel Unter-
244
5 Ratingansätze und -faktoren
Verlagerung von Innovationsumfängen zu Partnern
Benchmark-Check (kann es der externe Parner wirklich besser?)
Partnerauswahl und ggf. Konsortialbildung
Modulbildung (welche Umfänge werden extern entwickelt ?)
Kooperations-Analyse (wer kann was ?)
Festlegung eigene Kernkompetenzen
Strategischer Entscheid
nehmen mit systematisch auf- und ausgebauten Innovationsnetzwerken, die Zulieferer, Hochschulen und partnerschaftliche Firmen umfasst und sorgfältig vor dem Hintergrund der definierten eigenen Kernkompetenzen gesteuert wird.
Abb. 5.1-5: Schritte zum Finden externer Innovationspartner
5.2.6
Konkrete Bewertungsansätze in der industriellen Praxis
Um in der industriellen Praxis bewerten zu können wie gut oder wie schlecht eine F&EOrganisation tatsächlich ist empfehlen sich zwei Ansätze. Erster Ansatz ist das Erstellen von einfachen Checklisten die – gegliedert nach dem „was, wie, wer“ – die aufgezeigten Kriterien auflisten. So kann relativ schnell ein Gefühl dafür entwickelt werden ob die Organisation viele der Kriterien erfüllt (Tendenz zu „gut“) oder eben nur wenige (Tendenz zu „schlecht“). Ein zweiter Ansatz ist eine detailliertere Analyse der einzelnen Projekte mit mehreren Fragestellungen: a) Wie ist die Verteilung der Projekte hinsichtlich Ihrer Größe – gibt es nur ganz wenige große Projekte (Risiko beim Scheitern eines dieser Projekte !) oder gibt wenige große, wenige kleine und viele mittelgroße Projekte (ausgewogenes Portfolio!)? b) Wann sind die einzelnen Projekte abgeschlossen und führen zu einer Markteinführung des Produktes – sind fast alle Projekte kurzfristig fertig und danach kommt nichts mehr (Zukunftssicherung ggf. fraglich!), gibt es nur Projekte mit sehr später Markeinführung (Prinzip Hoffnung mit entsprechendem Risiko!) oder ist auch hier ein ausgewogenes Portfolio erkennbar mit Projekten die kurzfristig in den Markt kommen, welchen die mittelfristig abgeschlossen werden und einigen die erst langfristig zu marktreifen Produkten führen?
5.2 Bewertungsansätze für die industrielle Forschung und Entwicklung
245
c) Welchen konkreten unternehmerischen Zweck haben die einzelnen Projekte – sind Sie z.B. als Produktinnovationen auf das Erschließen neuer Märkte ausgerichtet oder als Prozessinnovationen auf Kostensenkungen in der eigenen Fertigung? Auch hier gelten ausgewogene Projektziele als Indikator für eine gut aufgestellte F&E. Erfolgsfaktoren einer guten Entwicklung
Erfüllungsgrad eingeführt / im Aufbau / nicht existent
- Hochkompetente Linienfunktionen/ Fachfunktionen - Projektorganisation - "Das Projekt dominiert die Linie" - Starkes Projektmanangement ("heavy duty project manager") - Durchgängig interdisziplinäre Teams (mit alle Disziplinen!) - Pro Person nur eine Aufgabe - Verbindliche Routine-Meetings mit festen "Spielregeln“ / feste Regelkommunikation - Prozeßorientierte Entwicklungsprojekte/ Projektorganisation - Integration Entwicklung/ Fertigung - Frühe und hochgradige Lieferantenintegration - Eindeutig definierte Entscheidungsprozesse / AKV-Festlegung - Einsatz von Meilensteinen und Quality-Gates Abb. 5.2-6: Beispiele für Checklistenpunkte zur Ermittlung der Güter einer Forschung & Entwicklung
5.2.7
Zusammenfassung und Ausblick
Im Rahmen des Ratings von Unternehmen kommt der Bewertung der Forschung und Entwicklung der betroffenen Firma eine hohe Bedeutung zu. Sinnvoll und handhabbar lässt sich die Güte der F&E bewerten durch Untersuchung der laufenden Projekte („was wird entwickelt ?“), durch Analyse der im Unternehmen eingesetzten F&E-Abläufe und Methoden („wie wird entwickelt ?“) und durch die Betrachtung der in der F&E arbeitenden Personen („wer entwickelt ?“). Diese Ergebnisse lassen sich zu Kategorien zusammenfassen, die dann Anhaltpunkte bieten wie sich die Forschungs- und Entwicklungsorganisation im Vergleich mit den F&-E-Organisationen anderer Unternehmen darstellt.
246
5 Ratingansätze und -faktoren Kategorie 5: "weltbeste" Entwicklung
Kategorie 4:
überdurchschnittliche Entwicklung
• institutionalisierte, fest verankerte Prozesse • systematisches Wissensmanagement (Wissenseinsatz zur richtigen Zeit) • stark parallelisierte (hochintegrierte) Entwicklung ohne Schleifen • durchgängige Systempartnerschaften • starkes Programmanagement • durchgängig interdisziplinäre Teams und Arbeitsweise • Erfolg abhängig von starken Führungsteams • einsetzendes Wissensmanagement (konsequente Nutzung des Firmenwissens) • Prozeßmanagement wiederholbar in der Organisation verankert • einsetzendes Programmanagement • schwache interdisziplinäre Teams • wenige aber starke Zulieferer-Partnerschaften mit früher Einbindung
Kategorie 3:
"Stand der Technik"-Entwicklung
Kategorie 2:
unterdurchschnittliche Entwicklung
Kategorie 1:
"traditionelle" Entwicklung
• Prozeßverständnis vorhanden (aber nicht wiederholbar verankert) • Erfolg sehr abhängig von starken Führungspersönlichkeiten • parallelisierte Entwicklungsabläufe (aber mit vielen Schleifen) • vereinzelte Zulieferer-Partnerschaften (mit früher Einbindung) • vorhandenes aber inkonsistentes Projektmanagement • Ansätze von Prozeßverständnis • teilweise parallelisierte Entwicklung
• ansatzweises Entwicklungscontrolling • effiziente Funktionalorganisation
• schwaches Projektmanagement • Zulieferer-Einbindung früher einsetzend • einsetzende Zusammenarbeit verschiedener Funktionen • kompetente Linien-/ Fachfunktionen • serielle (nicht parallele) Entwicklung
• keine kennzahlenbasierte Steuerung • funktionsgetriebene (nicht prozeßgetriebene) Arbeitsweise
• kein Projekt-/ Programmanagement • späte Zulieferer-Einbindung • aufgabenorientierte (nicht projektorientierte) Arbeitsweise
Abb. 5.2-7: Kategorien der Güte von Forschungs- und Entwicklungsorganisationen
Im Zusammenspiel mit den anderen, vorwiegend finanztechnisch orientierten RatingErkenntnissen lässt sich so ein Bild über die Zukunftsfähigkeit und den zukünftigen Wert des Unternehmens gewinnen.
5.3 Die Innovationsstärke eines Unternehmens
247
Ottmar Schneck und Bernhard Drüner 5.3
Die Innovationsstärke eines Unternehmens – Messkriterien und Bedeutung für das Ratingergebnis
5.3.1
Einleitung
247
5.3.2
Innovation und Rating
248
5.3.2.1 Grundlagen des Ratingbegriffs .......................................................................... 248 5.3.2.2 Innovationsstärke, Zukunftsfähigkeit und Ratingergebnis ................................ 249 5.3.3
Innovationskriterien im Ratingprozess
250
5.3.3.1 Direkte, quantitativ messbare Kriterien zur Bewertung des Innovationspotentials ............................................................................................................ 251 5.3.3.2 Indirekte, quantitativ messbare Kriterien zur Bewertung des Innovationspotentials ............................................................................................................ 251 5.3.3.3 Direkte qualitative Kriterien zur Bewertung des Innovationspotentials............ 252 5.3.3.4 Indirekte qualitative Kriterien zur Bewertung des Innovationspotentials ......... 253 5.3.4
Grenzen der Aussagekraft von Innovationspotential-bewertungen
255
5.3.5
Zusammenfassung
255
5.3.6
Übungsaufgaben
256
5.3.7
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
256
5.3.8
Literaturhinweise
257
5.3.1
Einleitung
Der Begriff Innovation gehört zu den am häufigsten benutzten Wörtern in Diskussionen um die Zukunft des Standortes Deutschland bzw. die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen allgemein. Alleine die Recherche bei der Internet-Suchmaschine Google ergibt gegenwärtig
248
5 Ratingansätze und -faktoren
mehr als 177 Millionen Treffer. In den Vereinbarungen zur Bildung einer CDU/CSU- und SPD-geführten Bundesregierung aus dem Jahre 2005 wurde der Innovationsbegriff bereits in der Überschrift des Koalitionsvertrages mit dem Titel „Mehr Chancen für Innovation und Arbeit, Wohlstand und Teilhabe“ zum Leitbegriff erhoben. Unter innovativ wird die Fähigkeit zur bewussten Organisation eines regelmäßigen und nachhaltigen Prozesses zur Entwicklung und Umsetzung kreativer und damit meist neuer Problemlösungen für die Zukunft verstanden. In dieser Definition des Innovationsbegriffs sind einige grundlegende Elemente und Aspekte enthalten, die in der Ratingbewertung eines Unternehmens ebenfalls zum Tragen kommen und dabei einen herausragenden Stellenwert einnehmen. Die Darstellung der These, dass der Innovationsbegriff auch im Unternehmensrating eine zentrale Bedeutung einnimmt, ist das Hauptziel des nachfolgenden Beitrags. Lernziele Der Ratinganalyst soll • erkennen, in welcher engen Verbindung die Beurteilung der Innovationsstärke eines Unternehmens und dessen Bonitätsbewertung im Ratingprozess steht. • lernen, dass eine Vielzahl von quantitativen und qualitativen Ratingkriterien helfen, speziell das Innovationspotential eines Unternehmens zu bewerten. • beachten, dass die Innovationsstärke, Innovations- und Risikokultur eines Unternehmens zwar wesentliche Rückschlüsse auf die Zukunftsfähigkeit zulassen, aber weitere Beurteilungskriterien – beispielsweise der Unternehmensfinanzierung, der Unternehmenssteuerung sowie der Logistikabläufe – für eine vollständige Bonitätsbewertung nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
5.3.2
Innovation und Rating
5.3.2.1
Grundlagen des Ratingbegriffs
Die Finanzwissenschaft versteht Rating kurz als eine Prognose der Zahlungsfähigkeit von Unternehmen basierend auf multidimensionalen Kriterien. Diese Prognose führt die Zukunftsaussichten eines Unternehmens in verschiedenen Bereichen zusammen und verdichtet sie zu einer Note. Die Fokussierung auf den Begriff der „Zahlungsfähigkeit“ verdeutlicht, dass im Zuge eines Unternehmensratings vor allem diejenigen Dimensionen unternehmerischen Handelns bewertet werden, die in irgend einer Form auf die Cashflow-Situation des betreffenden Unternehmens Einfluss nehmen oder aber diese gefährden könnten. Die Cash-Flow-Situation und -Perspektive eines Unternehmens und die sie beeinflussenden Umstände sind von zentraler Bedeutung für die Bonitätsbewertung eines Unternehmens.
5.3 Die Innovationsstärke eines Unternehmens 5.3.2.2
249
Innovationsstärke, Zukunftsfähigkeit und Ratingergebnis
Für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit kommt es neben den quantitativen Kriterien (Vermögenslage, Ertragslage und Liquiditätslage) entscheidend darauf an, auch die qualitative Struktur eines Unternehmens zu analysieren, um einzuschätzen, ob die erreichte Finanzlage auch zukünftig erhalten bleibt oder evtl. sogar verbessert werden kann. Einen maßgeblichen Anteil an der Beurteilung der qualitativen Situation eines Unternehmens hat die Beantwortung der Fragestellung, ob das betreffende Unternehmen auch in den nächsten Jahren seine Fähigkeit erhalten oder ausbauen kann, Umsätze bzw. Cashflows zu generieren. Das heißt, es ist im Ratingverfahren vor allem zu untersuchen, ob das zu bewertende Unternehmen z.B. im Bereich der strategischen Ausrichtung, der Personalausstattung und -führung, der Finanzierung und kaufmännischen Steuerung, Strukturen und Grundlagen geschaffen hat, die es befähigen, (auch) in Zukunft einen regelmäßigen und nachhaltigen Prozess zur Entwicklung und Umsetzung kreativer Problemlösungen für seine Kunden zu organisieren und im wahrsten Sinne des Wortes „umzusetzen“. Umsatz wird insbesondere dann generiert werden, wenn die Produkt- oder Service-Lösungen effektiver und effizienter sind, als die bisherigen Angebote des eigenen Unternehmens oder seiner (internationalen) Konkurrenz und auch schneller am Markt verfügbar sind. Letztendlich stellt die Innovationsstärke eines Unternehmens in der Gegenwart eine entscheidende Grundlage für seine Cashflow-Stärke und damit seine Zahlungsfähigkeit in der Zukunft dar.
Ratingbewertung
Zukünftige Zahlungsfähigkeit und Umsätze
Innovationen der Gegenwart und Umsetzung
Sicherung der zukünftigen Zahlungsfähigkeit
Hohes
Positive
Innovationspotential
Ratingbewertung
Abb. 5.3-1: Zusammenhang Ratingbewertung und Innovationspotential, Quelle: RatWEG Bonitätsmanagement, Tuttlingen (www.ratweg.de)
250
5 Ratingansätze und -faktoren
Im Umkehrschluss heißt dies, dass der qualitative Teil eines Unternehmensratings, d.h. die Bewertung der zukünftigen Zahlungsfähigkeit, mindestens zu einem wesentlichen Teil einen Rückschluss darauf zulässt, ob ein Unternehmen über ein ausreichendes oder gar ein hohes Innovationspotential verfügt. Nachdem die Eignung und Relevanz moderner Ratingverfahren für die Bewertung der Innovationsfähigkeit eines Unternehmens hergeleitet wurde, sollen nun im Folgenden in Form einer Checklisten-Übersicht diejenigen Kriterien und Faktoren des Ratingverfahrens vorgestellt werden, die in besonderer Weise Bewertungsrückschlüsse auf die Fähigkeit eines Unternehmens zulassen, einen regelmäßigen und nachhaltigen Prozess zur Entwicklung und Umsetzung kreativer Problemlösungen für seine Kunden zu organisieren. Dabei wird zwischen direkten Faktoren zu unterscheiden sein, die in augenfälligem Zusammenhang mit dem Innovationsbegriff stehen sowie den indirekten Faktoren, die erst auf den zweiten Blick eine Innovationsrelevanz erkennen lassen, denen jedoch eine nicht minder wichtige, teilweise sogar eine höhere Bedeutung zukommt. Ferner wird zwischen qualitativen und quantitativ meßbaren Faktoren unterschieden werden. Grundlage der diesbezüglichen Ausführungen ist, soweit keine anderweitigen Hinweise gegeben werden, die Rating-Software „R-CockpitTM“ incl. des Moduls Patente und Marken der Prof. Dr. Schneck Rating GmbH, die nicht nur bei mehreren tausend Unternehmen zur Unternehmenssteuerung eingesetzt wird, sondern beispielsweise auch der Allianz Lebensversicherungs AG für ihre Kreditentscheidungen oder dem Verband der Automobilwirtschaft VDA als Standard im Lieferantenrating dient. Im Ratingverfahren ist vor allem zu untersuchen, ob das zu bewertende Unternehmen z.B. im Bereich der strategischen Ausrichtung, der Personalausstattung und -führung, der Finanzierung und kaufmännischen Steuerung, Strukturen und Grundlagen geschaffen hat, die es befähigen, (auch) in Zukunft einen regelmäßigen und nachhaltigen Prozess zur Entwicklung und Umsetzung kreativer Problemlösungen für seine Kunden zu organisieren und im wahrsten Sinne des Wortes „umzusetzen“.
5.3.3
Innovationskriterien im Ratingprozess
Die folgende Fragestellungen und Beurteilungskriterien, die das Innovationspotential eines Unternehmens analysieren helfen, sind in der Regel auch Teil der Unternehmensbonitätsbewertung.
5.3 Die Innovationsstärke eines Unternehmens 5.3.3.1
251
Direkte, quantitativ messbare Kriterien zur Bewertung des Innovationspotentials
Kriterium
Ansatzpunkte für Bewertung der Innovationsfähigkeit
1. F+E-Aufwand bezogen auf Umsatz; Benchmarkvergleich
Spitzentechnologie erfordert in der Regel einen F+E Aufwand von >8,5 % des Umsatzes (vgl. Reitzle, 1994)
2. Absolute Anzahl der Schutzrechte (Patente, Marken Schutzrechte); Jahresstatistiken
Anzahl der Schutzrechte alleine ist nicht aussagekräftig; wichtig ist die Dynamik der Entwicklung über mehrere Jahre sowie der Anteil der Schutzrechte, der aktiv genutzt wird (incl. Lizenzvergabe)
3. Anzahl der geplanten Schutzrechte für die kommenden 2 Jahre
Plausibilitätsprüfung mit Budgetplanung des F+EBereiches erforderlich
4. Umsatzanteil von Produkten, die mit Patenten oder sonstigen Schutzrechten versehen sind
Benchmarking innerhalb einer Branche sinnvoll, soweit Zahlen verfügbar
5. Prozentualer Anteil der Schutzrechte, die in den nächsten fünf Jahren auslaufen
Benchmarking innerhalb einer Branche sinnvoll, soweit Zahlen verfügbar
6. Entwicklung der Lizenzeinnahmen
Die Dynamik der Entwicklung lässt auch bei diesem Kriterium Rückschlüsse auf das Innovationspotential zu
5.3.3.2
Indirekte, quantitativ messbare Kriterien zur Bewertung des Innovationspotentials
Kriterium
Ansatzpunkte für Bewertung der Innovationsfähigkeit
1. Altersdurchschnitt der Belegschaft
Eine niedriger Altersdurchschnitt lässt in der Regel auf eine gegenüber Veränderungen und technischen Neuerungen aufgeschlossene Belegschaft schließen
2. Mitarbeiterfluktuation
Eine hohe Fluktuationsrate (> 10%) führt in der Regel zu einem Know-how Abfluss und lässt oft Rückschlüsse auf ein negatives, leistungsfeindliches Betriebsklima zu
3. Eigenkapitalquote
Eine hohe Eigenkapitalquote schafft Sicherheit bezüglich des finanziellen Spielraums des Unternehmens auch im Hinblick auf notwenige Investitionen
4. Durchschnittliches Alter der Geschäftsführung
Eine unterschiedliche Besetzung (jung und alt) sorgt tendenziell für eine angemessene Mischung zwischen Entwicklungsdynamik und – sofern nötig – auch Vorsicht
252 5.3.3.3
5 Ratingansätze und -faktoren Direkte qualitative Kriterien zur Bewertung des Innovationspotentials
Kriterium
Ansatzpunkte für Bewertung der Innovationsfähigkeit
1. Vorsprung im Bereich F+E gegenüber dem Wettbewerb
Benchmarkvergleich bezüglich der F+E-Aktivitäten (F+E Quote/Umsatz, Patent- und Schutzrechtposition etc.)
2. (Internationale) Absicherung von Schlüsseltechnologien und -produkten
Absicherung der wesentlichen Produkte (sowohl für die eingeführten wie auch für die in Entwicklung befindlichen) mit Patenten und Markenschutzrechten
3. Strategische Bedeutung von F+E
Frage, ob z.B. weiterer Ausbau in Relation zum Umsatz geplant ist; Vorhandensein von Innovationsmanagementstellen oder Einrichtung eines systematischen „Zukunftsmanagements“ (vgl. Micic, 2000)
4. Systematische Analyse des Marktes im Hinblick auf Patent- oder Markenrechtsverletzungen
Nachweisliche Nutzung von spezialisierten Dienstleistern (Patentanwälten)
5. Abhängigkeit des Unternehmens von gesellschaftlichen Moden und Trends
Fähigkeit, Änderungen gesellschaftlicher Trends systematisch festzustellen sowie Reaktionsgeschwindigkeit bei Produkt- und Sortimentsanpassungen
6. Verteilung der Produkte und Dienstleistungen über den Produktlebenszyklus
Ausgewogene Verteilung (frühe, mittlere und späte Produktphasen) lässt auch zukünftig eine Kontinuität im Geschäftsgang erwarten (Cash-Flow-Stabilität)
7. Kenntnis der Wettbewerber (incl. deren Patent- und Markenschutzaktivitäten)
Basis für die Wahl der Erfolg versprechenden Unternehmens-, Produkt- und Marketingstrategie
8. Einrichtung eines Beirats
Gewinnung von externem Know-how; kritische Reflektion der Unternehmens- und Produktentwicklung
9. Qualifikation des Personals
Geeignete Personalauswahl-, -entwicklungs- und -weiterbildungsmaßnahmen zur Sicherstellung eines hohen Fach- und Branchen-Know-hows;
10. Verfügbarkeit von Fachpersonal auf Arbeitsmarkt
Vorhandensein eines regionalen Technologieclusters; Netzwerk zu Hochschulen und Forschungseinrichtungen
11. Bindung des Know-hows an Mitarbeiter
Personalrotation zur Verbreiterung der Wissensbasis; (IT-gestützte) Dokumentation des Know-hows; systematische Entkoppelung
12. Internes Kommunikationssystem
Einfacher, klar geregelter, IT-gestützter Informationsaustausch – und: wirksame Absicherungen gegen Missbrauch (Spionage, Sabotage)
5.3 Die Innovationsstärke eines Unternehmens 5.3.3.4
253
Indirekte qualitative Kriterien zur Bewertung des Innovationspotentials
1. Veränderung der Marktanteile in den letzten fünf Jahren
Hohe positive Veränderungsrate legt den Schluss nahe, dass das Unternehmen über eine leistungsfähige Produktentwicklung und Marketingarbeit verfügt
2. Einschätzung der Wettbewerbssituation (z.B. Marktanteile, Anbieterstruktur)
Eine positive Wettbewerbslage lässt auf marktfähige Produkte und Dienstleistungen und eine – bislang – positive Innovationsentwicklung schließen
3. Vorliegen einer klar dokumentierten und kommunizierten Unternehmensstrategie
Mitarbeiter kennen die Prioritäten und langfristigen Unternehmens- und Produktentwicklungsziele sowie das Chancen- und Stärkenprofil; Entwicklung von Innovationen mit Aussicht auf Markt- und Umsetzungsfähigkeit wird dadurch wahrscheinlicher
4. Gestaltung und Besetzung der Führungsstruktur
Flache Hierarchien sowie branchenerfahrene, und dialogorientierte Führungskräfte ermöglichen schnellen und umfassenden Informationsaustausch und schaffen Vertrauen auch für risikobehaftetere Entwicklungsschritte
5. Nachfolgeregelung
Systematische Regelungen sind wichtig für die Handlungsfähigkeit der Führung und ihre Berechenbarkeit durch Dritte
6. Vertretungsregelung
Klare Absprachen sorgen für reibungslose und schnelle Umsetzung von Entscheidungen auch und gerade bei Produktentwicklungs- und -vermarktungsentscheidungen
7. Qualitätsmanagementsystem
Die systematische Rückkoppelung von Produkt- und Prozessdefiziten hilft, (strukturelle) Fehler im Innovationsprozess zu identifizieren und zu beseitigen
8. Systematische Beurteilung von Lieferanten und Kooperationspartnern
Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit können in der Regel nur mit technologieführenden und wirtschaftlich stabilen Partnern gehalten/verbessert werden
9. Laufende Optimierung der Geschäftsprozesse
Geschwindigkeit von Entscheidungs- und Anpassungsprozessen wird erhöht; die Profitabilität steigt und damit der Finanzierungsspielraum des Unternehmens; finanzielle Mittel stehen für Investitionszwecke zur Verfügung
10. Systematisches Controlling
Zeitnahe Verfügung über Informationen zu Profitabilität einzelner Produkte oder Geschäftsfelder, um ggf. z.B. im Bereich der Produktentwicklung nachzusteuern
254
5 Ratingansätze und -faktoren
Für die Entwicklung und den weiteren Ausbau eines hohen Innovationspotentials – und eine entsprechende Bewertung durch Dritte – sind wie gezeigt eine Vielzahl von technischen, personellen, finanziellen und organisationstechnischen Einflussgrößen und Voraussetzungen wesentlich. Entscheidend scheint es jedoch zu sein, vor allem die Schaffung einer positiven Innovations- und Risikokultur im Unternehmen zu erreichen. Hier steht in erster Linie das Unternehmensmanagement in der Verantwortung, dessen Aufgabe es ist, „die Ideenfinder und -umsetzer zu fördern, ein leistungsförderndes, kreatives Umfeld zu schaffen und bei der Umsetzung der Innovationen in konkrete Produkte und Geschäfte zu unterstützen“ (Reitzle, 1994). Eine große Zahl der der oben genannten Bewertungskriterien trägt diesem Aspekt Rechnung, in dem sie die Qualität der Unternehmensführung aus verschiedensten Perspektiven analysieren. In Deutschland wird die Finanzierung junger Technologieunternehmen mit sog. „Venture Capital“, nicht ohne Grund gelegentlich mit „Wagniskapital“ übersetzt. Im Gegensatz zu den USA, in denen das Scheitern eines Unternehmens oft als wertvolles Lernprojekt verstanden wird, ist dies in vielen anderen Kulturräumen, insbesondere auch in Deutschland, negativ besetzt und wird teilweise geradezu stigmatisiert. Eine „positive Fehlerkultur“, d.h. eine Unternehmenskultur, die die Übernahme von Verantwortung auch für Fehlentscheidungen nicht bestraft, wird Mitarbeiter eher dazu ermutigen, in der Produktentwicklung ungewöhnliche Wege zu gehen und kontrollierte Risiken einzugehen. Die Bereitschaft, ein höheres Risikoniveau zuzulassen, stellt jedoch – wie im Bereich der Vermögensanlage auch – eine grundlegende Voraussetzung dar, eine höhere Rendite erzielen zu können. Die Rendite besteht in diesem Fall in der erfolgreichen Entwicklung durchsetzungsfähigerer Produkte und Dienstleistungen und der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Ferner werden in Firmen, die Wert auf mündige, verantwortungsbewusste und konfliktfähige Mitarbeiter legen, Defizite und unverhältnismäßige Risiken frühzeitig angesprochen – selbst wenn dies im Einzelfall persönliche Interessen und Eitelkeiten eines Vorgesetzten berühren sollte. Persönliche Demotivation, Zeitverluste oder finanzielle Belastungen können so ggf. wirkungsvoll vermieden werden. Das Unternehmen gewinnt wichtige Ressourcen zum Aufbau von Innovationspotential. Für die Entwicklung und den weiteren Ausbau eines hohen Innovationspotentials – und eine entsprechend positive Bewertung durch Dritte – sind eine Vielzahl von technischen, personellen, finanziellen und organisatorischen Einflussgrößen eines Unternehmens wesentlich. Sie bestimmen auch die Innovations- und Risikokultur eines Unternehmens.
5.3 Die Innovationsstärke eines Unternehmens
5.3.4
255
Grenzen der Aussagekraft von Innovationspotentialbewertungen
Im Wettbewerb um Aufträge und Kooperationen in technologisch anspruchsvollen Branchen, wie z.B. der Automobilindustrie, der Luft- und Raumfahrttechnik, der Medizintechnik oder der Umwelttechnik, wird besonderer Wert auf das Technologiepotential von Unternehmen gelegt. Eine systematische Analyse, Verbesserung und Darstellung des eigenen Innovationspotentials anhand der beschriebenen Bewertungskriterien kann Unternehmen, insbesondere einem mittelständischen Nischenspezialisten helfen, als attraktiver Partner auch internationaler Großunternehmen und Lieferantenketten wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Aus Sicht einer Ratingagentur oder einer Ratingberatungsgesellschaft erscheint eine solche Analyse des Innovations- und Zukunftspotentials eines Unternehmens jedoch insoweit verkürzt, als ein Unternehmen nur dann seine Innovationsstärke langfristig ausspielen kann, wenn es zusätzlich in anderen Bewertungsdimensionen, die für seine Zahlungs- und Zukunftsfähigkeit entscheidend sind, z.B. im Bereich der Unternehmensfinanzierung, der Bankbeziehungen, der Unternehmenssteuerung sowie der Logistikabläufe, auf sicheren Grundlagen steht. Sofern Kooperationspartner bzw. Dritte nicht nur Wert auf das Innovationspotential, sondern auch auf die langfristige Stabilität und Eigenständigkeit ihres Technologiepartners legen, werden sie die restlichen Elemente eines Unternehmensratings in die Beurteilung der Zukunftsfähigkeit des betreffenden Unternehmens und der Kooperationsbeziehung einbeziehen müssen. Unstreitig ist, dass der Bereich der Innovationspotentialbewertung einen zentralen Baustein des Unternehmensratings darstellt, weil er maßgeblich über die zukünftige Cash-Flow-Position eines Unternehmens bestimmt. Es ist zu berücksichtigen, dass die Innovationsstärke, Innovations- und Risikokultur eines Unternehmens zwar wesentliche Rückschlüsse auf die Zukunftsfähigkeit zulassen, aber weitere Beurteilungskriterien – beispielsweise der Unternehmensfinanzierung, der Unternehmenssteuerung sowie der Logistikabläufe – für eine vollständige Bonitätsbewertung nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
5.3.5
Zusammenfassung
Im Zuge der Einführung der Basel II Regeln, mit denen die Praxis der Gewährung von Bankkrediten verändert und in Form sog. „Ratings“ systematisiert wurde, hat die Überprüfung der Zahlungs- und Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens einen signifikanten Bedeutungszuwachs erhalten. Zentraler Bestandteil der Ratingverfahren sind Fragestellungen zur Innovationsfähigkeit eines Unternehmens – schließlich stellen Innovationen der Gegenwart, Zahlungsströme der Zukunft dar und gestalten die zukünftige Zahlungsfähigkeit positiv. Ein positives Unternehmensrating, insbesondere der qualitativen Bewertungsteile bzw. der sog. „Soft Facts“, lässt in der Regel auch den Rückschluss auf eine überdurchschnittlich hohe Innovationsfähigkeit des betreffenden Unternehmens zu.
256
5 Ratingansätze und -faktoren
Es lassen sich verschiedene Bewertungskriterien marktüblicher Ratingverfahren identifizieren, die in überdurchschnittlich hohem Maße das Innovationspotential eines Unternehmens bestimmen. Auf diese Faktoren ist zu achten, wenn die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens bewertet, verbessert oder kommuniziert werden soll.
5.3.6
Übungsaufgaben
Übungsaufgabe 1 Definieren Sie den Begriff des Innovationspotentials und beantworten Sie dabei insbesondere die Frage, in welcher Beziehung dieser Begriff zur Bonitätsstärke bzw. zum Ratingergebnis eines Unternehmens steht. Übungsaufgabe 2 Nehmen Sie für Ihr Unternehmen eine Beurteilung a) der direkten, quantitativ messbaren Kriterien zur Bewertung des Innovationspotentials vor. b) der indirekten, quantitativ messbaren Kriterien zur Bewertung des Innovationspotentials vor. c) der direkten, qualitativen Kriterien zur Bewertung des Innovationspotentials vor. d) der indirekten, qualitativen Kriterien zur Bewertung des Innovationspotentials vor. Übungsaufgabe 3 Beurteilen Sie die Innovations- und Risikokultur in Ihrem Unternehmen.
5.3.7
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
Lösung zu Übungsaufgabe 1 Unter innovativ wird die Fähigkeit zur bewussten Organisation eines regelmäßigen und nachhaltigen Prozesses zur Entwicklung und Umsetzung kreativer und damit meist neuer Problemlösungen für die Zukunft verstanden. In dieser Definition des Innovationsbegriffs sind einige grundlegende Elemente und Aspekte enthalten, die in der Ratingbewertung eines Unternehmens ebenfalls zum Tragen kommen und dabei einen herausragenden Stellenwert einnehmen. Schließlich wird im Ratingverfahren u.a. untersucht, ob das zu bewertende Unternehmen z.B. im Bereich der strategischen Ausrichtung, der Personalausstattung und -führung, der Finanzierung und kaufmännischen Steuerung, Strukturen und Grundlagen geschaffen hat, die es befähigen, (auch) in Zukunft einen regelmäßigen und nachhaltigen Prozess zur Entwicklung und Umsetzung kreativer Problemlösungen für seine Kunden zu organisieren und im wahrsten Sinne des Wortes „umzusetzen“. Lösung zu Übungsaufgabe 2 Bewerten Sie die einzelnen Fragen und Kriterien aus den Abschnitten 5.3.3.1 bis 5.3.3.4.
5.3 Die Innovationsstärke eines Unternehmens
257
Hinweise zu Übungsaufgabe 3 Überprüfen Sie bei der Beantwortung dieser Frage u.a., − wie Ihr Unternehmen bzw. die Geschäftsleitung mit der Übernahme von Verantwortung für Fehlentscheidungen umgeht, sowohl persönlich als auch im Fall von Mitarbeitern. − ob Mitarbeiter dazu ermutigt werden, in der Produktentwicklung ungewöhnliche Wege zu gehen und kontrollierte Risiken einzugehen. − wann Sie letztmals kritisch mit Kollegen, Mitarbeitern oder Vorgesetzten über neue Produkte, Verfahren oder Strategien offen ohne persönliche Rücksichtnahme diskutiert haben.
5.3.8
Literaturhinweise
Drüner, B.: Aufbau eines Controllingsystems für eine mittelständische Beteiligungsgesellschaft unter Berücksichtigung von Methoden und Überlegungen des Unternehmensratings, Masterthesis, Steinbeis Universität Berlin, 2003, www.ratweg.de. Drüner, B.: Risiko- und Bonitätsmanagement: mehr Sicherheit für mittelständische Unternehmen, in: Unternehmensführerschein, Hrsg.: Unternehmen Erfolg, Offenbach 2005, S. 231–253. Haemmig, M.: The Globalization of Venture Capital, in: Private Equity Investments, Hrsg.: Jugel, S., Wiesbaden, 2003, S. 67–88. Everling, O.: Rating für mittelständische Unternehmen, in: Praktiker-Handbuch Unternehmensfinanzierung, Hrsg: Krimphove, D. / Tytko, D., Stuttgart, 2002, S. 961ff. Füser, K.: Intelligentes Scoring und Rating, Wiesbaden, 2001. Micic, P.: Der Zukunftsmanager: wie Sie MarktChancen vor Ihren Mitbewerbern erkennen und nutzen, München 2000. Reitzle, W.: Forschung und Innovation als Erfolgsfaktoren für die Standortsicherung, in: Krise als Chance, Hrsg.: Peren, F.W., Wiesbaden, 1994, S. 93–113. Schneck, O.: Lexikon der Betriebswirtschaft, 6. Aufl., München 2005. Schneck, O.; Everling, O.: Rating ABC, Wiesbaden 2004. Schneck, O.: Finanzierung, 2. Aufl., München 2003. Schneck, O.: Ratingsoftware zur Lieferantenbewertung, in: Kredit & Ratingpraxis, Heft 5, 2005, S. 1–2. Schneck, O.: Basel II hat begonnen, in: Bundesanzeiger, Heft 6, 2004, S. 5. Schneck, O.: Bewertung des Goodwill, eine Herausforderung für das Rating, in: DSWR, Heft 8, 2003, S. 225–228. Schneck, O.: Die neue Bewertung des Goodwill, in Kredit & Ratingpraxis, Heft 4, 2003, S. 10. Siering, F.: Genug Selbstvertrauen für Fehler, in: Handelsblatt, 18./19./11.2005.
258
5 Ratingansätze und -faktoren
5.4 Bewertung gewerblicher Schutzrechte
259
Alexander Wurzer 5.4
Bewertung gewerblicher Schutzrechte
5.4.1
Einführung
260
5.4.1.1
Wirtschaftliche Bedeutung von geistigem Eigentum..................................... 260
5.4.1.2
Weiterführende Literatur................................................................................ 262
5.4.2
Gewerbliche Schutzrechte und geistiges Eigentum
5.4.2.1
Übersicht zum gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsschutz ........................................................................................ 263
5.4.2.2
Arten gewerblicher Schutzrechte ................................................................... 265
5.4.2.3
Übungsfragen zu gewerblichen Schutzrechten und geistigem Eigentum...... 266
5.4.2.4
Weiterführende Literatur zu gewerblichen Schutzrechten und geistigem Eigentum ........................................................................................................ 267
5.4.3
Ökonomische Eigenschaften von geistigem Eigentum
5.4.3.1
Ökonomische Charakterisierung.................................................................... 267
5.4.3.2
Funktionen von Schutzrechten....................................................................... 269
5.4.3.3
Übungsfragen zu den ökonomischen Eigenschaften von geistigem Eigentum ........................................................................................................ 270
5.4.3.4
Weiterführende Literatur zu den ökonomischen Eigenschaften von geistigem Eigentum........................................................................................ 271
5.4.4
Risikostruktur von geistigem Eigentum
5.4.4.1
Unsicherheit und Risiko................................................................................. 271
5.4.4.2
Risikostruktur................................................................................................. 272
5.4.4.3
Übungsfragen zur Risikostruktur von geistigem Eigentum........................... 274
5.4.4.4
Weiterführende Literatur zur Risikostruktur von geistigem Eigentum ......... 274
5.4.5
Bewertungspraxis
5.4.5.1
Bewertung und Wert ...................................................................................... 275
263
267
271
274
260
5 Ratingansätze und -faktoren
5.4.5.2
Wertkonstrukte und Bewertungsanlässe .........................................................276
5.4.5.3
Bewertungsansätze und Praxismethoden........................................................277
5.4.5.3.1
Kostenansatz ...................................................................................................278
5.4.5.3.2
Marktansatz.....................................................................................................278
5.4.5.3.3
Ertragsansatz ...................................................................................................280
5.4.5.4
Übungsfragen zur Bewertungspraxis..............................................................281
5.4.5.5
Weiterführende Literatur zur Bewertungspraxis ............................................282
5.4.1
Einführung
5.4.1.1
Wirtschaftliche Bedeutung von geistigem Eigentum
Der Eigentumsbegriff spielt in jedem Wirtschaftssystem eine zentrale Rolle. Für ein marktwirtschaftliches System stellt er die Triebfeder des wirtschaftlichen Handelns dar. Wohl definierte und durchsetzbare Eigentumsrechte sind die Grundlage für den Erfolg eines Unternehmens wie auch für den Wohlstand einer Volkswirtschaft. Für materielle Güter wie Immobilien, Maschinen und Anlagen sind detaillierte Eigentumsrechte festgelegt. Im Zeitalter der Industriegesellschaft beruhte die Wohlstandsgenerierung auf den klassischen Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital. Zur Wertschöpfung sind neben diesen Faktoren jedoch noch weitere, an der Produktion mitwirkende Größen notwendig. Diese Ressourcen sind immateriell. Das heißt, sie sind ohne körperliche Substanz und nicht finanziell. Dazu gehört zum Beispiel Humankapital (z.B. Wissen und Fähigkeiten von Mitarbeitern) und Kundenkapital (z.B. Kundenlisten, Abnahmeverträge). Eine besondere Klasse dieser immateriellen Ressourcen ist das geistige Eigentum. Das geistige Eigentum (Intellectual Property, IP) wird durch Immaterialgüterrechte wie zum Beispiel die gewerblichen Schutzrechte (Patente, Marken etc.) gesichert. Unter geistigem Eigentum wird die uneingeschränkte Herrschaft über ein unkörperliches Gut, ein Immaterialgut verstanden. An Immaterialgütern können ebenso wie an Sachen Rechte bestehen. Seit den 1950er Jahren wird, insbesondere in den OECD-Ländern, ein Wandel bei den wesentlichen Produktionsfaktoren festgestellt. Diese Veränderung wird unter dem Begriff der Wissensökonomie zusammengefasst. Der Bedeutungswandel hin zu immateriellen Ressourcen als maßgebliche Quelle für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit wird durch sich verändernde soziale, ökonomische und politische Rahmenbedingungen erklärt. Die zu beobachtenden Entwicklungen liegen auf verschiedenen Zeitachsen. Zu den langfristigen Trends gehören die Dynamisierung des weltweiten Wettbewerbs mit der einhergehenden globalen Verteilung von Produktions- und Vertriebsstrukturen, welche mit dem Stichwort „Globalisierung“ bezeichnet wird, der Wechsel von einer dominierenden Stellung der Industrie hin zur Dienstleistung als Wachstumselement der Ökonomie, und der grundlegende Wechsel der Beschäftigungs- und Outputstrukturen hin zu globalen Innovationsprozessen, neuen Technologieunternehmen und internationalen Kooperationen. Diese Entwicklungen gehen einher mit der mittelfristigen Veränderung in den großen Industrienationen von Angebots- zu Nachfragemärkten und dem erst in den letzten 20 Jahren auftretenden Phänomenen der ubiquitä-
5.4 Bewertung gewerblicher Schutzrechte
261
ren Verfügbarkeit von Informations- und Kommunikationstechnologien als Infrastruktur, der starken Bedeutungszunahme von Forschung und Entwicklung und anderen Formen der gezielten Wissensschaffung, dem gezielten Aufbau von Humankapital sowie der sukzessiven Herausbildung von Märkten für Rechte an Wissen. Die Größenordnung dieser Veränderung kann auf globaler, europäischer und nationaler Ebene in den Volkswirtschaften beobachtet werden: • 50–70 Prozent des Bruttosozialprodukts aus dem privaten Sektor kommen aktuell aus der Umsetzung von immateriellen Ressourcen und geistigem Eigentum.1 • 70 Prozent des us-amerikanischen Wachstums im Jahr 2002 resultiert aus der Verwertung immaterieller Ressourcen.2 • Das weltweite Lizenzvolumen ist von 15 Mrd. US$ im Jahr 1990 auf über 100 Mrd. US$ im Jahr 2000 gestiegen.3 • Der Wert, der im Jahr 2001 erteilten Patente wird auf 97–150 Mrd. US$ geschätzt. Unter der vereinfachenden Annahme, dass dieser Wert linear über die gesamte Laufzeit von 20 Jahren abnimmt, kann der Wert des Patentbestandes in den OECD-Ländern auf 1,0– 1,5 Bill. US$ berechnet werden.4 • In Deutschland wurde im Jahr 2001 mit lizenzierten Produkten ein Umsatz von 24,4 Mrd. Euro erwirtschaftet.5 • Ende der 1990er Jahre erwirtschafteten deutsche Markenartikelhersteller einen jährlichen Umsatz von rund 550 Mrd. DM. Bezogen auf die gesamte Volkswirtschaft ist dies ein Anteil von fast 10 Prozent.6 • Nach Daten der Deutschen Bundesbank erlösten Unternehmen und Erfinder in der Bundesrepublik pro Jahr über 3 Mrd. Euro an Lizenzen für Patente, Erfindungen und Verfahren.7 Auch auf Unternehmensniveau werden die Dimensionen der Wissensökonomie deutlich. Neben der im Management subjektiv empfundenen Zunahme der Bedeutung von IP kommen empirische Studien wiederholt zu dem Ergebnis, dass die Unternehmensinvestitionen in immaterielle Ressourcen weit überdurchschnittliche Renditen ermöglichen. Der Bedeutungswandel lässt sich am zunehmenden Anteil der immateriellen Werte am Gesamtwert des Unternehmens ablesen.8 Dieser liegt inzwischen branchenübergreifend durchschnittlich in der Größenordnung von 50 Prozent.9 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Harvey, Why intellectual property matters, in: Jolly/Philpott [Hrsg.], A Handbook of Intellectual Property Management, London: 2004, S. 3. Bryer/Simensky, Intellectual Property Assets in Mergers and Acquisitions, 2002, S. XXVII. Davis/Harrison, Edison in the Boardroom, New York et al.: 2001, S. 73; Storn, Biete Idee, suche Geld, Die Zeit, 25 (2002), S. 25; unter Verweis auf Berechnungen des Europäischen Patentamtes. Harhoff, Innovationen und Wettbewerbpolitik – Ansätze zur ökonomischen Analyse des Patentsystems, Vortrag bei der Jubiläumsveranstaltung „30 Jahre Monopolkommission“, Berlin: 5.11.2004. Menninger/Kunowski, Wertermittlung von Patenten, Technologien und Lizenzen vor dem Hintergrund von Optimierungsstrategien, DStR 28/2003, 1180–1184. Güldenberg, Der volkswirtschaftliche Wert und Nutzen der Marke, GRUR 10 (1999) 843–847. Gehrke/ Legler/Kohlmann/ Leidmann, Technologische Dienstleistungen in der Zahlungsbilanz, Studien zum deutschen Innovationssystem, 19, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Hannover: 2004. Lev,: Intangibles, Management, Measurement, and Reporting, Washington, D.C.: 2001, S. 9. Zu diesem Ergebnis kommen verschiedene Studien auf unterschiedliche Weise, vgl. dazu u.a.: Lev,: Intangibles, Management, Measurement, and Reporting, Washington, D.C.: 2001, S. 9 ff; Maul/Menninger, Das ‘Intellectu-
262
5 Ratingansätze und -faktoren
Wie grundlegend dieser Bedeutungswandel und die damit verbundene Wertverschiebung ist, kann an der Diskussion um die geeignete Repräsentanz immaterieller Werte in der externen Rechnungslegung und im Rating verfolgt werden. Die Erfinder des „balanced scorecard“ Kaplan und Norton beschreiben die Bedeutung von immateriellen Werten für die Unternehmen zusammenfassend: „Wer den Nutzen immaterieller Werte messen kann, hat den heiligen Gral des Rechnungswesens gefunden. [Immaterielle Werte] sind für viele Firmen weitaus wertvoller als ihre materiellen Vermögensgegenstände.“10 Aus diesem inzwischen gut dokumentierten Wandel der wirtschaftlichen Bedeutung von geistigem Eigentum wird auch die Relevanz der Bewertung und Risikoanalyse deutlich. Wenn immaterielle Werte die wesentlichen Werttreiber im Unternehmen sind, so müssen sie ebenso wie die materiellen und finanziellen Ressourcen bewertet werden. Gleichzeitig zu ihrem Wertpotenzial für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens kommt ihnen jedoch auch ein Risikopotenzial zu. Das heißt, die spezifischen Risiken, die aus der Immaterialität erwachsen, müssen systematisch erfasst, dokumentiert und dem interessierten Adressatenkreis zugänglich gemacht werden. Merksätze zur wirtschaftlichen Bedeutung von geistigem Eigentum • Geistiges Eigentum (Intellectual Property, IP) wird durch Immaterialgüterrechte wie zum Beispiel die gewerblichen Schutzrechte (Patente, Marken etc.) abgebildet und gegen die unberechtigte Nutzung durch Dritte geschützt. • Unter dem Begriff der Wissensökonomie wird ein Wandel bei den wesentlichen Produktionsfaktoren zusammengefasst. Diese Verschiebung zu den immateriellen Ressourcen wird durch die Veränderung sozialer, ökonomischer und politischer Rahmenbedingungen erklärt. • In den Unternehmen wird die zunehmende Bedeutung von immateriellen Ressourcen festgestellt, wozu insbesondere das geistige Eigentum zählt. Die steigende wirtschaftliche Relevanz von immateriellen Ressourcen und geistigem Eigentum ist empirisch gut belegt. • Aus der wirtschaftlichen Relevanz von geistigem Eigentum ergibt sich die Notwendigkeit der finanziellen Bewertung und systematischen Risikoanalyse. 5.4.1.2
Weiterführende Literatur
Al-Ali, Comprehensive Intellectual Capital Management, Hoboken, NJ: 2003. Cook, Patents, Profits & Power, London: 2002. Kahin/Foray (Hrsg.), Advancing Knowledge and the Knowledge Economy, Cambridge, Mass.; London: 2006. Lev, Intangibles, Washington, D.C.: 2001. Pike, Virtual Monopoly, London: 2001.
10
al Property Statement’ – eine notwendige Ergänzung des Jahresabschlusses?, Der Betrieb 53/11 (2000) 529– 533. unter Bezug auf: Sattler/PwC Deutsche Revision, Praxis von Markenbewertung und Markenmanagement in deutschen Unternehmen, 1999, S. 11 f. Kaplan/Norton, Grünes Licht für Ihre Strategie, Harvard Business Manager 5 (2004), S. 19.
5.4 Bewertung gewerblicher Schutzrechte
263
Rivette/Kline, Rembrandts in the Attic, Boston, Mass.: 2000. Sullivan, Profiting from Intellectual Capital, New York: 1998. Sullivan, Value-Driven Intellectual Capital: 2000. Wurzer/Kaiser, Patente, Produkte und Profite, Harvard Business Manager, 3 (2006) 23–35. Wurzer, Patentmanagement, Eschborn, 2004. Wurzer, Wettbewerbsvorteile durch Patentinformationen, 2. Aufl., Karlsruhe: 2003.
5.4.2
Gewerbliche Schutzrechte und geistiges Eigentum
In diesem Abschnitt wird zunächst der gewerbliche Rechtsschutz und die ergänzenden Regelungen zum Urheberrecht und dem Wettbewerbsschutz für Deutschland vorgestellt. Anschließend gibt eine Übersicht Auskunft zu den wichtigsten gewerblichen Schutzrechten.11 Lernziele • Grundverständnis der Funktion des gewerblichen Rechtsschutz • Übersicht zu den Schutzrechten, zum Urheberrecht und zum Wettbewerbsschutz • Notwendigkeit der Berücksichtigung von rechtlichen Fragen bei der Bewertung und Risikoanalyse von geistigem Eigentum. 5.4.2.1
Übersicht zum gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsschutz
Unter dem Begriff des gewerblichen Rechtsschutzes werden alle Gesetze verstanden, die dem Schutz des geistig-gewerblichen Schaffens auf technisch-wirtschaftlichem Gebiet dienen. Seine Instrumente sind die in Abschnitt 5.4.2.2 aufgeführten gewerblichen Schutzrechte. Das Urheberrecht schützt auch geistige Leistungen, jedoch zunächst nicht auf dem gewerblichen, sondern auf dem kulturellen Sektor. Diese andere Orientierung der Schutzgegenstände separiert das Urheberrecht von den gewerblichen Schutzrechten. Der Schutz von Computerprogrammen und Datenbanken gehört auch zum Gebiet des Urheberrechts. Im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (Wettbewerbsschutz) wird der Umgang mit Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, unter anderem auch die Frage der Geheimhaltung von Know-how geregelt. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb schützt die unternehmerische Leistung ergänzend zu den Sondergesetzen der technischen und nicht-technischen Schutzrechte. Dem Schutz des geistigen Schaffens auf dem gewerblichen Gebiet dienen im wesentlichen die Regelungen in folgenden deutschen Sondergesetzen: • • • •
Patentgesetz (PatG) Gebrauchsmustergesetz (GebrMG) Geschmacksmustergesetz (GeschmMG) Markengesetz (MarkenG)
11
Neben den hier vorgestellten Schutzrechten gibt es noch weitere, insbesondere gibt es auch regionale und internationale Anmelde- bzw. Prüfungsverfahren die zu Schutzrechten mit Wirkung in Deutschland führen können.
264
5 Ratingansätze und -faktoren
Hinzu kommen das Urheberrechtsgesetz (UrhG) für Geistesschöpfungen, Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst sowie das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Ihrem Inhaber verleihen gewerbliche Schutzrechte eigentumsähnliche Rechte, wie eine gegen jedermann wirkende Herrschaftsbefugnis über den Schutzgegenstand und eine Verfügungsbefugnis.12 Das heißt, der Inhaber kann Dritten die unbefugte Nutzung des Schutzrechtsgegenstandes untersagen. Dies bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass der Inhaber selbst berechtigt ist, den Schutzrechtsgegenstand auch selbst zu benutzten. Dies tritt zum Beispiel dann auf, wenn der Schutzrechtsgegenstand selbst oder im Zuge seiner Herstellung auch von anderen Rechten Dritter belegt ist. Jedoch sind diese Rechte zeitlich begrenzt. Je nach Schutzrecht ist die Schutzdauer unterschiedlich lange (siehe Tabelle 5.4-1). Die maximale Schutzdauer von Patenten beträgt 20 Jahre, von Gebrauchsmustern und Topographieschutzrechten 10 Jahre und von Sortenschutzrechten 25 oder 30 Jahre. Die Überlegung dahinter ist, dass der Erfinder nach einer gewissen Zeit durch die Verwertung seiner Erfindung seinen ursprünglichen Aufwand am Markt amortisiert hat, und aufgrund des kontinuierlich steigenden Standes der Technik eine Erfindung nach einer gewissen Zeit zum Gemeingut von Technik und Industrie wird. Die maximale Schutzdauer des Geschmacksmusters beträgt 25 Jahre. Das Markenrecht ist ebenfalls zeitlich befristet, kann jedoch beliebig oft verlängert werden. Dahinter steht die Überlegung, dass eine Marke die werbende Leistung des gewerblich Tätigen schützt und diese Leistung muss zum Beispiel im Rahmen eines Geschäftsbetriebs kontinuierlich und dauerhaft erbracht werden. Somit soll der Markeninhaber auch die Möglichkeit haben, ebenso wie seinen Geschäftsbetrieb auch seine Marke dauerhaft aufrecht zu erhalten. Das Urheberrecht entsteht mit der Schaffung des Werks und endet erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Hinter dieser sehr langen Schutzdauer steht die Überlegung, dass das Urheberrecht individuelle geistige (Neu)Schöpfungen schützt, die die Individualität des Urhebers in sich tragen und die ohne sein Schaffen nicht existierten. Bei der Bewertung und Risikoanalyse von gewerblichen Schutzrechten ist das Territorialitätsprinzip von besonderer Bedeutung. Nach dem Territorialitätsprinzip entfalten Schutzrechte, wie zum Beispiel Patente, nur eine Wirkung in den Ländern in oder für die sie auch erteilt worden sind. Das heißt zum Beispiel für ein deutsches Patent, dass es seine Ausschließlichkeitswirkung nur innerhalb der Bundesrepublik Deutschland entfaltet. Unternehmen in Deutschland sind aufgrund ihrer gewerblichen Aktivitäten im Ausland auch an Schutzrechten im Ausland interessiert. Zum Erwerb und zur Durchsetzung von Schutzrechten im Ausland gibt es eine Vielzahl von speziellen Anmeldeverfahren. Das Wettbewerbsrecht dient dem Schutz der unternehmerischen Leistung. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) schützt die unternehmerische Leistung ergänzend zu den Sondergesetzen der technischen und nicht-technischen Schutzrechte. Im UWG wird auch der Umgang mit Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, also unter anderem auch die Fragen zur Geheimhaltung von Know-how geregelt. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sind insbesondere solche, die im Zusammenhang mit dem eigenen Unternehmen stehen, die nach dem Willen des Betriebsinhabers geheim bleiben sollen und an deren Geheimhaltung ein berech12
Hubmann/Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, München: 2002, S. 73, Rdn. 19.
5.4 Bewertung gewerblicher Schutzrechte
265
tigtes wirtschaftliches Interesse des Betriebsinhabers besteht.13 Für das Vorhandensein eines Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses sind also die drei Aspekte der Unternehmensrelevanz, der Geheimhaltung und der wirtschaftlichen Bedeutung notwendig. Dazu gehören zum Beispiel: Agenturverzeichnisse, Jahresabschluss, Kalkulationsunterlagen, Kundenlisten, Modelle, Musterbücher, Preisberechnungen, Zahlungsbedingungen und sämtliche betrieblichen Unterlagen für die Betriebs-, Absatz- und Vertriebsorganisation einschließlich der Marketingkonzepte, Werbemethoden und ähnliche Verfahren; sowie im technischen Bereich besonderes technisches Wissen über Materialien, Verfahren, Konstruktionsprinzipien, Fertigungstoleranzen, Produktionsbedingungen, Fabrikationsverfahren, Konstruktionen.14 Das UWG stellt die unberechtigte Weitergabe von Know-how unter Strafe. 5.4.2.2
Arten gewerblicher Schutzrechte
Tabelle 5.4-1 dient der Orientierung und groben Einordnung der verschiedenen Rechte. Die Unterscheidung geschieht in Bezug auf die unterschiedlichen Schutzgegenstände, also die unterschiedlichen Ergebnisse des geistigen Schaffens auf gewerblichem und künstlerischem Gebiet. Während für technische Erfindungen das Patentgesetz und das Gebrauchsmustergesetz Schutzrechte zur Verfügung stellt, werden Unternehmenskennzeichen durch das Markengesetz geschützt. Zu unterscheiden sind weiterhin die Verfahren, um ein solches Schutzrecht zu erwerben. Es gibt Schutzrechte, die beim Deutschen Patent- und Markenamt bzw. ergänzenden Institutionen angemeldet werden müssen, und solche, die durch die Nutzung Schutzrechtsart Patente (PatG) Gebrauchsmuster (GebrMG) Geschmacksmuster (GeschmMG) Kennzeichen (MarkenG)
Urheberrecht (UrhG)
Schutzgegenstand Technische Erfindung Technische Erfindung (keine Verfahren) Gestaltung eines Erzeugnisses Zeichen, die zur Unterscheidung von Waren und Dienstleistungen dienen Zeichen, die zur Kennzeichnung von Unternehmen oder Werken dienen Geographische Herkunftsangaben Werke der Literatur, Wissenschaft, Kunst und Software
Anmeldung ja ja
Prüfung ja nein
Laufzeit* 20 10
ja
nein
25
ja (eingetragene Marke) nein (Benutzungmarke) nein
ja
Alle 10 Jahre verlängerbar
nein
Bis 70 Jahre nach Tod des Urhebers
nein nein
Tab. 5.4-1: Übersicht der Schutzrechte in Deutschland und jeweilige Rechtsgrundlage (nach Wurzer/Kaiser [Hrsg.], Handbuch des internationalen Know-how-Schutzes, Köln: 2007, S. T2C 7; Ilzhöfer, Patent- Marken- und Urheberrecht, München: 2002, S. 4) (*) Angaben in Jahren.
13 14
Steckler, Grundzüge des Gewerblichen Rechtsschutzes, München: 1996, S. 154 Fn. 37 unter Bezug auf Junker, Betriebs-Berater 1988, 1340. Steckler, Grundzüge des Gewerblichen Rechtsschutzes, München: 1996, S. 154; Harke, Ideen Schützen lassen?, München: 2000, S. 141.
266
5 Ratingansätze und -faktoren
entstehen, sowie das Urheberrecht, das durch die Verlautbarung des Werks entsteht. Ebenso zu unterscheiden sind geprüfte und ungeprüfte Schutzrechte. Der Begriff Prüfung bezieht sich auf die Überprüfung der formalen und gegebenenfalls materiellen Schutzvoraussetzungen. Die Prüfung dieser Voraussetzungen ist Teil des Verfahrens zum erteilten Schutzrecht und gegebenenfalls die Grundlage, um die Verbotswirkung gegen Dritte im Falle einer Verletzung des Schutzrechts tatsächlich durchzusetzen. In der letzten Spalte der Tabelle sind die sehr unterschiedlichen Laufzeiten der Schutzrechte aufgeführt. Die Zeitspanne reicht von den relativ kurzen 10 Jahren zum Beispiel für ein Gebrauchsmuster bis zu der potenziell unbegrenzten Schutzdauer einer Marke. Merksätze zu den Arten gewerblicher Schutzrechte • Für die verschiedenen Schutzrechtsgegenstände stehen unterschiedliche Schutzrechte zur Verfügung. • Es gibt geprüfte und ungeprüfte Schutzrechte. • Das Patent, als wichtigstes technisches Schutzrecht, muss beim DPMA (Deutsches Patent- und Markenamt) angemeldet werden und wird dann durch das DPMA geprüft. Erst nach positivem Ergebnis der inhaltlichen Prüfung entfaltet es seine volle Wirksamkeit als Ausschließungsrecht. • Kennzeichen wie Marken können auch ohne Anmeldung eine Schutzwirkung entfalten. • Marken können im Gegensatz zu Patenten beliebig lange aufrecht gehalten werden (z.B. Aspirin als Marke während das Patent für die Acteylsalicylsäure längst ausgelaufen ist). • Im Einzelfall der Bewertung und Risikoanalyse muss der Rechtsbestand von Schutzrechten durch Experten (z.B. Patentanwälte, Rechtsanwälte) überprüft werden. Ebenso müssen zum Beispiel Fragen des Schutzrechtsumfangs mit Experten geklärt werden. 5.4.2.3
Übungsfragen zu gewerblichen Schutzrechten und geistigem Eigentum
Übungsfrage 1: Können Schutzrechte ohne rechtliche Analyse wirtschaftlich bewertet werden? Lösungsskizze zu Übungsfrage 1: Nein, für die wirtschaftliche Wirkung eines Schutzrechts ist zum Beispiel sein Rechtsstand ein wesentlicher Einflussfaktor. Die Berücksichtigung rechtlicher Einflussfaktoren kann sachgerecht, abhängig vom Bewertungsanlass explizit und implizit erfolgen. Bei einer expliziten Berücksichtigung muss eine rechtliche Analyse stattfinden. Bei einer impliziten Berücksichtigung werden pauschale Abschläge vorgenommen. Übungsfrage 2: Können Schutzrechte getrennt additiv bewertet werden? Lösungsskizze zu Übungsfrage 2: In der Regel nein. Häufig ist gerade die Kombination verschiedener Schutzrechte und geheimen Know-how in seiner gemeinsamen (ergänzenden, kombinatorischen) Wirkung wirtschaftlich relevant. So verstärkt sich die wirtschaftliche Wirkung einer wertvollen Marke
5.4 Bewertung gewerblicher Schutzrechte
267
noch dadurch, dass bestimmte Produkteigenschaften nur vom Markeninhaber angeboten werden können, wenn er auf diese Eigenschaften auch noch Patente besitzt und er zu einem Kostenvorteil fertigen kann, was ihm sein geheimes Fertigungs-Know-how ermöglicht. Lesen Sie zur vollständigen Erschließung der Lösungsskizzen auch die weiteren Abschnitte diese Kapitels über die Bewertung von geistigem Eigentum. 5.4.2.4
Weiterführende Literatur zu gewerblichen Schutzrechten und geistigem Eigentum
Einsenmann/Jautz, Grundriss Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 5. Aufl., Heidelberg: 2004. Hubmann/Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, 7. Aufl., München: 2002. Ilzhöfer, Patent-, Marken- und Urheberrecht, 5. Aufl., München: 2002. Steckler, Grundzüge des Gewerblichen Rechtsschutzes, 2. Aufl., München: 1996. Stöckel/Lüken [Hrsg.], Handbuch Marken- und Designrecht, 2. Aufl., Berlin: 2006. Wurzer/Kaiser [Hrsg.], Handbuch des internationalen Know-how-Schutzes, Köln: 2007.
5.4.3
Ökonomische Eigenschaften von geistigem Eigentum
Die ökonomischen Eigenschaften von geistigem Eigentum unterscheiden sich grundlegend von materiellem Eigentum. Geistiges Eigentum in Form von Schutzrechten erfüllt in Unternehmen vielfältige Funktionen. Eine sachgerechte wirtschaftliche Bewertung kann nur erfolgen, wenn der Bewerter die ökonomischen Grundlagen geistigen Eigentums versteht und die Funktion der eingesetzten Schutzrechte mit deren wirtschaftlicher Wirkung analysiert und berücksichtigt. Lernziele • Die Ökonomie immaterieller Werte wie geistigem Eigentum ist durch die Möglichkeit der nichtkonkurrierenden Nutzung und die Skalierbarkeit dieser Nutzung gekennzeichnet. • Geistiges Eigentum erhält seinen Wert im Kontext seiner Nutzung. Daher ist die Berücksichtigung der konkret im Nutzungsfall vorliegenden Komplementärfaktoren zur wirtschaftlichen Analyse und Bewertung wichtig. • Geistiges Eigentum in Form von Schutzrechten erfüllt in Unternehmen vielfältige Aufgaben. Erst der Einsatz in diesen Aufgaben erwirkt für die Inhaber einen konkreten wirtschaftlichen Vorteil. 5.4.3.1
Ökonomische Charakterisierung
Die Entwicklung von Erfindungen und Inventionen sowie die Vermarktung von Innovationen sind für die Unternehmen mit wirtschaftlichen Aufwendungen verbunden. Durch die Definition von exklusiven Eigentumsrechten an den Ergebnissen intellektueller Schaffenskraft und Kreativität wird für die Unternehmen der Anreiz geschaffen, solche Investitionen zu tätigen. Durch die Eigentumsdefinition an intellektuellen Ergebnissen, wie sie mit gewerblichen Schutzrechten, dem Urheberrecht und dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb vorliegen, können die Unternehmen am Markt eine bevorzugte Wettbewerbsposition ein-
268
5 Ratingansätze und -faktoren
nehmen. Die Ausschließungsrechte gegen Dritte ermöglichen zum Beispiel die Erzielung von Premiumpreisen oder den Ausschluss von Wettbewerbern an Marktanteilen. Wissen ist ein charakteristisches öffentliches Gut, das durch Property-Rights (z.B. Patente, Marken, Urheberrechte, Know-how) privatisiert wird. Durch diese Rechte gelingt es den Unternehmen, sich am Markt die Renditen für ihre Investitionen in die Generierung von neuem Wissen anzueignen. Die wesentlichen ökonomischen Eigenschaften von immateriellen Werten wie zum Beispiel Patenten sind die Möglichkeit der nichtkonkurrierenden Nutzung und die Skalierbarkeit ihrer Nutzung. Materielle und finanzielle Vermögensgegenstände sind knappe Güter und stehen dem wirtschaftlich Handelnden nicht in beliebigen Umfang zur Verfügung. Materielle und finanzielle Güter können nicht gleichzeitig in verschiedenen Umsetzungen genutzt werden. Ein LKW kann zur gleichen Zeit Waren von einem Ort zu einem anderen transportieren, jedoch in dieser Zeit nicht einen davon unabhängigen dritten Ort bedienen. Es besteht eine Rivalität zwischen den verschiedenen Einsatzorten. Im Gegensatz dazu ist ein Patent oder eine Marke durch die Nicht-Rivalität der Nutzung gekennzeichnet. Geistiges Eigentum kann gleichzeitig in verschiedenen Nutzungsformen und verschiedenen Märkten Erträge erwirtschaften. So kann zum Beispiel die patentierte MP3-Technologie gleichzeitig in Computern, USB-Sticks, Fernsehern und Autoradios genutzt werden. Materielle und finanzielle Vermögensgegenstände können nur bis zu einem begrenzten Grad wirtschaftlich umgesetzt werden. So kann zum Beispiel eine Produktionsanlage nur bis zu einem oberen Grenzwert an Produktionsmenge in einer gegebenen Zeiteinheit leisten. Geistiges Eigentum hingegen ist durch die Skalierbarkeit der wirtschaftlichen Nutzung gekennzeichnet und nur vom zugänglichen Marktvolumen begrenzt. Aus diesen ökonomischen Eigenschaften von geistigem Eigentum wird deutlich, dass zur Bewertung der konkrete Nutzungskontext herangezogen werden muss. Im Bewertungsfall muss eine Nutzung des geistigen Eigentums zugrunde gelegt werden. Ohne diese konkrete Nutzung ist aufgrund der grundsätzlichen Skalierbarkeit und Nichtrivalität des Konsums keine Wertermittlung möglich. Dem geistigen Eigentum kommt nur ein wirtschaftlicher Wert im Kontext seiner Nutzung zu. Für ein konkretes Unternehmen sind zur praktischen Umsetzung der patentierten Technologie auch ergänzende Güter wie Kapital, Produktionsanlagen, Vertrieb und Marketing notwendig. Das heißt, diese Komplementärgüter begrenzen die Nutzungsmöglichkeit für ein patentinhabendes Unternehmen und bilden gleichzeitig die Bewertungsgrundlage. So ist zum Beispiel im Falle der Lizenzvergabe die Limitierung zum einen durch die Wettbewerbswirkung von Lizenzprodukten mit dem patentinhabenden Unternehmen und zum anderen durch die Wettbewerbswirkung mehrerer Lizenznehmer im Markt gegeben.
5.4 Bewertung gewerblicher Schutzrechte 5.4.3.2
269
Funktionen von Schutzrechten
Zur Bewertung von geistigem Eigentum muss dessen jeweilige konkrete wirtschaftliche Funktion analysiert werden. Schutzrechte können folgende Funktionen im Untenehmen haben:15 • Schutz: Geschützte Produkte und Prozesse können am Markt mit Premiumpreisen umgesetzt werden, durch die Sicherung einer zeitlich befristeten Exklusivität. Schutzrechte können gegen Dritte durchgesetzt werden. • Vorrat: Durch den Schutz künftiger neuer oder verbesserter Produkte oder Prozesse wird der Wettbewerb zu aufwändigen Umgehungslösungen gezwungen. Beim Wettbewerb entstehen Entwicklungskosten und Unsicherheiten über künftige Entwicklungen, wie zum Beispiel dem Einsatz und der Vermarktung in zukünftigen Märkten. • Blockade: Die Schutzrechte erfahren keine interne Nutzung durch den Patentinhaber, dienen jedoch zur Blockade von potenziellen Produkten und Prozessen bei Wettbewerbern. Es werden Markteintrittsbarrieren geschaffen sowie für den Inhaber Marktanteile und Markpotenziale gesichert. • Kooperationswährung: Auf der Basis von Schutzrechten wird der Zugang zu den Märkten und Technologin Dritter gewährleistet. Dadurch entstehen Einsparungen eigener Entwicklungstätigkeiten für die Technologie und den Markt. Aufgrund des Ausschließungscharakters entsteht auch die Handlungsfreiheit des Inhabers bzw. des Kooperationspartners im Umfang der Schutzrechte. Durch gegenseitige Lizenzvergabe (CrossLicensing) wird eine Kompensation der verschiedenen Vorleistungen der Kooperationspartner ermöglicht. • Lizenzvergabe: Durch die Vergabe von Lizenzen an Produktions- und Vertriebspartner wird eine Erweiterung der eigenen Kapazitäten ermöglicht. Es entstehen Zusatzerlöse für den Schutzrechtsinhaber. • Transfer/Verkauf: Ungenutzte Schutzrechte werden transferiert oder verkauft. So werden Aufrechterhaltungskosten eingespart und Zusatzerlöse generiert. Schutzrechte können als Gegenwert in Spin-off-Unternehmen oder bei Joint-Ventures eingebracht werden. Schutzrechte können zur Unternehmensfinanzierung, zum Beispiele bei „sale-andlisence-back“-Transaktionen, dienen. Wirtschaftlicher Gegenwert sind unter anderem niedrigere Finanzierungskosten. • Wettbewerbstäuschung: Durch die Anmeldung von Schutzrechten kann eine gezielte Desinformation des Wettbewerbs erfolgen. Durch große Schutzrechtsbestände und starke Marken entsteht ein Drohpotenzial gegenüber Wettbewerbern. Dies führt beim Wettbewerb zu Kosten für Umgehungslösungen und aufwändige Marketingmaßnahmen. • Reputation/Motivation: Große Markenbekanntheit und -stärke führen ebenso wie hohe Patentaktivität zur Reputationssteigerung bei potenziellen Kooperationspartner und bei der Suche nach hoch qualifizierten Mitarbeitern. Durch Prämiensysteme (Arbeitnehmererfindervergütung) werden kreative Mitarbeiter für ihre Inventionen belohnt. Senkung von Suchkosten und Erhöhung der F&E-Effizienz sind die Folge.
15
Wurzer/Reinhardt, Bewertung technischer Schutzrechte, München et al.: 2006, S. 17.
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5 Ratingansätze und -faktoren
Unternehmen wenden diese Funktionen in der Regel nicht unabhängig voneinander an, sondern im Rahmen von Gesamtstrategien. Dabei sollte für die praktische Bewertung vor allem die überwiegend defensive Nutzung mit den Funktionen Schutz, Vorrat, Blockade und Kooperationswährung von der überwiegend offensiven Nutzung mit den Funktionen Kooperationswährung, Lizenzierung, Transfer/Verkauf und Wettbewerbstäuschung unterschieden werden. Merksätze zur Bewertung gewerblicher Schutzrechte • Aufgrund der Möglichkeit der nichtkonkurrierenden Nutzung und der Skalierbarkeit der Nutzung von geistigem Eigentum muss bei einer Bewertung immer ein konkretes Bewertungsszenario hinterlegt werden. • Geistiges Eigentum besitzt nur im Kontext seiner Nutzung einen wirtschaftlichen Wert. Auch diese Eigenschaft begründet die Bewertung vor dem Hintergrund eines Bewertungsszenarios. • Der konkrete wirtschaftliche Wert ergibt sich aus seinem Einsatz. Für Schutzrechte gibt es vielfältige Einsatzmöglichkeiten aus der Unternehmensperspektive. 5.4.3.3
Übungsfragen zu den ökonomischen Eigenschaften von geistigem Eigentum
Übungsfrage 1: Kann ein Schutzrecht unabhängig von seiner Nutzung bewertet werden? Lösungsskizze zu Übungsfrage 1: Nein, für eine konkrete Bewertung wird immer ein Bewertungsszenario und damit eine konkrete Nutzung hinterlegt. Dies kann explizit zum Beispiel anhand der Nutzung des geistigen Eigentums durch das inhabende Unternehmen erfolgen oder implizit bei einem Transfer und der damit einhergehenden Bewertung durch den Käufer und seinen zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten. Übungsfrage 2: Können gleichzeitig mehrere Einsatzmöglichkeiten von einem Schutzrecht wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden? Lösungsskizze zu Übungsfrage 2: Ja, diese Situation kommt in der Praxis sogar sehr häufig vor. Bei einer Bewertung müssen für alle Schutzrechte alle Einsatzmöglichkeiten und die sich daraus ergebenden Wertzuwächse analysiert werden. So kann zum Beispiel ein Patent gleichzeitig zum Schutz gegen Nachahmung ein einem Markt genutzt werden und gleichzeitig in einem alternativen Markt zur Lizenzierung freigegebenen sein. Reputations- und Motivationsfunktionen kommen ergänzend hinzu.
5.4 Bewertung gewerblicher Schutzrechte 5.4.3.4
271
Weiterführende Literatur zu den ökonomischen Eigenschaften von geistigem Eigentum
Anson/Suchy (Hrsg.), Intellectual Property Valuation, Chicago: 2005. Burr, Innovationen in Organisationen, Stuttgart: 2004. Horvárth/Möller, Intangibles in der Unternehmenssteuerung, München: 2004. Lev, Intangibles: Management, Measurement and Reporting, Washington: 2001. Metzler/Rothenberger (Hrsg.), Immaterielle Vermögenswerte, Berlin: 2006. Parr, Investing in Intangible Assets, New York et al: 1991. Sykes/King, Valuation an Exploitation of Intellectual Property and Intangible Assets, Hertfordshire: 2003. Wurzer/Reinhardt, Bewertung technischer Schutzrechte, Köln et al: 2006.
5.4.4
Risikostruktur von geistigem Eigentum
Zur wirtschaftlichen Analyse von geistigem Eigentum ist ein Verständnis der Risikostruktur unabdingbar. In seiner Risikoverteilung unterscheidet sich geistiges Eigentum als immaterieller Wert grundlegend von materiellem Vermögen. Zur Analyse der Risikostruktur und zum Bewerten von geistigem Eigentum sind interdisziplinäre Ansätze notwendig, die die Einflussfaktoren auf Risiko und Wert aus den Bereichen Technik, Wirtschaft und Recht beinhalten. Lernziele • Unsicherheit und Risiko unterscheiden sich im Grad des Wissens (bzw. Unwissens, Ungewissheit) beim Bewerter über die zukünftigen Ereignisse und ihren Einfluss auf den Wert. • Die Risikoverteilung von geistigem Eigentum ist in einem zufälligen Portfolio stark schief verteilt und führt zu einer 10/90-Verteilung des Risikos. • Die Risikostruktur von geistigem Eigentum ist durch die Bereiche Technik, Wirtschaft und Recht geprägt. 5.4.4.1
Unsicherheit und Risiko
Die Unsicherheit über den Ausgang einer Situation kann zwei Perspektiven haben. Unsicherheit entspricht der Möglichkeit des Abweichens der Ergebnisse vom erwarteten Wert. Bei positiver Abweichung spricht man von Chance, bei negativer Abweichung von Gefahr. Unsicherheit kann in zwei Teile aufgespalten werden, in Ungewissheit und in Risiko. Unter Ungewissheit sind solche Situationen zu verstehen, über deren Umweltzustände keine Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich sind. In diesem Fall können keine Werte für die Einflussgrößen und keine Wahrscheinlichkeiten für deren Eintreten angegeben werden. Der Entscheidende kann in einem solchen Fall (bei Ungewissheit) keine rationale Entscheidung treffen. Bei völliger Ungewissheit der künftigen Entwicklung ist es für den Entscheider gleichgültig, welche Alternative er wählt. Diese Situation wird der Bewerter von geistigem Eigentum vermeiden.
272
5 Ratingansätze und -faktoren
Die konkreten Bewertungsanlässe sind in der Regel dadurch charakterisiert, dass dem Entscheidungsträger Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten, den Verlauf und die Relevanz der möglichen Einflussgrößen bekannt sind. Das Risiko der Handlungsmöglichkeit wird durch die Menge aller möglichen Zielbeträge, wie die zukünftigen Erträge aus der Inhaberschaft des Schutzrechts und deren Glaubwürdigkeit, bestimmt. Der Bewerter wird subjektive Wahrscheinlichkeiten auf der Basis subjektiver Erfahrung und Überlegung zur Einschätzung der Risiken verwenden. Ergänzend sollten objektive Wahrscheinlichkeiten, die aus empirischen Häufigkeitsverteilungen resultieren, berücksichtigt werden (z.B. Markt- und Branchendaten, Kursentwicklungen, Verkaufszahlen).
Anzahl der Patente mit jeweiligem Wert
Die Wertverteilung von Schutzrechten innerhalb eines Portfolios ist nicht normalverteilt. Dieses empirische Ergebnis wird in Untersuchungen für unterschiedliche immaterielle Werten festgestellt. Die wirtschaftlichen Werte, ausgedrückt als Zahlungsströmen aus der ökonomischen Umsetzung der immateriellen Werte, verteilen sich entlang einer Log-NormalKurve (siehe folgende Abbildung). Die starke Schiefe der log-Normalverteilung führt dazu, dass in einem Portfolio 10% der Schutzrechte 80 bis 90% des gesamten Werts des Portfolios ausmachen. Analog zu den Werten verhalten sich die Risiken. Die drastische Abweichung von einer Gaußschen Normalverteilung weist auf das Vorhandensein von gekoppelten Risiken hin. Diese Risikostruktur muss beim Bewerten berücksichtigt werden. Das heißt, es kann nicht von der Annahme ungekoppelter Risiken ausgegangen werden.
Patentwert Abb. 5.4-1: Wahrscheinlichkeitsverteilung der Werte in einem Patent-Portfolio16
5.4.4.2
Risikostruktur
Für die Bewertung gewerblicher Schutzrechte müssen drei verschiedene Risikobereiche berücksichtigt werden: wirtschaftliche, technische und rechtliche. Analog zur Innovationsoder zur Unternehmensbewertung wird in den wirtschaftlichen Risiken der Markt und die 16
Wurzer/Reinhardt, Bewertung technischer Schutzrechte, Köln et al.: 2006, S. 26.
5.4 Bewertung gewerblicher Schutzrechte
273
Branche sowie deren Dynamik abgebildet. Bei den technischen Risiken finden sich die Umsetzungsrisiken der Unternehmensleistung (Produkt oder Dienstleistung) wieder. Bei der Bewertung von geistigem Eigentum kommt als wesentlicher Risikobereich noch der rechtliche Aspekt hinzu. Hier werden zum Beispiel die Fragen des Rechtsbestands oder der Durchsetzungsfähigkeit abgebildet. Technische Risiken – Realisierbarkeit (Komplexität) – Integrierbarkeit (Kompatibilität) – Technischer Fortschritt (Verdrängung) – Entwicklungssprünge – Produktionsprobleme – Qualitätsprobleme – Zulassung (Pharma)
Wirtschaftliche Risiken – Marktakzeptanz – Marktdynamik – Absatzchancen – Konkurrenzmaßnahmen – Verlustrisiko – Imitation – Zeitrisiko (time-to-market) – Kostenrisiko (Preisbildung)
Rechtliche Risiken – Schutzfähigkeit – Stand der Technik – Rechtsbeständigkeit – Umgehbarkeit – Verletzungsrisiko – Abhängigkeit – Einsprüche – Nichtigkeitsklagen – Widerspruch – Verwechslungsgefahr
Tab. 5.4-2: Risikostruktur und typische Einflussfaktoren bei der Bewertung gewerblicher Schutzrechte (erweitert nach Wurzer/Reinhardt, Bewertung technischer Schutzrechte, Köln: 2006, S. 249)
Die drei Risikobereiche können wie oben beschrieben nicht voneinander getrennt betrachtet werden. Zum Beispiel korrelieren Machbarkeitsrisiken der Technik mit Zeitrisiken (time-tomarket). Ein nicht vollständig getestetes oder gar fehlerhaftes Produkt kann zu einem Rufschaden für eine Marke führen. Ebenso existieren Interdependenzen zwischen Marktrisiken und rechtlichen Risiken. So kann ein zu geringer Schutzumfang bei einem Patent mit der Wahrscheinlichkeit des Auftauchens von Imitationsprodukten am Markt einhergehen. Die wirtschaftliche Konsequenzen können Absatzrisiken und Marktanteilsverlust sein. Ergänzend zu diesen Risikobereichen muss eine Unterscheidung zwischen spezifischen (unsystematischen) und unspezifischen (systematischen) Risiken erfolgen. Die erläuterten Risikobereiche entsprechen spezifischen Risiken der betrachteten Technologie, des betrachteten Markts und des zu bewertenden Schutzrechts dar. Hinzu kommen systematische Risiken, die inhärent im makroökonomischen Einfluss über den Betrachtungszeitraum wirken. Diese systematischen Risiken können vom Schutzrechtsinhaber nicht beeinflusst werden. Beim Ertragswertverfahren werden die systematischen Risiken in der Regel durch den landesüblichen Zins im Rahmen der Inflation bzw. des Kaufkraftrückgangs berücksichtigt. Für die spezifischen Risiken werden Risikozuschläge verwendet. Merksätze zur Risikostruktur von geistigem Eigentum • Die Risiko- und Wertverteilung von geistigem Eigentum ist stark schief verteilt. Daraus folgt, dass ca. 10 % des geistigen Eigentums eines zufälligen Portfolios ca. 90 % des Werts dieses Portfolios ausmachen. • Die Risiken von geistigem Eigentum sind gekoppelt und müssen daher sorgfältig bezüglich ihrer gegenseitigen Beeinflussung analysiert werden. • Die Risiken von geistigem Eigentum setzen sich aus technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Risikokomponenten zusammen.
274 5.4.4.3
5 Ratingansätze und -faktoren Übungsfragen zur Risikostruktur von geistigem Eigentum
Übungsfrage 1: Können in einer Risikoanalyse technische, wirtschaftliche und rechtliche Risikokomponenten getrennt voneinander betrachtet werden? Lösungsskizze zu Übungsfrage 1: Nein, aufgrund der Kopplung bzw. gegenseitigen Beeinflussung der Risikokomponenten muss für eine sachgerechte Risikoanalyse bei geistigem Eigentum eine ganzheitliche Betrachtung erfolgen, die insbesondere die Stärke der gegenseitigen Beeinflussung analysiert. Eine Abtrennung einzelner Risikobereiche ist in der Regel nicht sachgerecht. Übungsfrage 2: Genügt bei einem Portfolio von geistigem Eigentum eine stichprobenartige Untersuchung der Risiken? Lösungsskizze zu Übungsfrage 2: Bei einer stichprobenartigen Risikoanalyse ist die besondere Wert- bzw. Risikoverteilung zu berücksichtigen. Bei einer unangemessenen Stichprobenauswahl können aufgrund der stark schiefen Risikoverteilung unrepräsentative Ergebnisse zu einer erheblichen Fehleinschätzung führen. 5.4.4.4
Weiterführende Literatur zur Risikostruktur von geistigem Eigentum
Andriessen, Making Sense of Intellectual Capital, Oxford et al.: 2004. Copeland/Koller/Murrin, Valuation, 3. Aufl., New York et al.: 2000. Fishman/ Shannon/Morrison, Standards of Value, Hoboken: 2007. Loderer/Jörg/Pichler/Roth/Zgraggen, Handbuch der Bewertung, 2. Aufl., Zürich: 2002. Marrison, The Fundamentals of Risk Measurement, Boston: 2002. Smith, Trademark Valuation, New York et al.: 1997. Teece, Managing Intellectual Capital, Oxford: 2002. Wurzer/Reinhardt, Bewertung technischer Schutzrechte, Köln et al: 2006.
5.4.5
Bewertungspraxis
Im folgenden Abschnitt werden aus den Grundüberlegungen für die Definition des ökonomischen Werts von geistigem Eigentum die angemessenen Vorgehensweisen für die Wertermittlung abgeleitet. Aus der Unterscheidung der verschiedenen Bewertungsanlässe ergibt sich die Wahl des angemessenen Wertkonstrukts. Zur konkreten Durchführung der Bewertung werden die drei grundlegenden Bewertungsansätze vorgestellt und jeweils einige wichtige Praxismethoden besprochen.
5.4 Bewertung gewerblicher Schutzrechte
275
Lernziele • Aus der Durchführung einer objektiven Bewertung folgt nicht die Ermittlung eines objektiven Werts für geistiges Eigentum. • Abhängig von der Bewertungssituation und dem Bewertungsanlass muss zur Bewertung ein Bewertungsszenario erstellt werden, dabei ist zwischen einer Nutzungswert- und einer Transferwertermittlung zu unterscheiden. • Bewertung beruht auf dem Vergleich einer bekannten mit einer unbekannten, der zu bewertenden, Größe. Die drei Bewertungsansätze (Kosten, Markt, Ertrag) beruhen auf unterschiedlichen ökonomischen Vergleichen. Alle drei Ansätze besitzen spezifische Vor- und Nachteile. 5.4.5.1
Bewertung und Wert
Die Bewertung als Vorgang der Wertfindung muss vom Wert selbst, als Ergebnis des Bewertungsvorgangs, unterschieden werden. Im Falle der Ermittlung des Werts ist der Bewerter der Stellung eines Sachverständigen oder Gutachters ähnlich. Das heißt, sein Verhalten und Vorgehen sollte den Ansprüchen vergleichbar einem Sachverständigen genügen. Dazu zählt in erster Linie ein logisches, methodisches, transparentes und für Dritte nachvollziehbares Vorgehen und Dokumentieren des Vorgehens einschließlich der Offenlegung aller zugrunde gelegter Tatsachen für die Bewertung. Der Bewerter ist zu sorgfältiger und gewissenhafter Arbeitsweise verpflichtet. Insbesondere ist vom Bewerter Neutralität, also unparteiisches Verhalten und Objektivität, also die Unvorgenommenheit bei der Würdigung der vorliegenden Tatsachen, zu erwarten. Dies zeigt sich zum Beispiel dadurch, dass der Bewerter keine Vorurteile in Bezug auf den Bewertungsgegenstand oder das Bewertungsvorgehen aufweist und somit keine prinzipielle Bevorzugung einer bestimmten Bewertungsmethode zeigt, sondern vielmehr die für den Bewertungsanlass und den Bewertungsgegenstand angemessene Vorgehensweise wählt. In diesem Sinne wird von einer objektiven Bewertung gesprochen. Unabhängig von der Wertermittlung als objektive Bewertung muss davon das Ergebnis dieser Bewertung, der Wert, betrachtet werden. Der ökonomische Wert einer Sache ist keine objektive, beobachtbare Eigenschaft dieser Sache wie zum Beispiel seine physikalischen Eigenschaften Masse oder Farbe. Der ökonomische Wert einer Sache ist eine Folge der Unbegrenztheit der menschlichen Bedürfnisse einerseits und der Knappheit der Güter andererseits. Die Bestimmungsfaktoren dieses ökonomischen Wertes sind der Nutzen, den dieses Gut zur Bedarfsdeckung generiert, und der Grad an Knappheit, der sich im Verhältnis zum Bedarf ergibt. Der ökonomische Wert entspricht einer durch einen Wähler zugeordneten normativen Einordnung im Sinne einer Wahlpräferenz. Das heißt, der Wähler trifft eine vergleichende Wahl und ordnet dadurch dem Gut einen Wert zu. Wird dem Wähler rationales Handeln unterstellt, so kann als Maß für die Wahlpräferenz der Grad an zukünftigem Nutzen aus der Wahl angenommen werden. Der Wert eines Schutzrechts entspricht dann dem zukünftigen Nutzen, den der Wähler aus seiner Inhaberschaft zieht. Aus dieser Definition des ökonomischen Werts wird deutlich, dass der Wert von den Rahmenbedingungen und der Verfügbarkeit des Gutes abhängig ist und somit keine durch einfache Beobachtung bestimmbare objektive Größe ist. Vielmehr wird immer die subjektive Wahlpräferenz und die Situation der Wahl bei der Be-
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5 Ratingansätze und -faktoren
wertung berücksichtigt werden müssen. Es kann also keinen absoluten, für jede Situation angemessenen und in diesem Sinne objektiven ökonomischen Wert geben. Das heißt für die praktische Bewertung, dass in jedem Fall ein konkretes Bewertungsszenario entwickelt werden muss und dass die Wertermittlung für dieses Szenario erfolgt. Der so ermittelte Wert fußt auf einer konkreten Entscheidungssituation und wird als Entscheidungswert bezeichnet. Der objektivierte Entscheidungswert berücksichtigt nur konkrete, nachprüfbare und belegbare Einflussfaktoren. Durch diese Transparenz der Wertermittlung wird eine inter-subjektive Nachprüfbarkeit erreicht. Das heißt, jeder Fachkundige kann unter Hinzuziehung der offengelegten Tatsachen und unter Berücksichtigung des konkreten Bewertungsszenarios zum gleichen Bewertungsergebnis kommen. Zusammenfassend ist das Ziel in der Wertfindung für geistiges Eigentum demnach die objektive Bewertung zur Ermittlung eines objektivierten Entscheidungswertes. 5.4.5.2
Wertkonstrukte und Bewertungsanlässe
Zur Ermittlung des ökonomischen Wertes von geistigem Eigentum muss ein konkretes Szenario der wirtschaftlichen Umsetzung hinterlegt werden. Abhängig von der Bewertungssituation können zwei Grundfälle für die wirtschaftliche Umsetzung unterschieden werden: Nutzungswert und Transferwert. Aufgrund der Skalierbarkeit und der nichrivalisierenden Nutzbarkeit von immateriellen Werten kommt der limitierenden Berücksichtigung der Komplementärfaktoren eine kritische Relevanz bei der konkreten Wertfindung zu. Die beiden Szenarien oder Wertkonstrukte unterscheiden sich insbesondere darin, welche Komplementärfaktoren als wesentlich und limitierend zu berücksichtigen sind. Im ersten Fall, dem Nutzungswert (auch: Value in Use, Fair Value), wird im Bewertungsszenario davon ausgegangen, dass die wirtschaftliche Umsetzung des geistigen Eigentums im inhabenden Unternehmen erfolgt. Bei dieser Weiterführungsannahme wird die Nutzung, Realisierung und Umsetzung des geistigen Eigentums mit den Komplementärfaktoren wie Entwicklungskapazitäten, Produktionskapazitäten, Marketing- und Vertriebskapazitäten, Reputation, Ruf und Marktstellung, Kapitalausstattung und –zugang, Managementkapazitäten und Unternehmensstrategie des inhabenden Unternehmens berücksichtigt. Im zweiten Fall, dem Transferwert (auch: Marktwert, Fair-Market-Value) wird im Bewertungsszenario davon ausgegangen, dass die wirtschaftliche Umsetzung des geistigen Eigentums nicht im (ursprünglich) inhabenden Unternehmen erfolgt, sondern durch oder nach einem Transfer durch ein anderes Unternehmen bzw. durch eine alternative wirtschaftliche Einheit. Bei dieser Transferannahme kommen die Komplementärfaktoren des Transfers und des anderen Unternehmen zum Tragen. Komplementärfaktoren in diesem Fall sind zum Beispiel der Transferpartner (z.B. Lizenznehmer; Kooperationspartner; Allianzpartner sowie deren Komplementärfaktoren zur Umsetzung: Entwicklungs-, Produktions- und Vertriebsfähigkeiten), Diffusionsagenten (z.B. Technologievermittler; Ingenieurbüros; Unternehmensberater), die Verwertungsstrategie von Transfergeber und Transfernehmer (z.B. Technologiemarketing; Produktmarketing; Markenstrategie), die Reputation, der Ruf und die Marktstellung von Lizenzgeber und Lizenznehmer. Die Gestaltung des Bewertungsszenarios und die Wahl des Wertkonstrukts (Nutzungswert oder Transferwert) ist von der konkret vorliegenden Bewertungssituation und dem Bewer-
5.4 Bewertung gewerblicher Schutzrechte
277
tungsanlass abhängig. So wird zum Beispiel für das Management bei der Frage der eigenen Portfoliogestaltung und den damit verbundenen Kosten in erster Linie der Nutzungswert von Interesse sein. Falls zum Beispiel ein Verkauf von Schutzrechten geplant ist oder ein Lizenzprogramm für eine Marke entwickelt werden soll, ist der Transferwert maßgeblich. In Einzelfällen (z.B. bei gleichzeitiger interner und externer Nutzung) können die beiden Werte auch gleichzeitig relevant sein. Die Additivität der Werte ist von der Marktwirkung der Umsetzungen abhängig. Eine Patentbewertung ist in einer Vielzahl unterschiedlicher Geschäftsvorgänge und Transaktionen wünschenswert und erforderlich. Charakterisiert sind die Anlässe durch die Rahmenbedingungen, wie einen äußeren Zwang zur Wertermittlung oder die Freiwilligkeit der Wertermittlung. Ebenso charakteristisch für die Anlässe ist der Empfängerkreis der Wertinformation. Dies sind zum einen aus Unternehmenssicht interne Empfänger (z.B. Risikoanalysen von potenziellen Verletzungssituationen) oder externe Empfänger (z.B. Schadensersatzermittlung). Ein weiteres Charakteristikum ist der Zeitcharakter des Werts. Hier ist die Wertermittlung auf die Bewertung vergangener Situationen (z.B. Schadensersatz) oder auf die zukünftige Nutzung (z.B. Lizenzverhandlung) ausgerichtet. Folgende Anlässe werden in der Praxis unterschieden:17 • Unternehmensbezogene und gesellschaftsrechtliche Anlässe (i.d.R. Nutzungswert): Unternehmenskauf, -verkauf, -fusion (Merger & Acquisition, M&A), Due Diligence, Beteiligung, IPO, strategische Partnerschaften und Allianzen, Joint Venture, Unternehmensbewertung (Gesellschafterein/-ausstieg, Nachfolgeregelung). • Managementorientierte Anlässe (i.d.R. Nutzungswert): IP-Strategie, IP-Management, IPPortfolio-Management, IP-Bestandspflege (IP-Portfolio-Pflege), Risikoanalyse, Wirtschaftlichkeitsanalyse und wertorientiertes Management, F&E-, Technologie- und Innovationsmanagement (F&E – Controlling), internes Rating. • Transferorientierte Anlässe (i.d.R. Transferwert): Lizenzvergabe/-nahme und Technologietransfer, Unternehmens- und Assettransaktionen, Verrechnungspreise, Zugang zu Technologie- und Verwertungsplattformen. • Finanzierungs- und bilanzierungsorientierte Anlässe (Nutzungswert und Marktwert): Rechnungslegung, Fremd-/Eigenkapitalfinanzierungen, Sachgründung, IP-Holding, externes Rating. • Konfliktbasierte Anlässe (häufig Transferwert, ggf. Nutzungswert (z.B. bei der Schadensermittlung): Liquidation, Insolvenz, Verrechnungspreise, Schadensermittlung. 5.4.5.3
Bewertungsansätze und Praxismethoden
Zur direkten Bewertung der wirtschaftlichen Wirkung von geistigem Eigentum stehen drei grundlegende Bewertungsansätze zur Verfügung: Kosten-, Markt- und Ertragsansatz. Jede Bewertung beruht auf einem Vergleich von Handlungsalternativen. Diese Handlungsalternativen sind die ökonomische Basis des Ansatzes und geben die Rahmenbedingungen der Anwendungsmöglichkeiten sowie die Vor- und Nachteile des Ansatzes vor. In der Praxis werden die Ansätze in verschiedenen Methoden verwendet. Zu den Ansätzen sind die für die Praxis wichtigsten Methoden aufgeführt. 17
Wurzer/Reinhardt, Bewertung technischer Schutzrechte, Köln et al.: 2006, S. 148.
278
5 Ratingansätze und -faktoren
5.4.5.3.1 Kostenansatz Der ökonomische Grundgedanke des Kostenansatzes ist die Ersatzbeschaffung. Das heißt, der Kostenansatz bemisst die Fähigkeit eines Patents zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen zu stiften auf der Basis der Geldmenge, die notwendig wäre, das Patent bzw. sein Nutzenpotenzial (Nutzenäquivalenz) zu ersetzen. Der Vergleich durch den die Bewertung erfolgt, ist die Abwägung zwischen dem zukünftigen Nutzen des geistigen Eigentums einerseits, mit dem Aufwand zu dessen Bereitstellung andererseits. Falls diese Bereitstellung zum Beispiel über den Kauf (Beschaffung über den Markt) erfolgt ist, sollte der Kaufpreis, den ein vernünftiger Käufer zu zahlen bereit ist, dem zukünftigen Nutzen des geistigen Eigentums entsprechen. Beispiele für kostenbasierte Praxismethoden sind:18 • Wiederbeschaffungskosten: Es wird unterstellt, dass das geistige Eigentum in unveränderter Form wiederbeschafft wird (identische Reduplikation), also die Beschaffung einer exakten Replik des geistigen Eigentums. • Wiederherstellungskosten: Es werden die Kosten ermittelt, die bei der Wiederherstellung (Reproduktion) der gleichen Eigenschaften (Nutzbarkeit/Nutzen, Funktionalität) entstehen, jedoch kann das geistige Eigentum in Umfang und Erscheinung durchaus unterschiedlich sein. • Vermiedene Kosten: Die Methode basiert auf der Überlegung, dass durch die Existenz des zu bewertenden geistigen Eigentums historische und/oder zukünftige Kosten nicht anfallen. Bei der praktischen Anwendung des Kostenansatzes müssen die Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen werden. Dazu zählen: • (+) Kosten haben große Relevanz für die Definition von Vermögensgegenstände und -werte. • (+) Falls ein Erwerb stattgefunden hat, sind die Kosten objektiviert und die notwendigen Informationen leicht zu beschaffen. • (–) Die grundsätzliche theoretische Ableitung greift in der Praxis häufig nicht. Die Kosten (z.B. der F&E-oder Marketingaufwand) korrelieren häufig nicht mit dem zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg des Patents. • (–) Die Abgrenzung der relevanten Kosten ist schwierig. Fehlende oder nicht angemessen differenzierte Kostenrechnungssysteme verhindern die Zurechenbarkeit und Identifizierbarkeit der Kosten. • (–) Der Kostenansatz berücksichtigt das zukünftige und inhärente Risiko und den zukünftigen Nutzenzufluss in Höhe, Anfall und Dauer nicht. Der Kostenansatz führt zu einer Bewertung des zukünftigen Nutzens gleichsam durch den Rückspiegel mit Blick auf die Kosten. 5.4.5.3.2 Marktansatz Eine Bewertung auf der Basis des Marktansatzes beruht auf dem Vergleich vergleichbarer Transaktionen zwischen unabhängigen Dritten. Das heißt, die Wertfindung für das zu bewertende geistige Eigentum findet durch den Vergleich des zu bewertenden geistigen Eigentums 18
Wurzer/Reinhardt, Bewertung technischer Schutzrechte, Köln et al.: 2006, S. 217 ff.
5.4 Bewertung gewerblicher Schutzrechte
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mit einem vergleichbaren geistigen Eigentum statt, von dem der Wert im Sinne eines Marktpreises aus einer vergleichbaren Transaktion (z.B. Kauf/Verkauf) bekannt ist. Die ökonomische Grundannahme dabei ist, dass der Marktpreis dem Wert im Sinne des zukünftigen Nutzens (z.B. für den Käufer) entspricht. Ein vernünftiger Käufer ist nicht mehr zu zahlen bereit, als er sich vom zukünftigen Nutzen des Patents erwartet. Beispiele für marktbasierte Praxismethoden sind:19 • Transaktionsorientierte Methoden: Zum einen kann die Transaktion selbst (z.B. Kauf/Verkauf) als Basis der Vergleichsbetrachtung für die Bewertung herangezogen werden. Zum anderen kann der Preis als Basis der Vergleichsbetrachtung herangezogen werden. • Gewinnorientierte Methoden: Diese beruhen auf dem Marktvergleich des Gewinnbeitrags, den der Inhaber des geistigen Eigentums über den jeweiligen Wertrealisierungsprozess zu erzielen in der Lage ist. Dazu kann zum Beispiel der Vergleich des Gewinns mit anderen Marktteilnehmern oder die marktübliche Aufteilung des Gewinns zwischen den Geschäftspartnern herangezogen werden. • Lizenzbasierte Methoden: Kernelement der Lizenzmethoden sind marktübliche Vergleichslizenzen. In der Regel wird ein Zahlungsstrom für den Inhaber des geistigen Eigentums durch die Lizenzgebühren berechnet. Bei der praktischen Anwendung des Marktansatzes müssen die Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen werden. Dazu zählen: • (+) Sofern wirklich vergleichbare Größen und wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen, ist der Marktansatz einfach anzuwenden und als Bewertungszugang transparent und verständlich. • (+) Bei näherungsweise vergleichbaren Größen gelingt über den Marktansatz eine einfach zu ermittelnde Größenordnung für den Wert (Abschätzung, Benchmark). • (+) Der Marktansatz besitzt eine große Akzeptanz als Tageswert, Tagespreis, Marktwert, Zeitwert, Fair market value, market value, fair value, true value, exchange value. • (+) Der Marktansatz kann als Input- und Vergleichsgröße für den ertragsorientierten Ansatz dienen. • (–) Grundsätzlich muss bei der Verwendung des Marktansatzes berücksichtigt werden, dass die Grundvoraussetzung, der dazu notwendige aktive Markt, nicht oder nur sehr eingeschränkt existiert. • (–) Grundsätzlich muss bei der Verwendung des Marktansatzes davon ausgegangen werden, dass die Vergleichbarkeit des geistigen Eigentums, der Transaktionen und der beteiligten Partner im allgemeinen nicht gegeben ist. • (–) Die Gestaltung von (ökonomisch sinnvollen) Näherungslösungen kann in der Praxis sehr aufwändig sein. • (–) Für die praktische Anwendung fehlen vielfach Informationen bzw. die verfügbaren Informationen passen nicht zum jeweils zu bewertenden Fall (insbesondere Lizenzhöhen). 19
Wurzer/Reinhardt, Bewertung technischer Schutzrechte, Köln et al.: 2006, S. 223 ff.
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5 Ratingansätze und -faktoren
• (–) In der Bewertungspraxis kann die Verfügbarkeit von Lizenzhöhen (z.B. aus Lizenzsatzsammlungen) zu einer wirtschaftlich nicht sachgerechten Bewertung aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit führen. 5.4.5.3.3 Ertragsansatz Die Bewertung auf der Basis des Ertragsansatzes erfolgt durch die Ermittlung der Summe der Vorteile, die der Inhaber des geistigen Eigentums aus der Nutzung über die Nutzungszeit erwarten darf. Die Bewertung basiert auf einem Ertragsvergleich. Der Ertrag aus dem zu bewertenden geistigen Eigentum wird der bestmöglichen Alternativanlage gegenübergestellt. Die Investition in geistiges Eigentum und deren zukünftiger Erträge wird mit einer risikoäquivalenten Alternativanlage in Höhe der Investitionssumme mit einer Rendite für das Investitionskapital, die dem eingegangenen Risiko der Investition angemessen ist, verglichen. Der Vergleich mit der Alternativanlage wird durch die Kapitalisierungsformel (Barwertermittlung, Diskontierung) und den darin gewählten Kapitalisierungszinssatz erreicht. Alle auf dem Ertragsansatz beruhenden Bewertungsverfahren basieren auf dem Kapitalwertkalkül. Damit erfolgt die konkrete Wertermittlung durch die Diskontierung (Zeitwert-, Barwertermittlung) von Zahlungsströmen. Die Zahlungsströme drücken die zu erwartenden finanziellen Vorteile aus und sind gekennzeichnet durch die Höhe der Erträge, die Unsicherheit und damit das zu erwartende Risiko sowie den zeitlichen Anfall, also die Abfolge der Zahlungen (Ein- und Auszahlungen) und deren Dauer. Beispiele für ertragsbasierte Praxismethoden sind:20 • Ertragswertmethode: Die Ertragswertmethode ist die direkte Umsetzung des Ertragsansatzes. Die konkrete Wertermittlung erfolgt durch die Diskontierung (Zeitwert-, Barwertermittlung, Net Present Value) des aus der Patentnutzung erwarteten Zahlungsstroms. Der Zinssatz muss die ökonomische Vergleichsfunktion mit einer alternativen Geldanlage erfüllen. Der Kapitalisierungszins drückt die Rendite einer alternativen Geldanlage aus Sicht des Investors in das geistige Eigentum aus. Der Zinssatz drückt den Vergleich zwischen der Unsicherheit über die zukünftigen Abweichungen der tatsächlichen von den erwarteten Zahlungsströmen und der Renditeerwartung einer Alternativanlage aus. • Discounted Cash Flow (DCF)-Methode: Die Ertragswertmethode wird häufig mit der DCF-Methode gleichgesetzt. In Praxis und Theorie, ist jedoch bei der DEF-Methode ein anderes Vorgehen als bei der Ertragswertmethode üblich. Die Ertragswertmethode berücksichtigt die Frage der Finanzierung der Investition in das geistige Eigentum aus Sicht des Inhabers nicht. Die Erträge aus dem geistigen Eigentum sind jedoch nur dann positiv, wenn die Finanzierungskosten für das aufgewändete Eigen- und Fremdkapital bei der wirtschaftlichen Nutzung mindestens miterwirtschaftet werden. In der DCF- Methode werden beim Diskontierungsfaktor die gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten herangezogen. Diese setzen sich aus den tatsächlich gezahlten Fremdkapitalkosten und den Renditeerwartungen der Eigentümer zusammen. • Lizenzersparnismethode (Relief from Royalty): Diese Methode basiert auf der Überlegung, dass der Patentinhaber, sofern er sein eigenes geistiges Eigentum nicht besäße, an 20
Wurzer/Reinhardt, Bewertung technischer Schutzrechte, Köln et al.: 2006, S. 228 ff.
5.4 Bewertung gewerblicher Schutzrechte
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einem Dritten für die Nutzung des geistigen Eigentums Lizenzgebühren zahlen müsste. Der Zahlungsstrom begründet sich aus den zukünftig ersparten Lizenzzahlungen an den fiktiven Dritten. Bei der praktischen Anwendung des Ertragsansatzes müssen die Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen werden. Dazu zählen: • (+) Der Ertragsansatz ist die direkte Umsetzung der Wertdefinition des erwarteten zukünftigen wirtschaftlichen Nutzens eines Patents. • (+) Der Ertragsansatz hat große Akzeptanz bei professionellen Bewertern und den Rezipienten der Wertinformation. • (+) Der Ertragsansatz ist in der Investitionsrechnung theoretisch fundiert. • (+) Die Ermittlung des wirtschaftlichen Wertes des geistigen Eigentums ist methodisch transparent und bei geeigneter Dokumentation gut nachvollziehbar. • (–) Es muss eine Einschätzung der zukünftigen Nutzungsdauer des geistigen Eigentums erfolgen. • (–) Es muss eine Einschätzung der zukünftigen Nettozahlungsströme, die sich aus der Nutzung des geistigen Eigentums erwirtschaften lassen, erfolgen. • (–) Es muss eine Einschätzung der zukünftigen Risiken erfolgen. • (–) Es müssen geeignete Vergleichsanlagerenditen ermittelt werden. Merksätze zur Bewertungspraxis • Ziel einer sachgerechten Bewertung ist in der Regel die Ermittlung eines objektivierten Entscheidungswerts. • Der Nutzungswert ist vom Transferwert zu unterscheiden. Maßgeblich ist bei der Ermittlung das konkrete Bewertungsszenario und die damit relevanten Komplementärfaktoren. • Bei der Anwendung einer der Praxismethoden zur Bewertung ist die Angemessenheit des grundlegenden ökonomischen Vergleichs maßgeblich. 5.4.5.4
Übungsfragen zur Bewertungspraxis
Übungsfrage 1: Hängt die Wahl einer Praxismethode auch vom Bewertungsanlass ab? Lösungsskizze zu Übungsfrage 1: Ja, bestimmte Anlässe sind mit verschiedenen Methoden als die angemessene Vorgehensweise verknüpft. Zum Beispiel ist bei der Bestimmung von Verrechnungspreisen in der Regel ein Marktansatz angemessen, bei bilanziellen Anlässen wird üblicherweise ein Kostenansatz verwendet und bei der Unternehmensbewertung kommen Ertragsverfahren zum Einsatz. Übungsfrage 2: Kann für ein bestimmtes geistiges Eigentum wie zum Beispiel ein Patent oder eine Marke der zu einem bestimmten Zeitpunkt ermittelte Transferwert vom Nutzungswert abweichen?
282
5 Ratingansätze und -faktoren
Lösungsskizze zu Übungsfrage 2: Ja, da die Werte von den zu berücksichtigenden Komplementärfaktoren abhängen. Im Falle des Nutzungswerts können dies zum Beispiel die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Einzelerfinders sein. Im Falle des zum gleichen Zeitpunkt ermittelten Transferwerts können die relevanten Komplementärfaktoren die eines weltweit operierenden Konzerns als Käufer oder Verwerters sein. 5.4.5.5
Weiterführende Literatur zur Bewertungspraxis
Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 3. Aufl., München: 2002. Ensthaler/Strübbe, Patentbewertung, Berlin, Heidelberg: 2006. Fishman/Pratt/Morrison, Standards of Value, Hoboken: 2007. Reese, Die Bewertung von Immaterialgüterrechten, Göttingen: 2005. Smith, Trademark Valuation, New York et al.: 1997. Smith/Parr, Valuation of Intellectual Property and Intangible Assets, 3. Aufl., New York et al.: 2000. Sykes/King, Valuation and Exploitation of Intellectual Property and Intangible Assets, Hertfordshire: 2003. Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Aufl., Köln et al.: 2007. Wurzer/Reinhardt, Bewertung technischer Schutzrechte, Köln et al: 2006.
5.5 Das Nachhaltigkeitsrating
283
Matthias Bönning 5.5
Das Nachhaltigkeitsrating
5.5.1
Einleitung
283
5.5.2
Der Begriff der Nachhaltigkeit
284
5.5.3
Motive zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien
285
5.5.3.1 Ethische Orientierung......................................................................................... 285 5.5.3.2 Risikoorientierung.............................................................................................. 285 5.5.3.3 Anwendungsbeispiele ........................................................................................ 286 5.5.4
Die Methodik des Nachhaltigkeitsratings
287
5.5.4.1 Kriterien ............................................................................................................. 287 5.5.4.2 Ratingprozess ..................................................................................................... 290 5.5.5
Der Markt des nachhaltigen Investments
292
5.5.5.1 Marktentwicklung .............................................................................................. 292 5.5.5.2 Investmentansätze .............................................................................................. 293 5.5.5.3 Performance ....................................................................................................... 293 Lernziele Der Beitrag soll nachhaltigkeitsrelevante Faktoren im Kontext wirtschaftlicher Aktivitäten identifizieren und die Bedeutung des Konzepts für die Unternehmensanalyse verdeutlichen. Des Weiteren soll ein Überblick über die Arbeitsweise von Nachhaltigkeitsratingagenturen vermittelt werden. In Bezug auf die Nutzung des Researchs sollen die Hauptmotive und die gängigsten Ansätze zur Einbindung von Nachhaltigkeitsaspekten in die Kapitalanlage erläutert und zudem die Marktentwicklung der letzten Jahre dargestellt werden.
5.5.1
Einleitung
Die Beurteilung der Bonität von Wertpapieren und entsprechenden Emittenten ist ein wesentlicher Beitrag zur Transparenz und somit Effizienz des Kapitalmarktes. Sowohl die Erstellung von Ratings zur Einschätzung der voraussichtlichen finanziellen Fähigkeit eines
284
5 Ratingansätze und -faktoren
Emittenten, verzinsliche Schulden bedienen zu können, als auch die Finanzanalyse von Unternehmen zwecks Prognose von Aktienkursverläufen basiert dabei insbesondere auf der Auswertung unterschiedlicher finanzieller Kennzahlen (makroökonomische, branchenspezifische, unternehmensspezifische). Dies impliziert die Annahme, dass die wesentlichen, für die Beurteilung von Bonität und ökonomischer Entwicklung relevanten Indikatoren aus quantitativen Datenquellen wie etwa dem Jahresabschluss eines Unternehmens hervorgehen und gleichzeitig einen zukunftsorientierten Aussagewert besitzen. Die Vermutung liegt allerdings nahe, dass neben quantitativen Finanzkennzahlen weitere, eher qualitative Faktoren existieren, die einen wesentlichen Einfluss auf den unternehmerischen Erfolg haben bzw. aus Sicht von Investoren elementar wichtige Charakterisierungen der Investmentobjekte zulassen. Im klassischen Rating gibt es bereits Ansätze, entsprechende Faktoren in der Bewertung zu berücksichtigen. Diese fußen primär auf Managementaspekten, die aus einschlägiger betriebswirtschaftlicher Sicht einen unmittelbaren Effekt auf den ökonomischen Erfolg eines Unternehmens haben, wie etwa die Analyse der Managementqualität, der Unternehmensstrategie und des Risikomanagements. Darüber hinaus existieren aus Sicht einer zunehmenden Anzahl an Investoren allerdings weitere Aspekte, die bei der Unternehmensanalyse Berücksichtigung finden und mit in die Investmententscheidung integriert werden müssen. Dies sind insbesondere Kriterien, die den Umgang der Emittenten mit ökologischen, sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, analysieren. Entsprechende Faktoren stehen im Zentrum von Nachhaltigkeitsratings, welche in der Regel von spezialisierten Ratingagenturen durchgeführt werden. Insofern versteht sich das Nachhaltigkeitsrating nicht als Ersatz, sondern als Komplementärinstrument zum Finanzrating.
5.5.2
Der Begriff der Nachhaltigkeit
Der Begriff der Nachhaltigkeit (englisch „Sustainability“) dürfte mittlerweile vielen Menschen vertraut sein. Aufgrund seiner Abstraktheit wird es jedoch in der Regel schwerfallen, eine präzise Definition zu nennen. Die älteste Definition geht auf das 18. Jahrhundert zurück und erläutert den Begriff im Kontext der Forstwirtschaft. Danach soll dem Wald nicht mehr Holz entnommen werden als nachwächst. Die wohl meist genannte Definition von Nachhaltigkeit bzw. nachhaltiger Entwicklung ist diejenige der sogenannten Brundtland-Kommission aus dem Jahre 1987, die nach der norwegischen Vorsitzenden der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung, Gro Harlem Brundtland, benannt wurde. Danach gilt: „Nachhaltige Entwicklung ist eine dauerhafte Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“ Ausgehend von dieser Makroperspektive wird im Rahmen des sogenannten 3-SäulenModells der Nachhaltigkeit die Forderung an die Wirtschaft auf der Mikroebene abgeleitet, neben ökonomischen Faktoren auch soziale und ökologische gleichberechtigt in Betracht zu ziehen. Aus der Brundtland-Definition geht zudem unmittelbar hervor, dass es sich hierbei um ein langfristiges Konzept handelt und damit zumeist einen anderen Zeithorizont auf-
5.5 Das Nachhaltigkeitsrating
285
weist als typische ökonomische Betrachtungen von Emittenten, die vielfach sehr kurzfristig ausgerichtet sind.
5.5.3
Motive zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien
Aus der Definition des Nachhaltigkeitsbegriffs sowie der Schlussfolgerung, sozialen und ökologischen Aspekten ein höheres Gewicht zu verleihen, lassen sich unmittelbar die beiden Hauptmotive von Investoren ableiten, Nachhaltigkeitsaspekte bei Investmententscheidungen zu berücksichtigen: • wertebasierte bzw. ethische Orientierung • Risikoorientierung 5.5.3.1
Ethische Orientierung
Es waren ethisch motivierte Investoren, die vor fast einhundert Jahren begannen, bestimmte unternehmerische Tätigkeiten, sogenannte „sin stocks“, grundsätzlich von einem Investment auszuschließen, und damit den Grundstein des nachhaltigen oder auch Socially Responsible Investments gelegt haben. Ziel dieses Ansatzes ist es, nur solche Investments zu tätigen, die den eigenen ethischen Prinzipien und Werthaltungen entsprechen. Entsprechend orientierte Investoren arbeiten demnach nicht ausschließlich nach dem Shareholder-Value-Prinzip, sondern beziehen auch sonstige Stakeholder-Perspektiven mit ein. Diese können sehr unterschiedlich und individuell ausgeprägt sein, so dass – anders als in der klassischen Unternehmensbewertung – der Investor selbst entscheidet, welche Faktoren für ihn relevant sind und damit eventuell auch Kriterien beachtet, die keinerlei positive oder sogar eine vermeintlich negative Korrelation zum ökonomischen Erfolg eines Unternehmens haben. Häufig beziehen sich diese Kriterien auf von Unternehmen externalisierte Kosten, die vom Investor damit wieder internalisiert werden. 5.5.3.2
Risikoorientierung
Risikoorientierte Investoren dagegen integrieren soziale und ökologische Aspekte (als „Good Corporate Governance“) in die Unternehmensbewertung in der Überzeugung, dass damit wichtige, für den Unternehmenserfolg materielle Aspekte berücksichtigt werden, die in herkömmlichen Bewertungsverfahren vernachlässigt werden und damit eine bessere Chancenund Risikoeinschätzung erlauben. Insbesondere die dem Nachhaltigkeitskonzept innewohnende Langfristperspektive korreliert positiv mit der Erkenntnis, dass der Unternehmenswert zum großen Teil durch seine langfristigen Cash Flows bestimmt wird. Gleichzeitig wird der unternehmerische Erfolg mittel- und langfristig immer stärker von der Fähigkeit der Unternehmen abhängen, steigende Ansprüche der Gesellschaft an die Firmen zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Neben zahlreichen Marktchancen ergeben sich aus dieser Entwicklung potentielle Risiken wie beispielsweise Reputations-, regulatorische, Rechtsoder Marktrisiken.
286 5.5.3.3
5 Ratingansätze und -faktoren Anwendungsbeispiele
Während sich die Motive der jeweiligen Ansätze grundlegend voneinander unterscheiden, handelt es sich bei den Untersuchungskriterien und den damit verbundenen Ansprüchen, die an die Emittenten gestellt werden, häufig um identische Themenbereiche. Beispiel Klimaschutz Der Klimawandel wird aller Voraussicht nach weitreichende gesellschaftliche, ökologische und ökonomische Auswirkungen haben. So prognostiziert beispielsweise das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 1,8 bis 4,0 Grad Celsius bis 2100, sollten keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Der im Jahre 2006 veröffentlichte Stern Review on the Economics of Climate Change („Stern Report“) geht davon aus, dass sich die Kosten des Klimawandels bis Mitte dieses Jahrhunderts mindestens auf einen jährlichen Verlust in Höhe von fünf Prozent des weltweiten Wachstums summieren werden, wenn kein aktives Gegensteuern stattfinden wird. Ethisch motivierte Anleger werden daher von Unternehmen verlangen, Maßnahmen zum Klimaschutz zu unternehmen, um ihrer unternehmerischen Verantwortung gerecht zu werden. Risikoorientierte Anleger werden diese Maßnahmen dagegen einfordern, um klimawandelbedingte Risiken zu vermeiden, etwa durch die Produktion energieeffizienter Produkte (da ineffiziente Produkte an Konkurrenzfähigkeit verlieren werden), die Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf die Verfügbarkeit von Rohstoffen (etwa im Nahrungsmittelsektor) oder die Berücksichtigung der Schadenanfälligkeit bezüglich eines steigenden Risikos von Überschwemmungen oder Stürmen bei der Auswahl von Produktionsstandorten. Vor diesem Hintergrund hat sich im Jahre 2000 beispielsweise eine Initiative bestehend aus einigen der weltgrößten Investoren gegründet (Carbon Disclosure Project), welche die größten Unternehmen weltweit auffordert, Informationen zum Umgang mit Klimarisiken transparent zu machen. Im Jahre 2007 unterstützten weltweit über 270 institutionelle Investoren mit einem Anlagevolumen von über 40 Billionen US-Dollar die Initiative. Beispiel Arbeitsstandards Insbesondere in der vorgelagerten Wertschöpfungskette internationaler Unternehmen sind häufig Arbeitsstandards anzutreffen, die zum Teil deutlich unter den international anerkannten Mindeststandards liegen und Kinderarbeit oder sogar Zwangsarbeit einschließen. Für ethisch motivierte Investoren stellen die Tolerierung oder gar Forcierung solcher Zustände durch Unternehmen regelmäßig Gründe dar, auf ein Investment in betroffene Unternehmen zu verzichten. Aber auch für risikoorientierte Investoren stellen Informationen über solche, in westlichen Gesellschaften sanktionierte Verhaltensweisen wichtige Frühindikatoren für mögliche Reputationsrisiken für Unternehmen dar, insbesondere für Unternehmen mit starker Markenbildung. So hat es in den vergangenen Jahren vor allem in den USA des öfteren Boykottaufrufe gegen große Sportartikelproduzenten gegeben, weil diese nicht entschieden genug gegen Kinderarbeit bei ihren Zulieferern vorgingen.
5.5 Das Nachhaltigkeitsrating
287
Im Jahre 2006 hat sich einer der größten Pensionsfonds der Welt, der norwegische Government Pension Fund, von seinem gesamten Bestand an Aktien von Wal-Mart getrennt, weil der weltweit größte Einzelhändler Menschen- und Arbeitnehmerrechte missachtete. Ethisch orientierte Investoren verwirklichen durch die Integration ökologischer und sozialer Faktoren beim Investment vor allem individuelle ethische Werte. Risikoorientierte Investoren streben durch die Integration ökologischer und sozialer Faktoren eine optimierte Risikoanalyse und damit eine bessere Einschätzung der zukünftigen Wertentwicklung des Emittenten bzw. des Wertpapiers an.
5.5.4
Die Methodik des Nachhaltigkeitsratings
International hat sich in den vergangenen Jahren eine Anzahl an spezialisierten RatingAgenturen entwickelt, die Nachhaltigkeitsanalysen von Unternehmen und anderen Emittenten von Wertpapieren erstellen und diese dem Kapitalmarkt zur Verfügung stellen. Im folgenden soll die Methodik des Nachhaltigkeitsratings am Beispiel der oekom research AG skizziert werden, die seit 1993 am Markt tätig ist und damit zu den Pionieren in diesem Bereich zählt. Heute beschäftigt oekom research eines der größten Analystenteams im Bereich des Nachhaltigkeitsratings weltweit und nimmt über sein Research Einfluss auf zahlreiche Fonds und Eigenanlagen großer institutioneller Investoren mit einem Gesamtvolumen von über 80 Milliarden Euro. 5.5.4.1
Kriterien
Das überaus facettenreiche Konzept der nachhaltigen Entwicklung weist eine Vielzahl von Berührungspunkten mit unternehmerischen Tätigkeiten auf, was eine sehr stark ausdifferenzierte Bewertung der relevanten Sachverhalte nötig macht. Die Beurteilung, auf welche Weise ein Unternehmen ökologische und soziale Herausforderungen managt, basiert daher auf in der Regel mehr als einhundert wissenschaftlich fundierten Einzelfaktoren, die teilweise branchenübergreifend Gültigkeit besitzen (zum Beispiel Aus- und Weiterbildungsprogramme oder Umweltmanagementsysteme), zu einem großen Teil aber an die spezifischen Problemstellungen der Produkte und Prozesse in einer Branche angepasst werden müssen (zum Beispiel die Motorentechnik in der Automobilbranche oder die Abwasserbehandlung in der Papierindustrie). Daher wendet die oekom research AG pro Branche ein individuelles Set an Kriterien an. Aufgrund der Tatsache, dass ein großer Teil der Kriterien qualitativer Natur ist, kommt der Operationalisierung und Objektivierung der Kriterien eine besondere Bedeutung zu. Insbesondere muss gewährleistet sein, dass es zu einer vom einzelnen Analysten unabhängigen Bewertung kommt. Um dies sicherzustellen, wird für jedes einzelne Untersuchungskriterium ein separates Bewertungshandbuch entwickelt, welches auf einer vordefinierten Notenskala alle potentiellen Ausprägungen des Indikators dokumentiert und mit einer Note versieht. Alle Kriterien unterliegen zudem in regelmäßigen Abständen einer Überprüfung und werden, falls notwendig, an aktuelle Entwicklungen oder andere der Objektivität dienenden Umstände angepasst. Darüber hinaus bedient sich oekom research externen Expertengremien, die die
288
5 Ratingansätze und -faktoren
Auswahl und Gewichtung der Kriterien regelmäßig auf Plausibilität überprüfen. Dies soll gewährleisten, dass gesellschaftliche Diskussionen, technische Entwicklungen oder auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse frühzeitig in die Analyse Einzug halten und das Rating damit als eine Art Frühwarnsystem für zukünftige Herausforderungen und Risiken fungieren kann. Das Konzept der Nachhaltigkeit im Kontext unternehmerischer Tätigkeiten erfasst die komplexen und facettenreichen Zusammenhänge zwischen wirtschaftlicher Aktivität und deren ökologischen und sozialen Auswirkungen auf Anspruchsgruppen wie zum Beispiel Mitarbeiter, Zulieferer, die Gesellschaft und die natürliche Umwelt. Zentrale Aufgabe von Nachhaltigkeitsratings ist die Identifikation, Operationalisierung und objektive Bewertung entsprechender Themenfelder. Die grundlegende Struktur des Ratings findet auf alle Industriezweige Anwendung; die zur Untersuchung herangezogenen Kriterien und Indikatoren sowie deren Gewichtung untereinander werden an die jeweiligen Problemstellungen in den Branchen bzw. Unternehmen angepaßt:
Corporate Responsibility Rating
Social Rating
Environmental Rating
Mitarbeiter und Zulieferer
Umweltmanagement
Gesellschaft und Produktverantwortung
Produkte und Dienstleistungen
Corporate Governance und Wirtschaftsethik
…ko-Effizienz
Abb. 5.5-1: Grundlegende Struktur des Ratings.
5.5 Das Nachhaltigkeitsrating
289
Das Rating gliedert sich in einen sozialen und einen ökologischen Teil. Das Social Rating setzt sich aus drei Hauptuntersuchungsbereichen zusammen: Mitarbeiter und Zulieferer, Gesellschaft und Produktverantwortung sowie Corporate Governance und Wirtschaftsethik. Der erste Untersuchungsbereich befasst sich insbesondere mit der Qualität der Arbeitsstandards für die Mitarbeiter des bewerteten Emittenten (etwa Sicherheit und Gesundheit, Arbeitszeitmodelle, Gleichberechtigung, Aus- und Weiterbildung, Mitbestimmung) sowie mit der Einhaltung von international anerkannten Mindeststandards in der vorgelagerten Wertschöpfungskette. Im Rahmen des Untersuchungsbereichs Gesellschaft und Produktverantwortung werden vor allem das gesellschaftliche Engagement des zu bewertenden Emittenten in den Standortgemeinden, Menschenrechtsaspekte sowie die Transparenz von Subventions- und Steuerzahlungen betrachtet. Hinzu kommt die branchenspezifische Wahrnehmung der Produktverantwortung. In der Nahrungsmittelbranche beinhaltet dies etwa die nährwertbezogene Gestaltung der Produkte, die Transparenz gegenüber den Konsumenten hinsichtlich der verwendeten Inhaltsstoffe oder sonstiger Charakteristika (zum Beispiel potentielle Gefahren des Produkts) oder auch das Produktsicherheitsmanagement (zum Beispiel Hygieneaspekte, Krisenmanagement bei Rückrufen, die Identifikation von Schadstoffen). Im Untersuchungsbereich Corporate Governance und Wirtschaftsethik werden schließlich Fragen zu Aktionärsrechten und Unternehmensführung sowie Maßnahmen und Managementstrukturen zur Vermeidung illegaler oder zumindest kontroverser Geschäftspraktiken wie Korruption, Bilanzfälschung oder Preisabsprachen behandelt. In Abgrenzung dazu analysiert das Environmental Rating die Integration von Umweltaspekten in Produkte und Produktionsprozesse. Der Untersuchungsbereich Umweltmanagement bewertet die strukturelle Verankerung des Themas im Unternehmen, beispielsweise über die Implementierung von Umweltmanagementsystemen, die Erhebung von Ressourcenverbräuchen und Emissionen oder die allgemeine Klimastrategie. Der Untersuchungsbereich Produkte und Dienstleistungen identifiziert die spezifischen Umweltherausforderungen, mit denen eine Branche in Bezug auf die Produktgestaltung konfrontiert ist. Im oben bereits dargestellten Beispiel der Nahrungsmittelbranche handelt es sich hier insbesondere um die umweltverträgliche Gestaltung der Landwirtschaft und Fischerei, Maßnahmen zur Reduktion des Wasserverbrauchs, die Anwendung gentechnisch veränderten Saatguts sowie die Gestaltung von Produktverpackungen. Abschließend wird im Untersuchungsbereich Öko-Effizienz die Entwicklung der Ressourceneffizienz im Unternehmen bewertet, also z.B. Energie- und Wasserverbrauch pro Outputgröße. Zur Veranschaulichung der Untersuchungstiefe ist im Folgenden die Detailkriteriologie für ein konkretes Untersuchungsfeld dargestellt:
290
5 Ratingansätze und -faktoren Versammlungsfreiheit Mitarbeiter und Zulieferer
Work Life Balance Arbeitsplatzsicherheit Sicherheit und Gesundheit
Mitarbeiter
Gleichberechtigung
Zulieferer
Ausbildung
Qualität der Maßnahme Reichweite der Maßnahme
Standards in Standorten weltweit Managementsystem Entwicklung der Unfallrate tödliche Arbeitsunfälle bekannt gewordene Kontroversen
Abb. 5.5-2: Beispiel Detailkriteriologie.
5.5.4.2
Ratingprozess
Die Ausgestaltung des Datenerhebungsprozesses im Bereich der Nachhaltigkeitsratings ist elementar wichtig für die Qualität des gesamten Researchs, da in der Regel keine Pflichtpublikationen zu diesem Themenbereich existieren und die Ratings im Regelfall nicht von den Emittenten, sondern von den Investoren in Auftrag gegeben werden. Die Ratingagentur ist deswegen weitgehend auf die Verfügbarkeit relevanter Informationen und die Bereitschaft der jeweiligen Informationsquellen zum Dialog angewiesen. Im Rahmen der Datenerhebung werden daher die untersuchten Unternehmen aktiv in einen weitreichenden Dialog eingebunden, um eine relevante Datenbasis für die anschließende Bewertung zu erhalten. Um die Angaben der Unternehmen hinsichtlich ihrer Plausibilität zu überprüfen und ihre Leistungen aus der Perspektive ihrer Anspruchsgruppen zu beleuchten, werden intensiv die Informationen von unternehmensexternen Quellen genutzt, wie zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen, Medien, Gewerkschaften oder Behörden. Die Bewertung der Daten erfolgt dagegen ausschließlich durch die oekom research AG selbst. Die Integration von Anspruchsgruppen ist hier aus Gründen der Unabhängigkeit und methodischen Stringenz ausdrücklich nicht vorgesehen. Jedoch wird großer Wert darauf gelegt, eine Plausibilitätsprüfung durch externe Experten durchführen zu lassen. Dies geschieht durch das unabhängige Rating-Komitee der oekom research AG.
5.5 Das Nachhaltigkeitsrating Anspruchsgruppen
Durchführung von Telefoninterviews und Datenbankrecherche bei: - internationalen NGOs - wissenschaftlichen Institutionen - Behrden - Gewerkschaften
291 oekom research
Überprüfung der Ratingkriterien Ratingkatalog
Emittent
RatingKomitee Ankündigung des Ratings mit Bitte um Informationen
Draft Rating I
Mindestanforderungen erfüllt Media-Screening bei: - internationalen Tagesund Fachzeitschriften - Newslettern - Datenbanken
Ende Ratingprozess
Mindestanforderungen nicht erfüllt
Feedback / Kommentierung
Draft Rating II Feedback / Kommentierung
Draft Rating III
RatingKomitee
Final Rating Presseinfo / Newsletter
Übergabe an Unternehmen Übermittlung an Kapitalmarkt
Engagement
Abb. 5.5-3: Ratingprozess.
Auf Basis der vorliegenden Informationen werden die Kriterien einzeln bewertet und führen über die entsprechende Gewichtung der verschiedenen Hierarchieebenen zu Bereichsnoten sowie dem abschließenden Gesamtrating. Die Ratingskala wird dabei wie folgt definiert: A = Das Unternehmen zeigt außergewöhnliche Leistungen. B = Das Unternehmen verhält sich weitgehend progressiv. C = Das Unternehmen hat grundlegende Maßnahmen ergriffen. D = Das Unternehmen zeigt wenig Engagement. Die Aktualität der Basisinformationen und der Gesamtbewertung wird durch regelmäßige Updates erlangt. Zur größtmöglichen Transparenz des Ratings tragen die Veröffentlichung von Kriterien und Prozessen sowie von wesentlichen Ratingergebnissen bei. Aufgrund mangelnder Pflichtveröffentlichungen zu Nachhaltigkeitsthemen kommt dem Prozess der Datenerhebung eine zentrale Rolle zu. Um ein möglichst umfassendes Bild von einem Emittenten zu erlangen, ist es unabdingbar, Daten nicht nur beim Emittenten selbst sondern auch bei externen Quellen zu erheben.
292
5.5.5
5 Ratingansätze und -faktoren
Der Markt des nachhaltigen Investments
Nachdem nachhaltige Investments lange Zeit als Nischenprodukt für ethisch motivierte, nicht auf Rendite ausgerichtete Anleger wahrgenommen wurden, hat dieser Investmentansatz mittlerweile den Mainstream erreicht und sich als wichtiges Marktsegment etabliert. Gründe dafür sind unter anderem die gute Performance der Anlagen und die deutliche Professionalisierung der Marktakteure. 5.5.5.1
Marktentwicklung
Nachhaltige Investments haben in den vergangenen Jahren ein rasantes Wachstum verzeichnet mit in der Regel zweistelligen Zuwachsraten pro Jahr. Für das Jahr 2006 wurde der Gesamtmarkt allein in Europa auf über eine Billion Euro beziffert, darunter über einhundert Milliarden Euro auf der Basis umfangreicher Nachhaltigkeitsanalysen. Gründe für diese Entwicklung liegen primär in der deutlich gesteigerten Professionalität und Differenzierung von Researchanbietern und den Möglichkeiten, Nachhaltigkeitsaspekte in Kapitalanlagen zu integrieren. Zudem hat sich die Performance dieser Investments sehr positiv entwickelt. Beides hat die Bedeutung des Marktes für institutionelle MainstreamInvestoren wie Pensionsfonds signifikant wachsen lassen. Aber auch ethisch motivierte Investoren, wie Stiftungen und kirchliche Anleger, haben einen bedeutenden Anteil am Gesamtmarkt. Auch der Gesetzgeber hat die Relevanz sozialer und ökologischer Aspekte im Kontext unternehmerischer Aktivitäten erkannt und in einigen europäischen Ländern entsprechende Pflichtveröffentlichungen für Unternehmen vorgeschrieben oder eine Berichtspflicht für bestimmte Investmentprodukte (insbesondere im Rahmen der Altersvorsorge) eingeführt. So müssen beispielsweise in Deutschland Unternehmen im Konzernlagebericht nichtfinanzielle Leistungsindikatoren darstellen, wie zum Beispiel Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, soweit diese für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage des Unternehmens von Bedeutung sind. Zusätzlich zu der Nachfrage durch Investoren zeichnet sich der Trend ab, dass zunehmend auch Sellside Broker Nachhaltigkeitsanalysen als Ergänzung des herkömmlichen Finanzresearchs anbieten. So hat beispielsweise die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management GmbH (DVFA) im Jahr 2007 begonnen, zusammen mit Partnerorganisationen zentrale Leistungsindikatoren für Nachhaltigkeitsaspekte zu erarbeiten, um eine stärkere Beachtung relevanter Faktoren bei der Unternehmensanalyse zu erreichen. Der Markt für nachhaltige Investments verzeichnet seit einigen Jahren deutlich überdurchschnittliche Wachstumsraten. Dies ist unter anderem auf die gute Performance der Investments sowie die Professionalisierung des Marktes und den damit verbundenen Einstieg institutioneller Mainstream-Investoren zurückzuführen.
5.5 Das Nachhaltigkeitsrating 5.5.5.2
293
Investmentansätze
Investoren können Nachhaltigkeitsaspekte auf sehr unterschiedliche und individuelle Weise in ihre Investments integrieren. Dabei haben sich drei grundlegende Ansätze herauskristallisiert, die einzeln oder in Kombination Anwendung finden können: Negativ-Screening Bei diesem Ansatz schließt der Investor Emittenten aus, die in besonders kontroversen Geschäftsfeldern tätig sind, z.B. Rüstung und Atomenergie, oder kontroverse Geschäftspraktiken an den Tag legen, z.B. Korruption und Kinderarbeit. Die Basis für diesen Entscheidungsprozess bilden umfangreiche Screenings der Unternehmensaktivitäten. Positiv-Screening Bei diesem Ansatz wählt der Investor Emittenten aus, die besonders progressiv mit Nachhaltigkeitsherausforderungen umgehen und damit aus Sicht des Investors spezifische Risiken besonders gut managen bzw. die Einhaltung ethischer Mindestanforderungen demonstrieren. Die Basis für diese Einstufung bildet das Nachhaltigkeitsrating. Da relevante Herausforderungen häufig branchenspezifisch sind, werden die Emittenten in der Regel im Kontext der Branche bewertet und verglichen, das heißt, dass innerhalb einer Branche auf Basis der Ratings eine Rangliste der Emittenten erstellt und nur in die Emittenten investiert wird, die in ihrer Branche führend bei der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in den Geschäftsbetrieb sind (daher auch „best in class-Ansatz“ genannt). Engagement Bei diesem Ansatz haben Nachhaltigkeitsinformationen in der Regel zunächst keine Auswirkung auf die Auswahl der Investments. Bei Kenntnis bestimmter Defizite hinsichtlich des Umgangs mit ökologischen oder sozialen Herausforderungen sucht der Investor jedoch den Dialog zum Management des Unternehmens und versucht Einfluss auszuüben, um die Defizite zu beseitigen. Dies kann auch im Rahmen der Ausübung von Stimmrechten auf Hauptversammlungen geschehen. Zum Teil werden allerdings auch gezielt Investments in Unternehmen vorgenommen, die Nachhaltigkeitsaspekte unzureichend managen, um entsprechenden Einfluss auf die Strategie dieser Unternehmen ausüben zu können. Die derzeit gängigsten Ansätze, Nachhaltigkeitsaspekte in Investments zu integrieren, sind der Ausschluss bestimmter Emittenten aufgrund kontroverser Geschäftsfelder oder – praktiken (Negativ-Screening), die bewusste Auswahl von besonders progressiven Emittenten (Positiv-Screening) sowie die Einflussnahme des Investors durch einen Dialog mit dem Management des Emittenten (Engagement). 5.5.5.3
Performance
Die Entwicklung des nachhaltigen Investments in den vergangenen Jahren hat zahlreiche Studien hervorgebracht, die die Auswirkung dieses Investmentstils auf die Performance der Anlagen zum Untersuchungsgegenstand haben. Diese sollten vor allem auch zu einer fundierten und sachlichen Bewertung dieses Segments beitragen, nachdem die subjektive Wahr-
294
5 Ratingansätze und -faktoren
nehmung des vermeintlich nicht objektiven Charakters der Kriterien und Methoden lange Zeit Skepsis bei professionellen Investoren erzeugt hatte. Sowohl die Vielzahl der Studien als auch die Erfahrungen der Investoren in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass ein derartiger Investmentansatz geeignet ist, sowohl die anlegerspezifischen ethischen als auch die finanziellen Erwartungen zu befriedigen. Trotz der Einschränkung des Anlageuniversums aufgrund der Beschränkung eines Investments auf Emittenten mit gut gemanagten Nachhaltigkeitsrisiken zeigt sich, dass die Renditen mindestens marktgerecht sind. Aufgrund des eher langfristigen Konzepts der Nachhaltigkeit gehen viele Studien sogar davon aus, dass dieser Investmentstil langfristig Renditevorteile generieren kann. Zahlreiche Studien belegen, dass nachhaltige Investments keine systematische Underperformance aufweisen. Einige Studien gehen sogar davon aus, dass entsprechende Anlagen langfristig eine höhere Rendite aufweisen. Zusammenfassung Kapitalmarktorientierte Unternehmensanalysen basieren in der Regel auf der Auswertung unterschiedlicher finanzieller Kennzahlen, mit Hilfe derer die finanzielle Bonität eines Schuldners bestimmt oder der zukünftige Aktienkursverlauf eines börsennotierten Unternehmens prognostiziert werden sollen. Allerdings beeinflussen auch ökologische und soziale Fragestellungen die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens, was in konventionellen Analysen in der Regel nicht oder nur am Rande Beachtung findet. Im Rahmen von Nachhaltigkeitsratings schließen spezialisierte Ratingagenturen diese Informationslücke und tragen damit zu einer umfassenden Unternehmensbewertung bei. Das Konzept der Nachhaltigkeit im Kontext unternehmerischer Tätigkeiten erfasst dabei die komplexen und facettenreichen Zusammenhänge zwischen wirtschaftlicher Aktivität und deren ökologischen und sozialen Auswirkungen auf Anspruchsgruppen wie zum Beispiel Mitarbeiter, Zulieferer, die Gesellschaft und die natürliche Umwelt. Zentrale Aufgabe von Nachhaltigkeitsratings ist daher die Identifikation, Operationalisierung und objektive Bewertung entsprechender Themenfelder. Hinsichtlich der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in den Investmentprozess sind bei Investoren zwei wesentliche Motive festzustellen: Zum einen ethisch orientierte Anleger, welche neben ökonomischen Faktoren auch wertebasierte Elemente berücksichtigen wollen, und zum anderen risikoorientierte Anleger, welche durch die Beachtung materieller Sachverhalte, die von konventionellen Analysen nicht berücksichtigt werden, eine bessere Risikound Chanceneinschätzung anstreben. Die derzeit gängigsten Ansätze, auf Basis der unterschiedlichen Motive Nachhaltigkeitsaspekte in Investments zu integrieren, sind der Ausschluss bestimmter Emittenten aufgrund kontroverser Geschäftsfelder oder -praktiken (Negativ-Screening), die bewusste Auswahl von besonders progressiven Emittenten (Positiv-Screening) sowie die Einflussnahme des Investors durch einen Dialog mit dem Management des Emittenten (englisch „Engagement“).
5.5 Das Nachhaltigkeitsrating
295
Nicht zuletzt wegen der guten Performance verzeichnet der Markt für nachhaltige Investments seit einigen Jahren deutlich überdurchschnittliche Wachstumsraten. Zu dieser Entwicklung beigetragen haben zudem die Professionalisierung und stärkere Differenzierung von Researchanbietern und Investmentprodukten sowie der zu beobachtende Einstieg großer institutioneller Mainstream-Investoren. Übungsaufgaben 1. Erläutern Sie, inwiefern die Beachtung von ökologischen und sozialen Aspekten wesentlich für das Risikomanagement eines Unternehmens sein kann und nennen Sie relevante Beispiele. 2. Erläutern Sie die wesentlichen Motive von Investoren und Vermögensverwaltern, Aspekte der Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage zu berücksichtigen, und stellen Sie kurz typische Anwendungsformen dar. Lösungsschlüssel zu 1.: s. auch 5.5.3.2., 5.5.3.3., 5.5.4. − Viele, für den Unternehmenserfolg relevante Parameter sind qualitativ und können nicht ohne weiteres durch finanzielle Kennzahlen ausgedrückt werden. − Unter anderem trifft dies auf die Beziehungen des Unternehmens zu den verschiedenen Anspruchsgruppen zu, wie zum Beispiel die Mitarbeiter, Zulieferer, Wettbewerber, die Gesellschaft sowie die natürliche Umwelt. − Werden diese Beziehungen nicht aktiv gemanagt, entstehen Risiken, die sich negativ auf die Geschäftsentwicklung auswirken können, zum Beispiel Reputationsrisiken. − Die Analyse des Managements dieser Risiken kann als Frühwarnsystem für Entwicklungen dienen, die sich erst zu einem späteren Zeitpunkt in finanziellen Kennzahlen niederschlagen. zu 2.: s. auch 5.5.3., 5.5.3.1., 5.5.3.2., 5.5.5.2. − Zwei Hauptmotive: ethische und Risikomotive − Drei primäre Ansätze zur Integration von Nachhaltigkeitsaspekten: Ausschluss von Emittenten (Negativ-Screening), Auswahl von Emittenten (Positiv-Screening), Dialog mit Managament von Emittenten (Engagement)
296
5 Ratingansätze und -faktoren
6.1 Bilanzratings bei der Vergabe hybrider Finanzinstrumente
6
Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
297
298
6 Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
6.1 Bilanzratings bei der Vergabe hybrider Finanzinstrumente
299
Jörg Baetge, Thorsten Melcher, Christian Thun 6.1
Bilanzratings bei der Vergabe hybrider Finanzinstrumente
6.1.1
Einleitung
299
6.1.2
Verfahren der Jahresabschlussanalyse zur Beurteilung der Bonität von Unternehmen
301
6.1.2.1
Klassische Instrumente der Jahresabschlussanalyse ...................................... 301
6.1.2.2
Moderne Instrumente der Jahresabschlussanalyse......................................... 303
6.1.2.3
Verbesserung der Bonitätsbeurteilung von Unternehmen mit modernen Instrumenten der Bilanzanalyse durch Zusatzanalysen ................................. 307
6.1.3
Hybride Finanzinstrumente
6.1.3.1
Formen und Bedeutung hybrider Finanzinstrumente..................................... 308
6.1.3.2
Kriterien zur Beurteilung hybrider Finanzinstrumente.................................. 310
6.1.3.3
Die Wirkung hybrider Finanzinstrumente auf das Bilanzrating .................... 312
6.1.4
Zusammenfassung und Ausblick
319
6.1.5
Übungsaufgaben
321
6.1.6
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
321
6.1.7
Literaturhinweise
323
6.1.1
308
Einleitung
In den letzten Jahren ist die Variabilität der Finanzierungsinstrumente deutlich gestiegen und vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) fragen vermehrt hybride Finanzinstrumente nach. Deshalb treten immer mehr Anbieter von hybriden Finanzinstrumenten mit neuen Produkten auf den Märkten auf. Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Bonität von Unternehmen sowohl im Banken- (Basel II und Kreditwesengesetz (KWG)) als auch im Nicht-Banken-Bereich (bspw.
300
6 Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
gegenüber Kunden und Lieferanten) weiter gestiegen und auch die fortschreitende Internationalisierung und die zunehmende Kapitalmarktorientierung erfordern internationale Vergleichsmöglichkeiten. Deshalb wird es für die Unternehmen zunehmend wichtiger, die eigene Bonität den Geschäftspartnern (Banken und Unternehmen) glaubhaft kommunizieren zu können. Außerdem richtet sich die Höhe der Kapitalkosten (Zinssatz) für aufgenommenes Kapital häufig nach der Bonität des Unternehmens und erst eine gute Bonitätseinschätzung bringt den Unternehmer auch in eine gute Verhandlungsposition, um die Höhe der Zinssätze für das aufgenommene Fremdkapital mittel- bzw. langfristig vermindern zu können. Deshalb sind die Unternehmen also nicht nur an einer guten Bilanzbonitätsbeurteilung interessiert, sondern sie sind vielfach darauf angewiesen. Dies erklärt u.a. auch die gestiegene Nachfrage nach hybriden Finanzinstrumenten, denn neben dem Investitionspotential und dem Liquiditätszufluss aus dem aufgenommenen Kapital kann die Eigenkapitalähnlichkeit eines hybriden Finanzinstruments einen positiven Einfluss auf das Bilanzrating ausüben, vorausgesetzt, es handelt sich handelsrechtlich um ein eigenkapitalähnliches Finanzinstrument, das vom Fiskus in der Steuerbilanz als Fremdkapital akzeptiert ist und das der Finanzanalyst als Eigenkapital identifiziert und das hybride Finanzinstrument somit richtig beurteilt. Für die Kapitalgeber steht neben einer attraktiven Rendite vor allem die Sicherheit des überlassenen Kapitals im Vordergrund. Das Schutzbedürfnis der Kapitalgeber verlangt, dass die kapitalaufnehmenden Unternehmen objektiv beurteilt werden, um sowohl Risiken vor der Investitionsentscheidung als auch nach der Hingabe des Kapitals frühzeitig zu erkennen. Um den Ansprüchen der Kapitalgeber gerecht zu werden, haben sich Ratingtools als probates Instrument herausgebildet, den Finanzanalysten bei seiner Arbeit zu unterstützen. Fest steht, dass das Ziel des Finanzanalysten, ein Unternehmen absolut richtig zu beurteilen, d.h. die „blaue Blume“ der Finanzanalysten zu finden, mit den Instrumenten der klassischen und der modernen Bilanzanalyse nicht erreicht werden kann.1 Tatsächlich kann die Aufgabe der Finanzanalysten nur lauten, eine vereinfachte „blaue Blume“ zu finden, um so die Bonität von Unternehmen mit hinreichender Sicherheit, mittels der Jahresabschlussdaten und den sonstigen zur Verfügung gestellten Unterlagen, zu beurteilen. Dazu stehen dem Finanzanalysten neben den klassischen Instrumenten der Jahresabschlussanalyse auch moderne Instrumente der Jahresabschlussanalyse zur Verfügung.2 Das verwendete Instrumentarium muss deshalb so gewählt werden, dass damit das überlassene Kapital bestmöglich geschützt werden kann. Um die Kapital aufnehmenden Unternehmen objektiv zu beurteilen, muss sich der Finanzanalyst, neben der Frage nach dem „richtigen“ Instrument der Jahresabschlussanalyse vor allem die Fragen nach identifizierbaren bilanzpolitischen und sachverhaltsgestaltenden Maßnahmen im Jahresabschluss und nach der Behandlung von hybriden Finanzinstrumenten stellen.
1 2
Vgl. Ziolkowski, U., Erfolgsspaltung: Aussagefähigkeit und Grenzen, S. 188. Im Schrifttum wird die Jahresabschlussanalyse meist als Bilanzanalyse bezeichnet. Obwohl dieser Terminus den Bereich der Anlayse verengt, da der Jahresabschluss neben der Bilanz auch die GuV und den Anhang enthält (außerdem wird bei der Jahresabschlussanalyse auch der nicht zum Jahresabschluss gehörige Lagebericht analysiert), werden auch wir nachfolgend die Termini „Bilanzanalyse“ und „Jahresabschlussanalyse“ synonym verwenden.
6.1 Bilanzratings bei der Vergabe hybrider Finanzinstrumente
301
Während bilanzpolitischen und sachverhaltsgestaltenden Maßnahmen durch Zusatzanalysen der Jahresabschlüsse – entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen des Finanzanalysten und ein entsprechendes Bilanzratingsystem mit bilanzpolitikkonterkarierenden Kennzahlen vorausgesetzt – entgegen gewirkt werden kann, verlangt die Beurteilung von hybriden Finanzinstrumenten vom Finanzanalysten ausreichende Informationen über die jeweils eingesetzten Finanzinstrumente, sehr gute Kenntnisse und viel Erfahrung in der Rechnungslegung. Da bisher indes keine gesetzlich kodifizierten Regelungen bestehen, wie hybride Finanzinstrumente bei der Bilanzbonitätsbeurteilung zu berücksichtigen sind, wollen wir nachfolgend u.a. auf die Forschungsergebnisse der Expertgroup 1 der DVFA-Ratingstandardkommission eingehen, die einen Vorschlag zur bilanziellen Behandlung der hybriden Finanzinstrumente beim Bundesjustizministerium für das anstehende Bilanzrichtlinien-Modernisierungsgesetz (BilMoG) eingebracht hat. Wir werden deshalb in Abschnitt 6.1.2 Instrumente der Jahresabschlussanalyse vorstellen und dabei speziell auf das bewährte Bilanzratingsystem Moody’s KMV RiskCalc® eingehen. In Abschnitt 6.1.2.3 wollen wir außerdem zeigen, wie die Bilanzbonitätsbeurteilung durch Zusatzanalysen verbessert werden kann. Weiterhin werden wir die wesentlichen hybriden Finanzinstrumente in Abschnitt 6.1.3.1 vorstellen und in Abschnitt 6.1.3.2 auf den Lösungsansatz der Expertgroup 1 der DVFA-Ratingstandardkommission zur Behandlung hybrider Finanzinstrumente im Jahresabschluss eingehen. Abschließend zeigen wir im Abschnitt 6.1.3.3 mit dem Bilanzratingsystem Moody’s KMV RiskCalc®, wie sich ein hybrides Finanzinstrument auf die Bonitätseinschätzung eines mittelständischen Unternehmens auswirken kann. Lernziele Der Ratinganalyst • soll den Bedarf und den Zweck von Bilanzratingsystemen erkennen, • soll verstehen, wie moderne Bilanzratingsysteme arbeiten und gleichzeitig lernen, dass Bilanzratingsysteme zwar ein Hilfsmittel für die Arbeit des Finanzanalysten darstellen, aber dass nur mit qualitativen Zusatzanalysen das statistisch ermittelte Ratingergebnis abgesichert werden kann, • weiterhin soll der Finanzanalyst lernen, welche hybriden Finanzinstrumente es gibt, wie sie bilanziert werden, und wie sie sich ceteris paribus auf ein Ratingurteil auswirken können.
6.1.2
Verfahren der Jahresabschlussanalyse zur Beurteilung der Bonität von Unternehmen
6.1.2.1
Klassische Instrumente der Jahresabschlussanalyse
Ziel der Jahresabschlussanalyse ist es, entscheidungsrelevante Informationen über die gegenwärtige wirtschaftliche Lage und die künftige wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens zu gewinnen.3 Dazu sind bei der Jahresabschlussanalyse nicht nur die 3
Vgl. Baetge/Stellbrink, Früherkennung von Unternehmenskrisen mit Hilfe der Bilanzanalyse, S. 213.
302
6 Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
Bestandgrößen der Bilanz, sondern auch die Stromgrößen der Gewinn- und Verlustrechnung und die Angaben im Anhang und im Lagebericht zu beurteilen. Dazu werden bei der klassischen Jahresabschlussanalyse durch den Bilanzanalytiker Kennzahlen subjektiv aus den verschiedenen Informationsbereichen des Jahresabschlusses ausgewählt und beurteilt. Die Fähigkeit eines Unternehmens, die gesetzten Unternehmensziele (Geld verdienen und Verdienstquelle sichern) zu erreichen, kann der Bilanzanalytiker am besten anhand der wirtschaftlichen Lage, d.h. anhand der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens beurteilen.4 Dazu muss der Bilanzanalytiker bei der klassischen Bilanzanalyse aus der Fülle denkbarer Kennzahlen diejenigen auswählen, mit denen die wirtschaftliche Lage des Unternehmens seines Erachtens am besten beurteilt werden kann.5 Für jede ausgewählte Kennzahl ist eine betriebswirtschaftlich plausible Arbeitshypothese aufzustellen, mit der angegeben wird, ob ein hoher Wert der Kennzahl eher ein gesundes (solventes) oder eher ein krankes (insolvenzgefährdetes) Unternehmen signalisiert. In einem weiteren Schritt können für jede gebildete Kennzahl ein Zeitvergleich, ein Betriebsvergleich und/oder ein Soll-IstVergleich vorgenommen werden. Die mit Hilfe der Kennzahlenvergleiche gewonnenen Teilurteile über die einzelnen Lagen (Vermögens-, Finanz- und Ertragslage) eines Unternehmens müssen dann im letzten Schritt aufgrund der Kenntnisse und Erfahrungen des Bilanzanalytikers zu einem abschließenden Gesamturteil über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zusammengefasst werden.6 Die Probleme der klassischen Bilanzanalyse sind vor allem methodischer Natur und liegen in der subjektiven Auswahl, Gewichtung und Zusammenfassung der Kennzahlen.7 Da eine Vielzahl von Kennzahlen mit vielen Variationsmöglichkeiten existiert, muss der Bilanzanalytiker aufgrund seiner persönlichen Erfahrung aus diesen Kennzahlen die für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens aussagefähigsten Kennzahlen auswählen, gewichten und zu einem Gesamturteil zusammenfassen. Dabei entstehen Schwierigkeiten dann, wenn die Kennzahlen zu widersprüchlichen Teilurteilen führen. Hier kann der Bilanzanalytiker nur aufgrund seiner persönlichen Erfahrung Kennzahlen auswählen und gewichten. Da zudem die meisten populären Kennzahlen, wie die Eigenkapitalquote, aus Gründen der Einfachheit meist ohne Bilanzpolitik konterkarierende Maßnahmen konstruiert werden, wird das bei der klassischen Bilanzanalyse gebildete Gesamturteil oft durch Bilanzpolitik verfälscht, was dazu führt, dass bei der klassischen Bilanzanalyse die zentralen Grundsätze der Bilanzanalyse, das Objektivierungsprinzip, das Ganzheitlichkeitsprinzip und das Neutralisierungsprinzip, nicht hinreichend beachtet werden.8
4 5 6 7 8
Vgl. Baetge/von Keitz/Wünsche, Bilanzbonitäts-Rating von Unternehmen, S. 479. Vgl. Baetge, Die Früherkennung von Unternehmenskrisen anhand von Abschlusskennzahlen, S. 2281. Vgl. Baetge/Baetge/Kruse, Grundlagen moderner Verfahren der Jahresabschlussanalyse, S. 1371. Vgl. Baetge/Baetge/Kruse, Grundlagen moderner Verfahren der Jahresabschlussanalyse, S. 1376. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzanalyse, S. 37–54.
6.1 Bilanzratings bei der Vergabe hybrider Finanzinstrumente
303
Das Gesamturteil über ein Unternehmen, das mit den Instrumenten der klassischen Jahresabschlussanalyse erstellt wird, ist also stets subjektiv, häufig in sich widersprüchlich, vergangenheitsorientiert und von der Erfahrung des jeweiligen Analysten abhängig.9 Mit den modernen Instrumenten der Jahresabschlussanalyse wird versucht, die Nachteile der Instrumente der klassischen Jahresabschlussanalyse zu kompensieren, um den o.g. zentralen Grundsätzen der Bilanzanalyse besser gerecht zu werden. 6.1.2.2
Moderne Instrumente der Jahresabschlussanalyse
Bei der modernen Bilanzanalyse wurde ursprünglich vor allem die lineare multivariate Diskriminanzanalyse (MDA) angewendet. In neuerer Zeit werden indes die Künstliche Neuronale Netzanalyse (KNNA) sowie die logistische Regression (LR) als noch geeignetere mathematisch-statistische Verfahren zur Analyse von Jahresabschlüssen benutzt.10 Diese mathematisch-statistischen Verfahren nehmen dem Finanzanalysten die subjektiven Teilentscheidungen zur Auswahl, Gewichtung und Zusammenfassung der Kennzahlen ab, indem sie auf der Basis einer großen Zahl von Jahresabschlüssen von gesund gebliebenen Unternehmen und von später insolvent gewordenen Unternehmen eine nachvollziehbare Auswahl, Gewichtung und Zusammenfassung der Kennzahlen sicherstellen. Als ein modernes Verfahren der Bilanzbonitätsanalyse hat sich Moody’s KMV RiskCalc® (RiskCalc) in der praktischen Anwendung durchgesetzt. Dieses moderne Verfahren der Bilanzanalyse ist eine Weiterentwicklung des BBR Baetge-Bilanz-Rating (BBR). Mit Hilfe der KNNA wurde das BBR im Jahr 1995 am Institut für Revisionswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in Zusammenarbeit mit der BPA Baetge & Partner GmbH & Co. Auswertungszentrale KG entwickelt. Für die Entwicklung des BBR standen 11.427 Jahresabschlüsse zur Verfügung, wovon 10.515 Jahresabschlüsse von solventen und 912 Jahresabschlüsse von später insolvent gewordenen Unternehmen stammten.11 Der Entwicklung des BBR lag zuerst ein Kennzahlenkatalog mit 259 Kennzahlen zugrunde. Nachdem bei Voranalysen 50 Kennzahlen aufgrund von Hypothesenverstößen zu eliminieren waren, wurde durch zahlreiche Lern-, Test- und Validierungsphasen und durch den Einsatz diverser Pruning-Methoden eine optimale Kennzahlenkombinationen identifiziert.12 Im Jahr 2001 wurde von Baetge & Partner in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Oliver, Wyman & Company und mit Moody’s KMV das erste deutsche RiskCalc-Modell entwi-
9 10 11 12
Vgl. Baetge/Manolopoulos, Bilanzratings zur Beurteilung der Unternehmensbonität – Entwicklung und Einsatz des BBR Baetge-Bilanz-Rating im Rahmen des Benchmarking, S. 352. Vgl. Baetge/Zülch/Melcher, Vermögenslage, in: Wirtschaftslexikon – Das Wissen der Betriebswirtschaftslehre, S. 6010 f. Vgl. Baetge/Thun, Bilanzbonitätsrating eines technologieorientierten Unternehmens, S. 163. Vgl. Baetge/Baetge/Kruse, Einsatzmöglichkeiten eines modernen Bilanzratings in der Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterpraxis, S. 1919; Baetge/Thun, Bilanzbonitätsrating eines technologieorientierten Unternehmens, S. 164.
304
6 Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
ckelt. Der Entwicklungs- und Validierungsdatenbestand des deutschen RiskCalc-Modells umfasste mehr als 100.000 HGB-Jahresabschlüsse. Um das RiskCalc-Modell dabei optimal an den künftigen Anwendungsbereich anzupassen, wurden bei der Entwicklung von RiskCalc ausschließlich Jahresabschlüsse von Unternehmen berücksichtigt, die eine jährliche Gesamtleistung von mindestens 0,5 Mio. Euro erreichen, nicht staatsabhängig sind, nicht zur Finanzdienstleistungsbranche gehören, konzernunabhängig sind und keine Besitzgesellschaften oder Bauträger sind.13 Die länderspezifische Entwicklung des deutschen RiskCalc-Modells erfolgte dabei in drei Schritten.14 Ähnlich der Entwicklung des BBR wurden in einem ersten Schritt mehr als 200 Kennzahlen univariat auf ihre Eignung untersucht, solvente Unternehmen von insolvenzgefährdeten Unternehmen zu trennen und Hypothesenkonformität zu gewährleisten. Die Vergleichbarkeit der Werte der untersuchten Kennzahlen wurde durch geeignete mathematische Transformationen sichergestellt. Die im ersten Schritt zur Trennung von solventen und insolvenzgefährdeten Unternehmen als geeignet ermittelten Kennzahlen wurden im zweiten Schritt anhand mathematisch-statistischer Verfahren hinsichtlich ihrer besonderen Trennfähigkeit bezüglich solventer und insolvenzgefährdeter Unternehmen analysiert. Danach verblieben neun Kennzahlen, die als Kombination in einem ganzheitlichen logistischen Modell besonders gut dazu geeignet sind, solvente von insolvenzgefährdeten Unternehmen zu trennen. Nachdem die optimale Gewichtung dieser neun Kennzahlen ermittelt worden war, ließen sich Gesamtwerte (Scorewerte) berechnen, die in einem dritten Schritt in Ausfallwahrscheinlichkeiten (Probabilities of Default = PD) transformiert wurden. Um die Handhabung der RiskCalc-Ergebnisse dabei noch einfacher zu gestalten, wurden die PD aufgrund beobachteter historischer Ausfallraten einzelnen Moody’s Ratingklassen zugeordnet (z.B. eine 1-Jahres-PD von 0,7 % entspricht einem Ratingurteil von Baa3.pd). Abschließend wurde das deutsche RiskCalc-Modell an den spezifischen Anwendungsbereich der nichtbörsennotierten deutschen Unternehmen angepasst, wobei Branchenbesonderheiten berücksichtigt wurden. RiskCalc berechnet die PD sowohl für einen 1-Jahres-Zeitraum als auch für einen 5-Jahres-Zeitraum. Die folgende Übersicht stellt die in RiskCalc verwendeten Kennzahlen nebst ihrer jeweiligen Definition und der zugehörigen Arbeitshypothese dar.15 Die Mehrzahl der Kennzahlen aus Abbildung 6.1-1 berücksichtigt und neutralisiert zwar einen Großteil der bilanzpolitischen und sachverhaltsgestaltenden Maßnahmen eines Unternehmens, aber auch RiskCalc kann nicht sämtliche bilanzpolitischen Maßnahmen neutralisieren. Die Zusammenhänge des deutschen RiskCalc-Modell veranschaulicht Abbildung 6.1-2.
13 14 15
Vgl. Baetge/von Keitz/Wünsche, Bilanzbonitäts-Rating von Unternehmen, S. 488. Vgl. Escott/Glormann/Kocagil, Moody’s RiskCalc™ für nicht-börsennotierte Unternehmen: Das deutsche Modell, S. 8 f. Vgl. Escott/Glormann/Kocagil, Moody’s RiskCalc™ für nicht-börsennotierte Unternehmen: Das deutsche Modell, S. 8–11.
6.1 Bilanzratings bei der Vergabe hybrider Finanzinstrumente Informationsbereich
Kennzahl
Kapitalbindung
Kapitalbindungsdauer
Definition
Umsatzrentabilität
((Akzepte + Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen) · 360) / Umsatz (Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen + Akzepte + Bankverbindlichkeiten) / (Fremdkapital – erhaltene Anzahlungen) (Kfr. Fremdkapital – flüssige Mittel) / Bilanzsumme (Eigenkapital – immaterielle Vermögensgegenstände) / (Bilanzsumme – immaterielle Vermögensgegenstände – flüssige Mittel – Grundstücke und Bauten) Ertragswirtschaftlicher Cashflow / (Fremdkapital – erhaltene Anzahlungen) (Jahresüberschuss + Zinsaufwendungen + Steuern vom Einkommen und Ertrag + Abschreibungen) / Bilanzsumme Ordentliches Betriebsergebnis / Umsatz
Produktivität
Personalaufwandsquote
Personalaufwand / Gesamtleistung
Wachstum
Umsatzwachstum
Umsatz der aktuellen Periode / Umsatz der Vorperiode
Verschuldung
Fremdkapitalstruktur Nettoverschuldungsquote
Kapitalstruktur
Eigenkapitalquote
Finanzkraft
Finanzkraft
Rentabilität
EBITD-ROI
305 Hypothese16 I>S I>S I>S I Kapitel 6.2.3 − Wie kann Mezzanine Kapital das Rating eines Unternehmens beeinflussen? > Kapitel 6.2.5
6.2.8
Literaturhinweise
Brokamp, Hollasch, Lehmann, Meyer, herausgegeben von Deloitte & Touche GmbH, MezzanineFinanzierung „Bridging the Gap“, 2. Auflage 2004. Golland, Equity Mezzanine Capital, FB 2000. Gehlhaar, Golland, et al. BB-Special, 4/2005. Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, 2004.
342
6 Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
6.3 Programm-Mezzanine zur Steigerung des wirtschaftlichen Eigenkapitals
343
Ingo Natusch 6.3
Programm-Mezzanine zur Steigerung des wirtschaftlichen Eigenkapitals mittelständischer Unternehmen
6.3.1
Einleitung
343
6.3.2
Entwicklung, Charakteristika und Chancen-Risikoprofil von Programm-Mezzanine
346
6.3.2.1 Produktinnovation Preferred Pooled Shares (PREPS)....................................... 346 6.3.2.2 Marktüberblick Programm-Mezzanine .............................................................. 347 6.3.2.3 Chancen und Risiken von Programm-Mezzanine.............................................. 350 6.3.3
Programm-Mezzanine als wirtschaftliches Eigenkapital
351
6.3.3.1 Programm-Mezzanine im internen Ratingprozess der Banken.......................... 352 6.3.3.2 Stabilität bisheriger Transaktionen .................................................................... 354 6.3.3.3 Ausblick auf zukünftige Transaktionen ............................................................. 356 6.3.4
Zusammenfassung
357
6.3.5
Übungsaufgaben
357
6.3.6
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
358
6.3.7
Literaturverzeichnis
360
6.3.1
Einleitung
Seit der Einführung standardisierter Genussrechte (sogenanntes Programm-Mezzanine) über die Produktplattform PREPS (Preferred Pooled Shares) im Jahre 2004 hat diese Finanzierungsform eine dynamische Entwicklung vollzogen. Mittlerweile sind weitere Marktteilnehmer hinzugetreten und es wurden insgesamt ca. € 4 Mrd. am Markt platziert. Ausschlaggebend für diesen Erfolg waren im Wesentlichen drei Faktoren: (i) die geringe Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unternehmen, (ii) die strenger werdenden Eigenmittel-
344
6 Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
unterlegungsanforderungen für Kreditrisiken nach Basel II und (iii) die Verbriefung von Mittelstandsrisiken. Die niedrige Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unternehmen ist im Wesentlichen begründet in langjährigen Steueranreizen für Fremdkapital und Bilanzierungsvorschriften, welche die Bildung relativ umfangreicher Rückstellungen und stiller Reserven fördern und zudem die ohnehin feste Hausbankbeziehung begünstigen. Hinzu kommen häufig zu hohe Privatentnahmen und eine fehlende Formulierung von Eigenkapitalzielen. Die neuen Regelungen von Basel II führen jedoch zu einem langfristigen Wandel in der Finanzierung. Zunächst bewirken die neuen Regelungen von Basel II ein Umdenken bei der Kreditfinanzierung, und zwar insbesondere einer Abkehr von einer Kreditfinanzierung mittels einer Einheitsmarge hin zu einer deutlich stärkeren Margenspreizung. Bereits jetzt sind höhere Zinssätze für Unternehmen mit niedrigem Rating/ohne Rating, eine selektive Kreditvergabe seitens der Kreditinstitute, eine Reduktion der Kreditportfolios in kritischen Branchen und ein Rückzug bei Non Performing Loans zu beobachten. Insgesamt betrachtet wird im Zeitablauf eine strukturelle Reduktion der traditionellen Kreditfinanzierung erwartet, so dass alternative bzw. komplementäre Finanzierungsformen an Bedeutung gewinnen. Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Finanzierungsformen ist allerdings eine verbesserte Berichterstattung der Unternehmen, das heißt eine erhöhte Transparenz und Reportingqualität. In den letzten Jahren wurden alternative Finanzierungsformen entwickelt, die mittelständischen Unternehmen indirekt den Zugang zum Kapitalmarkt ermöglichen. Hierzu zählen neben verbrieften Schuldscheinen, Asset Backed Securities auch standardisierte MezzanineFinanzierung, sogenanntes Programm-Mezzanine. Der Start zur Verbriefung von Mittelstandsrisiken fand – außerhalb von Fachkreisen seinerzeit weitgehend unbemerkt – im Dezember 2000 mit der ersten sogenannten Promise-Transaktion der KfW statt. Das Besondere dieser Transaktion besteht darin, dass die IKB Deutsche Industriebank AG (IKB) erstmals zusammen mit der KfW das von ihr entwickelte Rahmenprogramm „PROMISE“ (Promotional Mittelstands Loan Securitization) genutzt wurde, um die Kreditrisiken aus öffentlichen Förderkrediten auf Portfoliobasis auszuplatzieren. Hierzu wurde in einem ersten Schritt ein Portfolio aus Kreditrisiken im Volumen von € 2,6 Mrd., die aus der Vergabe von rund 2.267 Förderkrediten durch die IKB beruhen, gebildet. In einem zweiten Schritt wurde das Portfolio von drei internationalen Ratingagenturen (Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch) unabhängig voneinander bewertet und in Bonitätsklassen (Senior-Tranche/erstklassige Bonität, Mezzanine-Tranchen/Ratings AA bis BB und First Loss Tranche) eingeteilt. Im dritten Schritt übernahm die KfW für dieses Portfolio via Credit Default Swap das Ausfallrisiko gegenüber der IKB. Im vierten Schritt ließ sich die KfW die übernommenen Risiken am Kapitalmarkt rückgarantieren. Das Risiko aus der Senior Tranche und der Junior Tranche wurde mittels Credit Default Swap in den Markt weitergegeben. Für die MezzanineTranchen wurden Credit Linked Notes über eine Spezialgesellschaft (Special Purpose Vehicle) am Kapitalmarkt platziert, die an das Ausfallrisiko gebunden sind. Im Verlustfall übernimmt im Fall der PROMISE-Transaktion der KfW die First Loss Tranche das Risiko durch Anrechnung auf den Nominalbetrag. Diese Tranche beträgt 3 % des Kreditportfolios. Bei größeren Verlusten wird die nächste Tranche in Anspruch genommen. Sollte dies nicht aus-
6.3 Programm-Mezzanine zur Steigerung des wirtschaftlichen Eigenkapitals
345
reichen, müssen die nächsthöheren Tranchen einspringen. Die Laufzeit der Transaktion beträgt 7 Jahre; in dieser Periode können Kapitaltilgungen fortlaufend durch neue Kredite ersetzt werden. Durch diese CLO-Transaktion wurde der Grundsatz I der IKB entlastet und gleichzeitig die Kernkapitalquote um ca. 0,5 % erhöht. Für die mittelständischen Kunden bedeutet dies, dass die IKB zusätzliches Potential für die Vergabe von (Förder-)Krediten an mittelständische Unternehmen hat. Bis Mitte 2006 folgten 14 weitere PROMISE-Transaktionen für eine Reihe von Kreditportfolien verschiedener Banken. Insgesamt wurden auf dieser Plattform deutsche Mittelstandsrisiken von € 17,6 Mrd. verbrieft. Diese Entwicklung wurde getrieben von der Suche der Banken nach Risikoentlastung vor dem Hintergrund der strenger werdenden Eigenmittelunterlegungsanforderungen für Kreditrisiken nach Basel II. Verglichen mit den Verbriefungsvolumina im klassischen Bereich wirkt diese Größenordnung noch relativ klein. Gleichwohl handelt es sich hierbei um eine bedeutende Innovation, weil hiermit Haftungskapital zur Verfügung gestellt wird. Die Initiatoren von PREPS (Preferred Pooled Shares) nutzten die Möglichkeit zur Verbriefung von Mittelstandsrisiken und kombinierten sie mit einem standardisierten Genussschein. Die Idee, einen Genussschein zu standardisieren und damit Kapital nachfragende Mittelständler und Investoren zusammen zu bringen, war nicht neu, hatte sich jedoch nie durchsetzen können. Durch die innovative Verbriefungsplattform PREPS konnten sowohl die Bedürfnisse der mittelständischen Unternehmen, Investoren sowie der Kreditinstitute befriedigt werden. Der Erfolg war so groß, dass in den Folgejahren von nahezu allen Wettbewerbern ähnliche Plattformen entwickelt wurden. Mittlerweile ist Programm-Mezzanine ein etabliertes Finanzierungsinstrument des gehobenen Mittelstands. Ob und inwieweit sich diese Finanzierungsform dauerhaft am Markt wird etablieren können kann erst nach vollständigem Abschluß mehrerer Transaktionen beurteilt werden. Die erste Transaktion, PREPS 2004, läuft jedoch erst im Jahr 2011 aus. Der langfristige Erfolg von Programm-Mezzanine lässt sich erst nach Auslaufen der ersten Transaktionen beurteilen, d.h. frühestens im Jahr 2011! Im Folgenden wird einleitend die Produktinnovation PREPS und das sich in den Folgejahren rasch entwickelnde Angebot an Programm-Mezzanine beschrieben. Daran anknüpfend werden Chancen und Risiken aus Unternehmer- , Investoren- und Bankensicht analysiert und die Bedingungen aufgezeigt, die erfüllt sein müssen, damit Programm-Mezzanine im internen Ratingprozess der Banken ratingverstärkend als wirtschaftliches Eigenkapital berücksichtigt wird. Danach wird die Stabilität der bisherigen Transaktionen aufgezeigt, indem die Auswirkungen insolventer Nutzer von Programm-Mezzanine auf die jeweiligen Transaktionen aufgezeigt und die daraus abgeleiteten Reaktionen der Anbieter von Programm-Mezzanine dargestellt werden. Abschließend erfolgt eine kurze Zusammenfassung und ein Ausblick auf zukünftige Transaktionen. Lernziele Ziel dieses Beitrages ist es, dass der Rating-Analyst • die Merkmale von Programm-Mezzanine kennt, • Programm-Mezzanine aus verschiedenen Perspektiven beurteilen kann,
346
6 Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
• Chancen und Risiken von Programm-Mezzanine erläutern kann und • die Kriterien zur Einwertung von Programm-Mezzanine als wirtschaftliches Eigenkapital im internen Rating-Prozess der Banken kennt und in der Lage ist diese anzuwenden.
6.3.2
Entwicklung, Charakteristika und Chancen-Risikoprofil von Programm-Mezzanine
6.3.2.1
Produktinnovation Preferred Pooled Shares (PREPS)
2004 entwickelte die Capital Efficiency Group, einer Gruppe ehemaliger Investmentbanker, mit PREPS eine innovative Verbriefungsplattform, die mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit bietet, nachrangiges Kapital indirekt über den Kapitalmarkt aufzunehmen. Ermöglicht wurde dies durch eine Verbriefungsstruktur (Collateralized Debt Obligation). Im Rahmen des Programms nimmt jedes Unternehmen auf der Basis eines standardisierten Genussscheinvertrags nachrangiges, festverzinsliches Kapital auf, welches teilweise zusätzlich gewinnabhängig verzinst wird. Nach einer Laufzeit von 7 Jahren ist es endfällig rückzahlbar. Über eine Zweckgesellschaft werden die Genussrechte zu einem Portofolio gebündelt und anschließend am Kapitalmarkt durch die Ausgabe von gerateten (synthetischen) Anleihen refinanziert. Die Auswahl der Unternehmen erfolgt mittels Moody’s KMV RiskCalc™, einem Bilanzratingtool. Hierbei handelt es sich um eine statistische Einschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit. Zu einem vollständigen Rating fehlen wesentliche Merkmale wie Managementbeurteilung und Marktstellung des Unternehmens. Bei dem Marktführer von Programm-Mezzanine, PREPS, wird mittels Moody’s RiskCalc™ lediglich ein Bilanzrating, nicht jedoch ein vollständiges Rating eingesetzt! Ansprechpartner für das Unternehmen, das Programm-Mezzanine zeichnet, ist normalerweise ein Financial Advisor einer ausländischen Zweckgesellschaft. Hierbei handelt es sich in der Regel um deutsche Gesellschaften, die sich auf mittelständische Finanzierungsfragen spezialisiert haben. Der Financial Advisor ist in der Portfolioaufbauphase zuständig, geeignete Unternehmen auszuwählen und zur Investition vorzuschlagen. Während der Laufzeit übernimmt er die Betreuung der Unternehmen, das sogenannte Monitoring. Umfang und Art der Informationen, die ein Unternehmen liefern muss, unterscheiden sich von Programm zu Programm. Im Normalfall beschränken sie sich auf die Bereitstellung von Unterlagen, die ohnehin regelmäßig aufbereitet werden müssen, wie Jahresabschlüsse etc. Diese bilden die Grundlage für das Rating, das normalerweise einmal pro Jahr durch eine anerkannte Ratingagentur durchgeführt wird. Tritt eine erhebliche Verschlechterung des Ratings ein, können Sanktionen erlassen werden, sofern diese im Genussrechtsvertrag vorgesehen sind. Diese reichen von der Verpflichtung zusätzliche Unternehmensinformationen zur Verfügung zu stellen, über die Einbindung eines sogenannten Recovery Advisors, der die ausländische Einzweckgesellschaft über Status Quo und Handlungsmöglichkeiten informiert, bis zum Verkauf der Genussrechte an Drittinvestoren. Diese Maßnahmen sollen es den Portfoliogläubigern ermöglichen, auf negative Entwicklungen zu reagieren.
6.3 Programm-Mezzanine zur Steigerung des wirtschaftlichen Eigenkapitals
347
Die Portfoliobildung führt dazu, dass das Portfoliorisiko geringer ist als das addierte Risiko der einzelnen Finanzierungen (isoliert betrachtet). Hieraus resultiert eine günstigere Bepreisung des einzelnen Genussscheins. Die mit dem Portfolio generierten Cash Flows werden nach dem Wasserfallprinzip strukturiert, so dass unterschiedliche Risikoprofile der zur Refinanzierung eingesetzten Anleihen entstehen, die durch die Emissionsbanken am Kapitalmarkt platziert werden. Während die mit AAA-geratete Tranche in der Verzins- und Rückzahlungsrangfolge als erste aus den Zins- und Tilgungs-Cash Flows der Genussscheine bedient wird (somit das geringste Risiko trägt und dafür auch die niedrigste Risikoprämie erhält), ist die Risikoprämie für die sogenannte Equity-Tranche/Junior-Tranche (die als letzte aller Tranchen bei der Bedienung von Zinsen und Tilgungen berücksichtigt wird) entsprechend deutlich höher. Den Investoren wird somit die Möglichkeit gegeben, in den gehobenen Mittelstand diversifiziert zu investieren, was bisher über den Kapitalmarkt nur beschränkt möglich war. Die Namen der in dem Portofolio zusammengefassten mittelständischen Unternehmen werden veröffentlicht, d.h. kein „blind pool“. Die einzelnen Emissionen werden von Ratingagenturen benotet. Die Wertpapiere sind an der Luxemburger Börse oder der Irish Stock Exchange notiert. Mittlerweile wurden 5 Transaktionen platziert, wobei bei der letzten Transaktion nicht nur deutsche und österreichische Unternehmen, sondern zusätzlich auch Unternehmen aus der Schweiz, Italien und Belgien einbezogen wurden. Im Rahmen der laufenden Betreuung wird das Unternehmen regelmäßig geratet. Ein Ratingherabstufung kann dazu führen, dass der Recovery-Manager mit der vorzeitigen Veräußerung des Engagements beauftragt wird. Die Beauftragung des Recovery-Managers soll möglichen Interessenkonflikten zwischen besicherten Kreditgläubigern und unbesicherten Mezzanine-Gebern vorbeugen. Heat 3
Smart Mezzanine Equindes 2 Stage Mezzanine Preps 5 Heat 2 CB Mezzcap Equinotes 1
Heat 1 Preps 3
220
313
1.178
Preps 2
Preps 1
616
249
249
Pr eps 4
371
360
1.758
200 2.129
280
321
176 2.929
Puls 1 260
220 3.365
Preps 5
4.045,5
196,5 3.585
314
264 3.785
3.109
2.608
2.328
1.398
865
Markt Volumen (in Mi o. Euro )
Abb. 6.3-1: Programm-Mezzanine seit 2004
6.3.2.2
Marktüberblick Programm-Mezzanine
Nach dem fulminanten Produktstart von PREPS entwickelten nahezu alle Großbanken (Ausnahme: Dresdner Bank AG, die weiterhin Individual-Mezzanine anbietet) ähnliche Produkte (siehe Abb 6.3-1 und Tabellen 6.3-1 und 6.3-2). Wesentliche Differenzierungsmerkmale sind:
> 25 Baa3 7 7,00 – 8,50 % ca. 3,5 %
Ja Ja Portfolio HGB RiskCalc
Einzelinvestment (Mio.€)
Mindestumsatz (Mio.€) Mindestrating Laufzeit (Jahre) Basisvergütung
Ergebnisabhängigkeit Verlustbeteiligung Valutierung Eigenkapitalausweis Ratingtool
teilweise nein Portfolio – RiskCalc
> 25 Baa3* 7 6,25 – 7,00 % ca. 3,5 % teilweise Nein Portfolio – RiskCalc
ca. 4 %
> 50 Baa3 7 6,9 %
ja ja einzeln HGB E.Hermes
ca. 3,5 %
> 125 Invest.-grade 8 ab 7,5 %
5 – 50
DZ Bank
CEG, Hypovereinsbank 3 – 13
ge|mit
PREPS
Teilweise Nein Portfolio – RiskCalc
ca. 4 %
? Baa3 7 6,5 – 8,0 %
5 – 15
HSBC
H.E.A.T.
nein nein Portfolio – RiskCalc
> 25 BB7 6,25 – 9,75 % var.
2 – 15
Merrill Lynch
PULS
* Es sind auch sub-investmentgrade Finanzierungen zu angepassten Konditionen und Volumen möglich Quelle: Potthoff, Handelsblatt vom 15.02.2006, 25 (25), Dentz, Finance Juli/August 2005, 58 (60 ff.); http://www.peopleanddeals.de.
Einmalkosten
2 – 15
Initiatoren 2 – 15
equiNotes Typ A Typ A* IKB, Deutsche Bank
Tab. 6.3-1: Übersicht Programm-Mezzanine (I)
< 50 Baa3 7 7,00 – 8,65 % zw. 3,4 und 3,8% ja ja Portfolio HGB RiskCalc
3,5 – 15
> 50 Baa3 7 6,30 – 8,30 % zw. 3,4 und 3,8% Nein Nein Portfolio RiskCalc
3,5 – 15
CB MezzCap Var. A Var. B CoBa
348 6 Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
? BB8 ab 8,5 %
> 10 Ba3 7 7,00-9,75 % plus 0 – 2 % 4,0 % teilweise (fix + var.) nein Portfolio – RiskCalc nein Portfolio – DSGV
? ?
NordLB 1–7
WestLB 1–5
MittelstandsMezzanine i
nein einzeln – E.Hermes
? ?
> 10 (nur Bayern) BB 5–8 7,5 –13 %
Bayern Mezzaninefonds ndividuell BayernLB 0,75 – 5 > 50 Baa3 8 6,0-7,0 % plus 1,5 % ? teilweise (fix + var.) nein einzeln – RiskCalc
Smart-Mezzanine Typ 1 LBBW, HSH, Haspa 2 – 15
Quelle: Potthoff, Handelsblatt vom 15.02.2006, 25 (25), Dentz, Finance Juli/August 2005, 58 (60ff.); http://www.peopleanddeals.de.
Verlustbeteiligung Valutierung Eigenkapitalausweis Ratingtool
Einmalkosten Ergebnisabhängigkeit
Initiatoren Einzelinvestment (Mio. €) Mindestumsatz (Mio. ) Mindestrating Laufzeit (Jahre) Basisverg tung
S-Mezzanine
Tab. 6.3-2: Übersicht Programm-Mezzanine (II)
ja einzeln HGB RiskCalc
? ja
> 50 Baa3 8 8,5 – 9,5 %
2 – 15
Typ 2
6.3 Programm-Mezzanine zur Steigerung des wirtschaftlichen Eigenkapitals 349
350 • • • • •
6 Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
Ratingverfahren (Moody’s KMV RiskCalc™, Euler Hermes oder DSGV) Investmentgrade (nur Investmentgrade vs. zusätzlich Non-Investmentgrade) Verlustbeteiligung (ohne Verlustbeteiligung vs. mit Verlustbeteiligung) Bepreisung (ratingabhängig vs. ratingunabhängig) Refinanzierung (vollständig vs. teilweise Refinanzierung über den Kapitalmarkt)
Alle Programme haben den Recovery-Mechanismus übernommen. Die Anbieter von Programm-Mezzanine haben sich in den jeweiligen Programmen für unterschiedliche Ausprägungen entschieden, was auch die Preisunterschiede erklärt. In der Startphase haben die Anbieter keine Zwischenfinanzierung übernommen, was nunmehr Marktstandard ist. 6.3.2.3
Chancen und Risiken von Programm-Mezzanine
Die wesentlichen Vorteile standardisierter Genussrechtsprogramme aus Unternehmersicht lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Zuführung wirtschaftlichen Eigenkapitals: Mezzanine-Kapital wird bei entsprechender Ausgestaltung im internen Ratingprozess der Kreditinstitute als wirtschaftliches Eigenkapital und somit ratingverstärkend eingesetzt, ohne das damit eine Kapitalverwässerung der bestehenden Gesellschafter verbunden ist. • Niedrige Finanzierungskosten: Aufgrund der hohen Standardisierung (des jeweiligen Genussscheinprogramms, des Auswahlprozesses und des Portfolioeffekts) liegen die Finanzierungskosten deutlich unter denen individuell strukturierter Mezzanine-Finanzierungen. • Keine Sicherheitenstellung: Die Aufnahme von Programm-Mezzanine erfolgt ohne die Stellung von Sicherheiten. • Dynamisches Unternehmenswachstum: Mit Mezzanine-Kapital finanzierte Unternehmen agieren dynamischer und erfolgreicher als Vergleichsunternehmen.1 • Diversifizierung der Finanzierungsstruktur: Die Finanzierung wird insgesamt auf eine breitere Basis gestellt und somit die Abhängigkeit von den Kreditinstituten verringert. • Indirekter Zugang zum Kapitalmarkt: Mittelständische Unternehmen hatten bislang keinen Zugang zum Kapitalmarkt aufgrund der geringen Losgröße, der darauf folgenden geringen Liquidität sowie der Individualisierung der Anforderungen. Durch ProgrammMezzanine erhalten mittelständische Unternehmen indirekten Zugang zum Kapitalmarkt und erhöhen somit ihren Bekanntheitsgrad bei den Investoren. Allerdings sind aus Unternehmersicht auch einige Nachteile mit der Aufnahme von Programm-Mezzanine verbunden: • Keine Aufnahme von echtem Eigenkapital: Der derzeitige Boom an Programm-Mezzanine hat dazu geführt, dass mittelständische Unternehmen die Aufnahme von echtem Ei1
Eine von der IKB Deutsche Industriebank durchgeführte Auswertung der Jahresabschlüsse 2002 – 2004 von 420 Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes belegt diesen Effekt. Vgl. Guthoff, Markus: Macht Mezzanine überlegen? Eine empirische Analyse, in: BankPraktiker 02/2006, S. 70 – 73.
6.3 Programm-Mezzanine zur Steigerung des wirtschaftlichen Eigenkapitals
351
genkapital (weiterhin) vermeiden und somit das Problem der zu niedrigen Eigenkapitalausstattung nicht nachhaltig gelöst wird. • Fehlender Sekundärmarkt: Bislang existiert kein Sekundärmarkt für die Genussscheine als solche, so dass diese nach dem Ende der Laufzeit weiter gehandelt werden können. Aus Bankensicht ist Programm-Mezzanine aus mehreren Gründen relevant, da ihre Funktion als Kreditgeber und/oder als Originator tangiert ist: • Verbesserung der Risikoposition: Aus der Perspektive vorrangig besicherter Kapitalgeber kann Mezzanine-Kapital als Eigenkapitaläquivalent betrachtet werden, da es im Insolvenzfall stets erst nach der Bedienung der eigenen Ansprüche berücksichtigt wird. Eine Studie des Beratungsunternehmens Mercer Oliver Wyman belegt, dass die Aufnahme von Mezzanine-Kapital zu einer Reduzierung der Ausfallwahrscheinlichkeit des Unternehmens und einer verbesserten Risikoposition der vorrangigen Gläubiger führt.2 • Einmalige und laufende Gebührenerzielung: Für ihre Funktion als Originator erhalten die Kreditinstitute, die mit der Vermittlung von Programm-Mezzanine – abgesehen von einer Zwischenfinanzierung bis zur Platzierung des Portfolios – kein Risiko auf die eigene Bilanz nehmen, eine einmalige (up front) und eine laufende Gebühr, sofern das Rating des vermittelten Unternehmens im Investmentgradebereich verbleibt. Einschränkend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Kreditinstitute, die Programm-Mezzanine über ihre 100 %igen Tochtergesellschaften ausreichen, auch Anteile an den JuniorTranchen halten, die entsprechend risikobehaftet sind. Die Investorensicht stellt sich wie folgt dar: • Assetklasse Mittelstandsrisiko: Durch die Strukturierung der Cash Flows nach dem Wasserfallprinzip erhalten die Investoren neue Investitionsmöglichkeiten, die ihnen bislang nicht zur Verfügung standen. Diese Tranchierung führt dazu, dass Investoren in Cash Flows von mittelständischen Unternehmen investieren können, wobei ihnen eine direkte Investition in das einzelne Unternehmen aufgrund ihrer Investmentrichtlinien nicht möglich wäre. • Risiko-Rendite-Verhältnis: Im Vergleich zu den PROMISE-Transaktionen erzielen die Investoren bei Programm-Mezzanine höhere Renditen. Diese Zusatzrendite ist jedoch auch in einem höheren Risiko begründet, da Programm-Mezzanine verglichen mit den PROMISE-Transaktionen eine deutlich niedrigere Granularität aufweisen. Allerdings liegen bislang keine Erfahrungen darüber vor, ob die Transaktionen richtig strukturiert und bepreist sind.
6.3.3
Programm-Mezzanine als wirtschaftliches Eigenkapital
Programm-Mezzanine wird in der Regel von den Unternehmen mit dem Ziel eingesetzt, das wirtschaftliche Eigenkapital zu steigern, um das aktuelle Rating zu erhalten oder zu verbessern. Im Folgenden wird der von den Banken entwickelte Kriterienkatalog dargestellt, um 2
Vgl. Mercer Oliver Wyman: Mezzanine funding for middle-market companies, London, Juli 2006.
352
6 Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
Programm-Mezzanine im internen Ratingprozess als wirtschaftliches Eigenkapital zu berücksichtigen. Daran anknüpfend wird (soweit aus heutiger Sicht möglich) die Stabilität der bisherigen Transaktionen beurteilt. 6.3.3.1
Programm-Mezzanine im internen Ratingprozess der Banken
Mit dem Marktzutritt neuer Anbieter wurde das Angebot für potenzielle Mezzanine-Nehmer deutlich differenzierter, gleichzeitig jedoch wenig überschaubar. Da viele Unternehmen die Aufnahme von Mezzanine-Kapital insbesondere zur Bilanzstrukturoptimierung in Erwartung einer Ratingverbesserung bzw. zur Erweiterung des Finanzierungsspielraums einsetzten, ist es notwendig vorab Klarheit über die Beurteilung der angebotenen Produkte durch die Kreditinstitute im Rahmen ihrer internen Ratingverfahren zu erlangen. Bislang besteht jedoch keine Transparenz hinsichtlich der Kriterien, die erfüllt sein müssen so dass das eingesetzte Mezzanine-Kapital als wirtschaftliches Eigenkapital vom jeweiligen Kreditinstitut anerkannt wird und somit ratingverstärkend wird. Der „Arbeitskreis Mittelstandsfinanzierung“3 der Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD) hat daher einen Kriterienkatalog entwickelt, die erfüllt sein müssen, damit Mezzanine-Kapital als wirtschaftliches Eigenkapital anerkannt wird (s. Abb. 6.3-2). Ja
Kriterium Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung erfüllt?
Nein
Ja
Kriterium Kündigungsrechte erfüllt?
Nein
Kriterium Nachrangigkeit erfüllt?
Nein
Ja
Kredit
Nachrangdarlehen
Weitere Kriterien, deren Erfüllung eine zunehmende wirtschaftliche Eigenkapitalqualität zur Folge haben kann: Ausgestaltung/Fälligkeit der Vergütung?
zunehmende wirtschaftliche Eigenkapitalqualität
Verlustteilnahme? Abb. 6.3-2: Beurteilung von Mezzanine-Kapital im internen Ratingverfahren der Kreditinstitute
Die an dem IFD beteiligten Kreditinstitute ziehen grundsätzlich zunächst drei Kriterien zur Bestimmung der wirtschaftlichen Eigenkapitalqualität von Mezzanine-Kapital heran: Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung, Kündigungsrechte sowie Nachrangigkeit. Wenn alle diese Kriterien erfüllt sind, dann wird das Mezzanine-Kapital als Nachrangdarlehen bzw. 3
Folgende Mitglieder arbeiten im AK Mittelstandsfinanzierung mit: Allianz/Dresdner Bank AG, Bundesverband deutscher Banken e.V., Bayerische Landesbank, Bundesministerium der Finanzen, Bundesverband der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Commerzbank AG, DekaBank, Deutsche Bank AG, Deutsche Börse AG, Deutsche Bundesbank, DZ-Bank AG, Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband, Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V., GDV, HVB Group, KfW Bankengruppe, Morgan Stanley Bank AG, Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG, Deutsche Postbank AG.
6.3 Programm-Mezzanine zur Steigerung des wirtschaftlichen Eigenkapitals
353
wirtschaftliches Eigenkapital in die individuellen Ratingverfahren der Institute eingeordnet. Wenn eines der genannten Kriterien nicht erfüllt ist, dann wird das Mezzanine-Kapital als Fremdkapital, d.h. als normaler Kredit eingestuft. Im Folgenden werden die drei Kriterien näher spezifiziert: • Längerfristigkeit: In der Regel werden Mindestlaufzeiten von fünf bis sieben Jahren verlangt. Die geforderte Restlaufzeit liegt bei den meisten Instituten zwischen größer einem und zwei Jahren. Einige Institute verlangen zudem, dass die Restlaufzeit des Mezzanine-Kapitals die der eigenen Kredite an das Unternehmen wesentlich übersteigt. • Kündigungsrechte: Im Mezzanine-Vertrag dürfen keine ordentlichen Kündigungsrechte vereinbart sein. Insbesondere eine Kündigung aufgrund der Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder eines Zahlungsverzugs darf nicht ohne weiteres möglich sein. Des Weiteren dürfen keine Financial Covenants vereinbart werden, die z.B. die Kündigung bei Nichteinhaltung bestimmter Unternehmenskennzahlen ermöglichen. Kündigungsrechte bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse (z.B. Nichtzahlung von Zinsen) können jedoch dann unschädlich sein, wenn die Situation des Unternehmens in einer bestehenden Krise dadurch nicht verschärft wird, z.B. durch ausreichend lange Stundungsfristen. Das Bestehen weiterer außerordentlicher Kündigungsrechte – z.B. wegen Verletzung von Informationspflichten oder Wechsel im Gesellschafterkreis – erachten viele Kreditinstitute dagegen als unschädlich. • Nachrangigkeit: Die meisten Kreditinstitute fordern eine Nachrangklausel, die sich zumindest auf den Fall der Insolvenz bezieht. Die Nachrangigkeit von Mezzanine-Kapital gegenüber bevorrechtigten Gläubigern muss für das Kapital- bei vielen Kreditinstituten auch für Zinsen – unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Nachrangklausel zu jeder Zeit gegeben sein. Nachrangigkeit bedeutet auch, dass Mezzanine-Kapital nicht besichert ist. Einige Kreditinstitute verlangen zusätzlich zu den drei o.g. Kriterien die Erfüllung weiterer Kriterien, damit in Abhängigkeit von deren Ausgestaltung dem Mezzanine-Kapital in den Ratingverfahren eine zunehmende wirtschaftliche Eigenkapitalqualität beigemessen werden kann. Hierbei sind zum Beispiel zu nennen: • Ausgestaltung /Fälligkeit der Vergütung: Die Vergütung kann so ausgestaltet werden, dass im Falle einer solchen Geschäftsentwicklung die Bedienung des Mezzanine-Kapitals ganz oder teilweise gestundet wird, um den Cash Flow zu entlasten und so die ungünstige Unternehmenssituation zu entschärfen. Als konkrete Kriterien kommen hierfür in Betracht: – Eine Zinsstundung im Krisenfall, die später bei Besserung der Situation nachzuholen ist. – Ausreichende Stillhalteperioden, um dem Unternehmen eine Lösung der Krise mit den bevorrechtigten Gläubigern zu ermöglichen, bevor die Mezzanine-Gläubiger reagieren. – Abhängigkeit der Vergütungszahlungen von vorhandenen freien Eigenkapitalbestandteilen (z.B. Ausweis eines Bilanzgewinns). – Ein hoher Anteil variabler Vergütung, die an den Erfolg des Unternehmens – beispielsweise gemessen am Jahresüberschuss – gekoppelt ist.
354
6 Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
• Verlustteilnahme: Durch eine Teilnahme des Mezzanine-Gebers am Verlust des Unternehmens schützt das Mezzanine die gesamte Kapitalbasis und trägt damit zur Vermeidung einer bilanziellen Überschuldung bei. Eine mögliche ratingstärkende Beurteilung anhand der vorgestellten Kriterien ist somit unabhängig davon, ob das Mezzanine nach HGB oder IFRS als bilanzielles Eigenkapital anerkannt wird! Sofern ein Unternehmen die Aufnahme von Mezzanine-Kapital in Erwägung zieht sollte es vorher mit seinen Hausbanken klären, (i) welche konkreten Anforderungen sie hinsichtlich der Kriterien Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung, Kündigungsrechte sowie der Ausgestaltung der Nachrangigkeit stellen, (ii) ob sie noch weitere Kriterien heranziehen und (iii) ob das Mezzanine-Kapital je nach Ausgestaltung in vollem Umfang oder nur zu einem Bruchteil4 für das Rating angerechnet wird. 6.3.3.2
Stabilität bisheriger Transaktionen
Bislang sind alle Transaktionen von Programm-Mezzanine stabil gelaufen. Dennoch haben einige Insolvenzen für Unruhe bei den Marktteilnehmern gesorgt: Neben dem Plüschtierhersteller Nici AG, dem Softwarehaus Krystaltech Lynx, dem Modehaus Hucke AG, dem Automobilzulieferer ISE musste der Schuhhersteller Erich Rohde KG Insolvenzantrag stellen (siehe Tabelle 6.3-3). Tab. 6.3-3: Insolvente Nutzer von Programm-Mezzanine Unternehmen Nici AG
Branche Gaming, Leisure & Entertainment
Insolvenz 05/2006
Krystaltech Lynx Europe GmbH Hucke AG
Electronics
07/2006
Textiles and Leather Automobiles
12/2006 01/2007
Shoes
03/2007
Textiles
06/2007
ISE Innomotive Systems Europe GmbH Erich Rohde KG
Freshtex International TextileService GmbH
Programm (closing date) CB MezzCap I (04.04.2006) FORCE 2005-1 (07.12.2005) PREPS 2004-2 (21.11.2004) PREPS 2005-1 (19.07.2005) H.E.A.T. I (08.08.2005)
Exposure € 10 Mio. € 10 Mio. € 10 Mio. € 10 Mio. € 3 Mio.
Exposure % 5,01 % 2,70 % 1,62 % 3,19 % 1,36 %
H.E.A.T. I (08.08.2005) PULS 2006-1 (30.06.2006) FORCE 2005-1 (07.12.2005) StaGe Mezzanine (22.06.2006) PREPS 2004-2 PREPS 2005-2 CB MezzCap PREPS 2005-1 PREPS 2005-2
€ 5 Mio. n.b. n.b. € 10 Mio.
2,3 % n.b. n.b. n.b.
n.b. n.b. € 15 Mio. n.b n.b.
n.b. n.b. 7,92 % n.b. n.b.
Quelle: Finance, Structured Finance International Juli/August 2006.
4
Moody’s KMV und Mercer Oliver Wyman empfehlen einen Ansatz in Höhe von 75 %. Da Moody’s in seinen eigenen Modellen kein wirtschaftliches Eigenkapital abbildet, erfolgt die Erfassung beim Rating im RiskCalcModell von Moody’s für alle im deutschen Markt befindlichen Mezzanine-Programme aufgrund ihrer wirtschaftlichen Gleichheit einheitlich mit 50 %.
6.3 Programm-Mezzanine zur Steigerung des wirtschaftlichen Eigenkapitals
355
Die Insolvenz der 1986 gegründeten Nici AG wurde am Markt stark beobachtet, zumal sie lange Zeit als Vorzeigeunternehmen galt. Zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags hatte das Unternehmen ca. 580 Mitarbeiter, darunter viele Familienmitglieder. Dem langjährigen Firmenchef gehörten 36 %, seiner Familie und Verwandten insgesamt 88 %. Die Belegschaft hatte in die nicht börsennotierte AG selbst 6 Millionen Euro investiert. Das Unternehmen hat in vier Transaktionen Mezzanine-Kapital aufgenommen. Betroffen sind diverse Tranchen von drei verschiedenen Genussrechtsprogrammen (siehe Tabelle 6.3-3: Genussscheinfinanzierungen der Nici AG). Der Anteil der Nici AG am Gesamtportfolio reicht von 1,6 bzw. 3,2 Prozent (PREPS) über 2,7 Prozent (equinotes) bis hin zu 5 % bei CB MezzCap. Insbesondere die CB MezzCap-Investoren hätte der Ausfall von € 10 Mio. hart getroffen. Notgedrungen kaufte die Commerzbank die Nici-Tranche für € 8,5 Mio. (85% des Nominalwertes) aus dem Genussscheinprogramm heraus. Moody’s bestätigte daraufhin seine Ratings für den Genussscheinfonds. Die Zahlungsunfähigkeit der Nici AG ist allerdings nicht – wie von der Unternehmensleitung zunächst behautet – durch den schwachen Absatz des WM-Maskottchens Goleo, sondern vielmehr durch Bilanzbetrug (Scheinrechnungen mit Großabnehmern in Höhe von insgesamt € 55,127 Mio., die an Factorierung-Gesellschaften für € 40,5 Mio. veräußert wurden, um den aggressiven Expansionskurs und die exklusiven Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter zu finanzieren) ausgelöst. Der Firmengründer und frühere Vorstandschef Ottmar Pfaff, gegen den die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Verdachts des besonders schweren Betrugs eingeleitet hatte, legte zum Prozessauftakt ein umfassendes Geständnis ab. Sein Handeln begründete Pfaff mit nicht erfüllten Unternehmenszielen. Es habe nicht der persönlichen Bereicherung, sondern insbesondere zur Vermeidung von Entlassungen gedient. Das Landgericht Hof verurteilte Pfaff wegen Betrugs in 10 Fällen und Bilanzfälschung zu 6 ½ Jahren Haft. Im Dezember 2006 wurde Nici von der amerikanischen Fondsgesellschaft Strategic Value Partners (SVP) übernommen. Der Reutliner IT-Hersteller und PC-Hersteller Krystaltech Lynx Europe GmbH musste aufgrund starker Umsatzeinbrüche im Handelsgeschäft und damit einhergehender drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag stellen. Außerdem hatten die Hausbanken Ende Mai 2006 die Kreditlinien gekündigt. HSBC (Anbieter von HEAT) rechnet mit einer RecoveryQuote durch den Verkaufserlös. Auswirkungen auf das Rating der HEAT-Tranchen wurden bislang nicht bekanntgegeben. Das im General Standard der Frankfurter Börse notierte Modeunternehmen Hucke AG war in eine Existenz bedrohende Liquiditätssituation geraten. Eine umfassende Sanierung im Rahmen einer Insolvenz in Eigenregie schien dem Vorstand daher unumgänglich. Nach der Bekanntgabe brach der Aktienkurs dramatisch ein. Das im Februar 2007 eröffnete Insolvenzverfahren wird in Eigenverwaltung durchgeführt. Von den knapp 500 Arbeitsplätzen werden kurzfristig 273 gestrichen. Die MHB-Bank stellt einen Massekredit zur Verfügung, um den Sanierungskurs fortzusetzen. Mit der Insolvenz des Automobilzulieferers ISE Innomotive Systems Europe GmbH (ISE) wurde erstmalig die Bonität einer deutschen Verbriefung mittelständischer Genussrechte herabgestuft. Betroffen war eine Tranche von Stage Mezzanine, einer Transaktion von WestLB und BayernLB, deren Note um zwei Stufen auf A3 fiel. ISE hatte Genussrechte in
356
6 Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
Höhe von € 10 Mio. aufgenommen; das gesamte verbriefte Portfolio hatte ein Volumen in Höhe von € 176. Im Juni 2007 wurde ISE vom österreichischen Autozulieferer Polytec Holding AG übernommen. Von der Insolvenz des Schuhfabrikanten Erich Rohde KG sind drei Mezzanine-Programme, die Rohde ein Kapital von rund € 40 Mio. zur Verfügung gestellt haben. Die Krise wurde mit hohen Abfindungen an etwa 1.000 der 1.350 in Portugal beschäftigten Mitarbeiter sowie dem schlechten Verkauf der Winterkollektion wegen der zu warmen Witterung begründet. Es war geplant das Werk in Portugal einzustellen und die Fertigung in den asiatischen Raum zu verlagern. Am 31.05.2007 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Marburger Landgericht hat Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Rohde KG eingeleitet. Gegen den 72-jährigen Seniorchef, Friedrich Wilhelm Schmitt, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Bilanzfälschung, Betrug und betrügerischem Bankrott. Dem ermittelten Staatsanwalt gestand Schmitt die Bilanzmanipulation, wofür der die alleinige Verantwortung zu tragen habe. Der Unternehmensbetrieb ist zunächst gesichert, da die Europäische Union im Juni 2007 eine Landesbürgschaft befürwortet hat. Die Insolvenzen der Rohde KG und der Nici AG führten zu einem Ratingdowngrade von zwei Tranchen des CB MezzCap-Programms. Im Juni 2007 meldete die Freshtex International Textile-Service GmbH, ein Tochterunternehmen der Heilbronner Alt-Gruppe, Insolvenz an. Die Hauptursache für die Notlage sind umfangreiche Investitionen, die in den vergangenen Jahren nötig waren, um der Textilindustrie immer wieder in neue Produktionsländer zu folgen. Im Geschäftsjahr 2004 hat Freshtex diese Investitionen noch verkraftet, im Jahr 2005 haben sich die Werte aber verschlechtert. 2006 ist schließlich ein Verlust in zweistelliger Millionenhöhe angefallen. In den vergangenen Wochen hat sich das Unternehmen bereits um einen Investor bemüht. Fraglich ist somit, ob die rein quantitativen Ratingverfahren als Auswahlkriterium für die Genussscheinprogramme geeignet sind. Deshalb ist die – je nach Programm in sehr unterschiedlicher Form durchgeführte – qualitative Bewertung von großer Bedeutung. Das Spektrum reicht von der Auswertung qualitativer Erfassungsbögen durch wissenschaftliche Institute bis zur klassischen Kreditbewertung durch einen bankeigenen Firmenbetreuer. Da es sich bei der Insolvenz der Nici um einen Betrugsfall handelt wird das quantitative Ratingverfahren nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Allerdings wird deutlich, dass die Zersplitterung des Markts in zu viele Programme für Investoren nachteilig sein kann, da die Bedeutung einzelner Investments für das jeweilige verbriefte Portfolio zu groß werden kann. Einige Anbieter von Mezzanine-Programmen wollen daher den wiederholten Zugriff verbieten. Ähnliches ist auch aus dem Kreis der Investoren zu hören, die schon länger mehr Informationen über die Unternehmen in den Genussschein-CDOs fordern. 6.3.3.3
Ausblick auf zukünftige Transaktionen
In den vergangenen Jahren hat sich das Angebot an Programm-Mezzanine rasant entwickelt, so dass nunmehr ein harter Wettbewerb zwischen den Programmen herrscht. Dies führt dazu, dass viele Anbieter von Programm-Mezzanine ihre Mindestanforderungen senken: Die Mindestgrößen (z.B. Umsatz) werden kleiner, einige Programme nehmen nunmehr auch bonitätsschwache Unternehmen auf (d.h. Unternehmen, die dem Noninvestmentgrade zugeordnet werden) und Unternehmen wird der wiederholte Zugriff auf das jeweilige Programm zugelassen.
6.3 Programm-Mezzanine zur Steigerung des wirtschaftlichen Eigenkapitals
357
Die bisher am Markt beobachtbaren Insolvenzen der Nutzer von Programm-Mezzanine haben allerdings gezeigt, dass bereits eine Unternehmensinsolvenz negative Auswirkungen auf eine Tranche haben kann, die im Rahmen der Verbriefung am Kapitalmarkt platziert wurde. Entscheidend für den Erfolg einer Transaktion sind also die Größe der Transaktion, die Diversifikation und das jeweilige Einzelrisiko, zumal auch die Investoren möglichst große und granulare Portfolien präferieren. Die Mindestgröße für Programm-Mezzaninetransaktionen wird bei circa € 200 Mio. gesehen. Unter Fachleuten besteht daher Einigkeit, dass derzeit ein Überangebot an Plattformen besteht. Insofern gehen viele Anbieter davon aus, dass langfristig nur „einige“ Plattformen bestehen bleiben. Ein möglicher Lösungsansatz besteht in der Bündelung von Unternehmen über bankenunabhängige Vertriebswege. Sollte dies nicht möglich sein ist davon auszugehen, dass einige Anbieter (wie z.B. die Deutsche Bank, die zusammen mit der IKB Deutsche Industriebank das equinotes-Programm anbietet) von einer aktiven Vermarktung ihres Programms absehen werden. Obwohl der Markt deutliche Sättigungstendenzen zeigt, kommen immer wieder neue Anbieter auf den Markt: Der Finanzierungsberater ConPair bietet mit SME-Growth ein Programm an, das auf mittelständische Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens € 10 Mio., einem Kapitalbedarf zwischen € 1–5 Mio. und einem Rating von mindestens Ba3/BB- ausgerichtet ist.
6.3.4
Zusammenfassung
Zurzeit vollzieht sich ein langfristiger Wandel in der Unternehmensfinanzierung. Hierbei werden kapitalmarktorientierte Produkte zunehmend an Bedeutung gewinnen. ProgrammMezzanine ermöglicht mittelständischen Unternehmen zwar keinen direkten, jedoch einen indirekten Zugang zum Kapitalmarkt. Der große Erfolg dieser erst seit wenigen Jahren auf dem Markt angebotenen Finanzierungsform ist darin begründet, dass sie die Ziele der Unternehmen, der Banken und der Investoren erfüllen. Einschränkend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das hohe Angebot an Programm-Mezzanine zu einem aggressiven Wettbewerb geführt hat. Erst nach Auslaufen der einzelnen Transaktionen wird sich zeigen, ob die jeweilige Eigenkapital- /Junior-Tranche adäquat kalkuliert wurde oder ob bereits Senior-Tranchen (anteilig) von Verlusten betroffen waren. Zudem beseitigt die Aufnahme von ProgrammMezzanine nur temporär die niedrige Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unternehmen, da es sich eben „nur“ um wirtschaftliches, nicht jedoch um echtes Eigenkapital handelt.
6.3.5
Übungsaufgaben
Die Brüder Anton und Rudolf Maier sind Gesellschafter der seit vielen Jahren erfolgreich am Markt operierenden Maschinenbau GmbH. Zur Finanzierung des weiteren Wachstums ist eine verbesserte Eigenkapitalausstattung erforderlich. Die Aufnahme weiteren Fremdkapitals kommt indes aufgrund geringer Sicherheitsvolumina und der Bilanzstruktur nicht in Betracht. Die Brüder möchten den Charakter der Gesellschaft als Familiengesellschaft erhalten und keine neuen Gesellschafter aufnehmen. Vor diesem Hintergrund und der stetig steigenden Zahl an Programm-Mezzanine-Transaktionen erwägen die Brüder die Aufnahme von standardisiertem Genussrechtskapital.
358
6 Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht
Übungsaufgabe 1 Warum verfügen viele mittelständische Unternehmen in Deutschland über eine traditionell niedrige Eigenkapitalausstattung? Übungsaufgabe 2 Welche Merkmale müssen erfüllt sein, damit das aufgenommene Genussrechtskapital in der Bilanz der Maschinenbau GmbH als Sonderposten des Eigenkapitals ausgewiesen werden kann? Übungsaufgabe 3 Welche Kriterien müssen mindestens erfüllt sein, damit Mezzanine-Kapital im internen Ratingprozess der Kreditinstitute als wirtschaftliches Eigenkapital berücksichtigt wird? Nennen Sie die drei Kriterien, die zwingend erfüllt sein müssen und erläutern Sie ergänzende Kriterien, die für eine Berücksichtigung als wirtschaftliches Eigenkapital sprechen.
6.3.6
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
Lösung zu Übungsaufgabe 1 Gründe für die niedrige Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unternehmen in Deutschland: • Langjährige Steueranreize für Fremdkapital, • Bilanzierungsvorschriften, welche die Bildung relativ umfangreicher Rückstellungen und stiller Reserven in den Bilanzen fördern, • feste Hausbankbeziehungen, • fehlende Formulierung von Eigenkapitalzielen und • zu hohe Privatentnahmen. Lösung zu Übungsaufgabe 2 Genussrechtskapital kann in der Handelsbilanz des emittierenden Unternehmens als Sonderposten des Eigenkapitals angesetzt werden, wenn kumulativ • • • •
Nachrangigkeit gegenüber anderen Kreditgebern, eine volle Verlustbeteiligung besteht, das Kapital langfristig zur Verfügung gestellt wird und der Investor einen Anspruch auf wiederkehrende, von den Gewinnen des Emittenten abhängige Vergütungen hat
Lösung zu Übungsaufgabe 3 Die an der Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD) beteiligten Kreditinstitute ziehen grundsätzlich zunächst drei Kriterien zur Bestimmung der wirtschaftlichen Eigenkapitalqualität von Mezzanine-Kapital heran: Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung, Kündigungs-
6.3 Programm-Mezzanine zur Steigerung des wirtschaftlichen Eigenkapitals
359
rechte sowie Nachrangigkeit. Wenn alle diese Kriterien erfüllt sind, dann wird das Mezzanine-Kapital als Nachrangdarlehen bzw. wirtschaftliches Eigenkapital in die individuellen Ratingverfahren der Institute einbezogen. Wenn eines der genannten Kriterien nicht erfüllt ist, dann wird das Mezzanine-Kapital als Fremdkapital, d.h. als normaler Kredit eingestuft. Im Folgenden werden die drei Kriterien näher spezifiziert: • Längerfristigkeit: In der Regel werden Mindestlaufzeiten von fünf bis sieben Jahren verlangt. Die geforderte Restlaufzeit liegt bei den meisten Instituten zwischen größer einem und zwei Jahren. Einige Institute verlangen zudem, dass die Restlaufzeit des Mezzanine-Kapitals die der eigenen Kredite an das Unternehmen wesentlich übersteigt. • Kündigungsrechte: Im Mezzanine-Vertrag dürfen keine ordentlichen Kündigungsrechte vereinbart sein. Insbesondere eine Kündigung aufgrund der Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder eines Zahlungsverzugs darf nicht ohne weiteres möglich sein. Des Weiteren dürfen keine Financial Covenants vereinbart werden, die z.B. die Kündigung bei Nichteinhaltung bestimmter Unternehmenskennzahlen ermöglichen. Kündigungsrechte bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse (z.B. Nichtzahlung von Zinsen) können jedoch dann unschädlich sein, wenn die Situation des Unternehmens in einer bestehenden Krise dadurch nicht verschärft wird, z.B. durch ausreichend lange Stundungsfristen. Das Bestehen weiterer außerordentlicher Kündigungsrechte – z.B. wegen Verletzung von Informationspflichten oder Wechsel im Gesellschafterkreis – erachten viele Kreditinstitute dagegen als unschädlich. • Nachrangigkeit: Die meisten Kreditinstitute fordern eine Nachrangklausel, die sich zumindest auf den Fall der Insolvenz bezieht. Die Nachrangigkeit von Mezzanine-Kapital gegenüber bevorrechtigten Gläubigern muss für das Kapital – bei vielen Kreditinstituten auch für Zinsen – unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Nachrangklausel zu jeder Zeit gegeben sein. Nachrangigkeit bedeutet auch, dass Mezzanine-Kapital nicht besichert ist. Einige Kreditinstitute verlangen zusätzlich zu den drei o.g. Kriterien die Erfüllung weiterer Kriterien, damit in Abhängigkeit von deren Ausgestaltung dem Mezzanine-Kapital in den Ratingverfahren eine zunehmende wirtschaftliche Eigenkapitalqualität beigemessen werden kann. Hierbei sind bespielsweise zu nennen: • Ausgestaltung /Fälligkeit der Vergütung: Die Vergütung kann so ausgestaltet werden, dass im Falle einer solchen Geschäftsentwicklung die Bedienung des Mezzanine-Kapitals ganz oder teilweise gestundet wird, um den Cash Flow zu entlasten und so die ungünstige Unternehmenssituation zu entschärfen. Als konkrete Kriterien kommen hierfür in Betracht: – Eine Zinsstundung im Krisenfall, die später bei Besserung der Situation nachzuholen ist. – Ausreichende Stillhalteperioden, um dem Unternehmen eine Lösung der Krise mit den bevorrechtigten Gläubigern zu ermöglichen, bevor die Mezzanine-Gläubiger reagieren. – Abhängigkeit der Vergütungszahlungen von vorhandenen freien Eigenkapitalbestandteilen (z.B. Ausweis eines Bilanzgewinns) – Ein hoher Anteil variabler Vergütung, die an den Erfolg des Unternehmens – beispielsweise gemessen am Jahresüberschuss – gekoppelt ist.
360 –
6 Finanzierungsinstrumente aus Ratingsicht Verlustteilnahme: Durch eine Teilnahme des Mezzanine-Gebers am Verlust des Unternehmens schützt das Mezzanine die gesamte Kapitalbasis und trägt damit zur Vermeidung einer bilanziellen Überschuldung bei.
Eine mögliche ratingstärkende Beurteilung anhand der vorgestellten Kriterien ist somit unabhängig davon, ob das Mezzanine nach HGB oder IFRS als bilanzielles Eigenkapital anerkannt wird. Sofern ein Unternehmen die Aufnahme von Mezzanine-Kapital in Erwägung zieht sollte es vorher mit seinen Hausbanken klären, (i) welche konkreten Anforderungen sie hinsichtlich der Kriterien Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung, Kündigungsrechte sowie der Ausgestaltung der Nachrangigkeit stellen, (ii) ob sie noch weitere Kriterien heranziehen und (iii) ob das Mezzanine-Kapital je nach Ausgestaltung in vollem Umfang oder nur zu einem Bruchteil für das Rating angerechnet wird.
6.3.7
Literaturverzeichnis
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7.1 Bonitätsanalyse für die Kapitalmarktanlage
7
Credit Research und Rating
261
262
7 Credit Research und Rating
7.1 Bonitätsanalyse für die Kapitalmarktanlage
363
Klaus Holschuh 7.1
Bonitätsanalyse für die Kapitalmarktanlage
7.1.1
Einleitung
363
7.1.2
Fundamentale Bonitätsanalyse als Basis
364
7.1.2.1
CRESTA-SCORE – Der Ratingansatz im Credit-Research der DZ BANK AG
364
7.1.2.2
Von der Bonitätsanalyse zur fundamentalen Einzelwertempfehlung
366
7.1.3
Fundamentale Strategien
369
7.1.4
Relative-Value-Empfehlungen
373
7.1.5
Zusammenfassung
376
7.1.6
Übungsaufgaben
377
7.1.1
Einleitung
Bonitätsanalysen werden in Banken zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt. Sie dienen einerseits zur Vorbereitung von Kreditentscheidungen. Anhand bestimmter Entscheidungskriterien wird dabei ermittelt, ob und gegebenenfalls wie viel Kredit einem Schuldner eingeräumt werden soll. Das mit einer Bonitätseinstufung verbundene Ausfallrisiko muss dann kompensiert werden durch eine entsprechende Kreditmarge. Die kapitalmarktorientierte Bonitätsanalyse geht darüber hinaus. Sie ist die Basis und damit integraler Bestandteil des Credit-Research, das das Ziel hat, für die eigenen Dispositionen am Anleihemarkt (Buy-Side-Research) oder für die Anlagen von Kunden (Sell-SideResearch) einen Mehrwert zu schaffen, indem researchbasierte Kauf- und Verkaufsempfehlungen ausgesprochen werden. Dabei geht es zunächst darum zu ermitteln, ob und wie gut ein Schuldner heute und in der Zukunft in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten termingerecht und vollständig zu bedienen. Das alleine reicht aber nicht aus. Besteht hierüber Klarheit, ist zu analysieren, ob der Markt die mit einem Kauf von Anleihen des Emittenten verbundenen Risiken adäquat entgilt. Erst hieraus lässt sich ableiten, ob die Anleihen eines Emittenten auf Sicht ihrer Endfälligkeit interessant sind, weil das Ausfallrisiko aus heutiger Sicht überkompensiert wird, oder ob der Renditeaufschlag zu gering ausfällt. Bei begrenzten Risikobudgets reicht aber auch eine
364
7 Credit Research und Rating
solche Betrachtung noch nicht aus. Hier ist die Rendite-/Risikokonstellation vergleichbarer Emittenten zu berücksichtigen, um entweder das Risiko bei gegebenem Zielertrag zu minimieren oder bei gegebenem Risikobudget den Ertrag hieraus zu maximieren. Die Sicht auf Endfälligkeit ist aber nur ein Aspekt. Für professionelle Investoren ungleich interessanter ist es, Wertschwankungen der betreffenden Anlagen innerhalb der Laufzeit zu antizipieren und entsprechend auszunutzen. Dabei geht es darum, Änderungen in der Bonität des betreffenden Emittenten, aber auch Änderungen in der Wahrnehmung der Risiken durch den Markt zu prognostizieren und in die Anlageentscheidungen einfließen zu lassen. Lernziele Der Leser soll die Einsatzmöglichkeiten der Bonitätsanalyse im kapitalmarktorientierten Credit-Research kennen lernen. Er soll verstehen, dass es wichtig für den Credit-Analysten ist, einen systematischen und transparenten Ansatz zur Analyse zu verwenden. Es soll vermittelt werden, dass Bonitätsanalysen nur das Fundament des Credit-Research darstellen, auf dem dann – ergänzt durch die Preise, die für die Risikoübernahme am Markt gezahlt werden – vielfältige Anlageempfehlungen aufbauen. Anlageempfehlungen bei Anleihen und ihren Derivaten können sehr unterschiedlich ausfallen. Ein weiteres Ziel dieses Beitrags ist es daher, dem Leser zu verdeutlichen, welchen Beitrag Bonitätsanalysen zu den verschiedenen Kategorien von Empfehlungen leisten können.
7.1.2
Fundamentale Bonitätsanalyse als Basis
7.1.2.1
CRESTA-SCORE - Der Ratingansatz im Credit-Research der DZ BANK AG
CRESTA-SCORE1 (CREdit-STAnding-SCORE) ist seit 1999 im Credit-Research der DZ BANK im Einsatz. Es gibt ihn für Corporates, Universalbanken, amerikanische Investmentbanken, für Versicherungen. staatliche Schuldner und Gebietskörperschaften. Das wesentliche Ziel von CRESTA-SCORE ist es, die Ratings der Agenturen zu verstehen, nachzubilden und zu antizipieren – denn es sind die renommierten Ratingagenturen, die die Standards für den Markt setzen. Die Erstellung eines CRESTA-SCORE verläuft in zwei Stufen. Die Basis bildet die rein auf quantitativen Kennzahlen beruhende Analyse. Um aktuellen Entwicklungen und „weichen“ Faktoren angemessen Rechnung zu tragen, wird der Kennzahlenansatz ergänzt durch eine qualitative, auf Expertenwissen basierende Analyse. Beide Schritte zusammen ergeben den CRESTA-SCORE – eine Ratingaussage in der Nomenklatur der großen Agenturen. Die Basis für CRESTA-SCORE bilden quantitative Daten, die im Falle von Unternehmen und Banken aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und dem Geschäftsbericht stammen. Der Jahresabschluss stellt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung die aktuellste und umfassendste öffentlich verfügbare Gläubigerinformation dar. Bei staatlichen Schuldnern und den Gebietskörperschaften besteht das quantitative Fundament aus volkswirtschaftlichen Daten, die in den üblichen Datenbanken bzw. entsprechenden Haushaltsberichten verfügbar sind. 1
Eingetragenes Markenzeichen
7.1 Bonitätsanalyse für die Kapitalmarktanlage
CRESTASCORE
Expertenwissen
Kennzahlenanalyse
Quantitative Analyse
365
+
Qualitative Analyse
=
Rating
Abb. 7.1-1: Zweistufige Analyse.
Im Rahmen der Bonitätsanalyse werden aus diesen öffentlich zugänglichen Quellen die relevanten Werte extrahiert, überprüft und gegebenenfalls bereinigt. Im Rahmen der quantitativen Analyse werden ausschließlich Ist-Daten verwendet. Prognosen werden an dieser Stelle nicht berücksichtigt, sondern fließen, soweit sinnvoll, in die qualitative Analyse ein. Im nächsten Schritt werden aus dem nun vorliegenden Daten-Input Kennzahlen (Verhältniszahlen, wie Eigenkapitalrendite oder Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner) gebildet. Um unerwünschte Schwankungen zu glätten und so zu stabileren Ergebnissen zu kommen, werden bei einigen Kennzahlen Zwei-Jahres-Durchschnitte in die Rechnung einbezogen. Welches die für die Bonität von Emittenten einer bestimmten Assetklasse relevanten Kennzahlen sind und wie diese zueinander gewichtet werden müssen, wurde bei der Entwicklung der Modelle im Rahmen umfangreicher Regressionsanalysen ermittelt. Dabei wurden die für die Bonität als zentral identifizierten Variablen so optimiert, dass sie die vorhandenen Agenturratings möglichst genau nachbilden. Neben der sich aus der Empirie ergebenden statistischen Aussagekraft wurde bei der Modellierung auch darauf geachtet, dass nur solche Kennzahlen in das Modell eingehen, die theoretisch begründbar sind und für das Rating somit auch ökonomisch eine Aussagekraft besitzen. Als wesentliches Ergebnis ist festzuhalten, dass weniger als ein Dutzend Kennzahlen erforderlich sind, um das Rating hinreichend genau abzubilden. Die werden in regelmäßigen Abständen einer Prüfung unterzogen und gegebenenfalls neu kalibriert. Sie haben sich in den vergangenen Jahren aber als sehr stabil erwiesen. Auf Basis der empirischen Tests kann dann für die Ausprägung jeder einzelnen Kennzahl ein Einzelscore festgelegt werden. Dabei wird eine Skala von eins bis zehn verwendet, wobei eins die schwächste und zehn die höchste Ausprägung ist. Die Zuordnung erfolgt auf Basis einer festen Skala, die ein Ergebnis der empirischen Tests darstellt. Im nächsten Schritt werden die für die einzelnen Kennzahlen ermittelten Scorewerte durch Gewichtung zu einem Gesamtscore aggregiert. Hierdurch werden wichtigere von weniger bedeutenden Kennzahlen unterschieden. Auch die Gewichtung ist festgelegt und bildet ein Ergebnis der empirischen Tests. Im letzten Schritt wird der Gesamtscore anhand einer Skala einem Rating zugeordnet, wobei hier die Masterskala verwendet wird, wie sie von Standard & Poor’s und Fitch – sowie in anderer Nomenklatur auch von Moody’s – eingesetzt wird. Ergebnis der quantitativen Analyse ist ein rein kennzahlenbasiertes Rating. Hier ist die richtige Aufbereitung der Informationen entscheidend. Sie ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass aus den Istdaten eine
366
7 Credit Research und Rating
Aussage über die Nachhaltigkeit des wirtschaftlichen Erfolgs (und damit über die Frage, inwieweit der wirtschaftliche Erfolg auf die Zukunft übertragen werden kann) abgeleitet werden kann. Darüber hinaus bietet CRESTA-SCORE die Möglichkeit, durch einen „QuickShot“, bei dem die Jahresabschlussdaten ohne detaillierte Prüfung in das System übertragen werden, eine erste Indikation abzugeben. Sollen kurze Einschätzungen zu einer großen Anzahl von Emittenten getroffen werden (z.B. für die Strukturierung von CDOs), eignet sich ebenfalls ein solcher, rein kennzahlenbasierter CRESTA-SCORE als erster Filter. Input 1 a Score 1 Input 2 b Score 2 Input 3 c
5,7 6,3 Score 3 8,0 …. Score 4 4,2 Input m z….. Score n 5,5 Berechnung
Kennzahl 1 a/b Kennzahl 2 v/w Kennzahl 3 e/f * 100 Kennzahl 4 (x+y)/z ….. Kennzahl n a/(b+c)
Zuordnung auf Skala 1-10
Score 1 Score 2 Score 3 Score 4 ….. Score n
5,7 6,3 8,0 4,2
6,6
A-
5,5
Gewichtung
Zuordnung Score/Rating
Abb. 7.1-2: Vom Dateninput zum Rating
Schließlich dient der Kennzahlenscore als Basis für die qualitative Analyse. Hier werden die qualitativen Ergebnisse ergänzt durch das Know-How des Analysten. Dabei werden aktuelle Ereignisse und in sehr begrenztem Maße auch Prognosen berücksichtigt und auf Abweichungen zum Zahlenscore hin analysiert. Andererseits werden auch „weiche“ Faktoren einbezogen. Dabei wird die Markt- und Wettbewerbsposition von Emittenten untersucht, es wird geschaut, ob Event-Risiken (z.B. große Prozessrisiken wie bei Tabakunternehmen) vorhanden sind, institutionelle und politische Aspekte werden berücksichtigt (z.B. bei Staaten und Gebietskörperschaften) und Unterstützungsmechanismen gewürdigt (z.B. bei Banken). Einerseits können durch die Einbeziehung qualitativer Faktoren aktuelle und zukünftig zu erwartende Entwicklungen erst berücksichtigt werden. Sie sind daher integraler Bestandteil jedes aussagekräftigen Ratingsystems. Andererseits gibt es einige Faktoren, die gegen eine zu starke Berücksichtigung qualitativer Faktoren sprechen. So haben wir beobachtet, dass qualitative Teilratings in der Regel im Durchschnitt positivere Bewertungen als harte Faktoren erhalten. Bei Prognosen tendiert der Analyst häufig dazu, einer in der Regel eher optimistisch geprägten Erwartung des Emittenten zu folgen. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass bei qualitativen Faktoren die Streuung um den Mittelwert erheblich geringer ausfällt als bei den harten Kennzahlen, was auf eine relativ undifferenzierte Erfassung hindeutet. Der gesamte CRESTA-SCORE, der sich aus der Kombination quantitativer und qualitativer Faktoren ergibt, weicht, bis auf wenige Ausnahmen, nicht sehr stark vom reinen Kennzahlenscore ab. In der Regel beträgt die Abweichung nicht mehr als zwei Notches. 7.1.2.2
Von der Bonitätsanalyse zur fundamentalen Einzelwertempfehlung
Eine solide Bonitätsanalyse bildet die Grundlage für fundamentale Einzelwertempfehlungen. Ergebnis der Bonitätsanalyse ist eine Aussage über das Rating des Schuldners, woraus sich die mit dem jeweiligen Instrument verbundenen Ausfallrisiken ableiten lassen. Aus den Ausfall-
7.1 Bonitätsanalyse für die Kapitalmarktanlage
367
risiken ergeben sich Mindestanforderungen an die Risikoprämie, die der Schuldner aufgrund seines Ratings zahlen müsste. Diese müssen mit den Risikoprämien, die am Markt gezahlt werden, abgeglichen werden. Liegen sie am Markt höher, als aufgrund des Ratings notwendig wäre, lässt sich hieraus eine Kaufempfehlung ableiten, da die mit einer Anlage eingegangenen Risiken überkompensiert werden. Liegen sie am Markt niedriger als zur Risikokompensation erforderlich, kann eine Verkaufsempfehlung ausgesprochen werden. Voraussetzung für eine solche Betrachtungsweise ist, dass das Rating alle relevanten Risiken widerspiegelt. Spreaddatenbank
Bonitätsanalyse
Risikoprämien am Markt
Ratingaussage
Abgleich
Rating der Agenturen
Abgleich
Prognose der Agenturratings Fundamentale Anlageempfehlung Abb. 7.1-3: Von der Bonitätsanalyse zur Einzelwertempfehlung
Mit einem eigenen Ratingmodell verfügt der Analyst über einen transparenten, systematischen und konsistenten Ansatz zur Bonitätseinschätzung. Liegen keine offiziellen Ratings vor, kann er eine Prognose darüber abgeben, wie die Einstufung der Agenturen ausfallen würde. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass damit die Einschätzungen der drei großen Ratingagenturen (Moody’s Investors Service, Standard & Poor’s, FitchRatings) ignoriert werden könnten. Einerseits kann mit ihnen die eigene Meinung plausibilisiert werden, andererseits dienen sie als Proxy für die Ratingeinschätzung der Marktteilnehmer. Darüber hinaus kann ein eigener Ansatz auch genutzt werden, um zu versuchen, die Einschätzungen der Agenturen zu antizipieren. Abb. 7.1-4 gibt ein Beispiel hierfür. So ist es mit Hilfe von CRESTA-SCORE gelungen, die Heraufstufungen von Ahold zurück in Richtung Investmentgrade frühzeitig zu antizipieren und den Ratingagenturen einen Schritt voraus zu sein. Wichtig ist es, den Blick nicht nur auf die Ratingunterschiede zu richten, sondern zu prüfen, ob prognostizierte Ratingveränderungen in den Spreads nicht schon antizipiert werden. Kam es bisher darauf an zu entscheiden, ob die auf die Anleihe eines Emittenten gezahlte Risikoprämie die mit dieser Anlage verbundenen Ausfallrisiken kompensiert, kommen für Investoren, deren Anlagehorizont nicht bis zur Endfälligkeit der betreffenden Papiere reicht, andere Aspekte ins Spiel.
368
7 Credit Research und Rating Diagramm1
Baa2
BBB
BBBBaa3
Ba1
BB+
Ba2
BB
BBBa3
CRESTA-SCORE
07/03
01/04
07/04
01/05
Moody¥s
07/05
S&P
01/06
Fitch
07/06
01/07
Page 1
Abb. 7.1-4: Ratingentwicklung von Ahold
Hierbei geht es darum, ob die Marktmeinung zu einem Emittenten innerhalb der Laufzeit der betreffenden Anleihe Schwankungen unterworfen ist. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn sich die Einschätzung der Agenturen zu einem bestimmten Emittenten ändert. Verbessert sie sich, dürfte die Risikoprämie sinken, der Kurs der entsprechenden Anleihen sollte ceteris paribus steigen. Verschlechtert sich die Einschätzung, gilt das Gegenteil: die Risikoprämie steigt, der Kurs sinkt. Können solche Ereignisse durch die eigene Bonitätsanalyse antizipiert werden, wird der Investor, der diesen Ergebnissen folgt, hiervon profitieren. Ähnlich wie in der Aktienanalyse geht es also bei der Einzelwertempfehlung darum, eine Kauf- oder Verkaufsempfehlung für einen bestimmten Emittenten auszusprechen. Hierbei wird zunächst nicht nach den verschiedenen Kapitalmarktinstrumenten des betreffenden Schuldners differenziert, da in diesem Schritt davon ausgegangen wird, dass alle Kurse von Anleihen dieses Schuldners in vergleichbarer Richtung – wenn auch nicht in gleichem Maße – von Änderungen in der Einschätzung des Marktes betroffen sein werden.
7.1 Bonitätsanalyse für die Kapitalmarktanlage
369
Für die Einstufung von Anleiheemittenten durch Credit-Analysten haben sich mehrstufige Systeme etabliert: Dreistufiges System für absolute Anlageempfehlungen kaufen – halten – verkaufen Vierstufiges System für absolute Anlageempfehlungen kaufen – akkumulieren – reduzieren – verkaufen Dreistufiges (fünfstufiges) System für relative Anlageempfehlungen (gegen einen Index) übergewichten – (leicht übergewichten) – neutral gewichten – (leicht untergewichten) – untergewichten Aussagen zum Credit-Trend (Ratingentwicklung): positiv – neutral – negativ Dabei sind die Kriterien für die Einstufungen in die Kategorien durchaus nicht einheitlich. So ist es einerseits möglich, dass es für eine positive (negative) Einstufung ausreicht, wenn der betreffende Analyst fundamental eine positive (negative) Meinung zu dem betreffenden Unternehmen hat. Ein anderes Kriterium wäre die Erwartung, mit den Anleihen des betreffenden Emittenten auf den Prognosehorizont positive Erträge machen zu können. Um allgemeine Änderungen des Zinsniveaus aus der Betrachtung auszuschalten, könnte auch auf die Veränderung der Spreads Bezug genommen werden, was bei sinkenden (ansteigenden) Spreads über die zu erwartenden Kursgewinne (Kursverluste) zu einer positiven (negativen) Beurteilung führen würde. Verfeinern könnte man diesen Ansatz, indem man gleichzeitig den vereinnahmten Spread über die Laufzeit berücksichtigt und möglicherweise auch der Tatsache Rechnung trägt, dass der Spread mit sich verkürzender Restlaufzeit im Normalfall niedriger wird. An dieser Stelle muss man aber über die Betrachtung des Emittenten hinausgehen und eine Analyse der betreffenden Anleihe vornehmen. Während die beiden ersten Beispiele auf den absoluten Ertrag abstellen, haben sich im Geschäft mit institutionellen Investoren relative Konzepte etabliert. Diese messen den Erfolg einer Anlage oftmals nicht am absoluten Ertrag, den ein Portfolio erzielt, sondern am relativen Ertrag zu einem Benchmark. Der Benchmark ist in der Regel ein Index, der das betreffende Marktsegment repräsentativ abbildet und täglich die Kursänderungen und aufgelaufenen Kuponansprüche in einer Maßzahl zusammenfasst. Gelingt es dem Investor, mit seinem Portfolio bei vergleichbarem Risiko einen höheren Ertrag zu erzielen als der Benchmark, gilt er als erfolgreich (und vice versa). Im dritten Beispiel wird dieser Ansatz besonders deutlich: Erwartet der Analyst, dass die Anleihen eines Emittenten (z.B. VW) besser abschneiden als das gesamte Marktsegment (Investment-Grade-Unternehmensanleihen) oder eine geeignete Untermenge daraus (Anleihen der Automobilbranche), wird er empfehlen, Anleihen von VW gegenüber der Gewichtung im Benchmark stärker zu berücksichtigen, also überzugewichten. Umgekehrt wird er eine Untergewichtung empfehlen, wenn er davon ausgeht, dass der Ertrag, der mit VW-Anleihen zu erzielen ist, schlechter ausfällt als der des Benchmarks.
7.1.3
Fundamentale Strategien
Kam es bisher darauf an, auf Basis von Ratingeinschätzung und Spreads die Anleihen eines Emittenten generell zum Kauf oder zum Verkauf zu empfehlen, gehen wir nun einen Schritt
370
7 Credit Research und Rating
weiter. Im Gegensatz zu den Aktienmärkten, in denen es pro Unternehmen mit der betreffenden Aktie in der Regel nur ein Kapitalmarktinstrument gibt, ist das Spektrum der zur Verfügung stehenden Instrumente an den Anleihemärkten in der Regel sehr viel vielfältiger. Üblicherweise hat ein Emittent, der an den Kapitalmärkten aktiv ist, eine ganze Reihe von Anleihen am Markt platziert, die sich hinsichtlich ihrer Restlaufzeit, der Kupons und anderer Ausstattungsmerkmale unterscheiden. Eines dieser Merkmale ist die Gläubigerposition bei Zahlungsausfall. So werden Nachranganleihen erst bedient, wenn die Gläubiger von erstrangig unbesicherten Anleihen befriedigt sind. Weitere Besonderheiten sind so genannte „Change-of-Control-Klauseln“, mit denen die Gläubiger vor einer Verschlechterung ihrer Position im Falle einer Übernahme des betreffenden Unternehmens geschützt werden. Einige Anleihen sind zudem mit Kündigungsrechten ausgestattet oder mit einem veränderten Kupon im Falle von Herabstufungen durch die Ratingagenturen („Step-Up-Klauseln“). Diese Faktoren bewirken, dass die Anleihen eines Emittenten nur bedingt miteinander vergleichbar sind, so dass es durchaus vorkommen kann, dass bestimmte Anleihen eines Emittenten vom Analysten als kaufenswert eingestuft, andere hingegen zum Verkauf empfohlen werden. Neben der Analyse, die in einer pauschalen Empfehlung für sämtliche Anleihen eines Emittenten mündet, ergibt sich somit im CreditResearch die Notwendigkeit, nach Anleihen differenzierte Empfehlungen auszusprechen. Tab. 7.1-1: Beispiele für unterschiedliche Ausstattungsmerkmale von Anleihen Emittent Deutsche Telekom International Finance BV 5,75 % 12.2.2008
Bertelsmann 3,625% 6.10.2015 Telecom Italia Floater 6.12.2012 Südzucker 5,25 % Perpetual (unendliche Laufzeit)
Besonderheiten Rating-Step-up Sollte die Deutsche Telekom AG von S&P und Moody's auf unter BBB+/Baa1 herabgestuft werden, erhöht sich der Kupon ab der nächsten Zinsperiode um 0,5 Prozentpunkte. Analog sinkt der Kupon wieder auf den ursprünglichen Zinssatz, wenn eine Heraufstufung zurück auf BBB+/Baa1 oder darüber erfolgt. Change of Control Wenn zu einem Zeitpunkt, zu dem die Schuldverschreibungen noch nicht vollständig zurückgezahlt sind, ein Kontrollwechsel eintritt und während der Kontrollwechselfrist eine Herabstufung des Ratings erfolgt, hat jeder Gläubiger das Recht, von der Emittentin zu verlangen, seine Schuldverschreibung am obligatorischen Rückzahlungstag zum Nennbetrag zuzüglich Zinsen bis zum obligatorischen Rückzahlungsbetrag zurückzuzahlen. Callable Anleihe kann von der Emittentin nach eigenem Ermessen zurückgezahlt werden zu folgenden Terminen und zu 100% (6.12.2010, 6.03.2011, 6.6.2011, 6.09.2011, 06.12.2011, 06.03.2012, 06.06.2012, 06.09.2012). „Hybrid“ Nachrangig gegenüber anderen Anleihen; Call-Option des Emittenten erstmals nach 10 Jahren, dann vierteljährlich; Kuponstundungsoptionen;. Kupon muss unter bestimmten Voraussetzungen gestundet werden; Kupon-Step-Up nach 10 Jahren.
Im Credit-Research wird im Allgemeinen von Zinsänderungsrisiken abstrahiert. Auswirkungen, die eine Veränderung des allgemeinen Zinsniveaus auf die Kurse der betrachteten Anleihen haben, werden nicht betrachtet, da davon auszugehen ist, dass der professionelle Investor diese Risiken separat steuert. Der Credit-Analyst konzentriert sich daher auf die Prognose des Bund- oder Swapspreads der Anleihen.
7.1 Bonitätsanalyse für die Kapitalmarktanlage
371 Bundspread der Unternehmensanleihe
Rendite in %
Swapspread der Unternehmensanleihe Bund-Swap-Spread
Bund 0
1
2
3
Swap
4 5 6 Restlaufzeit in Jahren
A-Corp
7
8
9
10
Abb. 7.1-5: Zusammensetzung des Spreads
Handelte es sich bei den bisher vorgestellten Strategien vorwiegend um so genannte „Outright-Empfehlungen“, bei denen es nur um den Kauf oder Verkauf einer Anleihe geht, soll in diesem Abschnitt insbesondere auf Tauschempfehlungen eingegangen werden. Werden diese Strategien mit Anleihen und nicht mit Credit Default Swaps umgesetzt, ergibt sich dabei allerdings die Schwierigkeit, dass die Repomärkte, mit denen Shortpositionen in Anleihen eingegangen werden könnten, bei Credits im Gegensatz zu Staatsanleihen relativ wenig liquide sind. Daher wird in den folgenden Ausführungen unterstellt, dass der Investor die Anleihe, die jeweils zum Verkauf empfohlen wird, im Portfolio hat. Tausch vergleichbarer Anleihen zweier Emittenten (Verkauf Vodafone 5 % 06/2018, Kauf Telecom Italia 5,375 % 01/2019) Hintergrund für diesen Tausch ist, dass der Swapspread der Telecom-Italia-Anleihe angesichts des Ratings (CRESTA-SCORE BBB+) gegenüber dem Spread der Vodafone-Anleihe (A-) interessant erscheint und mit einer Einengung gerechnet wird. Damit würde der Gesamtertrag aus der Telecom-Italia-Anleihe (Spread plus Kursgewinn durch Spreadeinengung) höher ausfallen als bei der Vodafone-Anleihe.
Swap-Spread (Bp)
150 125 100
Kauf Telecom Italia, Verkauf Vodafone
75 50 25 01/07
Vodafone 5,0 06/18 Telecom Italia 5,375 01/19 02/07
03/07
Abb. 7.1-6: Tausch vergleichbarer Anleihen zweier Emittenten
04/07
05/07
372
7 Credit Research und Rating
Generell geht es darum, ein Paar zweier vergleichbarer Anleihen zu finden. Idealerweise sind die Restlaufzeiten der beiden Anleihen identisch, so dass Veränderungen des Zinsniveaus auf den Tausch keine Auswirkungen haben. Im vorliegenden Beispiel hat sich die erwartete Entwicklung schon sehr schnell eingestellt, da sich der Spread der gekauften Anleihe eingeengt hat, während der Spread der verkauften Anleihe annähernd konstant geblieben ist.
Swap-Spread/CDS-Level (Bp)
Tausch zweier Anleihen eines Emittenten unterschiedlicher Laufzeit (Verkauf Telecom Italia 6,125 % 07/2009, Kauf Telecom Italia 4,75 % 05/2014) Wie schon erwähnt, ist die so genannte Credit-Curve in der Regel aufsteigend, das heißt, die Renditeaufschläge für die längeren Laufzeiten liegen meistens höher als diejenigen für die kurzen Laufzeiten. Das lässt sich damit begründen, dass sich der Investor die mit zunehmender Restlaufzeit verbundene Unsicherheit über die Zins- und Tilgungsleistungen durch einen höheren Renditeaufschlag vergüten lässt. Erwartet der Analyst, dass sich die Credit-Curve bei einem Emittenten verflacht, weil sich beispielsweise die langfristigen Bonitätsaussichten verbessern dürften, könnte er einen so genannten „Flattening-Trade“ auf der Credit-Curve des betreffenden Emittenten empfehlen. Dabei kauft der Investor ein bestimmtes Nominalvolumen der Anleihe mit der längeren Laufzeit und verkauft entsprechend die Anleihe mit der kurzen Restlaufzeit. Ist das Volumen von kurz- und langlaufender Anleihe gleich groß, vereinnahmt er in jeder Zinsperiode bei aufsteigender Credit-Curve eine positive Carry (Differenz aus erhaltenen und gezahlten (oder nicht erhaltenen) Zinsen). Er unterliegt allerdings einem Marktzinsrisiko. Steigen die Kapitalmarktrenditen an, wird die längere Anleihe aufgrund des größeren Kurshebels mehr verlieren als die kurze, so dass die Gesamtposition Verluste aufweisen kann, obgleich die Credit-Wette möglicherweise aufgegangen ist. 100 Asset Swap Spread Mid 80
5 Y CDS Trend Telecom Italia
60 40 20 0 0
2
4
6
8
10
12
Restlaufzeit
Abb. 7.1-7: Tausch zweier Anleihen eines Emittenten unterschiedlicher Laufzeit
Um gegenüber Marktzinsveränderungen (Parallelverschiebungen der Renditestruktur) weitgehend immun zu sein, kann der Investor das Nominalvolumen der kurzlaufenden Anleihe höher ansetzen als das der langlaufenden Anleihe. Der Grund hierfür liegt in der unterschiedlichen Modified-Duration der beiden Anleihen, aus der sich eine größere Sensitivität der langlaufenden Anleihe auf Zinsänderungen ergibt als bei der kurzlaufenden. Durch das stürmische Wachstum des Marktes für Credit-Default-Swaps (CDS) sind die Möglichkeiten für Handelsempfehlungen noch vielfältiger geworden. Mit CDS können Tra-
7.1 Bonitätsanalyse für die Kapitalmarktanlage
373
dingpositionen synthetisch umgesetzt werden, so dass es möglich ist, solche Positionen auch für Emittenten oder Laufzeiten einzugehen, für die keine Anleihen am Markt verfügbar sind. Shortpositionen sind genauso einfach darstellbar wie Longpositionen. Mit CDS kann außerdem temporär eine Absicherung gegen eine Bonitätsverschlechterung erworben werden, ohne dass die jeweilige Anleihe verkauft werden muss. Auch die Grundidee beider hier aufgeführter Tauschempfehlungen kann mit CDS einfach umgesetzt werden. Definition „Credit-Default-Swap“ Ein Credit-Default-Swap (CDS) ist ein derivatives Finanzinstrument, dessen Auszahlung vom Kreditrisiko eines Referenzwertes abhängig ist. Der CDS-Käufer (Protection-Buyer) erhält gegen die Zahlung einer einmaligen oder periodischen Prämie ("Spread") Schutz vor dem Eintritt eines Kreditereignisses bezogen auf ein Referenzaktivum (Anleihen, unverbriefte Kredite, Bonitäten). Der CDS-Verkäufer (Protection-Seller) übernimmt die vereinbarten Kreditrisiken und garantiert entsprechende Ausgleichszahlungen im Falle des Kreditereignisses.
7.1.4
Relative-Value-Empfehlungen
In Ergänzung zu fundamental begründeten Empfehlungen bieten sich dem institutionellen Investor so genannte „Relative-Value-Trades“ an. Hier geht es weniger darum, eine Anleihe zu kaufen, weil man die Bonität eines Emittenten positiv einschätzt. Unterstellt wird hier, dass sich im Betrachtungszeitraum aus fundamentaler Sicht wenig Entscheidendes geändert hat und sich auch in der näheren Zukunft keine signifikanten Neuigkeiten ergeben, die die zu einer Neueinschätzung des Marktes führen. Bei Relative-Value-Trades wird davon ausgegangen, dass die Spreads durch weitere Faktoren beeinflusst werden, die sich ex post als nicht dauerhaft herausstellen. Wenn sich das neue Niveau signifikant von einem gewissen Durchschnittsniveau unterscheidet und wenn davon auszugehen ist, dass es sich diesem Durchschnitt wieder annähert („Mean-Reversion“), kann der Investor das ausnutzen. Nun ist es natürlich schwierig zu entscheiden, ob es wirklich keine fundamentalen Gründe sind, die den Spread einer Anleihe in die eine oder andere Richtung getrieben haben. Um diese Frage zu beantworten, ist eine genaue Kenntnis der fundamentalen Situation unerlässlich. Dann kann versucht werden, diese Situation auszunutzen, indem zwei Instrumente getauscht werden, die möglichst gleichartige Ausstattungsmerkmale aufweisen, bei denen aber dennoch ungewöhnliche Spreaddifferenzen zu beobachten sind. An den Credit-Märkten ergibt sich dabei die Schwierigkeit, dass einerseits die Geld-BriefSpannen größer sind als in den liquideren Marktsegmenten wie Staatsanleihen und Covered Bonds. Außerdem ist der Repo-Markt recht illiquide, so dass ein Tausch immer nur den Verkauf eines Instruments aus dem Bestand bei gleichzeitigem Kauf des „billigen“ Instruments bedeuten kann. Alternativ kann allerdings auf den CDS-Markt ausgewichen werden. Bei einem Relative-Value-Trade wird angestrebt, möglichst viele fundamentale Risiken auszuschalten, was im nachstehenden Beispiel nicht der Fall ist. Beispiel: Verkauf der Anleihe Siemens 5,75 % 07/2011 (Rating Aa3/AA-), Kauf der Anleihe Telecom Italia 4,75 % 05/2014 (Rating Baa2/BBB+)
374
7 Credit Research und Rating
Diese Position eignet sich daher nicht als Relative-Value-Trade, auch wenn die Analyse beispielsweise ergibt, dass sich die Renditedifferenz zwischen beiden Anleihen auf einem Höchststand befindet und daraus geschlossen werden könnte, dass sich diese wieder annähert. Folgende Überlegungen zeigen die Problematik auf: − Das allgemeine Marktzinsniveau steigt: Bei gleichem Nominalvolumen wird der Kursverlust bei der siebenjährigen Anleihe deutlich höher ausfallen als der Kursgewinn auf die Shortposition (oder der vermiedene Verlust auf die verkaufte Anleihe). − Das Marktzinsniveau bei siebenjährigen Anleihen steigt, das von vierjährigen Anleihen fällt (steilere Renditestruktur): Hier fallen bei der gekauften Anleihe Kursverluste an, auf die Shortposition in der vierjährigen Anleihe ebenfalls (bzw. entgangener Gewinn). − Die Renditeaufschläge der verschiedenen Bonitätsklassen entwickeln sich unterschiedlich. So ist es in einer Aufwärtsbewegung der Spreads üblich, dass sich die Spreads schlechterer Bonitäten stärker ausweiten als diejenigen der besseren Bonitäten. Im Beispiel bedeutet das, dass die Kursverluste bei der BBB-Anleihe größer sind als die Gewinne oder der vermiedene Verlust auf die AA-Anleihe. − Die Credit-Curve wird steiler, das heißt beispielsweise, die Spreads langlaufender Anleihen steigen stärker als diejenigen von Kurzläufern. Für die Position bedeutet das, dass der Verlust auf die gekaufte siebenjährige höher ausfällt als der Gewinn (oder der vermiedene Verlust) auf die verkaufte vierjährige Anleihe. − Die Bonität von Telecom Italia verschlechtert sich, während die Bonität von Siemens gleich bleibt. Damit steigt der Spread der siebenjährigen Anleihe, was c.p. Kursverluste zur Folge hat. Dagegen bleibt der Wert der verkauften Position konstant, so dass sich hier keine Änderung des Kurses ergibt. Das Beispiel zeigt, dass bei einer so aufgesetzten Transaktion zu viele Risiken miteinander vermischt werden, so dass das Ergebnis von Faktoren abhängig ist, die kaum voneinander zu trennen sind. Insbesondere ist es möglich, dass zwar das gewünschte Ergebnis eintritt (Spreadeinengung zwischen der BBB- und der AA-Anleihe), der Trade aber trotzdem negativ ausgeht, weil beispielsweise der Anstieg des Marktzinsniveaus den aus der Spreadeinengung resultierenden Effekt überkompensiert hat. Idealerweise werden bei einem Relative-Value-Trade, bei dem fundamentale Überlegungen keine Rolle spielen, sondern lediglich auf Besonderheiten der Spreads fokussiert wird, durch die Wahl der Instrumente alle oben genannten Risiken nahezu ausgeschlossen. Im Beispiel in Abb. 7.1-8 ist das der Fall. Beide Anleihen wurden vom gleichen Emittenten begeben, haben eine nicht zu unterschiedliche Restlaufzeit und unterscheiden sich somit nur geringfügig. Bei einem Relative-Value-Trade ist es in der Regel nicht die Höhe des Spreads zwischen den beiden Instrumenten, die im Vordergrund der Anlageentscheidung steht. Wichtig ist, die Spreadentwicklung zwischen den beiden Instrumenten im Zeitablauf zu analysieren und auf der Basis historischer Daten besonders attraktive Niveaus für den Ein- und Ausstieg herauszufiltern. Hierbei bedient man sich in der Regel einer t-Wert-Analyse.
7.1 Bonitätsanalyse für die Kapitalmarktanlage
375
Asset-Swap-Spread (Bp)
30 20
Kauf 2010, Verkauf 2011
Auflösen der Position
10 0 -10 -20 -30 05/06
BASF 21/04/2011 07/06
09/06
BASF 08/07/2010 11/06
01/07
Differenz 03/07
05/07
Abb. 7.1-8: Beispiel für einen Relative-Value-Trade
Trotzdem ist es gerade für den Credit-Analysten schwierig, Anleihepaare zu finden, bei denen die meisten der genannten Risiken so gut wie ausgeschlossen werden. Im Gegensatz zu den liquideren Marktsegmenten wie Staatsanleihen oder Covered Bonds sind es fast immer fundamentale Aspekte, die die Spreads in die eine oder andere Richtung bewegen. Definition „t-Wert“ Ein t-Wert dient im Rahmen einer Relative-Value-Analyse dazu zu entscheiden, ob eine Anleihe günstig („billig“) oder ungünstig bewertet („teuer“) ist. Er errechnet sich als Quotient der Differenz zwischen aktuellem Spread und seinem Mittelwert (z.B. über 60 Handelstage) einerseits und der Standardabweichung des Spreads über den gleichen Zeitraum andererseits. Ist der t-Wert größer als Null, ist die Anleihe billig, ist er kleiner als Null, ist die Anleihe teuer. Je größer der Betrag des t-Wertes ist, desto stärker ist das Merkmal „teuer“ oder „billig“ ausgeprägt. Mit der zunehmenden Verbreitung von Credit-Default-Swaps hat sich das aber etwas geändert. Um möglichst viele Risiken fundamentaler Änderungen auszuschalten, bieten sich die so genannten „Basis-Trades“ an. Hier wird die Anleihe gekauft (verkauft) und mit einem entsprechenden CDS (gleicher Credit, gleiche Laufzeit) Protection gekauft (verkauft). Definition: „Basis-Trade“ Bei einem Basis-Trade rechnet der Investor damit, dass sich die Differenz zwischen dem CDS-Spread und dem Asset-Swap-Spread einer Anleihe des gleichen Emittenten und gleicher Laufzeit ändert. Bei einem „positiven Basis-Trade“ verkauft der Investor die Anleihe und gleichzeitig Protection auf die entsprechende Anleihe. Bei einem „negativen Basis-Trade“ erwirbt er die Anleihe und kauft gleichzeitig Protection. Verschlechtert sich nun die Einschätzung des Marktes zum betreffenden Credit, werden sich sowohl die Spreads der betreffenden Anleihen als auch der CDS ausweiten. Verbessert sich die Einschätzung, engen sich beide Spreads ein. Wie man sieht, ist die Strategie gegenüber einer veränderten Einschätzung der fundamentalen Situation im Idealfall immun. Dennoch
376
7 Credit Research und Rating
kann der Investor mit einer solchen Strategie Geld verdienen. So ist die so genannte „Basis“ (CDS-Spread minus Anleihe-Spread) im Zeitablauf nicht zwangsläufig konstant. Gründe für Veränderungen sind beispielsweise die Hedgeaktivitäten bei der Auflage von CollateralizedDebt-Obligations (CDO) oder aber auch Bonitätsänderungen, die sich auf die CDS-Spreads inzwischen schneller auswirken als auf die Anleihespreads. Der Investor kann das mit BasisTrades ausnutzen.
Swap-Spread/CDS-Level (Bp)
Ausgangspunkt des folgenden Beispiels ist die Tatsache, dass der Swapspread der Anleihe von Akzo Nobel (4,25 % 06/2011) im Juli 2006 rund fünf Basispunkte höher lag als der fünfjährige CDS-Spread. Die Basis war somit negativ. Mit dem Kauf der Anleihe bei gleichzeitigem Kauf von Protection im CDS konnte auf eine positive Basis gesetzt werden bei gleichzeitiger Vereinnahmung der Carry von fünf Basispunkten. In der folgenden Zeit entwickelte sich die Basis wie erwartet. Im Dezember lag sie bei plus zehn Basispunkten, was zum Ausstieg aus der Position (Verkauf der Anleihe, Glattstellen des CDS) genutzt werden konnte. 35 30
Öffnen des Basis-Trades
Schließen des Basis-Trades
25 20 15 10 5 0 07/06
5y CDS AKZO AKZO 4.25 06/11 08/06
09/06
10/06
11/06
12/06
Abb. 7.1-9.: Beispiel eines (negativen) Basis-Trades
7.1.5
Zusammenfassung
Die kapitalmarktorientierte Bonitätsanalyse ist die Basis und damit integraler Bestandteil des Credit-Research. Sie hat das Ziel, für die eigenen Dispositionen am Anleihemarkt (Buy-SideResearch) oder für die Anlagen von Kunden (Sell-Side-Research) einen Mehrwert zu schaffen, indem researchbasierte Kauf- und Verkaufsempfehlungen ausgesprochen werden. Ein Ratingansatz wie CRESTA-SCORE der DZ BANK, der quantitative und qualitative Aspekte vereint, erleichtert es dem Credit-Analysten, das Vorgehen der Ratingagenturen zu verstehen, nachzuvollziehen und idealerweise ein Stück weit zu antizipieren. Bonitätsanalysen sind das Fundament und damit der wichtigste Baustein des CreditResearch. Mit ihnen kann der Analyst sich eine eigene Meinung zu Bonität und Ausfallrisiko des betreffenden Schuldners machen. Ohne einen Blick auf die am Markt gezahlte Risikokompensation – die Spreads – lassen sich allerdings keine sinnvollen Empfehlungen geben. Erst wenn beides in Beziehung gesetzt und mit den Profilen anderer Emittenten und deren
7.1 Bonitätsanalyse für die Kapitalmarktanlage
377
Anleihen verglichen wird, lassen sich valide Empfehlungen geben. Dann ermöglichen es die Bonitätsanalyse und ein Abgleich mit den Spreads, Empfehlungen auch im Portfoliokontext auszusprechen, das heißt, die Anleihen eines Emittenten zu kaufen und nicht diejenigen eines anderen Schuldners oder einen bestimmten Emittenten stärker zu berücksichtigen als einen anderen. Während die Bonitätsanalyse für fundamentale Strategien eine zentrale Rolle spielt, schafft sie für Relative-Value-Empfehlungen die Voraussetzung, indem bonitätsrelevante Aspekte für einen Bewertungsunterschied ausgeschlossen werden. Auch bei der Konstruktion einer Collateralized-Debt-Obligation (CDO) kann die Bonitätsanalyse eine wichtige Rolle spielen. Oftmals entscheidet innerhalb bestimmter Vorgaben allein die Höhe des Spreads darüber, ob Anleihen oder CDS eines bestimmten Emittenten in das CDO aufgenommen werden. Die Bonitätsanalyse kann auch hier einen Mehrwert liefern, indem über eine Ratinganalyse überprüft wird, ob die am Markt gezahlten Spreads wirklich so attraktiv sind, wie sie auf den ersten Blick aussehen.
7.1.6
Übungsaufgaben
1. Warum ist es sinnvoll, im Credit-Research einen eigenen Ratingansatz zu verwenden? Lösungsschlüssel (s. Abschnitt 7.1.2.2) − − − −
Vorgehen der Agenturen verstehen und nachvollziehbar machen systematisches und transparentes Vorgehen in der eigenen Analyse Einschätzung auch wenn keine Agenturratings vorhanden Antizipation der Agenturratings
2. Warum reicht es nicht aus, eine Bonitätsanalyse zu machen, um eine Anlageempfehlung für eine bestimmte Anleihe auszusprechen? Lösungsschlüssel (s. Abschnitte 7.1.2.2 und 7.1.3) − Marktpreis für Risikoübernahme (Spread) muss bekannt sein und das Risiko mindestens kompensieren − Wenn das Risikobudget nicht unbegrenzt ist, sind relative Betrachtungen (Vergleich mit anderen Anleihen/Emittenten) notwendig. − Anleihen eines Emittenten können mit unterschiedlichen Risiken verbunden sein. Das muss sich im Spread niederschlagen. 3. Wie grenzen sich Relative-Value-Trades von fundamental geprägten Handelsstrategien ab? Lösungsschlüssel (s. Abschnitt 7.1.4) − Bei Relative-Value-Trades geht es generell darum, Bewertungsunterschiede zwischen zwei oder mehreren Anlageinstrumenten zu nutzen. Diese sollten möglichst gleichartige fundamentale Risiken aufweisen, damit sich eine nicht erwartete fundamentale Entwicklung auf alle Instrumente auswirkt, die Verluste bei dem einen Instrument also durch Gewinne beim anderen kompensiert werden.
378
7 Credit Research und Rating
7.2 Die Qualität von Ratings – ein marktorientierter Ansatz
379
Hans-Ulrich Templin 7.2
Die Qualität von Ratings – ein marktorientierter Ansatz
7.2.1
Einleitung
379
7.2.2
Die Qualität von Ratings
380
7.2.2.1
Ausfallstudien ................................................................................................ 380
7.2.2.2
Der Informationswert von Ratings................................................................. 381
7.2.2.2.1
Statische und dynamische Informationsfunktion........................................... 381
7.2.2.2.2
Der Markt als Maßstab der Güte von Ratings................................................ 382
7.2.2.3
Ansätze zur Prognose von Ratingveränderungen .......................................... 387
7.2.3
Zusammenfassung
388
7.2.4
Übungsaufgaben
388
7.2.5
Literaturhinweise
388
7.2.1
Einleitung
Am Kapitalmarkt treffen Angebot und Nachfrage von Marktteilnehmern aufeinander und führen zur Preisbildung. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit vorhandene Informationen in den Preis einbezogen sind. Diese Fragestellung fällt in den Bereich der Kapitalmarkteffizienz, die für die Aktienmärkte insbesondere in den 80er und 90er Jahren bereits ausführlich untersucht wurde. Für den Kapitalmarkt der Kreditprodukte ergibt sich eine sehr interessante zusätzliche Komponente. Emittenten am europäischen Kapitalmarkt beauftragen zunehmend Ratingagenturen, ein Urteil über die Kreditqualität in Form eines Ratings abzugeben. Der Markt wird weitgehend von den Agenturen Moody’s Investor Service, Standard & Poor’s sowie Fitch Ratings bestimmt. Eine internationale Platzierung ist derzeit ohne ein Rating einer Agentur kaum möglich. Damit stellt sich die Frage, ob ein Informationswert der Ratings nachgewiesen werden kann.
380
7 Credit Research and Rating
Die Qualität und der Nutzen der Ratings sind nicht unumstritten. Gerade vor dem Hintergrund der Ausfälle von Großunternehmen wie beispielsweise Enron und Worldcom 2002 oder die Irritation um die amerikanische Subprimekrise 2007 werden die Ratingagenturen kritisiert, dass sie negative Entwicklungen nicht oder zu spät erkennen würden. Im Folgenden wird unter dem Aspekt der Qualität von Ratings zunächst auf die Ratingfunktionen und dabei insbesondere auf den Informationswert von Ratings eingegangen. Es wird außerdem ein kapitalmarktbasierter Ansatz zur Messung der Aussagekraft von Ratings vorgestellt. Schließlich werden Ansätze zur Ratingprognose kurz dargestellt. Lernziele Der Leser soll den Informationswert von Creditratings kennen lernen. Er soll verstehen, dass es für einen Investor wichtig ist, das Informationsangebot der Ratingagenturen richtig einzuschätzen. Es soll vermittelt werden, dass im Mittel ein signifikanter Zusammenhang zwischen Risikoprämien und Bonität (Rating) besteht, dass diese aber im Zeitablauf nicht immer gewährleistet ist. Diese Tatsache wird durch Portfoliostrategien genutzt. Ein weiteres Ziel des Beitrags ist es aufzuzeigen, dass die statistische Analyse eine Heterogenität von Marktsegmenten zeigt. Neben der zeitlichen Abweichung Spreadveränderung und Ratinganpassung können auch andere Faktoren neben dem Rating preisbildend sein.
7.2.2
Die Qualität von Ratings
Die Qualität von Ratings wird seit längerer Zeit intensiv diskutiert und erhält in Phasen medienwirksamer Ausfälle weiteren Auftrieb. Dieses hat einen Forschungszweig zum Themenbereich der Qualitäts- und Performancemessung von Ratings hervorgebracht. Die Ansätze hierzu unterscheiden sich in Ausfallstudien, Studien zum Informationswert von Ratings sowie Untersuchungen zur Ermittlung von Ratingdeterminanten. 7.2.2.1
Ausfallstudien
Im Rahmen von Ausfallstudien wird untersucht, in welchem Ausmaß Ausfälle durch Ratings abgebildet wurden. Studien dieser Art werden auch von den Ratingagenturen in jährlichen Abständen herausgebracht. Mit Ausfallstudien wird insbesondere der Aspekt der Ratingqualität berücksichtigt, da sie sich auf Ausfälle beziehen. Aspekte von Ratingeffekten beispielsweise während der Laufzeit einer Anleihe spielen eine geringere Rolle. Die zur Verfügung gestellten Informationen umfassen umfangreiche statistische Aufbereitungen der Daten, wie z.B. Ausfallraten nach Volumen, Anzahl, zeitliche Abstände zum Ausfall, Recovery Rates, Unterscheidungen nach Regionen, Branchen und Marktsegmenten (Investmentgrade oder High Yield). In den Studien zeigt sich in der Regel ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Rating und der Ausfallrate, also je schlechter das Rating, umso höher die Ausfallhäufigkeit.
7.2 Die Qualität von Ratings – ein marktorientierter Ansatz 7.2.2.2
381
Der Informationswert von Ratings
Für Investoren in Unternehmensanleihen machen Bonitätsveränderungen im Zeitablauf, ohne dass es zu einem Ausfall kommt, einen mindestens ebenso wichtigen Teil der benötigten Informationen aus. Eine veränderte Bonitätseinschätzung erfordert eine Anpassung der erforderlichen Risikoprämie, so dass eine Preisanpassung am Kapitalmarkt zu erwarten ist. Studien zur Fragestellung des Informationsgehaltes beschäftigen sich mit dem Bewertungsaspekt und damit mit der Rendite bzw. der Bonitätsprämie zum Zeitpunkt der Emission sowie nach Ratingänderungen. Der Markt, insbesondere der Kapitalmarkt, ist der Ort, an dem sich ein Preis für Güter, in diesem Fall für Ausfallrisiken ergeben. Es wird unterstellt, dass Investoren auf dem Corporate Bond Markt für ihre Bereitschaft ein höheres Bonitätsrisiko zu übernehmen höhere Prämien verlangen werden. Demzufolge müsste empirisch ein Zusammenhang zwischen dem Rating als Maß des Ausfallrisikos und der Risikoprämie (gemessen als Aufschlag gegenüber der risikofreien Rendite) festzustellen sein. Der negative Zusammenhang zwischen Creditspreads und Ratings kann grundsätzlich bestätigt werden, Investoren erwarten grundsätzlich im Mittel für ein schlechteres Rating eine höhere Entlohnung.
70 60 50 S p re a d
40 30 20 10 BBB
0 5
A
6
7
R e s tla u fz e it in J a h re n
8
AA
9
10
Abb. 7.2-1: Spreadniveaus nach Laufzeiten und Rating
7.2.2.2.1 Statische und dynamische Informationsfunktion Der Informationsgehalt von Ratings wurde in verschiedenen Studien differenzierter hinterfragt. Sehr gute Ergebnisse wurden in bezug auf die statische Informationsfunktion erzielt, also die Frage, ob das Rating einer Emission zum Zeitpunkt der Neuemission einer Anleihe den Spread erklärt. Es wurde nachgewiesen, dass sich die Beurteilung eines Schuldners grundsätzlich direkt auf seine Finanzierungskosten bei Emission auswirkt, mit sinkender Bonität steigt die Verzinsung signifikant. Ebenso erhöht sich mit zunehmender Restlaufzeit einer Anleihe der Risikoaufschlag.
382
7 Credit Research and Rating
Tage (0=Ankündigungstag) Downgrades Upgrades
180
150
90
120
60
0
-30
-60
180
150
90
120
60
0
30
-30
-60
-90
-120
-150
-180
-2
-90
0 -1
-120
1
-150
2
Überrendite in % 4 3 2 1 0 -1 -2 -180
Überrendite in % 3
30
Schwieriger gestaltet sich die Frage einer dynamischen Informationsfunktion, d.h. ob eine Ratingveränderung eine Spreadveränderung auslöst. Ist das der Fall, kann der Ratinginformation ein hoher Informationswert beigemessen werden. Beispielsweise wurde in einer Studie vopn Heinke (1998) nachgewiesen, dass für den DM-Euromarkt mit der Ankündigung einer negativen Ratingaktion (Downgrade bzw. negatives Watchlisting) signifikante Kursreaktionen (Excess Return –0,186 % bzw. –0,34 %) auftreten.
Tage (0=Ankündigungstag) negative Watchlistings positive Watchlistings
Abb. 7.2-2: Überrenditereaktionen bei Ratingänderungen und Watchlistings, aus: Heinke (1998).
Bei der Ankündigung positiver Ratingaktionen (Upgrades, positive Watchlistings) sind indes keine unmittelbaren Kursreaktionen verbunden. Hier werden also keine unmittelbaren Transaktionen ausgelöst, der Markt reagiert nicht auf diese Information. In der Studie wurde aber auch deutlich, dass die Ratingagenturen erst während des Verlaufes des Neubewertungsprozesses der Bonität eines Finanztitels eine Ratingänderung ankündigen. Interessant ist außerdem, dass nach der Ankündigung von Downgradings/negativen Watchlistings deutliche Überreaktionseffekte zu erkennen sind. Hier ist zu vermuten, dass nach einer Ratingherabstufung diverse Marktteilnehmer aufgrund von Anlagerestriktionen (Beispielsweise der Ausschluss von High Yield Anleihen) zu Verkäufen gezwungen sind. Vor diesem Hintergrund wäre es möglicherweise ratsam, bei einem Verkauf die Phase der Überreaktion abzuwarten. Dagegen steht jedoch die These, dass die Ausfallrate von sogenannten Fallen Angels (Ratingveränderung aus dem Bereich Investmentgrade in den High Yield Bereich) in den ersten Monaten nach der Herabstufung etwas dreimal so hoch ist wie bei den restlichen High Yield Unternehmen. Möglicherweise sind die Unternehmen ehemals bester Bonität nicht auf die neue Situation vorbereitet und können Liquiditätsengpässe nicht überbrücken. 7.2.2.2.2 Der Markt als Maßstab der Güte von Ratings Es darf grundsätzlich nicht vernachlässigt werden, dass die Bonität und die Restlaufzeit einer Anleihe nicht die einzigen Determinanten der Creditspreads sind. Die Risikoaufschläge hängen von weiteren mikro- und makroökonomischen Faktoren ab. Als mikroökonomische Faktoren kommen zusätzlich Kündigungsrechte oder die Liquidität einer Anleihe in Frage. Makroökonomisch haben sich die Konjunkturlage, die Risikobereitschaft der Investoren, die Volatilität am Aktienmarkt, die Nachfrage sowie die Höhe der Ausfallraten als signifikante Faktoren erwiesen.
7.2 Die Qualität von Ratings – ein marktorientierter Ansatz
383
Es hat sich außerdem gezeigt, dass die absolute Höhe der Creditspreads im Zeitablauf deutlichen Schwankungen unterliegt. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Creditspreads im Zeitablauf von Anfang 2001 bis September 2007. Insbesondere der Terroranschlag am 11.09.2001 und die Vertrauenskrise Oktober 2002, hervorgerufen durch schwache Aktienmärkte, große Ausfälle sowie Bilanzmanipulationen, haben zu einer deutlichen Ausweitung der Spreads geführt. Es zeigen sich aber auch signifikante Reaktionen im Jahr 2005 durch die Ratingherabstufung von General Motors und Ford in den High Yield Bereich sowie die Subprimekrise im Jahr 2007. 250
Bp Non-Financials
200 150 100 50 0 1999
Financials 2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Abb. 7.2-3: Verlauf der Creditspreads im Euromarkt
Die Grafik unterstreicht, dass die Renditeausschläge nicht allein von der Restlaufzeit sowie der Schuldnerbonität abhängen, die in dem kurzen Betrachtungszeitraum nicht entsprechender Schwankung unterlegen haben. Insbesondere die makroökonomischen Faktoren haben einen wesentlichen Einfluss. Somit kann ein marktorientierter Untersuchungsansatz von Ratings nicht an der absoluten Höhe der Creditspreads ansetzen. Im folgenden wird ein Ansatz vorgestellt, der auf die relative Höhe von Creditspreads fokussiert ist. Dabei wird der Fokus auf die Homogenität der Bewertung von Anleihen gelegt, die sich hinsichtlich der Bonitätseinschätzung von Seiten der Ratingagenturen nicht unterscheiden (gleiches Rating). Einen mikroökonomischen Einflussfaktor stellt dann noch die Liquidität der Anleihen dar, die nicht leicht nachzuweisen bzw. zu messen ist. In der Regel wird unterstellt, dass eine Anleihe liquide ist, wenn sie ein bestimmtes Mindestvolumen aufweist und die Geld-Brief-Spanne einen Maximalwert nicht überschreitet. Die makroökonomischen Einflussfaktoren gelten für alle Anleihen gleich (mit Ausnahme von branchenspezifischen Effekten) und werden daher vernachlässigt. Die folgende Abbildung zeigt Anleihen, die von den Ratingagenturen mit einem A-Rating bewertet wurden, und die nicht aufgrund der Anforderungen an die Liquidität ausgeschlossen wurden. Die Punkte repräsentieren einzelne Anleihen mit den Parametern Restlaufzeit und
384
7 Credit Research and Rating
Rendite. Die eingezeichnete Linie wird auf Basis von statistischen Verfahren ermittelt und verkörpert das faire Preisniveau für das betrachtete Ratingsegment. Rendite 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 Jun. 03
Nov. 04
Mrz. 06
Aug. 07
Dez. 08 Mai. 10 Fälligkeit
Sep. 11
Jan. 13
Jun. 14
Abb. 7.2-4: Anleihen des A-Segmentes (September 2003)
Ein nicht mit der Marktbewertung des Bonitätsrisikos übereinstimmendes Rating führt in der Regressionsanalyse der betreffenden Ratingkategorie zu einer entsprechend der Fehleinschätzung ausfallenden Abweichung von der Kurve. Die Beurteilung eines Ratingsystems aufgrund des Zusammenhangs zwischen Rendite und Restlaufzeit fällt demzufolge umso besser aus, je kleiner die Abweichungen der Beobachtungswerte von der Zinsstrukturkurve sind. Im weit überwiegenden Anteil der Anleihen ist festzustellen, dass sich die Punkte sehr dicht an der Kurve befinden, nur wenige Anleihen liegen mit größerem Abstand zur eingezeichneten Marktkurve. Weniger homogen ist die Situation im Segment der mit BBB beurteilten Anleihen, wie die Abbildung 7.2-5 zeigt. Um die Qualität der Regressionsgleichung zu prüfen, wird die Streuung der Beobachtungswerte um ihren Mittelwert in den Anteil der erklärten und den Anteil der nicht erklärten Abweichung an der Gesamtstreuung zerlegt. Je höher der Anteil der durch die unabhängige Variable erklärten Abweichung (im Zähler) an der Gesamtabweichung (im Nenner) ausfällt, desto geringer ist folglich der Anteil der nicht erklärten Streuung und desto „besser“ ist die Regressionsfunktion. Das Bestimmtheitsmaß als Verhältnis von erklärter Streuung zur Gesamtstreuung kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Im Extremfall r² = 1 wird die gesamte Streuung durch die unabhängige Variable erklärt, d.h. sämtliche Beobachtungswerte liegen auf der geschätzten Regressionskurve.
7.2 Die Qualität von Ratings – ein marktorientierter Ansatz
385
Rendite 8,00 7,00 6,00 5,00 4,00 3,00 2,00 Jun. 03
Nov. 04
Mrz. 06
Aug. 07
Dez. 08
Mai. 10
Sep. 11
Jan. 13
Jun. 14
Abb. 7.2-5: Anleihen des BBB-Segmentes (September 2003)
Für die hier darstellten Einzelbetrachtungen liegen die Werte bei 0,88 (A-Ratings) bzw. 0,68 (BBB-Ratings). Das bedeutet, dass für alle Anleihen aus dem BBB-Segment lediglich rund zwei Drittel der Renditen erklärt werden können. Der Erklärungsgehalt der Ratings für die Risikoaufschläge einzelner Ratingsegmente war Gegenstand einer empirischen Untersuchung der Helaba Invest. Dabei wurde der europäische Corporate Bond Markt über einen Zeitraum von 1999 bis Anfang 2002 untersucht. Für die unterschiedlichen Ratingsegmente wurden die in folgender Tabelle darstellten Ergebnisse festgestellt. Tab. 7.2-1: Regressionsergebnisse Durchschnittliches Bestimmtheitsmaß
Ratingklassen
AA
0,7593
A
0,7059
BBB
0,3768
Anhand der Regressionsergebnisse wird bestätigt, dass ein genereller Zusammenhang zwischen Rendite und Restlaufzeit in den untersuchten Bonitätskategorien gegeben ist. Durchschnittlich können zwischen 37,68 % (niedrigster Wert) und 75,93 % (höchster Wert) der Streuung der Anleiherenditen erklärt werden. Das durchschnittliche Bestimmtheitsmaß weist bei den Kurvenschätzungen auf Grundlage der Bonitätseinschätzung der Agenturen mit 0,7593 zudem auf eine recht hohe Beziehung
386
7 Credit Research and Rating
zwischen Rendite und Restlaufzeit hin. Dieser Zusammenhang lässt sich darauf zurückführen, dass in dieser Ratingklasse vergleichsweise homogene Risiken zusammengefasst werden. In der Ratingkategorie A ist die Aussagekraft der Agenturratings gemessen am Bestimmtheitsmaß von 0,7059 wiederum relativ hoch, fällt allerdings im Vergleich zur nächsthöheren Ratingeinstufung schwächer aus. Deutlich geringer liegt der Wert mit 0,3768 für das BBB-Segment. Das zeigt an, dass in dieser Ratingkategorie Anleihen mit vergleichsweise heterogenen Risiken zu einer Gruppe zusammengefasst werden. Im Vergleich zu den stärker ausdifferenzierten Risikoeinstufungen im AA- und im A-Bereich werden im BBB-Bereich stärker streuende Risiken in einer Klasse gebündelt. Das bedeutet aber auch, dass es offenbar neben Restlaufzeit und Rating weitere Einflussfaktoren für die Bemessung der Creditspreads von einzelnen Anleihen gibt. Als Gründe für die Abweichungen kommen in Frage: • Investoren schätzen das Ausfallrisiko dauerhaft anders ein als die Ratingagenturen. • Die Märkte sind preisen nicht effizient, die Bepreisung ist falsch. • Investoren erwarten eine Ratingänderung und nehmen diese in der Spreadbewegung vorweg. Die Ergebnisse gehen einher mit den Erkenntnissen der Untersuchungen zur dynamischen Informationsfunktion von Ratings und legen den Schluss nahe, dass es Chancen beinhalten könnte, wenn es möglich ist, die Ratingänderung durch die Ratingagenturen frühzeitig zu erkennen. Rendite 8,0 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 0,00
2009
2011
2013
Abb. 7.2-6: Anleihen des BBB-Segmentes (August 2007)
2015
2017
2019
7.2 Die Qualität von Ratings – ein marktorientierter Ansatz
387
Die vorgestellten Ergebnisse beziehen sich auf den Zeitraum von 1999 bis 2002, in der sich der europäische Corporate Bond Markt noch im Aufbau und starken Wachstumsphase befand. Daher stellt sich die Frage, ob sich im Jahr 2007 andere Ergebnisse zeigen. Ein Blick auf die Werte des Jahres 2007 zeigt eine etwas größere Homogenität der Ergebnisse. Als mögliche Gründe können angeführt werden: • Einschätzungen der Ratingagenturen stehen möglicherweise mehr mit den Einschätzungen der Marktteilnehmer • Bilanzbereinigung nach den Schwierigkeiten im Jahr 2002 und 2003 ist abgeschlossen • Hohe Nachfrage nach Mehrrendite drückt die Creditspreads auf ein verzerrtes niedriges Niveau In der Zukunft muss sich zeigen, welche Erklärungsfaktoren adäquat sind. 7.2.2.3
Ansätze zur Prognose von Ratingveränderungen
Es hat sich gezeigt, dass der Zusammenhang zwischen Creditspread und Rating im Zeitablauf nicht jederzeit gegeben ist. Die genannten möglichen Gründe der Abweichungen bieten einen Ansatzpunkt zur Entwicklung einer Anlagestrategie. Insbesondere die Tatsache, dass Ratingveränderungen nicht selten antizipiert werden, was durch die Kursbewegungen bestätigt wird, bietet einen interessanten Ansatzpunkt. Dieses hat sich bereits in Ansätzen von Horrigan (1966), West (1970) sowie Pogue/Soldovsky (1969) gezeigt. Die Helaba Invest wendet für das Portfoliomanagement von Corporate Bond das sogenannte HI-SCORE-Modell an, mit dem Ziel, durch Analyse der Vorgehensweise der Ratingagenturen, Identifikation wesentlicher Bilanzkennzahlen und Anwendung in einem Ratingprognosemodell zu Ratingeinschätzungen zu gelangen. Die Anwendung der bereits dargestellten Methodik zur Untersuchung zur Erklärungskraft von Ratings hat die in der folgenden Tabelle gezeigten Ergebnisse ergeben. Tab. 7.2-2: Regressionsergebnisse incl. HI-SCORE
Ratingklassen
Agenturen
HI-SCORE
AA
0,7593
0,6334
A
0,7059
0,6563
BBB
0,3768
0,5279
Während der Erklärungsgehalt der externen Ratings bei den höheren Ratingklassen AA und A höher liegt als im HI-SCORE-Modell, liegt die Aussagekraft des HI-SCORE-Modells im BBB-Segment deutlich höher als die Bonitätseinstufungen der Agenturen. Die stärkere Aussagekraft im BBB-Segment ist jedoch besonders hoch einzuschätzen ist, da der Abstand zum High-Yield-Bereich hier nur noch gering und eine adäquate Einschätzung daher umso wichtiger ist.
388
7.2.3
7 Credit Research and Rating
Zusammenfassung
Generell wirken viele Einflussfaktoren auf die Preise von Corporate Bonds. Dazu gehören die externen Ratings, die einem Investor in Corporate Bonds zur Verfügung stehen. Die Ratings haben einen hohen Erklärungsgehalt für die Creditspreads, was auf Basis eines kapitalmarktbasierten Ansatzes nachgewiesen werden konnte. Trotzdem zeigt sich, dass bei Ausschaltung weiterer Faktoren außer der Bonität und der Restlaufzeit Abweichungen von der fairen Marktkurve eines Ratingsegmentes bestehen. Dieses lässt Ansätze zur Ratingprognose erfolgversprechend erscheinen.
7.2.4
Übungsaufgaben
1. Was unterscheidet Ausfallstudien von Studien zum Informationswert von Ratings. • Ausfallstudien untersuchen den Zusammenhang zwischen Ratings und Ausfällen • Studien zum Informationswert betrachten darüber hinaus Ratingveränderungen und Preis- und damit Spreadveränderungen mit ein 2. Unter welcher Annahme erscheint im Portfoliomanagement ein Ansatz der Ratingreplikation und -prognose erfolgversprechend • Rating enthält kursrelevante Informationen • der Markt antizipiert Ratingveränderungen • es gibt eine Anpassungsphase um die Ratingänderung herum 3. Warum sollte ein marktbezogener Ansatz der Qualitätsanalyse von Ratings an relativen und nicht absoluten Renditeaufschlägen ansetzen? • Creditspreads schwanken im Zeitablauf und hängen z.B. auch von makroökonomischen Einflussfaktoren ab • Neben der Bonität und der Restlaufzeit können weitere mikroökonomische Faktoren den Spread beeinflussen wie Kündigungsrecht, Liquidität
7.2.5
Literaturhinweise
Steiner, M., Heinke, V., Der Informationswert von Ratings – Eine empirische Analyse am Markt für internationale DM-Anleihen, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 2000, S. 541 – 565. Templin, Hans-Ulrich, Asset Management von Corporate Bonds und Rating, – Analyse und Bewertung von Anleihen, in: Reinhart Schmidt, Dieter Gramlich (Hrsg.), Kapitalmarktforschung und Bankmanagement, 2004, S. 163 – 194. Uzik, Martin, Nelles, Michael, Debt-Rating – Kapitalmarktreaktionen auf die Ankündigung einer Ratingveränderung, in: Finanzbetriebe, 3/2003, S. 172 – 180.
8.1 Ratingprognosen und simulationsbasierte Ratings
8
Operative und strategische Aspekte des Ratings
389
390
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
8.1 Ratingprognosen und simulationsbasierte Ratings
391
Werner Gleißner 8.1
Ratingprognosen und simulationsbasierte Ratings
8.1.1
Theoretische Grundlagen des Ratings als Maß der Ausfallwahrscheinlichkeit
8.1.1.1
Einleitung und Grundbegriffe ........................................................................ 392
8.1.1.2
Lernziele......................................................................................................... 392
8.1.1.3
Ratingkriterien................................................................................................ 392
8.1.2
Erstellung eines Ratings: Ableitung der Ratingnote
8.1.2.1
Methoden im Überblick ................................................................................. 393
8.1.2.2 8.1.2.2.1 8.1.2.2.2 8.1.2.2.3 8.1.2.2.4 8.1.2.2.5
Traditionelles Rating...................................................................................... 394 Finanzrating/Bilanzrating............................................................................... 394 Branchenrating ............................................................................................... 394 Erfolgspotenziale: Stärken und Schwächen des Unternehmens .................... 395 Generierung des Ratingurteils für das Zukunftspotenzial.............................. 395 Risiken – Unvorhersehbarkeit der Zukunft.................................................... 396
8.1.2.3 8.1.2.3.1 8.1.2.3.2
Rating auf Basis der Unternehmenssimulation (P2) ...................................... 396 Methodik ........................................................................................................ 396 Simulation, Rating und Risikoaggregation – direkte Ableitung einer Ausfallwahrscheinlichkeit.............................................................................. 398 Indikatives Gesamtrating unter Berücksichtigung der simulativen Unternehmensplanung.................................................................................... 401
8.1.2.3.3
392
393
8.1.3
Ratingprognosen auf Basis von Unternehmensplanung und Risikobewertung
8.1.3.1
Rating: Aktueller Stand.................................................................................. 402
8.1.3.2
Der nächste Schritt: zukunftsorientierte Ratingprognosen ............................ 402
8.1.4
Zusammenfassung
404
8.1.5
Übungsaufgaben
405
8.1.6
Literaturverzeichnis
405
402
392
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
8.1.1
Theoretische Grundlagen des Ratings als Maß der Ausfallwahrscheinlichkeit
8.1.1.1
Einleitung und Grundbegriffe
Ein Rating ist eine Bewertung der Bonität und damit der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens (Emittenten). Dadurch wird die Fähigkeit eines Kreditnehmers beschrieben, seine eingegangenen Zahlungsverpflichtungen in der Zukunft nachzukommen. Insbesondere beim Unternehmensrating ist damit die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz zu ermitteln. Nahe liegender Weise müsste sich die für die Insolvenz maßgebliche Wahrscheinlichkeit von Überschuldung bzw. Illiquidität unmittelbar aus der Unternehmensplanung ableiten lassen, sofern diese erwartungstreu ist und zugleich diejenigen Risiken, die zur Abweichung von dieser Planung führen können, explizit mit erfasst. Die Möglichkeit, auf Grundlage der Unternehmensplanung (Geschäftspläne) unter Einbeziehung von Simulationsverfahren (Risikoaggregation) direkt auf die Insolvenzwahrscheinlichkeit von Unternehmen schließen zu können, wurde für Investitionsentscheidungen von Venture-Capital-Gesellschaften bzw. die Beurteilung von Existenzgründungen bereits vorgeschlagen1 . 8.1.1.2
Lernziele
Der Rating-Analyst soll • die Bedeutung von Ratingprognosen für die Beurteilung alternativer Strategien und Maßnahmen zur Verbesserung des Ratings erkennen, • die Vorteile simulationsbasierter Ratingprognosen auf Basis von Unternehmensplanung und Risikoinformationen gegenüber traditionellen Ratingverfahren kennen und • die Methodik der Berechnung simulationsbasierter Ratingprognosen, die die Bandbreite der zukünftig zu erwartenden Ratingentwicklung angeben, verstehen. 8.1.1.3
Ratingkriterien
Um ein „gutes“ Rating zu erreichen, müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden, die zwischen einzelnen Banken und Ratingagenturen durchaus etwas variieren können. Die Bonitätsbeurteilung durch Banken umfasst häufig die folgenden 10 Kriterien: • • • • • • • • • •
Tätigkeitsprofil und Brancheneinschätzung, Marktbedingungen und Wettbewerbsposition, Ertragslage, Finanzlage, Kontoführungsverhalten, Dauer der Kundenbeziehung, Sicherheiten, Management-Einschätzung, Identifikation der Kapitalgeber mit dem Unternehmen, Nachvollziehbarkeit und Fundierung von Prognosen.
1
Vgl. Mrzyk (1999), Gleißner (2002) und Gleißner/Sautter (2001).
8.1 Ratingprognosen und simulationsbasierte Ratings
393
Die folgende Abbildung gibt eine Übersicht über die typischen Elemente eines Ratings.
Abb. 8.1-1: Ratingkriterien
Für die Entwicklung einer Ratingstrategie eines Unternehmens, z.B. im Rahmen eines Rating-Advisory-Projekts, ist jedoch nicht alleine das jetzige Rating entscheidend: Wichtiger ist es zu berechnen, wie sich das Rating des Unternehmens zukünftig in Abhängigkeit der Planungen des Unternehmens entwickeln wird. Dies leisten Ratingprognosen. Sie ermöglichen alternative Ratingstrategien und Maßnahmen zur Stabilisierung oder Verbesserung des zukünftigen Rating zu vergleichen. Damit sind sie das wichtigste Werkzeug eines RatingAdvisors.
8.1.2
Erstellung eines Ratings: Ableitung der Ratingnote2
8.1.2.1
Methoden im Überblick
In diesem Abschnitt wird erläutert, wie ein Rating bestimmt wird. Im Folgenden wird ein beispielhafter moderner Ratingansatz vorgestellt, der traditionelle (indirekte) Ratingverfahren mit einem direkten Rating auf der Basis einer simulierten Unternehmensplanung verbindet3. Basierend auf einer bereits vor einigen Jahren (1999/2000) entwickelten Ratingtechnologie4 2 3 4
Anlehnung an Gleißner/Leibbrand (2004). vgl. Gleißner (2001), S.111 – 138 sowie Gleißner (2005). Vgl. Gleißner (2002).
394
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
wurden insbesondere zwei (ähnliche) Varianten dieses Ratingansatzes ausgearbeitet, die (bankenunabhängig) für ein indikatives Rating und eine Ratingprognose genutzt werden können. Das Gesamtrating des Unternehmens ergibt sich als mehrstufiger, modularer Prozess („TeilRating“): Aus der Verbindung des Finanzratings (P1), und des Branchen- und Erfolgspotentialratings einschließlich der Qualität der Bankbeziehungen (P3) errechnet sich das Zukunftspotential des Unternehmens als Prognose künftiger Erträge des Unternehmens, das dann mittels des Risikoratings adjustiert wird. Auf der Ebene der Bewertung der simulationsbasierten Unternehmensplanung (P2) erfolgt ebenfalls eine Korrektur um die Risiken des Unternehmens. Beide werden dann zum Gesamtrating zusammengefasst. 8.1.2.2
Traditionelles Rating
8.1.2.2.1 Finanzrating/Bilanzrating Die erste Komponente zur Ermittlung des Ratings (P1) lässt sich mittels des Stichworts „Finanzrating“ beschreiben. Beim Finanzrating geht es hauptsächlich um die Bewertung von Kennzahlen, die auf der traditionellen Jahresabschlussanalyse basieren und Aussagen über die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage erlauben. Finanzrating Kennzahlen
B
BB
wirtschaftliche Eigenkapitalquote, bereinigt
10%
>20%
>35%
BBB
>60%
A
Wert 13,2%
dynamischer Verschuldungsgrad (a)
>8
5%
>10%
>15%
2%
Kapitalrückflussquote
5%
>10%
>15%
>25%
11,3%
Gesamtkapitalrendite (ROCE)
0%
>5%
>10%
>20%
4,1%
Quick-Ratio
60%
>90%
>140%
>200%
55,5%
freier Cashflow / Verbindlichkeiten
-10%
>0%
>10%
>20%
7,9%
Finanzrating
Negativ
Positiv
Abb. 8.1-2: Finanzkennzahlen (Beispiel)
Noch stärker verdichtet ist eine Abschätzung der Insolvenzwahrscheinlichkeit (PD) des „RiKo-Rating“ auf Basis von Gesamtkapitalrendite (ROCE in %) und Eigenkapitalquote (EKQ in %): PD =
0, 265 1+ e
−0 , 41+ 0 ,0792⋅EKQ + 0 ,112⋅ROCE
8.1.2.2.2 Branchenrating Ein weiteres Element dieses indikativen Ratingverfahrens ist die Bewertung der Branche, in der das zu beurteilende Unternehmen seinen (Haupt-) Umsatz tätigt. Hierzu wird das Umfeld des Unternehmens insbesondere unter wettbewerbsrelevanten Aspekten durchleuchtet. Wich-
8.1 Ratingprognosen und simulationsbasierte Ratings
395
tig ist, dass hierbei die allgemeine Situation der Branche und nicht die Spezielle des Unternehmens analysiert wird. Mögliche Fragestellungen sind hierbei: • Wie ist die momentane wirtschaftliche Situation und wie sind die langfristigen Wachstumspotenziale der Branche? • Wie stark ist der Wettbewerb innerhalb der Branche? • Welche Rentabilität lässt die Branche auf Grund der Marktcharakteristika erwarten? • Ist es möglich, durch Nischenbildung, Differenzierung oder den Aufbau einer Marke Wettbewerbsvorteile zu erlangen? 8.1.2.2.3 Erfolgspotenziale: Stärken und Schwächen des Unternehmens Sodann gilt es, im Rahmen der Entwicklung des Ratings Erfolgspotenziale zu bewerten. Bei den Erfolgspotenzialen geht es zum einen darum, interne Faktoren, die den Erfolg ausmachen, zu beurteilen. Grundlegend für den Unternehmenserfolg ist eine ausgereifte Strategie. Relevante Erfolgspotentiale sind die Kernkompetenzen, die von Kunden wahrnehmbaren Wettbewerbsvorteile und internen Stärken (z.B. Produktionstechnologie). Für einen reibungslosen Ablauf im Unternehmen bedarf es zudem geeigneter Management-, Controllingund IT-Systeme, durch die Unternehmensrisiken und Erfolgsindikatoren frühzeitig erkannt, Planvorgaben und Budgetzuteilungen regelmäßig getroffen sowie Informationen automatisch und schnell zur Verfügung gestellt werden können. Überdies gilt es, sich vor Fehlentscheidungen, etwa bei wichtigen Vertragsabschlüssen, durch Unterschriftenregelungen und interne Kontrollsysteme zu schützen. 8.1.2.2.4 Generierung des Ratingurteils für das Zukunftspotenzial Zur Generierung des Ratingurteils aus den einzelnen Kriterien bzw. Teilratings gibt es verschiedene Ansätze. Bei dem hier vorgestellten einfachen Ansatz werden die Bewertungen
Abb. 8.1-3: Darstellung des Rating-Cockpits am Beispiel der Rüsselsheimer Spritzguss GmbH5 5
Quelle: „Risiko-Kompass“, vgl. auch Gleißner/Füser, 2003.
396
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
zum Finanzrating, zu den Bankbeziehungen, zum Branchenrating und zu den Erfolgspotenzialen insgesamt mit (beispielhaften) kontextabhängigen Gewichten versehen und zu einer Gesamtkennzahl – das „Zukunftspotenzials“ – addiert. Zukunftspotenzial = 0, 6 · Finanzrating + 0,10 · Bankbeziehung + 0, 20 · Erfo lg spotential + 0,10 · Branchenrating
8.1.2.2.5 Risiken – Unvorhersehbarkeit der Zukunft Abschließend gilt es also im Rahmen der Bestimmung des (indikativen) Ratingurteils die individuellen Risiken zu bewerten, die den Erfolg des Unternehmens potenziell gefährden können. Risiken sind dabei immer als Möglichkeit zu interpretieren, dass von dem erwarteten Verlauf in der Zukunft eine positive oder negative Abweichung eintritt, wobei insbesondere die negativen Abweichungen für die Ratingbetrachtung von Bedeutung sind. Die Risiken können dabei konjunkturelle Absatzschwankungen, der mögliche Verlust von Großkunden oder Schlüsselpersonen, aber auch Haftpflichtrisiken oder technische Risiken umfassen. Beim traditionellen Rating werden insbesondere Informationen aus dem letzten Jahresabschluss eines Unternehmens (Finanzrating), aus der Branchenbeurteilung (Branchenrating) sowie die Stärken und Schwächen des Unternehmens hinsichtlich wesentlicher Erfolgsfaktoren ausgewertet. Die gerade für Unternehmenskrisen und Insolvenzen maßgeblichen originären Unternehmensrisiken, wie Nachfrageschwankungen, Rohstoffpreisveränderungen oder Risiken aus wesentlichen Projekten, werden dagegen im traditionellen Rating von Kreditinstituten aufgrund der bestehenden Informationsasymmetrien weniger beachtet. 8.1.2.3
Rating auf Basis der Unternehmenssimulation
8.1.2.3.1 Methodik Das bisher vorgestellte Verfahren für ein indikatives Rating entspricht – evtl. bis auf die explizite Berücksichtigung der individuellen Unternehmensrisiken – weitgehend den üblichen Ratingverfahren von Kreditinstituten, wenn auch in den Details und bei der systematischen, theoriegestützten Herleitung der Kriterien einige Besonderheiten bestehen. Grundsätzlich lässt sich auf dieser Grundlage bereits mit der Ableitung einer Ratingstrategie beginnen. Im Folgenden wird nunmehr orientiert an einem Beispiel aufgezeigt, wie durch die Analyse der Unternehmensplanung unmittelbar auf die Insolvenzwahrscheinlichkeit geschlossen werden kann. Zu beachten ist, dass Kreditinstitute derartige Verfahren bisher kaum anwenden – die Ergebnisse sind daher weniger für eine präzise Vorhersage der Ratingeinschätzung durch eine Bank, denn für ein eigenes Verständnis der Chancen und Gefahren der zukünftigen Unternehmensentwicklung und damit der zukünftigen Ratings von Bedeutung. Insbesondere kann durch die Analyse verschiedener Szenarien und Handlungsmöglichkeiten eine fundierte Abwägung von Chancen und Gefahren erreicht werden, was zu einer nachhaltigen Sicherung des Unternehmens beiträgt. Mittels der Unternehmenssimulation erhält man aus den Modellannahmen direkt die Insolvenzwahrscheinlichkeit (PD), wobei getrennt die Wahrscheinlichkeiten für Überschuldung und Illiquidität für jedes Jahr angegeben wird. Dabei wird die Zukunft des Unternehmens
8.1 Ratingprognosen und simulationsbasierte Ratings
397
und seines Ratings analysiert, indem eine große repräsentative Anzahl risikobedingt möglicher Zukunftsszenarien berechnet wird. Damit können, ausgehend von der Unternehmensplanung, zu jeder interessierenden Planungsgröße (z.B. Eigenkapitalquote) die zugehörigen risikobedingten „Streuungsbreiten“ (Prognoseunsicherheit) angegeben werden, was einen erheblichen Mehrwert gegenüber einer traditionellen „einwertigen“ Unternehmensplanung mit sich bringt. Speziell können Ratingprognosen auch die Bandbreite der zukünftigen Ratingentwicklung aufzeigen.
Abb. 8.1-4: Entwicklung der Eigenkapitalquote mit risikobedingter Bandbreite
Bezüglich der angesprochenen Ratingprognosen (auf Basis struktureller Modelle) kann man mehrere Entwicklungsstufen unterscheiden:6 Im einfachsten Fall werden sog. „deterministische Ratingprognosen“ erstellt. Bei diesen wird basierend auf der Unternehmensplanung die zukünftig zu erwartende Ausprägung derjenigen Kennzahlen berechnet, die für das (Finanz-) Rating maßgeblich sind. Entsprechend wird hier eine Prognose der Ratingentwicklung berechnet, die auf der Annahme basiert, dass die Zukunftsentwicklung des Unternehmens tatsächlich den Planungen entspricht („bedingte Ratingprognose“). Der zweite Weiterentwicklungsschritt besteht in einer stochastischen kennzahlenbasierten Ratingprognose. Bei dieser wird in jedem Simulationslauf der Monte-Carlo-Simulation eine Ausprägung derjenigen Kennzahlen berechnet, die für das Rating maßgeblich sind, so dass als Ergebnis eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Ratingentwicklung entsteht. Damit lassen sich die möglichen Bandbreiten der künftigen Ratingentwicklung ermitteln, die sich als Konsequenz der betrieblichen Risiken ergibt. Bei der dritten Entwicklungsstufe, einer „simulationsbasierten, direkten Ratingprognose“ wird ein völlig vom Ratingverfahren des Kreditinstituts unabhängiges Rating abgeleitet, in 6
In Anlehnung an Bemmann/Gleißner (2007)
398
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
dem unmittelbar die Wahrscheinlichkeit von Überschuldung und Illiquidität aus der Simulation abgeleitet wird. Unabhängig von der Ausprägung konkreter Finanzkennzahlen wird dabei in jedem einzelnen Simulationslauf überprüft, ob Überschuldung und/oder Illiquidität vorliegen würde, womit die Insolvenzwahrscheinlichkeit des Unternehmens direkt ermittelt und in eine Ratingnote umgerechnet werden kann. 8.1.2.3.2
Simulation, Rating und Risikoaggregation – direkte Ableitung einer Ausfallwahrscheinlichkeit Im Folgenden wird die Methodik der Risikoaggregation mittels Simulation, die auch im Rating verwendet wird, in den Grundzügen erläutert. Die hier beschriebene Vorgehensweise orientiert sich an der Sichtweise des Risikomanagements (Risikomanagementsatz). Bei dieser Vorgehensweise wird zunächst von einer (möglichst erwartungstreuen) Unternehmensplanung ausgegangen, und es werden durch einen separaten Arbeitsprozess Risiken identifiziert und analysiert7. Erst im zweiten Schritt wird untersucht, an welchen Stellen der Planung (bei welchen Annahmen) sich die so identifizierten und quantitativ bewerteten Risiken in Form von Planabweichungen auswirken können. Eine alternative – bzw. ergänzende – Herangehensweise an die Aufgabenstellung ist der so genannte „Controlling-Ansatz“, bei dem unmittelbar ausgehend von der fixierten Planung systematisch festgehalten wird, welche der Planannahmen bzw. Parameter unsicher sind. Auf diese Weise werden für die unsicheren Planannahmen bzw. Parameter Verteilungsfunktionen abgeschätzt, die den Grad der Unsicherheit beschreiben (und damit implizit ebenfalls als Risiken zu interpretieren sind). Beide Ansätze, die sich durchaus sehr gut ergänzen, führen im Grundsatz zu dem gleichen Ergebnis: Die traditionelle „einwertige“ Planung mit einem Erwartungs- oder Zielwert 8 wird ersetzt durch eine realistischere Planung unter Nutzung von Verteilungsfunktionen („stochastische Planung“), die sowohl das erwartete Ergebnis als auch den Umfang möglicher Abweichungen (die Risiken) beschreiben kann. Bei der Risikoanalyse – im nachfolgend näher erläuterten „Risikomanagement-Ansatz“ – werden zunächst alle auf das Unternehmen einwirkenden Einzelrisiken systematisch identifiziert und anschließend hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit und quantitativen Auswirkungen bewertet. Da sich Risiken grundsätzlich auf mögliche Abweichungen von den Unternehmenszielen (Planwerten) beziehen, sollte die Festlegung der maßgeblichen unternehmerischen Ziele Ausgangspunkt einer detaillierten Risikoanalyse sein. Besonders relevante strategische Risiken lassen sich identifizieren, wenn man analysiert, durch welche Faktoren die strategischen Ziele und Erfolgsfaktoren des Unternehmens besonders maßgeblich gefährdet wären. Beispiele für besonders gravierende Risiken sind die Substitution des eigenen Produktes durch technologische Innovationen, der Markteintritt neuer Wettbewerber oder massive Verände7 8
vgl. Gleißner (2001), S.111 – 138. Ein erster rudimentärer Schritt weg von einer unbefriedigenden „einwertigen Planung“ ist die Betrachtung mehrerer „Szenarien“ („best-case“ oder „worst-case“), die jedoch meist recht willkürlich ausgewählt werden (man findet doch noch schlimmere Szenarien als den „worst-case“) und hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit oft nicht nachvollziehbar präzisiert werden.
8.1 Ratingprognosen und simulationsbasierte Ratings
399
rungen von Absatzmengen, Zinsen und Währungskursen. Die wesentlichen Einzelrisiken werden in einem Risikoinventar zusammengefasst und zunächst nach geschätzter „Relevanz“ bewertet. Für die nach dieser Einschätzung wichtigsten Risiken werden anschließend – möglichst gestützt auf Zeitreihen historischer Daten – Verteilungsfunktionen abgeschätzt, wobei häufig die Binomialverteilung (Unterstellung einer bestimmten „Eintrittswahrscheinlichkeit“ und (sicherer) „Schadenshöhe“) oder aber die Normalverteilung angemessen sind. Zielsetzung der Risikoaggregation ist die Bestimmung der Gesamtrisikoposition und des Eigenkapitalbedarfs (als Risikomaß) der Unternehmung sowie der relativen Bedeutung der Einzelrisiken. Die ökonomische Bedeutung der Risikoaggregation ist daher offensichtlich, weil sich alle Risiken letztendlich gemeinsam auf das Eigenkapital des Unternehmens auswirken. Durch dieses Verfahren werden risikoadjustierte Kapitalkostensätze oder durch Risiken verursachte „Streuungsbänder“ der zukünftigen Cashflows ermittelt, was letztlich zu einer fundierten Beurteilung der Zuverlässigkeit und einer Verbesserung der unternehmerischen Planungen beiträgt. Und es kann die Bandbreite der zukünftigen Entwicklung des Ratings berechnet werden. Ein geeignetes Verfahren zur Aggregation von Risiken stellt die MonteCarlo-Simulation dar. Eine Mischform mit „historischer Simulation“, bei der anstelle „künstlicher“ Zufallszahlen und Korrelationsmatrizen auch direkt auf (zufällig ausgewählte) historische Werte (z.B. Inflationsraten, reale Zinssätze, Wechselkursänderungen, etc.) zurückgegriffen werden kann, ist ebenso denkbar. Bei diesem Verfahren werden die Wirkungen der gemäß der Relevanz-Einschätzung wichtigsten Einzelrisiken – unter Beachtung von Wechselwirkungen bzw. Korrelationen – in einem Rechenmodell des Unternehmens den entsprechenden Posten der GuV oder Bilanz zugeordnet (vgl. Abbildung 8.1-5 mit den Risiken R1, R2 . . . R4). Solche Risikowirkungen werden durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen beschrieben. In unabhängigen Simulationsläufen (S1 . . . Sn) wird mit Hilfe von Zufallszahlen ein Geschäftsjahr mehrere tausend Mal durchgespielt und jeweils eine Ausprägung der GuV oder Bilanz berechnet. Damit erhält man in jedem Simulationslauf einen Wert für die betrachtete Zielgröße (z.B. Gewinn oder freier Cash-Flow). Die Gesamtheit aller Simulationsläufe liefert anschließend eine „repräsentative Stichprobe“ aller möglichen Risiko-Szenarien des Unternehmens. Aus den ermittelten Realisationen der Zielgrößen ergeben sich aggregierte Wahrscheinlichkeitsverteilungen (vgl. Abbildung 8.1-5). Aus diesen kann der Value-at-Risk9, als ein Höchstschaden, der mit beispielsweise 95%iger Wahrscheinlichkeit innerhalb einer Betrachtungsperiode nicht überschritten wird, ermittelt werden. Zudem kann der Eigenkapitalbedarf (Risk-Adjusted-Capital, RAC) abgeleitet werden, der zur Abdeckung möglicher risikobedingter Verluste nötigt ist (vgl. weiter unten).
9
Exakter: Deviation-Value-at-Risk (DVaR), der bei Bezug auf den Cashflow auch als Cashflow-at-Risk bezeichnet wird.
400
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Abb. 8.1-5: Methodik der Risikosimulation
Abb. 8.1-6: Verteilungsfunktion des Gewinns
Ausgehend von der durch die Risikoaggregation ermittelten Verteilungsfunktion der Gewinne kann man wie erwähnt unmittelbar auf den Eigenkapitalbedarf (Risk-Adjusted-Capital (RAC) oder Risikokapital) des Unternehmens schließen10. 10
Zu beachten ist hierbei, dass eine analytische „Hochrechnung“ des Eigenkapitalbedarfs einer Periode auf einen längeren Betrachtungszeitraum wie beispielsweise zehn Perioden, nur sehr eingeschränkt möglich ist („Wurzel-
8.1 Ratingprognosen und simulationsbasierte Ratings
401
Zur Vermeidung einer Überschuldung benötigt man so viel Eigenkapital, wie (mit einer definierten Restwahrscheinlichkeit) Verluste auftreten können, die das Eigenkapital verzehren. In analoger Weise lässt sich der Bedarf an Liquiditätsreserven (z.B. Kreditrahmen) unter Nutzung der Verteilungsfunktion der Zahlungsflüsse (freie Cashflows) ableiten. Etwas vereinfacht kann man folgende Betrachtung anstellen: Möchte ein Unternehmen beispielsweise ein Rating von BBB+ erreichen, so impliziert dies eine Ausfallwahrscheinlichkeit von ca. 4 %, bezogen auf 10 Jahre, vereinfachend wurde hier nicht unterschieden zwischen Insolvenzwahrscheinlichkeit und „Probability of Default“ (PD), die insbesondere auch bereits Zahlungsverzögerungen einbezieht. Aus dem angestrebten Rating, das beispielsweise durch die Risikoneigung der Unternehmensführung bestimmt wird, ergibt sich, dass mit 96%iger Wahrscheinlichkeit das verfügbare Eigenkapital zu Beginn des 10-Jahres-Zeitraumes ausreichen muss, um die (kumulierten) möglichen Verluste abzudecken. 8.1.2.3.3
Indikatives Gesamtrating unter Berücksichtigung der simulativen Unternehmensplanung Das ermittelte „Roh-Rating“ (bzw. die damit verbundenen Ausfallwahrscheinlichkeiten) auf Basis des Zukunftspotential (vgl. 8.1.2.2.3) wird schließlich mit den Ausfallwahrscheinlichkeiten aus der simulierten Unternehmensplanung (P2) aus Abschnitt 8.1.2.3.2 verbunden, wobei eine (zeitlich und zustandsabhängig differierende) Gewichtung der Einzelbewertungen vorgenommen wird. Dies erlaubt zudem die schon angesprochenen Konsistenztests und die – in üblichen Ratingansätzen nicht mögliche – Ableitung einer zeitlichen Struktur der Ausfallwahrscheinlichkeiten, die wiederum zu einer „Ratingnote“ verdichtet werden können. Ratingprognosen zeigen die zukünftig zu erwartende Entwicklung des Ratings eines Unternehmens, unter Berücksichtigung der Unternehmensplanung und derjenigen Risiken, die Planabweichungen auslösen können. Eine simulationsbasierte (stochastische) Ratingprognose schafft Transparenz über die Bandbreite der Ratingentwicklung (Planungssicherheit). Für eine solche stochastische Ratingprognose werden mittels Monte Carlo-Simulation eine große repräsentative Anzahl möglicher Zukunftsszenarien des Unternehmens berechnet und analysiert. Dies erlaubt auch die unmittelbare Bestimmung der Wahrscheinlichkeit für Überschuldung und/oder Illiquidität, also die Bestimmung einer Ausfallwahrscheinlichkeit ohne Bezugnahme auf ein empirisch abgeleitetes Finanzkennzahlensystem.
ansatz“, vergleiche Poddig/Dichtl/Petersmeier (2000), S. 48 ff.). Ursächlich hierfür ist, dass die Verteilungsfunktion der Gewinne autokorreliert ist und sich der Autokorrelationskoeffizient in der Praxis lediglich durch Simulation berechnen lässt.
402
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
8.1.3
Ratingprognosen auf Basis von Unternehmensplanung und Risikobewertung
8.1.3.1
Rating: Aktueller Stand
Aufgrund der Bedeutung für Kreditrahmen und Kreditkonditionen sollte man erhebliche Anstrengungen der Unternehmer und einen Bedarf an Beratern erwarten, sich gezielt gerade auf die Bankenratings vorzubereiten. Dem entgegen steht aber die Tendenz der Kreditinstitute, in ihren Ratings zu 60–80 % aus historischen Finanzkennzahlen (also in Abhängigkeit von Kennzahlen wie Eigenkapitalquote oder Umsatzrendite) abzuleiten. Alle anderen Faktoren eines Ratings (z.B. Erfolgspotentialbeurteilung, Branchenbewertung oder Risiken) spielen eine vergleichsweise geringe Rolle. Neben Effizienz-Überlegungen dürften hier bekannte empirische Ergebnisse eine Rolle spielen, der zufolge so genannte „Softfaktoren“ – wegen der Probleme einer wirklich validen Erhebung – kaum einen Beitrag für die Verbesserung des Gesamtratings leisten11. Die Verwendung von Finanzkennzahlen erfüllt in erheblichem Maße eine der primären Zielsetzungen des Basel-II-Abkommens, nämlich die Erhöhung der Objektivität. Die zweite wesentliche Zielsetzung, nämlich der stärkere Zukunftsbezug der Bonitätseinschätzung, lässt sich bei den auf historischen Daten basierenden Finanzkennzahlen jedoch kaum erkennen. Die (weitgehende) Fundierung der Ratings auf Finanzkennzahlen führt zwangsläufig dazu, dass das Gesamtrating zumindest kurz- bis mittelfristig nur wenig beeinflussbar ist. Eine Verbesserung der Erfolgspotentiale und damit der Zukunftsperspektiven eines Unternehmens wirkt sich im Wesentlichen erst dann auf das Rating aus, wenn sich diese Verbesserung bereits in den Finanzkennzahlen niedergeschlagen hat. Damit schränkt die hohe Gewichtung der Finanzkennzahlen (zumindest kurz- bis mittelfristig) die Möglichkeiten einer Ratingstrategie und damit – zumindest scheinbar – auch den Nutzen einer Rating-Advisory-Beratung ein. Viele Rating-Berater helfen noch immer im Wesentlichen ein „historisches Rating“ gut zu verkaufen oder allgemeine Vorschläge für die Stärkung des Unternehmens zu platzieren. Dabei ist immer zu bedenken: Das Finanzrating der Vergangenheit zeigt letztlich ein Bild, dass durch die „zufällige“ Realisation bestimmter Risiken (Zins, Konjunktur etc.) entstanden ist, und nicht zwingend auf die Zukunft übertragen werden kann – erst recht nicht, wenn das Unternehmen selbst größere Änderungen (z.B. Investitionen oder Akquisitionen) plant. 8.1.3.2
Der nächste Schritt: zukunftsorientierte Ratingprognosen
Welche zukünftige Entwicklung ist nun zu erwarten und welche Perspektiven ergeben sich damit speziell für Ratinganalysten und Rating Advisors? Da offensichtlich die Kapitaldienst-Fähigkeit eines Unternehmens von seinen Zukunftsperspektiven abhängt, werden Ratingagenturen und auch Kreditinstitute bestrebt sein, die Zukunftsorientierung ihrer Ratings zu verbessern. Aufgrund der erheblichen Inanspruchnahme interner Ressourcen bei der Umsetzung der Basel II-Anforderungen und der neuen MaRisk12 könnte eine derartige „Aufrüstung“ der Ratingverfahren möglicherweise jedoch noch einige 11 12
Vgl. z.B. Weber/Krahnen/Vossmann (1999), S. 117 – 142. Siehe Füser/Weber (2005), siehe Füser (2005).
8.1 Ratingprognosen und simulationsbasierte Ratings
403
Jahre auf sich warten lassen. Genau hier ergibt sich jedoch die vielleicht bisher größte Chance für bankunabhängige Ratinganalysten und Rating-Advisory-Berater, weil sie durch zukunftsorientierte Ratings erstmalig einen wirklichen methodischen Vorsprung mit klarem Nutzen und Vorteilen für den Mandanten erreichen können. Der Nutzen derartiger Ratingprognosen ist offensichtlich. Schon bei Erstellung der Unternehmensplanung lässt sich erkennen, ob (beispielsweise durch vorgesehene Großinvestitionen) zukünftig eine so gravierende Verschlechterung des Ratings zu erwarten ist, so dass jetzt rechtzeitig bereits Gegenmaßnahmen eingeleitet werden sollten. Die Unternehmensleitung erhält, lange bevor eine Ratingverschlechterung für ein Kreditinstitut in den Finanzkennzahlen erkennbar wird, die Chance, pro-aktiv zu handeln. Der (aggregierte) Gesamt-Risikoumfang eines Unternehmens kann explizit mit seiner Risikotragfähigkeit (Eigenkapital und Liquiditätsreserven) verglichen werden. Die Konsequenzen des in der Zukunft möglichen Eintretens von Risiken (z.B. Konjunkturabschwung, Sachanlageschäden oder ähnliches) auf das Rating können fundiert eingeschätzt werden, was rechtzeitig gezielte Risikobewältigungs-Maßnahmen (im Sinne eines „Bilanzschutzkonzeptes“) ermöglicht. Bei dem traditionellen Finanzrating erkennt man die Konsequenzen von Risiken für das Rating immer erst, wenn die Risiken bereits eingetreten sind und die Ertragskraft des Unternehmens negativ beeinträchtigt haben. Die Ratingverfahren der nächsten Generation, die bisher von Kreditinstituten nur in Ausnahmefällen angewandt werden, ermöglichen solche Ratingprognosen13. Derartige Ratingprognosen zeigen dann nicht nur das aktuelle Rating eines Unternehmens, sondern erstellen eine Prognose der zukünftigen Entwicklung des Ratings und eine Bewertung des realistischen Umfangs von Abweichungen von dieser Ratingprognose (also eine Bandbreite mit realistischen Ober- und Untergrenzen des zukünftigen Ratings (vgl. Abbildung 8.1-6 zeitliche Entwicklung eines Ratings)).
Abb. 8.1-7: Ratingprognose mit risikobedingten Bandbreiten 13
Vgl. Gleißner/Leibbrand (2004), Bemmann/Gleißner (2007), sowie Spliid (2005) für die Umsetzung bei der IKB, sowie die Informationen der Investkredit Bank AG zum „Rating-Navigator“/„Finanz-Navigator“, der gemeinsam mit der Future Value Group entwickelt wurde.
404
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Eine derartige Technologie für Ratingprognosen erfordert dabei zum einen eine systematische, quantitative Auswertung einer (gegebenenfalls mit Benchmark-Werten bereinigten) Unternehmensplanung. Aufgrund der mit jeder Zukunftsprognose verbundenen Risiken (also mögliche Planabweichungen) ist eine einfache Umsetzung der Unternehmensplanung in Finanzkennzahlen und die Zuordnung entsprechender Ratingeinstufungen jedoch lediglich ein erster Schritt. Um eine realistische Einschätzung der möglichen Bandbreite des zukünftigen Ratings zu erhalten, ist es erforderlich, die Planungssicherheit zu beurteilen, was durch die simulationsgestützte Aggregation sämtlicher wesentlicher Unternehmensrisiken in die Planung geschieht („stochastische Planung“). Die hierfür genutzte Methodik der Risikosimulation (Monte-Carlo-Simulation) basiert auf der Berechnung und Auswertung einer großen repräsentativen Anzahl risikobedingter Zukunftsszenarien des Unternehmens. Damit erhält man eine realistische Einschätzung möglicher Entwicklungskorridore des Unternehmens, was wiederum Informationen wie den Eigenkapitalbedarf, den risikoadjustierten Kapitalkostensatz und eben auch das Rating ermöglicht. Für die Entwicklung einer Ratingstrategie ist die Ratingprognose das wichtigste Werkzeug, weil mit ihm die Konsequenzen alternativer Maßnahmen für das zukünftige Rating aufgezeigt werden können.14 Simulationsbasierte Ratingprognosen sind ein wesentlicher Schritt für die Weiterentwicklung der bisher implementierten Ratingsysteme der Kreditinstitute. Sie berücksichtigen geplante zukünftige Veränderungen des Unternehmens und die zukünftigen Risiken, während sich in traditionellen Ratings im Wesentlichen diejenigen Risiken zeigen, die zufällig im letzten Jahresabschluss eingetreten sind. Ratingprognosen sind zudem das wichtigste Instrument, um alternative Ratingstrategien im Hinblick auf ihre Auswirkungen zu vergleichen.
8.1.4
Zusammenfassung
Ratingprognosen zeigen in Abhängigkeit der Unternehmensplanung und der Risiken, die Planabweichungen auslösen können, welche Bandbreite der Entwicklung eines Unternehmensratings in der Zukunft zu erwarten ist. Ratingprognosen sind ein notwendiges Instrument, um alternative Ratingstrategien oder Einzelmaßnahmen im Hinblick auf die Konsequenzen für das zukünftige Rating vergleichen und beurteilen zu können. In einem traditionellen, auf historischen Finanzkennzahlen basierenden Rating spiegeln sich nur diejenigen Risiken wider, die zufällig im letzten Geschäftsjahr tatsächlich eingetreten sind. Ratingprognosen ermöglichen es, geplante strukturelle Veränderungen des Unternehmens gemäß Unternehmensplanung zu berücksichtigen und die zukünftigen Risiken, die Krisen oder gar eine Insolvenz auslösen können, adäquat zu erfassen. Simulationsbasierte (stochastische) Ratingprognosen basieren auf der Monte Carlo-Simulation. Um die Bandbreite der zukünftigen Ratingentwicklung einschätzen zu können, wird eine große repräsentative Anzahl möglichen Zukunftsszenarie des Unternehmens berechnet und analysiert.
14
Entsprechend ist ein Tool zur Ratingprognose, der Risiko-Kompass, auch wichtiger Lehrinhalt der RatingAusbildung an der Universität Augsburg.
8.1 Ratingprognosen und simulationsbasierte Ratings
8.1.5
405
Übungsaufgaben
Übungsaufgabe 1: Wieso kann die Bedeutung von zusätzlichen Risikobewältigungsmaßnahmen für das zukünftige Rating nicht adäquat beurteilt werden, wenn keine simulationsbasierten Ratingprognosen erstellt werden? Übungsaufgabe 2: Erläutern Sie knapp die den simulationsbasierten (stochastischen) Ratingprognosen zugrunde liegenden Verfahren, speziell die Monte Carlo-Simulation. Übungsaufgabe 3: Wie kann mittels Unternehmenssimulation auch ohne Verwendung eines auf Finanzkennzahlen gestützten Ratingansatzes (Bilanzrating) eine Ausfallwahrscheinlichkeit und damit ein Rating abgeleitet werden?
8.1.6
Literaturverzeichnis
Bemmann M./Gleißner W. (2007), Ansatzpunkte für die betriebswirtschaftliche Prüfung und Verbesserung von Ratingsystemen, erscheint in: Handbuch „Prüfung des Kreditgeschäfts“, in: Becker A./ Kastner A. (Hrsg.), Prüfung des Kreditgeschäfts durch die interne Revision, Sparkassen Verlag 2007, S. 179–217. Füser K. (2001), Intelligentes Scoring und Rating, Wiesbaden. Füser K./Weber M., (2005), Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), SchaefferPoeschel Verlag. Gleißner W. (2001), Identifikation, Messung und Aggregation von Risiken, in: Gleißner W./Meier G., Wertorientiertes Risiko-Management für Industrie und Handel, S. 111–138, Wiesbaden. Gleißner W. (2002), Wertorientierte Analyse der Unternehmensplanung auf Basis des Risikomanagements, in: Finanzbetrieb, Heft 7 – 8, S. 417 ff. Gleißner W./Füser K. (2003), Leitfaden Rating Basel II: Ratingstrategien für den Mittelstand, 2. Auflage, 2003. Gleißner W./Leibbrand F. (2004), Indikatives Rating und Unternehmensplanung als Grundlage für eine Ratingsstrategie in: Handbuch Ratingpraxis, Hrsg. Everling, Achleitner, Gabler Verlag 2004. Gleißner W./Sautter D. (2001), Risikoorientierte Analyse von Geschäftsplänen, in: Gleißner W./Meier G. (Hrsg.), Wertorientiertes Risiko-Management für Industrie und Handel, 2001. Hartmann-Wendels T./Lieberoth-Leden A./Mählmann T./Zunder L. (2005), Entwicklung eines Ratingsystems für mittelständische Unternehmen und dessen Einsatz in der Praxis, in: Zfbf, Sonderheft 52, S. 1 – 29. Mrzyk A. (1999), Ertragswertorientierte Kreditwürdigkeitsprüfung bei Existenzgründungen, Deutscher Universitäts-Verlag. Poddig T./Dichtl H./Petersmeier K. (2000), Statistik, Ökonometrie, Optimierung.
406
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Spliid R. (2005), Mittelstandsfinanzierung: Risikosteuerung durch Financial RiskManagement, in: Gleißner, W., Risikomanagement im Unternehmen, Loseblattwerk 2001 – 2006, Kognos Verlag, Ergänzungslieferung 12/2005. Weber M./Krahnen J.P./Vossmann F. (1999), Risikomessung im Kreditgeschäft: eine empirische Analyse bankinterner Ratingverfahren, in: ZFBF, Sonderheft 41, S. 117 – 142.
8.2 Entwicklung einer Ratingstrategie
407
Werner Gleißner 8.2
Entwicklung einer Ratingstrategie
8.2.1
Entwicklung einer Ratingstrategie: Maßnahmen zur Optimierung des Ratings
8.2.1.1
Einleitung ....................................................................................................... 408
8.2.1.2
Lernziele......................................................................................................... 408
8.2.1.3
Was ist ein „gutes“ Rating?............................................................................ 408
8.2.1.4
Entwicklung einer Ratingstrategie: Rating Advisory im Überblick .............. 409
8.2.2
Die vier Säulen einer Ratingstrategie
8.2.2.1
Optimierung des Ratings: Ratingstrategien und Rating-Advisory ................ 410
8.2.2.2
Verbesserung der strategischen Positionierung und Steigerung des Unternehmenswertes................................................................................ 412
8.2.2.3
Konsequente Risikobewältigung.................................................................... 415
8.2.2.4
Optimierung von Kapitalbindung und Finanzierung ..................................... 417
8.2.2.5
Transparenz und Kommunikation.................................................................. 418
8.2.2.6
Zusammenfassung: Maßnahmen zur Optimierung des Ratings .................... 419
8.2.2.7
Exkurs: Rating und Unternehmenswert: Gemeinsamkeiten und Unterschiede............................................................................................ 421
8.2.3
Zusammenfassung: Das neue Paradigma im Rating: Zukunft statt Vergangenheitsbewältigung
422
8.2.4
Übungsaufgaben
423
8.2.5
Literaturverzeichnis
423
408
410
408
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
8.2.1
Entwicklung einer Ratingstrategie: Maßnahmen zur Optimierung des Ratings
8.2.1.1
Einleitung
Wenn ein Unternehmen eine Ratingstrategie entwickeln möchte, ist es grundsätzlich aufgefordert, über Ansatzpunkte nachzudenken, die die primären Determinanten des Ratings günstig zu beeinflussen. Folglich haben Aktivitäten zur Verbesserung der Kommunikation mit der Hausbank, zur Stärkung des Vertriebs oder des Transfers gravierender Risiken auf eine Versicherungsgesellschaft ebenso Bedeutung für das Rating wie der Aufbau eines Risikomanagementsystems oder die Reduzierung der Abhängigkeit von Schlüsselpersonen. Bei dieser Betrachtung wird insbesondere deutlich, dass eine breite Palette unternehmerischer Maßnahmen prinzipiell geeignet ist, das Rating des Unternehmens zu verbessern. Fast alle diese Maßnahmen zur Verbesserung eines Ratings sind aus unternehmerischer Sicht auf jeden Fall sinnvoll und wirken sich für das Unternehmen wertsteigernd aus. Aus dieser Perspektive ist die Entwicklung einer Ratingstrategie keinesfalls eine überflüssige, bürokratische Pflichtübung. Sinnvollerweise sollte man daher das aktuelle Thema „Basel II und Rating“ insbesondere auch als Anlass ansehen, sich mit an sich sowieso sinnvollen Maßnahmen zur Stärkung des Unternehmens auseinander zu setzen und diese insbesondere vor dem Hintergrund der Konsequenzen für die Verbesserung des Ratings zu untersuchen und zu priorisieren. 8.2.1.2
Lernziele
Der Ratinganalyst soll • die wesentlichen Schritte eines Projekts zur Entwicklung einer Ratingstrategie erarbeiten können, • die wichtigsten Ansatzpunkte für eine Verbesserung oder Stabilisierung des zukünftigen Ratings kennen und • lernen, welche Maßnahmen aus den Themenfeldern Ertragssteigerung, Risikobewältigung, Verbesserung der Kapitalbindung und Finanzierung sowie bezüglich der Kommunikation mit dem Kreditinstitut besondere Bedeutung im Rahmen einer Ratingstrategie haben sowie • die Ratingstrategie als wesentliche Komponente der gesamten Unternehmensstrategie verstehen. 8.2.1.3
Was ist ein „gutes“ Rating?
Ratingagenturen und Banken verwenden häufig Ratingstufen, beispielsweise von „AAA“ über „BBB“ bis „CCC“ – mit jeweils abnehmender Bonitätseinstufung. Die Ratingstufe „AAA“ stellt dabei die höchste Ratingstufe dar und impliziert somit die geringste Ausfallwahrscheinlichkeit des Unternehmens. Dabei gilt jedoch nicht, dass die „höchste“ Ratingstufe zugleich die für das Unternehmen beste ist. Zum Erreichen der höchsten Ratingstufe ist es für ein Unternehmen erforderlich, äußerst hohe Eigenkapitalreserven als Risikodeckungspotenzial vorzuhalten und zudem den Umfang der Risiken erheblich einzuschränken, was zwangsläufig auch viele Chancen unmöglich macht.
8.2 Entwicklung einer Ratingstrategie
409
Für ein Unternehmen ist es im Allgemeinen nicht oberste Zielsetzung, die Insolvenzwahrscheinlichkeit zu minimieren. Unternehmertum ist zwangsläufig mit dem Eingehen von Risiken verbunden. Bei der Entwicklung der Ratingstrategie eines Unternehmens sollte daher der Ausgangspunkt die Wahl einer „angemessenen“ Ratingstufe sein, die ausreichen wird, Kreditlinien und akzeptable Kreditkonditionen zu gewährleisten, aber zugleich Spielraum für das Eingehen unternehmerischer Risiken – und damit Chancen – belässt. 8.2.1.4
Entwicklung einer Ratingstrategie: Rating Advisory im Überblick
Was versteht man unter Rating Advisory im Detail? Als Rating Advisor bezeichnet man einen Berater, der ein Unternehmen auf ein Rating – sei es durch das Kreditinstitut oder eine externe Ratingagentur – vorbereitet. Er selbst erstellt nicht das Rating. Umgekehrt kann eine Ratingagentur oder eine Bank nicht sinnvoll bei der Vorbereitung bzw. Optimierung eines Unternehmensratings helfen, ohne die zwingend erforderliche Unabhängigkeit zu verlieren. Ratingberater und Ratingagentur bzw. die für das Rating maßgebliche Stelle einer Bank sind daher grundsätzlich zu trennen. Ein Rating Advisor hat zunächst die Aufgabe, gemeinsam mit dem Unternehmen zu klären, welchem Ziel das Rating dienen soll und welches Rating angestrebt wird. Anschließend wird er die für das Rating besonders wichtigen Kriterien kritisch betrachten und so zu einer ersten Beurteilung des zu erwartenden Rating-Ergebnisses kommen. Dafür ist eine Ratingprognose auf Basis der Unternehmensplanung nötig, um die künftige zu erwartende Entwicklung des Ratings (und ihre risikobedingten Bandbreiten) aufzuzeigen – die Zukunft ist durch Maßnahmen beeinflussbar (vgl. das entsprechende Kapitel in diesem Buch). Außerdem wird der Rating Advisor gezielt auf diejenigen Kriterien hinweisen, die das Rating des betrachteten Unternehmens maßgeblich beeinflussen. Dies könnten beispielsweise eine fehlende Nachfolgeregelung sein, eine unzureichende Eigenkapitalausstattung, eine unplausible Unternehmensstrategie, gravierende Abhängigkeiten von Schlüsselkunden oder ausgeprägte Nachfrageschwankungen in der Branche. Entscheidend ist es, hinsichtlich dieser Faktoren zu sensibilisieren. Die „kritischen Ratingkriterien“ sind die wichtigsten Ansatzpunkte für Maßnahmen zur gezielten Verbesserung des Ratings, das Erarbeiten von Maßnahmen zu ihrer Verbesserung die wohl wichtigste Aufgabe eines Rating Advisors. Man darf ein Unternehmens-Rating keinesfalls als exogen gegebenes, unveränderliches Gütemaß auffassen. Gezielt lässt es sich in vielen Fällen relativ problemlos verbessern, wobei Ratingstrategien sich im Wesentlichen nur mit dem zukünftigen Rating befassen. Die entsprechenden Maßnahmen sollten eingeleitet bzw. durchgesetzt sein, bevor das eigentliche Rating durch eine Bank oder eine externe Ratingagentur durchgeführt wird (Beurteilung der verschiedenen prinzipiell sinnvoll erscheinenden Maßnahmen einer Ratingstrategie durch erneute Berechnung einer Ratingprognose („Was wäre wenn?“) und Vergleich mit dem Status Quo („Basisszenario“)). Viele der gewählten Maßnahmen haben – quasi als positiven Nebeneffekt – die Konsequenz, Schwachstellen des Unternehmens zu beseitigen, Wettbewerbsvorteile auszubauen und den Unternehmenswert sowie die langfristigen Zukunftsperspektiven zu verbessern. In dieser Hinsicht ist ein Rating-Advisory-Prozess mehr als ein notwendiges Übel zur Sicherung von Kreditspielraum und -rahmen; er bietet zwangsläufig vielfältige Anregungen und dient der Stärkung des Unternehmens.
410
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Umsetzung der Ratingstrategie
Bewertung alternativer Varianten der Ratingstrategie Wertorientierte Stärkung des Unternehmens
Risikobewältigung
Orientierung Kapitalbindung/ Finanzierung
Transparenz und Kommunikation
Zwischenpräsentation:
Der Rating-Check
1. Ratingstufe/Ausfallwahrscheinlichkeit 3. Kritische Ratingkriterien Quick-Check der Erfolgspotenziale
2. Ratingprognose 4. Optimierungspotential Risikoanalyse
Analyse der Basisdaten (insbesondere des Jahresabschlusses)
Abb. 8.2-1: Elemente eines Rating-Advisory-Projekts von FutureValue Group AG1
Die Ratingstrategie gibt den Rahmen vor und fasst alle Aktivitäten zur Verbesserung und Stabilisierung des (zukünftigen) Ratings eines Unternehmens zusammen.
8.2.2
Die vier Säulen einer Ratingstrategie
8.2.2.1
Optimierung des Ratings: Ratingstrategien und Rating-Advisory
Das Kernthema der folgenden Abschnitte sind die Strategien zu Verbesserung der Erfolgsaussichten im Wettbewerb auf den Kapitalmärkten. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Ratingstrategien. Zielsetzung der Entwicklung einer Ratingstrategie ist es grundsätzlich: • eine objektive Verbesserung der für das Rating maßgeblichen Kriterien zu erreichen, • Informationsasymmetrien zwischen Unternehmen und Hausbank abzubauen, die auf Grund einer im Zweifelsfall vorsichtigen (und damit negativen) Einschätzung von Ratingkriterien das Rating negativ beeinflussen würden und • eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln, die insgesamt das Unternehmen – bei gegebenen objektiven Rahmenbedingungen in einem (wenn auch nicht überzogen) positiven Bild erscheinen lässt. 1
Gleißner (2004).
8.2 Entwicklung einer Ratingstrategie
411
Bei der Entwicklung einer Ratingstrategie bietet sich grundsätzlich der folgende Vorgehensplan an: (1) Fixierung der Aufgabenstellung: • Welchen Nutzen erwartet das Unternehmen von einem Rating? • Welche Adressaten (Ratingagentur, Kreditinstitut oder Kunden) sollen durch das Rating angesprochen werden? (2) Erarbeitung eines „typischen“ Rasters von Ratingkriterien und kritische Beurteilung des eigenen Unternehmens an diesem Rating. (3) Eigene Ersteinschätzung des Ratings: Welches Rating wäre bei der momentanen Ausprägung der Ratingkriterien zu erwarten? (4) Ratingprognose: Aufzeigen der zukünftigen Entwicklung des Ratings in Abhängigkeit von Unternehmensplanung und Risiken („stochastische Ratingprognose“ mit Bandbreiten). (5) Bewertung der Konsequenzen: Welche Konsequenzen für das eigene Unternehmen hätte ein derartiges Rating, zum Beispiel für den verfügbaren Kreditrahmen oder die Kreditkonditionen? (6) Identifikation „kritische Ratingkriterien“, die das Ratingurteil besonders maßgeblich (negativ) beeinflussen. (7) Entwicklung einer Ratingstrategie auf Grundlage der vier Säulen: • Stärkung des Unternehmens bzw. seiner Ertragskraft/Steigerung des Unternehmenswerts • gezielte Risikobewältigung • Optimierung von Kapitalbindung, Finanzplanung und Finanzierung • Verbesserung der Transparenz im Unternehmen und der Kommunikation mit der Hausbank und erstellen von überarbeiteten Ratingprognosen zur Bewertung der möglichen Variante der Ratingstrategie im Hinblick auf (1) erwartete Wirkung und (2) Wirkungssicherheit. (8) Vorbereitung auf das Gespräch mit Ratingagenturen bzw. Hausbank und anschließender Durchführung dieser Gespräche. Der Prozess der Entwicklung einer Ratingstrategie kann – muss aber nicht – durch einen Rating-Advisor als spezialisierten Berater unterstützt werden. Die im Folgenden dargestellte Konzeption basiert auf dem Rating-Advisory-Ansatz der FutureValue Group AG und der RMCE RiskCon GmbH und ist mit dem Rating-Konzept der Ernst & Young AG abgestimmt2. 2
Vgl. Gleißner/Füser (2003), S. 209.
412
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Die Optimierung des Ratings basiert auf vier Säulen, die sich an den Determinanten des Ratings orientieren, nämlich: (1) der Verbesserung der Ertragskraft und damit eine Steigerung des Unternehmenswertes (wertorientierte Unternehmensführung), beispielsweise durch eine Verbesserung der strategischen Ausrichtung oder die Optimierung operativer Werttreiber (z.B. verbesserter Kundennutzen, zielgruppenorientierter Vertrieb oder effizientere Prozesse). (2) der systematischen Reduzierung von unternehmerischen Risiken, beispielsweise durch einen gezielten Risikotransfer an Dritte (Versicherung oder Kapitalmärkte) mit der Konsequenz einer Reduzierung der Insolvenzwahrscheinlichkeit. (3) der Verbesserung der Finanzplanung und der Finanzierung, beispielsweise durch eine Reduzierung der Kapitalbindung (z.B. in Vorräten), einer Vermeidung von temporären Finanzierungsspitzen oder der Erschließung alternativer Kapitalquellen (z.B. Private Equity, ABS oder Mezzanines Kapital). (4) der Verbesserung der Transparenz über die eigene Risikosituation, der Glaubwürdigkeit von Plan- und Ist-Daten und der Kommunikation mit der Hausbank. Dies geschieht beispielsweise durch den Ausbau der Controlling-, Frühaufklärungs- und Risikomanagementsysteme, die Entwicklung eines Geschäftsplans und einer Balanced Scorecard sowie die Erarbeitung einer Kommunikationsstrategie mit den Hausbanken. Ratingstrategien zielen auf eine Verbesserung der strategischen Positionierung und damit der Ertragskraft eines Unternehmens, auf die systematische Reduzierung von Unternehmensrisiken, eine Optimierung von Kapitalbindung und Finanzierung sowie eine Verbesserung von Transparenz und Glaubwürdigkeit des Unternehmens. 8.2.2.2
Verbesserung der strategischen Positionierung und Steigerung des Unternehmenswertes
Die erste Säule des Rating-Advisory-Ansatzes basiert darauf, dass eine Stärkung der nachhaltigen Ertragskraft und damit eine Steigerung des Unternehmenswerts – bei gleich bleibendem Risiko – grundsätzlich eine Verbesserung des Ratings mit sich bringen sollte. Die – etwas abstrakt klingende – Zielsetzung „Steigerung des Unternehmenswerts“ ist dabei nichts anderes als eine „Stärkung des Unternehmens“ bzw. seines erwarteten Ertragsniveaus. Die einfachste – und offensichtlich auch aus anderen Gründen naheliegendste – Möglichkeit der Verbesserung des Ratings ist es, das Unternehmen bezüglich Erfolgspotenzialen, Ertragskraft und Liquidität zu stärken. Alle unternehmerischen Maßnahmen, die auf eine Stärkung des Unternehmens und seiner Wettbewerbsposition hinauslaufen, wie beispielsweise der Ausbau von Wettbewerbsvorteilen, die Verstärkung des Vertriebs, gezieltes Kostenmanagement oder ein Ausbau der technologischen Kompetenz, haben damit in der Regel zugleich eine positive Wirkung auf das Rating. Eine Stärkung der tatsächlichen Wettbewerbsposition des Unternehmens ist daher immer ein wesentlicher Aspekt bei der Entwicklung einer Ratingstrategie. Natürlich gibt es sehr viele Ansatzpunkte für eine Stärkung eines Unternehmens, also die Steigerung seines Wertes. Wir beschränken uns auf einige grundlegende Aussagen und Anregungen zu den folgenden Themen:
8.2 Entwicklung einer Ratingstrategie • • • •
413
Ausbau der Kompetenzen, Effizienzsteigerung durch Vereinfachung von Prozessen, Verstärkung des Vertriebs, Differenzierung der eigenen Leistungen gegenüber den Wettbewerbern (zur Vermeidung eines Preiswettbewerbs).
Auf Dauer kann nur die richtige, konsequent umgesetzte Strategie den Unternehmenswert erhöhen und ein gutes Rating sichern. Im Rahmen der Unternehmensstrategie werden die Grundaussagen zur langfristigen Ausrichtung und Erfolgssicherung des Unternehmens fixiert, die als Leitlinie für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens dienen. Am Ende dieses Prozesses steht eine überprüfte, stimmige, fundierte und in allen Teilen umsetzbare Strategie. Sie zeigt konkret, wie durch einen Aufbau von Kernkompetenzen, interne Stärken (z.B. effiziente Prozesse) und für den Kunden wahrnehmbare Wettbewerbsvorteile, zukünftige Gewinne und Liquidität generiert werden, die den Unternehmenswert bestimmen. Im Grundsatz gibt es vier Kernbereiche zu denen eine Unternehmensstrategie Aussagen treffen muss. Dies sind die Kernkompetenzen, die strategische Stoßrichtung, die Geschäftsfelder und Wettbewerbsvorteile und – nicht zuletzt – die Gestaltung der Wertschöpfungskette. Diese Kernbereiche sind im folgenden „Strategiequadranten“ zusammengefasst:
Kernkompetenzen
Geschäftsfelder und Wettbewerbsvorteile
Strategische Stoßrichtung: - Risiko - Wachstum - Rentabilität
„Make or Buy“ von Wertschöpfungsaktivitäten
Abb. 8.2-2: Kernbereiche der Unternehmensstrategie3
Folgende Kernaussagen einer Unternehmensstrategie sollten schriftlich festgelegt werden4:
3 4
In Anlehnung an das FutureValue™-Konzept Gleißner (2004), S. 161. Gleißner (2004), S. 163 ff..
414
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
(1) Unternehmensleitbild/Vision Wie sieht sich das Unternehmen? Was ist sein Zweck und seine zukünftige Rolle (Vision)? Welche Grundwerte der Unternehmensführung sowie Verhaltens- und Führungsgrundsätze gelten (Unternehmensphilosophie und Leitbild)? Welche Beziehung will es zu Mitarbeitern, Kapitalgebern, Kunden, Lieferanten und der Öffentlichkeit haben? Wie will das Unternehmen sein Umfeld beeinflussen? (2) Erfolgsfaktoren, Geschäftslogik und Kernkompetenzen Was war für den Erfolg des Unternehmens in der Vergangenheit besonders wichtig? Welche kausalen Abhängigkeiten bestehen zwischen den Erfolgsfaktoren der Branche („Geschäftslogik“)? Welches sind die entscheidenden Fähigkeiten („Kernkompetenzen“), mit denen Wettbewerbsvorteile bzw. interne Stärken aufgebaut und somit der Unternehmenserfolg langfristig gesichert werden kann? (3) Strategische Stoßrichtung (strategische Hauptziele/Werttreiber) Welche strategische Stoßrichtung zur Steigerung des Unternehmenswertes hat Priorität? (a) Wachstum:
Steigerung der Gewinne bzw. Cash-flows durch eine Steigerung des Umsatzvolumens
(b) Rentabilität:
Steigerung der Gewinne durch rentablere Nutzung des bisherigen Umsatzpotentials sowie Optimierung des Kapitaleinsatzes
(c) Risikoreduzierung:
Weniger Risiko bei gleichen Gewinnen (höhere Planungssicherheit).
Durch welche vom Unternehmen beeinflussbaren Faktoren („Werttreiber“) lässt sich der Unternehmenswert über Wachstum, Risikoreduzierung oder Rentabilitätssteigerung am stärksten beeinflussen? (4) Geschäftsfelder und Wettbewerbsvorteile (a) Geschäftsfelder In welchen Tätigkeitsfeldern – mit ausreichender Marktattraktivität und Wettbewerbsvorteilen – soll das Unternehmen in Zukunft tätig sein? Welche Leistungen für welche Abnehmer (Zielgruppen/Käufer) sollen angeboten werden? Welche Produktionsverfahren sollen bei der Erstellung der Produkte/Leistungen zum Einsatz kommen? (b) Umfeldbedingungen in den einzelnen Geschäftsfeldern Wie sind die konjunkturelle Abhängigkeit, die Wettbewerbsstruktur und die Wachstumsaussichten der Branche? Wie sind die Wettbewerbskräfte einzuschätzen? Welche Kundenprobleme sollen gelöst werden und welche Kaufkriterien der Kunden sind entscheidend? Welche Trends in Kundenverhalten und Technologie werden relevant? (c) Wettbewerbsvorteile Wie kann das Unternehmen für seine Kunden den größten Nutzen bieten? Wie profiliert (differenziert) sich das Unternehmen längerfristig gegenüber den Wettbewerbern? Über Produktqualität/Design/Service/Image/Marke/Preis?
8.2 Entwicklung einer Ratingstrategie
415
(5) Gestaltung der Wertschöpfungskette Welche Aktivitäten der Wertschöpfungskette bauen auf den Kernkompetenzen auf und dienen dem Aufbau von Wettbewerbsvorteilen? Welche anderen Aktivitäten können an Fremdunternehmen abgegeben werden (Outsourcing, Reduzierung der Fertigungstiefe)? Wie sollten die (begrenzten) betrieblichen Ressourcen – insbesondere Kapital und qualifizierte Mitarbeiter – auf die einzelnen Schritte der Wertschöpfungskette (z.B. Entwicklung, Akquisition, Auftragsannahme, Einkauf, Fertigung, Service und Auftragsabwicklung) aufgeteilt werden („Ressourcenallokation“)? Bei welchen Aktivitäten sind Kooperationen sinnvoll? Wo muss besonders investiert werden? Die Unternehmensstrategie beschreibt die Kernkompetenzen des Unternehmens, die Geschäftsfelder und Wettbewerbsvorteile, die grundsätzliche Gestaltung der Wertschöpfungskette sowie die relative Bedeutung der strategischen Werttreiber (Wachstum, Rentabilitätssteigerung, Risikoreduzierung). 8.2.2.3
Konsequente Risikobewältigung
Die Insolvenzwahrscheinlichkeit und damit das Rating eines Unternehmens, lässt sich unmittelbar aus dem Verhältnis zwischen dem Gesamtumfang aller Risiken und dem verfügbaren Risikodeckungspotenzial, also dem Eigenkapital und der Liquiditätsreserven, herleiten. Durch die Identifikation und quantitative Bewertung sowie Aggregation von Risiken wird es möglich, den Gesamtrisikoumfang zu bestimmen. Erst das Risikomanagement ermöglicht es daher, eine fundierte Beurteilung der Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung vorzunehmen. Für die Stabilität und Bonität des Unternehmens ist es nötig, dass das Gesamtrisiko eines Unternehmens dem Risikodeckungspotenzial – also insbesondere dem Eigenkapital – entspricht. Die Erkenntnisse des Risikomanagements, insbesondere das Risikoinventar, das die wesentlichen Einzelrisiken zusammenfasst, ist zudem Grundlage für die Aufnahme fundierter Risikobewältigungsmaßnahmen. Gerade Risikobewältigungsmaßnahmen liefern einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung des Ratings eines Unternehmens. Risikobewältigungsmaßnahmen zielen darauf ab, den Risikoumfang des Unternehmens zu reduzieren, was in der Praxis zur Konsequenz hat, dass • • • • •
die „Schwankungsbreite“ von Gewinn und Cash-flow reduziert werden,5 die Wahrscheinlichkeit von Verlusten sinkt, der Eigenkapitalbedarf zur Risikodeckung (Eigenkapitalquote) sinkt und schließlich die Insolvenzwahrscheinlichkeit und das Rating verbessert wird (sieht man einmal von der Situation ab, dass der erwartete Gewinn bereits negativ ist).
5
Was Möglichkeiten fördert zur Durchführung von wertsteigernden Investitionen (Pritsch/Hommel (1997) sowie Froot/Scharfstein/Stein (1993)).
416
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Die nachfolgende Grafik stellt die von den befragten Unternehmen empfundene durchschnittliche Bedrohung durch verschiedene Risiken dar, wobei für jedes Risiko die Wahrscheinlichkeit angegeben wird, dass dieses primäre Ursache einer Insolvenz wird.6 Mitarbeiterabhängigkeit konjunkterelle Umsatzschwankung Kundenabhägigkeit. Sachanlageschäden (exogen) Kernkompetenzen Haftungsrisiken Markteintritt neuer Wettbewerber Technische Risiken Adreßausfallrisiken Wettbewerbsvorteiel bedroht Substitution Preiselastizität der Kunden Beschaffungsrisiken Kalkulationsrisiken Organisationsrisiken Lieferantenabhängigkeit. 0,00%
0,10%
0,20%
0,30%
0,40%
0,50%
Abb. 8.2-3: Durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeiten der Risiken
Die Unternehmen stuften die „Mitarbeiterabhängigkeit“ als größtes Risiko ein, wobei auch die „konjunkturelle Umsatzschwankung (Menge)“ und die „Kundenabhängigkeit“ als beträchtliches Risiko angesehen wurden. Aus den 105 Unternehmen stuften 10 die „Mitarbeiterabhängigkeit“ als „bestandsgefährdendes Risiko“ ein. Weitere 16 Unternehmen haben diese als schwerwiegendes Risiko wahrgenommen. Im Folgenden werden Ansatzpunkte für Risikobewältigungsmaßnahmen aufgezeigt. Dabei wird insbesondere auch auf die Möglichkeiten eingegangen, durch einen Transfer der Risiken auf Dritte die Stabilität des Unternehmens zu erhöhen.
6
Blum/Gleißner/Leibbrand, (2005).
8.2 Entwicklung einer Ratingstrategie
417
Welche Risiken und risikopolitischen Entscheidungen haben nun für den Unternehmenswert eine besonders große Bedeutung? Mit dieser Fragestellung befasst sich das strategische Risikomanagement. Strategisches Risikomanagement umfasst dabei alle unternehmerischen Maßnahmen des Umgangs mit Risiken, die auf eine nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes (Erfolgs) abzielen. Damit ist das strategische Risikomanagement grundsätzlich Bestandteil der strategischen Unternehmensführung. Im Kontext eines strategischen Risikomanagements sind insbesondere die folgenden vier Fragen zu beantworten:7 (1) Strategische Risiken: Welche Faktoren bedrohen Erfolg und Erfolgspotentiale? (2) Welche Kernrisiken soll das Unternehmen selbst tragen? (3) Welche Eigenkapitalausstattung ist als „Risikodeckungspotential“ nötig? (4) Welcher risikoorientierte Erfolgsmaßstab ist Basis der Unternehmenssteuerung? Es genügt also offensichtlich nicht, Risiken nur zu analysieren. Es müssen auch geeignete Maßnahmen getroffen werden, die Risikoposition des Unternehmens zu optimieren – nicht zu minimieren, da dadurch gleichzeitig auf Gewinnchancen verzichtet würde. Ein Unternehmen ganz ohne Risiko ist in der Realität nicht denkbar. Grundsätzlich gibt es dabei mehrere Strategien zum Umgang mit Risiken zur Risikobewältigung: • Risikovermeidung (z.B. Ausstieg aus „gefährlichem“ Geschäftsfeld), • Risikoreduzierung durch − ursachenorientierte Minderung der Eintrittswahrscheinlichkeit (z.B. redundante Auslegung wichtiger Maschinen) oder eine − wirkungsorientierte Minderung der Schadenshöhe (z.B. Substitution fixer durch variable Kosten; Outsourcing), • Überwälzen von Risiken (z.B. durch Versicherungen, geeignete Verträge mit Lieferanten, Absicherung von Zinsänderungen durch Derivate), • Risiko selbst tragen (und Schaffung eines adäquaten Risikodeckungspotentials, i.d.R. in Form von Eigenkapital- und Liquiditätsreserven). Risiken sind die möglichen Abweichungen von einem Planwert, was Chancen und Gefahren einschließt. Die Wirkungen eingetretener Risiken zeigen sich in den Finanzkennzahlen eines Unternehmens, was erhebliche negative Auswirkungen auf das Rating haben kann. Risikobewältigungsmaßnahmen und das Risikomanagement können daher wesentlich zur Stabilisierung des zukünftigen Ratings beitragen. 8.2.2.4
Optimierung von Kapitalbindung und Finanzierung
Die dritte Säule der Konzeption zur Verbesserung des Rating-Ergebnisses ist die Steigerung der Effizienz von Kapitalbindung, Finanzplanung und Finanzierung. Zur Optimierung des Ratings ist es eine Überlegung wert, die Abhängigkeit von Kreditinstituten zu reduzieren, indem man den Bedarf an Bankverbindlichkeiten vermindert. Dazu sollten zunächst Möglichkeiten untersucht werden, die Kapitalbindung in Anlagevermögen und Working Capital 7
Gleißner (2000), (2007).
418
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
zu reduzieren, beispielsweise durch eine Optimierung der Lagerhaltung oder ein konsequenteres Mahnwesen. Folgende Übersicht fasst die wichtigsten Ansatzpunkte zur Reduzierung des Kapitalbedarfs eines Unternehmens zusammen: (1) Abbau der Lagerbestände (Vorräte) durch eine bessere Lagerhaltungs- und Bestellmengenplanung (2) Abbau der Lagerbestände (Vorräte) durch eine Reduzierung der Lieferbereitschaft (3) Verkauf nicht betriebsnotwendiger Teile des Anlagevermögens (z.B. Immobilien) (4) Ausschüttung nicht betrieblich benötigter liquider Mittel an die Gesellschafter (5) Intensivierung des Mahnwesens oder Einräumen von Skonto zur Reduzierung der Forderungen aus Lieferung und Leistung (6) Verschieben von Investitionen durch die Erhöhung der betrieblichen Nutzungsdauer von Maschinen, Anlagen und Fahrzeugen (7) Leasing von Kraftfahrzeugen, Maschinen, Anlagen usw. anstelle von Kauf. ABS-Transaktionen (Asset-Backed-Securities) Eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung des Finanzbedarfs besteht in einer Verbesserung der Finanzplanung. Hier geht es insbesondere darum, Ansatzpunkte zu finden, mit denen man Finanzierungsspitzen in bestimmten Perioden abbauen kann. Beispielsweise ist hier an die Verschiebung von Investitionen zu denken. Schließlich beschäftigt sich diese Säule des Rating-Advisory-Konzepts mit den Alternativen zu einer Fremdfinanzierung über Kreditinstitute. Neben der Kapitalerhöhung, die wegen der oft begrenzten finanziellen Möglichkeiten der Gesellschafter in vielen Fällen ausgeschlossen ist, besteht die Chance, sich über Venture Capital oder Mezzanine Capital zu finanzieren. Ebenfalls interessant können Factoring, Forfaitierung oder Leasing sein, wobei nicht zu vergessen ist, dass die Anforderung von Leasinggesellschaften an das Rating des Leasingnehmers sicherlich nicht weniger ausgeprägt sein werden als diejenigen eines Kreditinstituts. Insgesamt zielen die Maßnahmen der Optimierung von Finanzierung und Finanzplanung darauf ab, das Verhältnis von Bankverbindlichkeiten zu Bilanzsumme zu verbessern, was sich in einem besseren Rating-Ergebnis und einer günstigeren Verhandlungssituation mit den Kreditinstituten bemerkbar machen wird. Eine Verbesserung des Ratings lässt sich erreichen durch eine Reduzierung der Kapitalbindung sowie der Substitution von Bankverbindlichkeiten durch andere Finanzierungsformen, wie z.B. mezzanines Kapital. 8.2.2.5
Transparenz und Kommunikation
Ein grundlegendes Problem bei der Herleitung eines Ratings durch ein Kreditinstitut oder eine Ratingagentur ist die bestehende Informationsasymmetrie. Das Unternehmen selbst verfügt über mehr Informationen als die Ratingexperten oder Banken. Da die Kreditinstitute bei nicht vorliegenden Informationen im Zweifelsfall von der ungünstigsten möglichen Ausprägung ausgehen, ist es von entscheidender Bedeutung, die Kommunikation mit den Kreditinstituten zu verbessern.
8.2 Entwicklung einer Ratingstrategie
419
Ein nicht zu unterschätzender Ansatzpunkt für eine Verbesserung des Ratings eines Unternehmens ist es daher, die Kommunikation mit dem Kreditinstitut zu verbessern und insbesondere sicher zu stellen, dass die Hausbank die Risikosituation und die aktuellen Entwicklungen des eigenen Unternehmens möglichst gut einschätzen kann. Die Glaubwürdigkeit der von einem Unternehmen gemeldeten Daten, insbesondere der Plandaten, aber auch der Ist-Daten, hängt im Wesentlichen von der Qualität der zu Grunde liegenden Informationssysteme ab. Ein Kreditinstitut wird alleine schon die Existenz leistungsfähiger Controlling- oder Risikomanagementsysteme als positiv einschätzen. Eine wesentliche Bedeutung kommt der Unternehmensplanung, dem Controlling, der Investitions- und Finanzplanung sowie dem Risikomanagementsystem zu. Ebenfalls wesentlich ist die Existenz von (quantitativen) Frühaufklärungssystemen, die beispielsweise in der Lage sind, zukünftige Umsatzentwicklungen, gestützt auf geeignete Frühwarnindikatoren (z. B. GeschäftsklimaIndex oder Zinsen) vorherzusehen. Einen zunehmenden Stellenwert unter den Informationssystemen, die eine transparente Unternehmensführung erst ermöglichen, hat schließlich die Balanced Scorecard, die die Umsetzung der Unternehmensstrategie unterstützt. Ein fundiertes Rating muss damit auf fundierten Informationen über ein Unternehmen aufbauen. Diese sollten der Hausbank – aber auch einer externen Ratingagentur – zur Verfügung gestellt werden. Bedeutsame Informationen sind insbesondere die folgenden: • • • • • • • • • •
Informationen zur Geschäftsführung und Gesellschaftern. Unternehmens-Historie. Geschäftsberichte bzw. Jahresabschlüsse der letzten drei bis fünf Jahre. Unternehmensstrategie (Unternehmensplanung) sowie ggf. vorliegende Unternehmensanalyse durch unabhängige Berater. Handelsregisterauszug und Auskünfte der wichtigen Auskunfteien. Presseveröffentlichungen über das Unternehmen. Kurzbeschreibung des Unternehmens, seiner Produkte und der Produktionsverfahren. Informationen über Mitarbeiter, deren Qualifikations- sowie den organisatorischen Aufbau des Unternehmens. Informationen über die im Unternehmen implementierten Planungs- und Steuerungssysteme (wie z.B. Balanced Scorecard, Risikomanagement, internes Kontrollsystem). Verfügbare Sicherheiten. Ein wichtiges Element einer Ratingstrategie ist die aktive Kommunikation mit den Banken. Die Glaubwürdigkeit der übermittelten Informationen und Plandaten setzt Transparenz über die Situation des Unternehmens und geeignete betriebswirtschaftliche Planungs- und Steuerungssysteme voraus.
8.2.2.6
Zusammenfassung: Maßnahmen zur Optimierung des Ratings8
In diesem Kapitel wurden die wichtigsten Ansatzpunkte für die Optimierung des Ratings im Kontext der Entwicklung einer Ratingstrategie vorgestellt. Wie nach den einführenden Erläu8
fehlt???
420
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
terungen sind viele der hier angesprochenen Handlungsmöglichkeiten grundsätzlich für eine Stärkung des Unternehmens und einer Verbesserung seiner Zukunftsaussichten von Interesse – die Verbesserung des Ratings ist manchmal quasi ein Nebeneffekt. Vor dem Hintergrund der Ratingstrategie sind also viele Maßnahmen grundsätzlich von Interesse, es gilt jedoch, diese adäquat zu priorisieren. Hierbei ist es von grundlegender Bedeutung, diejenigen Handlungs-Alternativen zu finden, die zu einer deutlichen Verbesserung bei den „kritischen Ratingkriterien“ beitragen. Bei der Erarbeitung einer Ratingstrategie ergibt sich hierbei möglicher Weise eine andere Priorisierung unternehmerischer Handlungsmöglichkeiten, als sich dies beispielsweise alleine aus einer Steigerung der Rentabilität des Unternehmens oder einer Optimierung des Unternehmens ableiten ließe. Die nachfolgende Abbildung fasst die vier Felder des Rating-Advisory, ergänzt um die diskutierten Punkte zur Verbesserung des eigenen Ratings, zusammen. Die Darstellung soll Anhaltspunkte zur Identifikation des Handlungsbedarfs sowie zur Priorisierung einzelner Schritte liefern.
Strategische Konzeption
Wertorientiertes strategisches Management
Kompetenzen
Effizienz der Prozesse
Marketing + Vertrieb
Vermindern von Risiken
s te u rte ivea a w n er ags tr r E
Ri
Bewältigung von Spitzenrisiken
sik o Risikotransfer
Rating
ReWe + Controlling Frühaufklärung
Risikomanagement
Transparenz und Kommunikation
Vermeiden von Risiken
Tr an sp Ko m un are m d n un z ika tio n
sng ku l c e ia od nt sik pote i R
Optimierung der Kapitalbindung
Liquiditätsreserven
Balanced Scorecard Geschäftsplan Kommunikation
Eigene Kapitalreserven
Optimierung von Finanzplanung und Finanzierung
Abb. 8.2-4: Maßnahmen zur Optimierung des Ratings, Quelle: Gleißner/Füser (2003).
Welche Aktivitäten für die Sicherung der Finanzierung dabei eine besondere Priorität haben, lässt sich natürlich nur nach einer Analyse der individuellen Situation jedes Unternehmens feststellen. Es lässt sich jedoch durchaus aufzeigen, welche Veränderungen bei den Ratingkriterien typischerweise die größte Auswirkung auf die Rating-Einstufung durch die
8.2 Entwicklung einer Ratingstrategie
421
Hausbank haben. Eine Analyse der FutureValue Group AG ergab folgende priorisierte Rangfolge: (1) Ertragskraft: Kostensenkung oder ertragssteigerndes Umsatzwachstum (2) Eigenkapitalerhöhung: Substitution von Bankverbindlichkeiten durch Eigenkapital (einschließlich Private Equity) (3) Verschuldung: Abbau der Verschuldung durch Freisetzung von Vermögenswerten (z.B. Vorräte, Forderungen) (4) Managementqualität: Nachweis einer hohen Qualifikation des Managements (5) Marktposition und Strategie: Nachweis einer guten Marktposition und erfolgversprechende Strategie (6) Risikobewältigung: Vermeiden „besonderer Ratingabschläge“ (durch gravierende Risiken) (7) Kontoinanspruchnahme: Vermeiden eines überraschenden Finanzbedarfs bzw. der Überziehung des vereinbarten Kreditrahmens (8) Transparenz und Glaubwürdigkeit: Ausbau der Unternehmenssteuerungssysteme (z.B. Controlling und Risikomanagement) 8.2.2.7
Exkurs: Rating und Unternehmenswert: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Auch wenn in Folge des Basel II-Abkommens der Kreditinstitute eine adäquate Ratingstrategie und die Sicherung der Finanzierung gerade für mittelständische Unternehmen eine hohe Bedeutung erlangt haben, ergibt sich daraus bisher relativ wenig Geschäftsvolumen für die mittelstandsorientierten Ratingagenturen und spezialisierte Ratingberater (Rating-Advisor). Für jeden Eigenkapitalgeber ist interessant, welcher Wert durch die Investition in einem Unternehmen entsteht. Für die ökonomische Sinnhaftigkeit eines Private Equity- oder Venture Capital-Investment ist es erforderlich, dass der damit geschaffene Unternehmenswert (Ertragswert, Discounted Cash Flow) höher ist, als das eingesetzte Kapital. Der Erfolgsmaßstab eines Eigenkapitalinvestments ist damit der Unternehmenswert oder daraus abgeleitete (wertorientierte) Renditemaßstäbe – nicht aber das Rating. Im Unternehmenswert spiegeln sich alle Risiken wider, also sowohl die möglichen negativen Planabweichungen (Gefahren), als auch die möglichen positiven Planabweichungen (Chancen). Aus der Perspektive eines Eigenkapitalgebers weist ein Rating damit grundsätzlich eine zu enge Sichtweise auf. Traditionelle Bewertungsmodelle wie das genannte CAPM basieren auf den Annahmen vollkommener Kapitalmärkte, was das Fehlen von Konkurskosten, vollkommene und auf alle gleich verteilte Informationen, vollkommene Rationalität des Handels und perfekt diversifizierte Portfolios impliziert. In der Realität sind alle diese Annahmen nicht erfüllt, was auf die fast durchgängige Falsifizierung dieses Modells bei empirischen Untersuchungen nicht überraschend erscheint9. Mit beschriebenen Simulationsverfahren10, das für die Ratingprognose eingesetzt wird, wird der Informationsvorteil der Unternehmensführung genutzt und sämtliche (auch die unter9 10
Vgl. Ulschmid (1994), Fama/French (1992). Vgl. Kapitel x. (hier wird noch später ergänzt)
422
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
nehmensspezifischen) Risiken aggregiert, um den Bedarf an teurem Eigenkapital als Risikodeckungspotential zu berechnen. Die auf dieser Grundlage abgeleiteten Kapitalkostensätze sind ein adäquates und nachvollziehbares Fundament für die Unternehmensbewertung. Die simulationsorientierte Verfahrensweise eines direkten Ratings erlaubt somit neben der Ableitung eines angemessenen Ratings unmittelbar auch die Bestimmung risikoadäquater Kapitalkostensätze, eine risikoadäquate Unternehmensbewertung, die gerade bei risikobehafteten Investments offensichtlich zu empfehlen ist. Besonders bedenklich ist, wenn willkürlich Rating-Verfahren und Unternehmensbewertungsverfahren, die auf unterschiedlichen Annahmen basieren, miteinander verbunden werden. So sieht man häufig, dass aus dem Rating auf den Beta-Faktor als Risikomaß des Capital-Asset-Pricing-Modells geschlossen wird. Dieses Vorgehen ist inkonsistent und führt zu nicht sinnvoll interpretierbaren Ergebnissen. Im Beta-Faktor des Capital Asset Pricing Modells spiegeln sich auf Grund der Modellannahmen lediglich die systematischen (unternehmensübergreifenden) Risiken wider, während sie im Rating natürlich auch unternehmensspezifische Risiken, die eine Insolvenz auslösen können, zeigen. Beide Modelle sind damit nicht kompatibel. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine unreflektierte Übertragung von Ratingansätzen auf die Bewertung von Unternehmen, speziell auf Private Equity-Investments, äußerst kritisch zu betrachten ist. Die heute in vielen Fällen angewendeten Ratingverfahren genügen oft weder den theoretischen Anforderungen an ein Rating, noch enthalten sie diejenigen Informationen, die für einen Eigenkapitalgeber maßgeblich sind. Auf Grund der Fremdkapitalgeberperspektive des Ratings spielen die für den Eigenkapitalgeber durchaus sehr wesentlichen Chancen hier nämlich nur eine untergeordnete Rolle. Gerade diese Chancen bestimmen jedoch maßgeblich den Unternehmenswert. Trotz dieser unterschiedlichen Perspektiven und Zielgruppen von Rating und Unternehmensbewertung lässt sich jedoch für beides eine gemeinsame methodische Plattform konstruieren. Auf Grundlage einer (zukunftsorientierten) Unternehmensplanung und unter Berücksichtigung derjenigen Risiken, die Planabweichungen auslösen können, kann mit Hilfe von Simulationsverfahren sowohl unmittelbar die Insolvenzwahrscheinlichkeit des Unternehmens abgeleitet werden als auch eine Unternehmensbewertung durchgeführt werden. Ein derartiger Ansatz bietet sich daher gerade im Bereich Private Equity- und Venture Capital-Investments an. Rating und Unternehmensbewertung sind auf Grund des unterschiedlichen Adressaten damit keine austauschbaren Konzepte, sie können jedoch auf Grundlage der gleichen methodischen Basis konsistent und mit identischer Informationsgrundlage abgeleitet werden.
8.2.3
Zusammenfassung: Das neue Paradigma im Rating: Zukunft statt Vergangenheitsbewältigung
Wir stehen in der Anfangsphase eines neuen Rating-Paradigmas. Die Ratings entwickeln sich zur „Visitenkarte“ eines Unternehmens und die Entwicklung einer Ratingstrategie, die die Finanzierung des Unternehmens nachhaltig sichert, wird eine Kernaufgabe gerade in mittelständischen Unternehmen. Vor allem wird aber der bisherige „historische Fokus“ der bisher üblichen (Finanz-) Ratings ergänzt durch tatsächlich zukunftsorientierte Ratings. Ra-
8.2 Entwicklung einer Ratingstrategie
423
tingprognosen, die kritische Entwicklungen im zukünftigen Rating rechtzeitig anzeigen, werden zum zentralen Handwerkzeug für die Unternehmer – und damit natürlich erst recht für die Rating-Advisory-Berater und Ratinganalysten. Auch in den Banken wird in einigen Jahren die Erstellung von Ratingprognosen zur Selbstverständlichkeit werden. Dies erfordert jedoch leistungsfähige Verfahren für eine systematische Auswertung (und gegebenenfalls Benchmark-orientierte Korrektur) der Unternehmensplanung und die Einbeziehung derjenigen Risiken, die Planabweichungen verursachen können (mittels simulationsbasierter „Risikoaggregationsverfahren“). Mit dem neuen Instrument der Ratingprognosen, die nunmehr erstmalig auch in einer Standard-Software für Ratinganalysten und Rating-Advisors umgesetzt wurde, werden zukunftsorientierte Ratings zum Standard werden. Damit wird sich der bisher wesentlichste Kritikpunkt an den traditionellen Ratings, die weitgehende Vergangenheits-Orientierung, beseitigen lassen. Der damit möglicherweise wichtigste Schritt für eine größere Akzeptanz von Ratings im Mittelstand und eine sinnvolle Einbeziehung des Ratings in die Zukunftsplanung ist damit erreichbar. Vor allem wird es mit dieser Technik möglich, alternative Ratingstrategien fundiert zu vergleichen.
8.2.4
Übungsaufgaben
Übungsaufgabe 1: Welches sind die wichtigsten Schritte eines Projektes zur Entwicklung der Ratingstrategie eines Unternehmens? Übungsaufgabe 2: Welches sind die vier zentralen Säulen, denen die Maßnahmen zur Verbesserung bzw. Stabilisierung eines Ratings zugeordnet werden können? Übungsaufgabe 3: Welche vier Kernbereiche sollten bei der Beschreibung einer Unternehmensstrategie ausformuliert werden? Übungsaufgabe 4: Warum führt eines Verbesserung des Ratings nicht zwangsläufig auch zu einer Verbesserung des Unternehmenswerts als Erfolgsmaßstab der Eigentümer?
8.2.5
Literaturverzeichnis
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424
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
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8.3 Sanierung und Rating: Eine interessante Wechselbeziehung
425
Wolfgang Nölle und Barbara Schwab 8.3
Sanierung und Rating: Eine interessante Wechselbeziehung
8.3.1
Einleitung
425
8.3.2
Die Unternehmenskrise
426
8.3.2.1
Krisenverlauf: Phasen der Unternehmenskrise .............................................. 427
8.3.2.2
Die Unternehmenskrise: Betrachtung unter Ratingaspekten ......................... 428
8.3.3
Der Weg aus der Unternehmenskrise: Die Sanierung
8.3.3.1
Phase 1: Ist-Analyse mit Entscheidung über Sanierung oder Abwicklung ... 432
8.3.3.2
Phase 2: Erste Sanierungsphase ..................................................................... 435
8.3.3.3
Phase 3: Die eigentliche Sanierung................................................................ 439
8.3.3.4
Phase 4: Konsolidierung ................................................................................ 441
8.3.4
Zusammenfassung
442
8.3.5
Übungsaufgaben
443
8.3.6
Lösungshinweise
443
8.3.1
Einleitung
432
Eines vorweg: Würden alle mittelständischen Unternehmer das Rating als das annehmen, was es ist, hätten wir viel weniger Unternehmen, die sich nicht aus eigener Kraft aus der Krise herausziehen können! Per Definition ist das Rating eine Einschätzung der Zahlungsfähigkeit eines Schuldners. Die Ratingagentur Moody’s beschreibt den Begriff wie folgt: Ein Rating ist eine unabhängige Meinung über die künftige Fähigkeit und rechtliche Bindung eines Kreditnehmers oder Emittenten zur termingerechten Erfüllung von Zins- und Tilgungsverpflichtungen.1 Was bedeutet das aber für den Unternehmer in seinem Tagesgeschäft? Was sollte also das Rating für ihn ganz praktisch sein? Und welche Wechselbezie1
Moody’s Investors Service, Präsentation für den 1. Deutschen Kongress über Kreditrating, Hamburg, Mai 2004
426
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
hungen gibt es zwischen der Sanierung und dem Rating beziehungsweise – noch einen Schritt weiter zurück – zwischen der tagtäglichen Herausforderung vieler Unternehmen, der Krisenvermeidung und -bewältigung, und dem proaktiven Befassen und Umgang mit dem Rating? Aus unserer Sicht gilt ganz grundsätzlich folgendes: Unternehmer sollten im Rating ein wichtiges Instrument sehen, sich in überschaubaren Zyklen strukturiert zu spiegeln, sich zu überprüfen, ob er alles tut, um sein Unternehmen in allen Bereichen auf Kurs zu halten. Sowohl das externe Rating als auch das Bankenrating halten dem Unternehmer diesen Spiegel vor. Im Rahmen dieses Beitrages wird lediglich das Bankenrating betrachtet und zwar unter folgendem Fokus: Das regelmäßige Durchlaufen des Ratingprozess dient dem Unternehmen nicht in erster Linie dazu, bei den Banken gut dazustehen und günstig Kredite zu bekommen. Sondern die Reife, mit der man sich spiegelt, führt dazu, dass Banken einem Vertrauen entgegenbringen, weil man ihnen letztlich nur in einem ihr bekannten Format Daten zukommen lässt, die es ihr ermöglichen, die Professionalität – und damit die Zukunftsfähigkeit – ihres Partners ohne großen Aufwand abzuschätzen. Der Beitrag leitet her, dass ein gut geführtes Unternehmen sein Bankgespräch nicht groß vorzubereiten braucht, denn alle Daten und Fakten, die die Bank gern sehen möchten, braucht man ohnehin selbst, um sein Unternehmen zu steuern und zu regeln. Die notwendigen Daten sind also immer präsent. Kernaussage dieses Artikels ist also: Ein gut geführtes Unternehmen benötigt keine speziellen Aufwände, um sich raten zu lassen. Es kennt seine Erfolgsfaktoren und ist in der Lage, diese über entsprechende Kennzahlen zu überwachen, um Risiken zu vermeiden und Vorsorge zu treffen. Nichts anderes will die Bank sehen. Lernziele und Adressaten des Beitrages Ziel dieses Beitrages ist es, die Wechselbeziehung zwischen Sanierung und Rating herzuleiten. Damit kann erklärt werden, wie der Weg in eine (schwere) Krise zum einen vermieden werden kann und zum anderen, dass bei dem Weg aus der Krise die Ratingkriterien eine gute und nahe liegende Orientierung darstellen. Damit spricht der Beitrag in erster Linie Unternehmer an, um diesen eine Hilfestellung im praktischen Umgang mit dem Thema Rating zu geben. Er richtet sich darüber hinaus auch an alle Partner eines Unternehmens, um Verständnis für die Situation in der Krise und einer anschließenden Sanierung zu ermöglichen bzw. zu verstärken. Unternehmen in der Krise und – sofern die Sanierung unabwendbar ist – Unternehmen, die den Weg aus der Krise über die Sanierung gehen müssen – stehen vor großen Herausforderungen. Nur mit dem Verständnis für die Gesamtzusammenhänge – sowohl aus Unternehmenssicht als auch aus der Sichtweise aller Beteiligten – können diese erfolgreich bewältigen werden.
8.3.2
Die Unternehmenskrise
„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“ Dieser berühmte Satz von Michail Gorbatschow gilt ganz besonders für die Führung eines Unternehmens. Anders ausgedrückt, die
8.3 Sanierung und Rating: Eine interessante Wechselbeziehung
427
Wachsamkeit für die Veränderung der Erfolgsbedingungen im Markt ist die Voraussetzung für die Anpassung an die Erfordernisse der Zukunft. Interessanterweise tun sich gerade längerfristig erfolgreiche Unternehmen mit diesem Grundsatz schwer. Da sie immer mit ihrer Art zu arbeiten, viel Geld verdient haben, wurde es nicht für nötig erachtet, genau zu rechnen, wie ihr Betriebsergebnis zu Stande kommt. Es blieb ja schließlich immer genug über. Und plötzlich erodiert das Unternehmensergebnis, das heißt der Gewinn schrumpft und die Erlöse werden geschmälert. Kernproblem ist fast immer, dass die eigene Kostenstruktur nicht zu den Marktpreisen der angebotenen Produkte passt, man ist zu teuer. 8.3.2.1
Krisenverlauf: Phasen der Unternehmenskrise
In der ersten Phase der Unternehmenskrise werden dann von den Verantwortlichen meist äußere Umstände als Ursache für das schlechtere Ergebnis angesehen: • Die Gesamtwirtschaft lahmt • der Wettbewerber „A“ macht schlechte Preise („Der braucht wohl Aufträge, den Quatsch machen wir nicht mit!“) und • die Rohmaterialien sind teurer geworden. In dieser „schlichten“ Betrachtungsweise setzt man auf das Prinzip Hoffnung, dass die Zeiten wieder besser werden, der nächste Aufschwung bestimmt käme und man solche Schwankungen schon mehrfach er- und überlebt habe. Aber leider erholt sich das Unternehmen nicht, und es macht sich dann eine gewisse Ratlosigkeit breit: Was soll man tun? „Ganz klar: Kosten senken!“ Mit dieser Sichtweise beginnt die zweite Phase der Unternehmenskrise. Die Ausgabenseite wird untersucht und es werden Streichungen vorgenommen. Als erstes werden als größter Kostenblock die Personalkosten untersucht, und an die Besitzstände der Mitarbeiter gegangen. Sozialleistungen und Prämien werden gestrichen. Was nicht unbedingt zur erhöhten Motivation der Mitarbeiter beiträgt. Interessanterweise sind solche Schritte Entscheidungen, die im kleinsten Kreise diskutiert und abgesegnet werden, das heißt ohne Einbindung der Betroffenen: Dies ist der Beschleunigungsfaktor der Unternehmenskrise Nummer 1. Dann werden die Kosten betrachtet, die nur bedingt zum Unternehmensergebnis beitragen: die Marketing- und Werbungskosten. Man versucht gleichzeitig die Vertriebskosten zu senken. Ergebnis: Das Image sinkt, die Kundenbindung wird vernachlässigt und es fällt sogar Stammkunden leichter, zum Wettbewerber zu wechseln. Notwendige Investitionen werden verschoben. Im Allgemeinen stellt dann die Unternehmensführung nach dieser ersten Reaktionsphase fest: Die Kosten sind zwar gesunken, aber leider die Umsätze auch. Unter dem Strich hat sich das Ergebnis nicht stabilisiert, die Erträge sind weiter gesunken. So startet man die zweite Kostenoffensive: Alle Kosten kommen auf den Prüfstand. Der Einkauf wird angehalten, drastisch die Lieferanten zu drücken. Der Begriff strategischer Einkauf wird als utopischer Mehraufwand abgetan. Serviceleistungen werden reduziert, man ist in Gewährleistungsfällen weniger kulant, spart an der Absicherung der Qualität. So häufen sich die Reklamationen, aber es fehlt das Personal, diese abzuarbeiten. In dieser Phase
428
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
verlassen Leistungsträger das Unternehmen, da sie die Perspektivlosigkeit erkennen, die der Unternehmensführung offenbar noch nicht bewusst ist. Die Erträge sinken weiter. Es kommt die dritte Kostensenkungsphase: diesmal geht man an die Substanz des Unternehmens: Das Gelände mit allem Zubehör wird verkauft und man least es zurück und damit werden überfällige Investitionen erneut zurückgestellt. Das kritische an dieser Vorgehensweise ist: • Das damit gewonnene Kapital wird im allgemeinen überwiegend dazu verwendet Verbindlichkeiten zu reduzieren oder auszugleichen und vor allen Dingen wird • dabei immer der Fixkostenblock erhöht! Dies ist der Beschleunigungsfaktor der Unternehmenskrise Nummer 2. Die Krise entwickelt sich also weiter. Die dritte Phase der Unternehmenskrise schließt sich an: Die Unternehmensfinanzierung ist nicht mehr gesichert, wenn Banken in dieser Unternehmenssituation Kreditlinien zurückführen. Verzweifelt sucht das Unternehmen neue Finanzierungspartner und verhandelt dabei auch mit Investoren. In so manchen Fällen lassen sich diese viel Zeit für die Gespräche, damit im weiteren Verlauf der Krise der Unternehmenswert weiter sinkt. Dabei wird nicht ungern das Risiko der Insolvenz mit in Kauf genommen. 8.3.2.2
Die Unternehmenskrise: Betrachtung unter Ratingaspekten
Der hier in aller Kürze aufgezeigte Krisenverlauf ist exemplarisch und hat sich in dieser oder ähnlicher Form – gleichgültig ob bei Groß- oder Kleinunternehmen – in mannigfaltiger Wiederholung gezeigt. Verblüffend für uns als Sanierer war eigentlich immer, wenn wir ein Unternehmen übernahmen, mit welcher Ratlosigkeit und vor allem mit welcher Schuldunfähigkeit das gestandene Management uns gegenübertrat: „Man hätte doch schließlich alles getan, um die Krise abzuwenden …“. Was bei dieser Globalaussage übersehen wird ist eine Grundwahrheit der Unternehmensführung: Man kann ein Unternehmen über die Kosten in seiner Performance regeln, nicht aber steuern. Das setzt aber voraus, dass man den Unterschied zwischen steuern und regeln kennt. Der Sanierer wird dann nicht als Manager gesehen, sondern als einer, der durch Handauflegen ein Unternehmen heilen kann. Und hier können wir die erste Brücke zum Rating schlagen oder anders ausgedrückt: Was wäre bei diesem Krisenverlauf anders verlaufen, wenn das Management sich nach Ratingkriterien der Banken aufgestellt und verhalten hätte oder sich darüber hinaus von einer Ratingagentur hätte spiegeln lassen? An dieser Stelle treffen wir auf die Kernaussage dieses Beitrages, dass es eine Wechselbeziehung „Krise – Fähigkeit zur Krisenvermeidung –, erfolgreiche Sanierung und Umgang mit dem Rating“ gibt. Der proaktive Umgang mit dem Rating ist Grundvoraussetzung für eine positive Wechselwirkung. Proaktiver Umgang mit dem Rating setzt voraus, • die Ratingkriterien zu kennen • zu verinnerlichen, dass mit Basel II beim Bankenrating die weichen Erfolgsfaktoren an Bedeutung gewonnen haben und darauf zu reagieren • proaktiv und auf Augenhöhe mit der Bank zu kommunizieren
8.3 Sanierung und Rating: Eine interessante Wechselbeziehung
429
• der Bank alle Unterlagen, die sie für das Rating braucht, gut aufbereitet und frühzeitig zur Verfügung zu stellen • sowohl Stärken und Schwächen als auch Chancen und Risiken darzulegen und zu zeigen, wie man Schwächen abbauen wird und Risiken absichert. Sich auf ein Rating vorzubereiten bedeutet also, Stärken und Schwachstellen zu analysieren und zu kommunizieren, einen Maßnahmenplan zur Behebung der Schwächen zu erarbeiten und diesen dem Finanzierungspartner zur Verfügung zu stellen. Orientierung bei der Analyse bieten die Ratingkriterien. Die Ratingkriterien erfährt der Unternehmer zunächst einmal durch das Gespräch mit seiner Bank. Aber auch Kammern und Verbände bieten Pre-Rating-Checks an und informieren damit über Ratingkriterien. Manche Banken unterstützen und beraten ihre Kunden bei der Analyse. Beispielsweise bieten Sparkassen ihren Kunden das „Stärken-Potenzial-Profil (SPP)“ an.2 Das SPP ist das Ergebnis der Analyse der Stärken und Potenziale im Unternehmen und informiert über das Rating-Ergebnis. Somit stellt es für Sparkassen eine Kommunikations- und Beratungsgrundlage dar. Vorausgesetzt die jeweilige Sparkasse nutzt dieses Instrument, ergeben sich für Unternehmer folgende Vorteile: Die Kommunikation wird gefördert, das Ratingergebnis wird plausibel dargestellt, Transparenz wird erzeugt, Schwachstellen und Stärken werden aufgezeigt und Ansätze zur tieferen Analyse geliefert. Das SPP der Sparkassen – wie übrigens auch die Gespräche mit allen Finanzierungspartnern und die Arbeit mit (Pre)RatingTools – kann Unternehmen eine Orientierungshilfe im Sinne eines „Rating-Kompasses“ bieten und für die strategische Unternehmenssteuerung genutzt werden. Das Tool MinD.Unternehmer – Projektpartner ist u.a. die WGZ Bank – bietet Unternehmern die Möglichkeit, die Unternehmenssituation – Finanzkennzahlen und weiche Faktoren – selbst zu erfassen. Nach Eingabe der Unternehmensdaten wird ein Bankenbericht generiert, der als Grundlage für ein Kreditgespräch herangezogen werden kann. Der Bankenbericht beinhaltet alle wesentlichen Informationen, die von genossenschaftlichen Banken bei der Kreditbeurteilung berücksichtigt werden. Die direkte Umsetzung potenzieller Verbesserungen wird durch eine integrierte Maßnahmenplanung gefördert.3 Ein weiteres Beispiel für Ratingsoftware, mit welcher Unternehmer ebenso Ratingberichte generieren können, ist das Rating-System R-CockpitTM von Prof. Dr. Schneck Rating. Interessant ist es auch, sich mit den Standards zu befassen, die die DVFA, der Berufsverband der Investment Professionals, erarbeitet und veröffentlicht hat: DVFA Ratingstands, Grundsätze für Effektive Finanzkommunikation, Corporate Governance-Standards.4 Betrachtet man die Ratingkriterien, erkennt man die – im Vergleich zu früher – starke Gewichtung der weichen Ratingfaktoren. Unter den weichen Ratingfaktoren spielt das Management eine große Rolle. Und das aus gutem Grund: Betrachtet man beispielsweise die Ana2 3 4
Quelle: Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V. Quelle: www.min-d.de Quelle: www.dvfa.de
430
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
lyse der Insolvenzursachen nach Hauschildt5, so findet man die mangelnde Managementqualifikation an zweiter Stelle, nach der mangelnden Eigenkapitalausstattung. Aus unserer Sicht ist festzustellen: (1) Die Schuld für eine Unternehmenskrise liegt immer im Management (bei einem Konzernbetrieb genauso häufig in der Managementqualifikation der Holding). (2) Dieses Management kannte im Rahmen der Krisenabwehr nicht das notwendige Instrumentarium, um gegenzusteuern. (3) Im Grundsatz ist eine der wichtigsten Entscheidungsvoraussetzungen in einem Unternehmen, dass man die Auswirkungen einer Entscheidung auch mittelfristig bewerten kann. Im dritten Punkt liegt der Kern der Problematik: die Unternehmenskrise beginnt immer mit einer Strategiekrise. Das Gegensteuern gegen die Strategiekrise ist mit dem geringsten Aufwand verbunden, setzt aber eine wichtige Fähigkeit des Managements oder des Unternehmers voraus: sich selbstkritisch zu spiegeln. Das bedeutet zum einen, dass einem seine Erfolgsfaktoren klar – und finanziell transparent – sein müssen, zum anderen aber vielmehr, dass man sich von externen „benchmarken“ lassen muss, sich kritische Fragen gefallen lassen muss, sich messen lässt. Wer tut das schon gern? Nichts anderes aber will das Rating! Bei der Ratinganalyse werden die Erfolgsfaktoren eines Unternehmens betrachtet und bewertet und die Risikofaktoren herausgearbeitet. Der Ratingbericht einer Ratingagentur bietet jedem Unternehmen – und insbesondere Unternehmen in der Krise – zahlreiche Hinweise für Optimierungsmaßnahmen. Erläutern Banken das Rating, erhält das Management auch aus dem Bankenrating zahlreiche Ansatzpunkte für Verbesserungsmaßnahmen. Nimmt ein Unternehmer das Rating ernst, so dient es ihm als Instrument für die Steuerung seines Unternehmens. So kann er Fehlentwicklungen schnell entgegensteuern. Unternehmen, die bereits in der Krise sind, profitieren gleichermaßen davon: Der Weg in eine erfolgreiche unternehmerische Zukunft – beziehungsweise bei Unternehmen in der Krise zunächst einmal aus der Krise heraus – führt über einen proaktiven Umgang mit dem Thema Rating insgesamt sowie über die professionelle Ratingvorbereitung, Ratingkommunikation und Credit- bzw. Investor Relations-Arbeit. Gerade mittelständische Unternehmen sind dabei oft auf externe Unterstützung angewiesen. Diese Externen sind im Idealfall ein gut und professionell besetzter Bei- oder Aufsichtsrat, im nächst besten Fall ein Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater, der das Unternehmen gut kennt, im schlechteren Fall der Steuerberater. Befindet sich ein Unternehmen bereits in der Krise, übernimmt – bei professionellen Sanierungen – das Turnaround-Management diese Aufgaben beziehungsweise bezieht externe Berater mit ein. 5
Fachbeitrag von Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Hauschildt; Krisenmanagement. Eine Herausforderung für die Betriebswirtschaftslehre
8.3 Sanierung und Rating: Eine interessante Wechselbeziehung
431
Wichtig ist, dass bei allen Beteiligten das Wissen vorherrscht, dass eine reine Finanzbetrachtung zwar Gesetzesmäßigkeiten aufdeckt aber immer rückwärts betrachtet! Diese Gesetzesmäßigkeiten dürfen nicht automatisch auf die Zukunft übertragen werden: Der Unternehmenserfolg und damit die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens hängt sehr stark von den qualitativen Faktoren ab. Wie in Kapitel 8.3.2.2 aufgeführt, bekommen diese Faktoren mit Basel II auch beim Bankenrating eine größere Bedeutung. Die Analyse der qualitativen Faktoren machen Aussagen über das Potenzial und den Handlungsspielraum des Unternehmers und damit auch über die Zukunft des Betriebes möglich. Wachsende Bedeutung bekommen hierbei die strategischen Aspekte, das heißt Planungen etwa im Produktbereich, im Personal- und Kundenmanagement oder bei Investitionsvorhaben. Die Antworten auf Fragen aus diesen Bereichen ermöglichen – sowohl dem Finanzierungspartner als auch im Rahmen der Spiegelung dem Management selbst – eine Einschätzung der Management- und Planungsfähigkeit im Unternehmen. Folgenden Kernfragestellungen kommen ins Spiel: • Wie entwickelt sich der Markt? Welche Möglichkeiten habe ich diese Entwicklung zu prognostizieren? • Wie entwickelt sich der Wettbewerb? Welche Stärken und Schwächen habe ich ihm gegenüber? • Bleibt mein heutiger Markt unter den gegebenen – von mir selbstkritisch analysierten – Randbedingungen für mich attraktiv? • Muss ich mit neuen Produkten meine Märkte sichern oder neue auftun? Habe ich genug Geld in meiner Kriegskasse, um diese neuen Produkte zu entwickeln und marktreif zu machen? • Wie kann ich mein Preis-/Leistungsverhältnis verbessern? Entspricht meine erbrachte Dienstleistung den Erwartungen des Markts? • Stimmt meine Kostenstruktur? Wie kann ich Sie benchmarken? • Habe ich auf allen Ebenen die richtigen Menschen an der richtigen Stelle, haben sie die richtige Qualifikation, und bei Führungskräften die notwendige methodische und soziale Kompetenz? • Wie gut waren meine bisherigen Planungen? Woraus sind Abweichungen entstanden? Gleicht man einmal diese Fragestellungen, die auch aus der internen Positionierung6 hervorgehen, einmal mit den qualitativen und quantitativen – also „weichen“ – Faktoren des Ratings ab, stellt man ohne großen Aufwand fest: Es gibt eine Überdeckung von 100 %. Das bedeutet, dass die heutige Definition der weichen Faktoren sich sehr stark an der betrieblichen Praxis orientiert und damit eine realistische Vorgabe zur Unternehmensdarstellung ist. Umgekehrt lässt sich daraus ableiten:
6
vgl. Buchbeitrag Wolfgang Nölle: Keine Zukunft(ssicherung) ohne interne Positionierung, erschienen im Buch „Mittelstand hat Zukunft - Praxishandbuch für eine erfolgreiche Unternehmenspolitik“ (Gabler Verlag, Deutscher Sparkassen Verlag)
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8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Der Unternehmer, der die Ratingkriterien checklistenartig zur Grundlage seines Handelns erklärt befindet sich auf einem guten Weg zur Kontrolle und Überwachung seines Vorgehens. Es überwiegt ein Prinzip der Vollständigkeit!
8.3.3
Der Weg aus der Unternehmenskrise: Die Sanierung
Viele Menschen haben eine falsche Vorstellung, was eine Sanierung ist, was ein Sanierer leistet. Zum Teil wird das Bild eines eiskalten „Unternehmenszerschlagers“ gezeichnet, der ohne Rücksicht Mitarbeiter entlässt und damit Arbeitsplätze zerstört. Häufig wird das Bild eines Zahlenmenschen gezeichnet, der nur daran glaubt, was unten rechts auf dem Balance Sheet steht. Das entspricht allerdings nicht den Tatsachen: Neben den harten Erfolgsfaktoren eines Unternehmens werden im Rahmen einer Sanierung sehr stark auch die weichen Erfolgsfaktoren betrachtet. Daraus ergeben sich folgende Anforderungen an und Aufgaben für den Sanierer: • • • •
Erkennung der potenziellen Erfolgsfaktoren am Markt Schaffung einer betriebswirtschaftlichen Transparenz Bewertung des organisatorischen Vermögens Schaffung von realistischen Entscheidungskriterien zur Fortführung eines Unternehmens.
Das Anforderungsprofil an den Sanierer besteht damit in der Fähigkeit in einer kurzen Zeit die gesamte Breite des „bekannten Managementinstrumentariums“ anzuwenden. Sie zeigt sich in einer sehr strukturierten – also keinen Faktor vergessenden – und analytischen Vorgehensweise. In der nachfolgend beschriebenen Analysephase einer Sanierung kann es sehr hilfreich sein, sich in der Darstellung eng an der Struktur der Ratingfaktoren entlang zu arbeiten, denn dies ist eine Berichtsform, in der sich viele Beteiligte wieder finden. Manchmal wird dies in der vorgegebenen Berichtsform der beteiligten Banken sogar gefordert. Und: Hat man sich einmal an eine ratingorientierte Berichtsform für die Beteiligten im Rahmen der Entscheidungsfindung gewöhnt, warum soll man sich nicht dauerhaft – im Rahmen der Sanierung – daran halten? 8.3.3.1
Phase 1: Ist-Analyse mit Entscheidung über Sanierung oder Abwicklung
In der ersten Phase der Sanierung, der Ist-Analyse, ergeben sich zuerst folgende Fragestellungen: • „Ist dieses Unternehmen überhaupt zu retten?“ • Wenn ja, wie schnell ist der Turnaround zu erreichen, inklusive der Kosten, die für die Sanierung aufgewendet werden müssen? • Wenn nein, welche Form der Abwicklung des Unternehmens ist zu wählen?
8.3 Sanierung und Rating: Eine interessante Wechselbeziehung
433
Grundsätzlich gilt: Ziel einer Sanierung ist eigentlich immer ein Unternehmen zu erhalten. Die Schlüssel für die Entscheidung zu einer Fortführung sind: • • • • • •
Erfolgreiches Banken- und Lieferantenpooling Stabile Umsätze (und Marktentwicklung) Das Potenzial der kurzfristigen Beeinflussung der Kostenstruktur Eine Erfolg versprechende präzise mittelfristige Erfolgsrechnung und vor allem unternehmerischen Handlungsspielraum für den Sanierer mit einem entsprechenden Sanierungsbudget
Ein Wesensmerkmal eines Sanierers muss in dieser Phase sein: Er ist hochkommunikativ, denn er muss die Einzelauffassungen des Managements, der beteiligten Banken, der Lieferanten, des Wirtschaftsprüfers, des Steuerberaters und vor allen Dingen der Eigentümer unter hohem Zeitdruck bewerten und zu einem für alle Beteiligten plausiblen Ergebnis führen. Er schafft die Entscheidungsgrundlage ob einem Fortführungskonzept zugestimmt wird oder nicht. Die Charakteristik eines Sanierers ist also nicht die eines kalten Zahlenmenschen, sondern die eines sehr stark instrumentalisiert vorgehenden Fachmannes, der darüber hinaus die Fähigkeit hat, sehr unterschiedliche Interessenlagen unter einen Hut zu bringen. Daneben muss er ein Networker sein: Er braucht die Unterstützung eines guten Rechtsanwaltes – idealerweise ein Fachanwalt für Wirtschafts- und Personalrecht – und eines fähigen Wirtschaftsprüfers. Letztendlich ist die wesentliche Aufgabe des Sanierers, bei den Beteiligten das Vertrauen zu schaffen, dass er der richtige ist, um mittelfristig das Unternehmen auf die Erfolgsspur zu bringen. Dies ist aber mit die größte Herausforderung, denn erhält er nicht den erforderlichen Handlungsspielraum, ist sein Scheitern wahrscheinlich; gerade in diesem Bereich gilt der Grundsatz: „Viele Köche verderben den Brei.“ Dieses Vertrauen ist dann über einen sehr kurzen Zyklus des Berichtswesens permanent zu rechtfertigen. Auch in diesem Punkt ist eine ratingorientierte Vorgehensweise vorteilhaft. Fällt im Rahmen der Prüfung der Sanierungsfähigkeit die Entscheidung gegen eine Fortführung, so hängt die Form der Abwicklung meist an der Rechtsform des Unternehmens: Für alle Formen der GmbH gilt: rechtzeitige Anmeldung der Insolvenz, zum einen, da dieser Weg unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich vorgeschrieben ist, vor allen Dingen aber weil dies die für die Kapitalgeber „günstigste“ Form ist. Bei einer Kommanditgesellschaft (KG) kann es nötig werden – entsprechende finanzielle Ressourcen vorausgesetzt – eine wie auch immer geartete Befriedigung der Gläubiger vorzunehmen, damit das Privatvermögen nicht in den Haftungstopf fällt. Dies stellt aber die große Ausnahme von der Regel dar. Ist die Überprüfung auf Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit positiv erfolgt, muss das Sanierungskonzept erstellt werden. Wesentliche Inhalte sollten mindestens sein: • Formulierung einer kurz- und mittelfristigen Unternehmensstrategie • Festlegung der kurzfristig notwendigen Veränderungen in der Management- und Personalstruktur
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8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
• Festlegung einer Unternehmensplanung mit einer hohen Konzentration auf die Liquiditätssituation • Festlegung von sofortigen Controllingmaßnahmen sowohl inhaltlich als auch kapazitiv • Ausweisen der notwendigen Investitionen • Zielvorgaben für die Kostenstruktur idealerweise abgesichert durch ein Branchenbenchmarking • Risikobewertung • Festlegen eines Sanierungsbudgets Unsere Gesellschaft verbindet dies mit der Erstellung eines kompletten Businessplanes, dessen innere Struktur sich wiederum an den Ratingkriterien orientiert. Dieses mündet am Ende in einer Budgetplanung, die mit einer Best- und Worst-CaseBetrachtung verbunden ist, um den Beteiligten die Bandbreite des erforderlichen finanziellen Engagements aufzuweisen. Streng nach dem Motto: „Investment bankers can take a lot of bad news, but they hate surprises!“ Im Prinzip gilt diese Aussage für alle Finanzierungspartner. Das Wichtigste ist, bei der Budgetplanung nicht den Fehler zu machen, eine zu optimistische Prognose abzugeben: die Beteiligten müssen wissen, was auf sie zukommt. Deshalb sind diese Zahlen besonders genau zu recherchieren. Die Schaffung dieser „sicheren Eingangsgröße“ gehört zu den wichtigsten Fähigkeiten eines Sanierers. Die Prüfung folgender Randbedingungen zur Sanierung darf nicht übersehen werden. • Ist es sinnvoll als Teil des Sanierungsplanes strategische Partnerschaften zu entwickeln? • In dem „Management auf Zeit“-Konzept, das eine Sanierung immer ist, sich entsprechende Ressourcen zu sichern. Denn eine Sanierung ist immer eine zeitkritische Angelegenheit mit einem erheblichen Mehraufwand auch für die bestehende Organisation. Versäumt man es, die notwendigen externen Ressourcen, die letztendlich auch in einer strategischen Partnerschaft schlummern, konkret mit in die Planung einzubeziehen, ist der veröffentlichte Terminplan von Beginn an kritisch. Nicht zuletzt muss in diesem Zusammenhang auch die Veräußerung von Unternehmensteilen oder -vermögen geprüft sein, durch die ein zum Teil erheblicher Kapitalzufluss generiert werden kann. Allerdings werden hier häufig die für solche Verkäufe benötigten Zeiträume unterschätzt. Alle Unterlagen, die im Rahmen der Analysephase zu erstellen sind, beruhen auf • • • • • •
Analyse des Finanzergebnisses / Bilanzen Bewertung der Assets Management-Audits Interviews auf allen Ebenen Erstellung oder Überprüfung der interne Positionierung (Abgleich mit Rating-Faktoren) Überprüfung der externen Positionierung, einschließlich der Wettbewerbsanalyse bzw. preislichen Positionierung
8.3 Sanierung und Rating: Eine interessante Wechselbeziehung • • • • • •
435
SWOT-Analyse Bewertung des Auftragseingangs/-bestandes mit Kalkulationen bzw. Nachkalkulationen Überprüfung sämtlicher Verträge Bewertung der Altlasten Bewerten der Personalstruktur (evtl. Vorbereitung eines Sozialplans) Bewertung der Lieferantenstruktur für eventuelles Pooling
Das Ergebnis der Analysephase ist das Sanierungskonzept, welches – wie oben angeführt – Entscheidungspapier für die weitere Vorgehensweise ist: weiche Sanierung, harte Sanierung oder Abwicklung. Als Schlüssel für die Entscheidung zu einer Fortführung – also die Sanierung – wurde bereits das erfolgreiche Banken- und Lieferantenpooling genannt. Gelingt es, zum einen die Lieferanten und zum anderen die Banken an einen Tisch zu bringen, so hat dies zwei Vorteile: • Man gewinnt viel Zeit, da nicht jeder Beteiligte einzeln angesprochen werden muss. Dieses Prozedere ist schon allein deshalb möglich und sinnvoll, weil bei jedem Einzeltreffen prinzipiell das gleiche präsentiert und diskutiert wird. • Vielmehr jedoch: Es ist für alle offensichtlich, dass ein Gleichbehandlungsprinzip vorherrscht; dies verhindert Eifersüchteleien und beschleunigt damit den Entscheidungsprozess. Die Möglichkeit zur Fortführung eines Unternehmens hängt oft vom teilweisen Forderungsverzicht aller Gläubiger (Quotierung) ab, der im Rahmen des Poolings vereinbart werden kann. Trotz dieser klaren Perspektive tun sich die Beteiligten häufig allerdings sehr schwer zu akzeptieren, dass eine Quotenregelung die beste Lösung ist. Besonders die Banken spielen hier eine fatale Rolle, wenn sie ausweichen. Denn diese starre Haltung entscheidet oft darüber, dass ein Unternehmen endgültig in die Insolvenz geht. Berücksichtigen sollte man bei der Abwägung eines Forderungsverzichtes unbedingt folgendes: Gelingt die Sanierung durch den Forderungsverzicht, dann laufen ja im Allgemeinen die Geschäfte weiter, das heißt, es gibt die Möglichkeit das verlorenen Geld wiederzubekommen. Dieses Pooling ist meist das zeitkritische Element in der Sanierungsvorbereitung, auch hier ist es mehr als hilfreich, die Präsentation für die Gespräche mit allen Beteiligten nach Ratingkriterien zu strukturieren. Ganz wichtig ist dabei, dass über eine ausführliche Präsentation der Zukunftsperspektive die Beteiligten ihre Möglichkeiten zur Kompensation ihrer Verluste spontan erkennen. Auch hier ist vom Sanierer ein Vertrauensvorschuss der Beteiligten einzuholen, diese Perspektiven müssen also mit großer Bestimmtheit vom Sanierer vorgetragen werden. Übrigens ist es gut, wenn er selbst von diesen Perspektiven überzeugt ist, denn er muss die Versprechungen später als Verantwortlicher einlösen. 8.3.3.2
Phase 2: Erste Sanierungsphase
In der ersten Sanierungsphase liegen die Handlungsfelder in folgenden Bereichen: • Weiche Erfolgsfaktoren • Interne Positionierung • Harte Erfolgsfaktorten
436
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Sehr stark ist die erste Sanierungsphase von weichen Unternehmensfaktoren geprägt, die es zu betrachten gilt: Es muss ein Team zusammengestellt werden, dass in der Lage ist den anstehenden Veränderungsprozess zu begleiten, also die Veränderungen zu schultern. Dabei ist das Kernkriterium der Teamzusammenstellung, ob die beteiligten Mitarbeiter von der Veränderungsnotwendigkeit überzeugt sind und mit ihrem Wissen den Veränderungsprozess beschleunigen wollen. Sind diese Mitarbeiter erkannt, müssen diese im Rahmen der Sanierung eine entsprechende Sicherheit bekommen, dass sich ihr Einsatz auch lohnt. Umgekehrt gilt, dass man sich von den Menschen trennen muss, die den Fortschritt – im wörtlichsten Sinne des Wortes – behindern oder bremsen. Die dabei entstehenden Kosten müssen in Kauf genommen werden. Ein Sanierer hat allen Mitarbeitern gegenüber eine große Verantwortung. Er lässt sich hier nicht von Vorurteilen leiten, er gibt jedem Mitarbeiter die Möglichkeit, sich selber im Rahmen der vorgegebenen Ziele einzubringen. Um dies zu ermöglichen sind zwei wichtige Voraussetzungen zu erfüllen: • Die neue interne Positionierung muss über einen schnell durchgeführten Top-Down/ Bottom-Up-Prozess möglichst vielen Mitarbeitern zugänglich und plausibel gemacht werden. • Eine offene und regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat ist unabdingbar. Veränderungen sind viel einfacher – auch unter Schmerzen – durchführbar, wenn alle Mitarbeiter den Weg sehen, den sie beschreiten und wissen wohin er führt. Deshalb ist es genauso wichtig sofort mit einem Programm zur Optimierung der Kommunikation im Unternehmen zu starten. Unternehmen in der Krise zeichnen sich eigentlich immer dadurch aus, dass die interne Kommunikation leidet. Es fängt immer damit an, dass die Unternehmensleitung sich isoliert, weil sie unpopuläre Entscheidungen einsam trifft und durchsetzt. Es setzt sich immer damit fort, dass durch den entstehenden Druck die Abteilungen sich stärker gegeneinander abgrenzen, um ihre Bereiche „sauber zu halten“. Interne Fehlervermeidung steht damit vor Prozesssicherheit. Und sichere Prozesse beginnen immer damit, dass unabhängig von der Genauigkeit der dokumentierten Prozesse, präzise Kommunikationswege eingerichtet werden müssen. Dies ist im Übrigen auch die Keimzelle für ein neues Corporate Identity Konzept, die Grundlage für eine Entwicklung der Unternehmenskultur. Dies wird an dieser Stelle deswegen erwähnt, weil unsere Gesellschaft eine professionell entwickelte Unternehmenskultur für den wichtigsten weichen Erfolgsfaktor hält. Wir sind noch nie bei der Übernahme eines Sanierungsfalles auf eine gute und funktionierende Unternehmenskultur gestoßen.
8.3 Sanierung und Rating: Eine interessante Wechselbeziehung
437
Teambildungsprozesse, die Gestaltung der internen Kommunikation und der Unternehmenskultur sind wesentliche Erfolgsfaktoren eines Unternehmens und Bestandteile der internen Postitionierung. Darüber hinaus wirkt sich die positive Gestaltung dieser Faktoren auch beim Unternehmensrating postiv aus und – fokusiert auf die Betrachtung der Brücke zwischen Sanierung und Rating – auch auf die Gespräche mit den Finanzierungspartnern. Die Auseinandersetzung mit folgender Grundfrage fällt ebenso in den Bereich der internen Positionierung: Gibt es stabile Umsätze und wodurch sind diese gefährdet? Stabile Umsätze bedeuten, dass die Produkte und Leistungen des Unternehmens zeitgerecht sind. Dies wiederum bedeutet, dass das Unternehmen auf der Kostenseite in die Schieflage geraten ist und sich die Sanierung zunächst auf radikale Kostensenkung konzentrieren muss. Man spricht in diesem Falle von einer weichen Sanierung, da unter diesen Voraussetzungen ein Grossteil des Personalstamms gebraucht wird, um die laufenden Aufträge zu bewältigen. Eine radikale Kurskorrektur und Verkleinerung des Unternehmens ist dann nicht notwendig, häufig kommt man im Rahmen des Personalabbaus um einen Sozialplan herum. Interne Positionierung heißt dann in erster Linie, Kostensenkung über klar definierte Prozesse, Schaffung von Kommunikationswegen, eindeutige Festlegung von Verantwortlichkeiten und ein sofortiges Qualifikationsprogramm zu erreichen. Dies geschieht in unserer Gesellschaft über den sogenannten Top-Down/Bottom-Up-Prozess. Die verantwortlichen Kräfte werden in einem Corporate-Identity-Programm auf die neue Linie eingeschworen und mit den neuen Instrumenten vertraut gemacht. Kundenbeziehung und -bindung werden sehr schnell in den Vordergrund gestellt. Neben den internen Kostensenkungsprogrammen ist die Konzentration auf den Materialeinstand der nächste große beeinflussbare Kostenblock nach den Personalkosten, hier gibt es zwei wichtige Handlungsfelder: • ABC-Analyse mit entsprechenden Verhandlungen im Rahmen des Lieferantenpoolings • Einrichten eines strategischen Einkaufs mit enger Verknüpfung an das Qualitätswesen Hier ist im Rahmen der normalen Erfahrungswerte in Jahresfrist eine Ergebnisverbesserung von > 5% vor Steuer erreichbar. Der Turnaround ist häufig nach zwei Jahren erreichbar. Komplizierter ist die harte Sanierung, denn sie bedeutet eigentlich immer tiefe Einschnitte ins Unternehmen. Hier dient die neu geschaffene finanzielle Transparenz dazu, als Entscheidungsgrundlage zu dienen, mit welchen Produktbereichen das Unternehmen fortsetzen sollte und vor allen Dingen mit welchen nicht. Häufig müssen ganze Teilbereiche geschlossen werden und/oder auf unrentable Kunden verzichtet werden. Erhebliche personelle Umschichtungen sind immer die Folge; dies geht eigentlich nie ohne Sozialplan. Hier liegt die – im Rahmen der Sanierung neu zu schaffende – neue interne Positionierung mit einer klassischen externen Positionierung sehr nahe zusammen. Denn über eine neue Definition der Märkte/Produkte und Stellung zum Wettbewerb muss die zu erreichen-
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8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
de Sollstruktur des Unternehmens – also der organisatorische Aufbau im Rahmen der internen Positionierung – neu festgelegt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist dabei die Aufstellung des Human Ressources-Planes. In dem wird die neue Personalstruktur festgelegt, Leistungsträger definiert, und ein Abgleich mit dem Sozialplan vorgenommen. Hier gibt es naturgemäß immer Konflikte, denn im Allgemeinen möchte ein Unternehmen Mitarbeiter behalten, die nach Sozialauswahl gehen müssten. Dies zu korrigieren ist teuer, belastet das Ergebnis extrem und verschiebt den Turnaround Zeitpunkt weiter in die Zukunft. Eine harte Sanierung lohnt sich daher eigentlich nur, wenn dass zu rettende Unternehmen ausgesprochene Kernkompetenzen hat, oder wenn es darum geht eine gut eingeführte Marke mit hohem Bekanntheitsgrad zu erhalten. Die Prognosen für eine erfolgreiche Sanierung sind daher weit schwieriger. Das zweite Handlungsfeld der ersten Sanierungsphase ist dem Bereich der harten Erfolgsfaktoren zuzurechnen, die ebenfalls beim Rating eine Rolle spielen: Es betrifft die finanzielle Transparenz. Zunächst muss jede gelieferte Zahl in Frage gestellt werden. Mit einem eigenen Instrumentarium werden zunächst die letzten und laufenden Aufträge nachkalkuliert. Diese möglichst präzise Nachkalkulation in Vollkostenrechnung hat dreierlei Aufgaben. Zum einen werden die Kostenrechnung und die Kostenstellenrechnung überprüft. Dann wird das Betriebsergebnis in gleicher Manier hochgerechnet. Und nicht zuletzt wird so die Plausibilität der gemachten Umlagen für die indirekten Kosten abgeglichen. Im Idealfall trifft man im Unternehmen auf einen Finanzbuchhalter oder Controller, der schon immer eine solche Rechnung machen wollte aber nie so richtig durfte. Gibt es diesen Mitarbeiter nicht, muss der Sanierer diesen mitbringen. Das Ergebnis der Überprüfung der Kostenstruktur ist nicht selten • eine neue oder zumindest überarbeitete Kostenstellenstruktur • die Einführung einer projekt- oder auftragsbezogenen Kostenträgerrechnung • die Schaffung eines zeitnahen und präzisen Finanzberichtswesens Die neu geschaffene finanzielle Transparenz ist die Basis für eine Erfolgsrechnung und diese ist nicht zuletzt wiederum der Erstansatz für ein ratingorientiertes Berichtswesen an die Finanzierungspartner. Wichtig ist dabei ein einheitliches Format, das für alle Beteiligten die gleiche Aussagekraft hat. Nicht zuletzt, um die Aufwände für ein solches Berichtswesen in Grenzen zu halten, muss die Botschaft nach innen und außen die Gleiche sein. Was liegt also näher, als dies gleich an die Ratingstruktur anzugleichen? Zur methodischen Vorgehensweise in der ersten Sanierungsphase gehören: • • • •
Erste Personalentscheidungen Festlegung Interimsorganigramm und Kernmannschaft Banken- und Lieferantenpooling Generelle Lieferantenbewertung
8.3 Sanierung und Rating: Eine interessante Wechselbeziehung • • • • • • • • • • •
439
Bewertung aller Bestände Erste Vorgabe von Finanzzielen Liquiditätsplan Beschneidung aller (unnötigen) Kosten Entwicklung bereichsweiser Maßnahmenkataloge Abarbeitung der Altlasten Festlegung Berichtswesen/Controllingstruktur Überprüfung Kostenstellenstruktur/Definition von Kostenträgern Anlegen eines eigenen Kalkulationsschemas Einbindung Betriebsrat Kurzfristiges Entlohnungskonzept / Verhandlung mit Gewerkschaften
8.3.3.3
Phase 3: Die eigentliche Sanierung
Die eigentliche Sanierung ist gekennzeichnet durch ausgesprochen methodisches Vorgehen. Die Zeit des reinen Krisenmanagements ist vorbei, das „business as usual“ sollte wieder Einzug halten. Das methodische Vorgehen orientiert sich an den in der Analysephase bis ins Detail entwickelten Zielen. Jeder Bereich des Unternehmens erhält klare, eindeutige und wo möglich messbare Ziele. Dieses Verfahren nennt man „management by objectives“. Vorteil dieses sehr sachorientierten Führungsverfahrens ist, dass man viele Mitarbeiter sehr eng führen kann. Mit zwei Konsequenzen: • Es ist relativ schnell erkennbar, ob die gesetzten Ziele machbar sind. • Es ist genau so schnell erkennbar, wer mitzieht und wer nicht. Dabei besteht eine hohe Konzentration darauf, die finanziellen Auswirkungen wirklich messund bewertbar zu machen. Die Methodik hier besteht zu einem guten Teil darin, bei den Nachkalkulationen eine möglichst präzise Zuordnung der Overheadkosten zu den einzelnen Aufträgen zu erreichen. Je mehr Kosten pauschal umgeschlüsselt werden, umso schwammiger und undurchsichtiger ist die Interpretation des finanziellen Ergebnisses. Hier ist eine große Präzision und Hartnäckigkeit erforderlich. Eine übliche Eingangsgröße ist dabei die Ermittlung des Marktpreises eines Produktes, um dann top-down eine Kostenstruktur für das jeweilige Produkt vorzugeben. Gelingt es dann, eine genau Produktkalkulation (mit genauer Zuordnung der Overheads) dagegen zu fahren, erkennt man schnell die Produkte mit denen Geld verdient wird und mit welchen nicht. Kritisch ist dabei die daraus resultierende Fragestellung: „Welche Umsätze will ich machen und welche nicht?“ Hier gilt die Kernregel, ein unwirtschaftliches Produkt nur im Programm zu halten, wenn es absehbar ist, dass es • kurzfristig zumindest kostenneutral herstellbar ist • mittelfristig über Prozessverbesserung und Innovation profitabel zu gestalten ist • ein Schlüsselprodukt und Umsatzträger für das Unternehmen ist, das heißt dass ein entsprechendes Return on Investment berechenbar ist.
440
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Diese Berechnungen und ihre Verfolgung sind der Kern des neuen Berichtswesens. Den Nachweis zu führen, dass unter bestimmten Voraussetzungen schon relativ schnell einzelne Produkte profitabel zu gestalten sind, wirkt sich meist schon sehr motivierend auf die Geldgeber aus. Wenn es darüber hinaus gelingt den weiteren Nachweis zu führen, dass daraus auch ein Trend für das Gesamtergebnis ableitbar ist, dann befindet man sich auf einem guten Weg zur Kommunikation mit den extern Beteiligten. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass alle gelieferten Ergebnisse realistisch sind. Denn eine weitere Grundregel der Sanierung besagt: „das Gesetz von Murphy ist unbarmherzig, was schief gehen kann geht schief!“ Grundlage aller Berechnungen darf nicht das Prinzip Hoffnung sein. Die Vertrauensbasis zum Sanierer beruht darauf, dass seine Prognosen eintreffen. Liegt er beispielsweise in der Hochrechnung des Jahresergebnisses weit daneben, ist der einmal gewonnene Vertrauensvorschuss schnell verspielt. Aus Ratingsicht interessieren in dieser Phase also die operativen Finanzzahlen, wobei eine strikte Trennung vorzunehmen ist, welche Ergebnisse durch das operative Geschäft erwirtschaftet werden und welche Kosten durch den Sanierungsplan entstehen. Häufig ist der Liquiditätsplan Grundlage für daraus resultierende Entscheidungen. Er entscheidet letztendlich darüber, wann welche Kosten ausgelöst werden. Je präziser die Unternehmensplanung erstellt wird, umso leichter sind solche Entscheidungen zu treffen. Zur methodischen Vorgehensweise in der Sanierungsphase gehören: • • • • • • • • • • • • • •
Entwicklung der kurz- und mittelfristigen Unternehmensplanung Präzise Ermittlung und Veröffentlichung des Kapitalbedarfs Verabschiedung Berichtswesen Entwicklung Ratingkonzept/Benchmarks Prozessentwicklung EDV-Konzept Entwicklung Soll-Organigramm Personalkonzept mit MA-Qualimatrix und Stellenbeschreibungen Endgültige Fassung der Maßnahmenkataloge und Begleitung der Abarbeitung Weitere Ermittlung von Ratiopotenzialen Abarbeitung und Beseitigung von Altlasten Entwicklung oder Überprüfung Einkaufskonzept Entwicklung eines Corporate Identity-Konzepts Top-Down: – Ausformulierung kurz- und mittelfristige Strategie – Entwicklung eines Marketingkonzepts – Überprüfen der Struktur der Produkte und Leistungen – Neuentwicklung After Sales Service-Konzept – Definition entsprechender Projekte – Einbindung in die Planung/Ergebnisrechnung
Das Reporting soll regeln, nicht steuern; deshalb Kennzahlen orientiert sein.
8.3 Sanierung und Rating: Eine interessante Wechselbeziehung 8.3.3.4
441
Phase 4: Konsolidierung
Der Sanierer ist selten die Person, die dann ein erfolgreich restrukturiertes Unternehmen dauerhaft begleitet. Zum Leidwesen einiger Sanierer, die ihr „Baby“ ungern in neue Hände geben. Und häufig wird schon vor einer Konsolidierung der Sanierer abgelöst. Dies ist selten richtig, denn man nutzt die Konsolidierungsphase idealerweise dazu, das neue Management einzuarbeiten. Häufig kommt ein neuer Geschäftsführer. Also ist diese Phase der Restrukturierung dadurch gekennzeichnet, dass die Mannschaft beweist, dass sie das neue Instrumentarium wirklich beherrscht. Der Sanierer fängt jetzt an, stärker das Tagesgeschäft den Mitarbeitern zu überlassen und konzentriert sich auf die zentralen Erfolgsfaktoren: • • • •
Kommunikation Qualifikation Verantwortlichkeit Prozesssicherheit
Diese Phase wird deshalb gern dazu genutzt das alte ERP-System durch ein neues zu ersetzen und sich beispielsweise zertifizieren zu lassen. Diese eigentlich schon vorher notwendigen Dinge sollte man erst jetzt in Angriff nehmen, da man noch einmal die Mannschaft erheblich belastet. Eine Sanierung belastet die Mitarbeiter umfassend, man versucht mit einer möglichst kleinen Mannschaft eine große Leistung zu erbringen, stellt dabei den Laden auf den Kopf und erwartet von den Beteiligten, dies zu unterstützen. Ein Wesensmerkmal der Konsolidierung ist also, diese Belastung wieder auf ein „Normalmaß“ zu beschränken. Denn eine Mannschaft dauerhaft, also über zwei Jahre hinaus, in Überlast zu fahren, führt zu Auflösungserscheinungen: Die Organisation macht Fehler und Leistungsträger verlassen das Unternehmen. Man muss also ungefähr ein Jahr nach dem Turnaround kritisch prüfen, ob die zu bewältigenden Aufgaben mit der bestehenden Mannschaft leistbar sind und wo behutsam Kapazitäten aufzubauen sind. Also rückt jetzt das Thema Personalentwicklung in den Vordergrund. Hier ist das eindeutige Ziel die häufig noch fehlende Qualifikation, die in der Sanierungsphase durch Anweisungen des Sanierers kompensiert wird, extern über neue Kräfte einzukaufen. Damit rücken langsam aber sicher die weichen Faktoren in den Vordergrund des Reportings. Abgesehen von der Tatsache, dass die Entwicklung der weichen Faktoren Kapazitäten und damit Geld kosten, müssen die Wechselwirkung zu den Erfolgsfaktoren als zukunftssichernde Elemente transparent gemacht werden. Hier machen häufig Konzernbetriebe die größten Fehler. Das konzerninterne Reporting berücksichtigt die weichen Erfolgsfaktoren nicht ausreichend und die Konzernmutter will eine möglichst hohe Rendite. Ergebnis: Eine echte Konsolidierung findet nicht statt und spätestens nach drei Jahren rutscht das sanierte Unternehmen wieder ab, sehr zum Leidwesen des Sanierers, der den Absturz aus der Entfernung beobachtet.
442
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Ein wichtiger Bestandteil der Ratingkommunikation in der Konsolidierungsphase ist also, den Nachweis zu führen, dass in dieser Zeit ein Teil des verdienten Geldes dazu benutzt wird, Zukunftssicherung zu betreiben. Dies äußert sich auf der Finanzseite darin, dass Rücklagen gebildet werden und die Eigenkapitalquote sukzessive erhöht wird. Auf der Managementseite wird der Nachweis geführt, dass man sich auf die obigen Erfolgsfaktoren konzentriert. Rendite ist das Ergebnis von Professionalität und der Fähigkeit einen Beitrag im Markt zu leisten, nicht der schlichten Kostenrechnung. Zur methodischen Vorgehensweise in der Phase der Konsolidierung gehören: • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Überprüfung und evtl. Neufassung der Strategie auf mittelfristige Ziele Festlegung des endgültigen Vertriebskonzepts Instrumentalisierung Forecast und Auftragswesen Verabschiedung und Einführung eines endgültigen Berichtswesens und Verabschiedung eines Human Ressources-Konzepts Entwicklung und Verabschiedung eines modernen Entlohnungskonzepts Beendigung der Sanierungsentlohnung und Auflösung entsprechender Betriebsvereinbarungen Neubesetzung der Geschäftsführung und Organisation der zweiten Ebene Verabschiedung der langfristigen Unternehmensplanung Veröffentlichung Organigramm Entwicklung von Kennzahlensystemen Einführung von KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) Entwicklung einer Innovationsmethodik mit entsprechenden Feed-Back Verfahren aus dem Markt Manifestierung einer revolvierenden Unternehmensplanung Definition Strategischer Einkauf/Neuentwicklung eines Logistikkonzepts Bei Industriebetrieben: Reduzierung der Fertigungstiefe Entwicklung von strategischen Partnerschaften oder Entwicklungsgemeinschaften Umsetzung eines Qualifikationskonzepts/Ausbilden des Managements auf moderne Führungsmethoden Outsourcen von nicht relevanten Funktionen Gezieltes Entwickeln der Rating-Note/Benchmarks
8.3.4
Zusammenfassung
Die Sanierung oder generell die Restrukturierung ist die große Chance, sich unternehmerisch neu aufzustellen. Eine Sanierung hat nicht nur das Ziel, das Unternehmen finanziell aufzurüsten. Bei solchen Sanierungen erleben wir sehr häufig den Effekt, dass mittelfristig eine neue Unternehmenskrise ansteht. Eine Sanierung hat vor allen Dingen das Ziel, ein Unternehmen dauerhaft wettbewerbsfähig zu machen. Dies äußert sich am Ende einer erfolgreichen Sanierung/Konsolidierung darin, dass in dem gesamten Unternehmen ein Um-
8.3 Sanierung und Rating: Eine interessante Wechselbeziehung
443
denken über alle Ebenen stattgefunden hat, ein neues Bewusstsein für den Erfolg entstanden ist. Häufig liest man den globalen Satz: „In unserem Unternehmen steht der Mensch im Mittelpunkt.“ Was damit gemeint sein sollte ist: Am teuren Standort Deutschland muss das Unternehmen darauf ausgerichtet sein, • möglicht ohne Reibungsverluste seine Leistung zu erbringen, • über finanzielle Transparenz und entsprechende Entlohnungskonzepte Mitarbeiter in Verantwortung zu bringen und damit zu motivieren, • über sichere Prozesse ohne großen zusätzlichen Aufwand eine hervorragende Qualität in Produkten und Dienstleistungen zu liefern • und damit eine hohe Kundenbindung zu erreichen. Dies sind alles weiche und damit menschliche Faktoren! Wenn in diesem Artikel empfohlen wird, sich im Rahmen der Umstrukturierung nahe an den Ratingkriterien zu orientieren, so steht dies rein unter dem Aspekt, dass diese Kriterien eine auf einen einfachen Nenner gebrachte Erfahrungssammlung für Erfolgskriterien sind. Sie gelten für jedes Unternehmen und sie berücksichtigen zunehmend die weichen Faktoren, die am Ende die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sichern. Dass aus der entsprechenden Berücksichtigung dieser Kriterien ganz automatisch eine Unternehmensdarstellung resultiert, die für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Banken sorgt, ist dabei ein höchst angenehmer Nebeneffekt.
8.3.5
Übungsaufgaben
1. Was ist ein Lieferantenpooling und wozu dient es? 2. Was bedeutet im Rahmen der Sanierung eine Konsolidierung? 3. Welchen Nutzen hat eine Geschäftsleitung von einem „ratingorientierten“ Berichtswesen?
8.3.6
Lösungshinweise
zu 1. Das Lieferantenpooling ist eine Methodik zur Reduzierung der Verbindlichkeiten eines insolventen (oder in einer schweren Krise befindlichen) Unternehmens. Die Lieferanten werden zusammengerufen, um Ihnen eine sogenannte Erfüllungs-Quote ihrer Forderungen anzubieten. Dabei ist es wichtig, möglichst allen Lieferanten die gleiche Quote anzubieten, damit über dieses Gleichbehandlungsprinzip eine schnelle Einigung erzielt werden kann. Lockmittel: Es werden für das Zustandekommen einer Quotenvereinbarung langfristige Lieferverträge in Aussicht gestellt. zu 2. Die Konsolidierungsphase dient dazu, das Unternehmen wieder auf eine „normale“ zukunftssichere Organisation zu stellen. In der Sanierungsphase wird aus Kostengründen mit einer zu kleinen Mannschaft das operative Geschäft abgewickelt. Die Folge ist eine dauerhafte Überlastung der Leistungsträger, die im Rahmen der Konsolidierung ihre Arbeitsbelastung auf ein erträgliches Maß reduziert werden soll. Man versucht die dabei entstehenden Mehrkosten (meist Neueinstellungen) durch weitere Prozessverbesserungen zu kompensieren.
444
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
zu 3. Ein modernes Reporting besteht aus zwei Blöcken: Die „hard facts“, also die Finanzzahlen, und die weichen Faktoren, die sich im Wesentlichen in betrieblichen Kennzahlen widerspiegeln. Diese bilden die Fähigkeit des Unternehmens ab, zuverlässig die Kundenanforderungen zu erfüllen. Und daraus lassen sich wiederum die zukunftssichernden Erfolgsfaktoren ableiten. Dieses braucht die Unternehmensleitung, um das Unternehmen zu steuern; außerdem findet sich dieser Aspekt in den Ratingkriterien wieder. Also muss das Unternehmen sein Reporting so gestalten, dass die Bank alle für sie relevanten Faktoren wiederentdeckt. Das Bankgespräch bedarf somit keiner besonderen Vorbereitung, es wird erheblich Zeit gespart.
8.4 Rating und Kommunikation
445
Rudolf Schüller 8.4
Rating und Kommunikation
8.4.1
Einleitung
446
8.4.2
Informationsanforderungen der Unternehmensführung
446
8.4.2.1
Klassische Informationsinstrumente .............................................................. 447
8.4.2.2
Weitergehende Informationsinstrumente ....................................................... 447
8.4.2.3
Informationsquellen ....................................................................................... 447
8.4.3
Informationsanforderungen der Kreditwirtschaft
8.4.3.1
Zeitnähe.......................................................................................................... 448
8.4.3.2
Vollständigkeit und Transparenz ................................................................... 448
8.4.3.3
Kontinuität...................................................................................................... 449
8.4.4
Organisation der Information
8.4.4.1 8.4.4.1.1 8.4.4.1.2 8.4.4.1.3 8.4.4.1.4 8.4.4.1.5 8.4.4.1.6 8.4.4.1.7
Unternehmenspräsentation............................................................................. 449 Geschäftsmodell............................................................................................. 450 Kunden und Lieferanten................................................................................. 450 Strategie.......................................................................................................... 450 Management................................................................................................... 450 Unternehmensorganisation............................................................................. 451 Personal .......................................................................................................... 451 Produktions- und Leistungsprozesse.............................................................. 451
8.4.4.2
Weitere Punkte für die Unternehmensdarstellung ......................................... 451
8.4.5
Zusammenfassung
452
8.4.6
Übungsaufgabe
453
8.4.7
Lösungshinweise zur Übungsaufgabe
453
448
449
446
8.4.1
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Einleitung
Die Kenntnis von Ratingkriterien und auch -methoden allein spiegelt nur eine Seite der Medaille wider. Mindestens ebenso wichtig ist die Art und Weise der Aufbereitung der Information und deren Weitergabe an die Finanzierungspartner, da für die Bank das Risiko die entscheidende Messgröße darstellt, welche untrennbar mit der Qualität der vorhandenen Informationen verknüpft ist. Ein häufiger Grund dafür, dass Kreditgespräche in der Praxis scheitern beziehungsweise nicht zum gewünschten Ziel führen, liegt in der mangelnden und missverständlichen Kommunikation zwischen den kreditsuchenden Unternehmen und der Bank. Obgleich die grundlegende Motivation von Kunde und Bank hinsichtlich eines für beide Seiten profitablen Geschäfts eigentlich gleich ist, unterscheiden sich die Ausgangssituationen doch zumeist erheblich. Bankberater und mittelständische Unternehmensinhaber kommen meist mit sehr unterschiedlichen Werdegängen zusammen, was eine starke Unterscheidung in theoretischer und praktischer Qualifikation bedingt. Einerseits betreut der Firmenkundenberater mit einem finanzwirtschaftlichen und kaufmännischen Hintergrund häufig viele unterschiedliche Unternehmen aus verschiedensten Branchen. Daher ist ihm der Markt des einzelnen Firmenkunden und vor allem dessen Produkte und Kunden oft nicht bekannt. Aufgrund ihrer Ausbildung und Historie sind die Firmenkundenbetreuer in aller Regel eher kopf- und zahlenlastig. Darüber hinaus erwartet die Bank insbesondere in den letzten Jahren eine Fokussierung auf die Risiken und Erträge einer Bank-Kundenbeziehung. Unternehmer hingegen, deren Denken und tägliches Handeln eher durch Visionen als durch kaufmännisches Kalkül geprägt ist, stehen diesem Anspruch der Bank häufig diametral gegenüber. Die Aufgabe des kreditsuchenden Unternehmens besteht nunmehr darin, eine auf die Bedürfnisse des Empfängers abgestimmte Kommunikationsstrategie zu entwickeln. Lernziel Der Leser erkennt die Bedeutung der Kommunikation für das Ratingergebnis und verschiedene Instrumente, mit deren Hilfe sich die Kommunikation zwischen Unternehmen und Bank verbessern lässt.
8.4.2
Informationsanforderungen der Unternehmensführung
Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass ein Großteil der benötigten Informationen für die Geschäftsleitung ohnehin verfügbar sein sollte und somit nicht speziell für die Information der Bank zusammengestellt werden muss. Allerdings sind für den häufig nicht branchenerfahrenen Bankberater zusätzliche Erläuterungen wichtig. Die Informationen, die dem Unternehmer verfügbar sind, liegen auf zwei Ebenen vor.
8.4 Rating und Kommunikation 8.4.2.1
447
Klassische Informationsinstrumente
Zum Einen kann – ein entsprechendes Rechnungswesen und Controlling vorausgesetzt – der Unternehmer kurzfristig auf aktuelle und historische Zahlen des Unternehmens zugreifen. Die klassischen Informationsinstrumente umfassen dabei • • • • • •
Bilanz Gewinn- und Verlustrechnung Lagebericht Geschäftsbericht betriebswirtschaftliche Auswertungen Unternehmensplanung • Mehrjahresplanung • Jahresplanung • Finanzplanung • Investitionsplanung • Liquiditätsplanung • Soll-Ist-Vergleich der Plandaten mit den erzielten Resultaten
Die dem Unternehmer regelmäßig vorliegenden Auswertungen betreffen häufig nicht nur die erzielten Betriebsleistungen sondern ebenso beispielsweise den Auftragsvorlauf und auch die Erfolgsquote bei Angeboten. Informationen über Reklamationsquoten und Garantieleistungen sind für den Unternehmer in aller Regel verfügbar, werden aber bislang meistens nicht mit der Bank kommuniziert. Hier zeigen sich bereits Ansätze, die Bank über den „klassischen“ Rahmen hinaus zu informieren und damit gleichzeitig die Solidität des Unternehmens darzustellen. 8.4.2.2
Weitergehende Informationsinstrumente
Zum Anderen ist im Unternehmen ein umfassendes Wissen über Branche und Märkte vorhanden. Dieses liegt allerdings häufig nicht in expliziter Form vor sondern ist bei Geschäftsleitung und Mitarbeitern „im Kopf“. Dieses Wissen greifbar und damit kommunizierbar zu machen gehört ebenfalls zu den Erfolgsfaktoren einer Kommunikationsstrategie. Da nur wenige mittelständische Unternehmen regelmäßige Strategiemeetings durchführen, in denen Daten über Märkte, Wettbewerb usw. systematisch aufbereitet und analysiert werden. ist hier häufig eine anfänglich als aufwändig gesehene Datenzusammenstellung erforderlich. Diese sollte nicht als notwendiges Übel für die Kommunikation mit der Bank sondern als strategische Information für das Unternehmen angesehen werden. 8.4.2.3
Informationsquellen
Informationsquellen für diese Bereiche gibt es reichlich: Neben den Kammern (Industrie- und Handelskammer bzw. Handwerkskammer je nach Branche und Rechtsform) gibt es eine Vielzahl von Branchenverbänden, deren Mitgliedschaft für Unternehmen durchaus sinnvoll ist. Diese verfügen in aller Regel über Betriebs-
448
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
vergleichsdaten; darüber hinaus erstellen sie auch Studien und Marktanalysen. Über die Mitgliederverzeichnisse lässt sich ein schneller Überblick über Wettbewerber erreichen. Daneben sind auf Branchenanalysen spezialisierte Unternehmen, von denen mit FERI und dnbgermany hier nur zwei genannt seien, mögliche Informationsquellen. Nicht zuletzt erstellen die großen Kreditversicherer Branchenanalysen und veröffentlichen deren Ergebnisse. Diese externen Datenquellen lassen sich einerseits mit den im Unternehmen vorhandenen Zahlen vergleichen und liefern so dem Unternehmer Hinweise auf die tatsächliche Marktstellung seiner Firma. Andererseits kann durch die der Geschäftsleitung und den Mitarbeitern bekannten Daten über Wettbewerb und Märkte insgesamt ein umfassendes Bild über die Rahmenbedingungen der eigenen Tätigkeit erstellt werden. Dieses ist für die Bank einmalig zusammenzustellen; in der Folgezeit reichen Ergänzungen, soweit sich keine umfassenden Veränderungen ergeben. Gleichzeitig erreicht das Unternehmen damit eine verbesserte Branchenkenntnis seines Firmenkundenbetreuers, die auch in den Akten der Bank zugänglich ist. Letzteres ist im Hinblick auf die Verteilung der Entscheidungskompetenzen auf Firmenkundenbetreuer und Marktfolgebereich wichtig. Das Wissen, welches nur beim Firmenkundenbetreuer vorliegt, kann die Entscheidung des Marktfolgebereichs nur insoweit beeinflussen, als es schriftlich dokumentiert ist.
8.4.3
Informationsanforderungen der Kreditwirtschaft
Aus Sicht der Bank sind die Informationen über den Kreditnehmer heute Bringschulden, die dieser zu erfüllen hat. Dabei spielen folgende Punkte eine entscheidende Rolle: • • • •
Zeitnähe Vollständigkeit und Transparenz Kontinuität Vertrauen
8.4.3.1
Zeitnähe
In allen Ratingverfahren der Kreditwirtschaft wird neben dem Umfang und der Qualität der Informationen auch die Zeitnähe vorgelegter Daten beurteilt. Für die Zeitachse orientieren sich die Banken dabei an den inzwischen zwar juristisch aber nicht unbedingt auch faktisch weggefallenen Anforderungen des „alten“ § 18 des Kreditwesengesetzes. Diese Vorgaben verlangten die Beibringung der Jahresabschlußunterlagen innerhalb von längstens 6 Monaten nach dem jeweiligen Bilanzstichtag. Es ist gute Übung für Unternehmen, ihre Kreditinstitute bereits in den ersten Monaten des neuen Geschäftsjahres zumindest mit vorläufigen Zahlen über das abgelaufene Jahr zu versorgen. Dies zeigt für die Bank zum Einen, dass das Unternehmen auf seine Zahlen achtet; darüber hinaus werden auch die Einflüsse von Bewertungsmaßnahmen aus den Unterschieden zwischen vorläufigen und endgültigen Zahlen transparenter. 8.4.3.2
Vollständigkeit und Transparenz
Je umfassender die vorgelegten Informationen sind, desto intensiver kann sich die Bank mit den Chancen und Risiken ihres Engagements auseinandersetzen. Dabei ist zu berücksichti-
8.4 Rating und Kommunikation
449
gen, dass das Fehlen von Informationen in allen Ratingbereichen schlechter beurteilt wird als selbst schlechte Daten über einzelne Punkte. Insbesondere bei kritischen Werten und einer damit einhergehenden Belastung der BankKunde-Beziehung ist die umfassende und offene Information unverzichtbar. Um es salopp zu formulieren: „Niemand steigt in ein Boot, wenn er die Größe des Lochs im Boden nicht kennt.“ Hier können nur diejenigen Unternehmen weitere Begleitung und Unterstützung durch ihre Finanzierungspartner erwarten, die diesen das Ausmaß der einzugehenden Risiken nachvollziehbar kommunizieren. Zu einer zielgerichteten Kommunikation gehört an dieser Stelle auch die Information, mit welchen Maßnahmen und in welchem Zeitraum eine Krise bewältigt werden soll. 8.4.3.3
Kontinuität
Kommunikation mit den Finanzierungspartnern ist eine strategische Aufgabe der Geschäftsleitung. Daher ist es nachvollziehbar, dass diese regelmäßig erfolgt. Dabei sind sowohl anlassbezogene Kommunikationstermine als auch situationsbezogene zu unterscheiden. Ein klassischer Anlass für Informationen an die Bank ist beispielsweise die Erstellung des Jahresabschlusses. Dieses Bilanzgespräch, in dem der Unternehmer und ggf. sein steuerlicher Berater dem Ansprechpartner in der Bank die Ergebnisse des abgelaufenen Jahres präsentieren ist häufig bereits institutionalisiert. Ebenso ist jedem Unternehmer klar, dass er beispielsweise aufgrund von Investitionsvorhaben das Gespräch mit seiner Bank suchen muss. Die Bank erwartet aber darüber hinaus auch Informationen, die sich beispielsweise aus Veränderungen bei den Plandaten ergeben. So sollte der Unternehmer im Vorfeld erkennen, dass beispielsweise seine Liquiditätsanforderungen in einigen Wochen den vereinbarten Kontokorrentrahmen übersteigen können und rechtzeitig die Bank informieren. Nicht abgesprochene Überziehungen wertet die Bank immer als Warnsignal, welches die Ratingeinstufung des Unternehmens verschlechtern kann. Dem kann und muss der Unternehmer durch rechzeitige Informationen entgegensteuern.
8.4.4
Organisation der Information
Die Instrumente einer erfolgreichen Bankenkommunikation lassen sich aus den Vorgaben der Banken ableiten: 8.4.4.1
Unternehmenspräsentation
Eine professionell aufgebaute und qualitativ hochwertige Unternehmenspräsentation erleichtert es Ihrem Bankpartner, Einblick in Ihr Unternehmen, das Umfeld sowie Chancen und Risiken für die weitere Entwicklung des Unternehmens und der Branche zu bekommen. Dem Unternehmen erleichtert sie durch das damit erzeugte Grundverständnis der Bank den Zugang zu Finanzierungsmitteln. Sie sollten die Unternehmenspräsentation nutzen und hiermit ihren Bankpartnern zeigen, dass sie über die für eine erfolgreiche Unternehmensführung erforderlichen Qualitäten in den
450
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Bereichen Führung, strategische Planung und Marktbearbeitung verfügen. Stellen Sie dabei auch die Schlüsselkompetenzen und Erfolgsfaktoren Ihres Unternehmens dar, durch die es sich vom Wettbewerb abhebt. 8.4.4.1.1 Geschäftsmodell Erster wichtiger Aspekt des Bankgesprächs ist die Präsentation des Geschäftsmodells. Wer eine Bank dazu bewegen will, einen Kredit zu gewähren, muss ein gut durchdachtes Konzept vorlegen, das die Branchen-, Markt- und Wettbewerbssituation des Unternehmens unter folgenden Gesichtspunkten berücksichtigt: • • • • • • • • •
Branchenentwicklung Marktpotenziale Markttrends Marktposition Eintrittsbarrieren auf dem Markt für potenzielle Mitbewerber Zukunftsfähigkeit des Produktportfolios Preis- und Leistungssegment des Unternehmens Unmittelbare Konkurrenz Wettbewerbsanalysen
8.4.4.1.2 Kunden und Lieferanten Die Kunden- und Lieferantenstruktur ist für die künftige Umsatz- und Ertragsentwicklung von großer Bedeutung. Daher braucht die Bank hier u. a. folgende Informationen: • • • • • •
Kundenstruktur Kundenportfolios Kundenzufriedenheit Abhängigkeit von Großkunden Gestaltung der Lieferantenbeziehungen Bonität der Lieferanten
8.4.4.1.3 Strategie Bei der Beurteilung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens interessiert sich der Banker natürlich für die Unternehmensstrategie, insbesondere: • • • •
Bestehen einer Unternehmensvision Strategien zur Verwirklichung der Unternehmensvision Kurz-, mittel- und langfristige Ziele Zeitkorridore zur Erreichung der Ziele
8.4.4.1.4 Management Die Qualität des Managements ist ein weiterer wichtiger Faktor für die Bank, da unternehmerischer Erfolg oder Misserfolg ganz entscheidend von den Fähigkeiten der Personen an der Unternehmensspitze abhängen. Hier zählen folgende Kriterien: • Führungsstil • Förderung des Managementnachwuchses
8.4 Rating und Kommunikation • • • •
451
Fachliche Kompetenzen Methodische Kompetenzen Berufserfahrung Altersstruktur
8.4.4.1.5 Unternehmensorganisation Auch die Unternehmensorganisation gehört zu den Zukunftsfaktoren. Sie entscheidet darüber, wie flexibel das Unternehmen auf Trends und Entwicklungen reagieren kann. Die Bank achtet auf folgende Aspekte: • • • • • •
Rechts-, Unternehmens- und ggf. Konzernstruktur des Unternehmens Struktur der Aufbau- und Ablauforganisation Netzwerkpartner, Kooperationspartner Interne Kommunikation Bestehen von Teamstrukturen Leitung des Projektmanagements
8.4.4.1.6 Personal Die menschliche Arbeitskraft nimmt innerhalb der verschiedenen Produktionsfaktoren eine zentrale Stellung ein. Besonders unter strategischen Gesichtspunkten werden Aspekte des Humanpotenzials (z.B. Auswahl, Entwicklung, Motivation) als Erfolgs-Schlüsselfaktoren bezeichnet. Hier stehen folgende Kriterien im Vordergrund: • • • •
Fachliche Kompetenz der Mitarbeiter Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen Leistungsanreize Mitarbeiterrekrutierung und Mitarbeiterauswahl
8.4.4.1.7 Produktions- und Leistungsprozesse Vom technischen Stand des Produktions- und Leistungsprozesses kann auf die Zukunftsorientierung des Unternehmens geschlossen werden. Sind die Betriebsmittel extrem veraltet, oder geht das Unternehmen auch hier mit der Zeit? Hier sollten u.a. Angaben zu folgenden Themenbereichen gemacht werden können: • • • • • •
Technischer Stand der Produktionsmittel Einsatz moderner Informationstechnologien Effizienz des Leistungsprozesses Anpassungsfähigkeit des Leistungsprozesses an Veränderungen der Prozessumgebung Abstimmung der Teilprozesse Existenz und Ablaufprozess des Qualitätsmanagements
8.4.4.2
Weitere Punkte für die Unternehmensdarstellung
Neben der Unternehmenspräsentation, die als Gesamtwerk einmalig erstellt und anschließend aktualisiert wird, sind weitere Punkte bei der Information an die Bank zu berücksichtigen. Die folgende Darstellung zeigt, ausgehend von einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung, Bonn, wo die Banken die Hauptursachen für Kreditausfälle sehen. An
452
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
genau diesen Stellen muss der Unternehmer seinen Banken darstellen, dass er diese Punkte ausreichend berücksichtigt hat. Wichtigste Indikatoren für Kreditausfall im Mittelstand I. Innerbetrieblicher Bereich
• • • • • •
II. Zwischenbetrieblicher Bereich
Häufigkeit (%)
Häufigkeit (%)
III. Überbetrieblicher Bereich
Betriebsführung
75,4
Kreditinstitute
29,5
Konjunktur
Betriebsstruktur
64,4
Lieferanten
20,1
Beschaffung
25,0
Abnehmer
48,4
Steuer- und Sozialkosten-belastung
Betriebsleistung
53,8
Konkurrenten
18,6
Finanzierung
80,3
Absatz
66,7
Verwaltung
23,1
Rechnungswesen
50,0
Mangelnde Qualifikation Information unzureichend Führungskenntnisse ungenügend Mangelnde Erfahrung Charaktermängel Schlechter Führungsstil
Lohnsteigerungen
Häufig -keit
55
Strukturpolitischen Einwirkungen
Nur relevant, wenn Schwächen in I und II
• • • • • • •
Eigenkapitalmangel Falsche Finanzierung Zu hohe Zinsbelastungen Fehlinvestitionen Zu hohe Privatentnahmen Ungenügende Kreditwürdigkeit Unterschlagung
• • • • • • •
Falsche Markteinschätzung Schlechte Akquisition Auftragsstruktur Falsche Preispolitik Falsche Abnehmerstruktur Spezialisierungsprobleme Fehlerhafte Produktpolitik
Abb. 8.4-1: Darstellung der Ursachen für Kreditausfälle
Dabei gilt, dass die häufigsten Ursachen – entgegen der landläufigen Meinung – im innerbetrieblichen Bereich zu finden sind. Nur, wer innerbetrieblich nicht ordentlich aufgestellt ist, wird durch Probleme im zwischen- oder gar überbetrieblichen Bereich Schwierigkeiten bekommen. Entsprechend ist darzustellen, dass der Unternehmer diese Punkte „im Griff“ hat.
8.4.5
Zusammenfassung
Transparenz, also umfassende, verständliche und ehrliche Kommunikation im Verhältnis zwischen Bank und Kunde ist angesagt. Dabei ist die Information aus Sicht des Unternehmers eine Bringschuld, er steht in der Verantwortung, die Bankpartner zeitgerecht und inhaltlich adäquat zu informieren. Allerdings sollte die Kommunikation niemals eine Einbahnstraße sein, also muss auch der Unternehmer Informationen erhalten – wie sieht die Bank ihn und seinen Betrieb, wo liegen aus der Sicht der Bank die „Knackpunkte“. diese Punkte darf der Unternehmer, so die Bank sie nicht ohnehin kommuniziert, erwarten und nachfragen. Das Rating sollte immer wieder Anstoß sein, die Positionierung des Unternehmens und die Unternehmens- und Finanzstrategie kritisch zu prüfen. Das Rating muss als echte Weiterentwicklung und Qualitätsverbesserung im Bankengeschäft angesehen und auch entsprechend ernst genommen werden. Das Kontokorrentkonto ist für den Banker wie ein Fieberthermometer. Nicht angekündigte Kontoüberziehungen sind für den Banker akute Krankheitssymptome.
8.4 Rating und Kommunikation
453
Dem Controlling kommt erhöhte Bedeutung zu. Das Rating bringt für die Unternehmungen auch einen gewissen Druck zur betriebswirtschaftlichen Weiterentwicklung, insbesondere im Bereich der Unternehmensplanung. Nur mit einer entsprechend zielgerichteten Strategie wird das Unternehmen diese erhöhten Kommunikationsanforderungen erfüllen können. Kommunikation mit den Finanzierungspartnern ist Chefsache!
8.4.6
Übungsaufgabe
Nehmen Sie sich ausreichend Zeit und stellen sie ihr Unternehmen umfassend gegenüber der Bank dar. Als Berater nehmen Sie sich entsprechende Mandantenunterlagen und bereiten diese vor.
8.4.7
Lösungshinweise zur Übungsaufgabe
Die erforderlichen Hinweise finden sich insbesondere in Abschnitt 8.4.4 dieses Beitrags. Die umfassende Darstellung enthält neben den Zahlen auch verbale Darstellungen von innerbetrieblichen Erfolgsfaktoren und zu den äußeren Einflüssen von Markt und Wettbewerb, zu Kunden- und Lieferantenbeziehungen und zu den Planungen.
454
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
8.5 Die Finanz- und Kapitalmarktkommunikation der Sparkassen-Finanzgruppe
455
Thomas Keidel und Barbara Schwab 8.5
Die Finanz- und Kapitalmarktkommunikation der Sparkassen-Finanzgruppe – Rolle und Bedeutung des Ratings
8.5.1
Einleitung
456
8.5.2
Finanz- und Kapitalmarktkommunikation
457
8.5.2.1
Neue Herausforderungen für die Kreditwirtschaft......................................... 458
8.5.2.2
Das Rating als Element der Finanz- und Kapitalmarktkommunikation ........ 459
8.5.3
Ziele, Zielgruppen und Umsetzungsmaßnahmen
460
8.5.4
Das Rating: Instrument der Finanzund Kapitalmarktkommunikation
463
8.5.4.1
Was ist ein Rating?......................................................................................... 463
8.5.4.2
Verbundrating versus Rating für eine Bankengruppe in Form eines Floors.. 464
8.5.4.3
Rating für die gesamte Sparkassen-Finanzgruppe ......................................... 465
8.5.4.4
Unterschied zwischen Rating-Floor und Floor-Rating .................................. 465
8.5.4.5
Auswahl der Ratingagenturen ........................................................................ 466
8.5.5
Ratings in Form eines Floors
466
8.5.6
Rolle, Bedeutung und Kommunikation der Ratings
468
8.5.6.1
Nutzenaspekte und Einsatzmöglichkeiten der Ratings .................................. 468
8.5.6.2
Vorteile der Ratings ....................................................................................... 469
8.5.6.3
Kommunikation des Ratings .......................................................................... 470
8.5.7
Fazit und Ausblick
471
8.5.8
Übungsaufgaben
472
8.5.9
Lösungshinweise
472
456
8.5.1
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Einleitung
Die Sparkassen-Finanzgruppe ist die größte Kreditinstitutsgruppe in Europa. Zu ihr gehören die Sparkassen, die Landesbanken, die Landesbausparkassen sowie zahlreiche weitere Verbundunternehmen. Als öffentlich-rechtliche Institute bilden die Sparkassen und Landesbanken eine der Säulen des dreigliedrigen deutschen Bankensystems. Die Wurzeln der Sparkassen reichen bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. Geschäftsmodell und Philosophie der Sparkassen unterscheiden sich wesentlich von denen privater Banken. Die Sparkassen-Finanzgruppe umfasst mit rund 640 Unternehmen ein zusammengefasstes Geschäftsvolumen von rund 3.400 Milliarden Euro. Mit ihrem flächendeckenden Netz von rund 22.400 Geschäftsstellen bieten die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe moderne Finanzdienstleistungen in allen Regionen Deutschlands an und sorgen zugleich für den kreditwirtschaftlichen Wettbewerb und für verbraucherfreundliche Preise für Finanzdienstleistungen. Im Ausland deckt die Sparkassen-Finanzgruppe mit ihrem internationalen Kooperationsnetzwerk die erforderlichen Kompetenzen ab, die zunehmend von den mittelständischen Kunden benötigt werden. Die Sparkassen-Finanzgruppe sieht ihre besondere Stärke in der örtlichen und persönlichen Kundennähe ihrer Institute sowie deren Verwurzelung in den Regionen. Diese Kundennähe macht die Gruppe zum Marktführer auf dem deutschen Bankenmarkt, sowohl auf der Einlagen- als auch auf der Kreditseite und in der Mittelstandsfinanzierung. Dachverband der Sparkassen-Finanzgruppe ist der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV).1 Die Öffentlichkeit im In- und Ausland und insbesondere die Akteure auf den Finanz- und Kapitalmärkten sollten schon allein aufgrund der Größe der Sparkassen-Finanzgruppe ein hohes Interesse an Informationen über die Gruppe haben. Generell kann zum einen Vertrauen im Geschäftsverkehr erst entstehen, wenn man kontinuierlich Informationen über einen Geschäftspartner erhält. Besonders außerhalb von Deutschland sind die Leistungsfähigkeit, die Struktur und die Bonität der Sparkassen-Finanzgruppe allerdings häufig nur wenig bekannt. Zum anderen kann eine größere Unkenntnis über die Sparkassen-Finanzgruppe zu undifferenzierten Einschätzungen über sie führen. Lernziele und Adressaten des Beitrages Nun ist natürlich zu fragen, ob es überhaupt einen derartigen Bedarf an Finanzmarktinformationen gibt, welche Bedeutung das Rating für die Sparkassen-Finanzgruppe und für die ihr zugehörigen Institute hat und wer die Zielgruppen der Finanzmarktkommunikation sind. Schließlich sind die Sparkassen in ihrer Region tätig und haben keine Auslandsniederlassungen. Es muss geklärt werden, welche Ziele mit einer Finanzmarktkommunikation überhaupt erreicht werden sollen. Schließlich müssen anhand der herausgearbeiteten Ziele und der Eingrenzung von Zielgruppen sinnvolle Umsetzungsmaßnahmen definiert werden. Es ist im Detail zu erläutern, worin der Nutzen der beiden Ratings von Moody’s und DBRS für die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe liegt. Und letztendlich ist zu zeigen, warum 1
§ 2 Abs. 1 der Satzung des DSGV.
8.5 Die Finanz- und Kapitalmarktkommunikation der Sparkassen-Finanzgruppe
457
Sparkassen, Landesbanken und Landesbausparkassen von beiden Ratings profitieren und in welchen Bereichen diese nutzbringend eingesetzt können. Die Autoren betrachten das Thema „Finanz- und Kapitalmarktkommunikation der Sparkassen-Finanzgruppe – Rolle und Bedeutung des Ratings“ aus unterschiedlichen Perspektiven: Sie nehmen die Sichtweise der Sparkassen, Landesbanken und Landesbausparkassen ein und betrachten gleichzeitig die Interessen aller Marktteilnehmer. Damit richtet sich der Beitrag an: • Vorstände, Führungskräfte und Mitarbeiter aller Unternehmen und Einrichtungen der Sparkassen-Finanzgruppe • Mittelständische Unternehmen und deren Berater • Finanzanalysten • Investoren (Fondsmanager und Kapitalbeteiligungsgesellschaften) • Fondsgesellschaften/Pensionsfonds und Investmentbanken • Nationale und Internationale Geschäftsbanken und Versicherungen • Mitarbeiter in Kreditinstituten (national und international) aus den Bereichen Research, Fixed Income, Credit oder Equity • Wissenschaftliche Einrichtungen • Ausländische Bankenverbände sowie supranationale Organisationen für internationale Finanzmärkte • Meinungsbildner in Wirtschaft und Politik • Medien
8.5.2
Finanz- und Kapitalmarktkommunikation
Für die Finanz- und Kapitalmärkte, sowohl national als auch international, werden Informationen über die Merkmale und die Struktur der Sparkassen-Finanzgruppe sowie aktuelle Entwicklungen immer wichtiger. Der DSGV unterstützte bislang die Kommunikationsaktivitäten der Institute der SparkassenFinanzgruppe umfangreich, hatte aber – bis zur Gründung der Abteilung Financial Market Relations – noch keine systematische Finanz- und Kapitalmarktkommunikation für die gesamte Sparkassen-Finanzgruppe wahrgenommen. Dies führte an den Finanz- und Kapitalmärkten dazu, dass die Sparkassen-Finanzgruppe häufig nicht wahrgenommen wurde bzw. Dritte sogar Anleger bzw. interessierte Marktteilnehmer über die Sparkassen-Finanzgruppe informierten. Schließlich haben sich Anleger und Marktteilnehmer verstärkt mit ihren Informationsbedürfnissen an den DSGV gewandt. Um die Ratingprozesse und die Finanzmarktkommunikation für die Sparkassen-Finanzgruppe zentral zu begleiten und umzusetzen, wurde Ende 2005 im DSGV die Abteilung Financial Market Relations gegründet. Über die zunehmenden Wünsche aus den Finanzmärkten, aktuelle Informationen über die Sparkassen-Finanzgruppe sowie ihre Bonität zu erhalten, erkannte die Sparkassen-Finanzgruppe bereits im Jahr 2003 die zunehmende Bedeutung von Bonitätsbeurteilungen für die gesamte Gruppe.
458
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Vor diesem Hintergrund beschloss die Sparkassen-Finanzgruppe für alle Mitglieder des Haftungsverbundes der Gruppe über den DSGV ein Rating bei einer unabhängigen Ratingagentur einzuholen. Ziel war es, nicht nur den bereits an den Finanz- und Kapitalmärkten aktiven Instituten, insbesondere den Landesbanken, sondern auch allen Sparkassen mit zunehmender Bedeutung des Auslandsgeschäftes einen geeigneten Bonitätsnachweis und ein Kommunikationsinstrument zur Verfügung zu stellen, das die Leistungsfähigkeit der Sparkassen-Finanzgruppe international anerkannt nachweist. 8.5.2.1
Neue Herausforderungen für die Kreditwirtschaft
Die Finanz- und Kapitalmärkte werden durch zahlreiche Faktoren beeinflusst.2 Ein Faktor ist die Globalisierung, die zu einer Koppelung der Finanzmärkte untereinander beiträgt. Diese Koppelung der Märkte und die gleichzeitig damit einhergehende weltweite Präsenz von Finanzdienstleistern ermöglichen eine Zunahme von Transparenz und Effizienz an den Kapitalmärkten: • Damit steigt das Interesse aller Marktteilnehmer – national und international – an aussagefähigen Informationen zur Bonität und Leistungsfähigkeit der SparkassenFinanzgruppe und der ihr zugehörigen Institute. • Gleichzeitig verstärkt sich für alle Finanzdienstleister der Wettbewerb, sowohl um Kapital und attraktive Konditionen als auch um Marktanteile. Für die Investoren ist die Rentabilität ihrer Investments unter Berücksichtigung von Risikoaspekten von hoher Bedeutung. Ein höheres Risiko in einem Einzelmarkt oder einem EinzelGeschäftssegment kann über eine Zunahme der Ausfallwahrscheinlichkeit eine Herabstufung der Bonitätsbeurteilung der Gesamtbank bedeuten. Dieser Mechanismus führt prinzipiell zu einer besseren Allokation von Finanzmitteln und damit zu effizienteren Märkten. Für die Marktteilnehmer bedeutet dies, dass sie sich in einem globalen Wettbewerb um begrenzte Finanzmittel befinden: Bonitätsnachweise und die Kommunikation dieser Nachweise werden daher immer wichtiger. Diese Entwicklung wirkt sich unter anderem sowohl auf die Anlage- als auch auf die Refinanzierungsmöglichkeiten und -konditionen der Institute der Sparkassen-Finanzgruppe aus: Zuerst einmal sind hier vor allem die Landesbanken anzuführen, die an den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten aktiv sind und sich gleichzeitig zu einem großen Teil über die Kapitalmärkte refinanzieren. Zum anderen die Sparkassen und Landesbausparkassen: Die Mehrzahl nutzt die Kapitalmärkte nicht zur Refinanzierung − sie refinanzieren sich in der Regel über Einlagen aus ihrer jeweiligen Region. Sie sind an den verschiedenen Finanzund Kapitalmärkten beispielsweise über das Geschäft mit institutionellen Partnern wie etwa Versicherungen oder Pensionskassen, das Interbankengeschäft und das Auslandsgeschäft aktiv.
2
Ann-Kristin Achleitner, Handbuch Investment Banking, Wiesbaden 1999, S. 63ff.
8.5 Die Finanz- und Kapitalmarktkommunikation der Sparkassen-Finanzgruppe
459
Ein weiter Grund für die gestiegene Bedeutung von Bonitätsnachweisen und deren Kommunikation allen Marktteilnehmern gegenüber – dazu gehören neben den oben erwähnten Investoren und Anlegern auch alle Kundengruppen der Kreditwirtschaft – ist, dass durch die Globalisierung verstärkt ausländische Banken in Deutschland als Wettbewerber auftreten. Durch den Bonitätsnachweis in Form eines Ratings können die Institute der SparkassenFinanzgruppe Kunden und potenziellen Kunden – in einem von der Globalisierung geprägten Wettbewerb – • ihre eigene Bonität zeigen, • über die Ratingkommunikation die im Rating festgestellten Stärken der SparkassenFinanzgruppe und der ihr zugehörigen Institute darlegen und nachweisen, dass sie ein leistungsstarker und verlässlicher Partner sind. Immer stärker treten die Kunden der Institute der Sparkassen-Finanzgruppe auf internationalen Märkten auf und wünschen sich eine Begleitung durch ihre Hausbank. Dies gilt gerade für die traditionelle Kundengruppe der Sparkassen, den Mittelstand. Ziel der Sparkassen ist es, ihre Kunden bei ihren Auslandsengagements umfassend zu begleiten und ihnen den gleichen kompetenten Service und die gleiche Qualität zu bieten, wie die Kunden es von ihrer Sparkasse als Hausbank vor Ort gewöhnt sind: Landesbanken, Sparkassen und Landesbausparkassen verfügen bereits über internationale Netzwerke: Die Geschäftsbeziehungen basieren auf guten persönlichen Kontakten und gegenseitigem Vertrauen. Als Beispiel kann hier der CountryDesk der Sparkassen-Finanzgruppe angeführt werden, der Sparkassen die Begleitung ihrer Kunden ins und im Ausland ermöglicht. Die Struktur der Sparkassen-Finanzgruppe, die Zusammenarbeit der Institute im Verbund, das gemeinsame Risikomanagement und der institutssichernde Haftungsverbund können im Ausland nicht als bekannt vorausgesetzt werden. Somit bekommt durch die Internationalisierung des Mittelstands für alle Institute der Sparkassen-Finanzgruppe, selbst für kleinere Sparkassen, eine aktive Finanzmarktkommunikation über die Leistungsfähigkeit der Sparkassen-Finanzgruppe und ein Bonitätsnachweis eine zunehmende Relevanz. 8.5.2.2
Das Rating als Element der Finanz- und Kapitalmarktkommunikation
Für die Sparkassen-Finanzgruppe übernimmt das Rating zwei Funktionen: Es ist • Bonitätsnachweis und • Kommunikationsinstrument über die Leistungsfähigkeit der Sparkassen-Finanzgruppe und der ihr zugehörigen Institute. Ein Rating dient Anlegern und Investoren zur Risikoeinschätzung ihrer Investments. Nationale und internationale Anleger und Investoren machen externe, von etablierten Ratingagenturen durchgeführte Bonitätsprüfungen immer stärker zur Voraussetzung eines Investments.
460
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Entsprechend nimmt die Bedeutung von Ratings sowohl bei der Aufnahme von Finanzierungsmitteln an Kapitalmärkten als auch bei der Ausgestaltung von Geschäftsbeziehungen – beispielsweise zu institutionellen Investoren wie etwa Versicherungen oder Pensionsfonds − weiter zu. Teilnehmer an den nationalen und internationalen Finanz- und Kapitalmärkten setzen in zunehmendem Maße voraus, dass ihre Geschäftspartner eine Bonitätsbeurteilung in Form eines Ratings einer anerkannten Ratingagentur vorweisen können. Weiterhin erfordern Globalisierung und Internationalisierung die Erhöhung des internationalen Bekanntheitsgrades der Gruppe und damit die Schaffung von Vertrauen in allen Märkten und bei allen Marktteilnehmern im Inland und im Ausland.
8.5.3
Ziele, Zielgruppen und Umsetzungsmaßnahmen
Die Finanz- und Kapitalmarktkommunikation für die Sparkassen-Finanzgruppe verfolgt das Ziel, die Wahrnehmung der Leistungsfähigkeit und Struktur der Sparkassen-Finanzgruppe in den Finanz- und Kapitalmärkten zu stärken. Auf operativer Ebene will der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) zum einen damit den Bekanntheitsgrad der Strategie, Stärke, Leistungsfähigkeit, Struktur und Bonität der Sparkassen-Finanzgruppe und ihres Haftungsverbundes in den internationalen Kapital- und Finanzmärkten erhöhen. Zum anderen sollen die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe bei kapitalmarktrelevanten Fragestellungen gegenüber in- und ausländischen Marktteilnehmern unterstützt werden. Ferner sollen die Ratingverfahren der Sparkassen-Finanzgruppe begleitet werden. Aus diesen operativen Zielen lassen sich weitere Ziele ableiten: Der DSGV strebt mit seiner Finanz- und Kapitalmarktkommunikation eine Verbesserung der Informationsbasis über die Sparkassen-Finanzgruppe an. Vor allem soll eine kontinuierliche, glaubwürdige und nachvollziehbare Kommunikation über die Sparkassen-Finanzgruppe in die Kapitalund Finanzmärkte im In- und Ausland aufgebaut werden. Hierbei bildet eine transparente Informationspolitik die Basis. Es stellt sich die Frage, an wen sich diese Finanz- und Kapitalmarktkommunikation richten soll. Dies lässt sich zum einen durch eine generelle Zielgruppenbestimmung näher betrachten. Zum anderen werden mögliche Zielgruppen in interne und externe Zielgruppen unterschieden. Über eine Bestimmung der Zielgruppen lassen sich die Umsetzungsmaßnahmen erläutern, die im Rahmen der Finanzmarktkommunikation verfolgt werden. Die generelle Zielgruppenbestimmung dient dem Zweck, den Kreis der möglichen Adressaten einzugrenzen, um die Mittel der Finanzmarktkommunikation gezielter einsetzen und der Hauptaufgabe der Abteilung Financial Market Relations in der konkreten täglichen Arbeit folgen zu können. Die Kommunikation soll im Rahmen dieser generellen Eingrenzung mit allen Finanzmarktteilnehmern geführt werden, • mit denen die Sparkassen-Finanzgruppe in engem Kontakt steht, • die aufgrund ihrer geschäftlichen Tätigkeit für die Sparkassen-Finanzgruppe interessant sind,
8.5 Die Finanz- und Kapitalmarktkommunikation der Sparkassen-Finanzgruppe
461
• die im Markt als Meinungsbildner auftreten, insbesondere potenzielle bzw. internationale Geschäftspartner, • die Interesse an der Sparkassen-Finanzgruppe zeigen und • die mit erkennbaren Informationsdefiziten oder mit Vorurteilen über die SparkassenFinanzgruppe in Erscheinung treten. Diese generelle Bestimmung der Zielgruppen lässt sich in interne und externe Zielgruppen unterteilen. Unter den internen Zielgruppen lassen sich alle Mitarbeiter, Institute, Unternehmen und Einrichtungen der Sparkassen-Finanzgruppe subsumieren. Selbstverständlich werden für diese Zielgruppen umfangreiche Unterlagen und Informationen über Broschüren, schriftliche Berichte und interne Datennetze bereitgestellt, gemeinsame Veranstaltungen durchgeführt und es wird zu Meinungsaustauschen eingeladen. Die externen Zielgruppen stellen den Schwerpunkt der Finanz- und Kapitalmarktkommunikation dar und sollen deshalb näher betrachtet werden. Aus der generellen ZielgruppenBestimmung lassen sich die externen Zielgruppen ableiten. Im Einzelnen werden als externe Zielgruppen betrachtet: generell alle Finanzanalysten, Investoren (Fondsmanager und Kapitalbeteiligungsgesellschaften), Fondsgesellschaften/Pensionsfonds und Investmentbanken. Weiterhin sind auch nationale und internationale Geschäftsbanken und Versicherungen, allgemein wissenschaftliche Einrichtungen, ausländische Bankenverbände sowie supranationale Organisationen für internationale Finanzmärkte von Interesse sowie Mitarbeiter in Kreditinstituten, die in den Bereichen Research, Fixed Income, Credit oder Equity beschäftigt und für den europäischen bzw. deutschen Markt zuständig sind. Eine weitere, spezielle externe Zielgruppe bilden natürlich alle Ratingagenturen – sowohl diejenigen, mit denen der DSGV bereits Geschäftsbeziehungen unterhält, als auch andere, die sich um die Bewertung von Finanzinstituten bzw. Finanzmärkten kümmern. Darüber hinaus richtet sich die Finanzmarktkommunikation an die Medien sowie an Meinungsbildner Wirtschaft und Politik Und schließlich sprechen die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe im Rahmen ihrer eigenen Marketing- und Kommunikationsarbeit ihre Kunden an. Kleine und mittelständische Unternehmen sind heute in der Regel durch ihr eigenes Rating mit diesem Instrument vertraut und können so das Rating ihrer Sparkasse richtig einordnen. Die Bestimmung dieser externen Zielgruppen ist Voraussetzung für die Formulierung der Umsetzungsmaßnahmen. Die Umsetzungsmaßnahmen im Bereich der Kapital- und Finanzmarktkommunikation lassen sich zum einen in einen Ratingbereich und zum anderen in einen allgemeinen Bereich unterscheiden. Im Bereich Rating findet die Begleitung und Durchführung der Ratingverfahren statt. Zu den Aufgabenschwerpunkten im Bereich Rating – als Instrument der Finanz- und Kapitalmarktkommunikation – zählen die Vorbereitung auf das Rating, die Begleitung laufender Ratingprozesse sowie deren Nachbearbeitung nach der Erteilung des Ratings.
462
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Der allgemeine Bereich umfasst die Finanzmarktkommunikation z.B. die Kommunikation der wesentlichen Strukturmerkmale der Sparkassen-Finanzgruppe. Konkret wird über den Umfang und die Größe der Gruppe, ihre wirtschaftliche Stärke, den Haftungsverbund und die Beteiligungsbeziehungen berichtet. Es werden Informationen zu Marktanteilen und Größenvergleichen ebenso zusammengestellt, wie über die Verbundzusammenarbeit, das Geschäftsmodell und die Unternehmensziele sowie die gemeinsame Strategie und die Philosophie der Gruppe berichtet wird. Selbstverständlich wird den externen Zielgruppen über die stattgefundenen Ratingprozesse und ihre Ergebnisse berichtet und die Ratingberichte werden zugänglich gemacht. Um diese Inhalte tatsächlich auch den identifizierten, externen Zielgruppen übermitteln zu können, sind verschiedene strukturelle Umsetzungsmaßnahmen notwendig. Zuerst einmal ist ein Aufbau von Netzwerken in die Kapital- und Finanzmärkte notwendig und daran anschließend eine strukturierte und regelmäßige Informationsübermittlung. Es muss eine Informationsaktualität gewährleistet werden, was insbesondere bei den Geschäftszahlen von Bedeutung ist. Die Kapital- und Finanzmärkte erwarten die Geschäftszahlen des abgelaufenen Jahres zum Ende des ersten Quartals des Folgejahres. Gleichzeitig erwarten die Zielgruppen eine umfassende und schnelle Informationsverfügbarkeit, die die Abteilung Financial Market Relations sicherstellen muss. Es darf grundsätzlich nicht übersehen werden, dass die verschiedenen Zielgruppen unterschiedliche Informationsbedürfnisse haben. Insgesamt müssen sämtliche Informationen in finanzgerechte Botschaften übertragen werden.
8.5 Die Finanz- und Kapitalmarktkommunikation der Sparkassen-Finanzgruppe
463
Eine gewissenhafte Aufbereitung der Informationsunterlagen stellt dabei eine Selbstverständlichkeit dar, da der Vertrauensaufbau bei den Teilnehmern in den Kapital- und Finanzmärkten ebenfalls eine bedeutende strukturelle Umsetzungsmaßnahme darstellt. Die einzelnen operativen Maßnahmen umfassen Einzelgespräche und Roadshows mit den Finanzmarktteilnehmern. Es schließt sich die Teilnahme an Fachkonferenzen, insbesondere Analystenkonferenzen an. Natürlich zählen Vorträge und Präsentationen sowie die Teilnahme an und evtl. die Organisation von Analystenkonferenzen dazu. Der Internetauftritt der Gruppe soll den Marktteilnehmern einen schnellen Zugang zu Finanzmarktinformationen ermöglichen und kompakter und übersichtlicher Informationen bereitstellen.
8.5.4
Das Rating: Instrument der Finanzund Kapitalmarktkommunikation
8.5.4.1
Was ist ein Rating?
Der Begriff Rating kommt aus dem Englischen und lässt sich etwa mit „Einschätzung“ oder „Bewertung“ übersetzen. Allgemein bezeichnet Rating ein Verfahren für die Einschätzung von Personen, Gegenständen oder Unternehmen. Im Bankbereich ist das Rating eine Einschätzung der Zahlungsfähigkeit eines Schuldners. So definiert die Ratingagentur Moody’s den Begriff Rating wie folgt: “Ein Rating ist eine unabhängige Meinung über die künftige Fähigkeit und rechtliche Bindung eines Kreditnehmers oder Emittenten zur termingerechten Erfüllung von Zins- und Tilgungsverpflichtungen. Es kann entweder für eine Wirtschaftseinheit oder ein Schuldinstrument erteilt werden“.3 Grundsätzlich wird zwischen Emittenten- und Emissionsratings sowie zwischen kurz- und langfristigen Ratings unterschieden. Ein Rating für eine Wirtschaftseinheit ist ein Unternehmens- bzw. Emittentenrating (Issuer Rating). Dabei wird das Ausfallrisiko eines Unternehmens beurteilt. Es handelt sich also um die Einschätzung, wie es um den Fortbestand des Unternehmens in einem konkurrierenden Umfeld aussieht. Letztlich handelt es sich ganz allgemein um eine Einstufung der Bonität von Darlehens- und Anleiheschuldnern, die Anhaltspunkte über die Wahrscheinlichkeit der frist- und betragsgerechten Zins- und Tilgungszahlungen gibt. Ein Unternehmensrating bezieht sich also nicht auf eine bestimmte finanzielle Verpflichtung, sondern legt die Meinung einer Ratingagentur über die allgemeine Finanzkraft eines Schuldners dar. Die Aussage bezieht sich auf die Fähigkeit eines Schuldners, Verpflichtungen bei Fälligkeit zu zahlen. Vom Unternehmensrating abzugrenzen sind Emissionsratings (Debt Ratings), die sich auf einzelne Finanztitel beziehen. Ein Emissionsrating gibt die aktuelle Meinung einer Ratingagentur über die Kreditwürdigkeit eines Schuldners in Bezug auf eine bestimmte Schuldverschreibung (Obligation, Anleihe), eine bestimmte Art von finanziellen Verbindlichkeiten oder ein spezielles Finanzierungsprogramm wieder.4 3 4
Moody’s Investors Service, Präsentation für den 1. Deutschen Kongress über Kreditrating, Hamburg, Mai 2004 Weitere Ratingarten sind beispielsweise Bankverbindlichkeitenratings (Bank Loan Ratings), Ratings für Vorzugaktien/Genussscheine (Preferred Stock Ratings), Bankeinlagen (Deposit Ratings), Bank Financial Strength
464
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Diese Ratings werden von unabhängigen Ratingagenturen erteilt. Deren Maßstab für das Ausfallrisiko sind Ratingnoten: Dies sind Bonitätskennzahlen, die dem Investor als Einschätzung für das Risiko eines Kapitalverlustes oder mögliche Zahlungsverzüge dienen und die in so genannten Ratingnotenskalen klassifiziert sind. Die Klassifizierungen der einzelnen Ratingagenturen weichen geringfügig voneinander ab, basieren jedoch alle auf der Kombination von Buchstaben und Zahlen bestehenden Symbolen. Dabei steht AAA für höchste Bonität und C oder gar D für eine sehr schlechte (long term). Alle anderen Symbole zeigen eine Bonität, die zwischen diesen Extremen eingeschätzt wird. Die einzelnen Kategoriebezeichnungen unterscheiden sich von Agentur zu Agentur. So verwendet Moody’s Zahlen als Zusatz, z.B. A1, A2, A3; während bei Standard & Poor’s „+“- und „-“-Zeichen ergänzt werden, beispielsweise B+, B, B-, während die Agentur Dominion Bond Rating Service (DBRS) mit den Zusätzen (high) und (low) arbeitet. 8.5.4.2
Verbundrating versus Rating für eine Bankengruppe in Form eines Floors
Bei der Bewertung einer Unternehmensgruppe durch eine Ratingagentur stehen dafür unterschiedliche Ansätze für die Erteilung eines Ratings zur Auswahl: ein Individualrating oder ein Gruppenrating in Form eines Verbundratings oder in Form eines Floors. Bei börsennotierten Finanzkonzernen führt eine Ratingagentur den Ratingprozess gewöhnlich als Individualrating durch. Der Konzern wird wie ein Einzelunternehmen betrachtet. Bei einem Verbundrating wird dagegen eine gesamte Unternehmensgruppe als wirtschaftliche Einheit betrachtet. Damit wird implizit unterstellt, dass alle Mitglieder des betrachteten Verbundes zusammengenommen eine einzige homogene Wirtschaftseinheit sind. Das Rating wird auf die Gruppe angewandt und häufig die Ratingnote auf jedes einzelne Institut, das der Gruppe angehört, übertragen: Alle in das Verbundrating einbezogenen Institute erhalten dann dieselbe Ratingnote. Individualratings für die einzelnen Mitglieder der Unternehmensgruppe sind häufig nicht vorgesehen.5 Ein Rating in Form eines Floors ist dagegen eine Rating-Untergrenze für jedes Mitgliedsinstitut einer Unternehmensgruppe. Bei dieser Form des Ratings bleibt die Möglichkeit jedes einzelnen Mitgliedsinstitutes unberührt, ein Individualrating einzuholen: Denn jedem Institut ist es freigestellt, darüber hinaus einen individuellen Ratingprozess mit der jeweiligen Ratingagentur zu durchlaufen und dabei eine bessere Ratingnote als die des Floors zu erreichen. Attraktiv ist dies also vor allem für die wirtschaftlich besonders starken Institute einer Unternehmensgruppe. In diesem Fall ist der Floor als Untergrenze zu sehen: Institute, die ein Individualrating anstreben, wissen von vornherein, dass ihre individuelle Ratingnote mindestens auf dem Niveau des Floors liegen wird. Eine individuelle Ratingnote wird sehr wahrscheinlich kaum schlechter als der Floor der gesamten Gruppe sein, wohl aber besser sein können.
5
Ratings, Insurance Financial Strength Ratings, Mutual Fund Ratings. Eine detaillierte Betrachtung würde jedoch über die Ziele dieses Artikels hinausgehen. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) hat über die Ratingsagenturen Fitch und Standard & Poors für die Mitglieder seines FinanzVerbundes ein Verbundrating eingeholt.
8.5 Die Finanz- und Kapitalmarktkommunikation der Sparkassen-Finanzgruppe 8.5.4.3
465
Rating für die gesamte Sparkassen-Finanzgruppe
Mit der Einholung eines Ratings soll einerseits der gestiegenen Bedeutung einer derartigen externen Bonitätsbeurteilung für alle Institute der Sparkassen-Finanzgruppe an den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten Rechnung getragen werden. Andererseits geht es darum, den Bekanntheitsgrad der gesamten Gruppe insbesondere auf internationaler Ebene zu erhöhen und das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Gruppe zu vertiefen. Von der Einholung eines Ratings für die gesamte Sparkassen-Finanzgruppe in Form eines Floors profitiert die Gruppe insgesamt. Es profitiert aber auch jedes einzelne Institut, zum einen durch die Möglichkeit der Nutzung des Ratings, zum anderen aber vor allem auch durch den Wegfall der Kosten für die Bereitstellung eigener Kapazitäten eines Ratingprozesses. Die Sparkassen-Finanzgruppe hat sich bisher für die Einholung eines Ratings in Form eines Floors entschieden. Denn diese Form der externen Gruppenbewertung macht deutlich, dass es sich bei der Sparkassen-Finanzgruppe um ein flexibles, dezentral organisiertes Verbundsystem handelt. Alle Institute sind in ihrer Geschäftspolitik autonom und arbeiten wirtschaftlich selbstständig, wirken aber gleichzeitig überregional arbeitsteilig zusammen (zum Beispiel in der Abwicklung des Zahlungsverkehrs und bei gemeinsamen IT-Zentren). Darüber hinaus stehen sie im Rahmen des institutssichernden Haftungsverbundes gegenseitig füreinander ein. Ein Verbundrating, das für jedes Mitglied ohne eigene Einflussmöglichkeiten gelten würde, entspräche nicht der Philosophie der SparkassenFinanzgruppe, als Verbund aufzutreten und individuelle Stärken zu betonen. 8.5.4.4
Unterschied zwischen Rating-Floor und Floor-Rating
Ein Rating in Form eines Floors kann man unterscheiden in einen Rating-Floor und in ein Floor-Rating. Sowohl beim Rating-Floor (Moody’s) als auch beim Floor-Rating (DBRS) für eine Unternehmensgruppe gilt die für die Gruppe erteilte Ratingnote auch für jedes einzelne Mitgliedsinstitut. Das heißt, jedes Mitgliedsinstitut kann davon ausgehen, dass ein zusätzlicher individueller Ratingprozess, ein Individualrating, höchst wahrscheinlich mindestens mit der Ratingnote für die Unternehmensgruppe abschließen wird. Die Ratingnote eines Individualratings kann jederzeit besser, im Ausnahmefall aber nur schlechter als der Floor sein. Beide Formen des Floors unterscheiden sich nur in der Nutzungsmöglichkeit durch die Mitgliedsinstitute am Kapitalmarkt. Während das Floor-Rating von DBRS sofort nach Erteilung jedem einzelnen Institut auf Wunsch zugeteilt und dann direkt am Kapitalmarkt genutzt werden kann, muss das einzelne Institut beim Rating-Floor von Moody’s für die Nutzung am Kapitalmarkt noch den Prozess eines Individualratings durchlaufen, dies aber mit der Aussicht, dass die individuelle Ratingnote mindestens auf der Höhe des Rating-Floors liegt.
466 8.5.4.5
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings Auswahl der Ratingagenturen
Bei der Erschließung des Nutzens eines Ratings spielen Akzeptanz und Reputation der Ratingagentur, die das Rating erteilt hat, eine bedeutende Rolle. Ihre Anerkennung erhalten Ratingagenturen über den Markt. Welchem Rating Vertrauen entgegen gebracht wird, entscheiden die Marktteilnehmer, also die Adressaten des Ratings. Darüber hinaus gibt es durch Finanzmarktaufsichten verschiedene Regulierungen, denen Rating-Agenturen unterworfen sind. Erfolgreich ist die freiwillige Verpflichtungserklärung im Rahmen der IOSCO zu bewerten, denen sich alle großen Ratingagenturen angeschlossen haben. Da Sicherheit und Zuverlässigkeit von Ratings auch vom Verständnis der zu ratenden Unternehmen durch die Ratingagenturen abhängen, ist es aus Sicht der SparkassenFinanzgruppe von erheblicher Bedeutung, dass die Analysten einer mandatierten Ratingagentur sowohl die Charakteristika der deutschen Kreditwirtschaft im Allgemeinen als auch die wesentlichen Strukturmerkmale der Sparkassen-Finanzgruppe im Besonderen hinreichend verstehen und würdigen. Wichtig ist auch, dass die Analysten einer Ratingagentur die tatsächlich vorhandenen Strukturen der Sparkassen-Finanzgruppe mit einer Ratingeinschätzung unterlegen und nicht alternativ vorstellbare. Die Agentur Moody’s ist eine der renommiertesten Ratingagenturen der Welt. Schon vor der Entscheidung der Sparkassen-Finanzgruppe, ein Rating in Form eines Floors für die gesamte Gruppe einzuholen, hatte sich Moody’s tiefgehend mit der Sparkassen-Finanzgruppe, ihren Strukturen und ihrem Haftungsverbund befasst. Denn neben Landesbanken hatte Moody’s zu diesem Zeitpunkt bereits auch mehrere Sparkassen geratet. Außerdem hatte Moody’s im Vorfeld des Ratingprozesses eine ausführliche Studie über die wesentlichen Strukturmerkmale der Sparkassen-Finanzgruppe, insbesondere über den Haftungsverbund und den Verbundzusammenhalt, angefertigt. Da an den nationalen wie internationalen Finanz- und Kapitalmärkten zwei externe Ratings allgemein üblich sind − nicht selten können große Unternehmen auch drei externe Ratings vorweisen −, wurde im Jahr 2006 beschlossen, noch ein zweites Rating in Form eines Floors für die Sparkassen-Finanzgruppe einzuholen. Für dieses zweite Rating wählte der DSGV die kanadische Ratingagentur Dominion Bond Rating Service (DBRS) aus. Die Agentur hatte sich ebenfalls schon vor Beginn des Ratingprozesses intensiv mit den Besonderheiten der Sparkassen-Finanzgruppe beschäftigt. Seit rund 30 Jahren schwerpunktmäßig in Nordamerika tätig, forciert DBRS in jüngster Zeit ihre Aktivitäten auf dem europäischen Markt. Die Sparkassen-Finanzgruppe begrüßt es, dass dadurch der Wettbewerb unter den Ratingagenturen belebt wird.
8.5.5
Ratings in Form eines Floors
Die Ratingagentur Moody’s hat den Mitgliedern des Haftungsverbundes der Sparkassen-Finanzgruppe erstmalig im Dezember 2004 einen Rating-Floor in Höhe von A1 erteilt und seitdem jährlich bestätigt. Der Rating-Floor bedeutet, dass Moody’s jedes einzelne Mitglied des Haftungsverbundes bei einem individuellen Ratingprozess mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens mit der Ratingnote A1 bewerten würde.
8.5 Die Finanz- und Kapitalmarktkommunikation der Sparkassen-Finanzgruppe
467
Im Januar 2007 hat die Ratingagentur Dominion Bond Rating Service (DBRS) den Sparkassen, Landesbanken und Landesbausparkassen ein Floor-Rating in Höhe von A (high) für langfristige und von R-1 (middle) für kurzfristige Verbindlichkeiten erteilt. Diese beiden Ratingnoten werden in der Notenskala von DBRS mit einer sehr hohen Kreditwürdigkeit und hohen Wahrscheinlichkeit der fristgerechten Rückzahlung von Schuld und Zins übersetzt. Die Ratings, also der Rating-Floor und das Floor-Rating, wurden den Mitgliedern der Sparkassen-Finanzgruppe unabhängig von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung6 erteilt und verdeutlichen, dass die Sparkassen-Finanzgruppe − aus Sicht der unabhängigen Ratingagenturen − über eine gute Wirtschafts- und Finanzstärke verfügt und damit gut für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet ist. Die Ratingnoten basieren vor allem auf der wirtschaftlichen Stärke der SparkassenFinanzgruppe als Ganzes sowie ihrer einzelnen Institute. Betont wurde die klar definierte, betriebswirtschaftlich sehr effiziente Strategie der Sparkassen-Finanzgruppe, die sich in der konsequenten Ausrichtung am Bedarf und an den Wünschen der Bevölkerung und des Mittelstandes, in den dezentralen Entscheidungen der Institute vor Ort sowie in der Zusammenarbeit der Mitglieder im Verbund manifestiert. Positiv bewertet wurden das erfolgreiche Geschäftsmodell, das bei kalkulierbaren Risiken dauerhaft stabile Erträge generiert, die gute Diversifizierung der Risiken innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe durch ausgereifte Risikomanagementsysteme, die Marke „Sparkasse“ als stärkste Marke auf dem deutschen Finanzdienstleistungsmarkt mit hoher Durchsetzungskraft und der hohe Kooperationsgrad innerhalb der Gruppe. Als weiterer Faktor wurde der durch die wirtschaftliche Stärke der Sparkassen-Finanzgruppe besonders leistungsfähige institutssichernde Haftungsverbund hervorgehoben. Diese Faktoren und die Berücksichtigung der breiten Unterstützung durch die öffentlichrechtlichen Träger veranlassten die Ratingagenturen zu der Einschätzung, dass die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls eines Mitgliedsinstitutes äußerst gering ist. Auf Grund dieser Faktoren liegen diese Ratings oberhalb fiktiver Einzelratings schwächerer Institute, in denen die genannten Faktoren keine Berücksichtigung finden würden. Auch beim Floor-Rating von DBRS handelt es sich um eine Mindestbewertung der Bonität aller Mitglieder des Haftungsverbundes der Sparkassen-Finanzgruppe. Auf der Ratingnotenskala von DBRS stellt A (high) das Pendant zur Ratingnote von Moody’s A1 dar. Bei R-1 6
Nach der mit der Europäischen Union erreichten Einigung lief die Gewährträgerhaftung am 18. Juli 2005 aus und die Anstaltslast wurde ersetzt. Die so genannte „Gewährträgerhaftung“ verpflichtete den Träger öffentlichrechtlicher Kreditinstitute, für Verbindlichkeiten des Instituts zu haften. Schon seit Jahrzehnten stehen die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe jedoch selbst im institutssichernden Haftungsverbund füreinander ein. Sie garantieren damit die Einlagen der Kunden und gewährleisten, dass deren kreditwirtschaftlicher Partner erhalten bleibt. Die so genannte „Anstaltslast“ bezeichnete die Verpflichtung des Trägers einer Sparkasse oder Landesbank, das jeweilige Institut für die Dauer des Bestehens mit den nötigen finanziellen Mitteln auszustatten. Mit dieser Verpflichtung sollte sichergestellt werden, dass die öffentlichen Institute immer über genügend Eigenkapital verfügen, um ihre gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen, beispielsweise um einen flächendeckenden Zugang zu Finanzdienstleistungen für alle Bevölkerungsteile zu sichern. In der Praxis hatte die Anstaltslast nur geringe Auswirkungen auf die Sparkassen: Sie haben sich ihr Eigenkapital ganz überwiegend selbst im Wettbewerb verdient.
468
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
(middle) handelt es sich um die zweitbeste Note, welche DBRS in der Rubrik kurzfristige Verbindlichkeiten vergibt. Das Floor Rating von DBRS ist unmittelbar kapitalmarktfähig. Jedes Mitgliedsinstitut des Haftungsverbundes der Sparkassen-Finanzgruppe konnte sich das Floor-Rating von A (high) bzw. R-1 (middle) direkt zuweisen lassen. Diese Einzelzuweisung stellt jedes Institut so, als hätte es selbst einen eigenen Ratingprozess durchlaufen. Weit über die Hälfte der Sparkassen, nämlich 267 bzw. (gut 58 %), sowie eine Landesbank haben sich dieses Rating direkt zuweisen lassen (Stand: März 2007). Darüber hinaus würde die Erteilung des Ratings ebenfalls Einfluss auf bereits erteilte Ratings einzelner Institute der Gruppe haben können, wenn diese niedriger als das FloorRating wären. In diesem Fall käme es zu einer Anhebung (Upgrade) des Ratings des einzelnen Institutes durch die Ratingagentur. Für die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe erfüllen sowohl das DBRS Floor-Rating als auch der Moody’s Rating Floor alle Funktionen des Ratings: Sie dienen als Bonitätsnachweis und Kommunikationsinstrument. Das DBRS Floor-Rating ist sogar unmittelbar kapitalmarktfähig: Für die Nutzung am Kapitalmarkt hat das einzelne Institut kein Individualrating zu durchlaufen.
8.5.6
Rolle, Bedeutung und Kommunikation der Ratings
8.5.6.1
Nutzenaspekte und Einsatzmöglichkeiten der Ratings
Die beiden Ratings können für die Finanz- und Kapitalmarktkommunikation der SparkassenFinanzgruppe insgesamt genutzt werden, aber auch von jedem einzelnen Institut im Rahmen der eigenen Kommunikationsarbeit. Weiterhin lassen sich die beiden Ratings im Rahmen zahlreicher inländischer und ausländischer Geschäftsbeziehungen der Institute der Sparkassen-Finanzgruppe nutzen: • Die Ratings ermöglichen allen Mitgliedsinstituten des Haftungsverbundes, an den Finanzmärkten bilaterale Geschäftsbeziehungen mit Marktteilnehmern einzugehen, die gesteigerten Wert auf eine externe Bonitätsbewertung ihrer Geschäftspartner legen. Dazu zählen beispielsweise institutionelle Investoren – wie etwa Versicherungen oder Pensionskassen. • Das Floor-Rating von DBRS ist unmittelbar kapitalmarktfähig und kann von allen Mitgliedsinstituten bei Kapitalmarktaktivitäten zugrunde gelegt werden. • Die Ratings helfen bei der Erschließung neuer Geschäftsmöglichkeiten wie auch bei der Intensivierung bestehender Geschäftsbeziehungen, sowohl national als auch international. • Im Rahmen von Interbankengeschäften kann das Rating ebenso genutzt werden wie im Auslandsgeschäft, wobei sowohl das Floor-Rating wie auch der Rating-Floor eine Art Garantiefunktion für die Bonität der Sparkasse übernehmen. • Schließlich lassen sich die Ratings auch unter Marketinggesichtspunkten nutzen. So kann jedes einzelne Mitgliedsinstitut kommunizieren, dass es sich – als Teil der Sparkassen-Finanzgruppe insgesamt – einer Kreditwürdigkeitsprüfung durch zwei Ratingagenturen unterzogen hat. Um dies zu unterstützen, wurde jedem Institut, das die Einzel-
8.5 Die Finanz- und Kapitalmarktkommunikation der Sparkassen-Finanzgruppe
469
zuweisung des DBRS-Ratings wünschte, diese zusätzlich individuell mit einem Zertifikat bestätigt. • Kleine und mittelständische Unternehmen müssen sich selbst dem Rating durch ihre Bank unterziehen. So könnte das eigene Rating – also das Rating der Institute der Sparkassen-Finanzgruppe – den mittelständischen Kunden gegenüber ein positives Signal setzen: Auch die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe zeigen Offenheit und Transparenz. Beides verlangen sie im Rahmen des Ratingprozesses von ihren Kunden. Weitere Marktteilnehmer – also alle externen und internen Adressaten des Ratings – sind in Kapitel 3. ausführlich dargestellt. 8.5.6.2
Vorteile der Ratings
Ratings unterstützen den Aufbau und die Stärkung von Vertrauen und erleichtern damit den Aufbau und die Pflege von Geschäftsbeziehungen. Darüber hinaus beeinflussen Ratings die Wahrnehmung eines Unternehmens beziehungsweise einer Gruppe insgesamt. Geratete Unternehmen demonstrieren Offenheit und Transparenz, sowohl nach innen als auch nach außen. Weiterhin spielen Ratings bei der (Re)Finanzierung über den Kapitalmarkt eine bedeutende Rolle. Sie ermöglichen diese und beeinflussen die Kapitalkosten. Folgende Vorteile ergeben sich sowohl für die Sparkassen-Finanzgruppe als auch für die ihr zugehörigen Institute aus den beiden Ratings: • Durch die von den Ratingagenturen Moody’s und DBRS erteilten Ratings in Form eines Floors können die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe nach innen und außen dokumentieren und kommunizieren, wie hoch ihre Bonität von beiden Agenturen eingeschätzt wird. Denn Ratings der beiden Ratingagenturen sind international anerkannt und die Ratingskalen übersetzen die Ratingergebnisse in eine international verständliche (Finanz-) Sprache. • Darüber hinaus kann über die beiden Ratings die Leistungsfähigkeit der SparkassenFinanzgruppe und der einzelnen Institute kommuniziert werden. • Für die Institute, die kein individuelles Rating haben und für die ein solches auch ökonomisch nicht sinnvoll erscheint − dies sind im Fall der Sparkassen-Finanzgruppe insbesondere die Sparkassen –, werden diese externen (Mindest)Bonitätsbewertungen erreicht, ohne dass diese Institute eigene Kapazitäten für einen Ratingprozess bereitstellen müssen. • Andererseits können auch Mitgliedsinstitute mit einem bestehenden Individualrating profitieren, nämlich immer dann, wenn die individuelle Ratingnote schlechter als der Floor ist. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass das Individualrating von der Ratingagentur auf die Höhe des Floor-Ratings angehoben wird. • Die beiden Ratings von A1 bzw. A (high) belegen den guten Zusammenhalt, die wirtschaftliche Stärke sowie die Marktführerschaft der Sparkassen-Finanzgruppe erkennbar nach außen. Damit ermöglichen sie es allen Instituten, von der wirtschaftlichen Stärke der Gruppe insgesamt zu profitieren. Mit anderen Worten: Es lohnt sich betriebswirtschaftlich, zu dem Verbund zu gehören. • Weil die guten Ratingnoten die auf Marktführerschaft und betriebswirtschaftlicher Effizienz basierende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verbundes der Sparkassen-
470
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Finanzgruppe dokumentieren, wird nicht zuletzt den nationalen wie internationalen Finanz- und Kapitalmärkten signalisiert, dass sich die Sparkassen-Finanzgruppe als Ganzes aus Sicht zweier unabhängiger Ratingagenturen geschäftspolitisch gut für die Zukunft aufgestellt und gerüstet hat. • Dies stützt darüber hinaus schließlich den inneren Zusammenhalt in der SparkassenFinanzgruppe selbst. 8.5.6.3
Kommunikation des Ratings
Sobald eine beauftragte Ratingagentur ein neues bzw. aktualisiertes Ratingergebnis für die Sparkassen-Finanzgruppe vorlegt, wird dieses durch die Abteilung Financial Market Relations sowie durch die klassische Pressearbeit in der Finanzöffentlichkeit verbreitet. Gleichzeitig werden auf der Internetseite des DSGV unter www.dsgv.de unter dem separaten Punkt „Rating“ weitergehende Informationen inklusive aller über die Sparkassen-Finanzgruppe existierenden Ratingberichte zur Verfügung gestellt. Für die interne Zielgruppe – Vorstände, Führungskräfte und Mitarbeiter der SparkassenFinanzgruppe – werden diese Informationen über interne Kommunikationsmedien für den internen Gebrauch bereitgestellt. Alle Mitgliedsinstitute erhalten über ihre jeweilige Geschäftsleitung schriftliche Hintergrundinformationen wie Interpretationshilfen, Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten der Ratingergebnisse für das einzelne Institut in der Praxis. Das Erstrating der Sparkassen-Finanzgruppe im Dezember 2004 durch Moody’s wurde außerdem in einer separaten Informationsveranstaltung des DSGV, zu der Vertreter aller Mitgliedsinstitute eingeladen waren, detailliert vorgestellt. Darüber hinaus ist die Abteilung Financial Market Relations jederzeit Ansprechpartner für alle Fragen zum Rating für interessierte Mitarbeiter der Sparkassen-Finanzgruppe. Die Landesbanken und einige Sparkassen führen eigenständige Ratingprozesse durch und verfügen über eigene Individualratings. Über deren Erfahrungen findet zusammen mit dem DSGV ein regelmäßiger Informationsaustausch statt. Für die externe Zielgruppe der Finanz- und Kapitalmarktteilnehmer werden die Ratinginformationen über die Internetseite des DSGV bereitgestellt. In von der Abteilung Financial Market Relations durchgeführten persönlichen Einzel- und Analystengesprächen werden die Ergebnisse der Rating-Verfahren, jeweils individuell auf die Informationsbedürfnisse der Gesprächspartner abgestimmt, kommuniziert. Durch Einzel- und Analystengespräche wird einerseits auf Anfragen von Analysten, Investment-, Geschäfts- und Korrespondenzbanken reagiert, andererseits werden aber auch insbesondere ausländische Gesprächspartner gezielt dort angesprochen, wo sich ein besonderes Informationsdefizit über die SparkassenFinanzgruppe zeigt. Darüber hinaus werden spezielle Publikationen für die externen Zielgruppen über die Ratingerteilung veröffentlicht. Dem Informations- und Kommunikationsbedarf von Ratingagenturen wird durch regelmäßige Kontaktpflege begegnet. Proaktiv werden die Ratingagenturen über alle ratingrelevanten Fakten zeitnah informiert, insbesondere über Geschäftszahlen.
8.5 Die Finanz- und Kapitalmarktkommunikation der Sparkassen-Finanzgruppe
471
Sowohl interne als auch ausgesuchte externe Zielgruppen werden anlassbezogen mit zusätzlichen Hintergrundinformationen − beispielsweise Experteninterviews zu ratingrelevanten Themen und Entwicklungen − über von der Sparkassen-Finanzgruppe herausgegebene Printmedien wie das Managermagazin „Die Sparkasse“ und die Wochenzeitung „Die Sparkassenzeitung“ versorgt. Diese Medien stehen einerseits innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe bereit und werden andererseits an Meinungsbildner in Presse, Wirtschaft und Politik sowie Geschäftspartner versandt.
8.5.7
Fazit und Ausblick
Die Globalisierung hat zu einer Verkoppelung der Finanzmärkte geführt, die eine zunehmende Transparenz und Effizienz an den Finanz- und Kapitalmärkten ermöglicht. Die Internationalisierung des deutschen Mittelstandes und die gleichzeitige Marktposition der Sparkassen-Finanzgruppe als Marktführer im deutschen Bankenmarkt führen dazu, dass eine aktive Finanzmarktkommunikation eine zunehmende Relevanz erhält. Die Finanzmarktkommunikation der Sparkassen-Finanzgruppe verfolgt dabei das Ziel, die Wahrnehmung der Leistungsfähigkeit und der Struktur der Sparkassen-Finanzgruppe in den Kapital- und Finanzmärkten zu stärken. Es soll eine Verbesserung der Informationsbasis über die Sparkassen-Finanzgruppe im In- und vor allem im Ausland erreicht werden, wobei die kontinuierlich, glaubwürdig und nachvollziehbar sein muss. Es wurden operative Ziele entwickelt, vor allem externe Zielgruppen formuliert und Umsetzungsmaßnahmen herausgearbeitet. Die Sparkassen-Finanzgruppe hat erkannt, dass die Marktteilnehmer an einer schnellen Beurteilung der Bonität eines Geschäftspartners interessiert sind, wozu international zunehmend Ratings von anerkannten Ratingagenturen herangezogen werden. Als ein bedeutendes Instrument im Bereich der Umsetzungsmaßnahmen wurde deshalb von der Sparkassen-Finanzgruppe das Rating identifiziert. Die SparkassenFinanzgruppe hat mit der Einholung zuerst eines Rating-Floors von Moody’s und dann eines Floor-Ratings von DBRS der Gruppe insgesamt und den Instituten der Gruppe eine für sie geeignete Bonitätsbeurteilung und ein Kommunikationsinstrument zur Verfügung gestellt, das die Leistungsfähigkeit der Sparkassengruppe international anerkannt nachweist. Es konnte gezeigt werden, dass Ratings über die eigentliche Bonitätsfunktion hinaus zunehmend eine Kommunikationsfunktion wahrnehmen. Die Finanzmarktkommunikation wird zukünftig einen noch größeren Stellenwert einnehmen, wobei das Rating als ein bedeutendes Instrument betrachtet werden muss. Eine Änderung des Ratings, sowohl in seiner Ausgestaltung als auch in seiner Höhe, wird davon abhängen, inwieweit es der Sparkassen-Finanzgruppe weiterhin gelingt, die Gruppe zusammenzuführen und zu stärken. Der im Jahr 2007 stattgefundene Sparkassentag in Bochum hat gezeigt, dass die Sparkassen-Finanzgruppe die Kraft und den Willen hat, ihren Finanzverbund weiter zu stärken. Die beiden Ratings haben somit auch eine hohe verbundpolitische Bedeutung. Denn sie verdeutlichen, dass die Zusammenarbeit und der Zusammenhalt im Verbund für alle Mitglieder der Sparkassen-Finanzgruppe, den internen Zielgruppen, von erheblichem Vorteil sind. Damit sind die beiden Ratings nicht zuletzt Ansporn, den Zusammenhalt und die Gemeinsamkeiten der Sparkassen-Finanzgruppe in den kommenden Jahren weiter auszubauen.
472
8.5.8
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
Übungsaufgaben
1. Worin besteht der Unterschied zwischen einem Individualrating und einem Gruppenrating? 2. Welche Formen eines Gruppenratings existieren und worin bestehen deren Unterschiede? 3. Wieso kann es zu einem Upgrade des Ratings eines Einzelinstitutes bei Erteilung eines Floor-Ratings kommen? 4. Welche Funktionen kann ein Rating übernehmen? 5. Warum profitieren auch Institute von einem Rating, die sich nicht über den Kapitalmarkt refinanzieren? 6. Welche Bedeutung haben die beiden Ratings im Rahmen der Marketing- und Kommunikationsarbeit der Institute der Sparkassen-Finanzgruppe? 7. Was sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Finanzmarktkommunikation? 8. Was sind Zielgruppen für eine Finanzmarktkommunikation? 9. Worauf sollten Kreditinstitute bei der Auswahl einer Ratingagentur achten? 10. Nennen Sie Kriterien von Ratingagenturen, die für die Erteilung von Ratings von Unternehmen beziehungsweise einer Gruppe bedeutend sind.
8.5.9
Lösungshinweise
Lösungshinweise zu Übungsaufgaben 1. Bei einem Individualrating wird das Unternehmen als Einzelunternehmen betrachtet und es erfolgt eine direkte Ratingerteilung. Bei einem Gruppenrating wird dagegen die gesamte Unternehmensgruppe betrachtet und ihr ein Rating erteilt. 2. Gruppenratings existieren in Form eines Verbundratings und in Form eines Floors. Zu den Unterschieden siehe Abschnitt 8.5.4.2. 3. Wenn ein einzelnes Institut einer Gruppe über ein Individualrating vor der Erteilung eines Floor-Ratings verfügt und das erteilte Floor-Rating über dem Individualrating liegt, kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Upgrade des Ratings auf das Floor-Rating. (Siehe Abschnitt 8.5.4) 4. Es ist Bonitätsnachweis und Kommunikationsinstrument. (Siehe Abschnitt 8.5.2.2) 5. Institute, die sich nicht über den Kapitalmarkt refinanzieren, wie z.B. Sparkassen, können das Rating im Rahmen ihrer Kommunikationsarbeit als Marketinginstrument nutzen. Sie helfen auch bei Interbankengeschäften, im Auslandsgeschäft, bei Geschäften mit institutionellen Investoren wie etwa Versicherungen und Pensionskassen (Siehe Abschnitt 8.5.6.1) 6. Langfristige Ausrichtung und Kontinuität in der Kommunikation; Offenheit und Transparenz. (Siehe Abschnitt 8.5.6.2) 7. Als Voraussetzungen für eine erfolgreiche Finanzmarktkommunikation siehe Ausführungen zu den Umsetzungsmaßnahmen im Abschnitt 8.5.3.
8.5 Die Finanz- und Kapitalmarktkommunikation der Sparkassen-Finanzgruppe
473
8. Es wird zwischen internen und externen Zielgruppen unterschieden. Siehe im Einzelnen Abschnitt 8.5.3. 9. Geachtet werden sollte auf Akzeptanz und Reputation der Ratingagentur. Die Ratingagentur sollte die Charakteristika der deutschen Kreditwirtschaft im Allgemeinen als auch die wesentlichen Strukturmerkmale der Sparkassen-Finanzgruppe im Besonderen hinreichend verstehen und würdigen. Die Agentur sollte die vorhandenen Strukturen mit einer Ratingeinschätzung unterlegen und nicht alternativ vorstellbare. (Ausführlich siehe Abschnitt 8.5.4.5) 10. Bedeutende Kriterien für Ratingagenturen für die Erteilung eines Ratings sind u.a. die wirtschaftliche Stärke, eine betriebswirtschaftliche effiziente Strategie, das Geschäftsmodell, das Risikomanagement, eine stabile Ertragslage und ein leistungsfähiger Haftungsverbund. (Ausführlicher Abschnitt 8.5.5)
474
8 Operative und strategische Aspekte des Ratings
0 100 Prüfungsfragen zum Ratingadvisor und Ratinganalyst mit Lösungshinweisen
9
Prüfungsfragen
475
476
9 Prüfungsfragen
0 100 Prüfungsfragen zum Ratingadvisor und Ratinganalyst mit Lösungshinweisen
477
Armin Jäger 100 Prüfungsfragen zum Ratingadvisor und Ratinganalyst mit Lösungshinweisen 9.1
Einführung
477
9.2
Veränderungen im Kreditvergabeprozess
478
9.3
Bankenaufsicht und regulatorische Grundlagen
484
9.4
Ratingsysteme und -modelle von Banken und Agenturen
489
9.5
Quantitative Faktoren im Rating und in der Bilanzpolitik
502
9.6
Qualitative Faktoren im Rating und Ratingadvisory
508
9.7
Ratingprozess und rechtliche Aspekte im Rating
514
9.8
Spezialthemen des Ratings
520
9.9
Finanzierung und Rating
523
9.1
Einführung
In Ratingausbildungen, zumal solchen, die die Akkreditierungsrichtlinien des BdRA erfüllen, ist stets die Erstellung einer Hausarbeit und einer Klausur vorgesehen, in der die Teilnehmer ihr Wissen präsentieren und darstellen können.1 Nach erfolgreicher Prüfung zum „RatingAnalyst“ bzw. „Rating-Advisor“ bei den vom BdRA akkreditierten Bildungseinrichtungen, sind Mitglieder des BdRA auf Grund ihrer Anerkennung der Satzung, der Berufsordnung und hier insbesondere der Ethikgrundsätze der §§ 16 bis 20, sowie der „Grundsätze für das Unternehmensrating“ des BdRA auf Antrag berechtigt, zusätzlich den Titel: „CERTIFIED RATING ANALYST BdRA“. bzw. „CERTIFIED RATING ADVISOR BdRA“. 1
Der BdRA (Bundesverband der Ratinganalysten und Advisor) hat am 01. Sept. 2004 eine Akkreditierungsrichtlinie erlassen, in der geregelt ist, welche Voraussetzungen an eine qualifizierte Ausbildung zum Ratinganalysten bzw. Ratingadvisor zu stellen ist. Für die Akkreditierung ist die Tochtergesellschaft des BdRA, die RatingCert GmbH, verantwortlich.
478
9 Prüfungsfragen
zu führen. Auf Antrag werden Absolventen vom BdRA zum Advisor bzw. Analyst bestellt und erhalten hierüber eine gesonderte Urkunde. Die Ausbildungsstätten haben gemäß Akkreditierungsrichtlinien eine bezüglich Personal, Strukturen, Finanz- und Sachmittel sachgerechte Durchführung von Ausbildungsgängen zu gewährleisten und den Absolventen der Ausbildung ein qualifiziertes, möglichst von einer Hochschule vergebenes, Zertifikat bzw. Zeugnis zu verleihen. Mindeststundenzahlen und detaillierte Qualifikationsanforderungen sowie eine Liste der akkreditierten Ausbildungsgänge sind unter www.bdra.de einsehbar. Die folgende Übersicht über 100 häufig gestellte Fragen in einer Klausur zum Ratingadvisor oder Ratinganalysten sind entlang der gebräuchlichen Curricula der bekannten Ratingausbildungen erstellt worden. Die Lösungshinweise für die jeweiligen Aufgaben sind in Stichworten genannt und häufig mit Literaturstellen versehen. Die Literaturhinweise am Ende des Artikels weisen auf die Originalquellen hin. Wenn bei den Lösungshinweisen das Wort Glossar steht, so ist ein Verweis auf das in diesem Buch enthaltene Glossar von Prof. Dr. Schneck gemeint.
9.2
Veränderungen im Kreditvergabeprozess
(1) Welche Ziele verfolgte Basel I? Lösungshinweise: • Infolge des Zusammenbruchs zahlreicher Banken Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre, wurden zur Stabilisierung des Bankensystems vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht im Juli 1988 Regeln zur Eigenkapitalhinterlegung von Kreditinstituten (kurz Basel I) aufgestellt; diese traten Ende 1992 in Kraft. • Ziel war es, das Kreditvolumen der Banken an eine angemessene Hinterlegung ihres Eigenkapitals zu koppeln. • Kredite an Unternehmen mussten pauschal mit 8 % des Eigenkapitals hinterlegt werden. • Das Kreditvolumen einer Bank wurde damit eingeschränkt bzw. begrenzt. • Im Fokus der Bestimmungen waren nur Kreditrisiken. Quellen: − Glossar: Basel I − Everling, Dr. O.; Sarcher, Dr. W. (2003): Rating-Lexikon. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 38f. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München.Deutscher Taschenbuchverlag GmbH & Co. KG. S. 122f. − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. S. 28ff. − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WILEY.VCH Verlag GmbH & Co. KGaA. S. 25ff.
9.2 Veränderungen im Kreditvergabeprozess
479
(2) Welche Veränderungen auf den Kapitalmärkten haben zu einer Überarbeitung der Basel I – Regularien geführt? Lösungshinweise: • Veränderung der Risikosensitivität bei Kapitalgebern durch volatile Kapitalmärkte und erhöhte Risikoaversion bei hoher Informationsassymetrie • Absolute Zunahme von Risiken bei Unternehmen durch Rückzug von Versicherungen und großen Schadenhöhen bei Insolvenzen • Risikokumulation durch adverse Selektion, d.h. Polarisierung der Risiken • Erhöhte Liquiditätsansprüche bei modernen Technologien • Permanente Verschärfung des Haftungsrechts • Inhouse-Banking, eigene Verbriefungen, Desintermediation bei großen Unternehmen • Volatile Kapitalmärkte • Banken betreiben zunehmend Kapitalarbitrage, was zur Aufweichung der Kapitalvorschriften führt Quellen: − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WILEY.VCH Verlag GmbH & Co. KGaA. S. 25ff. − Übelhör, M.; Warns, Ch. (Hrsg.) (2004): Basel II Auswirkungen auf die Finanzierung – Unternehmen und Banken im Strukturwandel. Heidenau. PD-Verlag. S. 15ff. − Vollbracht, Reinhold, Deutsche Bundesbank Vortrag, WM-Forum „A & RII“, 30.06.2005 − Artopoeus, W., BaFIn, Vortrag, Aktuelle Entwicklungen in der Bankenaufsicht, 4.3.1999 in Frankfurt/M. http://www.bafin.de/presse/reden/archiv_ba/r_040399.htm − Artopoeus, W., BaFIn, Vortrag beim Duisburger Bankensymposium in der Gerhard Mercator Universität am 30.09.1999 http://www.bafin.de/presse/reden/archiv_ba/r_300999.htm − Konsultationspapier, Überblick über die neue Basler Eigenkapitalvereinbarung http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/overview_translation.pdf (3) Die „Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft“ (MaK) können als Zwischenschritt zu Basel II gesehen werden. Was beinhalten sie? Lösungshinweise: • Formulierung einer Kreditrisikostrategie mit Aussage zur Risikotragfähigkeit (Portfolio Selection) • Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung (Bankvorstand) trotz Aufgabenteilung • Qualifikation der Mitarbeiter (Auswahl, Weiterbildung) • Sachgerechte Aufbau- und Ablauforganisation (Klare Aufgabenzuweisung, Kontrollfunktionen) • Verfahren zur Identifizierung, Steuerung und Überwachung der Kreditrisiken (Risikoklassifizierung, Frühwarnsysteme, Riskmap, Risikocontrolling)
480
9 Prüfungsfragen
• Klare Funktionstrennung in Markt und Marktfolge (d.h. Kreditvermittlung, Kreditentscheidung und -kontrolle) Quellen: − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 164ff. − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 35ff. − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. S. 43ff. − Bundesbank Monatsbericht 01/2003 (MaK) http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/mba/2003/200301mba_makbasel.pdf (4) Welche Veränderungen ergaben sich durch die Umstellung von Basel I auf Basel II? Lösungshinweise: • Beseitigung des Missklangs von regulatorischem und ökonomischem Eigenkapital • Basel I Pflicht der Kreditinstitute, Kredite an Unternehmen pauschal durch 8 % Eigenkapital zu hinterlegen. • Basel II Eigenkapitalunterlegung nach Risikoklassen bzw. -gewichten. • Bewertung der Kreditnehmerbonität durch externes oder internes Rating • Säule I (pauschale Risikogewichtung der Risikoaktiva von 8 %) wird auf risikoadjustierte Gewichtung umgestellt (abhängig von Rating) • Säule II Qualitative Aufsicht • Säule III Transparenzvorschriften Quellen: − Glossar: Basel I und Basel II − Basler Ausschuss für Bankenaufsicht erzielt Einigung zu Fragen der Neuen Eigenkapitalvereinbarung (Pressemitteilung der BIZ vom 10. Juli 2002) − Continued progress toward Basel II (Pressenotiz der Bank for International Settlements vom 15.Januar 2004) − Die neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) (Monatsbericht April 2001) − Europäische Richtlinie zur Transformation von Basel II (Oktober 2005) Consensus achieved on Basel II proposals (Pressenotiz der Bank for International Settlements vom 11. Mai 2004) − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 34ff.
9.2 Veränderungen im Kreditvergabeprozess
481
− Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG. / Verlag C.H. Beck oHG. S. 122ff. − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. S. 28ff. − Neue Eigenkapitalanforderungen für Kreditinstitute (Basel II) (Monatsbericht September 2004) − Neue Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft: MaK und Basel II (Monatsbericht Januar 2003) − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bankverlag GmbH. S. 13ff. − Übelhör, M.; Warns, Ch. (Hrsg.) (2004): Basel II Auswirkungen auf die Finanzierung – Unternehmen und Banken im Strukturwandel. Heidenau. PD-Verlag. S. 15ff., S. 20ff. − Validierungssätze für interne Ratingsysteme (Monatsbericht September 2003) − Update on the New Basel Capital Accord (Pressemitteilung der BIZ vom 25. Juni 2001) Konsultationspapier in Monatsbericht BBK 2001, http://www.bundesbank.de/download/ezb/monatsberichte/2005/200501_ezbmb_basel.pdf (5) Welche Ziele verfolgt Basel II? Lösungshinweise: • • • • •
Ausbau der Stabilität und Sicherheit des weltumspannenden Finanzsystems Anpassung des Systems an die tatsächliche Risikosituation Verbesserung der Wettbewerbsgleichheit Beachtung der individuellen Risikoorientierung der einzelnen Kreditinstitute Orientierung an den international tätigen Banken und Vorgabe der Systeme an alle Banken, unabhängig von Größe und Entwicklungsstufe
Quellen: − Glossar: Basel II − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. S.31ff. − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WILEY.VCH Verlag GmbH & Co. KGaA. S. 28ff. − Übelhör, M.; Warns, Ch. (Hrsg.) (2004): Basel II Auswirkungen auf die Finanzierung – Unternehmen und Banken im Strukturwandel. Heidenau. PD-Verlag. Kapitel A (6) Welche Entwicklungsschritte sind seit Gründung des Basler Ausschusses durch diese Institution ausgelöst worden? Lösungshinweis: • Juli • Ende1992 • Januar
1988 1996
Veröffentlichung der Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel I) Inkrafttreten von Basel I Baseler Marktrisikopapier
482
9 Prüfungsfragen
• Juni
1999
• Januar • Dezember
2001 2001
• Mai • Mitte • Ende2006
2003 2004
Erstes Konsultationspapier zur Neufassung der Eigenkapitalver einbarung (Basel II) Zweites Konsultationspapier zu Basel II Änderung des ursprünglich vorgesehenen Zeitplans für die Fertig stellung des neuen Akkords. Drittes Konsultationspapier zu Basel II Veröffentlichung der neuen Eigenkapitalvereinbarung Inkrafttreten von Basel II
Quellen: − Glossar: Basler Ausschuss für Bankenaufsicht − Die neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) (Monatsbericht April 2001) − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 35ff. − Wambach, M.; Rödl, B. (2001): Rating – Finanzierung für den Mittelstand. Frankfurt am Main. Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsbereich Buch. S. 19ff. (7) Welche Regelungen sehen die MaK (Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft) bzw. die MARisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement) für Banken vor? Lösungshinweis: • MaRisk: Vom BaFin erlassene Vorschrift zur Bewertung der so genannten operationellen Risiken und Marktpreisrisiken in Banken • MAK: Vom BaFin erlassene Vorschriften zur Verbesserung der Qualität in der Kreditvergabe. Demnach soll die Qualifikation der Mitarbeiter, der Ablauf der Prozesse sowie Strategie und Organisation „optimal“ sein. Kontrolle und Aufsicht hierüber führt das BaFin aus. Quellen: − − − −
Glossar: Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) (2007) Glossar: Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft (MaK) (2007) „Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft (MaK)“ S. 338 Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 164ff. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG. / Verlag C.H. Beck oHG. S. 338ff. (8) Wann fand der Ratinggedanke Einzug in die Wirtschaft? Lösungshinweis:
• Die Ratingidee entstand Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA.
9.2 Veränderungen im Kreditvergabeprozess
483
• Ursache war der enorme Finanzierungsbedarf bei der Erschließung und beim Bau des Eisenbahnstreckennetzes durch die USA. • Die für die Finanzierung zum Kauf angebotenen Anleihen der Bahngesellschaften sollten durch „neutrale“ Gutachten hinsichtlich ihrer Bonität bewertet werden, um internationale Investoren die Anlageentscheidung zu erleichtern. • 1860 Veröffentlichung des Buches „History of Railroads and Canals of the United States“ durch Henry Varnum Poor • 1906 Gründung des „Standard Statistics Bureau“ als Vorgänger von Standard & Poor’s • 1941 Verschmelzung zwischen dem Standard Statistics Bureau und dem Verlag Poor′s Publishing zu Standard & Poor’s. Seit 1966 im Besitz des Medienkonzerns McGraw-Hill. Quellen: − RATINGaktuell 01/2003 – 03/2003 – 04/2003 – 06/2003 (9) Welche Veränderungen ergeben sich durch „Solvency II“ bei Versicherungen und was hat dies mit Rating zu tun? Lösungshinweis: • Geplante Regelung für Versicherungsunternehmen, analog von Basel II für Banken ein haftendes Eigenkapital in Abhängigkeit vom Risikoaktiva des Unternehmens durch die nationale Aufsichtsbehörde zu verlangen • Bisher werden nach Basel I lediglich 3 Mio. € Eigenmittel in Europa von jeder Versicherungsunternehmung verlangt. Im Insolvenzfall sicher zuwenig Haftungsmasse Quellen: − Glossar: Mindestanforderungen an das Versicherungsgeschäft (Solvency II) (10) Der Begriff „Rating“ lässt sich nach dem zu untersuchenden Objekt, nach seiner Zielsetzung und dem Auftraggeber unterscheiden. Nennen Sie einige Ratingarten Lösungshinweise: Ratingobjekt • • • • • • • • • • • •
Branchen-Rating Credit-Rating Debt-Rating Emissions-Rating Emittenten-Rating Equity-Rating Finanz-Rating Fonds-Rating Immobilien-Rating Issuer Rating – Spezieller Schuldentitel Issuer Rating – Gesamtes Unternehmen Länder-Rating
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9 Prüfungsfragen
Auftraggeber • Banken-Rating • Externes-Rating • Internes-Rating • Solicited-Rating • Unsolicited-Rating Zielsetzung • • • • •
Existenzgründer-Rating Innovations-Rating Lieferanten-Rating Pre-Rating (Indikatives Rating) Schatten-Rating
Quellen: − Glossar. Div. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG. / Verlag C.H. Beck oHG. S. 368ff. − Koch, W.; Wegmann, J. (2003): Praktiker-Handbuch Rating – Anforderungen an den Mittelstand und Banken. Stuttgart. Schäffer-Poeschel Verlag. S. 180ff. − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. S. 6ff. − Wambach, M.; Rödl, B. (2001): Rating – Finanzierung für den Mittelstand. Frankfurt am Main. Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsbereich Buch. S. 51ff.
9.3
Bankenaufsicht und regulatorische Grundlagen
(11) Welche Aufgaben hat die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ)? Lösungshinweis: • 1930 gegründete Bank (BIZ) (engl. Bank for International Settlements) mit der Aufgabe als Zentralbank der Zentralbanken zu fungieren. Kunden sind ausschließlich Zentralbanken. • Verwaltet Währungsreserven zahlreicher Länder • Erlässt in verschiedenen Ausschüssen Regularien für Finanzinstitute, Finanzunternehmen und Kreditinstitute Quelle: − Glossar: Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) http://www.bis.org
9.3 Bankenaufsicht und regulatorische Grundlagen
485
(12) Welche Aufgaben hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die nationale Bankenaufsicht in Deutschland? Lösungshinweis: • BaFin, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit Sitz in Bonn übt gemeinsam mit Bundesbank (Sitz Frankfurt) Aufsicht über Kreditinstitute aus • Verhinderung von Missständen und Instabilitäten in der Finanzwirtschaft • Zahlreiche Eingriffsrechte • Überwachung der Eigenmittelhinterlegung nach Basel II Quelle: − Glossar: Bankenaufsicht; Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin, Basler Ausschuss für Bankenaufsicht − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 41f. − Bundesbank http://www.bundesbank.de (13) Welche Aufgaben hat das Committee of European Securities Regulators (CESR)? Lösungshinweis: • Im Juni 2001 gegründetes Gremium der EU (Sitz Paris) mit dem Zweck, die Europäische Kommission in wertpapieraufsichtsrechtlichen Fragen zu beraten und die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in nationales Recht zu befördern. • Mitglieder sind Vertreter nationaler Wertpapier-Aufsichtsbehörden. engl. Committee of European Securities Regulators, CESR Komitee der europäischen Zentralbank für bankaufsichtsrechtliche Fragestellungen in Europa • Unabhängiges Organ, das die Interessen der EU bei Basel II vertritt Quellen: − Glossar: CESR − Committee of European Securities Regulators http://www.cesr-eu.org (14) Welche Forderungsklassen unterscheidet Basel II? Lösungshinweis: • Im Standardansatz werden 3 Forderungsklassen (Staaten, Banken und Unternehmen) unterschieden, wobei die Banken nochmals unterteilt werden. • Es werden im IRB-Ansatz 7 Forderungsklassen unterschieden: Forderungen an Staaten; Forderungen an Kreditinstitute; Forderungen an sonstige Unternehmen; Forderungen an Privatkunden und Kleinunternehmen und Anteile und Beteiligungen
486
9 Prüfungsfragen
Quellen: − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 5ff. − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 40ff. − Mestre del, G. (2005): Rating-Leitfaden. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 16 ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 41ff. Bundesbank http://www.bundesbank.de (Suchwort: Forderungsklassen) (15) Was ist unter regulatorischem Eigenkapital zu verstehen? Lösungshinweis: • Haftendes Eigenkapital einer Bank, bestehend aus verschiedenen Elementen wie z.B. dem Kernkapital oder Ergänzungskapital, das nach Basel II eine bestimmte Mindesthöhe in Abhängigkeit von den so genannten Risikoaktiva aufweisen soll. • Risikoaktiva ist eine durch die Ratings der Kunden der Bank errechnete Größe Quellen: − Glossar: Eigenkapitalunterlegung − Schneck, O, (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 288 − Bundesbank http://www.bundesbank.de/bankenaufsicht/bankenaufsicht_basel.php (16) Können Banken Kreditsicherheiten ihrer Kunden bei der Berechnung ihrer zu hinterlegenden Eigenmittel anrechnen lassen? Lösungshinweis: • Abhängig von der Zulassung der nationalen Aufsichtsbehörden können Banken gewisse Sicherheiten bei der Berechnung ihrer zu hinterlegenden Eigenmittel anrechnen lassen. • Beispiele: Immobilien, bestimmte Wertpapiere Quellen: − Glossar: Anerkennungsfähige Sicherheiten − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 444ff. (17) Welche Aussagen trifft die erste Säule bei Basel II? Lösungshinweis: • Mindestkapitalanforderungen an die Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute
9.3 Bankenaufsicht und regulatorische Grundlagen • •
487
I. Berechnung von Mindestkapitalanforderungen II. Kreditrisiko – Der Standardansatz III. Kreditrisiko – Der auf internen Ratings basierende Ansatz IV. Kreditrisiko – Rahmenvereinbarung zu Verbriefungen
• • • V. Operationelle Risiken • VI. Handelsbuch Aspekte (einschließlich Marktrisiko) Quellen:
− Glossar: Basel II − Basel II Textausgabe (Stand: Juli 2004). Köln. Bank-Verlag. S. 33–245 − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 20ff. − Übelhör, M.; Warns, Ch. (Hrsg.) (2004): Basel II Auswirkungen auf die Finanzierung – Unternehmen und Banken im Strukturwandel. Heidenau. PD-Verlag. S. 21–34 − Bundesbank Monatsbericht 04/2001 http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/basel.pdf − EZB Monatsbericht 01/2005 http://www.bundesbank.de/download/ezb/monatsberichte/2005/200501_ezbmb_basel.pdf − Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht – Internationale Konvergenz der Kapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/eigenkapitalempfehlung_de.pdf − Bundesbank Säule 1 http://www.bundesbank.de/bankenaufsicht/bankenaufsicht_basel_saeule1.php (18) Welche Aussagen trifft die zweite Säule von Basel II? Lösungshinweis: • Aufsichtsrechtliches Überprüfungsverfahren • Anforderungen an das Rating durch Formulierung von 4 Grundsätzen (Strategie, Maßnahmen, Überschreitungen, Eingriffsmöglichkeiten) Quellen: − Glossar: Basel II − Basel II Textausgabe (Stand: Juli 2004). Köln. Bank-Verlag. S. 246–273 − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG S. 20ff. − Übelhör, M.; Warns, Ch. (Hrsg.) (2004): Basel II Auswirkungen auf die Finanzierung – Unternehmen und Banken im Strukturwandel. Heidenau. PD-Verlag. S. 34f. − Bundesbank – Säule 2: Aufsichtsrechtliches Überprüfungsverfahren – Der „Supervisory Review Process“ (SRP) http://www.bundesbank.de/bankenaufsicht/bankenaufsicht_basel_saeule2.php
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9 Prüfungsfragen
(19) Welche Aussagen trifft die dritte Säule bei Basel II? Lösungshinweis: • Erweiterung der Offenlegungspflichten zur Stärkung der Marktdisziplin Quellen: − Glossar: Basel II − Basel II Textausgabe (Stand: Juli 2004). Köln. Bank-Verlag. S. 274–296 − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 20ff. − Übelhör, M.; Warns, Ch. (Hrsg.) (2004): Basel II Auswirkungen auf die Finanzierung – Unternehmen und Banken im Strukturwandel. Heidenau. PD-Verlag. S. 36 − Bundesbank – Säule 3: Erweiterte Offenlegung (Marktdisziplin) http://www.bundesbank.de/bankenaufsicht/bankenaufsicht_basel_saeule3.php (20) Was ist unter dem IOSCO-Code zu verstehen? Lösungshinweis: • IOSCO = International Organization of Securities Commissions mit Sitz in Montreal, 1934 gegründet, 150 Mitglieder • In Bezug auf Rating hat die Organisation Richtlinien für ein qualifiziertes Rating erlassen − Unabhängigkeit der Entscheidungen über Ratings − Ratingverfahren sollten transparent sein und Ratings zügig veröffentlicht werden − Vertraulich gewährte Information sollte vertraulich behandelt werden − „Appellationsrecht“/„Recht auf Gegendarstellung“ − Beschwerden über den Rating-Prozess • Agenturen können bei der Gestaltung ihrer eigenen Verhaltenskodizes, Policies und Procedures den national unterschiedlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung tragen Quellen: − Glossar: International Organization of Securities Commissions − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. S. 143f. − International Organization of Securities Commissions http://www.iosco.org/
9.4 Ratingsysteme und -modelle von Banken und Agenturen
9.4
489
Ratingsysteme und -modelle von Banken und Agenturen
(21) Was ist grundsätzlich unter Rating zu verstehen? Lösungshinweis: • Beurteilung der Bonität von Wertpapieren oder Schuldnern hinsichtlich der Ausfallwahrscheinlichkeit. • Externes Rating durch Ratingagenturen oder internes Rating durch Banken • Verwendung von Ratingskalen und -noten • Ratinganalyse und Ratingadvisory ist zu unterscheiden Quellen: − Glossar: Rating, Ratingadvisory − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 27ff. − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. S. 4f. − Nagel, K.; Stalder, J. (2002): Rating – Bonität steigern, bessere Kreditkonditionen erreichen, Finanzierung sicherstellen. München. Verlag Moderne Industrie. S. 11ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 87 − Wambach, M.; Rödl, B. (2001): Rating – Finanzierung für den Mittelstand. Frankfurt am Main. Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsbereich Buch. S. 49ff. (22) Was ist unter Finanzrating zu verstehen? Lösungshinweis: • Rating, das sich ausschließlich mit den quantitativen Kriterien beschäftigt • Beurteilung des Finanzrisikos • Grundlage sind Jahresabschlüsse, G+V sowie Kennzahlen aus der Jahresabschlussanalyse Quellen: − Glossar: Finanz-Rating − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 239 − Gleißner, W.; Füser, K. (2003): Leitfaden Rating. München. Verlag Franz Vahlen GmbH. S. 154 /197ff. / 203ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 41
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9 Prüfungsfragen
(23) Wie unterscheidet sich eine Auskunft von einem Rating? Lösungshinweis: • Auskunft = Aussagen über das vergangene Zahlungsverhalten, d.h. eher Zahlungsmoral, aber auch Ausfälle. • Rating = Prognose über die künftige Zahlungsfähigkeit – Beurteilung der Bonität Quellen: − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 54 − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 87 − Verband der Vereine Creditreform e.V http://www.creditreform.de − SCHUFA Holding AG http://www.schufa.de (24) Wie unterscheidet sich Due Diligence von Rating? Lösungshinweise: • Due Diligence (dt. gebotene Sorgfalt): Umfassende Prüfung und Dokumentation beim Kauf bzw. Verkauf von Unternehmen . • Rating = Prognose über die künftige Zahlungsfähigkeit – Beurteilung der Bonität Quellen: − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 271ff. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 196ff. − Koch, W.; Wegmann, J. (2003): Praktiker-Handbuch Rating – Anforderungen an den Mittelstand und Banken. Stuttgart. Schäffer-Poeschel Verlag. S. 9f. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 45 − Schneck, O, (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 269 − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 30 (25) Wie unterscheidet sich Ranking von Rating? Lösungshinweise: • Ranking = Einstufung, Rangordnung in eine feste Skala. z.B. Hochschulranking • Rating = Prognose über die künftige Zahlungsfähigkeit – Beurteilung der Bonität
9.4 Ratingsysteme und -modelle von Banken und Agenturen
491
Quellen: − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 368ff. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 43ff. (26) Welche Anforderungen werden nach Basel II an ein internes Bankenratingsystem gestellt? Lösungshinweis: • Mindestens 7 Risikoklassen für nichtausfallende und mindestens 1 Risikoklasse für ausfallende Kreditnehmer • Aussagen zu PD (Probability of Default, Ausfallwahrscheinlichkeiten des eigenen Portfolios) • Aussagen zu LGD (Loss Given, Verlustrate) • Aussagen zur Restlaufzeit der Kreditforderungen • Dokumentation aller Merkmale je Kredit • Unabhängige Ratingvergabe und Kreditentscheidung • Jährliches Neurating • Bei Einsatz von IRB ist die Bank danach zu steuern • (Anpassung risikoadjustierte Konditionen, Entlohnungen, Kompetenzverteilungen, Limitsysteme, ...) Quellen: − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 22ff. − Bundesbank Monatsbericht 04/2001 http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/basel.pdf (27) Welcher Unterschied besteht grundsätzlich zwischen dem Standardansatz und dem einfachen IRB-Basisansatz (Foundation Approach)? Lösungshinweis: • Basel II sieht zwei grundlegende Ansätze (Standard und IRB) vor, die wiederum in jeweils 2 Ansätze differenziert werden können (Basis, Fortgeschritten) • IRB = Ansatz für Banken, mit einem eigenen Ratingsystem ihre Kunden raten zu können • Standardansatz = Ansatz, nachdem externe Ratingagenturen ihr Rating einer Bank zur Verfügung stellen und dieses als Basis für die Eigenmittelunterlegung durch die Bank genutzt wird. • Während bei IRB individuelle und von der nationalen Bankenaufsicht definierte Risikogewichte je Ratingklasse festgelegt werden, existiert für den Standardansatz eine vom Basler Ausschuss definierte Gewichtungsmatrix
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9 Prüfungsfragen
Quellen: − Glossar: IRB_Ansatz − Glossar: Standardansatz − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 5ff. − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 40ff. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 22ff. − Bundesbank Monatsbericht 04/2001 http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/basel.pdf (28) Was ist bei der Entwicklung eines Ratingsystems unter Validierung und Backtesting zu verstehen? Lösungshinweis: • Validierung = Überprüfung der Prognosegenauigkeit einer Ratingsystems, z.B. durch ein Backtesting, eine Diskriminanzanalyse, logistische Regression o.a. Verfahren. • Backtesting = Überprüfung der Prognosegüte eines Ratingsystems, in dem ein Datensatz von solventen und insolventen Ratingobjekten im System getestet wird. Werden solvente fälschlicherweise als insolvent erkannt (Betafehler) oder umgekehrt (Alphafehler), ist die Trennschärfe und damit Prognosegüte gering. Quellen: − − − −
Glossar: Validierung Glossar: Backtesting Glossar: Diskriminanzanalyse Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 217ff. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 117 − Bundesbank Monatsbericht 09/2003 http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/mba/2003/200309mba_validierung.pdf
(29) Was ist unter den folgenden Begriffen zu verstehen LGD, EAD, PD und EL? Lösungshinweis: • LGD = Loss Given Default = Höhe des Verlustes in Prozent des Engagements zum Zeitpunkt des Ausfalls • EAD = Exposure at Default = Forderungshöhe zum Zeitpunkt des Ausfalls
9.4 Ratingsysteme und -modelle von Banken und Agenturen
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• PD = Probability of Default = Ausfallwahrscheinlichkeit • EL = Expected Loss = Erwarteter potentieller Verlust Quellen: − − − − −
Glossar: Loss Given Default LGD Glossar: Exposure at Default EAD Glossar: Propability of Default PD Glossar: Expected Loss EL Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 221ff − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 27 − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. − Bundesbank Monatsbericht 04/2001 http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/basel.pdf (30) Was ist unter einem Gini-Koeffizienten zu verstehen? Lösungshinweis: • Gini-Koeffizient (Accuracy Ratio) = Power-Curve. Maß für die Trennschärfe eines Rating-Modells • Der Gini-Koeffizient liegt stets zwischen minus Eins und Eins. Ein Ratingverfahren ist umso trennschärfer, je näher er bei Eins liegt. Quellen: − Glossar: Power Curve − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 360ff. − Bundesbank Monatsbericht 09/2003 http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/mba/2003/200309mba_validierung.pdf (31) Was ist unter einem Alpha- und Betafehler zu verstehen? Lösungshinweis: • Alphafehler: Hier werden insolvente Unternehmen fälschlicherweise als solvent definiert. • Betafehler: Hier werden solvente Unternehmen fälschlicherweise als insolvent definiert. • Alpha-Betafehlerfläche stellt die Beziehung zwischen A und B dar. Quellen: − Glossar: Alpha-Fehler, Beta-Fehler, Alpha-Beta-Fehlerfläche, Fehler 1. oder Fehler 2. Ordnung − Bundesbank – Monatsbericht 09/2003 http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/mba/2003/200309mba_validierung.pdf
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9 Prüfungsfragen
(32) Was ist unter einem Z-Wert zu verstehen? Lösungshinweis: • Mathematisch – statistischer Ansatz, entwickelt von Edward Altmann 1968 • Prognose von Ausfallwahrscheinlichkeiten auf Basis gewichteter Bilanzkennzahlen • Fünf gewichtete Kennzahlen (Working Capital/Bilanzsumme – Gewinnrücklage/Bilanzsumme – Eigenkapital/Fremdkapital – Umsatzerlöse/Bilanzsumme – EBIT/Bilanzsumme) Quellen: − Glossar: Altmann Z-Score − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 101ff. (33) Was ist unter einer Granularität zu verstehen? Lösungshinweis: • Granularität = Streuung bzw. Ausmaß der Konzentration von Risiken • Größenstruktur der Kredite, d.h. das Verhältnis von Klein- und Großkrediten in einem Kredit-Portfolio • Die Granularität bezeichnet ein Maß für die Anzahl und Höhe der einzelnen Forderungen im Verhältnis zum Gesamtvolumen des Portfolios. (Bundesbank) Quellen: − Glossar: Granularität − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 258 − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. − Bundesbank Monatsbericht 04/2001 http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/basel.pdf (34) Was ist unter Haircut zu verstehen? Lösungshinweis: • Haircut = Möglichkeit der Anrechnung von Sicherheiten bei der Berechnung des haftenden Eigenkapitals einer Bank • Sicherheiten unterliegen Wertänderungen im Zeitablauf. Dem soll durch bankenaufsichtsrechtlich vorgegebene Abschläge („Haircuts“) vom Wert der gestellten Sicherheiten Rechnung getragen werden. (Bundesbank) Quellen: − Glossar: Haircut, Anerkennungsfähige Sicherheiten − Bundesbank Monatsbericht 04/2001 http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/basel.pdf
9.4 Ratingsysteme und -modelle von Banken und Agenturen
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(35) Was bedeuten die Begriffe Validität, Objektivität und Reliabilität in Bezug auf die Anforderungen an ein Ratingsystem? Lösungshinweis: • Validität = Gültigkeit , Zuverlässigkeit einer Methode eines Ratingsystems • Objektivität = Sachlichkeit und Unabhängigkeit eines Ratings • Reliabilität = Genauigkeit der Messung Quellen: − Glossar: Validität − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 135ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 123/79/97 − Bundesbank – Monatsbericht 09/2003 http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/mba/2003/200309mba_validierung.pdf (36) Wie kann der Investmentgrade und der speculative Grade unterschieden werden? Lösungshinweis: • Ratingnoten von AAA bis BBB- (S&P) bzw. Aaa bis Baa3 (Moody’s) werden als Investmentgrade, darunter als speculative Grade bezeichnet Quellen: − Glossar: Investmentgrade − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 24 − Everling, Dr. O.; Sarcher, Dr. W. (2003): Rating-Lexikon. Köln. Bank-Verlag. S. 71 − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 278 − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 62ff. (37) Welche Ratingsymbole sind bei den Ratingagenturen Standard & Poor’s und Moody’s bekannt? Lösungshinweis: • Ergebnisse eines Ratings können Ratingnoten oder –symbole sein. • Am bekanntesten sind die Ratingnoten von S&P oder Moodys, die in Buchstaben von AAA bis D bzw. Aaa bis C einteilen lassen. • Je nachdem ob noch Modifikationen mit PLUS oder MINUS-zeichen erfolgen, ist die Skala umfangreicher oder nicht.
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9 Prüfungsfragen
Quellen: − Glossar: Rating-Skala, Rating-Note − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 28ff. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 388 − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 60ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 93ff. − Wambach, M.; Rödl, B. (2001): Rating – Finanzierung für den Mittelstand. Frankfurt am Main. Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsbereich Buch. S. 59ff. − Standard & Poor’s http://www2.standardandpoors.com − MOODY'S Deutschland GmbH http://www.moodys.com/deutschland/ (38) Welche der nachfolgenden Ratingnoten von Standard & Poor’s entsprechen den Ratingnoten von Moody’s? 1. AAA 2. AA– 3. BB 4. B+ 5. C Lösungshinweis: • • • • •
AAA AA– BB B+ C
= Aaa = Aa3 = Ba2 = B1 =C
Quellen: − Glossar: Rating-Skala, Rating-Note − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 29 − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 388 − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 60ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 93ff. − Wambach, M.; Rödl, B. (2001): Rating – Finanzierung für den Mittelstand. Frankfurt am Main. Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsbereich Buch. S. 60
9.4 Ratingsysteme und -modelle von Banken und Agenturen
497
− Standard & Poor’s http://www2.standardandpoors.com − MOODY’S Deutschland GmbH http://www.moodys.com/deutschland/ (39) Nennen Sie einige international bekannte und anerkannte Ratingagenturen Lösungshinweis: • Bislang sind nur fünf Ratingagenturen durch die US-SEC als Nationally Recognized Statistical Rating Organization (NRSRO) anerkannt. • „Some credit rating agencies whose credit ratings are used under the SEC’s regulations are known as „Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ or „NRSROs.“ There are currently five NRSROs – A.M. Best Company, Inc., Dominion Bond Rating Service Ltd., Fitch, Inc., Moody’s Investors Service, and the Standard & Poor’s Division of the McGraw Hill Companies Inc.“ (Quelle SEC) • Standard & Poor’s • Moody’s • Fitch • Dominion Bond Rating • A.M. Best Company Quellen: − Everling, O.; Büschgen, H. E.(2007): Handbuch Rating. Wiesbaden. Gabler Betriebswirtsch. Verlag. S. 3ff. − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 144ff. − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. S. 17ff. − Dominion Bond Rating Service (DBRS) http://www.dbrs.com/intnlweb/ − Fitch Ratings http://www.fitchratings.de/ − Moody’s Investors Service http://www.moodys.com/deutschland/ − Standard & Poor’s http://www2.standardandpoors.com − A.M. Best Company http://www.ambest.com − SEC – U.S. Securities and Exchange Commission http://www.sec.gov/ (40) Wodurch unterscheiden sich Solicited Rating von Unsolicited Rating? Lösungshinweis: • Bei einem „Solicited Rating“ erteilt das zu ratende Unternehmen den Auftrag zur Durchführung des Rating selbst und ist Auftraggeber. • Beim Unsolicited Rating wird ein Rating ohne Auftrag und ohne Mitwirkung des zu ratenden Unternehmens, allein auf Grund öffentlich zugänglicher Informationen und Da-
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9 Prüfungsfragen
ten durchgeführt. Es sollte als Unsolicited Rating gekennzeichnet sein (z.B. mit pi = public information) Quellen: − Glossar Solicited Rating, Unsolicited Rating − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 151f. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 475 − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. S. 8f. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 53ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 119ff. − Wambach, M.; Rödl, B. (2001): Rating – Finanzierung für den Mittelstand. Frankfurt am Main. Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsbereich Buch. S. 52 (41) Wie sind Solicited Rating und Unsolicited Rating hinsichtlich ihrer Aussagekraft zu beurteilen? Lösungshinweis: • Beauftragte Gutachten können „geschönt“ sein. (Allerdings verlöre die Reputation der Ratingagentur dadurch.) • Beauftragte Gutachten sind tendenziell kritischer als interne Bankgutachten • Beauftragte Ratings haben einen höheren Informationsgrad • Beauftragte Ratings werden durch die Unternehmung mit Daten und Fakten unterstützt • Unbeauftragte Ratings müssen sich auf Sekundärmaterial stützen Quellen: − Glossar Solicited Rating, Unsolicited Rating − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 151f. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 475 − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. S. 8f. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 53ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 119ff. − Wambach, M.; Rödl, B. (2001): Rating – Finanzierung für den Mittelstand. Frankfurt am Main. Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsbereich Buch. S. 52
9.4 Ratingsysteme und -modelle von Banken und Agenturen
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(42) Wie grenzen sich die Aufgabengebiete eines Ratingadvisors von dem eines Ratinganalysten ab? Lösungshinweis: • Der Ratinganalyst erstellt unabhängige Ratinggutachten über die künftige Zahlungsfähigkeit eines Ratingobjekts. • Der Ratingadvisor berät ein Unternehmen im Ratingprozess (vor, während und nach dem Ratingprozess) Quellen: − Glossar Ratingadvisor, Ratinganalyst − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 102f. − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 140ff. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 373 − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 78ff. (43) Warum darf ein Ratinganalyst bei einem Unternehmen, bei dem er ein unabhängiges Ratinggutachten erstellt, nicht auch beratend tätig sein? Lösungshinweis: • Ein Ratingurteil muss den Anforderungen nach Validität, Reliabilität und Objektivität entsprechen. • Interessenkollisionen zwischen unabhängigem Gutachten und Beratung sind zu vermeiden • Analogie zu Wirtschaftsprüfern / Steuerberater • Selbstverpflichtung der Agenturen - IOSCO- Verhaltenskodex • Ethikgrundsätze des BdRA Quellen: − Glossar: International Organization of Securities Commissions − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 102f. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 135ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 123/79/97 − Bundesbank – Monatsbericht 09/2003 http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/mba/2003/200309mba_validierung.pdf
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9 Prüfungsfragen
− Internetseite des BdRA http://www.bdra-ev.de/index.php?id=3 − International Organization of Securities Commissions http://www.iosco.org/ (44) Wie kann die Glaubwürdigkeit eines Ratings dargestellt werden? Lösungshinweis: • Rating wird durch eine anerkannte, im Markt etablierte Ratingagentur erstellt • Track Record – Die Ratingagentur verfügt über Erfahrung und kann zahlreiche Ratings aufweisen • Eine umfangreiche Datenhistorie, regelmäßiges Backtesting und Systemvalidierung liegen vor • Verhaltenskodex der Ratingagentur wurde veröffentlicht und orientiert sich am IOSCO • Agentur und Analysten erkennen die Ethikgrundsätze des BdRA an • Die Ratinganalysten haben entsprechende Ausbildung und sind qualifiziert • Die herangezogene Software ist anerkannt und weist eine entsprechende Trennschärfe auf Quellen: − Glossar: Track Record / Validität − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 249ff. − Kley, C. (2003): Mittelstands-Rating Nutzen von externen Credit Ratings mittelgroßer Unternehmen bei der Finanzierung. Konstanz. Digitalprintshop. S. 271 − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 135ff. (45) Was ist unter einem Emissions-Rating und was unter einem Emittenten-Rating zu verstehen? Lösungshinweis: • Emissions-Rating = Bewertung einzelner Finanztitel • Bewertung der Kreditwürdigkeit eines Schuldners in Bezug auf einen bestimmten Finanztitel, eine Verbindlichkeit, oder ein Finanzierungsprogramm • Emittenten-Rating = Bewertung über die allgemeine Finanzkraft (Kreditwürdigkeit) eines Schuldners Quellen: − Glossar Emissions-Rating, Emittenten-Rating − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 152
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− Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 211ff. − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. S. 7 − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 52ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 34ff. − Wambach, M.; Rödl, B. (2001): Rating – Finanzierung für den Mittelstand. Frankfurt am Main. Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsbereich Buch. S. 51 (46) Was ist unter Debt- und Equity-Ratings zu verstehen? Lösungshinweis: • Debt-Rating = Rating entscheidungsrelevanter Informationen für den Fremdkapitalgeber. Fokus ist die Bonität des Unternehmens. Debt-Rating ist die neutrale Einschätzung der Bonität eines Emittenten. • Equity-Rating = Rating entscheidungsrelevanter Informationen für das Entwicklungspotential des Unternehmens, dessen Stabilität und Gewinnerwartung; die gesamten wirtschaftlichen Perspektiven des Unternehmens; Bewertung von Eigenkapitaltiteln. Quellen: − Glossar: Rating-Arten − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. S. 8 − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 53ff. − Wambach, M.; Rödl, B. (2001): Rating – Finanzierung für den Mittelstand. Frankfurt am Main. Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsbereich Buch. S. 52 (47) Lieferantenrating gewinnt zunehmend an Bedeutung. Stellen Sie dar, was unter Lieferantenrating zu verstehen ist Lösungshinweis: • Beurteilung der Bonität / Zahlungsfähigkeit eines Lieferanten • Aussage über künftige Lieferfähigkeit • VDA-Standard Quellen: − Glossar: / VDA Standard − Disselkamp, M.; Schüller, R. (2004): Lieferantenrating – Instrumente, Kriterien, Checklisten Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler/ GWV Fachverlage GmbH. S. 15ff. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 320ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 67ff.
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9.5
9 Prüfungsfragen
Quantitative Faktoren im Rating und in der Bilanzpolitik
(48) In welche drei Kategorien können die Bilanzkennziffern aus der Jahresabschlussanalyse eingeteilt werden? Lösungshinweis: • Kennzahlen der Vermögensanlage • Kennzahlen der Finanzanlage • Kennzahlen der Ertragslage Quellen: − Gleißner, W.; Füser K. (2003): Leitfaden Rating. München. Verlag Franz Vahlen GmbH. − Nagel, K.; Stalder, J. (2002): Rating – Bonität steigern, bessere Kreditkonditionen erreichen, Finanzierung sicherstellen. München. Verlag Moderne Industrie. S. 63 − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WILEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. S. 35ff. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 95ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 134ff. Anhang (49) Wie kommen die Gewichtungen der Kennziffern zustande? Lösungshinweis: • Die Gewichtung der Kennziffern wird durch eine ständige Validierung erreicht • Die Gewichtung von Kennziffern in Ratingsystemen hängt zunächst vom Typ des Ratingsystems ab − Bei einem Monte Carlo-System wird die Gewichtung durch Simulationen gewonnen, während bei typischen Mapping oder Scoringmodellen durch lineare Regression oder Diskriminanzanalyse die relevanten Gewichtungen durch ständige Validierung und Backtesting gewonnen werden − Basis sind relevante und aktuelle Insolvenzdaten von Unternehmen Quellen: − Glossar: Validierung – Validität − Gleißner, W.; Füser K. (2003): Leitfaden Rating. München. Verlag Franz Vahlen GmbH. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 5f.
9.5 Quantitative Faktoren im Rating und in der Bilanzpolitik
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(50) Nennen Sie drei Bilanzkennzahlen zur Vermögenslage Lösungshinweis: • • • • • • • • •
Anlagevermögen / Umlaufvermögen Sachanlagen / Umsatz Vorräte / Umsatz Kurzfristige Forderungen / Umsatz Kumulierte Abschreibungen / Sachanlagen zu Anschaffungs- und Herstellungskosten Jahres-Abschreibung / Netto-Investitionen Eigenkapitalquote (ohne Einbezug von Sonderposten mit Rücklagenanteil nach HGH) Rückstellungen / Gesamtkapital Gewinnrücklagen / Eigenkapital
Quellen: − Gleißner, W.; Füser K. (2003): Leitfaden Rating. München. Verlag Franz Vahlen GmbH. S. 156ff. − Ossola-Haring, C. (2006): Handbuch Kennzahlen zur Unternehmensführung. Landsberg. mi-Fachverlag, Redline GmbH − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 95 − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 134ff. Anhang − Vollmuth, H. (2006): Kennzahlen. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG (51) Nennen Sie drei Bilanzkennzahlen zur Finanzlage Lösungshinweis: • • • • • • • • • • •
Anlagedeckungsgrad A: = Eigenkapital / Anlagevermögen Anlagedeckungsgrad B: = (Eigenkapital + langfr. Fremdkapital) / Anlagevermögen Liquiditätsgrad 1: Kasse / kurzfr. Verbindlichkeiten Liquiditätsgrad 2: (Kasse + kurzfr. Forderungen + Wertpapiere) / kurzfr. Verbindlichkeiten Liquiditätsgrad 3: Umlaufvermögen / kurzfr. Verbindlichkeiten Forderungen / kurzfr. Verbindlichkeiten Dynamischer Verschuldungsgrad: Fremdkapital / Cashflow EBIT-Zinsdeckung: Gewinn vor Steuern / Zinsen Kurzfristiger Verschuldungsgrad: kurzfr. Verbindlichkeiten / Fremdkapital Tilgungsbereitschaft: Cashflow / langfr. Verbindlichkeiten Cashflow: Kasse neu – Kasse alt
Quellen: − Gleißner, W.; Füser K. (2003): Leitfaden Rating. München. Verlag Franz Vahlen GmbH. S. 156ff. − Ossola-Haring, C. (2006): Handbuch Kennzahlen zur Unternehmensführung. Landsberg. mi-Fachverlag, Redline GmbH
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9 Prüfungsfragen
− Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 134ff Anhang − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 96 − Vollmuth, H. (2006): Kennzahlen. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG (52) Nennen Sie drei Bilanzkennzahlen zur Ertragslage Lösungshinweis: • • • •
Außerbetriebliche Erträge / betriebliche Erträge Eigenkapitalrendite Gesamtkapitalrendite Umsatzrendite
Quellen: − Gleißner, W.; Füser K. (2003): Leitfaden Rating. München. Verlag Franz Vahlen GmbH. S. 157ff. − Ossola-Haring, C. (2006): Handbuch Kennzahlen zur Unternehmensführung. Landsberg. mi-Fachverlag, Redline GmbH − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 97 − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 135 Anhang − Vollmuth, H. (2006): Kennzahlen. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG (53) Welche Zielkonflikte sind zwischen dem Rating und der Bilanzpolitik eines Unternehmens erkennbar? Lösungshinweis: • Zielkonflikte entstehen zwischen einer „steueroptimierten“ Bilanzierung und einer auf ein positives Ratingergebnis fokussierten Bilanzierung. • Einige Beispiele hierfür sind: • Bewertung der Lagerbestände (zu hoch bzw. zu niedrig angesetzt) • Ergebnisorientierte Abschreibungsmodelle. • Dotierung der Rückstellungen (zu hoch bzw. zu niedrig angesetzt) • Gewinnausschüttungspolitik • usw. usw. Quellen: − Berger, A.; Ellrott, H.; Förschle, G.; Hoyos, M.; Sarx, M. (2005): Beck’scher BilanzKommentar. Der Jahresabschluss nach Handels- und Steuerrecht. München. C.H. Beck Verlag − Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. http://www.idw.de/idw/
9.5 Quantitative Faktoren im Rating und in der Bilanzpolitik
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− Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) http://www.standardsetter.de/drsc/news/news.php − SEC – U.S. Securities and Exchange Commission http://www.sec.gov/ − Financial Accounting Standards Board http://www.fasb.org/ − International Accounting Standards Board http://www.iasb.org/Home.htm (54) Wie verändert die Bilanzierung nach IFRS das Rating? Lösungshinweis: • Während die Bilanzierung unter HGB den Gläubigerschutz im Fokus hat, steht bei IFRS die Informationsfunktion insbesondere für Anteilseigner im Fordergrund • Große Unternehmen profitieren aus Ratingsicht von einer IFRS-Umstellung • Bei KMU werden die Vorteile einer IFRS-Umstellung aus Ratingsicht durch höheren Aufwand egalisiert. • Vorteile für Unternehmen: – Bessere Selbstinformation – Bessere Bilanzrelation / Ratingverbesserungen Nachteil für Unternehmen: – Höhere Aufstellungskosten – Grunds. höhere Steuerbelastung bei Beibeh. Maßgeblichkeit • Vorteile für Gläubiger: – Grunds. bessere Beurteilungsmöglichkeit von Kreditrisiken Nachteile für Gläubiger: – Höhere Informationsbeschaffungskosten – Ggf. Ausschüttung von Haftungskapital – Ggf. Gefährdung der Liquidität • Vorteile für Gesellschafter: – Bessere Beurteilung der Finanz-, Vermögens-, Ertragslage – Ggf. höhere/frühere Ausschüttung Nachteile für Gesellschafter: – Höhere Informationsbeschaffungskosten – Ggf. Ausschüttung von Haftungskapital – ggf. Gefährdung der Liquidität Quellen: − Berger, A.; Ellrott, H.; Förschle, G.; Hoyos, M.; Sarx, M. (2005): Beck’scher BilanzKommentar. Der Jahresabschluss nach Handels- und Steuerrecht. München. C.H. Beck Verlag − Schneck, O., Schwarz, D., Kredit & Rating Praxis 2/2007 S. 18ff. − Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. http://www.idw.de/idw/ − Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) http://www.standardsetter.de/drsc/news/news.php − SEC – U.S. Securities and Exchange Commission http://www.sec.gov/
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− Financial Accounting Standards Board http://www.fasb.org/ − International Accounting Standards Board http://www.iasb.org/Home.htm (55) Welche Probleme ergeben die Bilanzierung immaterieller Werte? Lösungshinweis: • Nach HGB-Bilanzierung können nur entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter bilanziert werden. • Für eigen geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter (z.B. Patente) besteht bei der HGBBilanzierung ein Aktivierungsverbot. • Bei der IFRS-Bilanzierung besteht, bei Vorliegen bestimmter Kriterien, eine Pflicht zur Aktivierung. Quellen: − Esser, Hackenberger Deutsches Steuerrecht, 16/2005, S. 708ff. „Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens und Goodwill in der IFRS-Rechnungslegung“ − Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee e. V http://www.standardsetter.de/drsc/news/news.php (56) Wie wirken sich Sonderposten mit Rücklagenanteil auf das Rating aus? Lösungshinweis: • • • •
Sonderposten mit Rücklagenanteil (§273 HGB) Handelsbilanziell erfolgt Passivierung und separater Ausweis vor den Rückstellungen Der in den Sonderposten enthaltene Rücklagenanteil erhöht das Eigenkapital Zurechnung für die Kennzahlenermittlung: 50 % zu Eigenkapital und 50 % zu Verbindlichkeiten. • Rating-Effekt ist mit Blick auf die Vermögens- und Cashflow-Kennzahlen weitgehend neutral, mit Blick auf die Ertragskennzahlen im Jahr der Bildung der Rückstellungen negativ. Quellen: − Berger, A.; Ellrott, H.; Förschle, G.; Hoyos, M.; Sarx, M. (2005): Beck’scher BilanzKommentar. Der Jahresabschluss nach Handels- und Steuerrecht. München. C.H. Beck Verlag (57) Wie werden Darlehensforderungen an Gesellschafter in der Ratinganalyse behandelt?
Lösungshinweis: • Darlehensforderungen an den Gesellschafter sind gegen das Eigenkapital aufzurechnen, insoweit diese eventuell bestehende Darlehensverbindlichkeiten gegenüber demselben Gesellschafter übersteigen.
9.5 Quantitative Faktoren im Rating und in der Bilanzpolitik
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• Kürzung Eigenkapital und Kürzung Bilanzsumme um Darlehensforderungen; reduzierte EK-Quote aber erhöhte EK-Rendite, tendenziell negativ für das Rating Quellen: − Berger, A.; Ellrott, H.; Förschle, G.; Hoyos, M.; Sarx, M. (2005): Beck’scher BilanzKommentar. Der Jahresabschluss nach Handels- und Steuerrecht. München. C.H. Beck Verlag (58) Eine Erhöhung der Eigenkapitalrendite ist bei Anwendung des Leverage-Effekts möglich, beschreiben Sie die Wirkungsweise Lösungshinweis: • Solange die Gesamtkapitalrendite höher ist als die Eigenkapitalrendite, kann durch Aufnahme von weiterem Fremdkapital die Eigenkapitalrendite gesteigert werden. Quellen: − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 232 − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 175 − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 660 − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 67 − Varnholt, N. (Hrsg.) (2007): Bilanzoptimierung für das Rating. Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft. S. 114 / 223 (59) Bei der Ermittlung von Kennzahlen ist zu beachten, nach welchem Verfahren die Gewinn- und Verlustrechnung erstellt worden ist. Worin unterscheiden sich das „Gesamtkostenverfahren“ vom „Umsatzkostenverfahren“? Lösungshinweis: • Beim Umsatzkostenverfahren werden die Kosten nach Funktionsbereichen (u. a. Herstellung, Verwaltung, Vertrieb) unterteilt. Um den Periodenerfolg zu ermitteln, werden den Umsatzerlösen nur die Herstellungskosten gegenübergestellt, die tatsächlich für den jeweiligen Umsatz anfielen,. • Bei Gesamtkostenverfahren werden die gesamten in einer Periode angefallenen Kosten (insbesondere für Material, Personal, Abschreibungen) den gesamten Umsätzen gegenüber gestellt Soweit Lagerbestände aufgebaut/abgebaut wurden oder aktivierte Eigenleistungen vorliegen, wird in Höhe der angefallenen Herstellungskosten eine Bestandserhöhung/-minderung bzw. eine Eigenleistung erfolgswirksam in der GuV erfasst, um die hierfür ausgewiesenen Periodenaufwendungen wieder zu stornieren. • Die GuV nach dem Gesamtkostenverfahren ist in Deutschland sowie nach International Financial Reporting Standards (IFRS) – nicht jedoch nach United States Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) – alternativ zum Umsatzkostenverfahren zulässig
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9 Prüfungsfragen
Quellen: − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. S 34 ff − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 411 und 1010
9.6
Qualitative Faktoren im Rating und Ratingadvisory
(60) Die Fragenkomplexe zu den qualitativen Kriterien im Rating werden üblicherweise in Kategorien zusammengefasst. Welche kennen Sie? Lösungshinweis: • Branchen- Produkt und Marktstellung Markt und Wettbewerbsdynamik, Marktrisiken Produktportfolio und Marktstellung • Management und Strategie Unternehmensführung Unternehmensstrategie Personalpolitik und Mitarbeiterqualität • Interne Wertschöpfung Organisationsstruktur und Prozessabläufe Forschung und Entwicklung Operative Abläufe: Einkauf, Lager, Produktion und Marktbearbeitung • Planung und Steuerung Unternehmensplanung und Informationspolitik Controlling und Risikosteuerung • Kontodaten / Finanzpolitik Liquidität Ausschüttungspolitik des Unternehmens Weitere Einflussfaktoren Analyse des bisherigen Zahlungsverhaltens des Unternehmens und dessen Geschäftspartner gegenüber Banken und Lieferanten, Kreditversicherern, etc. Analyse der Bonität der wichtigsten Debitoren und Kreditoren Quellen: − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 162ff. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 377ff.
9.6 Qualitative Faktoren im Rating und Ratingadvisory
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− Gleißner, W.; Füser K. (2003): Leitfaden Rating. München. Verlag Franz Vahlen GmbH. S. 92ff. − Nagel, K.; Stalder, J. (2002): Rating – Bonität steigern, bessere Kreditkonditionen erreichen, Finanzierung sicherstellen. München. Verlag Moderne Industrie. S. 12, S. 64 − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. S. 36ff. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 102 − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 92 − Wambach, M.; Rödl, B. (2001): Rating – Finanzierung für den Mittelstand. Frankfurt am Main. Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsbereich Buch. S. 171ff. (61) Nennen Sie drei exemplarische qualitative Fragestellungen im Rating Lösungshinweis: • Produkte und Branche Beispiel: Auf welchen Märkten bzw. Absatzgebieten sind Sie mit Ihren Produkten präsent? • Marktdynamik Beispiel: Wie hoch sind die Preisschwankungen in der Branche? • Strategie Beispiel: Hat das Unternehmen eine schriftlich fixierte Unternehmensstrategie? • Unternehmensführung Beispiel: Wie ist die rechtliche Struktur des Unternehmens? • Personalpolitik Beispiel: Wie hoch ist in Ihrem Leitungsorgan und der 2. Führungsebene das Verhältnis von Personen mit betriebswirtschaftlicher Qualifikation zum Bedarf? • Organisation und Prozesse Beispiel: Verfügt das Unternehmen über eine klar gegliederte Aufbauorganisation? • Forschung und Entwicklung Beispiel: Werden im Unternehmen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (F&E) regelmäßig und systematisch durchgeführt? • Einkauf, Lager, Produktion, Marktbearbeitung Beispiel: Optimiert das Unternehmen die Einkaufskonditionen kontinuierlich? • Informationspolitik und Unternehmensplanung Beispiel: Wann lag in der Vergangenheit regelmäßig der Jahresabschluss des Unternehmens bzw. der Unternehmensgruppe vor? • Controlling und Risikosteuerung Beispiel: Existiert in Ihrem Unternehmen eine Kostenrechnung und wie ist diese ausgeprägt? • Kontodaten / Finanzpolitik Beispiel: Existiert ein systematisches Debitorenmanagement inklusive Forderungsüberwachungs- und Mahnwesen?
510
9 Prüfungsfragen
Quellen: − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 376ff. − Gleißner, W.; Füser K. (2003): Leitfaden Rating. München. Verlag Franz Vahlen GmbH. S. 117ff. − Prof. Dr. Schneck Rating – Profi-Rating-Software R-Cockpit™ − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 102ff. − Wambach, M.; Rödl, B. (2001): Rating – Finanzierung für den Mittelstand. Frankfurt am Main. Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsbereich Buch. S. 172f. (62) Was ist unter der Trennschärfe eines Ratingkriteriums zu verstehen? Lösungshinweis: • Die Trennschärfe von Ratingsystemen beschreibt die Fähigkeit, im Voraus ausfallgefährdete Kreditnehmer zu erkennen. • Ein maximal trennscharfes Ratingsystem könnte demnach bereits im Vorfeld alle später ausfallenden Kreditnehmer exakt identifizieren. In der Praxis gibt es solche Ratingsysteme jedoch nicht. Eine hohe Trennschärfe wird attestiert, wenn die tendenziell guten Ratingklassen insgesamt einen geringen Anteil der später ausfallenden und einen hohen Anteil der später nicht ausfallenden Kreditnehmer aufnehmen, während es sich in den tendenziell schlechten Klassen genau umgekehrt verhält. (Bundesbank Monatsbericht Sept. 2003) Quellen: − Glossar: Trennschärfe − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 468 − Bundesbank Monatsbericht 09/2003 http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/mba/2003/200309mba_validierung.pdf (63) Wie kann die Trennschärfe eines Ratingkriteriums gemessen werden? Lösungshinweis: • Die Trennschärfe kann mit Hilfe des Gini-Koeffizienten gemessen werden. • Der Gini-Koeffizient ist die grafische Darstellung der Genauigkeit von Rating-Urteilen. Er setzt die Flächeninhalte der Power Curve A zur Summe der Flächeninhalte der Power Curve und des perfekten Modells B ins Verhältnis. • = a/(a + b) wobei a die Fläche der richtig erkannten Insolvenzen ist, b die Fläche der nicht erkannten Insolvenzen. • Je höher der Gini-Koeffizient ist, desto besser ist die Trennschärfe eines Ratingsystems.
9.6 Qualitative Faktoren im Rating und Ratingadvisory
511
Quellen: − Glossar: Power-Curve − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 360ff. (64) Warum ist die Frage nach der Unternehmensnachfolge im Rating wichtig? Lösungshinweis: • Eine ungelöste Nachfolge birgt erhebliche Risiken für die Existenz und damit die Solvenz bzw. Bonität eines Unternehmens • Besonders Familienunternehmen sind hier betroffen (fehlende Strategie, fehlendes Testament, fehlende Nachfolgeplanung) • Nachfolge- und Vertretungsregelungen geben Mitarbeitern und allen Stakeholdern Sicherheit in Sachen Kontinuität des Unternehmens • Ungelöste Nachfolgen werden von Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern als Risiko empfunden. Quellen: − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 109ff (65) Im Rahmen der Unternehmenspolitik spielt der Begriff „Corporate Governance“ eine zunehmende Rolle. Was ist darunter zu verstehen? Lösungshinweis: • Bezeichnung für die interne Organstruktur eines Unternehmens sowie all deren Regelungen, Sachverhalte und Verhaltensrichtlinien. • Corporate Governance Kodex von einer CG-Kommission im Auftrag der Deutschen Bundesregierung 2002 erarbeitet und erlassen. • Der Kodex (kein Gesetz) soll das Aktiengesetz ergänzen • Inhalt: Anstöße für eine effiziente und verantwortungsvolle Unternehmensführung Zusammenfassung wesentlicher ges. Vorschriften zur Unternehmensleitung und für börsennotierte Gesellschaften Empfehlungen für international und national anerkannte Verhaltensstandards Quellen: − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 348 − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 219f.
512
9 Prüfungsfragen
− Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 171ff. − Gleißner, W.; Füser K. (2003): Leitfaden Rating. München. Verlag Franz Vahlen GmbH. S. 184ff. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 109ff. − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 222 (66) An welchen Kriterien lässt sich die interne Wertschöpfung einer Unternehmung messen? Lösungshinweis: • Gesamtheit aller betrieblichen Prozesse die einen Mehrwert schaffen. • Optimierte und schriftlich dokumentierte Unternehmensorganisation und der Prozessabläufe • Vorhandensein einer angemessenen schriftlich fixierten Aufbau- und Ablauforganisation • Aktives, internes Kommunikationssystem • DV-Unterstützung, Datenschutz und Datensicherheit • Qualitätsmanagement, TQM - DIN/ISO – Risikomanagementsystem usw. • Höhe der Ausgaben und Art von Forschung und Entwicklung • Wissensmanagement • Qualität der Produktionsanlagen Quellen: − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 509 − Gleißner, W.; Füser K. (2003): Leitfaden Rating. München. Verlag Franz Vahlen GmbH. S. 184ff. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 110ff. − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 1097 (67) Bei den qualitativen Kriterien spielt der Bereich „Planung und Steuerung“ eine große, zukunftsbezogene Rolle. Welche Planungs- und Steuerungsinstrumente können herangezogen werden? – Nennen Sie die Instrumente. Lösungshinweis: • • • • •
Unternehmensplanung Informationspolitik Controlling Rechnungswesen Risikosteuerung
9.6 Qualitative Faktoren im Rating und Ratingadvisory • • • • • • • • • • • • •
513
Plan-Ist-Vergleiche Plan-Bilanzen Plan-Gewinn- und Verlustrechnung Liquiditätspläne Investitionspläne Kostenstellenrechnung Kostenträgerrechnung Profit-Center-Rechnung Vorkalkulation Nachkalkulation Teilkostenrechnung Prozesskostenrechnung Zinskostenrechnung
Quellen: − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 113ff. (68) Bilanzverkürzende Maßnahmen wirken sich in aller Regel positiv auf das Rating aus. Welche zwei bilanzverkürzenden Finanzierungsinstrumente sind hier u. a. zu nennen? Lösungshinweis: • Leasing • Factoring Quellen: − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 298ff. − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 246ff. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 229ff. und 318ff. − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. S. 173ff./193ff. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 115 − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 342ff. und 651ff.
514
9 Prüfungsfragen
(69) Wie werden Rückstellungen in einem Rating gewertet? Lösungshinweis: • Zu unterscheiden sind Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen Steuerrückstellungen Sonstige Rückstellungen • Rückstellungen – handelsrechtlich Fremdkapital • Rückstellungen können in der Bewertung und im Rating von Unternehmen teilweise auch als EK gewertet werden, wenn diese langfristig sind. • Jede Ratingagentur hat hier ihre eigenen Kriterien (Fristigkeiten, Zweck, Bilanzierung) Quellen: − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 432ff. − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 889ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 106ff.
9.7
Ratingprozess und rechtliche Aspekte im Rating
(70) Welche vier Phasen durchläuft typischerweise ein Ratingprozess? Lösungshinweis: • • • •
Vorbereitungsphase (Vorbereitung auf das zu erreichende Ratingergebnis) Analyse- und Bewertungsphase(Erreichen des geplanten Ratingergebnisses) Kommunikationsphase (Zielorientierte Kommunikation des Ratingergebnisses) Wiederholungsphase (Bestätigung bzw. Verbesserung des erzielten Ratings)
Quellen: − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 80f., S. 189ff. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 381 − Gleißner, W.; Füser K. (2003): Leitfaden Rating. München. Verlag Franz Vahlen GmbH. S. 46ff./55ff. − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. S. 22ff. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 84ff. − Wambach, M.; Rödl, B. (2001): Rating – Finanzierung für den Mittelstand. Frankfurt am Main. Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsbereich Buch. S. 143ff.
9.7 Ratingprozess und rechtliche Aspekte im Rating
515
(71) Wer kann als Zielgruppe, bzw. Empfänger eines Ratings im Umfeld eines Unternehmens genannt werden? Lösungshinweis: • • • • • • • • • •
Kunden Lieferanten Mitarbeiter Öffentlichkeit/NGO’s Börse Staat, Finanzbehörden, Sozialversicherungsträger Management Konkurrenten Medien/Presse/Analysten Kreditinstitute, Fremdkapitalgeber, Investoren, Beteiligungsgesellschaften, Fonds, usw.
Quellen: − Everling, Dr. O.; Sarcher, Dr. W. (2003): Rating-Lexikon. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 71f. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 68ff. (72) Welche Aufgaben hat ein Rating-Advisor im Ratingprozess? Lösungshinweis: • • • • •
Berater und Begleiter im gesamten Ratingprozess Koordinator der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Ratingagentur / Bank Hilfestellung zur Erzielung eines positiven Ratingergebnisses Beratung bei der Erstellung der Ratingdokumentation und Ratingpräsentation Nachbereitung des Ratingprozesses
Quellen: − Glossar: Rating Advisory − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 102f. − Everling, Dr. O.; Sarcher, Dr. W. (2003): Rating-Lexikon. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 160ff. − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 140f. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 373
516
9 Prüfungsfragen
(73) Was ist unter Monitoring im Ratingprozess zu verstehen? Lösungshinweis: • Permanente Beobachtung und Kontrolle eines Unternehmens, ob und wie sich dessen Zahlungsfähigkeit nach dem durchgeführten Rating verändert. • Monitoring bietet eine laufende Überwachung, die über Beständigkeit oder mögliche Veränderungen der Zahlungsfähigkeit des gerateten Unternehmens informiert. Quellen: − Euler Hermes Ratingverfahren – Monitoring http://www.ehrg.de/de/produkte/kapitalmarkt-rating.html (74) Nennen Sie drei typische Kriterien mittelständischer Unternehmen mit negativer Auswirkung auf das Rating Lösungshinweis: • niedrige Eigenkapitalquote, • Abhängigkeit von Schlüsselpersonen, insbesondere dem Unternehmer, • Geringe Transparenz (geringe Leistungsfähigkeit von Controlling, Risikomanagement, strategischem Management etc.), • Hohe Abhängigkeit von wenigen Kunden. • Eine fehlende regionale Diversifikation des Absatzes • Hohe Fixkosten, wenig Outsourcing • Fehlende Unternehmensplanung • Fehlende Nachfolgeregelung • Fehlende Finanzierungsalternativen zum Bankkredit für Expansion bzw. Innovation Quellen: − Gleißner, W.; Füser K. (2003): Leitfaden Rating. München. Verlag Franz Vahlen GmbH. S. 42ff. (75) Welche internen und externen Nutzungspotentiale bestehen für ein mittelständisches Unternehmen bei der Durchführung eines externen Ratings? Lösungshinweis: • • • • • •
Managementinformation Stärken-Schwäche-Analyse Risikoidentifikation Erhöhung der Kreditwürdigkeit Verbesserung der Finanzierungskonditionen Steigerung der Unternehmensattraktivität
9.7 Ratingprozess und rechtliche Aspekte im Rating
517
Quellen: − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. S. 57ff. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 145ff. − Wambach, M.; Rödl, B. (2001): Rating – Finanzierung für den Mittelstand. Frankfurt am Main. Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsbereich Buch. S. 69ff. (76) Zeigen Sie einige Beispiele für immaterielle Vermögensgegenstände auf Lösungshinweis: • Patente • Schutzrechte • Lizenzen • Rezepturen • Eigen entwickelte Software Quellen: − Schneck, Ottmar: Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage, München, S.489ff. (77) Wie können in einem Rating Patente oder andere immaterielle Wirtschaftsgüter behandelt werden? Lösungshinweis: • Da in den quantitativen Kriterien bei nicht käuflich erworbenen immateriellen Wirtschaftsgütern keine Berücksichtigung erfolgt, sind diese bei den qualitativen Kriterien entsprechend positiv zu berücksichtigen. • Immaterielle Werte sollen vor allem in einem neuen Entwurf (Basel III) berücksichtigt werden. • Die Bewertung immaterieller Werte ist problematisch • Von der Fraunhofer Gesellschaft wurde ein „Innovationsrating“ entwickelt, das allerdings nicht die Zahlungsfähigkeit, sondern die Innovationskraft misst. Quellen: − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 489ff. (78) Nennen Sie fünf allgemeine Maßnahmen zur Optimierung des Ratings eines mittelständischen Unternehmens. Lösungshinweis: • Optimierungsmöglichkeiten bestehen bei den quantitative und qualitativen Faktoren Beispielhaft:
518 • • • • • •
• • •
• • •
9 Prüfungsfragen Sale-and-Lease-Back Abbau von Vorräten Einsatz von Warenwirtschafts- und Lagerhaltungssystemen Zeitnahe und Vollständige Rechnungslegung Einsatz von Leasing und Factoring Abschluss von Versicherungen (Elementar- und Sachschäden, Betriebsunterbrechung usw.) Einsatz von Risiko- und Frühwarnsystemen – Aktives Risikomanagement Optimierung des Forderungs- und Mahnmanagements Umschuldung und alternative Finanzierungen (z.B. Genusscheine, Mitarbeiterbeteilig. usw.) Investor Relation gegenüber Banken und Finanzieren Strategische Planung usw.
Quellen: − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 194ff. − Gleißner, W.; Füser K. (2003): Leitfaden Rating. München. Verlag Franz Vahlen GmbH. S. 233ff. − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 81ff. − Varnholt, N. (Hrsg.) (2007): Bilanzoptimierung für das Rating. Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft. (79) Wem stehen die Ergebnisse eines Ratings zu? Lösungshinweis: • Das Ratinggutachten steht dem Auftraggeber zu • Über die Verwendung des Gutachtens, seinen Gebrauch bei Dritten und die gesamte Handhabung des Umgangs mit dem unveränderten Gutachten entscheidet der Auftraggeber. • Jede Veränderung durch den Besteller wäre im Rechtssinne eine Urkundenfälschung. Quelle: − Achleitner, A.-K.; Everling, O. (2005): Rechtsfragen im Rating. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH − Oellinger, G. (2005): Die Haftung für Ratings. Wien. Linde Verlag − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 88ff.
9.7 Ratingprozess und rechtliche Aspekte im Rating
519
(80) Kann eine Ratingnote (Ratingergebnis) gerichtlich erzwungen werden? Lösungshinweis: • Das Ratinggutachten unterliegt als eigene geistige Schöpfung dem Urheberrecht. • Eine Ratingnote ist eine Meinungsäußerung. • Ein Ratinganalyst ist dann keiner Haftung ausgesetzt ist, wenn Objektivität, Neutralität, Sachkunde und anerkannte Methodik gewahrt sind. Quellen: − Achleitner, A.-K.; Everling, O. (2005): Rechtsfragen im Rating. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH − Oellinger, G. (2005): Die Haftung für Ratings. Wien. Linde Verlag − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 88ff. (81) Welche Haftungsfragen sind bei einem Rating zu beachten? Lösungshinweis: • Für die Dienstleistung „Unternehmensrating“ existiert bislang in Deutschland weder ein gesetzlicher noch ein spezieller richterrechtlicher Rahmen • Haftungsgrundlagen können sein: • Schuldhafte Nichtwahrung des Neutralitätsprinzips gemäß § 1 UWG • Schuldhafte Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb gemäß § 823 BGB • Ratings, die neutral, sachkundig und im Bemühen um ihre Richtigkeit durchgeführt werden, begründen keinen Anspruch aus § 823 BGB • Negative Tatsachenbehauptungen mit der Haftungsfolge gemäß § 824 BGB • Ratings enthalten in hohem Maße wertende Momente • Schuldhafte sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB • Schadensersatz aus Vertragsrecht § 280 Abs. 1 in Verb. m. § 278 BGB • Das Haftungsrisiko eines Rating-Analysten für sein Gutachten ist im Ergebnis dann nicht hoch, wenn er die Grundsätze der Objektivität, Neutralität und die Verwendung anerkannter Methoden beachtet. Dies liegt daran, dass ein wesentlicher Teil der gutachterlichen Tätigkeit Bewertung ist. • Ein genereller Haftungsausschluss kann nicht vereinbart werden. Die Begrenzung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ist möglich Quellen: − Achleitner, A.-K.; Everling, O. (2005): Rechtsfragen im Rating. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH − Meyer, M. (2006): Rechtsfragen des externen Rating. Marburg. Tectum Verlag. Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag. Reihe Rechtswissenschaften. Band 14. 2. Kapitel – Haftungsfragen − Oellinger, G. (2005): Die Haftung für Ratings. Wien. Linde Verlag − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 88ff.
520
9 Prüfungsfragen
(82) Welche Ziele hat der BdRA, Bundesverband der Ratinganalysten und Ratingadvisor e.V., die Standesvertretung der Ratingadvisor und Ratinganalysten? Lösungshinweis: • Förderung des Berufsstandes der Ratinganalysten und die Verbreitung von Rating an den Finanzmärkten. • die Entwicklung eines Berufsbildes von Ratinganalysten und der hierzu erforderlichen Ausbildung; • die Interessen der Ratinganalysten durch Mitarbeit in anderen nationalen und internationalen Berufsverbänden und Einrichtungen zu fördern; • einen qualitativ hohen, international anerkannten Qualitätsstandard für die Durchführung von Ratings zu schaffen; • das Rating als Instrument zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung bekannt zu machen; • das Verständnis der Öffentlichkeit für die Bedeutung und Funktion des Ratings zu entwickeln; • Zertifizierungen im Ratingwesen, insbesondere Zertifizierungen von Ratinganalysten und Advisor. Quellen: − Internetseite des BdRA http://www.bdra-ev.de/index.php?id=3
9.8
Spezialthemen des Ratings
(83) Was ist unter Sovereign Ceiling zu verstehen? Lösungshinweis: • Konzept bei der Beurteilung des Länder-Risikos bzw. des Länderratings, nach dem ein Rating eines Unternehmens nicht besser sein kann als das Rating des Staates, in dem dieses seinen Sitz hat. Quelle: − Everling, Dr. O.; Sarcher, Dr. W. (2003): Rating-Lexikon. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 162f. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 449 (84) Warum gewinnt das Lieferantenrating zunehmend an Bedeutung? • Lösungshinweis: • Globalisierung des Zulieferermarktes • Vermehrte Just-in-time-Produktion
9.8 Spezialthemen des Ratings
521
• In der Automobilwirtschaft hat sich der VDA-Ratingstandard etabliert • Schutz vor dem Ausfall von Zulieferern Quelle: − Glossar: VDA-Ratingstandard − Glossar: Lieferanten-Rating − Disselkamp, M.; Schüller, R. (2004): Lieferantenrating – Instrumente, Kriterien, Checklisten Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH. S. 15ff., S. 18ff. − Everling, Dr. O.; Sarcher, Dr. W. (2003): Rating-Lexikon. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 94 − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.KG. S. 320 (85) Auf das Thema „Mittelstandsrating“ haben sich einige Ratingagenturen in Deutschland spezialisiert. Nennen Sie mindestens drei. Lösungshinweis: • • • • • •
Coface Rating GmbH Creditreform Rating AG Euler Hermes Rating GmbH Prof. Dr. Schneck Rating GmbH RS Rating Services URA Unternehmens Ratingagentur AG
Quellen: − Keiner, T. (2001): Rating für den Mittelstand – Wie Unternehmen ihre Bonität unter Beweis stellen und sich günstige Kredite sichern. Frankfurt am Main. Campus Verlag GmbH. S. 15ff., S. 98ff. − Coface Rating GmbH http://www.coface.de − Creditreform Rating AG http://www.creditreform-rating.de − Euler Hermes Rating GmbH http://www.ehrg.de − Prof. Dr. Schneck Rating GmbH http://www.schneck-rating.de − RS Rating Services AG http://www.rating-services.de − URA Unternehmens Ratingagentur AG http://www.ura.de (86) Was ist unter „Branchenrating“ zu verstehen? Lösungshinweis: • Prognose der künftigen Entwicklung eines Wirtschaftszweiges • Das Branchenrating bewertet die Branchen eines Landes nach ihrer künftigen Bonität. Es basiert auf einer detaillierten Analyse und konsistenten Prognose der einzelnen Branchen und kalkuliert das Rating durch einen Vergleich branchenspezifischer Ergebnisse mit einer absoluten Benchmark
522
9 Prüfungsfragen
• Feri Rating & Research GmbH unterscheidet 800 Branchen, die Bundesbank 25 Branchen. Quellen: − Glossar: Branchen-Rating − Coface (2007): Handbuch Länderrisiken 2007. Frankfurt. F.A.Z. Institut. S. 11 − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.KG. S. 147 − Gleißner, W.; Füser K. (2003): Leitfaden Rating. München. Verlag Franz Vahlen GmbH. S. 137/197ff. − Keiner, T. (2001): Rating für den Mittelstand – Wie Unternehmen ihre Bonität unter Beweis stellen und sich günstige Kredite sichern. Frankfurt am Main. Campus Verlag GmbH. S. 15ff., S. 316ff. − Koch, W.; Wegmann, J. (2003): Praktiker-Handbuch Rating – Anforderungen an den Mittelstand und Banken. Stuttgart. Schäffer-Poeschel Verlag. S. 80 − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 56ff. − Feri Rating & Research GmbH http://frr.feri.de (87) Was kennzeichnet das „Immobilienrating“? Lösungshinweis: • Bewertung und Analyse von Einzelobjekten sowie Immobilienportfolios im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Investition • Immobilienrating behandelt folgende Einsatzbereiche • Kreditanalyse bei der Gewährung von Immobiliendarlehen • Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen • Risikoanalyse von Portfolien im Rahmen von Verbriefung von Forderungen • Portfolioanalyse und -steuerung • Fortgeschrittener IRB-Ansatz • Marktwertermittlung nach IFRS (IAS) • Bewertungskriterien • Objekt • Standort • Markt • Qualität des Objekts-Cashflow Quellen: − Glossar: Immobilien-Rating − Everling, Dr. O.; Sarcher, Dr. W. (2003): Rating-Lexikon. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 67ff. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.KG. S. 264ff.
9.9 Finanzierung und Rating
523
(88) Was ist unter „indikatives-Rating“ bzw. Pre-Rating zu verstehen? Lösungshinweis: • Test-Rating zur Vorbereitung auf ein Bankenrating oder dem Rating einer Ratingagentur • Zur Vorbereitung auf ein Bankenrating empfiehlt sind die Durchführung des so genannten Pre-Ratings. (Indikativen Ratings) • Durch ein indikatives Rating lassen sich vorhandene Schwächen und Risiken des Unternehmens aber auch latente Stärken und Chancen erkennen. • Handlungsempfehlungen helfen, sich auf dieser Grundlage für ein Bankenrating besser zu positionieren. • Unterstützung durch Ratingadvisor Quellen: − Glossar: Pre-Rating − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 10f. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.KG. S. 368 (89) Was beinhaltet ein „Fondsrating“? Lösungshinweis: • Fondsratings ermöglichen die Beurteilung des Gesamtrisikos einer Fondsanlage • Zur Erstellung eines Fondsratings wird das Fondsmanagement nach Erfahrung, Fähigkeiten, Anlagestil und Persönlichkeit bewertet. Die Anlagegrundsätze sind ebenso Teil des Fondsratings wie Managementstil, Fonds Liquidität und Zielerreichung • Feri Trust GmbH, Moody`s Investors Service Inc, Morning Star und Standard & Poors Inc. Fondsratings zählen zu den großen Agenturen. • Zu unterscheiden sind Fondsratings von Performancerankings, die Aussagen über Fondsrenditen, losgelöst von ihrem Risiko treffen. Quellen: − Feri Fonds Rating http://frr.feri.de/UserFiles/File/frr/FlyerFondsRating.pdf
9.9
Finanzierung und Rating
(90) Welche Finanzierungsformen können Unternehmen als Alternative zu Krediten wählen? Lösungshinweis: • Thesaurierung von Gewinnen • Genussscheine
524 • • • • •
9 Prüfungsfragen
Asset Backes Securities Factoring Leasing statt Kauf Franchising Neugründung oder Umwandlung
Quellen: − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 22ff. − Everling, Dr. O.; Sarcher, Dr. W. (2003): Rating-Lexikon. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 23ff. − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 245ff. − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. (91) Welche Finanzierungsinstrumente fallen unter den Begriff Mezzanine Kapital? Lösungshinweis: • • • • •
Stille und atypisch stille Beteiligung Nachrangige bzw. partiarchische Darlehen Genussrechtskapital Wandelanleihe Mitarbeiterbeteiligung
Quellen: − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 262ff. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 335ff. − Keiner, T. (2001): Rating für den Mittelstand – Wie Unternehmen ihre Bonität unter Beweis stellen und sich günstige Kredite sichern. Frankfurt am Main. Campus Verlag GmbH. S. 65f. − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 71ff. (92) Wie verändert Mezzanies Kapitel das Rating? Lösungshinweis: • Mezzanienes Kapital, das zwischen Eigen- und Fremdkapital steht, wird bei der Ratingbetrachtung im Allgemeinen dem Eigenkapital zugerechnet.
9.9 Finanzierung und Rating
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• Es erhöht das EK und beeinflusst die EK-relevanten Kennzahlen zur Vermögenslage damit positiv. Quellen: − Keiner, T. (2001): Rating für den Mittelstand – Wie Unternehmen ihre Bonität unter Beweis stellen und sich günstige Kredite sichern. Frankfurt am Main. Campus Verlag GmbH. S. 65f. − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. (93) Wie kann Leasing die Ratingnote verändern? Lösungshinweis: • Leasing schont die Liquidität des Unternehmens • Leasing vermindert das Anlagevermögen und beeinflusst damit die relevanten Kennzahlen zur Finanzlage positiv Quelle: − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 298f. − Füser, K.; Heidusch, M. (Ernst & Young AG) (2002): Rating – Einfach und schnell zur erstklassigen Positionierung Ihres Unternehmens. Planegg. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG. S. 246ff. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 318ff. − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 71ff. − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 651ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 66ff. − Varnholt, N. (Hrsg.) (2007): Bilanzoptimierung für das Rating. Stuttgart. SchäfferPoeschel Verlag für Wirtschaft. S. 45ff. (94) Wie kann Factoring die Ratingnote verändern? Lösungshinweis: • Ankauf von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen bei oder vor Fälligkeit durch eine Factoring-Gesellschaft • Bilanzverkürzende Maßnahme, wenn zufließende Liquidität zur Schuldentilgung herangezogen wird • Erhöhung der Eigenkapitalquote
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9 Prüfungsfragen
• Ohne Schuldentilgung reiner Aktivtausch • Verbesserung der Liquidität • Verbesserung der Liquiditäts- und ggf. der Eigenkapitalkennzahlen Quelle: − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 30ff., 301f. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 229 − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. 173ff. − Schneck, O.; Morgenthaler, P.; Yesilhark, M.(2003): Rating. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 115ff. − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 342ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 38 − Varnholt, N. (Hrsg.) (2007): Bilanzoptimierung für das Rating. Stuttgart. SchäfferPoeschel Verlag für Wirtschaft. S. 57ff. (95) Wie kann eine stille Einlage das Rating verändern? Lösungshinweis: • Erhöhung des Eigenkapitals • Verbesserung der Eigenkapitalquote Quelle: − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. S. 263ff. − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 966 (96) Was ist bei einer Finanzierung mit Genussscheinen im Rating zu beachten? Lösungshinweis: • Genusscheine eignen sich für eine formlose frei gestaltbare und flexible Finanzierung. • Gesonderter Ausweis des Genussscheinkapitals, innerhalb des Eigenkapitals (HGBBilanzierung) • Anrechnung als Eigenkapital (meist) nur bei Vorliegen der folgenden Bedingungen: • Gewinnabhängige Vergütung • Volle Verlustteilnahme • Nachrangigkeit • Langfristigkeit / Mindestlaufzeit (z.B. nach KWG 5 Jahre)
9.9 Finanzierung und Rating
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Quelle: − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. S. 305ff./315ff. − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 410ff. (97) Was ist unter dem Finanzierungsinstrument „Asset-Backet-Securities“ (ABS) zu verstehen? Lösungshinweis: • Verbriefte Anteile an einem Forderungspool, die durch die wertpapiermäßige Verbriefung handelbar werden und somit zum Teil das Factoring oder andere Zwischenfinanzierungsformen ersetzen können. Quellen: − Achleitner, A.-K.; Everling. O. (Hrsg.) (2003): Rating Advisory Mit professioneller Beratung zum optimalen Bonitätsurteil. Wiesbaden. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. S. 26ff. − Everling, Dr. O.; Sarcher, Dr. W. (2003): Rating-Lexikon. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 24f. − Füser, K.; Gleißner, W. (2005): Rating-Lexikon. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / Verlag C.H. Beck oHG. S. 109ff. − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. 319ff. − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 75 − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 9 (98) Wandelschuldverschreibungen stellen eine mögliche Finanzierungsalternative dar. Was charakterisiert sie? Lösungshinweis: • Eine Anleihe der Aktiengesellschaft, die dem Inhaber das Recht, nicht aber die Pflicht, einräumt, das festverzinsliche Wertpapier (Obligation, Schuldverschreibung) in eine oder mehrere Aktien des Unternehmens umzutauschen. (Convertible Bond) Quellen: − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. S. 158ff. − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 1072ff. − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 128
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(99) Wie können sich Mitarbeiterbeteiligungsmodelle vorteilhaft für das Rating auswirken? Lösungshinweis: • Charakter: • Freiwillige vertragliche, dauerhafte Beteiligung der Mitarbeiter am Kapital des Arbeitgebers • Grundsätzliche Zustimmungspflicht durch Betriebsrat gem. § 88 Abs. 3 BetrVG (Definition des Begünstigten Mitarbeiterkreises und der ggf. Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer) • Fremdkapital (Mitarbeiterdarlehen, Partiarisches Darlehen, Mitarbeiterschuldverschreibung) • Eigenkapital (Beteiligung an der jeweiligen Rechtsform z.B. Belegschaftsaktien, Kommanditist..) • Mischform (Genusschein, Stille Beteiligung, indirekte Beteiligung über Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft) • Auswirkungen auf das Rating • Je nach Ausgestaltung Eigenkapitalerhöhung und damit Verbesserung der Eigenkapitalquote • Verbesserung der Liquiditäts- und der Eigenkapitalkennzahlen • Soweit Fremdkapital, Verbesserung der Liquidität Quellen: − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. S. 158ff. − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 128 − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 17 (100) Welche Vor- und Nachteile haben Mitarbeiterbeteiligungsmodelle? Lösungshinweis: • Vorteile: • Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen (Geringere Fluktuation) • Mitunternehmerschaft motiviert evtl. zu höherer Leistung und Mitverantwortung • Meist langfristige Zurverfügungstellung des Kapitals (z.T. als Altersvorsorge für Mitarbeiter) • Evtl. Vorbereitung einer Nachfolgeregelung • Nutzung von Steuervorteilen und Fördermöglichkeiten • Nachteile: • Ggf. Mitspracherechte und Einfluss der Mitarbeiter und Gewerkschaften / Betriebsrat in unternehmerische Entscheidungen • Meist geringe Fungibilität der Anteile • Zusätzliche Kosten durch zwischengeschaltete Gesellschaften
9.9 Finanzierung und Rating •
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Verlustrisiko führt ggf. zu Multiplikatoreffekten (Kein langer Atem eines institutionellen Investors)
Quellen: − Schneck, O. (2006): Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Weinheim. WELEYVCH Verlag GmbH & Co. KGaA. S. 158ff. − Schneck, O. (2005): Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage. München. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG /C.H. Beck oHG. S. 128 − Schneck, O.; Everling, O. (2004): Das Rating-ABC. Köln. Bank-Verlag GmbH. S. 17
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Prof. Dr. Uwe Jäger ist seit 1997 Professor für Marketing, Vertrieb und Management an der Hochschule der Medien Stuttgart.