Causa Simulata – Gesetzesumgehungen als Scheingeschäft [1 ed.] 9783428584062, 9783428184064

Gesetzesumgehungen werden von der herrschenden Ansicht unter dem deutschen Recht regelmäßig nicht als Scheingeschäft ein

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German Pages 168 [169] Year 2021

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Causa Simulata – Gesetzesumgehungen als Scheingeschäft [1 ed.]
 9783428584062, 9783428184064

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 537

Causa Simulata – Gesetzesumgehungen als Scheingeschäft Von

Philipp Lerch

Duncker & Humblot · Berlin

PHILIPP LERCH

Causa Simulata – Gesetzesumgehungen als Scheingeschäft

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 537

Causa Simulata – Gesetzesumgehungen als Scheingeschäft

Von

Philipp Lerch

Duncker & Humblot · Berlin

Die Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-18406-4 (Print) ISBN 978-3-428-58406-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Arbeit wurde im Sommersemester 2021 als Dissertation an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld angenommen. Die Fragestellung hat sich sehr spontan ergeben, als ich mich an eine Seminarsitzung an der Universität Sheffield erinnerte, in welcher es um die Rechtsprechung der „Recharacterisation“ von Finanzierungsverträgen ging. Während die Frage dort – typisch für das Common Law – sehr pragmatisch beantwortet werden konnte, musste ich mich bei der Ergründung anliegender Fragestellungen für das deutsche Recht durch ein faszinierendes Meer von begrifflichen und dogmatischen Abstraktionen begeben. An dieser Stelle möchte ich einen besonderen Dank an meinen Doktorvater Prof. Dr. Paul T. Schrader richten, der mich mit viel Einsatz während der Zeit an seinem Lehrstuhl unterstützt hat. Ich verknüpfe diese Zeit mit vielen schönen und lehrreichen Erinnerungen. Ebenso gebührt mein Dank Frau Prof. Dr. Susanne Hähnchen für das Zweitgutachten mit ihren hilfreichen Hinweisen, die ich in die Druckfassung der Dissertation habe einfließen lassen können. Auch sollen Danksagungen an meinen ehemaligen Bürokollegen Lennart Giesen gehen, mit dem ich viel über mein Thema diskutieren konnte. Zu der exzellenten akademischen Stimmung am Lehrstuhl haben vor allem auch meine ehemaligen Kollegen Jean-Marcel Krausen und Jonathan Engstler beigetragen – auch ihnen gebührt mein Dank. Meinem gutem Freund Philip Schütze möchte ich einen besonderen Dank aussprechen, der mir während meiner Promotionszeit mit viel akademischem wie persönlichem Rat zur Seite stand. Und auch Johannes Hartmann sei gedankt, der die Mühen des Korrekturlesens aufgenommen hat und mit hilfreichen Rückmeldungen aufwarten konnte. Bielefeld, im Mai 2021

Philipp Lerch

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung

13

A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 B. Desiderat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 C. Arbeitshypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Kapitel 2 Historische Betrachtung

21

A. Das Scheingeschäft im klassischen römischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Strenger Formalismus oder Nichtigkeit von simulierten Rechtsgeschäften? . . . . . 21 II. Jherings Unterscheidung zwischen Scheingeschäften und simulierten Geschäften

23

III. Bettis Exegese: Verhältnis von dissimuliertem und simulierten Geschäftszweck als maßgebliches Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 IV. Die nachklassische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Das Scheingeschäft bei den Glossatoren und Kommentatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Der historische Begriff der Causa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. Die simulatio de causa in causam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 C. Abgrenzung zwischen fraus legis und simulatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Kapitel 3 Artifizielle Vertragsgestaltungen in fremden Rechtsordnungen

38

A. Die Cause simulée in der französischen Jurisprudenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 B. Die Rechtsprechung zur recharacterization im englischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

8

Inhaltsverzeichnis II. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Kapitel 4 Artifizielle Vertragsgestaltungen als Gesetzesumgehung

47

A. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Die Doktrin der Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Die Analogie als methodischer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 B. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

Kapitel 5 Der Wiederkauf zu Sicherungszwecken als paradigmatischer Fall artifizieller Vertragsgestaltungen

52

A. Der Wiederkauf zu Sicherungszwecken in den Motiven zum ersten Entwurf . . . . . . . 53 B. Die Urteile des Württembergischen Obertribunals zum „Scheinvertrag zur Sicherung einer Forderung unter dem Titel der Veräußerung von Fahrniß“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Die Entscheidung des Obertribunals vom 05. Februar 1861 in der Appellationssache Schmittele c. Reuttner’sche Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 II. Die Entscheidung des Obertribunals vom 18. Oktober 1859 in der Appellationssache R. Hofbank c. Gebr. Eisenrohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 III. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 IV. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

Kapitel 6 Artifizielle Vertragsgestaltungen unter dem aktuellen Verständnis vom Scheingeschäft

58

A. Der Rechtsfolgewille als Gegenstand der Simulation beim § 117 Abs. 1 BGB . . . . . . 58 I. Die Dichotomie von „wirklichem“ und „erklärtem“ Willen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Gegenstand der Simulation beim § 117 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 III. Nicht ausreichend: Ernstlicher Wille bzgl. mittelbarer Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . 61 B. Irrelevanz der eigenen Qualifikation durch die Parteien als solche . . . . . . . . . . . . . . . 62

Inhaltsverzeichnis

9

Kapitel 7 Die Qualifikation als methodischer Ausgangspunkt

64

A. Die Hauptleistungspflichten als Determinante der Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 B. Die Abwesenheit von notwendigen Bedingungen der Qualifikation („typologische Sicht“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I. Das typologische Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 II. Kriterien der Qualifikation bei ganzheitlich-typologischer Betrachtung . . . . . . . . 66 C. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 D. Die Causa als Determinante der Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 I. Die Lehre von der Causa unter dem BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Der rechtliche Grund und der Zweck als Rechtsbegriffe im BGB . . . . . . . . . . . 70 2. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Materialien zum BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Einfluss der Lehre von der Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Heutige Lehren der Causa der Zuwendungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Causa als rechtlich relevanter Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Causa als vereinbartes Motiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Causa als subjektives sowie typisch auftretendes Kriterium . . . . . . . . . . . . . 77 d) Causa und Risikoverteilungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 e) Causa und Geschäftsgrundlage sind verschiedene Rechtsfiguren . . . . . . . . . 79 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5. Kritik an einem allgemeinen Causaerfordernis unter dem BGB . . . . . . . . . . . . 81 a) Die Kritik Wolfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Die Kritik Sorges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Die Funktion der Causa bei der Vertragsqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1. Die Causa als Qualifikationsmerkmal im romanischen Rechtskreis . . . . . . . . . 83 2. Die Bedeutung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Kapitel 8 Simulation der Causa als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

88

A. Die Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 I. Zweckbindung und Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

10

Inhaltsverzeichnis II. Anwendbarkeit des § 117 BGB auf die simulierte Causa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Die simulierte Causa als potentieller Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Ausdrückliche, konkludente und typische Kausalbestimmungen . . . . . . . . . . . . 90 3. Die Causa als normativer oder faktischer Tatbestand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Das rein-normative Verständnis der Causa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Grundfolgentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bb) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Stampes Wertbewegungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 bb) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 d) Das faktisch-empirische Verständnis kausaler Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . 98 aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 III. Die Natur der Causa-Bestimmung: Rechtsgeschäftliche oder geschäftsähnliche Einigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Der Meinungsstand zum Synallagma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Das Synallagma als Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Das Synallagma als Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) „Causatheorie“ des Synallagmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 d) Das Synallagma als Rechtstatsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 e) Synallagma als rechtsgeschäftlicher Vertragsinhalt mit einheitlichem, gemeinsamen Austauschweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 f) Synallagma als subjektive Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 g) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Geltungsgrund der Wirkungen des Synallagmas ist nicht der Rechtsfolgewille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Synallagma ungleich Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 cc) Keine reine Geschäftsgrundlage, aber dieser nahestehend: geschäftsähnliche Einigung über Synallagma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Der Meinungsstand zur Vereinbarung des bezweckten Erfolges bei § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Die Zweckvereinbarung als tatsächliche Willensübereinstimmung . . . . . . . . 109 b) Die Zweckvereinbarung als lex privata imperfecta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 c) Die Zweckvereinbarung als Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 d) Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Rechtsnatur der Unentgeltlichkeitscausa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Inhalt der Rechtsgrundabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Rechtsnatur der Rechtsgrundabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Rechtsnatur der Causa im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Inhaltsverzeichnis

11

5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 B. Die Anwendbarkeit des § 117 BGB auf die rechtsgeschäftsähnliche Causa-Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Direkte Anwendbarkeit des Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Direkte Anwendbarkeit des Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 C. Analoge Anwendung des § 117 BGB auf die Causa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Vergleichbarkeit der Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. § 117 BGB und dessen willenstheoretisches Fundament . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Anwendbarkeit auf geschäftsähnliche Handlungen im Allgemeinen . . . . . . . . . 124 a) Vorbehalt des rechtlichen Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Vorbehalt des tatsächlichen Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Anwendung auf Causa-Vereinbarungen im Besonderen: ein Problem der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Lehre von der Privatautonomie und Natur der Causabestimmung . . . . . . . . 127 b) Debatte um die Zulässigkeit abstrakter Schuldversprechen . . . . . . . . . . . . . . 128 c) Die Bindung der privatautonomen Gestaltung an die interessengerechte rechtliche Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Löhleins Ansicht der Bindung von Vertragstypen an das wirklich verfolgte Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Bettis Theorie der Causa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 cc) Kohlers Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 dd) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 III. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 D. Zugrundelegung der wirklich gewollten Causa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

Kapitel 9 Fallstudien artifizieller Vertragsgestaltungen

140

A. Finanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I. Echtes Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Kritik an der herrschenden Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Kritik an Canaris Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Qualifikation echter Factoringverträge mittels Ermittlung der Causa . . . . . . . . 142 II. Unechtes Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 III. Umqualifizierungsrisiken bei True Sale Securitisations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

12

Inhaltsverzeichnis

B. Umgehung eines Vorkaufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 C. Artifizielle Schenkungskonstruktionen („verschleierte Schenkung“) und gemischte Schenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 D. Scheinbar unentgeltliche Zuwendungen als Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 E. Fiduziarische Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

Kapitel 10 Ergebnisse und Ausblick

157

A. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

Kapitel 1

Einleitung A. Problemaufriss Vertragliche Gestaltungen, die atypische Zwecke in Bezug auf die gewählte rechtliche Gestaltung verfolgen, wurden schon im römischen Recht behandelt. In D. 12, 1, 20 beschreibt Julianus die Situation „wenn ich dir Geld geschenkt hätte und du mir dasselbe darleihen solltest“1. Er stellt sich die Frage, ob diese Gestaltung nun als Schenkung oder als Darlehen zu behandeln sei. Ohne eine systematische Lösung zu erarbeiten2, lautet die Entscheidung für Julianus: „Beides“3, obwohl es weder eine Schenkung, noch ein Darlehen sei. Julianus stellt eine „Diagnose in Betreff der empirischen Absicht der wirtschaftlichen Natur“4 auf. In der Digestenstelle wird – im modernen Sprachgebrauch ausgedrückt – die Qualifizierung eines Geschäftes behandelt, welches offensichtlich eine in Bezug auf den gewählten Vertragstypus atypische Zwecksetzung verfolgt. Um welche es sich handelt, lässt sich nicht unmittelbar aus der Digestenstelle ermitteln. Schloßmann vermutet, dass es sich um ein „Scheingeschäft“ handle, nämlich zur Umgehung der lex Cincia, welche Schenkungsversprechen unter bestimmten Umständen als unwirksam ansah.5 Im römischen Recht war die Schenkung zunächst nur Handgeschäft6, bei dem die Zuwendung sofort vollzogen wurde. Das Schenkungsversprechen (heutiger § 518 BGB), bei welchem Zuwendungsgegenstand lediglich der Anspruch auf die Leistung ist, die Schenkung also später vollzogen werden sollte, konnte durch eine Stipulation donandi causa bewirkt werden.7 Eine bereits komplett abgewickelte Schenkung konnte nicht mehr nachträglich durch Gerichte unwirksam gemacht werden, indem eine Rückforderungsklage gewährt wurde; wohl aber konnte einer 1

„Si tibi pecuniam donassem, ut tu mihi eandem crederes […]“. So ähnlich Thomä, Typenwidrige Zwecksetzung, S. 4. 3 „benignius tamen est utrumque valere“. 4 Schloßmann, JherJb 44, 377 ff. 5 Die lex Cincia de donis et muneribus ist ein Plebiszit aus dem Jahre 204 v. Chr. Es verbot die Annahme von Schenkungen von Personen, die nicht mit dem nahe verwandt oder verschwägert waren ab einem bestimmten, heute unbekannten Geldbetrag. Als Zweck wird unter anderem ein sozialpolitischer vermutet, dass nämlich die Höhe von Honoraren an eigentlich unentgeltlich arbeitende Advokaten beschränkt werden sollte. Dazu Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht, S. 346 f. 6 Kaser, Römisches Privatrecht I, S. 602. 7 Kaser, Römisches Privatrecht I, S. 602. 2

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Kap. 1: Einleitung

schenkweisen Stipulation (Schuldversprechen) die exceptio legis Cinciae, also eine Einrede gegen die Klage aus der Stipulation, entgegengesetzt werden.8 Somit war das reine Schenkungsversprechen, das gegen die lex cincia verstieß, unklagbar. Durch die Schenkung (donatio) sollte laut Schloßmann nach außen hin eine Handschenkung kundgetan werden. Diese war verboten, aber das Verbot sprach keine Nichtigkeitssanktion für sie aus. Durch das gleichzeitig begebene Darlehen an den Schenker sollte jedoch der eigentliche wirtschaftliche Erfolg, nämlich das Ausscheiden des Vermögens aus dem Vermögen des Schenkers und die Bereicherung des Beschenkten, erst später erfolgen.9 In wirtschaftlicher Hinsicht entspräche dies genau dem Schenkungsversprechen, dem eigentlich die exceptio hätte entgegengesetzt werden können: Der Beschenkte sollte erst später auf Leistung der Schenkung klagen können. Der wirtschaftliche Erfolg entsprach damit einem solchen, der von der damaligen Rechtsordnung missbilligt wurde. Die Vertragstypen Darlehen und Handschenkung wurden dazu genutzt, das Verbot einer bestimmten typischen Vertragsgestaltung zu umgehen. In seiner wirtschaftlichen Zweckrichtung, wie Julianus selbst anerkennt, ist der Vertrag weder ein Darlehen, noch eine Handschenkung.10 Julianus Lösung wird jedoch auch als kompilatorische Interpolation gesehen, also nicht authentische Veränderungen der originalen klassischen Texte durch die von Justinian eingesetzte Kommission.11 Ein weiteres, dem letzteren Fall nahestehendes historisches Beispiel ist der Wiederkauf zu Sicherungszwecken. Zu Zeiten des kanonischen Zinsverbotes, nach welchem Zinsversprechen bei Darlehensverträgen verboten und unwirksam waren, wurde diese Gestaltung zur Umgehung genutzt.12 Mit dem Verkauf einer Kaufsache wurde funktional dem Käufer ein Darlehen durch den Kaufpreisanspruch gewährt; der Rückzahlungsanspruch wurde samt eines Agios zur Vergütung der Kapitalüberlassung über das gleichzeitig vereinbarte Wiederkaufsrecht des ursprünglichen Verkäufers konstruiert.13 Die Diskrepanz zwischen der rechtlichen Konstruktion und der wirtschaftlichen Zwecksetzung ist evident: Mit dem Vertrag wird nicht der Austausch von Ware gegen Geld intendiert, sondern von Kapitalüberlassung gegen 8

Kaser, Römisches Privatrecht I, S. 603. Zu allem Schloßmann, JherJb 44, 377 (377 – 383); vgl. auch Betti, Bewußte Abweichung, S. 296 ff. 10 „Ich habe gesagt, dass wir [Juristen] in Sachverhaltsschilderungen dieser Art die Worte nicht in ihrer eigentlichen Bedeutung verwenden. Denn ein solcher Vertrag sei weder Schenkung, noch ein Darlehen: eine Schenkung nicht, weil das Geld nicht in der Absicht gegeben wurde, daß es auf jeden Fall beim Empfänger bleibt, ein Darlehen nicht, weil das Geld mehr zur Erfüllung einer Verbindlichkeit [aus unserer Abrede] zurückgegeben wird, als um einen andern [also mich] zu verpflichten.“ (Übersetzung in Behrends u. a., Corpus Iuris Civilis Bd. III. Ergänzungen stammen vom Übersetzer). 11 Schloßmann, JherJb 44, 377, 384: „emblema tribuniani“. Zur Interpolationenkritik siehe Kaser, Römisches Privatrecht I, S. 191 ff. 12 BeckOGK/Daum, § 456 BGB Rn. 5; zur retrovenditio in der mittelalterlichen Glosse Busse, Der Wiederkauf in der Rechtsliteratur des 12. – 18. Jahrhunderts; siehe auch unten, S. 27. 13 BeckOGK/Daum, § 456 BGB Rn. 5. 9

A. Problemaufriss

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Zinsen. Qualifiziert man das Geschäft als Kaufvertrag, so fände eine Rechtsvorschrift (Zinsverbot), die verzinsliche Darlehensverträge für nichtig erklärt, keine direkte Anwendung auf den Sachverhalt. Somit wird durch die Vertragsgestaltung versucht, die Anwendung eines bestimmten Normenregimes zu „erschleichen“.14 Eine solche Wiederkaufskonstellation lag auch dem Schweizer Bundesgericht vor.15 Hier hatten die Parteien zu Sicherungszwecken einen Kaufvertrag über den Sicherungsgegenstand geschlossen und ein „Rückkaufsrecht“ vereinbart; denn ein Faustpfandrecht kam aufgrund des verbleibenden Besitzes beim Verkäufer nicht in Betracht. Die Parteien hätten auch eine als zulässig anerkannte Sicherungsübereignung vereinbaren können, schienen sich dieser Möglichkeit jedoch nicht bewusst zu sein.16 Das Gericht befasste sich mit dem Einwand des Beklagten, es handle sich um eine Simulation17, da weder Verkauf noch Übereignung ernstlich gewollt gewesen seien. Das Gericht führt aus, die Simulation würde allerdings nur den angegebenen „Rechtsgrund“ des Kaufes betreffen.18 Hinter dem angegebenen „Rechtsgrund“ des Kaufes stünde in Wirklichkeit die Causa der „Sicherstellung“.19 Das Gericht behandelt den Vertrag in der Folge als wirksamen Vertrag, berücksichtigt jedoch den dissimulierten anstelle des simulierten, vorgeschobenen Rechtsgrunds. Entscheidungserheblich war der Rechtsgrund hingegen letztlich nicht. Die genannten Konstellationen haben eine spezifische Umgehungssituation gemeinsam: Bestimmte zwingende Rechtsvorschriften knüpfen im Hinblick ihrer Anwendbarkeit an die Qualifikation des Vertrages an. Indem ein Geschäft, was wirtschaftlich eigentlich dem Vertragstyp A unterfiele, in den Vertragstyp B bildlich „eingekleidet“ wird, wird die Anwendbarkeit der Vorschriften des Vertragstyp A zu umgehen versucht. Es handelt sich um eine „Verschleierung der zivilrechtlichen Causa“, also des Rechtsgrundes des Geschäftes zu Umgehungszwecken.20 Der Untersuchungsbereich dieser Arbeit soll hingegen nicht auf solche Konstellationen beschränkt werden, in welchen die Parteien die Umgehung beabsichtigen. Vielmehr ist Gegenstand der Abhandlung jede bewusste Abweichung der kausalen Vertragsgestaltung von der wirklichen Kausalstruktur. Regelmäßig werden die Parteien sich ihre zweckwidrige Gestaltung jedoch bewusstmachen, um bestimmte Rechtsvor14 Zu diesem Begriff aus dem internationalen Privatrecht vgl. Schön, FS Wiedemann, S. 1271, 1274. 15 BGE 78 II 412. 16 BGE 78 II 412 (416). 17 Im Rahmen dieser Abhandlung wird unter dem Begriff „Simulation“, wenn nicht auf eine ausnahmsweise abweichende Bedeutung hingewiesen wird, die Vorspiegelung eines vom wirklichen Willen abweichenden Willens der Vertragsparteien verstanden, wie es im Tatbestand des § 117 BGB beschrieben wird. 18 BGE 78 II 412 (416). 19 BGE 78 II 412 (416). 20 Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 46 ff.

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Kap. 1: Einleitung

schriften zu umgehen. Daneben ist hingegen auch denkbar, dass die Parteien aus bloßer Rechtsunkenntnis eine (objektiv) artifizielle Vertragsgestaltung wählen, da sie sich nicht der Existenz dafür typischer Geschäfte bewusst sind.21 Thomä spricht bei derartigen Konstellationen, in denen mit einem Rechtsgeschäft ein dem Typen widersprechender tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird, von „typenwidriger Zwecksetzung“.22 Michaelis spricht von „verkleideten Rechtsgeschäften“.23 In der vorliegenden Abhandlung werden derartige Vertragswerke dagegen „artifizielle Vertragsgestaltungen“ genannt. Der wirtschaftliche Geschäftszweck artifizieller Vertragsgestaltungen weicht vom typischen geschäftlichen Zweck des genutzten Vertragstypus ab. Die Bezeichnung „zweckwidrig“24 impliziert bereits die Wertung einer Illegitimität der Nutzung derartiger Gestaltungen. Insofern ist „artifiziell“ dagegen ein wertungsneutraler phänomenologischer Ausdruck, der die objektive Gestaltungsform eines Vertrages beschreibt – anders als der Begriff des „Umgehungsgeschäftes“, der den Umgehungszweck der Vertragsgestaltung betont und nicht zwingend eine Rolle für die rechtliche Bewertung spielen sollte.

B. Desiderat Nach heute beinahe unbestrittener Meinung in der Literatur und Rechtsprechung handelt es sich bei derartigen Fallkonstellationen nicht um Scheingeschäfte im Sinne des § 117 BGB.25 Stattdessen sollen derartige Fälle mittels einer Auslegung des Gesetzes oder durch Analogiebildung gelöst werden.26

21 Als Beispiel könnte man das unechte Factoring nennen, wenn die Parteien mit dem Vertrag vor allem eine Kreditierung bezwecken, allerdings einen Forderungskaufvertrag schließen. Siehe dazu unten, S. 144. Die Umgehungsabsicht wird für die herrschende Meinung ebenfalls nicht zum Erfordernis der Anwendung der Doktrin der Gesetzesumgehung, vgl. Fn. 197 f. 22 Thomä, Typenwidrige Zwecksetzung. 23 Michaelis, Scheingeschäft, verdecktes Geschäft und verkleidetes Geschäft im Gesetz und in der Rechtspraxis, in: Behrends u. a., Festschrift für Franz Wieacker zum 70. Geburtstag. 24 Thomä, Typenwidrige Zwecksetzung. 25 Vgl. nur BeckOGK/Rehberg, § 117 BGB Rn. 62.1; MükoBGB/Armbrüster, § 117 Rn. 15 – 20; BeckOK-BGB/Wendtland, § 117 Rn. 16; Jauernig/Mansel, § 117 Rn. 3; Staudinger/Singer, § 117 BGB Rn. 17; Benecke, Gesetzesumgehung, S. 38; Sieker (Fn. 20), S. 103 f. Aus der Rechtsprechung BGH NJW-RR 2007, 1209 Rn. 5 (Strohmanngeschäft kein Scheingeschäft, da ernstlich gewollt); BGH NJW-RR 2006, 1555 (Artifizielle Gestaltung von Verkauf mittels Schenkungskonstruktion); BGH NJW 1962, 295 (Für Scheinforderung bestellte Hypothek). Für den europäischen Rechtsraum allgemein behauptet wird dies auch von Jansen/ Zimmermann/Dedek, Art. 6:103 Rn. 4. 26 Dazu siehe S. 49.

B. Desiderat

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Wenn demgegenüber Savigny die Problematik mittels einer Auslegung der „Handlung“ statt des Gesetzes, über die „Grundsätze der Simulation“ lösen wollte,27 betonte er den Aspekt des Nur-Zum-Scheine-Handelns bei artifiziellen Vertragsgestaltungen. Einen ähnlichen Versuch unternahm auch Franke, welcher Umgehungsgeschäfte als Scheingeschäft gem. § 117 BGB behandeln wollte, in Abgrenzung zur damals schon herrschenden Meinung, dass es sich nicht um Scheingeschäfte gem. § 117 BGB handeln solle.28 Auch Thomä versucht zu begründen, warum es sich bei „typenwidriger Zwecksetzung“ um Scheingeschäfte handele.29 Ebenfalls wendet sich Fuchs in teils polemischer Weise gegen die moderne Doktrin des Scheingeschäfts, welche er insbesondere in Bezug auf die Lehre kritisiert, nach welcher fiduziarischen Geschäften bzw. der Sicherungsübereignung kein Scheincharakter zukomme.30 Ebenfalls die Schweizer Rechtsprechung erkennt vereinzelt in artifiziellen Vertragsgestaltungen eine Simulation, nämlich des Rechtsgrundes.31 Der bestehenden Literatur fehlt es noch an einer dogmatischen Erörterung des Verhältnisses von wirtschaftlich-empirischer Zwecksetzung und der Wahl der rechtlichen Gestaltungsform. Rechtsprechung und Literatur rekurrieren regelmäßig auf die „Ernstlichkeit“ des (rechtsgeschäftlichen) Willens bei Fällen von Umgehungsgeschäften.32 Den Gedanken Savignys, Frankes und Thomäs, die die Problematik der artifiziellen Vertragsgestaltungen mittels der Doktrin des Scheingeschäfts lösen wollen, fehlt es bislang an einer überzeugenden Einordnung in die Dogmatik vom Scheingeschäft jedenfalls unter Zugrundelegung von deren aktuellem Verständnis. Insbesondere Frankes Begründung ist von hauptsächlich völkisch-nationalen Erwägungen geprägt und entbehrt im Übrigen einer dogmatischen Grundlage aus dem Gesetz.33 Ein wichtiger Ansatz findet sich in dem genannten Urteil des Schweizer Bundesgerichts, sowie in noch zu erörternden Lehren in mittelalterlichem Rechtsdenken: Es liegt nach diesen Ansichten bei artifiziellen Vertragsgestaltungen eine Simulation vor, welche den wahren Rechtsgrund (Causa) des Geschäftes verbirgt. In dieser Abhandlung wird eine solche Causa „simuliert“ genannt, bzw. es wird von einer causa simulata gesprochen. Die genannte Begründungslücke soll in dieser Arbeit geschlossen werden und es soll eine tiefgehende Untersuchung stattfinden, ob bei artifiziellen Vertragsgestal27

Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band I, S. 324 f. Franke, JW 1934, 1149. 29 Thomä, Typenwidrige Zwecksetzung. 30 Fuchs, Scheinhändel. 31 Siehe oben, S. 15. 32 Jeweils in den in Fn. 25 genannten Stellen. 33 Dies wird ganz erheblich am Ende des Aufsatzes deutlich: „Im neuen Staat, der die Menschen zu Aufrichtigkeit erzieht und nach dem Charakter wertet, werden sich dann um so weniger noch solche finden, die sich zu Umgehungsgeschäften herbeilassen“, Franke, JW 1934, 1149 (1151). Kritische Darstellung bei Schröder, Gesetzesauslegung, S. 108 ff. 28

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Kap. 1: Einleitung

tungen ein Scheingeschäft entgegen weiten Teilen der Literatur angenommen werden kann.

C. Arbeitshypothesen Wenn Savigny die Umgehungsproblematik von artifiziellen Vertragsgestaltungen zu einer Problematik der Auslegung der Handlung (wobei hierbei für ihn ausdrücklich die „Simulation“ maßgeblich ist) an Stelle einer Gesetzesauslegung macht, verschiebt er die Problematik hin zu einem Qualifikationsproblem:34 Knüpft die umgangene Rechtsvorschrift an eine bestimmte Rechtsnatur des Geschäfts (Vertragstypus) an, dann ist, anstatt mittels einer (ggf. analogen) Anwendung des umgangenen Gesetzes zu argumentieren, für Savigny zunächst die wahre Rechtsnatur des Geschäftes zu ermitteln; diese führt damit unmittelbar zur Anwendung der jeweiligen Vorschrift. Ziel der Arbeit ist damit nicht, die Anwendung zweckmäßiger Normen auf Umgehungskonstellationen in Frage zu stellen: Vielmehr soll eine systematisch vorzuziehende Begründungsalternative herausgearbeitet werden. Es soll gezeigt werden, dass auch im geltenden Recht die Problematik nicht auf die Frage der analogen Anwendung geschoben werden soll. Vielmehr soll gezeigt werden, dass die innere Bedeutung eines Geschäftes für die Parteien die wesentliche Determinante ist, welche die Natur eines Geschäftes bestimmt. Hypothese 1:

Ausgangshypothese der Arbeit ist, dass die Problematik der artifiziellen Vertragsgestaltungen eine Problematik der Qualifikation des Rechtsgeschäftes und nicht der Auslegung der betreffenden Vorschrift ist. Die Problematik der Gesetzesumgehungen ist zu lösen durch eine Ermittlung der wahren Natur des Geschäfts und mithin einer direkten Anwendung der infragestehenden Norm. Es gilt damit zu bestimmen, welche Faktoren die Qualifikation eines Rechtsgeschäftes zu einem bestimmten Vertragstypus beeinflussen. Ausgangspunkt für diese ist der Zweck eines Rechtsgeschäfts. Dieser findet sich auch in der Dogmatik zum geltenden Recht als „Causa“ des Schuldvertrages wieder und bedarf einer genaueren Darstellung. Hypothese 2:

Die Zweckstruktur eines Schuldvertrages in ihrer juristischen Formalisierung als „Causa“ ist das das Wesen des Vertragstypus bestimmende Merkmal eines Schuldvertrages.

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Siehe oben, S. 17.

D. Gang der Untersuchung

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Die Zweckstruktur fand in der Systematisierung durch den Begriff der „Causa“ ihre Behandlung in der juristischen Literatur des Mittelalters. Das Problem artifizieller Vertragsgestaltungen wurde im Mittelalter mittels der Doktrin der Simulation gelöst: Dort wiesen die Doktrinen der Umgehungsgeschäfte und der Simulation eine „überraschende Gleichheit ihres Anwendungsbereiches“ auf.35 Wenn die „Causa“ eines Schuldvertrages über deren Qualifikation entscheidet, liegt es nahe, auch für das geltende Recht bei einer artifiziellen Vertragsgestaltung von einer bloß simulierten Zweckstruktur auszugehen und auf diese die Grundsätze der Simulation anzuwenden. Hypothese 3:

Das Wesen artifizieller Vertragsgestaltungen ist die Simulation der qualifikationsbestimmenden Causa des Vertrages. Nach den Grundsätzen des Scheingeschäftes gem. § 117 BGB ist dann dem wirklichen Willen der Parteien Rechnung zu tragen und der Vertrag mittels der dissimulierten Causa zu qualifizieren. Dies wirft unmittelbar die Frage auf, ob es den Parteien beliebt, eine beliebige Causa gelten zu lassen, auch wenn sie sich nicht mit dem tatsächlichen wirtschaftlichen Zweck deckt. Haben die Parteien es in der Hand, eine beliebige Causa gelten zu lassen, so wäre es den Parteien damit nicht verwehrt, über eine einvernehmlich fingierte Causa mittelbar zu steuern, unter welchen Vertragstypen das Geschäft einzuordnen ist. Daher ist die Hypothese 4:

Die Parteien haben keine freie Dispositionsbefugnis über die Geltung einer bestimmten Causa. Vielmehr werden die Parteien auf den wirklich verfolgten wirtschaftlichen Zweck als Causa eines Vertrages verwiesen. Dies geschieht mittels des Rechtsinstituts der Simulation, also durch Anwendung des § 117 BGB.

D. Gang der Untersuchung Die in der Arbeit vertretenen Hypothesen beruhen auf Beobachtungen in der mittelalterlichen Jurisprudenz der Glossatoren und Kommentatoren. Somit sind zunächst diese Beobachtungen in einem anfänglichen historischen Teil darzustellen. Ferner lassen sich auch aus fremden Rechtsordnungen Argumente ziehen, die für die vorliegende Untersuchung von Nutzen sein können; diese Darstellung findet im Anschluss an die Historische statt. Die Erkenntnisse aus der Rechtsgeschichte und der Untersuchung fremder Rechtsordnungen werden folgend innerhalb der Untersuchung des geltenden Rechts genutzt. Hierbei ist zunächst eine Beschreibung der verbreiteten Lehrmeinungen zum Scheingeschäft (§ 117 BGB) notwendig, sowie 35

Coing, Simulatio, S. 402.

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Kap. 1: Einleitung

eine Darstellung der Lehre von der Causa und deren Effekte im Hinblick auf die Qualifikation. Zur Beantwortung der Frage der Anwendbarkeit des § 117 BGB bedarf es einer umfangreichen Erörterung der Rechtsnatur der Causa im Folgenden. Schließlich sollen die gewonnenen Erkenntnisse an exemplarischen Fallstudien angewandt werden und analysiert werden, ob und inwieweit die bestehende Rechtsprechung und Literatur mit den hier vertretenen Lösungsansätzen übereinstimmt.

Kapitel 2

Historische Betrachtung A. Das Scheingeschäft im klassischen römischen Recht I. Strenger Formalismus oder Nichtigkeit von simulierten Rechtsgeschäften? Als ein erster fester Anhaltspunkt für die Anerkennung der Nichtigkeit simulierter Geschäfte im römischen Recht wird die augusteische lex Julia de maritandis ordinibus (bzw. die mit ihr verbundene lex Papia Poppaea36) gesehen.37 Nach diesem Gesetz waren bestimmte Nachteile an den Status als Unverheiratete oder kinderlose Verheiratete geknüpft.38 Im Kontext dieser lex wird nun folgender Senatsbeschluss angeführt, von welchem Tacitus in seinen Annales zeugt:39 factum ex eo senatus consultum, ne simulata adoptio in ulla parte muneris publici iuvaret ac ne usurpandis quidem hereditatibus prodesset. Daher wurde ein Senatsbeschluss erlassen, dass niemandem die simulierte Adoption in auch nur irgendeinem Bereich der öffentlichen Angelegenheiten Vorteile bringen kann und auch niemandem darin hilft, eine Erbschaft zu beanspruchen.40

Partsch weist darauf hin, dass in diesem Fall keine Nichtigkeit der adoptio angeordnet ist, sondern lediglich die durch die lex Julia angeordneten Vorteile nicht gewährt werden sollten.41 Ein Hinweis auf eine Nichtigkeit in derartigen familienrechtlichen Konstellationen könnte sich aus D. 23, 3, 30 Gai. lib. V ergeben42: simulatae nuptiae nullius momenti sunt Simulierte Eheschließungen sind von keiner Wirkung.

Dass jedoch diese Nichtigkeit eine solche aufgrund der Simulation darstellt, wird wiederum bezweifelt: So sei die Ehe ohnehin erst wirksam gewesen, wenn ein tat36

Manthe, Lex Iulia et Papia. Partsch, Scheingeschäfte, S. 250. 38 Manthe, Lex Iulia et Papia; Partsch, Scheingeschäfte, S. 252. 39 Tac. ann. 15, 19. 40 Eigenübersetzung. 41 Partsch, Scheingeschäfte, S. 252. 42 Als Argument für eine Unwirksamkeit des Scheingeschäftes im römischen Recht angeführt von Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht, S. 121. 37

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Kap. 2: Historische Betrachtung

sächliches Zusammenleben zwischen den Ehegatten bestanden hätte.43 Das, was heute durch § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB als Auflösungsgrund für eine Ehe statuiert wird, sei demnach also Wirksamkeitsvoraussetzung für die Ehe gewesen. Partsch folgert aus einer derartigen Exegese klassischer römischer Quellen, dass im klassischen römischen Recht eine allgemeine Nichtigkeitsdoktrin nicht existiert habe.44 Vielmehr haftete die Rechtswirkung im klassischen römischen Recht nicht am Willen des Handelnden, sondern an der gewählten Form.45 Die verschiedenen Digestenstellen, die ein simuliertes (insbesondere imaginarius, fictus, simulatus) Rechtsgeschäft für nichtig erklären, seien byzantinische Interpolationen und nicht klassisch.46 Besonders kritisch ist Partsch mit den zahlreichen spätklassischen Quellen, insbesondere solchen des Codex Iustinianus.47 Eine allgemeine Lehre des Scheingeschäfts sei erst mit der Lehre und Rezeption byzantinischer Juristen, sowie der mittelalterlichen Rezeption entstanden.48 Die Interpolationshypothese von Partsch wird jedoch auch bestritten.49 Dem Rechtsdenken der Römer hätte ein wie von Partsch postulierter Formalismus in der klassischen Zeit nicht entsprochen.50 Ferner spräche eine Pliniusstelle51 dafür, dass Scheingeschäfte in der klassischen Welt geächtet worden seien.52 In der Textstelle53 berichtet Plinius, dass er Miterbe von einer Erblasserin geworden sei und ihr Sohn nicht als Erbe eingesetzt worden sein soll.54 Er trat an Plinius heran und bat ihn, dass er ihm den Erbanteil abtreten solle. Gleichzeitig wollte er dem Plinius versprechen, dass er seinen Anteil behalten sollte (Partsch interpretiert dies als Simulationsabrede55). Im späteren Prozess sollte diese Abtretung praeiudicium im Prozess gegen die übrigen Erben sein.56 Dies zu tun lehnte Plinius mit der Begründung ab, es würde seinem Verständnis von Sittlichkeit widersprechen, etwas nach außen hin zu tun, und 43

Partsch, Scheingeschäfte. Partsch, Scheingeschäfte. 45 Partsch, Scheingeschäfte, S. 244. 46 Partsch, Scheingeschäfte, S. 257. 47 Cod. 2, 4, 21; 5, 16, 20; 4, 49, 8; 4, 38, 10; 4, 2, 6, 1; 4, 29, 17; 4, 38, 3. 48 Partsch, Scheingeschäfte. 49 Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht, S. 120 f.; Zimmermann, Law of Obligations, S. 647. 50 Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht, S. 121. 51 Plin. ep. 5,1,2. 52 Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht, S. 121. 53 „Curianus orabat, ut sibi donarem portionem meam seque paeiudicio iuvarem; eandem tacita conventione salvam mihi pollicebatur. Respondebam non convenire moribus meis aliud palam aliud agere secreto; praeterea non esse satis honestum donare et locupleti et orbo; in summa non profuturum ei si donassem, profuturum si cessissem, esse autem me paratum cedere si inique exheredatum mihi liqueret.“ – zit. nach Tellegen, The Roman Law of Succession S. 86 f. 54 Partsch, Scheingeschäfte, S. 255; Tellegen, The Roman Law of Succession, S. 86 f. 55 Partsch, Scheingeschäfte. 56 Tellegen, The Roman Law of Succession, S. 87. 44

A. Das Scheingeschäft im klassischen römischen Recht

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insgeheim etwas anderes Entgegengesetztes zu tun. Hieraus wird zum einen von den Befürwortern dieser „subjektiven Theorie“ im römischen Privatrecht gefolgert, dass das Handeln zum Scheine für die Römer zu missbilligen gewesen sei und daher seit dem 2. Jh. n. Chr. Scheingeschäfte als unwirksam behandelt worden seien.57 Dagegen ist für Partsch die Textstelle gerade ein Indiz dafür, dass das Scheingeschäft im römischen Recht nicht für unwirksam erachtet wurde, da für Plinius lediglich die sittliche Missbilligung im Vordergrund stand und von einer Unwirksamkeit nicht die Rede gewesen sei.58 Ob im früheren römischen Recht eine Nichtigkeit des simulierten Geschäftes bestand, ist daher auf ungewissem Boden.

II. Jherings Unterscheidung zwischen Scheingeschäften und simulierten Geschäften Eine Ähnlichkeit mit artifiziellen Geschäften haben im römischen Recht die heute so genannten nachgeformten Rechtsgeschäfte.59 Zu diesen gehören insbesondere die bekannte mancipatio nummo uno, die dem Barkauf nachgeahmte abstrakte Eigentumsübertragung, sowie die in iure cessio, die Abtretung von Rechten durch Anerkenntnis in einem Scheinprozess.60 Diese Geschäfte sind trotz ihrer Artifizialität (= atypischen Zwecksetzung) nicht als Scheingeschäft gesehen worden.61 Jhering hat sich ausgiebig mit dieser Geschäftskategorie beschäftigt.62 Ausgangspunkt ist der von ihm im römischen Rechte betonte „Formalismus“ als „sinnliches Element“. Hierin sieht er „eine hervorstechende national-römische Eigenschaft“.63 Geschäfte wurden aus einem bestehenden Kanon von formalen Geschäften geschlossen. Unter diesen befanden sich die „nachgeformten Rechtsgeschäfte“ wie mancipatio und in iure cessio, welche er als „Scheingeschäfte“ bezeichnet, und zwar im „technischen Sinne“.64 Diese zeichneten sich dadurch aus, 57 Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht, S. 121. Vgl. Betti, Bewußte Abweichung, S. 296 ff.: Er sieht ebenfalls eine kulturelle Unvereinbarkeit des Zum-Scheine-Handelns bei den Römern, was für ihn jedoch offensichtlich gerade ein Argument dafür ist, dass die Römer das Scheingeschäft mit rein innerlichem Geltungsvorbehalt durch die Parteien als wirksam ansahen. 58 Partsch, Scheingeschäfte, S. 254. 59 Kaser, Römisches Privatrecht I, S. 40. 60 Kaser, Römisches Privatrecht I, S. 40. 61 Schwind, Geschichte, Rechtsgang, System des Privatrechts, S. 289; Jörs/Kunkel/Wenger, Römisches Privatrecht, § 62 2 b; siehe allerdings Fuchs, Scheinhändel, S. 259, welcher bezweifelt, dass derartige Geschäfte im ursprünglichen Sinne von Scheingeschäften verschieden seien. 62 Jhering, Geist des römischen Rechts Bd. 2,2, S. 528 ff.; Bd. 3, S. 277 ff. 63 Jhering, B. 2,2, S. 519. 64 Jhering, B. 2,2, S. 529.

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Kap. 2: Historische Betrachtung

dass die Parteien dieses Geschäftes zugleich eine Restitution vereinbarten, dass die Sache wieder an den ursprünglichen Veräußerer zurückgelangen sollte (bei der mancipatio, die coemptio und in iure cessio).65 In diesen Fällen lag genau die Situation einer artifiziellen Vertragsgestaltung vor: Mit einer vertraglichen Gestaltung wird ein anderer Zweck verfolgt als der, der für die gewählte Konstruktion typisch ist. Bei dem Kaufvertrag nachgeformten Geschäften wie der mancipatio als „imaginaria venditio“66, welche der heutigen abstrakten Eigentumsübertragung nahestand, wurde ein Austauschzweck zwischen Kaufsache und pro forma hingegeben Münzen (nummo uno) in Wirklichkeit gar nicht verfolgt. Für Jhering liegt der Unterschied zum simulierten Geschäft nicht etwa darin, dass das simulierte Geschäft nicht ernst gemeint ist, wovon die heutige Lehre ausgeht, sondern vielmehr, dass sich das „Scheingeschäft“ im Vergleich zum „simulierten“ Geschäft gewohnheitsrechtlich zu einem eigenständigen und legitim anwendbaren Geschäftstypus verfestigt habe.67 Die erste Anwendung eines Scheingeschäftes im Rechtsverkehr sei ein simuliertes Geschäft gewesen, was sich dann zum „Scheingeschäft“ im Sinne Jherings verfestigt habe.68

III. Bettis Exegese: Verhältnis von dissimuliertem und simulierten Geschäftszweck als maßgebliches Kriterium Von dem Grundsatz der Unerheblichkeit auch einverständlicher Simulationsabreden im römischen Recht geht Betti aus. Demnach sei die römische Simulation gerade ein solches Rechtsinstitut, welches Anwendung gefunden habe, wenn die Parteien „durch das Geschäft einen ,verdeckten‘ (dissimulierten) Zweck verfolgen, der von der dem Geschäftstypus eignenden Zweckbestimmung (hierfür verwendet er die Bezeichnung „causa“) abweicht“.69 Simulation sei demnach genau der Fall gewesen, wo jemand Verträge zu Zwecken abschließt, für welche der gewählte Vertragstyp nicht vorgesehen ist. Im ersten Schritt solle im römischen Recht geprüft worden sein, ob das Geschäft einen erlaubten oder einen unerlaubten Zweck verfolgt.70 Dies entspräche einer Prüfung eines gesetzlichen Verbots (§ 134 BGB) und hat noch nichts mit einem etwaigen Willensmangel zu tun. Im zweiten Schritt sei dann zu prüfen, ob ein Geschäftszweck erkennbar nach außen tritt, der nicht dem typischen Geschäftszweck des nach außen hin erklärten Geschäfts entspricht, und ob sich dieser dem natürlichen 65 66 67 68 69 70

Jhering, B. 2,2, S. 530. Jhering, B. 2,2, S. 528. Jhering, B. 2,2, S. 529. Jhering, Bd. 3, S. 282 ff. Betti, Bewußte Abweichung, S. 297. Betti, Bewußte Abweichung, S. 307 – 309.

A. Das Scheingeschäft im klassischen römischen Recht

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Zwecke des Vertragstypus „unterordnet“.71 Im dritten Schritt solle dann geprüft worden sein, ob dieser atypische Geschäftszweck nach außen tritt oder nicht: Im ersten Schritt sei das Geschäft aufgrund eines „inneren Widerspruchs“ nichtig, im zweiten „gemäß seinem objektiven Inhalt und Sinn rechtswirksam“.72 Ein enges Verständnis der Simulation als eine bewusste Abweichung von Willen und Erklärung – und das angebliche „individualistische Willensdogma“ der Pandektenwissenschaft sei „den römischen Rechtsquellen fremd“.73 Betti behauptet gar, „für sie [die Römer] ist der sich Verstellende, und Versteckende in weiterem Sinne ein Verlogener und steht für die sozial betätigte Haltung ein, nach dem Grundsatze der Selbstverantwortung“.74 Daher könne ein bloß innerer Vorbehalt bei der Erklärung durch beide Seiten genauso wenig wie die einseitige Mentalreservation eine Unwirksamkeit des Geschäfts begründen. Schlussendlich wird mit dieser Exegese der römischrechtlichen Quellen nicht nur die Existenz eines eigenständigen Rechtsinstituts der Simulation bestritten, sondern die Lösung auf Fälle einer Perplexität reduziert, in welchen auf Ebene der Erklärung ein innerer Widerspruch identifiziert werden kann. An dieser Stelle ist bereits bemerkenswert, wie Betti hier auch die Simulation verglichen mit dem heutigen Verständnis des Scheingeschäfts gem. § 117 BGB im modernen Sinne unüblich weit definiert: Simulation (sogenantes Scheingeschäft) liegt vor, wenn die Parteien eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts im Einverständnis miteinander – oder der Absender einer empfangsbedürftigen Erklärung im Einverständnis mit dem Adressaten – etwas erklären, was sie ganz oder teilweise nicht wollen, indem sie durch das Geschäft einen „verdeckten“ (dissimulierten) Zweck verfolgen, der von der dem Geschäftstypus eignenden Zweckbestimmung (causa) abweicht.75

Mit dieser Definition lehnt Betti ausdrücklich die herrschende Unterscheidung zwischen den Fallgruppen der Simulation und der Gesetzesumgehung ab: Fälle, in denen ein Vertragstypus zweckwidrig verwendet wurde, in den Rechtsfolgen aber ernstgemeint waren („indirektes Geschäft“76) und dem eigentlichen Scheingeschäft, nach welchem der Geschäftszweck durch den Schein des Geschäftes schon selbst erreicht worden sei.77 In anderen Worten: Umgehungsgeschäfte sind für ihn als Scheingeschäfte zu behandeln.78 In diesem Verständnis scheint Betti stark von der mittelalterlichen Sichtweise geprägt zu sein (simulatio de causa in causam). Auf 71

Betti, Bewußte Abweichung, S. 309. Betti, Bewußte Abweichung, S. 314. 73 Betti, Bewußte Abweichung, S. 332. 74 Betti, Bewußte Abweichung. 75 Betti, Bewußte Abweichung, S. 297. 76 Betti, Bewußte Abweichung, S. 298. 77 Vgl. Betti, Bewußte Abweichung, S. 298. Diese Unterscheidung begegnet uns auch in der modernen deutschen Rechtsdogmatik, vgl. unten, S. 47 ff. 78 Zur modernen Lehre von den Umgehungsgeschäften siehe unten, S. 47 ff. 72

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Kap. 2: Historische Betrachtung

diesen Ansatz ist noch einzugehen.79 Für Betti gilt jedoch im Allgemeinen: Nicht dem innerlich vorbehaltenen Geschäft wird die Wirkung zugesprochen, sondern stets dem nach Außen getragenen. Er vertritt damit für das römische wie für das geltende Recht einen strengen Formalismus.

IV. Die nachklassische Entwicklung Die Entwicklung einer juristischen Lehre des Scheingeschäftes wird einhellig erst für die nachklassische, byzantinischer Zeit anerkannt.80 Hier galt insbesondere die Maxime „plus valere quod agitur, quam quod simulate concipitur“81 – es gilt also eher dasjenige so, wie gehandelt wird, als so, wie zum Schein erklärt wird. Dies hing mit dem Verfall des alten römischen Formalismus zusammen, der Rechtswirkungen an den Willen und nicht an die rechtliche Form knüpfte, der mit der byzantinischen Zeit einherging.82 Hier nennt Kaser beispielhaft vor allem Fälle der Umgehung der lex cincia83, in welchen zu Schenkungszwecken Kaufverträge vereinbart werden, deren Kaufpreis nach Vorstellung der Parteien niemals entrichtet werden solle.84 Ferner finden sich im Codex Iustinianus einige Hinweise darauf, dass auch die Problematik der artifiziellen Vertragsgestaltungen im byzantinischen Recht mittels der Lehre der Simulation gelöst wurde:85 Diese Stellen waren die Grundlage für die Rechtsauffassung der Glosse und der Kommentatoren bezüglich der Simulation. Insbesondere begegnet einem schon im Codex der Wiederkauf zu Sicherungszwecken, im besagten Kapitel „plus valere quod agitur, quam quod simulate concipitur“: Emptione pignoris causa facta non quod scriptum, sed quod gestum est inspicitur.86 Wenn einer Verpfändung wegen ein Kauf veranlasst wurde, so ist nicht auf das Niedergeschriebene, sondern auf das wirklich Durchgeführte zu sehen.87

Insbesondere dieser subjektivistische Ansatz des Codex wurde schließlich von den mittelalterlichen Rechtsgelehrten wie Accursius, Bartolus und Baldus rezipiert.

79

Siehe unten, S. 32. Partsch, Scheingeschäfte; Kaser, Römisches Privatrecht II, § 201 V; Coing, Simulatio, S. 337 f.; Honsell/Mayer-Maly/Selb, S. 121. 81 Cod. Iust. 4, Überschrift Titel 22; dazu Wesener, S. 337. 82 Kaser, Römisches Privatrecht II, § 201 V. 83 Kaser, Römisches Privatrecht II, § 201 V. 84 Kaser, Römisches Privatrecht II, § 201 V. Vgl. dazu oben, S. 13. 85 Vgl. dazu die Codexstellen im nächsten Unterkapitel. 86 Cod. 4, 22, 3. 87 Übersetzung nach Haller, Opera Platonis, http://opera-platonis.de/CI/Codex_Iustiniani. pdf. 80

B. Das Scheingeschäft bei den Glossatoren und Kommentatoren

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B. Das Scheingeschäft bei den Glossatoren und Kommentatoren Bei den Kommentatoren Bartolus und Baldus wurde, wie Coing herausstellte, zwischen zwei verschiedenen Formen der Simulation unterschieden: der Simulation de persona in personam und a causa in causam.88 Diese Einteilung findet sich schon bei Accursius in der Glossa Ordinaria wieder: Et fit hic simulatio de persona in personani: ut. infra e. si quis gestum: alias a causa in causam ut infra e. lex proxima. Und findet hier eine Simulation einer Person zu einer anderen Person statt: siehe unten, [C. 4, 22, 4]; ansonsten im Falle einer Simulation von einem Rechtsgrund zu einem anderen, siehe unten in der nächsten lex [C. 4, 22, 3].89

Für letzteren Falle einer simulatio a causa in causam ist insbesondere der des wucherischen Pfandgeschäftes paradigmatisch, welches in einen Kauf mit Rückkauf eingekleidet ist.90 Dass die Erklärung eines anderen als des tatsächlich gewollten Schuldgrundes eine Simulation begründete, dürfte sich mit dem weitgehenden glossatorischen Verständnis der Simulation erklären lassen: Nach Accursius’ Glossa ordinaria ist die Simulation die „Vortäuschung von etwas, was in Wirklichkeit nicht vorhanden ist.“91 Simuliert werden konnten nach dieser weiten Definition also alle rechtlich relevanten Merkmale. Dieses Etwas kann daher gerade der Schuldgrund (causa) sein. Eine ähnliche Beschreibung findet sich bei Jason de Mayno.92 Zum Tatbestand des Geschäfts gehört bei den mittelalterlichen Rechtsgelehrten zweifellos der Schuldgrund (causa).93 Es lag daher nahe, eine bloß simulierte Causa insoweit als Tatbestand der Simulation anzusehen, wo noch keine moderne Rechtsgeschäftslehre bestand; beispielsweise die feinsinnigen Unterscheidungen zwischen privatautonomem rechtsgeschäftlichen Handeln und bloß rechtlich relevantem Verhalten94 werden den Glossatoren fremd gewesen sein; daher musste auch jede Einigung über etwas, das nicht als existent gesehen wurde, als Simulation betrachtet werden, wenn man nicht lediglich den Geltungswillen als Geltungsgrund eines Rechtsgeschäfts sah. Coing stellt fest, dass mit dem gewandelten heutigen Verständnis eine wesentliche praktische Funktion der Simulationsdoktrin verloren gegangen sei:95 nämlich der 88

Coing, Simulatio, S. 405; Bartolus, Consilia 1, Cons. 65 (S. 18). Accursius, Glossa, S. 204. 90 Coing, Simulatio, S. 406; insbesondere findet sich dieser Verweis als paradigmatischer Fall schon bei Accursius Glosse wieder, a. a. O. 91 Coing, Simulatio, S. 404. 92 „Von Simulation spricht man nämlich dann, wenn jemand etwas schweigend tut, und etwas anderes erklärt“.; Lat: „Simulatio enim dicitur quando unum tacite agitur, et aliud exprimitur.“ – zit. nach Wesener, Scheingeschäft, S. 341. 93 Siehe unten, S. 10. 94 Dazu Flume, AcP 161 (1962), 52. 95 Coing, Simulatio. 89

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Kap. 2: Historische Betrachtung

funktionelle Zusammenhang zu Umgehungsgeschäften. Anders ausgedrückt verfolgte die Simulationsdoktrin bei den mittelalterlichen Juristen die rechtspolitische Funktion, die wirtschaftliche Absicht und die Rechtsform miteinander gleichlaufen zu lassen. Wenn heutzutage eine strikte Trennung der Lehren vom Umgehungsgeschäft und der Simulation betont wird, so besteht eine strikte funktionale Trennung im Gegensatz zum mittelalterlichen Rechtsverständnis. Der für Bartolus für das Scheingeschäft paradigmatische Fall der simulatio de causa in causam ist freilich nur dann denkbar, wenn die Causa überhaupt als ein Element rechtlichen Handelns anerkannt wird. Daher ist es erforderlich, auf den Begriff der Causa näher einzugehen.

I. Der historische Begriff der Causa Eine herausgehobene Bedeutung für die mittelalterlichen Juristen hatte für die Simulation der Rechtsgrund des Vertrages (causa96), welche in romanischen Rechtskreisen noch heute Bedeutung hat.97 Diese Voraussetzung von Verträgen (für Italien vgl. Art. 1325 Nr. 2 Codice Civile; in Frankreich nun aufgehoben mit der Ordonnance n82016 – 131 du 10 février 2016 – art. 2) besteht als solche nicht ausdrücklich im geltenden deutschen Privatrecht. Abzugrenzen ist die Causa des Vertrages von der Causa im Sinne des Rechtsgrundes des Kondiktionenrechts, welche freilich parallele historische Wurzeln hat98 – hier hat die Doktrin der Causa unmittelbar Einfluss auf das geltende Bürgerliche Gesetzbuch gefunden. Das Erfordernis einer causa begründet sich aus dem römischen Recht, in welchem eine durchsetzbare stipulatio (abstraktes Schuldversprechen im römischen Recht) eine Causa voraussetzte, damit ihr nicht die exceptio doli (Arglisteinrede) entgegengesetzt werden konnte.99 An anderer Stelle erscheint in den Digesten der Begriff der Causa im Kontext der „Innominatkontrakte“.100 Eine Ulpianstelle beinhaltet die Aussage, dass auch ein Vertrag, der nicht den anerkannten Typen entsprach (Inno-

96

Wieso die „causa“ (Fall, Grund) mit „Zweck“ gleichzusetzen ist, erklärt sich aus der scholastischen Philosophie, in welcher der Zweck („causa finalis“) als die höchste Form der Kausalität galt. Bei Thomas von Aquin heißt es „dessen (der causa finalis) ist die wichtigste Form der Kausalität, weil der Handelnde nicht handelt, außer wegen seines Ziels“ (Thomas von Aquin, Summa theologica, P. I – II Qui. 1 art. 1), zu allem Söllner, Causa, S. 182 ff. 97 Vgl. Reiter, Vertrag und Geschäftsgrundlage, S. 105 f.; zum Französischen Recht vgl. Kischel, Rechtsvergleichung, S. 531 – 534. 98 Zur Entwicklung dessen bei den Kommentatoren und Glossatoren ebenfalls Söllner, Causa, S. 182. 99 Zimmermann, Law of Obligations, S. 549 ff.; Kaser, Das Römische Privatrecht, S. 541; Flume, Rechtsgeschäft, S. 161 – 162. 100 Zimmermann, Law of Obligations, S. 549 ff.

B. Das Scheingeschäft bei den Glossatoren und Kommentatoren

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minatkontrakt genannt), Wirksamkeit findet, wenn er eine causa aufweist.101 Causa sei in den Fällen eines insoweit atypischen Vertrages die Leistung einer der Parteien, welche dann die obligatio zur Gegenleistung begründet.102 Dieser Gedanke steht im engen Zusammenhang zum römischen Prinzip „nuda pactio obligationem non parit sed parit exceptionem“:103 Eine schlichte Einigung, die weder die Form der Stipulation erfüllte, noch einem der durch Gesetz oder Edikt des Prätors anerkannten Vertragstypen unterfiel, war nicht durch Klage (actio) durchsetzbar, sondern nur einredeweise (exceptio) gegenüber einer anderen Klage geltend zu machen.104 Bei Vorliegen einer Gegenleistung bestand jedoch nach der genannten Ulpianstelle ein Grund dafür, dennoch auch aus dem typenfremden Vertrag klagen zu können. Zu einem wirklichen rechtlichen System wurde der Begriff der Causa jedoch erst durch die Rezeption des römischen Rechts durch mittelalterliche Rechtsgelehrte entwickelt.105 So sah Accursius in seiner Glosse zunächst noch die Causa lediglich als ein Element an, was das nackte pactum „bekleiden“ würde: „id est datio vel factum, quod vestiet pactionem“.106 Die causa bekleidet den Vertrag als „vestimentum“. Dies entspricht der oben bereits genannten Deutung, dass es die Vorleistung war, welche die Klagbarkeit von Innominatkontrakten begründete. Im Kontext der stipulatio bei D. 44, 4, 2, 3 interpretiert Accursius den Ausdruck „sine causa“ als die Situation, dass beim Schuldversprechen entweder kein Schuldgrund angegeben ist, oder aber dieser tatsächlich nicht existiert.107 Ein solcher Grund läge in einem mutuum (Darlehen) oder ähnlichem.108 Später verallgemeinert Accursius diesen Satz in der Glosse zu C. 4, 30, 13, dass causa der Stipulation stets negotium antecedens sei, ein vorhergehendes obligatorisches Rechtsgeschäft.109 Der spätere Kommentator Bartolus beschäftigte sich mit der Aussage, dass es aus rechtslogischen Gründen keine pacta nuda geben könne, die ein vestimentum bedürften: Im Falle einer bereits vorhandenen Obligation handle es sich bei dem pactum um ein nach römischem Recht klagbares constitutum debiti, vergleichbar mit einem Schuldanerkenntnis.110 Für den Falle einer falschen, also angegebenen, aber nicht existenten Causa sei ein pactum ohnehin (wie auch die Stipulation) jedenfalls 101

D. 2, 14, zit. nach. Zimmermann, Law of Obligations, S. 549 ff.: „et si in alium contractum res non transeat, subsit tamen causa, … esse obligationem“. 102 Zimmermann, Law of Obligations, S. 549 ff. 103 D. 2, 14, 7, 4, zit. Zimmermann, Law of Obligations, S. 508; vgl. auch Söllner, Causa, S. 213. 104 Söllner, Causa, S. 212. 105 Dazu Söllner, Causa. 106 Accursius, Glosse „causa“ zu D. 2, 14, 7, 2 – zit. nach Söllner, Causa, S. 220. 107 Söllner, Causa, S. 222. 108 Söllner, Causa, S. 222. 109 Söllner, Causa, S. 223. 110 Bartolus Nr. 19, 20 zu D. 2, 14, 7, 5: „Aut enim fit ex aliqua causa vera et habet locum actio de constituta“ – zit. nach Söllner, Causa, S. 230.

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Kap. 2: Historische Betrachtung

kondizierbar.111 Entscheidend ist Bartolus’ Gedanke, dass im dritten Falle einer nicht angegebenen Causa beim pactum eine donatio (Schenkung) bestünde. Nach nachklassischem Recht wurde das formlose Schenkungsversprechen klagbar gemacht und damit vom Rang eines pactum nudum in den eines pactum vestitum erhoben.112 Bartolus, der im Grunde genommen den Lehrsatz ex pacto nudo non oritur actio verteidigen wollte, titulierte jedoch das pactum bei einer donatio als pactum nudum, was den Effekt eines pactum vestitum hat.113 Gegen die These, dass ein pactum ohne Angabe einer causa als donatio zu behandeln sei, wandte sich Baldus de Ubaldi. Die Causa einer liberalitas (Freigebigkeit, causa der donatio) bedürfe ausdrücklicher Angabe.114 Die Abwesenheit eines Schuldgrundes indiziere keine liberalitas, sondern eine stultitia (Dummheit), also ein nicht ernsthaftes Versprechen.115 Für die weiteren hierauf aufbauenden Erwägungen von Baldus ist als Ausgangspunkt im besonderen Maße die scholastische Lehre von der Kausalität zu erwähnen.116 Unter Rezeption von Aristoteles’ Kausalitätslehre unterschied Thomas von Aquin vier Arten von Ursachen – die Materie, causa materialis, die Form, causa formalis; die Wirkursache, causa efficiens; die Zweckursache, causa finalis.117 Die mittelalterlichen Juristen hatten auf dieser scholastischen philosophischen Grundlage ihre eigene Causa-Lehre entwickelt, deren Schwerpunkt in der Unterscheidung zwischen causa finalis und der sog. causa impulsiva lag.118 Letztere war ursprünglich identisch mit der causa efficiens, hatte aber im juristischen Bereich eine andere Bedeutung erlangt:119 Bei Jacobus Butrigarius wurde zwischen causa efficiens und causa impulsiva dahingehend unterschieden, dass bei Entfall des Ersteren ihre Wirkung zwangsläufig entfiele, nicht aber bei letzterem.120 Anders, nach heutigen

111

Bartolus Nr. 19, 20 zu D. 2, 14, 7, 5: „Aut ex falsa causa et non est quaerendum de actione, quia si comperet posset condici liberatio per ti. de cond. Sine caus“ – zit. nach Söllner, Causa, S. 230. 112 Jörs/Kunkel/Wenger, Römisches Privatrecht, S. 246. 113 Söllner, Causa, S. 231. 114 Baldus, Nr. 5 zu C. 4, 30, 13: „Nam si voluisset donare, hoc expressisset, sicut ergo nulla inserta causa praesumitur stultitia non liberalitas, ita inserta falsa causa ex certa scientia.“ – zit. nach Söllner (Fn. 96), S. 232. 115 So beschreiben modernere Autoren die Causa gerne als „Seriösitätsindiz“: Zweigert, JZ 1964, 349. 116 Zimmermann, Law of Obligations, S. 551; Söllner, Causa, S. 183 – 189. 117 „Est autem quadruplex genus causae, sciliet finalis, formalis, efficiens et materialis“; Summa Theologice P. I – II Qu. 27 art. 3 – zit. nach Söllner, Causa, S. 184. 118 Söllner, Causa, S. 208. 119 Söllner, Causa, S. 209. 120 Jacobus Butrigarius zu C. 1, 3, 52: „I. 1. aut est causa impulsiva et cessante ea non cessat effectus ut in contrario, j 2. aut finalis et inter ea cessante cessat effectus ut hic“ – zit. nach Söllner, Causa, S. 209.

B. Das Scheingeschäft bei den Glossatoren und Kommentatoren

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Vorstellungen ausgedrückt könnte man sagen, wirkt also in diesem Sinne die causa efficiens nicht träge, die causa impulsiva träge auf ihren Wirkgegenstand ein.121 Bei Baldus findet sich nun im Kontext der Stipulation die Aussage, dass an Stelle einer zwingenden causa finalis auch eine „überzeugende“ (persuadens) causa impulsiva in die Stipulation aufgenommen werden könne.122 Denn das unterscheidende Merkmal der causa impulsiva wurde darin gesehen, dass es keine zwingende (cogens) Folge mit sich brächte, sondern lediglich eine überzeugende (persuadens), d. h. eine Einwirkung in Richtung auf den Erfolg darstellt.123 Die causa finalis ist in diesem Sinne ein vorhergegangenes Geschäft, ein negotium antecedens.124 Dagegen sei aber auch die causa impulsiva als jeder andere „überzeugende Grund“ ausreichend,125 was Baldus am Falle einer Stipulation einer Bürgschaft für den Falle einer Mitgift bei einer Hochzeit darlegt.126 Dieser Gedanke wurde von Baldus von der Stipulation auf die pacta im Allgemeinen übertragen.127 Das gleiche galt für die Nominatkontrakte (emptio venditio, locatio), welche nach Baldus ihren Rechtsgrund bereits in sich selbst tragen.128 Die kanonische Lehre konnte aufgrund der christlichen Moralvorstellungen keine Unterscheidung zwischen pacta nuda und pacta vestita, so wie die weltlichen Legisten, machen; das christliche Verbot der Lüge mache zwischen einem Eid und einer gewöhnlichen Rede keinen Unterschied.129 Das pactum nudum war als verbindliches Versprechen dementsprechend klagbar.130 Diese Gedanken wurden, wie Söllner darstellt, von Baldus rezipiert, was zu entscheidenden Entwicklungen führte. So folgerte Baldus aus der Ansicht der Kanonisten, dass auch ein pactum nudum klagbar war, wenn es eine zwingende causa finalis oder eine überzeugende causa impulsiva aufweise, die auch in eine Stipulation übernommen werden kann.131 Dieser Satz galt aber nur für das kanonische Recht, das

121 Zur Unvereinbarkeit des Lehrsatzes „cessante causa cessat effectus“ mit den modernen Vorstellungen der Trägheit in der Physik: Friedrich/Michaëlis, Wörterbuch, S. 115. 122 Baldus, Nr. 22 zu C. 4, 30, 13: „Tamen loco finalis causae de voluntate promissoris potest inferri causa impulsiva id est non cogens sed persuadens[…]“ – zit. nach Söllner, Causa, S. 233. 123 Söllner, Causa, S. 186. 124 Vgl. Söllner, Causa, S. 235; Bremkamp, Causa, S. 75 f. 125 Söllner, Causa, S. 235; Bremkamp, Causa, S. 75 f. 126 Baldus zu D. 17, 1, 60, 2: „Quod quis promisit pro pace consequenda occasione matrimonii, non potest a muliere repetere.“ – zit. nach Söllner, Causa, S. 234. 127 Zimmermann, Law of Obligations, S. 552; Söllner, Causa, S. 236. 128 Baldus, ad C. 4, 30, 13 n. 23: „… stipulatio est contractus aliunde tamen causandus, quod non est in aliis contractibus specificatis, ut in locatione, emptione et venditione etc., qui sunt causa sui ipsius.“– zit. nach Söllner, Causa, S. 233. 129 Söllner, Causa, S. 244. 130 Söllner, Causa, S. 244. 131 Söllner, Causa, S. 248.

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Kap. 2: Historische Betrachtung

dadurch eben ein vestimentum mehr als das weltliche Recht aufwies.132 Die Causa einer Obligation konnte damit für Baldus im Sinne der scholastischen Kausalitätslehre als der Grund für deren Wirkung, nämlich der Zulassung der actio, gesehen werden.133 Schlussendlich fand sich bei den späteren Legisten eine Reduktion des Verständnisses des Begriffes „pactum nudum“ auf Fälle von Versprechen ohne eine causa.134

II. Die simulatio de causa in causam Wie Coing feststellte, gab es in der Lehre von Bartolus und Baldus einen weitgehenden (funktionellen) Gleichlauf von simulierten und fraus legis-Geschäften, obgleich ihnen die Unterschiede beider Institute durchaus bewusst waren.135 Die von Coing bei Baldus und Bartolus identifizierten Fälle von simulatio a causa in causam betreffen zumeist Konstellationen, in denen ein Geschäft in ein anderes gekleidet wird, um bestimmte Gesetze zu umgehen. Bei Bartolus zu C. 4, 22, 3136 wird die Anordnung des Codex, bei einem Kauf mit Wiederkauf zum wirtschaftlichen Zwecke des besicherten Darlehens diesen als Darlehen zu behandeln137, folgendermaßen kommentiert: Der Unterschied zwischen pfandgesichertem Darlehen und Kaufvertrag liege darin, dass beim Pfandgeschäft die Nutzungen auf die Darlehensvaluta (debitum) angerechnet werden (und dadurch diese mindert), wobei Bartolus hierbei auf C. 4, 24, 2 rekurriert.138 Die Figur der Simulatio dient offensichtlich der Korrektur der Anwendbarkeit bestimmter Rechtsregeln auf Umgehungssachverhalte, wie Pfaff bereits ausführlich dargestellt hat.139 Bartolus spricht bei diesem Sachverhalt noch von einer „simulatio de contractu ad contractum“. Hingegen wird die Problematik an anderer Stelle begrifflich noch präziser auf den Punkt gebracht: Angelpunkt der Bewertung derartiger Konstellationen ist, ob es sich um eine „causa simulata“ handelt140, also um einen bloß simulierten Geschäftszweck oder Rechtsgrund. Mit dem simulatus contractus werden nicht nur beliebige Vertragsmodalitäten gemeint, sondern die Simulation 132

Söllner, Causa, S. 252. Söllner, Causa, S. 251. 134 Söllner, Causa, S. 251. 135 Coing, Simulatio, S. 414; vgl. Baldus zu C. 5, 9, 6 zu C. 2, 6, 3, Nu. 6: „Tot modis commititur simulatio quot modis committitur fraus.“ – zit. Coing, Simulatio, S. 414. 136 Bartolus, Band IV, S. 454: „In simulatione de contractu ad contractum, praevalet veritas. Hoc dicit, quaero ad quid est hoc utile? Respondeo: quia pignore percepto, fructus extenuant debitum.“ 137 C. 4, 22, 3: „Emptione pignoris causa facta non quod scriptum, sed quod gestum est inspicitur.“ 138 Dazu vgl. Busse, Wiederkauf, S. 34. 139 Pfaff, Fraudem Legis Agere, S. 32 ff. 140 Vgl. Bartolus, Cons. 1, 65: „non apparet causa simulata“. 133

B. Das Scheingeschäft bei den Glossatoren und Kommentatoren

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eines Vertragstyps über den anderen. Nur so erklärt sich bei ihm die ansonsten bestehende Abgrenzung zwischen „simulatio de contractu ad contractum“ und der „simulatio de persona ad personam“, die nicht plausibel wäre, wenn ersterer Fall gerade jeden Fall einer Vertragsmodalität umfasste. Baldus hingegen bricht diesen Gedanken herunter auf das tragende Element des Vertrages, welches im Fall der „retrovenditio“ simuliert wird und den Vertragstypus prägt, nämlich die Causa (die wir nach dem oben Gesagten in der scholastisch-juristischen Diktion causa impulsiva nennen können). Im Falle des in C. 2, 4, 21 als Kauf verdeckten Vergleichs urteilt Baldus, dass der Vertrag als Vergleich und nicht als Kauf zu behandeln sei.141 Hier lag offensichtlich für Baldus ein Fall simulierter Causa vor. Bemerkenswert sind die Distinktionen Baldus’ in seinem Kommentar zu C. 2, 6, 3. In dieser Codexstelle wurde einem Anwalt ein Honorar versprochen. Dabei wurde ihm zum Scheine eine Urkunde ausgestellt, laut welcher vom Anwalt dem Mandanten ein zurückzubezahlendes Darlehen ausbezahlt worden sei; es kam zur Klage, als der Mandant nicht zahlen wollte. Baldus definiert als Voraussetzung für die Annahme einer Simulation, dass nach außen hin der bloße Schein eines Rechtsgrunds getragen werden muss. Wenn aber ein Rechtsgrund durch einen anderen ausgedrückt wird, und dieser „äquipollent“, gleichwertig ist, so liegt keine Simulation vor (sondern nach Söllner eine Novation142). Fehlt eine Äquipollenz, so besteht dagegen eine Simulation. Als nicht äquipollent nennt Baldus die Causae der locatio und der emptio. Der ursprüngliche in der von Baldus besprochenen Konstellation gegebene Schuldgrund ist das versprochene Mandatshonorar. Mit der Begebung der Schuldurkunde über das Darlehen wird für Baldus in zulässiger Weise diese Obligation noviert; das Geschäft ist von diesem Zeitpunkt an als Darlehensvertrag wirksam. Dies ist eine sehr dogmatische Sichtweise; unklar ist, welchen Wertungsunterschied Baldus zwischen dem Fall sah, in welchem ein Rechtsgrund unmittelbar simuliert wird (wie in C. 2, 4, 21) und dem Fall, in welchem ein Rechtsgrund durch einen simulierten ersetzt wird. Durch das Kriterium der Äquipollenz scheint zwar dabei bereits ein frühes Denken im Sinne der heutigen Geltungstheorie des Rechtsgeschäfts eingesetzt zu haben: Insoweit die unmittelbaren Rechtsfolgen zweier Causae identisch sind, denn nichts anderes kann „Äquipollenz“ im juristischen Kontext bedeuten143, kommt es auf die Causa nicht an. Insofern war eine „Gleichgeltung“ zweier Rechtsgeschäfte gemeint: Dies würde insoweit dem herrschenden Ver141 Baldus zu C. 2, 4, 21: „ubi est vera transactio et simulata emptio, statur transactioni et contractus simulatus nihil operatur“ – zit. nach Coing, Simulatio, S. 407. 142 Söllner, Causa, S. 238 unter Berufung auf den Bezug zu C. 4, 2, 6, der eine Novation betrachtet. 143 Äquipollenz ist nach mittelalterlichen Philosophie die „Gleichgeltung“ zweier Begriffe oder Aussagen. Dazu Menne, «Äquipollenz», in: Ritter, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, Sp. 479, Basel 1971.

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Kap. 2: Historische Betrachtung

ständnis des heutigen § 117 BGB entsprechen, welches in Fällen artifizieller Vertragsgestaltungen gerade deren Anwendung ablehnt, da die Rechtsfolgen wirklich gewollt sind. Allerdings ist dieser Gedanke eben nicht zu verallgemeinern, wie der Kommentar zu C. 2, 4, 21 zeigt; denn wird eine Causa von Anfang an simuliert, erkennt Baldus auf eine Simulation.144 Man kann also die Differenzierung zwischen den Fallgruppen der Novation und der Simulation nur mit der dogmatischen Notwendigkeit erklären, die sich aus dem Codex ergibt. Das Erfordernis der Äquipollenz ergibt sich schon aus der Notwendigkeit der Inhaltsgleichheit145 von alter und neuer Schuld bei der römischen Novationsstipulation; dies sagt schon die Begründung in der ursprünglichen Codexstelle: „cum obligationis non defecerat substantia“.146 Der Gedanke der Äquipollenz ähnelt sehr dem Gedanken Bettis, der als Voraussetzung für die Geltung einer zweckwidrig verwendeten Geschäftsform voraussetzt, dass sich der tatsächlich verfolgte Zweck der angegebenen Geschäftsform „unterordnen“ muss.147 Aus dem Werk Baldus’ ergibt sich jedoch wie gesagt nur die Anwendung dieses Gedanken der Äquipollenz bei nachträglicher Ersetzung einer Causa durch eine andere. Das Verständnis der simulatio als eine Simulation der Causa eines Vertrages zeigt sich jedenfalls auch bei diesen Erwägungen des Baldus, da er zumindest bei fehlender „Äquipollenz“ von einer Simulation der vorgeschobenen Causa spricht. Die Folge der Simulation war bei einer Verdeckung eines anderen Geschäftes, dass das verdeckte Geschäft gültig ist. Dies entspricht dem heutigen § 117 Abs. 2 BGB. Bei der simulierten Causa war damit das Geschäft nach der dissimulierten Causa zu behandeln.148 Die Kommentatoren sahen folglich die Simulation als die Vorspiegelung eines falschen Tatbestands, insbesondere eines anderen Geschäftstypus als den wirtschaftlich hierzu vorgesehenen. Folglich löste man die Problematik artifizieller Vertragsgestaltungen weitgehend mittels der Lehre der Simulation.

C. Abgrenzung zwischen fraus legis und simulatio Bemerkenswert ist die Beschäftigung von Baldus mit der Rechtsauffassung des Juristen Odofredus in seinem Kommentar zu C. 4, 22, 3149 :

144

Siehe Fn. 141. Zur Novation Kaser, Römisches Privatrecht I, S. 647. 146 C. 4, 2, 6; „weil es an einer Obligation in der Sache nicht fehlt.“ 147 Siehe oben, S. 24. 148 „Ubi est vera transactio et simulata emptio, statur transactioni et contractus simulatus nihil operatur“, Baldus zu C. 2, 4, 21 zit. nach Coing, Simulatio, S. 407. 149 Dazu auch Coing, Simulatio, S. 414. 145

C. Abgrenzung zwischen fraus legis und simulatio

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Et pone casum, quedam res fuit pignorata creditori in veritate, tantum in fictione fuit factum instrumentum venditionis sicut feneratores saepe faciunt volendo percipere in fraude usurau fructus. Querit numquid stemus veritati an scripture. Respondet quod stemus veritati. Hoc dicit. Et pet hanc legem removentur fraudes feneratorum. Sed Odof. aliter figurat casum [nun die Ausführungen des Odofredus] tu volebas quod ego mutuarem tibi centum, ego tibi dixi: paratus sum, sed volo quod re vera tu vendas mihi pro istis centum praedium tuum et go tibi revendam post decennium pro eodem pretio: nam cognito quod causa originalis fuit causa mutui et non emptionis istud instrumentum iudicatur foeneraticium et usurarium secundum Odof. Übersetzung: Und man stelle sich diesen Fall vor: irgendeine Sache war an den Gläubiger in Wirklichkeit verpfändet und in der Vertragsgestaltung durch eine Urkunde über einen Verkauf gestaltet, wie es Zinswucherer häufig tun, um damit in Täuschung über den Zinscharakter die Nutzungen zu ziehen. Das Gesetz fragte, ob wir bei der Wahrheit oder beim Geschriebenen stehen bleiben sollen. Es antwortet, dass wir bei der Wahrheit stehen bleiben sollen. Dies sagt das Gesetz. Und durch dieses Gesetz werden die Täuschungen über den Zinswucher beseitigt. Aber Odofredus stellt den Fall anders dar: Du wolltest, dass ich dir 100 darleihe, und ich habe dir gesagt: ich bin bereit dazu, aber ich will, dass du mir tatsächlich dein Landgut für 100 verkaufst und ich dir nach 10 Jahren für denselben Preis dieses wiederverkaufe: denn ich sehe ein, weil der ursprüngliche Rechtsgrund der eines Darlehens und nicht eines Kaufvertrags war, dass jene Urkunde als wucherisch und verzinslich einzuordnen ist, gemäß Odofredus.

Odofredus hatte also den paradigmatischen Fall des Rückkaufes vor Augen gehabt. Baldus sah einen Widerspruch zu der eigenen Rechtsauffassung: Si aut non constaret de originali mutuo tunc ex tali pacto non propterea iudicaret usurarium et cum usurario factum quia usurarij ineunt saepe veros contractus. Et ita intellegit quidam non. Übersetzung: Wenn er sogar nicht mit der Tatsache eines ursprünglichen Darlehens übereinstimmte, dann wäre nicht deswegen aus einem derartigen Vertrag zu folgern, dass dieser wucherisch und mit einem Zins abgeschlossen wurde, weil die Wucherer häufig wahre Verträge eingehen. Und daher hat er etwas nicht verstanden.150

Während Baldus also behauptet, es handle sich schon ursprünglich um ein Darlehen, geht Odofredus laut Baldus davon aus, es handle sich um einen Kaufvertrag, der zum Zwecke des Darlehens abgeschlossen wurde. Odofredus sieht nach Baldus hingegen als ursprüngliche, eigentliche Causa (causa originalis) nicht das Darlehen, sondern den Verkauf. Baldus bezieht sich damit auf folgende Stelle bei Odofredus: In lege ista ponetis ita casum, in burgensibus Francie: quod ipsi non facerent usuram aliquot modo: sed in ipsi in decuplo faciut deterius. Iam venit miles qui fecit male facte sua ad 150

Baldus, Super quarto codicis, S. 63. Eigenübersetzung.

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Kap. 2: Historische Betrachtung burgendsem: dicit miles, mutueris mihi centum libras ad usuaras. Dicit burgensis, non facere usura aliquot modo: [?is] vendatis mihi forestam vestram usque ad xx annos, et mutuabo vobis centum sed volo quod ponatur instrumento quod finite tempore reddam vobis, si reddatis mihi centum. Certe si probetur quod mutui causa fuit facta ista venditio, ille contractus iudicabit feneratitius contractus: et ideo non valet. Übersetzung: In diesem Gesetz war der Fall so gelegen, bei Bürgern Frankreichs: dass diese in keiner Weise ein verzinsliches Darlehen abgeschlossen haben. Aber in diesem Fall ist etwas zehnmal Schlimmeres passiert. Nun kam ein Soldat, der sich beim Bürger in sein Unglück stürzte. Der Soldat sprach: leihe mir 100 Pfund zu Zinsen. Es sprach der Bürger, sie würden in keiner Weise einen Zinssatz vereinbaren. „Ihr verkauft mir euren Wald bis auf 20 Jahre und ich werde euch 100 leihen. Aber ich will, dass in einer Urkunde aufgestellt wird, dass ihr nach Zeitablauf die Sache zurückerhaltet, wenn ihr mir 100 zurückzahlt.“ Gewiss wird jener Vertrag als wucherisch beurteilt werden, wenn bewiesen wird, dass dieser Verkauf um eines Darlehens Willen abgeschlossen war: und dieser gilt dann nicht.151

Für Odofredus ist der Kauf als wucherisch und daher unwirksam einzuordnen, welcher „mutui causa“ um eines Darlehens Willen abgeschlossen wird. Dem entspricht die Wiedergabe durch Baldus, nach welchem laut Odofredus „re vera“, also tatsächlich ein Kauf abgeschlossen wurde. Baldus betont, Odofredus erkenne dabei nicht an, dass der Vertrag in seiner eigentlichen Rechtsnatur ein Darlehen sei. Anzumerken ist, dass im beschriebenen Falle kein im Vergleich zum ursprünglichen Kaufpreis höherer Rückkaufspreis vereinbart wurde. Warum stellte sich die Gefahr des Zinswuchers dennoch? Dies lässt sich dadurch begründen, dass nicht nur die Vereinbarung von verzinslichen Darlehen dem kanonischen Zinsverbot widersprach, sondern auch die Vereinbarung eines Pfandrechts, durch welches der Pfandgläubiger zur Nutzung der Sache berechtigt war, da es als zinsäquivalenter Vorteil gesehen wurde.152 Coing stellt fest, dass die Ansicht des Odofredus insoweit von der von Baldus auf Grundlage von Cod. 4, 22, 3 vertretenen Theorie einer Simulation abweicht und der Lehre von der fraus legis nahesteht, also der sinngemäßen Gesetzesanwendung.153 Baldus löst die Problematik nach dieser Sichtweise also über eine direkte Qualifikation, indem er den Kaufvertrag als simuliert betrachtet (causa simulata) und die „Wahrheit“ eines Darlehensvertrages gelten lässt. Dies ist für ihn das Mittel, die Gesetzesumgehung zu bekämpfen.154 Baldus kritisiert dabei die Auffassung des Odofredus: wenn man nicht anerkannte, dass es sich bei dem Vertrag schon ursprünglich um einen Darlehensvertrag handelte, dann könnte man nicht folgern, dass es sich um einen verzinslichen Vertrag handelte, nur weil es sich um Wucherer handelte, die diese (nach Odofredus nicht simulierten) Verträge eingingen.155 151 152 153 154 155

Odofredus, Lectura super codice 1, Luguduni 1552, S. 220. Eigenübersetzung. Dazu Neumann, Geschichte des Wuchers in Deutschland, S. 15, 180 ff. Coing, Simulatio, S. 414. Vgl. oben, S. 32 ff. Siehe oben, S. 35.

D. Zusammenfassung

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Odofredus legte dagegen dem Grunde nach das Gesetz aus, indem er es an den verbotswidrigen Zweck anknüpfen ließ. Die von Baldus vertretene Dichotomie zwischen „wahrem“ und „fingiertem“ Geschäft steht hingegen der Codexstelle C. 4, 22, 3 näher.156 Dennoch kannte Baldus an anderen Stellen auch den Gedanken des agere in fraudem legis, der Gesetzesumgehung; hier sah Baldus einen wesentlichen Gleichlauf zwischen Simulation und Gesetzesumgehung:157 „Tot modis committitur simulatio quot modis committitur fraus.“ – „Auf so viele Arten wie die Umgehung (fraus) begangen wird, wird die Simulation begangen.“158

D. Zusammenfassung Für das klassische römische Recht ist umstritten, ob eine Simulation anerkannt war oder das Recht weiterhin dem Formalismus verhaftet blieb. Im Codex Iustinianus hingegen wurde eindeutig der Grundsatz statuiert, dass nicht das Geschriebene, sondern das tatsächlich Gewollte Geltung finden sollte. Insbesondere das paradigmatische Beispiel des Wiederkaufs zu Pfandzwecken diente den Rezipienten im Mittelalter zur Herausbildung der Doktrin von „simulatio de causa in causam“. Mit der Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation wurde die Gesetzesumgehung im gemeinen Recht weitgehend zu einem Problem der Qualifikation – daher auch die Bezeichnung „simulatio de contractu ad contractum“ bzw. „simulatio de causa ad causam“ – die Vortäuschung eines Vertragstypus über einen anderen. Dennoch finden sich Ansätze des Gedankens der Gesetzesumgehung ebenfalls bei den mittelalterlichen Rechtsgelehrten wieder. Insbesondere Baldus schien die bloß sinngemäße Anwendung eines Gesetzes (worauf Odofredus Ansicht hinauslief) eine nicht ausreichende Begründung dafür zu sein, einen „echten“ Kaufvertrag wie einen wucherischen Darlehensvertrag zu behandeln.

156 157 158

Coing, Simulatio, S. 414. Coing, Simulatio, S. 414. Baldus zu C. 5, 9, 6; C. 2, 6, 3, Nu. 6, zit. nach Coing, Simulatio, S. 414.

Kapitel 3

Artifizielle Vertragsgestaltungen in fremden Rechtsordnungen A. Die Cause simulée in der französischen Jurisprudenz Im französischen Recht wird – entsprechend der gemeinrechtlichen Simulationslehre – die Doktrin der Simulation auch auf die Fälle der „cause simulée“ angewandt.159 Durch Vorspiegelung eines falschen Rechtsgrunds wird versucht, eine Qualifikation des Geschäftes nach einem anderen Rechtsgrund als dem tatsächlich gegebenen zu erstreben.160 Dies entspricht genau der hier erörterten Problematik der artifiziellen Vertragsgestaltungen. In Fällen einer bloß simulierten Causa soll dann der Tatbestand so behandelt werden, als sei die dissimulierte Cause erklärt worden.161 Die Möglichkeit eines derartigen Denkens wird sicherlich dadurch bekräftigt, dass die Causa mit der französischen Cause zum Vertragsbestandteil erhoben wurde. Im Urteil des französischen Cour de Cassation Soc. Nouvelle des produits chimiqes de la Mer Rogue c. Vogel et autres162 fand zwischen Vogel et al. (V) und der Societé nouvelle des produits chimiques de la Mer Rouge (S) ein Verkauf von Industriematerial und dazugehöriger Dokumentation statt. Der Kaufpreis wurde in fünf Raten aufgespalten, wovon jedes Jahr (die erste nach 15 Tagen) eine Rate zu entrichten war. Diese gehörten zur Societé des produits chimiques du Haut-Rhin (R). Vogel gab eine Erklärung ab, nach welcher es sich bei den veräußerten Gegenständen um das Eigentum von den weiteren Mitgesellschaftern und ihm handelte. Später kam es zu einer Erklärung Vogels in seiner Funktion als Geschäftsführer der R, in welcher er, ohne einen Preis festzusetzen, verschiedene Vorteile des Unternehmens (Gewerkschaftsregistrierungen), der vorrätigen Waren sowie die Nutzung des Unternehmens auf Zeit veräußerte. 159

Dazu allgemein Simler, JurisClasseur Civil, Art. 1131 à 1133, no. 65; Rochfeld, Cause, in: Encycl. Dalloz; Dagot, Simulation, S. 106 ff., 180 f.; Terré/Simler/Lequette, Les Obligations, S. 356. 160 Rochfeld, Cause, in: Encycl. Dalloz, Nr. 82. 161 Dazu Dagot, Simulation, S. 106 ff., 180 f. 162 Cour de Cassation (274) Civ. 21. 4. 1958, Bull. 1958.I. no. 195, p. 154.

A. Die Cause simulée in der französischen Jurisprudenz

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Schließlich macht S die Nichtigkeit des Vertrages wegen einer cause illicite (Verstoß gegen ein Verbotsgesetz) geltend: Das Geschehen sei in Wirklichkeit ein verdeckter (dissimuleé) Kauf; die Dissimulation verstoße dann gegen bestimmte Abgabevorschriften und sei damit wegen dieses Gesetzesverstoßes nichtig. Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass die Abgabevorschriften auf diese Art von Transaktion keine Anwendung fänden und hat daher eine Nichtigkeit abgelehnt. Der Kassationsgerichtshof (Cour de Cassation) kassierte dieses Urteil und verwies es zurück (renvoie): Es fehle an einer rechtlichen Grundlage für das Urteil, da sich das Gericht mit der geltend gemachten Dissimulation nicht beschäftigt habe und die Gültigkeit des Geschäftes lediglich bestätigt habe. Der Gerichtshof schließt damit in seinem Urteil die Anwendung der Doktrin der Simulation, die dem deutschen § 117 BGB entspricht, nicht aus. Dagot bringt auf den Punkt, um welche Art von Simulation es sich in einer solchen Konstellation handelt: „cause simulée“, die Simulation eines Rechtsgrundes über dem tatsächlich bestehenden.163 Die einseitige scheinbare Leihgabe der Unternehmensgegenstände von R an S durch die dritte Erklärung des V sei in Wirklichkeit Teil des Kaufvertrages.164 Die scheinbar unentgeltliche Verpflichtungen der R vermögen in Wirklichkeit Teil des synallagmatischen Pflichtenprogramms aus einem gegenseitigen Vertrag zu sein.165 Bei Epoux Aguilar C. Peyrichou166 verkaufte jemand einem Ehepaar ein Stück Land für 40.000 Francs. Daraufhin unterzeichneten die Käufer ein Schuldanerkenntnis i. H. v. 54.000 Francs. Die Käufer verklagten den Verkäufer nun auf Rückzahlung von 54.000 Francs und Annullierung des Schuldversprechens. Der Gerichtshof kassierte das Urteil des Appellationsgerichts, welches die Klage abwies. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass im Falle des Beweises einer simulierten Cause der Anspruchssteller ebenfalls das Bestehen der richtigen Cause geltend machen müsste: Attendu qu’il résulte de ces textes [les articles 1315, alinéa 1er, et 1132 du Code civil] que lorsque la cause de l’obligation est démontrée fausse il incombe au bénéficiaire de prouver que sa créance repose sur une autre cause licite et que, faute par lui de faire cette preuve, il doit succomber dans ses prétentions. Übersetzung: Aus den §§ 1315 Abs. 1 und 1132 des Code Civil ergibt sich, dass, wenn die Cause einer Verbindlichkeit falsch angegeben ist, es dem Begünstigten obliegt, zu beweisen, dass der Rechtsgrund für die Schuld auf eine andere rechtmäßige Causa zurückzuführen ist und dass, wenn es ihm nicht gelingt, er im Rechtsstreit unterliegt. 163

Dagot, Simulation, S. 107. Vgl. Dagot, Simulation, S. 107. 165 Freilich passt die Pflicht zur bloß zeitweisen Gebrauchsüberlassung nicht zu den typischen Pflichten eines Kaufvertrags; warum sie in dieser Konstellation so ausgestaltet war, lässt sich nicht mehr ermitteln. 166 Abgedruckt mit Anmerkung von Marguénaud bei [1990] 17 Recueil Dalloz Sirey 241. 164

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Kap. 3: Artifizielle Vertragsgestaltungen in fremden Rechtsordnungen

Bemerkenswert ist, dass im vorhergehenden Rechtsstreit die Cause als „falsch angegeben“ („démontrée fausse“) bezeichnet wird und gleichzeitig von einer Simulation ausgegangen wird („dissimulation du prix indiqué“). Das Gericht sah mithin in dem angegebenen Schuldgrund eine Dissimulation des ursprünglichen Kaufes durch das angebliche Darlehen. Marguénaud betont, dass die falsche Causa („la fausse cause“), wovon das Gericht spricht, in Wirklichkeit zwei verschiedene mögliche Fälle umfasst: die irrtümliche Causa („cause erronée“) und die absichtlich falsch angegebene Causa („cause simulée“).167 Auch, wenn im Vordergrund der Entscheidung die Fragen der Beweislast standen, zeigt das Urteil den Umgang mit artifiziellen Vertragsgestaltungen im französischen Recht: Es sollte offensichtlich der wahre Kaufpreis verdeckt werden und mittels eines scheinbaren Darlehens dennoch geschuldet sein, um den Fiskus zu täuschen.168 Diese Täuschungsabsicht könne nach kritischen Kommentatoren hingegen keine Vermutung für eine rechtswidrige Cause begründen (welche ein Wirksamkeitshemmnis für einen Vertrag darstellt):169 Es herrsche das sog. „principe d’indifference“, nach welchem das Vorliegen der Simulation (bzw. eines Verdeckungsgeschäfts) für sich weder eine Nichtigkeit noch eine Wirksamkeit begründe. Wenn ein Vertrag gem. Art. 1132 Code Civil a.f. wirksam ist, auch wenn keine Cause genannt wird, muss er auch wirksam sein, wenn eine andere Cause als der wahre Rechtsgrund angegeben wird.170 Dieses Denken konnte bereits für das gemeine Recht bei den Kommentatoren und Glossatoren identifiziert werden. Es zeigt, wie naheliegend eine solche Lösung ist, wenn man die gemeinrechtliche Causa als Cause wie im französischen Recht zu diesem Zeitpunkt als notwendigen Bestandteil jedes Vertrages anerkennt. Zwar ist mit der Reform von 2016171 die Cause kein expliziter Vertragsbestandteil mehr, allerdings findet deren Gedanke auch nach der Reform in zahlreichen Vorschriften des Code Civil wieder.172 Wenn z. B. der Art. 1168 CC an das Synallagma anknüpft, so ist naheliegend, dass für diesen Begriff die Cause wiederaufzugreifen ist und hier auch zur Bestimmung des Synallagma auf die cause simulée zurückgegriffen wird. Wie noch zu zeigen ist, bietet sich diese Lösung auch für das deutsche Recht an.

167 168 169 170 171 172

Marguénaud, [1990] 17 Recueil Dalloz Sirey 241, 242. Marguénaud, [1990] 17 Recueil Dalloz Sirey 241. Marguénaud, [1990] 17 Recueil Dalloz Sirey 241. Simler, JurisClasseur Civil, Art. 1131 à 1133, no. 66. Siehe oben, S. 28. Dazu Larroumet, Les Obligations, S. 367.

B. Die Rechtsprechung zur recharacterization im englischen Recht

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B. Die Rechtsprechung zur recharacterization im englischen Recht I. Entwicklung der Rechtsprechung Im englischen Recht wurde und wird diese Problematik deutlich stärker mit hoher gerichtspraktischer Relevanz unter dem Begriff „Umdeutung“ diskutiert, namentlich im Bereich des Kreditsicherungsrechts.173 Durch unterschiedliche Formgestaltungen sogenannter quasi securities versuchen Parteien regelmäßig, Sicherungsrechte zu vereinbaren, die nicht dem Registrierungserfordernis des Companies Acts 2006174 entsprechen und möglicherweise vorrangige bestehende Sicherungsrechte aushöhlen. Dabei wird die Anwendbarkeit von Rechtsnormen vorwiegend durch die rechtliche Qualifizierung von Verträgen zu einem bestimmten Vertragstypus vorgenommen.175 Leitmotiv ist die Dichotomie zwischen Rechtsform und rechtlicher „Substanz“: Frühere englische Rechtsprechung war generell zurückhaltend gegenüber einer derartigen „Recharacterisation“. Lord Herschell betonte in Lloyds and Scottish Finance Ltd v Cyril Lord Carpet Sales Limited: Es wäre ein befremdliches Dogma ,auf die Substanz zu schauen‘ oder ,durch die Dokumente hindurch zu blicken‘, wenn diese zum Schluss einer vertraglichen Absicht käme, die so deutlich den Schriftsätzen und mündlichen Einlassungen widerspräche.176

Der zugrundeliegende Fall war eine dem Factoring ähnliche Situation des „block discounting“, bei welchem Forderungen eines Unternehmen gegen Kunden gegen Zahlung einer Geldsumme abgetreten werden, und – im Unterschied zum Factoring – der Veräußerer der Forderungen weiterhin für deren Einzug zuständig bleibt.177 Es bestand hier die Frage, ob es sich um ein forderungsbesichertes Darlehen handelte und nicht um einen Kaufvertrag, sodass die dann sicherheitshalber abgetretenen Forderungen für eine Wirksamkeit einer Eintragung nach dem Companies Act bedurft hätten. Hierbei wurde betont, dass die „vertragliche Absicht“ eindeutig ist, dass ein Forderungskaufvertrag vorlag; insoweit sollte eine Umqualifizierung in ein eintragungspflichtiges forderungsbesichertes Darlehen nicht möglich sein. 173 Zitierte Grundsatzurteile sind u. a. Welsh Development Agency v Export Finance Co Ltd [1992] BCLC 148; Re Curtain Dream plc [1990] BCLC 925; weiter Berg, [2003] JBL 205; in der deutschen Literatur lediglich beschrieben bei Lenhard, Mobiliarkreditsicherungsrecht. 174 Section 859 A Companies Act 2006. 175 Section 859 A para 7 des Companies Act 2006 definiert den maßgeblichen Begriff des Sicherungsrechtes (charge): „,charge‘ includes (a) a mortgage (b) a standard security, assignation in security [Sicherungszession][…]“. 176 „It would be a strange doctrine of ,looking for the substance‘ or ,looking through the documents‘ which would produce a contractual intention so clearly negated by the documents and by oral evidence“ [1992] B.C.L.C. 609, zit. nach Berg, [2003] JBL 205. 177 Clarke u. a., Commercial Law, S. 965 ff.

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Kap. 3: Artifizielle Vertragsgestaltungen in fremden Rechtsordnungen

In Orion Finance Ltd v Crown Financial Management Ltd führt Millett L.J. noch aus: The categorisation of a document is determined by the legal effect which it is intended to have. 178 Übersetzung: Die Qualifikation eines Rechtsaktes ist durch den rechtlichen Effekt bestimmt, welcher [von den Parteien] beabsichtigt wird.

Nicht etwa maßgeblich ist die wirtschaftliche Wirkung, aber auch nicht maßgeblich ist die Bezeichnung des Geschäfts durch die Parteien selbst. Orion Finance geht dagegen jedoch von einer Präsumtionswirkung der Eigenqualifikation der Parteien aus: Unless the documents taken as a whole compel a different conclusion, the transaction which they embody should be categorised in conformity with the intention which the parties have expressed in them. 179 Übersetzung: Außer wenn die Dokumente in ihrer Gesamtheit dazu zwingen, eine andere Folgerung zu ziehen, sollte das Rechtsgeschäft, das sie verkörpern, in Übereinstimmung mit der Absicht qualifiziert werden, die die Partien in ihnen ausgedrückt haben.

Berg erkennt einen Einschnitt in dieser Rechtsprechung mit dem Urteil Agnew v Commissioner of Inland Revenue, in welchem Millett ausführt: The question is not merely of construction […] Once these [the rights and and obligations which the parties decided to grant each other] have been ascertained, the court can then embark on the second stage of the process, which is one of categorization. 180 Übersetzung: Die Frage ist nicht rein eine Auslegungsfrage. Sobald die Rechte und Pflichten, die die Parteien gegenseitig vereinbart haben, bestimmt wurden, kann das Gericht zur zweiten Phase seines Vorgehens übergehen, nämlich zur Qualifikation.

Nach Berg sei dies das erste Mal, dass ein Gericht festgestellt habe, dass die rechtliche Qualifikation eines Vertrages eine reine Rechtsfrage sei, die als solche nicht vom Parteiwillen abhänge.181 In Re Polly Peck International plc führt Robert Walker J. aus: „Wir beschäftigen uns nicht mit Wirtschaft, sondern mit Recht.“182 Eine weitere Aussage in Re George Inglefield Ltd. legt nahe, dass im englischen Recht eine deutlich liberalere Haltung vorzuherrschen scheint, wenn es um Gesetzesumgehung geht: 178 179 180 181 182

[1996] 2 B.C.L.C. 78 at p. 84. Zit. nach Berg [2003] J.B.L. 205 (223). [2001] UKPC 28. Berg [2003] J.B.L. 205 (223). „We are concerned not with economics, but with law“[1996] 2 All E.R. 433, 443.

B. Die Rechtsprechung zur recharacterization im englischen Recht

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If a man so conducts his affairs that he places himself outside the operation of an Act of Parliament, he cannot be said to be either evading it, or defeating it.183 Übersetzung: Wenn jemand seine Angelegenheiten so durchführt, dass er sich aus dem Anwendungsbereich eines Parlamentsgesetzes begibt, kann man nicht davon sprechen, dass er es umgeht oder vereitelt

Anders ausgedrückt trägt nach dieser Sichtweise im englischen Recht der Gesetzgeber das Risiko der Gesetzesumgehung, welches er selbst durch seine Macht, den Gesetzeswortlaut zu beeinflussen, mindern kann.184 In WDA v Exfinco185 lag streitgegenständlich ein Finanzierungsvertrag vor, in welchem statt einer Sicherheitsbestellung vereinbart wurde, dass im Falle eines jeden Verkaufs die Ware zunächst an den Financier Exfinco verkauft werden sollte (um einen Eigentumsübergang herbeizuführen186) und dann mit Wirkung für den Finanzier an den Kunden über eine nicht offengelegte Stellvertretung durch den Verkäufer (der wirtschaftlich dem Darlehensnehmer entsprach) veräußert werden sollte. Der Vertrag ähnelte der bekannten Konstellation des Wiederkaufs zu Sicherungszwecken. Hier führt Staughton L.J. aus: One can start from the position that statute law in this country, when it enacts rules to be applied to particular transactions, is in general referring to the legal nature of a transaction and not to its economic effect. 187 Übersetzung: Man kann davon ausgehen, dass Gesetzesrecht in diesem Land, wenn es anordnet, dass bestimmte Regeln auf bestimmte Rechtsgeschäfte Anwendung finden sollen, im Allgemeinen an die rechtliche Natur anknüpft und nicht an deren wirtschaftliche Wirkung.

Das Urteil verfestigte die vorhergehende Präzedenz, dass bei der Qualifikation von Verträgen keine ökonomische Betrachtung, sondern eine juristische Betrachtung vorzunehmen ist.

183

Re George Inglefield Ltd. [1933] Ch. 1. Vgl. Siehr, http://hwb-eup2009.mpipriv.de/index.php/Gesetzesumgehung zur fehlenden Doktrin der Gesetzumgehung im Common Law „Dies scheint auf folgender Überlegung zu beruhen. Der Gesetzgeber, der das common law einschränkt, möge sich gefälligst klar ausdrücken und ausdrücklich vorsehen, dass auch vom Wortlaut eines Gesetzes nicht erfasste Tatumstände geregelt sind. Tut er das nicht, bleibt es beim common law.“ 185 Hier findet sich übrigens auch der Begriff „artifzieller“ (artificial) Verträge am Rande wieder. 186 Im englischen Recht existiert keine abstrakte Eigentumsübertragung; ein der römischen mancipatio ähnliches nachgeformtes Rechtsgeschäft waren die bills of sale, bei welchen eine Sache sicherungshalber an einen Sicherungsnehmer verkauft wurde. Vgl. Clarke u. a., Commercial Law, S. 1084 f. 187 [1992] BCLC 148. 184

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Kap. 3: Artifizielle Vertragsgestaltungen in fremden Rechtsordnungen

Welcher rechtspolitische Aspekt hierhinter steckt, zeigt sich bei Re George Inglefield Ltd, einer der bei WDA v Exfinco im Wesentlichen zitierten Autoritäten: There are, no doubt, provisions, such as that in s. 79, which require a charge to be registered, but if you enter into a transaction outside these provisions which require registration as a condition of validity, you are unaffected by the law. It is not a question of evasion. A transaction is either within or without the law, and malice is not to be attributed to a person who so carries out a transaction that it remains outside the law. 188 Übersetzung: Es bestehen zweifellos Vorschiften, so wie in § 79 [Companies Act], die ein Sicherungsrecht einer Eintragungspflicht unterwerfen, aber wenn man ein Rechtsgeschäft außerhalb [des Anwendungsbereichs] solcher Vorschriften abschließt, die eine Eintragung als Wirksamkeitsvoraussetzung vorsehen, ist man von dieser Regelung auch nicht betroffen. Das ist keine Frage der Gesetzesumgehung: Ein Rechtsgeschäft ist entweder im Anwendungsbereich der Regelung, oder eben nicht, und eine Arglist kann man niemandem vorwerfen, der ein Rechtsgeschäft so gestaltet, dass es nicht dem Anwendungsbereich der Vorschrift unterfällt.

An dieser Stelle zeigt sich wieder eine Verfestigung des Grundsatzes bei Re George Inglefield Ltd.: Nicht der Rechtsverkehr, sondern der Gesetzgeber trägt im englischen Recht das Risiko, dass Fallkonstellationen unvorhergesehen nicht dem Wortlaut der Rechtsvorschrift unterliegen. An dieser Stelle sei auch noch festgehalten, dass das englische Recht generell auch gegenüber Analogiebildung von Statuten als sehr zurückhaltend gilt.189 Von äußerstem Interesse sind die Ausführungen in WDA v Exfinco bezüglich der Frage, ob es sich bei der Transaktion um ein Scheingeschäft (sham) handelte. Zwei opinions der Richter des Spruchkörpers des High Court machen genauere Ausführungen zu dieser Frage: Staughton L.J. unterscheidet zwischen einer „external route“ und einer „internal route“ bei der Begutachtung eines Vertragswerks.190 Jenes dreht sich um die Frage, ob das Geschriebene wirklich dem Vereinbarten entspricht und führt zur Frage, ob ein Scheingeschäft (sham) vorliegt. Die „internal route“ ist hingegen eine Frage der Qualifizierung des festgestellten (inneren) Inhalts der Transaktion. Die zitierten Autoritäten machen zusammengefasst für die Annahme eines sham zur Voraussetzung, dass die Parteien die Absicht hatten, ein anderes Pflichtenpro188

Hervorherbung durch Verf. [1933] Ch. 1, S. 22 – 23. Zur Zurückhaltung im englischen Recht bezüglich der Lösung von Gesetzesumgehungsversuchen, vgl. auch Schurig, Die Gesetzesumgehung, S. 392 – 397. 189 Vgl. jedoch Vogenauer, Auslegung von Gesetzen, S. 1264, der eine Tendenz im englischen Recht ausmacht, dass Gesetzesumgehungen auch dort durch Analogiebildung gelöst werden. Im angeführten Fall Street v Mountford [1985] AC 809 lag jedoch streng genommen nur eine Falschbezeichnung der Parteien bzgl. des Vertragstypus vor, welche unstreitig bei der Qualifikation außer Acht gelassen werden kann (oder jedenfalls eine widerlegliche Vermutung begründet). 190 [1992] BCLC 148 (186).

B. Die Rechtsprechung zur recharacterization im englischen Recht

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gramm gelten zu lassen als nach außen hin erklärt wird.191 Dass dies im Falle des vorgelegenen artifiziellen Finanzierungsvertrags der Fall sei, lehnt Staughton L.J. ab, da er keine Abweichung zwischen dem Erklärten und dem Gewollten sieht. Dies ähnelt stark dem herrschenden Verständnis im deutschen Recht, deren Vertreter in Fällen artifizieller Vertragsgestaltungen ein Scheingeschäft nicht annehmen wollen, da das Geschäft als solches ernstgemeint sei, da die Rechtsfolgen (= das vereinbarte Pflichtenprogramm) ernstlich gewollt waren.192

II. Zusammenfassung Die englische Sichtweise auf artifizielle Vertragsgestaltungen lässt sich daher folgendermaßen zusammenfassen: 1. Artifizielle Vertragsgestaltungen werden wie im deutschen Recht nicht als Scheingeschäfte aufgefasst. 2. Die Urteile unterscheiden zwischen der construction, also der Auslegung des Vertrages zur Ermittlung des vertraglichen Regelungsinhalts, und der characterization, der Qualifikation zur Prüfung des Anwendungsbereichs von Rechtsnormen. Allerdings finden sich Anhaltspunkte einer Präsumtionswirkung der Qualifikation durch die Parteien. 3. Das Verfahren der Qualifikation berücksichtigt den rechtlichen Gehalt und nicht den ökonomischen Gehalt des Vertrages; anders ausgedrückt wird lediglich das vereinbarte Pflichtenprogramm berücksichtigt, ohne eine etwaige wirtschaftliche Zweckrichtung zu beachten. 4. Die Urteile scheinen das Problem auch wertend bei einem weiten Verständnis der Privatautonomie anzugehen; artifizielle Vertragsgestaltungen erscheinen als ein legitimes Mittel, zwingende Rechtsvorschriften zu umgehen.193

191

Insbesondere zitiert Staughton L.J. aus dem Fall Snook v London and Westriding Investments [1967] I All ER 518 (528): „… for acts or documents to be a ,sham‘, with whatever legal consequences follow from this, all the parties thereto must have common intention that the acts or documents are not to create the legal rights and obligations which they give the appearance of creating. No unexpressed intentions of a ,shammer‘ affect the rights of a party whom he deceived.“ 192 Hierzu siehe unten, S. 45 ff. 193 So betont auch Benecke, Gesetzsumgehung, S. 31, dass in England eine weitgehende Toleranz für Gesetzesumgehungen vorherrscht und der Rechtsverkehr dort nicht über den Wortlaut der Gesetze eingeschränkt werden soll.

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Kap. 3: Artifizielle Vertragsgestaltungen in fremden Rechtsordnungen

C. Schlussfolgerungen Ob man im klassischen römische Recht eine eigenständige Doktrin der Simulation kannte oder nicht, ist unklar. Jedenfalls war die Praxis artifizieller Vertragsgestaltungen im römischen Recht üblich und führte zu einer gewohnheitsrechtlichen Verfestigung zu verkehrstypischen Geschäften wie der mancipatio und der in iure cessio, die man heutzutage als „nachgeformte Rechtsgeschäfte“ bezeichnet. Sehr ergiebig ist die Betrachtung der Rezeptionsgeschichte des römischen Rechts: Simulation war in den praktisch aufgeführten Fällen zumeist die gerade zweckwidrige Vertragsgestaltung: sowohl in der Rezeption der Codexstellen bei den mittelalterlichen Kommentatoren als auch bei modernen Romanisten. Diese Gedanken finden sich ebenfalls in der französischen Rechtsprechung wieder. Das englische Recht dagegen hat einen weniger formalen Ansatz: Die Rechtsprechung argumentiert deutlich mehr mittels rechtspolitischen Aspekten und rekurriert wertend auf das Verhältnis von Privatautonomie und öffentlichem Interesse. Für die Untersuchung im geltenden Recht kann daher aus der kontinentaleuropäischen Rezeptionsgeschichte als Konsequenz der Gedanke des simulierten Vertragszweckes ergiebig gemacht werden. Dass es sich um eine Frage der Privatautonomie handelt, wird besonders aus der Betrachtung der englischen Recharacterization-Rechtsprechung deutlich, was ebenfalls Gegenstand der juristischen Untersuchung für geltende deutsche Recht sein muss. Eine übergeordnete Frage ist mithin, ob die Rechtsordnung es dem Rechtsverkehr wegen des Prinzips der Privatautonomie erlauben muss, Verträge derartig zu gestalten, dass die Rechtsordnung sie trotz der Zweckentfremdung der gewählten Rechtsform unter dem gewünschten Typus behandelt.

Kapitel 4

Artifizielle Vertragsgestaltungen als Gesetzesumgehung A. Darstellung I. Die Doktrin der Gesetzesumgehung Nach heutiger, nahezu unbestrittener Meinung ist die Problematik der artifiziellen Geschäfte als „Gesetzesumgehung“ mittels einer teleologischen Auslegung oder einer analogen Anwendung des Verbotsgesetzes zu lösen.194 Für diese Doktrin wird auch häufig die lateinische Bezeichnung „in fraudem legis agere“ verwendet195, die ihren Ursprung im römischen Recht findet.196 Die Gesetzesumgehung wird dabei nicht mehr als eigenständiges Rechtsinstitut gesehen;197 insbesondere wird kein Umgehungsvorsatz gefordert.198 Ist eine rechtsgeschäftliche Gestaltung vom Wortlaut her nicht von einer Vorschrift umfasst, so kann sie auf diese doch jedenfalls analog angewandt werden, wenn der Zweck der Vorschrift es gebietet.199 Neben Auslegung und Analogie der betreffenden Vorschriften wird auch auf den Gedanken des Missbrauchs der Rechtsnorm, deren Anwendungsbereich erschlichen wird, abgestellt.200 Als im 19. Jahrhundert Savigny die Problematik der Gesetzesumgehung noch mittels der Grundsätze der Simulation lösen wollte201, stieß dies auf kritische

194 Nur exemplarisch Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 78 ff.; Sieker; Umgehungsgeschäfte; BeckOGK/Vossler, § 134 BGB, Rn. 78; Benecke, Gesetzesumgehung. Benecke lässt jedoch die Gesetzesauslegung erst mit der Analogie beginnen (S. 85 ff.). 195 Siehe unten, S. 126 ff. 196 Heeder, Fraus Legis, S. 37; insbesondere D. 1, 3, 29: „Contra legem facit, qui id facit quod lex prohibet, in fraudem vero, qui salvis verbis legis sententiam eius circumvenit.“ 197 Dazu eingehend Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 67 – 78; für eine eigenständige Rechtsfigur der Umgehungsgeschäfte MüKoBGB/Mayer-Maly/Armbrüster, § 134 Rn. 12 ff. (4. Auflage 2001); Heeder, Fraus Legis, S. 83. 198 Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 12 f. 199 Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 67 ff.; Sieker, Umgehungsgeschäfte, S, 87 ff. 200 Pfaff, Fraus Legis, S. 158 f.; Römer, Die Gesetzesumgehung im deutschen Internationalen Privatrecht, S. 41; BAG NJW 1961, 798; krit. Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 76 f. 201 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band I, S. 324 f. Vgl. zur Entwicklung Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 6 f.

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Kap. 4: Artifizielle Vertragsgestaltungen als Gesetzesumgehung

Stimmen.202 Hierbei findet sich bei allen Kritikern die Ansicht wieder, ein Scheingeschäft läge insbesondere nicht vor, da das Geschäft im Hinblick auf die Rechtsfolgen ernstlich gewollt sei. Thöl sah unter Rezeption Savignys zwar dessen vorgeschlagene Anwendung der Simulationsdoktrin nicht als falsch an, jedoch als zu eng und schlägt als Ergänzung die „Auslegung des Rechtssatzes“ vor.203 Ähnliche Gedanken finden sich bei Bähr, der die betreffenden Rechtsvorschriften „seinem geistigen Inhalt“ nach anwenden wollte.204 Bei Pfaff wird ferner nicht nur die Natur der Rechtsanwendung bei der Gesetzesumgehung als extensiv oder analog betont, sondern die rechtswidrige Umgehungsabsicht als konstitutives Merkmal.205 Insbesondere Teichmann hatte sich schließlich in seiner Dissertation gegen dieses Erfordernis gestellt, indem er betont, dass es sich um eine reine Frage der Gesetzesanwendung handele.206 Sieker unterscheidet verschiedene Arten von Anknüpfungspunkten von zwingenden Rechtsnormen: die Anknüpfung an „zivilrechtliche Rechtspositionen“, an die „zivilrechtliche Vertragstypologie“ („terminologische Anknüpfung“) und eine „mittelbare Anknüpfung an die zivilrechtliche Vertragsgestaltung“.207 Daneben identifiziert sie die Anknüpfung an „eine zeitliche oder betragsmäßige Grenze, Stichtagsregelungen“, Bemessungsgrundlagen und (tatsächliche) „Handlungen, Verhaltensweisen oder Eigenschaften einer Person“.208 Kongruent zu dieser Typisierung der Anknüpfungsmerkmale hat Sieker eine Systematik der Typen von Umgehungsgeschäften herausgearbeitet: Zunächst die Verschleierung der zivilrechtlichen Causa209 zur Umgehung der terminologisch an bestimmte Vertragstypen anknüpfenden Rechtsvorschriften. Dieser Fall entspricht den artifiziellen Vertragsgestaltungen. Ein weiterer Typ von Gesetzesumgehungen seien Aufspaltungen einheitlicher Gestaltungen in mehrere Teilgeschäfte.210 Diese dienten nach Sieker insbesondere der Umgehung von betragsmäßigen Grenzen in Rechtsnormen. Weitere Umgehungsstrategie sei die gegenläufige Gestaltung, bei welcher gegenläufige Rechtsgeschäfte miteinander kombiniert werden, um im Ergebnis entweder keine Änderung der Ausgangssituation zu erzielen, oder auf die (verminderten) Restwirkungen des Erstvertrages zu beschränken.211 Die von ihr 202 Bähr, Urteile des Reichsgerichts, S. 59 f.; Regelsberger, AcP 63, 173 f.; Hellwig, AcP 64, 375 ff. 203 Thöl, Einleitung, S. 160. 204 Bähr, Urteile des Reichsgerichts, S. 57 f. 205 Pfaff, In Fraudem Legis Agere, S. 83 ff. 206 Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 69 f. 207 Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 62 – 64. 208 Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 65 – 66. 209 Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 46. Zur Causa im geltenden Zivilrecht siehe unten, S. 69 ff. 210 Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 53. 211 Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 54.

A. Darstellung

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zuletzt genannte Umgehungsstrategie entspricht beispielsweise der bereits aus dem mittelalterlichen Recht bekannten „simulatio de persona in personam“: das Vorschieben oder Zwischenschalten einer anderen Person.212 Für die Auslegung der zivilrechtlich geprägten Tatbestandsmerkmale betont Sieker, dass hier nicht streng an die zivilrechtliche Vertragstypologie angeknüpft werden könne, sondern im Einzelfall „anhand teleologischer Kriterien“ zu überprüfen sei, ob die Regelung auf das Rechtsverhältnis Anwendung findet.213 Der Normzweck sei damit auch Einfallstor für eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Intention der Vertragsparteien, was insbesondere auf eine steuerrechtliche Betrachtungsweise zurückzuführen sei.214

II. Die Analogie als methodischer Ausgangspunkt Die Zulässigkeit der Analogie, auf welcher die heute allgemein vertretene Doktrin der Gesetzesumgehung beruht, ist allgemein anerkannt.215 Als maßgeblicher Grund hierfür wird vor allem die Rechtsähnlichkeit des geregelten Falles im Vergleich zum ungeregelten Fall als Gebot des Gleichheitssatzes genannt.216 Im englischen Recht konnte beobachtet werden, dass von Gerichten für die Anknüpfung von statute law betont wird, dass an die „rechtliche Natur und nicht an deren wirtschaftliche Wirkung“ angeknüpft werde.217 Dies deckt sich mit den methodischen Beobachtungen im englischen Rechtskreis: wo der Gesetzgeber einen Sachverhalt nicht dem Wortlaut nach trifft, findet das statute law keine Anwendung und es bleibt bei der Anwendung des Common Law.218 Dieser rechtspolitische Aspekt wird allgemein nicht für den deutschen Rechtsraum diskutiert; allerdings wird diese methodische Frage speziell für das öffentliche Recht diskutiert, wo es um die analoge Anwendung von Eingriffsnormen geht.219 Insofern ist die analoge Anwendung von zwingenden Eingriffs- und Verbotsnormen im Zivilrecht von der Problematik her ähnlich gelagert, da sie ebenfalls in grundrechtlich geschützte Positionen eingreifen, insbesondere in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Vertragsfreiheit und Privatautonomie.220 Bei einer analogen Anwendung dieser eingreifenden Vorschriften besteht eine vergleichbare Interessenkollision, die sich zwischen Rechtsgleichheit und Vertrauensschutz des Einzelnen 212 213 214 215 216 217 218 219 220

Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 56. Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 71. Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 74 ff. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 187 ff. Westerhoff, Rechtstheorie 1997 (28), S. 108 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 195. Siehe Fn. 187. Siehr, Fn. 184. Hierzu zusammenfassend Bach, Analogieverbot. Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 101 ff.

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Kap. 4: Artifizielle Vertragsgestaltungen als Gesetzesumgehung

bewegt.221 Unabhängig davon, wie dieser Konflikt letztendlich aufzulösen ist, besteht er jedenfalls – ein Eingriff, der mittels analoger Anwendung einer gesetzlichen Regelung gerechtfertigt wird, bedarf jedenfalls stets einer besonderen Rechtfertigung.

B. Kritik Eine Analogie setzt eine Regelungslücke voraus. Eine Lücke besteht bei einer „planwidrigen Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts […] gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung“.222 Ob eine Lücke vorliegt oder nicht, ist eine wertende Entscheidung; es ist zu ermitteln, ob die Rechtsordnung die Anwendung einer Rechtsnorm auf den nicht ausdrücklich geregelten Fall gebietet. Die Analogie ist dagegen schon methodisch der falsche Anknüpfungspunkt, wenn eine positive Regelung über den Sachverhalt bereits besteht. Insoweit ist die einfache Gesetzesanwendung vorrangig zur Rechtsfortbildung. In Bezug auf artifizielle Vertragsgestaltungen (welche Sieker eine „Verschleierung der zivilrechtlichen Causa“ nennt) bestehen jedoch Zweifel, dass die Problematik nicht unter allen Umständen mittels der direkten Qualifikation zu lösen ist und damit ein Problem der direkten Anwendung der jeweiligen Vorschrift secundum legem ist und nicht ein solches der Gesetzesauslegung. Käme eine weitere Untersuchung zu dem Schluss, dass die jeweiligen Vorschriften bei derartigen Konstellationen direkte Anwendung finden, so stellte der Ansatz einer Analogie mangels Unvollständigkeit des Gesetzes einen Begründungsfehler dar. Hiervon ausgenommen sind die übrigen Umgehungsformen; diese lassen sich zweifellos nicht mittels bloßer Qualifikation lösen. Die Doktrin der analogen Anwendung setzt sich jedenfalls bei Vorschriften, die die Privatautonomie beschränken, verfassungsrechtlichen Bedenken aus. Diese Bedenken ließen sich aus dem Weg räumen, soweit die Problematik sich mittels des Qualifikationsverfahrens lösen lässt.

C. Schlussfolgerungen Wie im englischen Recht ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch im deutschen Recht, wenn er an die Vertragstypologie des BGB als Tatbestandsmerkmale zwingender Vorschriften anknüpft, ebenfalls nicht unmittelbar an den wirtschaftlichen Gehalt des fraglichen Geschäfts anknüpft, sondern an den rechtlichen Gehalt; Vertragstypen sind schließlich erst einmal rechtliche und nicht wirtschaft221 222

Bach, Analogieverbot, S. 164 ff. Canaris, Lücken, S. 39.

C. Schlussfolgerungen

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lich-empirische Typen – sie entstammen nicht unmittelbar der Wirtschaftswelt, sondern dem Recht. Allerdings gibt es keinen materiellen Schuldvertrag, welcher ein rein rechtliches Gebilde darstellt, außer den „formellen“ abstrakten Schuldvertrag, bei welchem der Zweck nicht aus dem Versprechen selbst hervorgeht. Nach der herrschenden Meinung223 soll mit der Theorie der Gesetzesumgehung der wirtschaftliche Zweck nur im Rahmen der Gesetzesauslegung berücksichtiget werden. Damit verkennt sie jedoch den spezifischen Gehalt der artifiziellen Vertragsgestaltung, dass hier nämlich ein Geschäftszweck vorgetäuscht, also simuliert wird, was unmittelbare Auswirkungen auf die Qualifikation hat. Es ist daher weiter zu erörtern, wie der Geschäftszweck rechtlich einzuordnen ist und welche Folgen die Vortäuschung eines solchen Geschäftszweckes hat.

223

Siehe oben, 47 ff.

Kapitel 5

Der Wiederkauf zu Sicherungszwecken als paradigmatischer Fall artifizieller Vertragsgestaltungen Schon im Codex Iustinianus war der Wiederkauf zu Sicherungszwecken der geradezu typische Fall für den Grundsatz „plus valere quod agitur, quam quod simulate concipitur“ – es ist auf das wirklich Gemeinte und nicht auf das bloß zum Schein aufgeschriebene zu erkennen.224 Auch in Accursius’ Glossa Ordinaria wird der Fall als typischer Fall der simulatio a causa in causam beschrieben. Die Wiederkaufskonstellation lässt sich wie folgt beschreiben: Eine Sache wird zu einem bestimmten Preis verkauft und gleichzeitig wird das Recht vereinbart, die Kaufsache später zu einem bestimmten Kaufpreis zurückzukaufen.225 Insoweit beschreibt der Begriff des Wiederkaufs nur eine bestimmte Gestaltungslage, die verschiedenen Zwecken dienen kann. In der hier besprochenen mittelalterlichen Literatur erscheint als problematischer Fall vor allem, ein wirtschaftliches Äquivalent zu einem besicherten, verzinslichen Darlehen zu vereinbaren; hiermit sollte das kanonische Zinsverbot umgangen werden. Daneben wird in der Literatur zum geltenden Recht noch der Fall gesehen, dass ein bestimmter Verwendungszweck gewährleistet wird, indem für die zweckwidrige Verwendung ein Wiederkaufsrecht des Verkäufers vereinbart wird.226 Ferner kommt die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts als Alternative zur Vereinbarung eines vertraglichen Rücktrittsrechts in Betracht.227 Im Folgenden soll der Blick auf den Wiederkauf zu Sicherungszwecken gerichtet werden. Mit den §§ 456 ff. BGB besteht ein ausdrückliches Normenregime, welches den Wiederkauf regelt. Der Gesetzgeber ging daher prinzipiell davon aus, dass ein Wiederkauf zulässig ist und vor allem, dass auf den Wiederkauf die Vorschriften des Kaufrechts Anwendung finden (Wortlaut des § 456 BGB: „[…] so kommt der Wiederkauf […] zustande“). Genauer zu untersuchen ist dabei, welche Vorstellungen der Gesetzgeber selbst bezüglich des Anwendungsbereiches der Vorschriften über den Wiederkauf hatte. 224 225 226 227

Siehe oben, S. 26. Busse, Wiederkauf. BeckOGK/Daum, § 456 Rn. 6 f. BeckOGK/Daum, § 456 Rn. 8 f.

B. Die Urteile des Württembergischen Obertribunals

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A. Der Wiederkauf zu Sicherungszwecken in den Motiven zum ersten Entwurf In den Motiven zum ersten Entwurf des BGB heißt es: Die Frage insbes., ob ein Kauf und der damit verbundene Vorbehalt des Rückkaufes, nur die Form für ein Kreditgeschäft bildet, also die Sicherheit des Käufers und Rückverkäufers bezweckt, sowie ob solchenfalls ein ernstgemeinter Kaufvertrag vorliegt oder aber der Kaufvertrag simulirt (sic!) ist und eine versteckte Pfandbestellung bezweckt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. württ. Archiv 16 S. 264, 277, 281, Entsch. 2 Nr. 44, 45. S. auch GewO. §§ 34, 38).228

Der Gesetzgeber hatte also den Fall des Wiederkaufes zu Sicherungszwecken bei der Regelung des Wiederkaufs vor Augen; bemerkenswert ist jedoch, wie der Fall des simulierten Geschäfts vom Wiederkauf abgegrenzt wird. Hier wird auf die „Umstände des Einzelfalls“ abgestellt und auf Urteile des württembergischen Obertribunals verwiesen, abgedruckt im Württembergischen Archiv für Recht und Rechtsverwaltung mit Einschluss der Administrativjustiz.

B. Die Urteile des Württembergischen Obertribunals zum „Scheinvertrag zur Sicherung einer Forderung unter dem Titel der Veräußerung von Fahrniß“ In den Urteilen des württembergischen Obertribunals, auf welches die Motive verweisen, findet sich eine bemerkenswerte Konkordanz mit dem gemeinrechtlichen Verständnis der Simulation in Fällen des Wiederkaufes zu Sicherungszwecken.

I. Die Entscheidung des Obertribunals vom 05. Februar 1861 in der Appellationssache Schmittele c. Reuttner’sche Gläubiger Frau Reuttner (V) verkaufte ihre gesamten beweglichen Gegenstände an ihren Gläubiger Schmittele (K) für 4000 Gulden. Es wurde vereinbart, dass K der V anstelle des Kaufpreises verschiedene Schuldposten gegen Dritte übernehmen sollte. V wurde das Recht eingeräumt, unentgeltlich die Sachen zu benutzen. Zudem wurde ihr ein Rückkaufrecht zum Preis von 4000 Gulden eingeräumt. Dritte Gläubiger beanspruchten nun im Konkursverfahren Zugriff auf die Sache.

228

Mugd. II, S. 189.

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Kap. 5: Der Wiederkauf zu Sicherungszwecken als paradigmatischer Fall

Das Gericht bejaht den Einwand anderer Gläubiger dagegen, dass der K Eigentum erworben hätte damit, dass nur ein Scheinkauf vorgelegen hätte.229 V könne nicht die Absicht gehabt haben, die „ganze Fahrniß, selbst das Unentbehrlichste an Kleidungsstücken, Bettgewand und Geräthschaften zu verkaufen“.230 Ferner komme in Betracht, dass auch K „kein Interesse hatte, eine solche Menge der verschiedensten Gegenstände an sich zu bringen, was in Verbindung mit dem der Verkäuferin verstatteten Rückkaufsrechte zeigt, daß es dem Schmittele [K] bei Eingehung des fraglichen Geschäftes nicht so fast um die Fahrniß selbst, als lediglich nur um die Sicherstellung wegen seiner Guthaben zu thun gewesen ist.“

Ferner sei der vertraglichen Regelung nach auch die Gefahr bei V verblieben und nicht auf K übergegangen. Das Gericht führt als weitere Gründe für die Annahme einer „Simulation“ an, dass es den Parteien in Wirklichkeit nicht ernst gewesen sei, dass ein Kaufpreis von 4000 Gulden überhaupt fließen sollte, sondern dass dadurch in Wirklichkeit nur verdeckt werden sollte, dass K bereits ein Gläubiger der V gewesen sei.231 Die Vereinbarung der Schuldübernahme wurde mithin als simuliert betrachtet. Ferner spräche auch für die Simulation, dass die betreffenden Schuldscheine des K weder zurückgegeben wurden, noch die Tilgung vermerkt wurde.232 Das Geschäft sei weder auf Eigentumsübertragung, noch auf Kaufpreiszahlung gerichtet; es komme nicht darauf an, als was für ein Geschäft die Kontrahenten den Vertrag ausgeben, sondern, was der Vertrag nach seinem wahren inneren Gehalt und nach der wahren Absicht darstellt.233

II. Die Entscheidung des Obertribunals vom 18. Oktober 1859 in der Appellationssache R. Hofbank c. Gebr. Eisenrohr Zwei Brüder (V) verkauften Ihre Spinnereieinrichtung für 5000 Gulden an das Handlungshaus Filcher (K). Zugleich wurde vereinbart, dass V binnen einer Frist von acht Jahren die Einrichtung wieder zurückkaufen musste. Zugleich sollten Abschlagszahlungen in dieser Zeit geleistet werden. Gleichzeitig wurde die verkaufte Einrichtung an V von K zu einem jährlichen Pachtgeld von 250 Gulden verpachtet. Diese Pacht sollte sich im Verhältnis der geleisteten Abschlagszahlungen zum Rückkaufspreis vermindern.234

229 Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip als Produkt der historischen Rechtsschule wird im württembergischen Recht unbekannt gewesen sein. 230 WürttArch. 16 (1874), 281. 231 WürttArch. 16 (1874), 282 ff. 232 WürttArch. 16 (1874), 283. 233 WürttArch. 16 (1874), 283. 234 WürttArch. 16 (1874), 277 ff.

B. Die Urteile des Württembergischen Obertribunals

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Der Rechtsnachfolger von K verlangte nun im Konkurs der V die Spinnereieinrichtung heraus; die weiteren Gläubiger bestritten den Eigentumsübergang. Das Obertribunal entschied für die weiteren Gläubiger und nahm keinen Eigentumsübergang in dieser Konstellation an: Durch den Inhalt der Vertragsbestimmungen selbst sei der Beweis der Simulation erbracht. Weil sich die Parteien gleichzeitig zum Verkauf und Rückkauf verpflichteten, seien sowohl Kauf wie Rückkauf „gleichzeitig zur Perfektion“ gelangt.235 Insbesondere sei auch durch die Pachtvereinbarung und deren Anpassung an die Abschlagszahlungen faktisch nicht anderes als eine Verzinsung vereinbart worden. Damit kommt das Gericht zu dem Schluss, „daß es den Kontrahenten in Wirklichkeit nicht um den Abschluß eines Kaufes zu thun war. Der Sache nach war das Geschäft lediglich darauf gerichtet, von Seiten des Handlungshauses […K…] den […V…] die Summe von 5000 Gulden auf acht Jahre verzinslich anzuleihen, beziehungsweise anzuborgen und das Handlungshaus als Gläubiger sicher zu stellen, daß ihm für seine Forderung die Spinnereieinrichtung verhaftet blieb und, wenn es nicht rechtzeitig befriedigt würde, verfallen sein sollte.“236

Mangels Übergabe sei diese Verpfändung unwirksam gewesen.

III. Einordnung Im erstgenannten Fall des Württembergischen Obertribunals wurde aus zwei Gründen auf eine Simulation erkannt: zum einen aufgrund des fehlenden (wirtschaftlichen) Interesses an den veräußerten Gegenständen, zum anderen aufgrund der lediglich zum Schein vereinbarten Kaufpreiszahlungspflicht, welche das Gericht als rein vorgeschoben betrachtete. Im zweiten Fall wird gegen das vereinbarte Pflichtenprogramm selbst nicht der Einwand der Simulation geltend gemacht; alleinig von der Rechtsfolge her sind Kauf und Rückkauf ernstgemeinte Geschäfte. Vielmehr wird allerdings die Annahme einer Simulation durch das Gericht dadurch begründet, dass der wahre Zweck tatsächlich in der Begebung eines Darlehens liege, sowie in der Verzinsung und in der Besicherung dieser Kapitalüberlassung. Der Beweis dieser Simulation (es handelte sich damit für das Gericht also um eine Tatsachenfrage!) wird indirekt dadurch erbracht, dass die Vertragsgestaltung insoweit nicht mit der typischen Zweckrichtung der vereinbarten Typen vereinbar ist. Auf Grundlage des Verständnisses der Rechtsfolgentheorie des Rechtsgeschäftes würde die heute herrschende Meinung ein Scheingeschäft höchstens im ersten Fall annehmen, da es hier vertretbar ist, von einer Nichternstlichkeit des vereinbarten 235 236

WürttArch. 16 (1874), 278. WürttArch. 16 (1874), 281.

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Kap. 5: Der Wiederkauf zu Sicherungszwecken als paradigmatischer Fall

Pflichtenprogramms auszugehen.237 Im zweiten Fall ist hingegen das vereinbarte Pflichtenprogramm ernstgemeint, da durch die gewählte Gestaltung das wirtschaftliche Ziel gerade erreicht werden kann. Der Verweis in den Motiven zum BGB auf diese Urteile in Bezug auf die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts und der ausdrückliche Bezug zur Simulation lässt Zweifel erwecken, dass artifizielle Vertragsgestaltungen keinesfalls als Simulation (Scheingeschäft) unter dem BGB zu behandeln sind. Denn anscheinend können auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers Geschäfte, auch wenn das vertragliche Pflichtenprogramm ernsthaft vereinbart wurde, ein Scheingeschäft darstellen, wenn lediglich die Zweckrichtung des Vertrages eine andere ist, als die gewählte Gestaltung des Vertrages als ein bestimmter Typus vermuten lässt.238 Den in den Materialien bezuggenommenen Urteilen zufolge ist eine Simulation kurz gesagt auch denkbar anzunehmen, wenn der eigentliche mit Kaufverträgen verfolgte Zweck nicht der Güteraustausch ist, sondern ein reiner Sicherungszweck verbunden mit einer Kreditierung. Der Bezug der Materialien des Gesetzgebers auf die Württembergische Rechtsprechung lässt zumindest vermuten, dass der Gesetzgeber sich diesem Ansatz jedenfalls nicht verschloss – allerdings betonte er, dass die Abgrenzung von ernstgemeintem und simuliertem Wiederkauf „im Einzelfall“ zu erfolgen habe. Für die Problematik des Scheingeschäftscharakters artifizieller Vertragsgestaltungen im Allgemeinen zeigt dies, dass auch eine vertragliche Gestaltung, die in ihren Rechtsfolgen ernstgemeint ist, aber in seinem Vertragszweck abweicht vom typischen Vertragszweck des durch die Gestaltung suggerierten Vertragstypus, ein Scheingeschäft darstellen könnte.

IV. Schlussfolgerung Das Beispiel des Wiederkaufes zu Darlehens- und Sicherungszwecken vermag heutzutage keine praktische Relevanz mehr zu haben, da sich insbesondere durch die Anerkennung der Sicherungsübereignung die Notwendigkeit erübrigt hat, eine Verpfändung in Kaufverträge quasi „einzukleiden“. Dennoch war es schon im Codex Iustinianus ein paradigmatischer und veranschaulichender Fall. Wenn aber der Gesetzgeber in einem solchen paradigmatischen Fall die gemeinrechtlichen Erwägungen einer Simulation eines Vertragstypen gegenüber einem anderen übernimmt, dann erscheint es naheliegend, dass die Ansicht, die den Anwendungsbereich der Lehre vom Scheingeschäft ausschließlich auf die Ernstlichkeit des vereinbarten Pflichtenprogramms bezieht, zumindest relativiert werden muss. Vielmehr legt die 237

Zum Verständnis der Simulation unter der Rechtsfolgentheorie des Rechtsgeschäfts siehe unten, S. 58 ff. 238 In der heutigen Rechtslehre wird das Scheingeschäft vom Umgehungsgeschäft jedoch strikt abgegrenzt, siehe unten, S. 58 ff.

B. Die Urteile des Württembergischen Obertribunals

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Bezugnahme auf die württembergischen Urteile nahe, dass die gemeinrechtliche Lehre auch im BGB Fortbestand haben sollte.

Kapitel 6

Artifizielle Vertragsgestaltungen unter dem aktuellen Verständnis vom Scheingeschäft A. Der Rechtsfolgewille als Gegenstand der Simulation beim § 117 Abs. 1 BGB I. Die Dichotomie von „wirklichem“ und „erklärtem“ Willen § 117 Abs. 1 BGB statuiert, dass eine Willenserklärung, „die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben wird“, nichtig ist. Nach ganz einhelliger Ansicht liegt die Schaffung eines „Scheins“ eines Geschäfts (bzw. einer Willenserklärung) nur dann vor, wenn die Parteien bewusst einen anderen Erklärungsinhalt nach außen tragen, als sie in Wirklichkeit meinten.239 Hierbei steht also die Unterscheidung zwischen dem erklärten Willen und dem wirklichen Willen (vgl. § 133 BGB) im Vordergrund.240 Ausgangspunkt des § 117 Abs. 1 BGB ist, dass jemand etwas nach außen hin erklärt (erklärter Wille), dessen Erklärungsinhalt er in Wirklichkeit allerdings nicht will. Im Gegensatz zur einseitigen Mentalreservation (§ 116) muss hierbei ein Einverständnis des Erklärungsempfängers vorliegen. Paradigmatisch sei der Fall genannt, wo zwei Parteien einen scheinbaren Vertrag schließen, um einen Dritten über den Vertragsschluss zu täuschen, sie in Wirklichkeit dem Vertrag keine Rechtswirkung zukommen lassen wollen. Beim Verdeckungsgeschäft gem. § 117 Abs. 2 BGB ist hingegen der erklärte Wille auf ein Geschäft gerichtet, während der wirkliche Wille nicht lediglich auf die Nichtgeltung des erklärten Geschäfts gerichtet ist, sondern auf ein anderes Geschäft, nämlich das dissimulierte Geschäft – so zum Beispiel die Fälle des „Schwarzkaufes“, wo bei einem notariell beurkundeten Kaufvertrag über ein Grundstück, um Notarkosten zu sparen, ein geringerer Kaufpreis durch die Parteien angegeben wurde als in Wirklichkeit vereinbart.241

239

Vgl. nur BeckOGK/Rehberg, § 117 BGB Rn. 10. Vgl. BeckOGK/Rehberg, § 117 BGB Rn. 2 ff.; BeckOK-BGB/Wendtland, § 117 Rn. 1; MükoBGB/Armbrüster, § 117 Rn. 1. 241 Vgl. nur MükoBGB/Armbrüster, § 117 BGB Rn. 28. 240

A. Der Rechtsfolgewille als Gegenstand der Simulation beim § 117 Abs. 1 BGB

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Die Diskrepanz zwischen Erklärung und Willen wird herbeigeführt durch ein „Einverständnis“ (§ 117 Abs. 1 BGB) von Erklärendem und Erklärungsempfänger. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass dieses Einverständnis keinen rechtsgeschäftlichen Konsens über die Nichtgeltung der Erklärung voraussetze, sondern es sich lediglich um den tatsächlichen Willen der Nichtgeltung der Erklärung handle.242 Es handle sich nicht um ein eigenständiges (neben den simulierten Willenserklärungen stehendes) Rechtsgeschäft, sondern eine zur Auslegung des simulierten Geschäftes heranzuziehende Tatsache, welche das simulierte Geschäft als solches zur „Nichterklärung“ mache.243 Entscheidend ist dabei, dass auch der „wirkliche Wille“ in diesem Fall dem Erklärungsempfänger gegenüber erklärt wird – schließlich wird wenigstens gefordert, dass der Geltungsvorbehalt beim gem. § 117 Abs. 1 BGB nichtigen Scheingeschäft dem Empfänger erkennbar gewesen sein muss.244 Beim Scheingeschäft gem. § 117 BGB bestehen damit zwei Erklärungsebenen: Die Erklärung des Scheingeschäfts, mit der Absicht, nach außen hin (gegenüber einer Personengruppe) den Schein des Geschäfts wirken zu lassen, sowie die Simulationserklärung als Erkennenlassen des bloßen Scheincharakters zumindest gegenüber dem Erklärungsempfänger, bzw. Vertragspartner. Es soll also im Kontext der Simulation das „wirklich Gewollte“ dahingehend definiert werden, dass dieses die interne Absprache des Erklärenden und Erklärungsempfängers umfasst. Das „nach außen hin Erklärte“ ist hingegen der gegenüber Dritten dokumentierte scheinbare Erklärungsinhalt.

II. Gegenstand der Simulation beim § 117 Abs. 1 BGB Um den Anwendungsbereich des § 117 Abs. 1 BGB genauer zu definieren, bedarf es einer begrifflichen Bestimmung des Inhaltes einer Willenserklärung. Schließlich knüpft der § 117 Abs. 1 BGB an die „Willenserklärung“ an, § 117 Abs. 2 BGB an das Rechtsgeschäft („Scheingeschäft“). Die Dichotomie von „wirklichem Willen“ und (nach außen hin) „erklärtem Willen“ kann im Rahmen des § 117 Abs. 1 BGB nur in Bezug auf die Willenserklärung von Relevanz sein. Die Lehre vom Scheingeschäft hängt mithin untrennbar zusammen mit dem Verständnis des Begriffs des Rechtsgeschäfts bzw. der Willenserklärung.245 Inhalt 242

BeckOGK/Rehberg, § 117 BGB Rn. 36; MükoBGB/Armbrüster, § 117 Rn. 9. MükoBGB/Armbrüster, § 117 Rn. 9. 244 So zum Beispiel BeckOGK/Rehberg, § 117 BGB Rn. 38. 245 Der Zusammenhang dieser beiden Begriffe wird deutlich in den Motiven, Mugdan I, 421: „Unter Willenserklärung wird die rechtsgeschäftliche Willenserklärung verstanden. Die Ausdrücke Willenserklärung und Rechtsgeschäft sind der Regel nach als gleichbedeutend gebraucht. Der erstere ist namentlich da gewählt, wo die Willensäußerung als solche in den Vordergrunde steht oder wo zugleich der Fall getroffen werden soll, daß eine Willenserklärung nur als ein Bestandteil eines rechtsgeschäftlichen Thatbestandes in Frage kommt.“ 243

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Kap. 6: Artifizielle Vertragsgestaltungen unter dem aktuellen Verständnis

eines Rechtsgeschäfts bzw. einer Willenserklärung, ist – so die herrschende Meinung – die Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnisses.246 Bei einem Schuldvertrag richtet sich der Erklärungsinhalt mithin auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung schuldrechtlicher Ansprüche (Forderungen). Für die Annahme eines Scheingeschäfts i. S. d. § 117 Abs. 1 BGB muss also die nach außen hin erklärte Begründung, Änderung oder Aufhebung schuldrechtlicher Ansprüche in Wirklichkeit nicht gewollt sein. Ein Scheingeschäft (bestehend aus zwei gem. § 117 Abs. 1 BGB nichtigen Willenserklärungen, nämlich Angebot und Annahme) liegt demnach zum Beispiel vor, wenn ein Kaufvertrag geschlossen wird, alleinig um einen externen Dritten hierüber zu täuschen. In ihrer internen Abrede sind sich die Parteien jedoch darüber einig, dass die Abrede keinerlei rechtlichen Wirkungen entfalten soll. Ihr wirtschaftliches Ziel kann erreicht werden, auch wenn der Vertrag keine rechtlichen Wirkungen entfalten soll (z. B. die alleinige Täuschung des externen Dritten). Im Falle des Wiederkaufs zu Sicherungszwecken können die Parteien ihr wirtschaftliches Ziel gerade durch die Geltung des angegebenen Pflichtenprogramms erreichen. Die unmittelbaren Rechtsfolgen sind tatsächlich gewollt, sie sind dem Geschäftszweck dienlich; sie sind dies gerade sogar noch mehr als die für die Transaktion wirtschaftlich äquivalenten natürlichen Geschäftstypen. Denn sie führten zu einer gerade nicht gewollten Anwendbarkeit von Rechtsvorschriften, weswegen die Parteien gerade die atypische Konstruktion wählen.247 Diese Argumentation wird in zahlreichen Werken angeführt und kann als herrschende Meinung bezeichnet werden.248 Die bekannte Unterscheidungsformel wird vom BGH wie folgt formuliert: Das unterscheidende Kriterium liegt also darin, ob die Parteien zur Erreichung des mit dem Rechtsgeschäft erstrebten Erfolgs ein Scheingeschäft für genügend oder ein ernstgemeintes Rechtsgeschäft für notwendig erachtet haben […]. Hieraus wird gefolgert, daß es gegen den Scheincharakter eines Rechtsgeschäfts spricht, wenn der mit ihm erstrebte Zweck nur bei Gültigkeit des Rechtsgeschäfts erreicht werden kann […] und daß ein Rechtsgeschäft nicht deshalb ein Scheingeschäft i. S. des § 117 BGB ist, weil der mit ihm bezweckte Erfolg nicht in der gewählten Rechtsform verwirklicht werden kann.249

Wenn hier dem Scheingeschäft der Begriff des „ernstgemeinten“ Geschäfts entgegengestellt wird, dann meint das Gericht damit keineswegs die nicht ernst gemeinte Erklärung gem. § 118 BGB (Scherzerklärung), sondern den fehlenden beidseitigen Geschäftswillen, der für eine Anwendung des § 117 BGB erforderlich 246 Flume, Rechtsgeschäftslehre, S. 23; zur Gegenauffassung der Grundfolgentheorie u. a. Lenels, siehe unten. 247 Vgl. Busse, Wiederkauf, S. 37; Kohler, JherJb 16 (1878) 91, 140 ff. 248 BeckOGK/Rehberg, § 117 BGB, Rn. 19, 62 ff.; BeckOK BGB, § 117 Rn. 16; Jauernig/ Mansel, § 117 Rn. 3; MükoBGB/Armbrüster, § 117 Rn. 20; Schulze u. a./Dörner, § 117 Rn. 4; in der Rechtsprechung insbesondere BGH NJW 1962, 295 (Scheinvalutierung von Hypothek). 249 BGH NJW 1962, 295.

A. Der Rechtsfolgewille als Gegenstand der Simulation beim § 117 Abs. 1 BGB

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ist. Bei der Frage der Ernstlichkeit wird auf den „bezweckten Erfolg“ abgestellt und ob zu dessen Erreichung es die Parteien für notwendig erachten, den Rechtserfolg herbeizuführen. Vor dem Hintergrund dieser Kriterien zeigt sich, warum heute die Problematik der artifiziellen Vertragsgestaltungen nicht mehr als Scheingeschäft betrachtet wird: Denn nach der Vorstellung der Parteien ist es gerade erforderlich, das vereinbarte Pflichtenprogramm wirklich in Geltung zu setzen und rechtlich durchsetzbar zu gestalten. Dieses Verständnis vom Scheingeschäft und die Defunktionalisierung dieser Doktrin in Bezug auf Umgehungsgeschäfte ist historisch maßgeblich Kohler zuzurechnen.250 So betonte Kohler, dass bei „materiellen oder wirtschaftlichen Rechtsgeschäften“ (Kausalgeschäfte), in welchen sich „die ökonomische Funktion […] in der Geschäftsform ausprägt“, die „Gränzen (sic!) des Geschäfts [nicht] zusammenfließen mit den Gränzen des wirtschaftlichen Zweckes“.251 Somit lehnte Kohler es ab, ein Geschäft bei zweckwidriger Verwendung von Geschäftsformen als Scheingeschäft zu klassifizieren, da die Rechtsfolgen ernstlich gewollt sind. In Bezug auf die unmittelbar erklärten Rechtsfolgen ist bei einer isolierten Betrachtung der „Ernstlichkeit“ des Pflichtenprogramms bei artifiziellen Vertragsgestaltungen in der Tat kein Raum für die Annahme eines Scheingeschäfts. Die von der mittelalterlichen Jurisprudenz postulierte Anwendung der Simulationsdoktrin auf artifizielle Vertragsgestaltungen erscheint unter dieser Sichtweise nicht mehr möglich. Will man sie nur auf die vereinbarten Rechtsfolgen anwenden, so wird man bei Fällen artifizieller Vertragsgestaltungen eine Anwendung des § 117 BGB für ausgeschlossen halten müssen. Denn die Vereinbarung der Rechtsfolgen ist als solche ernst gemeint.252

III. Nicht ausreichend: Ernstlicher Wille bzgl. mittelbarer Rechtsfolgen Hingegen lässt sich auch unter dem herrschenden Verständnis vom § 117 BGB ein Scheingeschäft annehmen, wenn lediglich die mittelbaren Rechtsfolgen einer vertraglichen Regelung ernstgemeint sind, nicht jedoch die unmittelbaren Rechtsfolgen:

250 Kohler, JherJb 16 (1878) 91, 142; zur historischen Entwicklung vgl. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 37 ff. mit weiteren einflussreichen Schriften in dieser Zeit (Fn. 124). 251 Kohler, JherJb 16 (1878) 91, 142. 252 Vgl. gegen dieses „moderne“ Verständnis vom Scheingeschäft polemisch Fuchs, Scheinhändel, S. 5: Es kann wohl „ernstlich die Frage aufgeworfen werden […], ob die auf diese Weise immer mehr zurückgedrängte, sozusagen despossedierte Scheingeschäftslehre (welche überdies noch in dem ungünstigen Rufe steht, wegen Beweisschwierigkeiten von jeher nur beschränkten praktischen Wert gehabt zu haben) in ihrer jetzigen reduzierten Verfassung überhaupt noch auf irgend solchen Wert Anspruch machen kann; ob sie nicht vielmehr in Wahrheit nur noch eine im wesentlichen papierene Existenz fristet, d. h. selbst zu einer Art – Scheinwesen geworden ist […]“.

62

Kap. 6: Artifizielle Vertragsgestaltungen unter dem aktuellen Verständnis

Ein Arbeitsvertrag, der eine Weisungsunabhängigkeit vorsieht, in Wirklichkeit aber eine weisungsgebundene Tätigkeit vorgesehen ist, ist auch dann nach der herkömmlichen Definition ein Scheingeschäft, wenn die mittelbare Rechtsfolge der Nichtanwendbarkeit besonderer arbeitsrechtlicher Vorschriften wirklich intendiert ist.253 Denn in diesem Fall wollten die Parteien ein anderes Pflichtenprogramm (Weisungsgebundenheit) in Geltung setzen, als sie nach außen hin, regelmäßig um Behörden zu täuschen, erklärt haben (Weisungsungebundenheit). Die mittelbaren Rechtsfolgen sind zwar in diesem Fall ernstlich gewollt (Nichtanwendbarkeit der besonderen arbeitsrechtlichen Regelungen) – diese sind regelmäßig jedoch nicht einmal Teil des Inhalts des Rechtsgeschäftes, sodass es auf die Ernsthaftigkeit dieses Teils des Willens nicht ankommen kann bei der Frage, ob das unmittelbar erklärte Pflichtenprogramm ernstlich gewollt ist oder nicht. Lassen die Parteien schon ein anderes Pflichtenprogramm gelten, als sie nach außen erklären, ist stets auf ein Scheingeschäft gem. § 117 BGB zu erkennen.

B. Irrelevanz der eigenen Qualifikation durch die Parteien als solche Man könnte auch den Scheincharakter in Fällen artifizieller Vertragsgestaltungen in der falschen rechtlichen Qualifizierung durch die Parteien sehen, beispielsweise wenn die Parteien im Falle des True-Sale-Verbriefungsgeschäfts diesen zwar Kaufvertrag genannt haben, er in Wirklichkeit aber ein besicherter Darlehensvertrag ist.254 Allerdings ist die bloß falsche Qualifizierung durch die Parteien selbst kein Fall des Scheingeschäfts: Denn den Parteien fehlt – anders als im jedenfalls frührömischen Formalismus – die „Typisierungsbefugnis“ für ein Geschäft, diese ist Aufgabe des Gerichtes.255 Die heutige Rechtsordnung knüpft im Hinblick auf Rechtsfolgen nicht formalistisch an die Nennung bestimmter Typenbezeichnungen an, sondern an den erklärten Willen der Parteien, bestimmte Rechtsfolgen herbeizuführen.256 Wenn die Parteien den Inhalt eines Darlehens vereinbaren und diesen Vertrag eine „Leihe“ nennen, wie es im Rechtsverkehr durch Laien durchaus nicht unüblich ist, dann ist diese Falschbezeichnung unerheblich.257 Thomä weist darauf hin, es gehöre zum „innersten Charakter jeder normativen Geltung, dass sie auf Gestaltung der Wirklichkeit gerichtet ist. Daher kann auch die rechtsgeschäftliche Erklärung nur mit dem Inhalt gelten, mit dem sie nach der 253

Zum gleichen Ergebnis für diesen Fall kommt auch Benecke, RdA 2016, 65, 67. Zur Unterscheidung von mittelbaren und unmittelbaren Rechtsfolgen vgl. MüKoBGB/Armbrüster, § 119 Rn. 83 – 84. 254 Siehe unten, S. 145. 255 Michaelis, Scheingeschäft, S. 458 f. 256 Michaelis, Scheingeschäft, S. 458 f. 257 Vgl. Michaelis, Scheingeschäft, S. 458 f.

B. Irrelevanz der eigenen Qualifikation durch die Parteien als solche

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Absicht der Parteien in die Wirklichkeit eingreifen soll.“ 258 Daher will Thomä derartige Tatbestände entgegen der vorherrschenden Lehre als Simulation erfassen.259 An einer genauen dogmatischen Begründung fehlt es der Abhandlung jedoch. Problematisch ist in derartigen Fällen der artifiziellen Vertragsgestaltungen schließlich gerade der Einwand, dass die entstehenden Pflichten schließlich wirklich zur Geltung gebracht werden und wirklich erfüllt werden sollen; die wirtschaftliche Zwecksetzung dieser Pflichten ist lediglich eine andere als die für den nach außen getragenen Vertragstypus typische. In Fällen, in denen der wirtschaftliche Zweck des Geschäfts durch das in Geltung gesetzte Pflichtenprogramm erreicht werden kann, hilft das herrschende Verständnis der Doktrin des Scheingeschäfts insoweit nicht weiter. Denn in solchen Fällen artifizieller Vertragsgestaltungen ist davon auszugehen, dass die Parteien das erklärte Pflichtenprogramm wirklich in Geltung setzen wollten; die Parteien haben das Erklärte insoweit ernst gemeint. Zur Erfassung derartiger Konstellationen bedarf es also einer erweiterten Sichtweise von der Doktrin des Scheingeschäfts nach § 117 BGB, welche auf das eigentlich als überkommen geltende Verständnis von Simulation zurückgreifen müsste.

258 259

Thomä, Typenwidrige Zwecksetzung, S. 54. Thomä, Typenwidrige Zwecksetzung, S. 56.

Kapitel 7

Die Qualifikation als methodischer Ausgangspunkt Die Vertreter der herrschenden Meinung möchten die Problematik der Gesetzesumgehungen mittels einer Analogie des jeweiligen umgangenen Gesetzes lösen.260 Methodisch der Analogie vorgelagerter Schritt ist die Zuordnung eines Vertrages zu einem bestimmten Normenregime aufgrund seines Typus, genannt Qualifikation. Nur, wenn ein Vertrag nicht entsprechend qualifiziert werden kann, sodass die in Frage stehende Rechtsvorschrift Anwendung findet, kann auf die Analogie und damit die Lehre der Gesetzesumgehung im engeren Sinne zurückgegriffen werden. Es steht mithin zur Frage, ob in Konstellationen artifizieller Vertragsgestaltungen die infragestehenden Vorschriften nicht schon unmittelbar Anwendung finden müssen: Hierfür ist die wahre Natur des Vertrages durch das Verfahren der Qualifikation zu ermitteln. Das BGB selbst nimmt keine Stellung zur Methodik der Qualifikation.261 Daher muss auf die Rechtslehre zurückgegriffen werden. Hier lassen sich zwei Extremstandpunkte ausmachen:

A. Die Hauptleistungspflichten als Determinante der Qualifikation Vielfach werden als qualifikationsbestimmendes Kriterium die Hauptleistungspflichten angeführt. Gernhuber will bei der Qualifikation feststellen, „ob der Vertrag den (in erster Linie von den primären Leistungspflichten bestimmten) Merkmalen entspricht, die uns [(den Rechtsanwender)] berechtigt, ihn einer bestimmten Vertragsart zuzuordnen, für die eine Vertragsordnung existiert“.262 Die Motive zum BGB machen bei der Frage der Abgrenzung von Kauf und Werkvertrag den „Hauptgegenstand“ zum Abgrenzungskriterium.263

260 261 262 263

Siehe oben, S. 47 ff. Charmatz, Vertragstypen, S. 229. Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 152. Ergänzungen des Verf. Motive BGB, Bd. II, S. 475.

B. Die Abwesenheit von notwendigen Bedingungen der Qualifikation

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Dieser Sichtweise steht die pandektistische Lehre der „essentialia negotii“ nahe.264 Die Pandektisten unterschieden bei jedem Geschäftstypus zwischen den „essentialia“, „naturalia“ und „accidentalia negotii“.265 Demnach sind die „essentialia negotii“ die „dem Geschäft wesentlichen Bestandtheile“, die ihm seinen Charakter geben.266 Die „naturalia“ sind dagegen „Eigenschaften und Wirkungen eines Geschäftes, welche ihm in der Regel zukommen, die ihm aber nicht so wesentlich sind, so daß sie von den Parteien ausgeschlossen werden können“.267 Die „accidentalia negotii“ sind „Bestimmungen, welche dem Geschäfte begrifflich nicht wesentlich sind, die auch nicht aus dessen Natur folgen“, sondern „im Einzelfalle besonders zugefügt sind“.268 Die „essentialia negotii“ entsprechen den typischen Hauptleistungspflichten des Vertrages. Einer solchen Auffassung ist begriffliches Denken immanent,269 d. h. sie sucht die Qualifikation auf Grundlage von wesentlichen Begriffsmerkmalen zu bestimmen. Dieser Ansatz ähnelt demjenigen, den man im englischen Recht beobachten konnte: Auch das englische Recht scheint bei der Anwendung von statute law sich darauf zu beschränken, auf begriffliche Merkmale zurückzugreifen, um Verträge zu qualifizieren. Ausdrücklich wird eine wirtschaftliche Sichtweise abgelehnt.270

B. Die Abwesenheit von notwendigen Bedingungen der Qualifikation („typologische Sicht“) I. Das typologische Verständnis Als extreme Gegenposition lässt sich die Lehre vom „typologischen“ Verständnis anführen, namentlich von Leenen und Westermann.271 Hiernach bestehen keine eindeutigen Determinanten für einen bestimmten Vertragstyp, sondern es wird eine Gesamtabwägung postuliert; es gebe daher keine notwendigen Bedingungen für die Qualifikation als einen bestimmten Typus: Leenen hat in seiner maßgeblichen Arbeit eine fundamentale Kritik an einem rein begrifflichen Verständnis der Vertragstypen geübt.272 Die pandektistische Unterscheidung von „essentialia“ und „naturalia“ und „accidentialia negotii“, nach 264 265 266 267 268 269 270 271 272

Dazu Leenen, Typus, S. 122. Dernburg, Pandekten I, S. 214 f. Dernburg, Pandekten I, S. 214. Dernburg, Pandekten I, S. 215. Dernburg, Pandekten I, S. 215. Leenen, Typus, S. 125. Siehe oben, S. 41 ff. Leenen, Typus; Westermann, Typengesetzlichkeit. Leenen, Typus, S. 122 ff.

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Kap. 7: Die Qualifikation als methodischer Ausgangspunkt

welcher ein bestimmter Teil des Pflichtenprogramms den notwendigen Kern für die Qualifikation zu einem bestimmten Vertragstypus bildet, sei mit einem „typologischen“ Verständnis nicht vereinbar.273 Leenen betont mit dem „typologischen“ Charakter der Vertragstypen dagegen die interessenjurisprudentielle Bindung von Rechtsvorschriften an die Interessenlage: Der Typus stellt für ihn „die Denkform“ dar, „die in besonderer Weise die Entsprechung von Wert und gewertetem Objektsbereich zu gewährleisten vermag“.274 Typen seien „elastische Merkmalsgefüge“.275 Die Vertragstypen des BGB konstituierten gerade nicht den notwendigen Mindestgehalt der jeweiligen Vertragstypen, sondern eben nur ihren typischen.276 Es können typische Merkmale auch fehlen, und der Vertrag dennoch dem Typ zugeordnet werden. Er postuliert in der Folge eine „Gesamtwürdigung“ des Sachverhalts bei der Qualifikation.277 Insbesondere ermögliche das typologische Denken, „Ähnlichkeiten trotz klassenlogischer Verschiedenheit zu erkennen und damit wertungsmäßigen Zugriff auf alle die Geschäfte nehmen zu können, die die ,Wesensmerkmale‘ der begrifflich verstandenen gesetzlichen Erläuterungsnormen nicht aufweisen“.278 Die Essenz der von Leenen geforderten typologischen Methode liegt mithin darin, im Einzelfall anhand des typischen Falles die Angemessenheit der Rechtsfolgen einer Einordnung in einen bestimmten Typus zu überprüfen und zugleich lediglich die angemessenen Rechtsfolgen Anwendung finden zu lassen.279 Ein anderer verbreiteter Begriff für eine solche typologische Betrachtung sei eine „wirtschaftliche Betrachtungsweise“, wobei Leenen jedoch diesen Begriff ablehnt: Er zeuge von der „verfehlten Vorstellung, dass ,rechtlich‘ nur begriffliches Denken sei“.280

II. Kriterien der Qualifikation bei ganzheitlich-typologischer Betrachtung Ausgangspunkt bei der Qualifikation unter typologischer Betrachtung sei die „Gesamtbetrachtung“. Hierbei sei ein typologischer Vergleich zwischen dem (Ideal-) Typus und der Fallkonstellation vorzunehmen;281 gleichzeitig sei die Angemessen-

273 274 275 276 277 278 279 280 281

Leenen, Typus, S. 123. Leenen, Typus, S. 65. Leenen, Typus, S. 34. Es handle sich um „verfestigte, nicht aber geschlossene Typen“, Leenen, S. 171. Leenen, Typus, S. 148 ff. Leenen, Typus, S. 188. Leenen, Typus, S. 150. Leenen, Typus, S. 188. Leenen, Typus, S. 150.

C. Stellungnahme

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heit der Rechtsfolgen einer Qualifikation mit in die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen, und zwar weder als alleiniges Merkmal, noch als bloßes Korrektiv.282 Den Versuch einer Kategorisierung dieser Kriterien auf Grundlage dieser typologischen Betrachtung hat Thönissen unternommen.283 Zunächst werde der Vertrag anhand seiner Hauptleistungspflichten und anhand des Vertragszwecks qualifiziert.284 Hierbei fehlt es jedoch an einer genaueren Konkretisierung dieser Kriterien. Ferner seien die „Modalitäten der Leistungserbringung“ sowie „kontextuale Kriterien“ und personale Kriterien zu berücksichtigen (letzteres bei personalen Anknüpfungspunkten beispielsweise im Verbraucherrecht).285 Schließlich sollen auch Motive und subjektive Parteivorstellungen (mit Vorbehalten) Berücksichtigung finden.286

C. Stellungnahme Die Lehre, die die Qualifikation alleinig anhand von begrifflichen Kriterien wie den „Hauptleistungspflichten“, dem „Hauptgegenstand“ oder „essentialia negotii“ vorzunehmen sucht, setzt jeweils bereits eine Wertung voraus, die über eine rein begriffliche Sichtweise hinausgeht: Was nämlich die „Hauptpflicht“ oder „wesentliche Pflicht“ eines Vertrages ist, lässt sich auf Seite des Typus, auf der Seite des Ideals zwar begrifflich definieren. So sind dies bei einem Kaufvertrag die Pflichten zur Übergabe und Übereignung, sowie die Zahlung des Kaufpreises durch die andere Seite, wie es schon gesetzlich ausdrücklich in § 433 Abs. 1 BGB normiert ist. Auf der Seite des konkret zu qualifizierenden Vertrages stellt sich unweigerlich jedoch die Frage, welche Pflicht nun die wesentliche Hauptpflicht, was also der Hauptgegenstand des konkret geschlossenen Vertrages ist. Wenn man versucht, den wesentlichen Hauptgegenstand darüber zu ermitteln, welchem Typ der Vertrag unterliegt, ist ein Zirkelschluss offensichtlich: Man kann nicht einerseits den Vertragstyp nach den Hauptpflichten qualifizieren, und die Frage danach, was Hauptpflichten sind, nach dem Vertragstyp beantworten. Die Frage kann also nur auf Grundlage weiterer Wertungen beantwortet werden. Es ist zu ermitteln, was gerade der Hauptgegenstand ist, bzw. was Hauptleistungspflichten sind. Hier finden sich fast ausschließlich Formulierungen in der Gestalt, dass Hauptleistungspflichten diejenigen Pflichten sind, die so wesentlich sind, dass

282

Leenen, Typus, S. 151. Thönissen, Bonitätsrisiken, S. 124 ff. 284 Thönissen, Bonitätsrisiken, S. 124. Die Problematik einer begrifflichen Bestimmung, was Haupt-Leistungspflicht ist, wurde bereits oben dargelegt. 285 Thönissen, Bonitätsrisiken, S. 126. 286 Thönissen, Bonitätsrisiken, S. 127. 283

68

Kap. 7: Die Qualifikation als methodischer Ausgangspunkt

sie dem Vertrag das charakteristische Gepräge geben.287 Wieder erscheinen solche Umschreibungen begrifflich unzureichend, um einer Vertragsqualifikation dienlich zu sein: Wonach bestimmt sich in einem Vertrag die Wesentlichkeit einer vereinbarten Leistungspflicht im Vergleich zum restlichen Vertragsinhalt? Die Wertung, ob eine Pflicht im Vergleich zu anderen Pflichten des Vertrages wesentlich ist, kann nur aufgrund des Zwecks des Vertrages beantwortet werden. Der Zweck ist damit ein übergeordnetes Kriterium bei der Vertragsqualifikation.288 Denn nur er funktionalisiert eine Pflicht überhaupt als wesentliche typenprägende „Hauptpflicht“. Im gegenseitigen Vertrag kann nur der Austauschzweck bestimmen, welche Pflichten in einem Austauschverhältnis stehen und damit Hauptpflichten darstellen. Denn der Austauschzweck stellt den Wesenszug sämtlicher Austauschverträge dar. Wenn Leenen mit der typologischen Betrachtung eine wirtschaftliche Betrachtungsweise postuliert, geht er richtigerweise von einer rein begrifflichen Betrachtung weg. Anstatt aber die Statuierung notwendiger wirtschaftlicher Kriterien in seiner typologischen Betrachtung zu erlauben, fordert er eine eher diffuse „Gesamtwürdigung“ und verbietet die Statuierung von wesentlichen Bestandteilen. Die Vertragstypen statuieren jedoch rechtliche Strukturtypen, die an bestimmte wirtschaftliche Zwecke geknüpft sind. Dass dem Zweck eines Rechtsgeschäfts eine besondere Bedeutung in der typologischen Betrachtung zukommt, scheint auch Leenen im Sinn zu haben, wenn er betont, dass im Falle einer Zweckentfremdung gesetzlicher Formen ein Geschäft sogar einem Typus zugeordnet werden kann, dessen „Hauptzüge“ es nicht aufweist.289 Diese „Hauptzüge“ sind für Leenen die wichtigsten gesetzlich normierten Züge eines jeweiligen Vertragstypus, bei § 433 Abs. 1 BGB also insbesondere die Hauptleistungspflichten (Pflicht zur Übergabe und Übereignung der Kaufsache sowie Kaufpreiszahlung). Wenn Leenen aber im Falle einer Zweckentfremdung trotz Entsprechung des vereinbarten Pflichtenprogramms mit einem bestimmten Vertragstypus eine Qualifikation zu einem anderen Vertragstyp befürwortet, dann wird für ihn der Vertragszweck der für die Qualifikation ausschlaggebende Punkt. Daher ist Leenens Aussage, es gäbe keine notwendigen Wesenszüge eines Vertrages, nicht zutreffend: Der Hauptzug eines Vertragstypus muss vielmehr in dessen Zweck liegen. Was sind nun die Wesensmerkmale eines Vertragszweckes? Der Zweck hat auch im modernen deutschen Recht eine dogmatische Ausprägung in Form der Causa-Lehre erhalten.

287 288 289

Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 108; Brox/Walker, Schuldrecht I, Rn. 6. Vgl. Thönissen, Bonitätsrisiken, S. 128. Leenen, Typus, S. 171.

D. Die Causa als Determinante der Qualifikation

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D. Die Causa als Determinante der Qualifikation Die sog. Causa war im von den mittelalterlichen italienischen Juristen geprägten gemeinen Recht ein den Vertragstypus prägender Tatbestand. Unter dem BGB betont dies auch von Thur, der in der Causa das Moment sieht, nach welchem „sich der rechtliche Charakter der Zuwendung“ bestimmt, „d. h. die Gruppe von Rechtssätzen, denen die Zuwendung unterliegt.“290 Auch Daele sieht die Causa als maßgeblich für die Qualifikation, da der Gesetzgeber mit dem besonderen Schuldvertragsrecht an eine „spezifische Interessenlage“ anknüpfe, die durch die Causa repräsentiert werde.291 Viele Autoren knüpfen zwar nicht an den Begriff der Causa als den formalisierten Zweck einer Zuwendung oder eines Vertrages an, sondern verwenden den deutschen Begriff des „Zwecks“ als erheblichen Anknüpfungspunkt der Qualifikation.292 Im Folgenden ist mithin in gebotener Tiefe zu erörtern, welchen Ursprung der Begriff der Causa als rechtlich relevanter Zweck hat, um schließlich zu entscheiden, ob sie als Determinante für die juristische Qualifikationsentscheidung dienen kann.

I. Die Lehre von der Causa unter dem BGB Das Bürgerliche Gesetzbuch erwähnt, anders als das italienische Codice Civile293 oder der frühere Code Civil kein ausdrückliches Erfordernis einer Causa für Schuldverträge im geltenden Recht. Das BGB statuiert ausschließlich Regelungen zu den Modalitäten des Vertragsschlusses, namentlich die §§ 145 ff. BGB.294 Dennoch wird in aktueller Literatur, kaum bestritten wohlbemerkt, insbesondere in den Werken von Westermann, Klinke und Bremkamp, die Notwendigkeit der Vereinbarung einer Zweckbindung bei kausalen Schuldverträgen wieder angeführt.295 Die Causa wird gar als Teil der essentialia negotii eines jeden kausalen Schuldvertrages gesehen.296 290

v. Thur, BGB AT, Bd. II/2, S. 62. Daele, S. 20 ff. 292 Thönissen, Bonitätsrisiken, S. 124 f.; Westermann, Typengesetzlichkeit, S. 106; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 Rn. 27. 293 Art. 1325 Codice Civile: „I requisiti del contratto sono: 1) l’accordo delle parti 2) la causa; 3) l’oggetto; 4) la forma, quando risulta che è prescritta dalla legge sotto pena di nullità“. 294 Vgl. Bremkamp, Causa, S. 166. 295 Dazu grundlegend Westermann, Causa; Klinke, Causa; Bremkamp, Causa; Flume, Rechtsgeschäftslehre, S. 167. 296 Klinke, S. 42 m. w. N. Wenn in dieser Arbeit das begriffliche Denken abgelehnt wird, das Vertragstypen über ihre „essentialia negotii“ definiert, so kann man doch trotzdem für die 291

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Kap. 7: Die Qualifikation als methodischer Ausgangspunkt

Die „Causa“, der „Grund“ einer Zuwendung oder eines Vertrages, lässt sich auch als dessen „Zweck“ übersetzen: In Bezug auf eine menschliche Handlung ist nämlich der Grund, aus dem jemand handelt, dessen Beweggrund, dessen Motivation, und daher dessen Zweck.297 1. Der rechtliche Grund und der Zweck als Rechtsbegriffe im BGB Im BGB selbst taucht der Begriff „Causa“ als solcher nicht auf. Genutzt wird der Begriff punktuell allerdings in Form des „rechtlichen Grundes“, nämlich im § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB als Zentralnorm im Bereicherungsrecht. Beim Begriff „rechtlicher Grund“ besteht dabei Streit zwischen den Vertretern des sog. „objektiven Rechtsgrundbegriffes“ sowie des „subjektiven Rechtsgrundbegriffes“.298 Erstere verstehen den Begriff des „rechtlichen Grundes“ als das Kausalverhältnis, auf das solvendi causa, also zum Zwecke der Erfüllung geleistet wurde.299 Stampe beispielsweise wollte den Parteizweck von der Causa unterscheiden, und sieht in der Causa das „Grundgeschäft“ zu den der „Güterschiebung“ dienenden „Hilfsgeschäften“.300 Der Rechtsgrund fehle nach dieser Ansicht also dann, wenn es an einem Kausalverhältnis, dem „Grundgeschäft“ mangelte (objektives Rechtsgrundverständnis). Nach der anderen Ansicht hingegen fehle der rechtliche Grund, wenn der verfolgte Zweck der Leistung nicht eingetreten ist (subjektives Rechtsgrundverständnis).301 Letztere Ansicht betont im Bereicherungsrecht das Zweckdenken. Der Begriff des Zwecks, der dem der Causa sehr nahesteht, findet sich gleichzeitig auch im Gesetz in dessen Nähe, nämlich im § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB. Hiernach ist der Empfänger einer Leistung zur Herausgabe des Leistungsgegenstandes verpflichtet, wenn der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt. Von Vertretern der objektiven Rechtsgrundtheorie wird diese Vorschrift gegen das subjektive Rechtsgrundverständnis angeführt, da im Umkehrschluss des § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB der Zweck nur in dem genannten Fall ausschlaggebend sein soll.302 Stampes Ansicht hat die Besonderheit, dass er das Substrat der kausalen Grundgeschäfte darin sieht, dass es auf einen bestimmten wirtschaftlichen Gesamterfolg gerichtet sei.303 Zu der Frage, welchen Zweck eine Verbindlichkeit hat, Wirksamkeit eines Vertrages verlangen, dass als Mindestgehalt eines Geschäfts bestimmte Abreden getroffen werden. 297 Schlossmann, Causa, S. 31. 298 Zum Streit vgl. MükoBGB/Schwab, § 812 Rn. 396. 299 MükoBGB/Schwab, § 812 Rn. 396. 300 Stampe, Das Causa-Problem, S. 24. 301 MükoBGB/Schwab, § 812 Rn. 396 m. w. N. 302 MükoBGB/Schwab, § 812 Rn. 396. 303 Stampe, Das Causa-Problem, S. 24.

D. Die Causa als Determinante der Qualifikation

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kommt man schon dann nicht, wenn man nicht die Rechtsfolgen, sondern die wirtschaftlichen Folgen zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Erklärung erhebt.304 Insoweit lässt sich bei einer oberflächlichen Betrachtung des Gesetzeswortlauts und der Systematik des BGB lediglich feststellen, dass das Gesetz die Begriffe „Rechtsgrund“ und „Zweck“ in einem bereicherungsrechtlichen Kontext gebraucht. Dies sind jedoch bislang höchstens Indizien dafür, dass der Gesetzgeber die CausaLehre in das BGB integriert hat. 2. Gesetzgebungsgeschichte a) Materialien zum BGB Es wurde bei der Beratung zum heutigen § 780 BGB (dem abstrakten Schuldversprechen) festgestellt, dass diese „Loslösung des Schuldverhältnißes von dem Verpflichtungsgrunde eine Abweichung von der regelmäßigen Gestaltung der Obligation sei.“305 Der Verpflichtungsgrund stelle mithin einen „Wesensbestandteil“ einer jeden Verpflichtung dar.306 Der historische Gesetzgeber hat mithin klar vor Augen gehabt, dass jeder Schuldvertrag prinzipiell kausal sein muss, also einen bestimmten Zweck in sich tragen muss.307 b) Einfluss der Lehre von der Voraussetzung In der Gesetzgebungshistorie ist die von Windscheid entwickelte Lehre von der „Voraussetzung“ von großer Bedeutung.308 Für Windscheid ist die Voraussetzung eine „Selbstbeschränkung des Willens“, eine „unentwickelte Bedingung“.309 Im Unterschied zur Bedingung besteht in dem Fall des Fehlens einer Voraussetzung das durch den Erklärenden begründete Rechtsverhältnis „mit seinem wirklichen, aber gegen seinen eigentlichen Willen.“310 In der Folge sei der Verpflichtung die exceptio doli311 einzuwenden.312 304

Vgl. Westermann, Causa, S. 72 f. Protokoll der 2. Kommission, in: Mugdan II, S. 1042. 306 Protokoll der 2. Kommission, in: Mugdan II, S. 1041. 307 Zur gleichen Schlussfolgerung kommt Bremkamp, Causa, S. 162. 308 Windscheid, Voraussetzung. 309 Windscheid, Voraussetzung, S. 1. 310 Windscheid, Voraussetzung. S. 2. 311 Die exceptio doli war im römischen Recht die Einrede der Arglist. Insbesondere die exceptio doli praesentis konnte gegen die treuwidrige klageweise Geltendmachung des Anspruchs erhoben werden (Jörs/Kunkel/Wenger, Römisches Recht, S. 372). Die Treuwidrigkeit für Windscheid lag damit in der Geltendmachung eines Anspruchs sine causa, ohne Rechtsgrund. 305

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Kap. 7: Die Qualifikation als methodischer Ausgangspunkt

Die Voraussetzung beschreibt Windscheid als die „erste Absicht“ hinter einer Willenserklärung, vor der keine andere Absicht steht.313 Hierbei betont er: Aber sie. die erste [Absicht] – kann nicht nicht vorhanden sein. Ohne alle Absicht will Niemand, ohne alle Absicht macht Niemand, wovon es sich hier speziell handelt, eine Vermögensaufopferung.314

Eine abschließende Unterteilung dieser Absichten in die drei Kategorien „animus donandi“, „animus obligandi“ und „animus solvendi“ lehnt Windscheid ab.315 Windscheid bezieht sich in seiner Voraussetzungslehre ausdrücklich auf die römische Causa, welche er jedenfalls zum Teil mit seinem Konzept der Voraussetzung gleichsetzt.316 Scheel weist darauf hin, dass die Voraussetzungslehre als solche zunächst im ersten Entwurf zur condictio ob rem (§ 742 E I), der heutigen Zweckverfehlungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB), ihren Niederschlag gefunden hatte.317 So lautete die Formulierung im ersten Entwurf: Wer unter der ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Voraussetzung des Eintritts oder Nichteintritts eines künftigen Ereignisses oder eines rechtlichen Erfolges eine Leistung bewirkt hat, kann, wenn die Voraussetzung sich nicht erfüllt, von dem Empfänger das Geleistete zurückfordern.318

Ferner weist Scheel darauf hin, dass von der ersten Kommission des BGB die Voraussetzungslehre auch für das allgemeine Verständnis vom Rechtsgrund in das BGB aufgenommen wurde.319 Deshalb steht auch in den Motiven zur Leistungskondiktion: Die Leistung muß erfolgt sein zum Zwecke der Erfüllung, d. h. in Annahme des Bestehens der Verbindlichkeit und deshalb in der Voraussetzung des rechtlichen Erfolges der Tilgung dieser Verbindlichkeit.320

312

Windscheid, Voraussetzung, S. 2. Windscheid, Voraussetzung, S. 87. 314 Windscheid, Voraussetzung, S. 87. 315 Windscheid, Voraussetzung, S. 89. Zur dreigeteilten Typisierung der Causa siehe unten, S. 74 ff. 316 Windscheid, Voraussetzung, S. 50. 317 Scheel, Rechtsgrundbegriff, S. 71 unter Bezugnahme auf Motive II, 843 = Mugd. II, 470. 318 Zit. nach Scheel, Rechtsgrundbegriff S. 71. 319 Scheel, Rechtsgrundbegriff, S. 62. 320 Motive II, 831 = Mugd. II, 464. Der Entwurf zum Tatbestand der condictio indebiti lautete: „Wer zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit eine Leistung bewirkt hat, kann, wenn die Verbindlichkeit nicht bestanden hat, vom Empfänger das Geleistete zurückfordern.“ (§ 737 I E I, zit. nach Scheel, Rechtsgrundbegriff, S. 66). 313

D. Die Causa als Determinante der Qualifikation

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Durch die zweite Kommission wurde der Bezug auf die Voraussetzungslehre Windscheids aufgegeben.321 Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die zweite Kommission für die Beibehaltung der Voraussetzungslehre Windscheids aus Verkehrsschutzgründen nicht eingetreten sei.322 Zunächst sah die Kommission Abgrenzungsschwierigkeiten der ausdrücklichen Voraussetzung zur Bedingung und zum vereinbarten Rücktrittsrecht.323 Ferner sah sie kritisch, dass nach Windscheids Lehre der Voraussetzungen Umstände auch Berücksichtigung finden sollten, wenn sie unerwähnt blieben und der anderen Seite bloß erkennbar sein musste.324 Es sei in diesen Fällen schwerlich zwischen Motiven und der „Voraussetzung“ abzugrenzen.325 Daher wählte man den einheitlichen Begriff des „rechtlichen Grundes“ im § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, weil das komplizierte Verhältnis von Zweck und Zuwendung nicht durch die Gesetzessprache ausgedrückt werden könne.326 Gleichzeitig war, wie bereits festgestellt, auch für die zweite Kommission der Zweck der Rechtsgrund der Leistung, was sich unzweideutig aus den Protokollen ergibt: Daß die Zweckbestimmung den Rechtsgrund der Leistung bilde, werde sich ohne Schwierigkeit aus den besonderen Vorschriften über die Leistung einer Nichtschuld und über den verwerflichen Empfang erkennen lassen.327

Diese eindeutigen Stellungnahmen des historischen Gesetzgebers sprechen dafür, dass das Verständnis vom „Rechtsgrund“ im Bereicherungsrecht des BGB damit subjektivistisch und vom Zweckdenken geprägt ist. c) Zusammenfassung Im Bereich des Bereicherungsrechts wurde damit zwar die allgemeine Voraussetzungslehre Windscheids, die sämtliche Zuwendungsgeschäfte, abstrakte wie kausale, betraf, als solche abgelehnt; prinzipiell allerdings stand die Ansicht beider Kommissionen jedenfalls in ihrem kausalen Zweckdenken der Lehre Windscheids sehr nahe:328 Kritisiert wurde nicht die These der Zweckgebundenheit rechtsgeschäftlichen Handelns als solche, sondern die Reichweite von deren Beachtlichkeit aufgrund von Verkehrsschutzerwägungen. Denn Windscheid wollte die Vorausset321

Scheel, S. 154. Protokolle der 2. Kommission, S. 2953 = Mugd. II, 1174. 323 Protokolle der 2. Kommission, S. 2954 = Mugd. II, 1174. 324 Protokolle der 2. Kommission, S. 2954 = Mugd. II, 1174. Dies findet sich bei Windscheid, Voraussetzung, S. 108 ff., der die Möglichkeit einer stillschweigenden Übereinkunft über die Voraussetzung betont. Scheel, Rechtsgrundbegriff, S. 154, sieht hier einen deutlichen Bezug zu Lenels Kritik an Windscheids Lehre in Lenel, AcP 74, 213. 325 Protokolle der 2. Kommission, S. 2954 = Mugd. II, 1174. 326 Protokolle der 2. Kommission, S. 2955 f. = Mugd. II, 1174. 327 Protokolle der 2. Kommission, S. 2956 = Mugd. II, 1174. 328 So auch Scheel, Rechtsgrundbegriff, S. 174. 322

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zung nicht nur bei ihrer Vereinbarung erheblich machen, sondern für ihn genügte deren Erkennbarkeit. Für den Gesetzgeber war jedoch wie für Windscheid der Zweck der Rechtsgrund der Leistung. Dieser Begriff des „Rechtsgrundes“ kann sich damit nahtlos in ein allgemeines Verständnis von „Causa“ im Zivilrecht als der rechtlich relevante Zweck einer Zuwendung eingliedern. Diese Äußerungen zum Rechtsgrund wurden zwar in Bezug auf das Bereicherungsrecht getätigt und betrafen damit den Rechtsgrund bei abstrakten Zuwendungsgeschäften. Niemals jedoch wurde die Annahme der grundsätzlichen Zweckgebundenheit von Zuwendungen in Frage gestellt. Gerade für kausale Zuwendungsgeschäfte schien das Erfordernis eines Rechtsgrundes ohnehin keiner Diskussion wert. 3. Heutige Lehren der Causa der Zuwendungsgeschäfte Viele Autoren betonen, dass auch unter dem BGB ein allgemeines Causa-Erfordernis für Zuwendungsgeschäfte bestünde.329 So steht etwa auch im Palandt: Jede rechtsgeschäftliche Zuwendung bedarf eines Rechtsgrundes („causa“).330

Unter Zuwendungsgeschäften versteht man ein Rechtsgeschäft, welches eine Vermögensverschiebung zum Gegenstand hat.331 Ein solches Geschäft kann entweder Verpflichtung oder Verfügung sein. Hierbei gilt mit einigen Ausnahmen332 der Grundsatz, dass im deutschen Recht Verpflichtungen kausal ausgestaltet sind,333 Verfügungen abstrakt.334 Kausal bedeutet im Gegensatz zu abstrakt, dass das Rechtsgeschäft seinen Rechtsgrund (Causa) in sich trägt.335 Abstrakte Rechtsgeschäfte sind dagegen vom Rechtsgrund unabhängig und beinhalten ihren Rechtsgrund nicht in sich selbst.336 Der wesentliche Unterschied zeigt sich beim Fehlen der Causa: Fehlt es an einer Causa bei kausalen Geschäften, führt dies zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts – es handelt sich um eine Entstehungsvoraussetzung. Das abstrakte Geschäft hat dagegen Wirkung auch bei Fehlen des Rechtsgrundes, die 329 Brox/Walker, BGB AT § 4 Rn. 112 – 115; v. Thur, BGB AT, Bd. 2,2, § 72; Kress, Allgemeines Schuldrecht, § 5; Esser, § 5 IV. 330 Palandt/Ellenberger, Vor § 104 Rn. 19. 331 Klinke, Causa, S. 17. 332 So ist zum Beispiel die Pfandrechtsbestellung gem. § 1205 BGB ein kausaler Vertrag, der notwendigerweise die Sicherung einer Forderung zum Gegenstand hat und dieser kann nicht abstrakt ausgestaltet sein (Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, Rn. 22). 333 Mit Ausnahme des abstrakten Schuldanerkenntnis, § 780 BGB, Palandt/Ellenberger, Vor § 104 Rn. 20; Kegel, Verpflichtung und Verfügung, S. 71. Zur Diskussion im 19. Jahrhundert hierüber, siehe unten, S. 128 ff. 334 Palandt/Ellenberger, Vor § 104 Rn. 19. 335 Palandt/Ellenberger, Vor § 104 Rn. 20; Flume, Rechtsgeschäft, S. 154. 336 Palandt/Ellenberger, Vor § 104 Rn. 21. Zur Unterscheidung zwischen inhaltlicher und äußerer Abstraktheit siehe unten, S. 153 f.

D. Die Causa als Determinante der Qualifikation

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Zuwendung ist jedoch kondizierbar – es handelt sich dann um eine Bestandsvoraussetzung.337 Worin besteht nun also die Causa bei Zuwendungsgeschäften? Westermann fasst den Begriff der Causa wie folgt zusammen: Causa ist ein vom Recht auf Grund einer Parteivereinbarung oder wegen seines typischen Vorkommens beachteter, auf diese Weise aus der Reihe der Motive herausgehobener Zweck einer Vermögenszuwendung.338

Zusammengefasst besteht mithin weitgehende Einigkeit über folgende Aspekte der Causa: a) Causa als rechtlich relevanter Zweck Die Causa (lat. Ursache) bezeichnet den Zweck einer Zuwendung.339 Terminologisch lässt sich dies so erklären, dass der Zweck der Ursache einer Vermögensverschiebung entspricht, nimmt man an, dass Menschen zweckgerichtet handeln und der Zweck zugleich Grund des Handelns darstellt.340 Die Begründung für die Erheblichkeit des Zweckes einer Handlung wird in der psychologischen Beobachtung gefunden, dass keine menschliche Handlung ohne Zweck geschieht.341 Dies begründet freilich noch nicht die rechtliche Erheblichkeit dieser psychologischen Notwendigkeit. Die Ernstlichkeit342, die bei den Kommentatoren für die Abgrenzung zur „stultitia“343, zur reinen Torheit, und heute noch bei der englischen doctrine of consideration wiederzufinden ist,344 kann auch nicht mehr das tragende Moment sein, wird dies in der geltenden Lehre doch vom Tatbestand der Willenserklärung (Rechtsbindungswille) bestimmt. Es müssten daher irgendwelche Rechtsfolgen an die Causa einer Vereinbarung anknüpfen, die bewirken, dass man sie als so wesentlich sieht, dass sie gar als essentiale negotii gesehen wird und damit beispielsweise aufgrund eines Dissenses die Vereinbarung als nichtig betrachtet werden muss.345

337

Vgl. Bremkamp, Causa, S. 236 ff. Westermann, Causa, S. 56. 339 Westermann, Causa, S. 56; Kegel, Verpflichtung und Verfügung, S. 59. 340 Vgl. Kegel, Verpflichtung und Verfügung, S. 59, Fn. 9. 341 Vgl. Bähr, Anerkennung als Verpflichtungsgrund, S. 122: „Das dort behauptete Versprechen stellt sich sofort als etwas psychologisch Unvollendetes dar“; Schlossmann, Zur Lehre von der Causa, S. 34 f.; Westermann, Causa, S. 16. 342 Zweigert, JZ 1964, 349. 343 Siehe oben, S. 11. 344 Zweigert, JZ 1964, 349. 345 Von dieser Vertragsnotwendigkeit einer Causabestimmung geht Klinke, Causa, S. 143, aus; so auch selbstverständlich für v. Thur, BGB AT, Bd. 2/2, S. 81. 338

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Kap. 7: Die Qualifikation als methodischer Ausgangspunkt

Die „normative Formalisierung“ der Motivation des Zuwendenden durch die Causa-Lehre, wie Esser betont,346 ist das Besondere am Begriff der Causa im Vergleich zum einfachen Begriff des Zwecks: Während ein Zweck erst einmal nur ein wages Argumentationskriterium ist, das auf dem allgemeinen Sprachgebrauch beruht, ist die Causa eine eigenständige Rechtsfigur. Die Rechtsfigur der Causa hingegen ist unter dem BGB schwieriger zu begründen als in Rechtsordnungen, die ein ausdrückliches Causa-Erfordernis kodifiziert haben. Auch wenn im Bürgerlichen Gesetzbuch keine allgemeinen Regelungen zur Causa getroffen werden, so knüpfen doch zahlreiche Tatbestände von Rechtsnormen des Vertragsrechts (insbesondere zu den gegenseitigen Verträgen) an diese Zweckbindung an und machen damit die allgemeine Causa-Lehre erkennbar.347 So verlangen verschiedene Vorschriften in den §§ 320 ff. BGB einen „gegenseitigen Vertrag“. Die Gegenseitigkeit, das Synallagma, sei, wie Klinke herausarbeitet hat, die „Causastruktur des gegenseitigen Vertrages“348. Der eine Anspruch stelle den Rechtsgrund des anderen Anspruchs dar.349 Die Folgen sind auf Seiten des Vertragsschlusses wie bei der Abwicklung zu erkennen: zunächst einmal entsteht der eine Anspruch nicht ohne den anderen.350 Dieses „genetische Synallagma“ steht neben dem „konditionellen Synallagma“ und dem „funktionellen Synallagma“.351 Das funktionelle und konditionelle Synallagma wirken in der Vertragsabwicklung.352 Denn die Geltendmachung eines Anspruchs wird durch seinen Zweck – nämlich die Erlangung des Gegenanspruchs – in Bestand und Durchsetzung gehemmt, vor allem durch die §§ 320, 322, 326 BGB.353 Andere Rechtsvorschriften knüpfen an andere Zweckrichtungen an als die Gegenseitigkeit, wie z. B. § 516 BGB an die Unentgeltlichkeit anknüpft. Der Begriff der Causa ist für deren Vertreter aufgrund der hohen Relevanz des Zweckdenkens also eine begriffliche Abstraktion der Funktionen des Zweckes von Zuwendungen. Zwar besteht die übliche Formulierung, dass die Causa ein Merkmal ist, das es separat für jede einzelne Verpflichtung festzustellen gilt; die Causa ist schließlich der Zweck jeder einzelnen Vermögenszuwendung. Allerdings ist im Rahmen dieser Arbeit von der Causa in einem weiteren Sinne zu sprechen, nämlich im Sinne der kausalen Struktur des Schuldvertrages: Bei Verträgen mit mehrseitigen Pflichtenprogrammen kann insoweit einheitlich von einer Causa des Vertrages gesprochen werden, da die Causae der Verpflichtungen gerade im Synallagma (causa acqui346

Esser, Schuldrecht I/1, S. 75 f. Ehmann, FS Beuthien, S. 3; Kegel, Verpflichtung und Verfügung, S. 66 f.; Klinke, Causa, S. 94 ff. 348 Klinke, Causa, S. 120. 349 So auch Palandt/Ellenberger, Vor § 104 Rn. 20; Daele, 23 ff. 350 Klinke, Causa, S. 106 f. 351 MükoBGB/Emmerich, Vor § 320 Rn. 13 – 16. 352 Klinke, Causa, S. 106 f.; MükoBGB/Emmerich, Vor § 320 Rn. 15 f. 353 Vgl. Klinke, Causa, S. 107 f.; MükoBGB/Emmerich, Vor § 320 Rn. 15 f. 347

D. Die Causa als Determinante der Qualifikation

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rendi) korrespondieren.354 Der Begriff der Causa soll im Rahmen dieser Arbeit zum einen den formalisierte Zweck einer einzelnen Zuwendung bezeichnen, zum anderen im weiteren Sinne, bei einem mehrseitigen Geschäft, die Zweckstruktur des gesamten Vertrages. b) Causa als vereinbartes Motiv Die Causa einer Zuwendung sei von ihrem Wesen her Motiv, aus dem heraus jemand eine Vermögenszuwendung tätigt.355 Dies gerät in Konflikt mit dem Grundsatz, dass Motive einer Zuwendung (oder allgemein: eines Rechtsgeschäfts) prinzipiell unbeachtlich sind.356 Während bei Windscheids Voraussetzungslehre jedes auch nur erkennbare Motiv Voraussetzung und damit beachtliche Willensbeschränkung war357, wird für das geltende Recht eine Vereinbarung des Motivs gefordert, damit diese als Causa beachtlich ist.358 Durch das Moment der Vereinbarung wird die Causa als vereinbartes Moment von den sonstigen, unbeachtlichen Motiven abgegrenzt. c) Causa als subjektives sowie typisch auftretendes Kriterium Wenn die Causa primär der Parteivereinbarung unterliegt, ist sie mithin Gegenstand des Vertrages.359 Neben dieser subjektiven Komponente wird der Causa durch ihre historische Typisierung, die sie durch die Rechtslehre insbesondere des gemeinen Rechts genossen hat, auch ein objektiver Aspekt zugesprochen: Durch Verwendung von rechtsgeschäftlichen Aktstypen werde das Causa-Moment objektiviert, indem es an den Katalog typischer Geschäftszwecke im Verkehr anknüpft.360 Betont wird dieser Aspekt insbesondere von Esser:361 Aus der unbegrenzten Vielfalt von Motivationen greift das Gesetz besonders charakteristische, strukturell-typische Geschäftszwecke heraus, die in ihrer normativen Formalisierung der individuellen Zweckwidmung enthoben sind.

354 So betont auch Klinke, Causa, dass beim synallagmatischen Vertrag mit den gegenseitigen Pflichten für sich genommen jeweils ein eigener Zweck verfolgt wird, welcher zu einem objektiven Vertrags- und Geschäftszweck verschmilzt; auch bei Esser, § 5 IV erscheint die Causa als der Rechtsgrund des Vertrages selbst. 355 Westermann, Causa, S. 19. 356 Vgl. Westermann, Causa, S. 40 f. 357 Siehe oben, S. 71. 358 Kegel, Verpflichtung und Verfügung, S. 60; Klinke, Causa, S. 20 f., 32 f. 359 Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass die Einigung über die Causa selbst rechtsgeschäftlich sein muss. Zur Rechtsnatur der Causa dazu siehe unten. 360 Westermann, Causa, S. 17 f. 361 Esser, Schuldrecht I/1, S. 75 f.

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Kap. 7: Die Qualifikation als methodischer Ausgangspunkt

Daele beschreibt diese rechtliche Formalisierung als einen „apriorischen Inhalt“ von Willenserklärungen, als eine „Objektivierung des Vertragsinhalts“.362 Durch Anknüpfung an einen Geschäftstypus durch den Rechtsverkehr wird diese typische Causa Vertragsbestandteil.363 Wer einen Kaufvertrag als einen solchen abschließt, der wird den typischen, apriorischen Inhalt des Kaufvertrages vor Augen haben (Austausch von Sachen gegen Geld) und deren typische Bedeutung im Rechtsverkehr wollen. Richtigerweise muss man es jedoch mit Klinke ausdrücken, dass bei der Nutzung von typischen Verträgen die typische Causa stillschweigend mitvereinbart wird.364 Anders lässt sich rechtstechnisch die Anknüpfung des Verkehrs an typische Geschäfte nicht erklären. Der dem Synallagma zugrundeliegende Austauschzweck wird auch „causa acquirendi“ genannt.365 In einem synallagmatischen Vertrag verpflichtet sich jeder Teil zu dem Zwecke, dass sich der andere Teil verpflichtet. Ob dieser Zweck lediglich in der Erlangung der jeweiligen Gegenverpflichtung liegt, oder in der tatsächlichen Erlangung der Gegenleistung selbst, ist umstritten.366 Neben diesen bestehen nach der Causa-Lehre weitere typische Causae, wie die causa donandi bzw. causa liberalitatis (Liberalität, Schenkungszweck) sowie die Abwicklungszwecke, insbesondere der Sicherungszweck.367 Diese Zwecke werden regelmäßig als abschließender Katalog von Causatypen charakterisiert, obgleich dies umstritten ist.368 d) Causa und Risikoverteilungsprogramm Kegel betont den Einfluss der Causa auf das Risikoverteilungsprogramm des Zuwendungsgeschäftes.369 Prinzipiell liege es im Risikobereich des Zuwendenden, ob der Zweck der Zuwendung erreicht wird oder nicht.370 Durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung eines Zweckes könne dieses Risiko auf den Gegner übergewälzt werden.371 Dies zeigt sich heute insbesondere bei der zentralen Vorschrift des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB bezüglich des Synallagmas: Erlischt ein Anspruch wegen Unmöglichkeit (= Wegfall der Causa), erlischt auch der korrespondierende Gegenanspruch. Wenn die Causa des Gegenanspruchs der Anspruch ist, so trägt der Zuwendende (also Anspruchsgegner des Gegenanspruchs) nicht mehr das alleinige 362 363 364 365 366 367 368 369 370 371

Daele, Gegenseitiger Vertrag, S. 22. Westermann, Causa, S. 80. Klinke, Causa, S. 46 f. Westermann, Causa, S. 83 ff. Dazu siehe unten, S. 92 ff. Klinke, Causa, S. 52 f. Kress, Allgemeines Schuldrecht, S. 37; Klinke, Causa, S. 58. Kegel, Verpflichtung und Verfügung, S. 59. Kegel, Verpflichtung und Verfügung, S. 59. Kegel, Verpflichtung und Verfügung, S. 59.

D. Die Causa als Determinante der Qualifikation

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Risiko der Zweckverfehlung: Fällt nämlich der Anspruch weg, der Causa und damit Zweck des Gegenanspruchs ist, schuldet der Schuldner der Gegenleistung nichts mehr. Hierin unterscheidet sich für Kegel damit das unbeachtliche Motiv von der Causa. Neben primären Causae, welche Windscheids Vorstellung der „ersten Absichten“ entsprechen,372 können auch beachtliche Sekundärzwecke vereinbart werden.373 Sekundärzwecke seien schon typischerweise im Verwendungszweck bei den wichtigsten typisierten Vertragstypen stillschweigend mitvereinbart.374 e) Causa und Geschäftsgrundlage sind verschiedene Rechtsfiguren Die Causa wird sowohl tatbestandlich als auch von der Rechtsfolge her von der Geschäftsgrundlage abgegrenzt.375 Zusammengefasst liegt ein wesentlicher Unterschied der Geschäftsgrundlage zur Causa darin, dass schon tatbestandlich die Anwendung der Lehre von der Störung der Geschäftsgrundlage, auch bei subjektiver Geschäftsgrundlage, ein juristisches Werturteil durch den Richter voraussetzt, ob die in Frage stehende Vorstellung erheblich ist oder nicht.376 Hingegen erschöpft sich die Voraussetzung der rechtlichen Erheblichkeit der Causa in der Feststellung, ob eine ausdrückliche Vereinbarung über die Causa vorliegt oder diese im Geschäft typisch ist.377 Ferner spielt der Zweck sowohl bei Causa als auch bei Geschäftsgrundlage eine Rolle: Denn auch bei jener ist der Zweck des Vertrages ein erhebliches Kriterium.378 Der Unterschied ist jedoch, dass der Zweck für die Geschäftsgrundlage nicht das allein tragende Kriterium ist (wie das „normative Element“ bei der Geschäftsgrundlagenstörung etwa zeigt), während die Causa den Zweck einer Zuwendung als solchen charakterisiert.379 Auf Rechtsfolgenseite unterscheidet sich die Geschäftsgrundlage von der Causa dahingehend, dass für das Fehlen der Causa klare gesetzliche Regelungen bestehen (Nichtigkeit oder Kondizierbarkeit), während die Rechtsfolge des Fehlens der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB eine flexible ist, nämlich zu völlig unterschiedlichen Rechtsfolgen führen kann (Vertragsänderung, Kündigung, Rück372

Kegel, Verpflichtung und Verfügung, S. 59. Klinke, Causa, S. 55 ff. 374 Klinke, Causa, S. 55 ff. 375 Westermann, Causa, S. 108 ff. Hingegen erscheint die Geschäftsgrundlage bei Klinke, Causa, S. 42 ff. als ein der Causa unterstehendes Institut. Historisch liegt jedenfalls eine Nähe dieser beiden Institute vor, da Oertmann, einer der maßgeblichen Wegbereiter der Geschäftsgrundlage (Oertmann, Geschäftsgrundlage) vor allem an Windscheids Voraussetzungslehre anknüpft, welche wiederum den Begriff der Causa interpretierte (vgl. S. 54). 376 Westermann, Causa, S. 111 f. 377 Westermann, Causa, S. 111 f. 378 Westermann, Causa, S. 112 f. 379 Westermann, Causa, S. 112 f. 373

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Kap. 7: Die Qualifikation als methodischer Ausgangspunkt

tritt). Hingegen sind die Rechtsfolgen der Causalosigkeit starr vorprogrammiert: Ist die Causa nicht ermittelbar, so ist der Vertrag aufgrund des Fehlens eines essentiale negotii wegen totalen Dissenses nichtig, wobei dieser Fall wohl praktisch kaum vorkommt.380 Mithin lässt sich der Unterschied von Causa und Geschäftsgrundlage darin zusammenfassen, dass die Lehre von der Causa eben eine Formalisierung des Zweckes im Sinne einer „ersten Absicht“ darstellt. Die Causa ist dadurch tatbestandlich enger als die eher diffuse, wertungsausfüllungsbedürftige Geschäftsgrundlage und zudem in ihren Rechtsfolgen starrer. Sie hat eine herausgehobene Funktion nicht nur bei ihrem Fehlen, sondern auch bei der Qualifikation von Rechtsgeschäften. 4. Fazit Dass die Causa als Bestandteil eines – auch heute noch regelmäßig kausal genannten – Schuldvertrages in der modernen Rechtslehre kaum mehr im Bewusstsein ist, lässt sich darauf zurückführen, dass das Bürgerliche Gesetzbuch zahlreiche Spezialregelungen kennt, deren Rechtsgedanken auf der Causa beruhen, aber regelmäßig nicht mehr auf deren allgemeinen Gedanken zurückgegriffen werden muss. Die Begriffe „gegenseitiger Vertrag“ in den §§ 320 ff. BGB und „Unentgeltlichkeit“ an vielen Stellen des BGB lassen jedoch die begriffliche Abstraktion der Causa als Zweck einer Verbindlichkeit zu, ohne dass der Begriff als solcher im allgemeinen Teil des BGB auftaucht. Man muss die Causa als ein eigenständiges Vertragselement betrachten, wenn man die genannten Konkretisierungen der Causa (Regelungen zu gegenseitigen Verträgen, unentgeltlichen Verträgen etc.) in ihrer gemeinsamen Natur erfassen möchte. Ferner ist zu beachten, dass der Grund des Fehlens eines ausdrücklichen Erfordernis der Causa beim Schuldvertrag schon allein damit zu begründen ist, dass im BGB überhaupt darauf verzichtet wird, die Voraussetzungen des Vertragsschlusses zu statuieren:381 Die Rechtslehre hat sich dementsprechend auch daraufhin beschränkt, die Technik und nicht den Inhalt der Einigung beim Vertragsschluss in den Vordergrund zu rücken.382 Dass die Causa der Verpflichtung (bzw. des Verpflichtungsvertrags) in der herrschenden Rechtslehre in Vergessenheit geraten ist, erklärt Ehmann treffend damit, dass nach Inkrafttreten des BGB ein „naiver Gesetzespositivismus“ herrschte.383 Das historisch gefestigte „legislativpolitische Prinzip“384 der Causa, das beim Entwurf des BGB vorherrschte, scheint durch einen 380

Vgl. Westermann, Causa, S. 117 f. Bremkamp, Causa S. 166; der Teil des Entwurfs, der die Willenseinigung über alle wesentlichen Vertragsbestandteile gesetzlich regelte, wurde durch die Zweite Kommission gestrichen – Mugdan I, S. 688. 382 Bremkamp, Causa, S. 166. 383 Ehmann, JZ 2003, 702 (714). 384 Ehmann, JZ 2003, 702 (714). 381

D. Die Causa als Determinante der Qualifikation

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weitgehend ahistorischen Zugang der neueren Rechtslehre zu Unrecht verlorengegangen zu sein. 5. Kritik an einem allgemeinen Causaerfordernis unter dem BGB Kritik an der Causa als allgemeines Erfordernis für Zuwendungsgeschäfte findet sich nur vereinzelt:385 a) Die Kritik Wolfs Wolf sieht die Problematik der Causa-Lehre zunächst darin, dass sie einen Tatbestand darstellt, dessen Existenz als solche nicht rechtlich bedeutsam sei, sondern nur deren Nichtexistenz in Fällen der Zweckverfehlung. Es sei die „abstrakte Bezeichnung für den Tatbestand, an dem auf der Rechtsfolgenseite die Korrektur einer Zuwendung festgemacht wird“.386 Tatsächlich handelt es sich um eine Abstraktion verschiedener vertrags- und bereicherungsrechtlicher Tatbestände, die zunächst einmal eine solch negative Funktion haben. Das spricht jedoch per se noch nicht gegen eine Anerkennung der Causa als eine eigenständige Rechtsfigur: Rechtsdogmatische Lehrsätze bringen „übergreifende gedankliche Zusammenhänge begrifflicher oder systematischer Art zum Ausdruck oder formulieren strukturelle und begriffliche Festlegungen, die für eine unbestimmte Vielzahl auch künftiger Normen gelten“.387 Mittels einer Abstraktion des Begriffes der Causa können ihre vielzähligen Gemeinsamkeiten erfasst werden und einer gemeinsamen Rechtsnatur zugeführt werden.388 b) Die Kritik Sorges Sorge kritisiert die Causa-Lehre als „dysfunktionale Verengung von privatautonomer Handlungsorientierung“.389 Im BGB bestünde kein Erfordernis der Causa als „tatbestandliche Grund- oder Entstehungsvoraussetzung“ für vermögensrelevante Verträge.390 Stattdessen will er die Causa in ihrer Funktion als „Mittel zur hermeneutischen Erhellung des Sinngehalts einer vermögensrelevanten Interaktionsbe-

385 Sorge, Verpflichtungsfreie Verträge, S. 254 ff.; Wolff, Zuwendungsrisiko und Restitutionsinteresse, S. 82 ff. 386 Wolff, Zuwendungsrisiko und Restitutionsinteresse, S. 82. 387 Jansen, Rechtsdogmatik im Zivilrecht, in: Enzyklopädie zur Rechtsphilosophie, http: //www.enzyklopaedie-rechtsphilosophie.net/inhaltsverzeichnis/19-beitraege/98-rechtsdogma tik-im-zivilrecht. 388 Zur Rechtsnatur der Causa siehe unten. 389 Sorge, Verpflichtungsfreie Verträge, S. 254. 390 Sorge, Verpflichtungsfreie Verträge, S. 255.

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Kap. 7: Die Qualifikation als methodischer Ausgangspunkt

ziehung“ verstehen.391 Die Trias der drei Causae-Typen sei unterkomplex und würde mit der Betonung des Austausches (causa acquirendi) zu einer konformistischen Haltung des Privatrechts gegenüber dem Wirtschaftsverkehr führen.392 Die Behauptung, das Causa-Erfordernis beschränke die Privatautonomie (gefährde sie sogar393), greift zu kurz: Ein Schuldvertrag, aus welchem der Zweck der Verpflichtung nicht herausgeht, oder jedenfalls nicht aus ihm herausgeht, dass der Schuldvertrag von einem solchen Zwecke losgelöst sein soll (abstrakt), leidet an einer fundamentalen Unbestimmtheit: Das grundsätzliche Risikoverteilungsprogramm lässt sich nicht bestimmen, unter die dispositiven und zwingenden Gesetzesregelungen, die an den Zweck (Gegenseitigkeit des Vertrages, Entgeltlichkeit, Unentgeltlichkeit), sowie an Vertragstypen anknüpfen, für deren Qualifikation die Causa maßgeblich ist (was noch zu zeigen ist), kann nicht sinnvoll subsumiert werden. Wenn man die Causa im Sinne eines mit dem Vertrag verfolgten Interesses (Zwecks) nicht als eigenständiges Merkmal anerkennt, sondern als einen diffusen Tatbestand zur Auslegungshilfe, wird diese Ansicht der Relevanz des Zweckes eines Vertrages für Qualifikation und Bewertung von Vertragsstörungen nicht gerecht. Ferner zeigen auch die oben genannten Äußerungen des Gesetzgebers, dass er auch von einer prinzipiellen kausalen Gebundenheit von Schuldverträgen ausgeht. 6. Zwischenergebnis Es kann daher festgehalten werden, dass die Causa ein ungeschriebenes, aber für jedes Kausalgeschäft notwendiges Vertragselement ist.

II. Die Funktion der Causa bei der Vertragsqualifikation Die Causa als Zweckstruktur eines Schuldvertrages hat eine erhebliche Funktion im Rahmen der Qualifikation eines Rechtsverhältnisses. Die Ermittlung der Causa spielt mithin eine erhebliche Rolle bei der Problematik der artifiziellen Vertragsgestaltungen, wenn man sie als ein Qualifikationsproblem betrachtet: Knüpft die Anwendung einer Rechtsnorm auf ein Rechtsgeschäft, insbesondere einer Verbotsvorschrift, an die Einordnung des Geschäftes zu einem bestimmten Geschäftstypus an (welche die Qualifikation darstellt), so ist die Qualifikation maßgeblich dafür, ob die Vorschrift anwendbar ist. In der Literatur zum deutschen Recht wird diesem Element vergleichsweise wenig Rechnung getragen. Daher lohnt sich ein kurzer Blick in den romanischen Rechtskreis, in welcher die Bedeutung der Causa für die Qualifikation stärker diskutiert wurde: 391 392 393

Sorge, Verpflichtungsfreie Verträge, S. 255. Sorge, Verpflichtungsfreie Verträge, S. 256. Sorge, Verpflichtungsfreie Verträge, S. 259.

D. Die Causa als Determinante der Qualifikation

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1. Die Causa als Qualifikationsmerkmal im romanischen Rechtskreis Für Betti sind Causa und Vertragstyp im italienischen Recht funktionsgleich. Ein Rechtsgeschäft ist für ihn nach der ökonomisch-sozialen Funktion des Vertragstypus festzulegen, und diese ökonomisch-soziale Funktion sei die Causa.394 Ferri wandte sich gegen eine Gleichstellung und betonte, dass der Typus im Gegensatz zur Causa eine juristische Struktur darstelle, die einer rechtlichen Bewertung entspricht, dagegen die Causa das Resultat einer (tatsächlichen) Bewertung der Parteiinteressen darstellt, und der Ermittlung dient, ob überhaupt sozial wünschenswerte Zwecke verfolgt werden:395 Die Causa betrifft den Aspekt der Bewertung, der Typus hingegen den der Qualifikation.396

Jedoch knüpfen sowohl Causa als auch Typus an den gleichen Tatbestand, nämlich das wirtschaftliche Interesse an.397 Zutreffend zieht Reiter die Konsequenz, dass bei den gesetzlich geregelten Vertragstypen der Typus der Causa folgt und mit ihr zusammenfällt.398 Ebenso wird für das französische Recht die entscheidende Bedeutung der Cause für die Qualifikation betont.399 Aufgrund des aufklärerischen Rationalitätsprinzips des Code Civil müsse mit jedem Vertrag ein vernünftiges Interesse verfolgt werden.400 Dieses wird durch die Causa repräsentiert. Hier herrscht ebenso der Gedanke vor, dass die Cause eines Vertrages (bzw. der einzelnen Vertragspflichten) dem Typus der Vertrages entspricht.401 Der Typus entspricht mithin nach Vorstellung im französischen Recht der Struktur von Gegenleistungen und verfolgten Interessen.402 Das Typische am Kaufvertrag sei beispielsweise, dass sich der eine Teil zur Erlangung des Kaufpreises verpflichte (die Causa der Verkäuferpflicht) und der andere Teil zur Erlangung der Kaufsache (die Causa der Käuferpflicht).403 Die Typizität von Verträgen liege nicht etwa darin, dass ein bestimmter Vertragstyp gewählt werde, sondern bestimmte Vertragstypen mit einer bestimmten regelmäßigen Causa aus394

191. 395

Betti, Negozio giuridico, S. 183. Dazu Reiter, Vertrag und Geschäftsgrundlage, S. 188 –

Ferri, Causa e tipo, S. 123, 133, 248 ff.; Reiter, Vertrag und Geschäftsgrundlage, S. 188. „La causa attiene al momento della valutazione, il tipo invece al momento della qualificazione.“, Ferri, Causa e tipo, S. 133. 397 Reiter, Vertrag und Geschäftsgrundlage, S. 190. 398 Reiter, Vertrag und Geschäftsgrundlage, S. 190. Besser wäre es jedoch, von der „kausalen Struktur“ des Vertrages zu sprechen. Die Causa ist nämlich im Wesentlichen der Rechtsgrund für die Verpflichtung aus einem Einzelversprechen. Die kausale Struktur eines gegenseitigen Vertrages hingegen besteht in der kausalen gegenseitigen Bezugnahme (Synallagma) der Einzelversprechen. 399 Rochfeld, Cause, in: Encycl. Dalloz, Nr. 49 ff. 400 Rochfeld, Cause, in: Encycl. Dalloz, Nr. 49 ff. 401 Dazu Rochfeld, Cause, in: Encycl. Dalloz, Nr. 49 ff. 402 Rochfeld, Cause, in: Encycl. Dalloz, Nr. 58. 403 Rochfeld, Cause, in: Encycl. Dalloz, Nr. 60. 396

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Kap. 7: Die Qualifikation als methodischer Ausgangspunkt

gestattet sind.404 Der Vertragstyp richtet sich hier mithin nach der bestehenden Causa. 2. Die Bedeutung im deutschen Recht Für das deutsche Recht sind ähnliche Konsequenzen zu ziehen. Dies steht im direkten Widerspruch zu Westermann, der behauptet, „erst die Zweckverfehlung [lasse] das causa-Problem akut werden“405, ohne jedoch auch nur an das Qualifikationsproblem zu denken. Wenn Leenen eine „typologische Gesamtwürdigung“ bei der Qualifikation fordert und die Frage der Angemessenheit der Rechtsfolgen zur näheren Umgrenzung des Tatbestands der an den Typus anknüpfenden Rechtsfolge mit einbeziehen will,406 ist mit dem verfolgten Interesse – und damit der kausalen Struktur des Vertrages – der wichtigste Anknüpfungspunkt für die Qualifikation gegeben. Gerade die Angemessenheit der Anwendbarkeit bestimmter Rechtsfolgen muss sich vor der wirtschaftlichen Zwecksetzung, die durch die Causa abgebildet wird, rechtfertigen. Hier ist insbesondere das Postulat der Interessenjurisprudenz zu erwähnen, dass Rechtsvorschriften an eine bestimmte Interessenlage anknüpfen.407 Heck geht davon aus, „daß jedes Rechtsgebot einen Interessenkonflikt entscheidet“.408 Insbesondere bezieht sich Heck hierbei auch auf Jherings Funktionalisierung des „Zwecks im Recht“409 als Mittel zum Interessenschutz.410 Dementsprechend versteht Heck auch die Vertragstypen. Sie regelten jeweils eine entsprechende Interessenlage.411 Man muss ebenfalls die Causa als den juristisch relevanten Zweck einer Zuwendung, bzw. die Zweckstruktur des Vertrages als eine Typisierung dieser Interessen verstehen; der Zweck eines Vertrages bzw. einer Zuwendung entspricht damit seinem unmittelbar verfolgten Interesse. Dies lässt sich rechtstechnisch dadurch bewerkstelligen, dass Rechtsvorschriften an bestimmte Typen anknüpfen und die Qualifikation insbesondere die Causa als Ausdruck der spezifischen Interessenlage berücksichtigen muss. Der Zweck von Leistungspflichten ist regelmäßig das Spezifikum, das den Ausschlag bei der Qualifikation gibt, und nicht bloß das isolierte Pflichtenprogramm. Dies sei an folgendem Beispiel verdeutlicht:

404 405 406 407 408 409 410 411

Rochfeld, Cause, in: Encycl. Dalloz, Nr. 61. Westermann, Causa, S. 94. Leenen, Typus, S. 150. Hierzu einführend Heck, Interessenjurisprudenz, Mohr 1933 (Gastvorlesung). Heck, Interessenjurisprudenz, S. 13. Jhering, Zweck im Recht. Heck, Interessenjurisprudenz, S. 13. Heck, Schuldrecht, S. 243.

D. Die Causa als Determinante der Qualifikation

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So vermag ein Vertrag geschlossen werden, welcher den einen Teil zur Übereignung und Übergabe einer Sache verpflichtet und den anderen Teil zur Zahlung einer Summe. Wer die überkommene begriffsjuristische Lehre der essentialia negotii vertritt, vermag hier zu dem Ergebnis kommen, dass ein Kaufvertrag im Sinne des § 433 BGB vorliegt, da die begrifflichen Merkmale auf diesen Vertrag zutreffen. Dies wäre jedoch fatal: Ein derartiger Vertrag könnte tatsächlich geschlossen worden sein acquirendi causa. Zwischen beiden Pflichten bestünde ein Synallagma, was typisch bei einem Kaufvertrag ist. Dagegen ist jedoch auch denkbar, dass dieser Vertrag im Zuge eines Vergleichs geschlossen wurde, also einem materiellen Feststellungs- oder Bereinigungzweck (einem Unterfall des Abwicklungszwecks) entspricht412, welche Unsicherheit in der Sach- oder Rechtslage dieser Vertrag auch immer beseitigen soll. Ein solcher Vertrag ist mangels eines bezweckten Güteraustauschs im Sinne eines do ut des kein Kaufvertrag. Den mittels des Vertrages begründeten Pflichten fehlte es dann also an der typischen Causa eines Kaufvertrages, sodass eine Qualifikation als ein solcher nicht erfolgen darf. Umgekehrt stellt sich jedoch das Problem, dass in bestimmten Fällen nun zwar die Causa mit dem natürlichen Vertragstypus übereinstimmt, nicht jedoch das entstehende Pflichtenprogramm. Im Falle eines Wiederkaufs zu Sicherungszwecken fehlt es auf den ersten Blick an den notwendigen Hauptzügen eines entgeltlichen Darlehensvertrages (Kapitalüberlassungspflicht, Zinszahlungspflicht, vgl. § 488 Abs. 1 BGB). Allerdings lässt sich die Einordnung als Darlehen durchaus bei dem vereinbarten Pflichtenprogramm erklären: Die Pflicht zur ursprünglichen Zahlung des Kaufpreises entspricht funktional der Pflicht des Darlehensgebers zur Bereitstellung der Valuta (§ 488 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Rückzahlungspflicht, die gestundet wird, entspricht der Pflicht zur Darlehensrückzahlung, während die Differenz zwischen Rückzahlungsbetrag und ursprünglicher Valuta einem vereinbarten Agio als Vergütung entspricht. Dieses Agio (Aufschlag) – und nur dieses – steht als Vergütung, als Causa im Synallagma zur Darlehensvalutagewährung. Zwar entspricht das somit vereinbarte Agio nicht dem gesetzlichen Regelfall akzessorischer Zinsen, wie von § 488 vorausgesetzt.413 Insoweit kann der Vertrag jedoch so ausgelegt werden, dass die dispositive Akzessorietät abbedungen wird. Dass der Aufschlag beim Wiederkauf als Gegenleistung für die zeitweise Kapitalüberlassung funktionalisiert wird, kann die Causa ermöglichen: Nach der Vorstellung der Parteien dient dieser der Vergütung der Kapitalüberlassung, ist damit dessen Causa, und vice versa. Dass ein Vertrag, welcher die Pflichten zweier Geldzahlungspflichten und einer Übereignung- und Lieferungspflicht dem Vertragstypus des Darlehensvertrags entsprechen soll, für welchen § 488 Abs. 1 S. 1 BGB lediglich die Pflicht zur Valutierung eines Geldbetrages als essentiell konstituiert, mag auf den ersten Blick verwunderlich sein, scheint doch bei einem begrifflichen Verständnis dieses Ver412 413

Zur Causa des Vergleichs: BeckOGK/Hoffmann, § 779 BGB Rn. 5. Schimansky/Bunte/Lwoswski, Bankrecht, § 78 Rn. 5.

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Kap. 7: Die Qualifikation als methodischer Ausgangspunkt

tragstypus eine solche Qualifizierung unvereinbar. Die Qualifikation ist ein wertender Prozess, der auf Grundlage von Causa und Pflichtenprogramm bei einer Gesamtbetrachtung der Interessenlage geschieht. Die Erforderlichkeit einer wertenden Gesamtbetrachtung zeige sich auch beispielsweise an der sog. „Absorptionstheorie“, wonach bei atypisch gemischten Verträgen eine Wertung getroffen wird, nämlich, wo der „Schwerpunkt“ einer vertraglichen Regelung liegt.414 Knüpft man bestimmte Causae an bestimmte Geschäftstypen, so muss man die Typen der Causae streng unterscheiden von den besonderen Geschäftstypen: Die Geschäftstypen des besonderen Schuldvertragsrechts vermitteln eine bestimmte konkrete Kausalstruktur, welche in die drei genannten Causa-Typen (causa acquirendi, causa liberalitatis, Abwicklungszwecke) eingeordnet werden können. Kaufvertrag, Werkvertrag und Dienstvertrag sind jeweils gegenseitige Verträge und verfolgen damit einen Austauschzweck. Ihr Causa-Typus lässt sich damit als causa acquirendi einordnen. Damit sind diese Vertragstypen jedoch nicht identisch. Vielmehr zeichnet die differentia specifica der Austauschverträge jeweils der spezifische Gegenstand des Austauschs aus: Beim Kaufvertrag ist es der Austausch von Kaufsache und Kaufpreis, beim Dienstvertrag zwischen Tätigwerden und Lohn, beim Werkvertrag zwischen Werkerfolg und Werklohn. Larenz weist zwar darauf hin, dass hinter dem „Lebenstypus“ eines Vertragstypus kein wirtschaftlicher Lebenstypus steckt, sondern ein normativer.415 Dies verbietet einen unmittelbaren Rückschluss wirtschaftlicher Zwecksetzung auf den zugrundeliegenden rechtlichen Typen; insoweit entspricht dies dem englischen Recht, in welchem betont wird, es komme auf die rechtliche und nicht wirtschaftliche Wirkung eines Rechtsgeschäfts bei deren rechtlicher Einordnung an.416 Allerdings steht und fällt die Qualifikation mit der Bestimmung der Causa. Inwieweit die Causa auch ein wirtschaftlicher Tatbestand ist oder ein rein normativ-rechtlicher, gilt im Folgenden noch zu untersuchen.

E. Fazit Bei der Vertragsqualifikation spielt der rechtlich formalisierte Zweck (Causa) eines Vertrages eine determinierende Rolle. Die Causa ist eine weitgehend anerkannte objektiv-subjektiver Rechtsfigur, die das vereinbarte Motiv eines Zuwendungsgeschäftes rechtlich formalisiert und abbildet. Jedem Typus von kausalem Zuwendungsgeschäft liegt eine bestimmte Causa zugrunde, welche den Typus prägt. Hierdurch fließt in die Qualifikation der mit dem Geschäft verfolgte Zweck hinein.

414 415 416

Leenen, Typus, S. 142. Larenz/Canaris, Methodenlehre (Studienausgabe), S. 299. Siehe oben, S. 41.

E. Fazit

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Bei der Qualifikation ist also zunächst zu ermitteln, welche Pflichten vereinbart wurden. Dann ist der Typus der Causa zu ermitteln (causa acquirendi, causa liberalitatis, sonstiger Abwicklungszweck). Beim Austauschzweck (causa acquirendi) ist schließlich zu ermitteln, welche Pflichten durch den Austauschzweck verknüpft werden. Diese Variablen sind dann mit dem gesetzlichen Typus abzugleichen – so ist der Vertrag im Regelfall als Kaufvertrag zu qualifizieren, wenn 1. einer Seite die Pflicht zur Übereignung einer Sache auferlegt wird, 2. die andere Seite die Pflicht zur Zahlung einer Geldsumme hat und 3. diese beiden Pflichten durch den Zweck des Austauschs miteinander verknüpft werden. Diese Merkmale stellen die Typischen des Kaufvertrags dar. Durch wertende Betrachtung kann jedoch auch bei einer von diesem typischen Pflichtenprogramm abweichenden Gestaltung eine Qualifikation zu diesem Typus vorgenommen werden, solange die Causa dem Typus entspricht.

Kapitel 8

Simulation der Causa als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen A. Die Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation I. Zweckbindung und Simulation Thomä weist darauf hin, dass die Frage, ob eine zweckwidrige Vertragsgestaltung (hier „artifiziell“ genannt) unter den Begriff des Scheingeschäfts subsumiert werden kann, von einer „bestimmten grundsätzliche[n] Sicht des Verhältnisses von Rechtsgeschäft und Wirklichkeit“ abhängt. Die herrschende Ansicht würde von der nirgends ausgesprochenen Maxime ausgehen, dass das Rechtsgeschäft auf von der Wirklichkeit, vom wirtschaftlichen Geschäftszweck losgelöste Rechtsfolgen gerichtet sei.417 In der Tat würde es leicht fallen, das artifizielle Geschäft als nichtiges Scheingeschäft zu behandeln, wenn die Zweckverknüpfung der intendierten Rechtsfolgen (Causa, s. o.) als Teil des Rechtsgeschäftes gälte und dieser Zweck nur zum Scheine nach außen hin erklärt würde. Die Folge wäre eine Behandlung des Geschäfts nach dem dissimulierten Vertragszweck (§ 117 Abs. 2 BGB). Dieser Gedanken der Simulation der Causa eines Vertrages konnte bereits in Teil 1 an verschiedenen Stellen beobachtet werden: So sahen die Kommentatoren die simulatio a causa in causam als einen paradigmatischen Fall der Simulation an.418 Funktionell war dies eine spezifische Doktrin, um Umgehungskonstellationen einer angemessenen Lösung zuzuführen. Ferner werden die Fälle der artifiziellen Vertragsgestaltungen auch im französischen Recht mittels der cause simulée erfasst.419 Für das deutsche Recht stellen sich dann verschiedene Fragen: Erstens, wie sich rechtstechnisch eine zum Schein vereinbarte Causa (Schein-Causa) in die Dogmatik des § 117 BGB einreihen lässt, um damit die Problematik artifizieller Vertragsgestaltungen zu lösen. Zweitens, ob sich die Behandlung der Schein-Causa als Scheingeschäft i. S. d. § 117 BGB mit den Grundwertungen des deutschen Zivilrechts und der Rechtsgeschäftslehre vereinbaren lässt. 417 Thomä, Typenwidrige Zwecksetzung, S. 53 – 54. Zur herrschenden Ansicht, die kein Scheingeschäft bei Umgehungsgeschäften annehmen will, siehe oben, S. 58 ff. 418 Siehe oben, S. 32. 419 Siehe oben, S. 38 f.

A. Die Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation

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II. Anwendbarkeit des § 117 BGB auf die simulierte Causa 1. Die simulierte Causa als potentieller Anknüpfungspunkt Beim gegenseitigen Vertrag ist die Causa gerade der gegenseitige Leistungsaustausch, das Synallagma. Verdecken die Parteien den Zweck ihres Geschäftes (beispielsweise den Zweck einer Sicherung mit dem Austauschzweck eines Kaufvertrages, wie beim Falle des Wiederkaufes zur Umgehung des kanonischen Zinsverbotes), so liegt möglicherweise der Tatbestand des Scheingeschäftes vor: Ein sogar wesentlicher Vertragsbestandteil (um welchen es sich bei der Causa handelt) wurde nach außen hin anders erklärt als tatsächlich gewollt.420 Genauer müsste man formulieren, die jeweils beiden von den Parteien ausgetauschten Erklärungen421 könnten gem. § 117 BGB nichtig sein, da sie objektiv einen anderen Inhalt haben als subjektiv gewollt und dies beiden Parteien auch bewusst war (§ 117 Abs. 1 BGB setzt das Einverständnis des anderen Teils voraus). Sieker lehnt die Möglichkeit der Annahme eines Scheingeschäfts bei einer bloß simulierten Causa strikt unter der Berufung auf das Argument ab, dass den Parteien die rechtsgeschäftliche Bestimmungsmacht über den Vertragstypus fehle, weil die Qualifikation eine Rechtsfrage sei, über die die Parteien nicht selbst disponieren können.422 Ähnlich sieht es Michaelis: Im modernen Recht hänge der Eintritt einer Rechtsfolge nicht von der Verwendung bestimmter Rechtsworte ab; damit sei aber auch die Qualifizierung keine Frage dessen, welche Rechtsworte die Parteien gebraucht haben. Den Vertragsparteien komme keine Typenbestimmungsmacht zu; es brauche daher keines Rückgriffes auf den § 117 BGB, da die Qualifikation des Geschäftes durch die Parteien selbst ohnehin bedeutungslos sei.423 Dabei übersehen diese Autoren jedoch, dass die Parteien selbst ja gerade eine Art rechtliche Bestimmungsmacht im Hinblick auf die Causa haben. Die Causa ist im Wesentlichen subjektiv bestimmt. Betrachtet man sie als Teil der essentialia negotii, müssen die Parteien für eine Rechtswirksamkeit der Regelung sogar die Causa selbst bestimmen. Westermann geht hingegen von einer Antinomie zwischen der typischen und der vereinbarten Causa aus.424 Der typische Zweck stelle eine Vermutung darüber auf, welcher Zweck von den Parteien vereinbart wurde.425 Zu Recht hält Klinke dieser Antinomie entgegen, dass auch die gesetzestypischen Causae vereinbart werden, und zwar stillschweigend auch dann, wenn sie sich eines gesetzestypischen Vertrages bedienen.426 Wenn die Parteien ein Geschäft unter den Begriff des Kauf420

A. A. Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 104. Ob es sich in Bezug auf die Causa-Einigung um (rechtsgeschäftliche) Willenserklärungen handelt, ist noch genauer zu untersuchen. 422 Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 104. 423 Michaelis, Verdeckte Geschäfte, S. 458 ff. 424 Westermann, Causa, S. 57. 425 Westermann, Causa, S. 57. 426 Klinke, Causa, S. 47. 421

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

vertrages fassen (indem sie beispielsweise davon spreche, sie wollten etwas „kaufen“ oder „verkaufen“), dann erklären sie bei Auslegung der Äußerungen vor einem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB), dass sie acquirendi causa Kaufsache und Kaufpreis austauschen wollen.427 Somit ist jede Verwendung typischer Aktformen nicht nur eine stillschweigende, sondern ausdrückliche Einigung auf die typische Causa dieses Akttypus. Daher liegt es nahe, im Falle artifizieller Vertragsgestaltungen eine Simulation dieser Einigung über die Causa zu erkennen. Nach der herkömmlichen Definition ist der rechtsgeschäftliche Wille ein solcher, der auf die Gestaltung rechtlicher Folgen gerichtet ist.428 Dies ist auch der Ausgangspunkt für die Frage bei artifiziellen Vertragsgestaltungen, ob diese als Scheingeschäft zu behandeln sind. Denn für dieses muss eine Abweichung von erklärter und tatsächlich gewollter rechtlicher Geltung vorliegen. Nun ist die Vereinbarung eines bestimmten Zweckes einer Obligation zunächst einmal nicht die Vereinbarung einer Rechtsfolge, sondern die Vereinbarung eines wirtschaftlichen Zusammenhangs. Eine rechtliche Relevanz der Einigung auf die Causa besteht jedoch an zahlreichen Stellen: In Bezug auf den Austauschzweck (Synallagma) existieren Vorschriften, welche einen „gegenseitigen Vertrag“ voraussetzen (§§ 320, 323, 324, 325) bzw. von der synallagmatischen „Gegenleistung“ sprechen (insbesondere § 326 BGB). Beim Gebot der Schriftform gem. § 518 BGB für das Schenkungsversprechen ist die Abrede „schenkweiser“, also unentgeltlicher Zuwendung die Causabestimmung des Versprechens, an welche also das Formgebot anknüpft.429 Die Causabestimmung hat mithin bestimmte rechtliche Folgen. Diese Rechtsfolgen sind jedoch noch nicht zwangsläufig die Folgen rechtsgeschäftlichen Handelns.430 Damit § 117 BGB direkt auf die simulierte Causa Anwendung finden kann, müsste jedoch eine Simulation rechtsgeschäftlichen Handelns vorliegen, was noch genauer zu untersuchen ist. An dieser Stelle kann jedoch bereits festgehalten werden, dass mit dem Gedanken einer Simulation der Causa zumindest ein potenzieller Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit von § 117 Abs. 1 BGB bei artifiziellen Vertragsgestaltungen besteht. 2. Ausdrückliche, konkludente und typische Kausalbestimmungen Wenn die Vertragsparteien einverständlich einen Kaufvertrag zum Zwecke einer besicherten, verzinslichen Kapitalüberlassung schließen, der nach Innen hin damit typischen Zweck von Austausch von Kaufpreis und Kaufsache verfolgt, so ist der synallagmatische Austauschzweck zwischen diesen Pflichten möglicherweise le427 Zur Frage, ob die Causa lediglich im Gegenleistungsanspruch liegt oder in der Gegenleistung selbst, siehe unten, S. 92 ff. 428 Dazu nur Flume, Rechtsgeschäft, S. 51; a. A. Lenels „Grundfolgentheorie“, s. u. 429 Westermann, Causa, S. 89. 430 Zur Diskussion der Rechtsnatur, siehe unten S. 101 ff.

A. Die Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation

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diglich zum Schein vereinbart und damit gem. § 117 Abs. 1 BGB nichtig, wenn die Parteien tatsächlich einen anderen Zweck damit verfolgt haben. Die Problematik des Scheingeschäftes stellt sich jedoch schon in solchen Fällen gar nicht, in welchen sich die wirklich gemeinte Zweckrichtung des Vertrages durch Auslegung ermitteln lässt.431 Derartiges lässt sich bewerkstelligen, wenn man sich beim Fall des Wiederkaufes zu Sicherungszwecken über die Bezeichnung „Kauf“ hinwegsetzt und die vertragliche Konstruktion derartig auslegt, dass nicht der Austausch-, sondern der Sicherungszweck im Vordergrund der Eigentumsübertragungspflicht steht, die Verpflichtung zur Forderungsabtretung mithin nicht besteht, um den Geldbetrag zu erlangen und die beiden Pflichten somit nicht im Synallagma stehen. Allerdings ist denkbar, dass eine ausdrückliche Causa-Bestimmung vorgenommen wird – eine klare, eindeutige Erklärung ist nicht auslegungsbedürftig- oder -fähig.432 Im Falle des Wiederkaufs zu Sicherungszwecken ist denkbar, dass die Parteien beispielsweise folgende Klausel in die Vertragsdokumentation aufnähmen: „Die Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums an der Kaufsache erfolgt jeweils kaufhalber; sie steht im Austauschverhältnis zur Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises.“

Eine solche Klausel stellt vom jetzigen Standpunkt aus möglicherweise eine Abrede lediglich zum Scheine dar, wenn die Parteien in Wirklichkeit kein kausales Austauschverhältnis zwischen Eigentumsübertragungs- und Geldzahlungspflicht begründen wollten. Denn dies wäre – im mittelalterlichen Duktus ausgedrückt – die Vortäuschung von etwas, was in Wirklichkeit nicht besteht.433 Die Folge wäre dann, dass man das Geschäft nicht nach der angegebenen Causa behandelt, sondern nach der wirklichen Causa: nämlich die Causa, die typisch ist für einen entgeltlichen Darlehensvertrag, Austausch von Kapitalüberlassung und dem Zins als Entgelt. Dies wiederum hätte nach dem oben gesagten zur Folge,434 dass der Vertrag nicht als Kaufvertrag qualifiziert werden könnte, sondern nach dem Vertragstyp, der der Causa entspricht, nämlich als Darlehensvertrag. Es bedürfte überhaupt zur Möglichkeit der Annahme eines Scheingeschäftes des Nachweises insoweit, dass die Parteien eine Abrede getroffen haben, dass dieses Gegenseitigkeitsverhältnis von Kaufsache und Kaufpreiszahlung in Wirklichkeit nicht besteht. „In Wirklichkeit“ bedeutet dabei, dass die Parteien eine anderslautende Zweckabrede vorher ausdrücklich oder konkludent geschlossen haben.435 Dies wäre dann denkbar, wenn die Parteien untereinander sich in Wirklichkeit darüber einig waren, dass tatsächlich die Veräußerung der Kaufsache nur zu Sicherungszwecken erfolgen sollte, und es sich in Wirklichkeit nur um eine Kapitalüberlassung auf Zeit 431

Andererseits ist auch hier zu berücksichtigen, dass sich Parteien regelmäßig durch Wahl eines bestimmten Vertragstypus zu einer bestimmten Causa entschließen und diese dann jedenfalls zu vermuten ist – dazu Westermann, Causa, S. 56 f. 432 Jauernig/Mansel, § 133 BGB Rn. 2. 433 Vgl. oben, S. 27 f. 434 Dazu siehe oben, S. 64 ff. 435 Zum Begriff des „wirklichen Willens“ siehe oben, S. 62.

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

handeln sollte, sie ihr also eine andere wirtschaftliche Funktion zugewiesen haben als sie mit der obenstehenden Klausel nach Außen kundgetan wurde. Beim historischen Falle eines Wiederkaufs zur Umgehung eines Zinsverbotes fehlt es hingegen an der tatsächlich intendierten synallagmatischen Zweckbindung zwischen der Eigentumsverschaffungspflicht und der Kaufpreiszahlungspflicht. Jedenfalls dann, wenn sich die Parteien von Anfang an einig waren, dass eine Übereignung der Kaufsache tatsächlich gar nicht vorgenommen werden sollte, liegt bereits nach dem oben Genannten ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB vor, wenn die Parteien explizit ein Synallagma zwischen der Übereignungspflicht und der Kaufpreiszahlung vereinbaren. Denn weil die Pflicht zur Eigentumsverschaffung an der Kaufsache in Wirklichkeit nicht gewollt ist, ist ein anderes Pflichtenprogramm vereinbart worden, als nach außen hin dargestellt wurde. Dies läge zweifellos im Anwendungsbereich des § 117 BGB. Regelmäßig wird dies jedoch nicht der Fall gewesen sein, wenn die Parteien gerade die Übereignung der angeblichen Kaufsache als Sicherungsgut wirklich herbeiführen wollten.

3. Die Causa als normativer oder faktischer Tatbestand? Ein Rückgriff auf § 117 BGB ist bei einer verdeckten Causa gedanklich schon nur möglich, wenn die Causa einer Verpflichtung im gegenseitigen Vertrag nicht lediglich in der synallagmatischen Pflicht selbst liegt, sondern in der Gegenleistung. Dies sei im Folgenden beispielhaft verdeutlicht. Im Falle des Wiederkaufs zu Darlehens- und Sicherungszwecken könnte der erklärte Zweck der Verpflichtung des Verkäufers in der Erlangung des Gegenleistungsanspruchs (erklärtermaßen also der Zahlung des Kaufpreises) liegen. Dann läge keine Diskrepanz zwischen irgendeinem Erklärungsinhalt und wirklichem Willen vor: Denn der wirkliche Wille ist darauf gerichtet, die Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums an der Kaufsache nur deshalb einzugehen, um die Gegenverpflichtung – den Kaufpreisanspruch – zu erlangen. Insoweit wäre die Causa automatisch von seinem wirtschaftlichen Zweck entkoppelt. Denn die Gegenverpflichtung der Kaufpreiszahlung kann wirtschaftlich erst einmal beliebige Zwecke verfolgen. Auf die wirtschaftliche Zwecksetzung käme es dann nicht an. Erst wenn man im Schuldgrund einer Verpflichtung mit dem realen Leistungsaustausch ein faktisches Moment sieht, ist es überhaupt denkbar, eine Abweichung zwischen erklärtem Zweck zur Verpflichtung und tatsächlichem Zweck in dieser Fallkonstellation anzunehmen: Zweck der Verpflichtung zur Übertragung der Kaufsache ist in faktischer Hinsicht eben nicht die Erlangung der Kaufsache; vielmehr ist die Zwecksetzung die fiduziarische Besicherung eines Kredites. Die Motivation der Verpflichtung zur erhöhten Rückkaufsumme ist nicht etwa der Austausch mit dem Kaufgegenstand, sondern Darlehensrückzahlung und Entgelt für die zeitweise Überlassung des Kaufpreises. Dabei ist festzuhalten, dass ein Scheingeschäft gem. § 117 Abs. 1 BGB in diesem Fall nicht vorliegt, wenn man nur auf den Inhalt

A. Die Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation

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des Pflichtenprogramms abstellt, wie es die herrschende Meinung täte. Denn das Entstehen der typischen Pflichten eines Kaufvertrages ist in der Tat ernstlich gewollt. Allerdings wäre die Causa-Vereinbarung simuliert, da die tatsächlich vereinbarte wirtschaftliche Zwecksetzung durch die Parteien eine andere ist als die, die nach außen getragen wurde. Eine Simulation der Causa (Schein-Causa oder Causa Simulata) kommt daher in dieser Konstellation nur in Betracht, wenn die Causa nicht lediglich normativ, sondern faktisch-wirtschaftlich zu bestimmen wäre.436 Anders ausgedrückt stellt sich die Frage: Ist die Causa, die zweifellos als Rechtsfigur im deutschen Schuldvertragsrecht besteht, bloß die Frage der normativen Verknüpfung der vereinbarten Leistungspflichten? Nach Westermann sei die Causa einer Verpflichtung im gegenseitigen Vertrag gerade nicht lediglich die Gegenverpflichtung, sondern der tatsächliche Austausch mit der Gegenleistung (wirtschaftlicher Erfolg).437 Zweck (Causa) einer Verpflichtung aus einem gegenseitigen Vertrag („causa acquirendi“) wäre demnach nicht lediglich die Erlangung des Anspruches auf die Gegenleistung, sondern auch die tatsächlich-wirtschaftliche Erlangung der Gegenleistung. Sähe man dies so in Fällen artifizieller Rechtsgeschäfte, so könnte dort eine Diskrepanz zwischen gewählter rechtlicher Form und dem mit dem Rechtsgeschäft verfolgten Zweck (Causa) angenommen werden, da der erklärte wirtschaftliche Zweck von dem tatsächlich gewollten Zweck abweicht.438 Beim historischen Falle des Wiederkaufs zu Sicherungszwecken fehlte es schon von vorneherein an der wirtschaftlichen Intention eines Austauschs von Kaufsache und Kaufpreis. Hier ist bei wirtschaftlicher Betrachtung der Causa, auch wenn ein Austausch korrespondierender Rechtspflichten intendiert ist, der tatsächliche Austausch von Kaufsache und Kaufpreis nicht Inhalt des Vertragszwecks. Die Causa widerspricht wirtschaftlich betrachtet der eines Kaufvertrages, da ein Güteraustausch zwischen Kaufsache und Kaufpreis nicht intendiert ist – vielmehr liegt der gewollte wirtschaftliche Austausch in dem einer Darlehensüberlassung und der Vergütung hierfür. Die kausale Struktur des Vertrages wäre damit mit der eines Kaufvertrags unvereinbar. Ob diese Argumentation so überzeugend sein kann ist, stellt eine Grundfrage der Rechtsgeschäftslehre dar. Es geht – wie Thomä es ausdrückt – um „eine bestimmte grundsätzliche Sicht des Verhältnisses von Rechtsgeschäft und Wirklichkeit“439. Denn wenn das finale Moment eines Rechtsgeschäftes nicht bloß der rechtliche Erfolg ist, sondern auch der empirisch-wirtschaftliche, dann mag die Folge sein, dass auch der Tatbestand des Scheingeschäfts anders zu verstehen wäre als nach der herrschenden Lehre. Dann wäre maßgeblicher Wille bei der Willenserklärung die wirtschaftliche Folge; und weicht der nach außen hin erklärte wirtschaftliche Zweck 436 437 438 439

Vgl. Diskussion bei Thomae, Typenwidrige Zwecksetzung, S. 53. Westermann, Causa, S. 59, 79. Zur Diskussion des Gegenstandes der Causa siehe unten, S. 94 ff. Thomae, Typenwidrige Zwecksetzung.

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

dann von dem tatsächlich Gewollten ab, käme eine Anwendung des § 117 Abs. 1 BGB in Betracht. a) Das rein-normative Verständnis der Causa Insbesondere Klinke vertritt ein rein normatives Verständnis von der Causa, wenn er in der Causa des gegenseitigen Vertrages nicht etwa die tatsächliche Erlangung der Gegenleistung sehen will, sondern lediglich eine kausale Verknüpfung der jeweiligen Leistungspflichten zueinander.440 Rechtsgrund einer vertraglichen Verpflichtung ist nach dieser Ansicht also nicht die Leistung. Die Konsequenz wäre, wie bereits angeklungen, eine freie Dispositionsbefugnis der Parteien über die Causa ihres Vertrages: Denn im Rahmen der Privatautonomie entschieden die Parteien selbst, welchen isoliert rechtlichen Zweck sie verfolgten. Eine (direkte oder analoge) Anwendung des § 117 Abs. 1 BGB wäre demnach ausgeschlossen, da es bei dieser Perspektive auf den wirtschaftlichen Zweck der Leistung im Rahmen der Causa nicht ankäme. Anders ausgedrückt, würden die Parteien eine beliebige Causa als rechtlichen Zweck gelten lassen können und würden nicht auf die Geltung eines womöglich tatsächlich verfolgten Zwecks verwiesen werden können. b) Grundfolgentheorie aa) Darstellung Nach der Auffassung von Lenel sei der rechtsgeschäftliche Wille nicht auf die finale Gestaltung der Rechtslage des Erklärenden gerichtet, sondern auf einen wirtschaftlichen, tatsächlichen Erfolg.441 Insoweit bedürfte es einer Diskussion des Gegenstands der Causa schon gar nicht mehr: Denn nach Lenels Verständnis von Rechtsgeschäft und Willenserklärung ist bereits der (wirtschaftliche) Zweck der Gegenstand des rechtsgeschäftlichen Willens. Damit folgt die rechtliche Wirkung des Verpflichtungsgeschäfts dem verfolgten Zweck: „Das Wesen des Rechtsgeschäfts im Gegensatz zu allen anderen juristischen Thatsachen liegt darin, daß sich hier die Rechtsfolge principiell den Parteizwecken anbequemt und unterordnet.“442

Nicht die Rechtsfolge werde final gestaltet, sondern das Rechtsgeschäft ziele auf einen gewollten wirtschaftlichen Erfolg ab, an welchen die Rechtsordnung die dann passenden Rechtsfolgen knüpft. Lenel begründet dies – freilich unter Berufung auf die römischrechtliche Quellenlage – mit der Rechtstatsächlichkeit der Okkupation (im BGB: Aneignung, § 958), dessen Gegenakt der Dereliktion (im BGB: Eigen-

440 441 442

Klinke, Causa, S. 116 m. w. N. Lenel, JherJb 19 (1881), 154. Lenel, JherJb 19 (1881), 154 (164).

A. Die Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation

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tumsaufgabe § 959) und der traditio ex iusta causa, der Übereignung mittels Übergabe der Sache. Bei der Okkupation bestehe tatsächlich in den wenigsten Fällen ein Wille des Okkupanten, Eigentum zu erwerben:443 So sei der hierfür notwendige Wille nicht auf die Rechtsfolge, nämlich dem Eigentumserwerb gerichtet. Voraussetzung sei lediglich ein „animus rem sibi habendi“, ein Eigenbesitzerwille. Gleichermaßen bezweifelt Lenel für die Dereliktion, dass dort regelmäßig ein bewusster Wille zur Eigentumsaufgabe beim Handelnden besteht. Beim „Wegwerfen von Cigarettenstummeln, gelesenen Zeitungen, zerbrochenen Flaschen, Lumpen und ähnlichen Gegenständen“444 sei Inhalt der Erklärung, dass jemand eine Sache nicht mehr für sich haben wolle und „keinerlei Interesse mehr an ihrem faktischen Schicksal“ bestehe.445 Nicht jedoch sei im Bewusstsein des Handelnden, das Eigentum rechtlich aufgeben zu wollen. Unter Berufung auf römische Quellen versucht er auch für die traditio nachzuweisen, dass der Eigentumsübergang nicht aufgrund eines Willens zur Eigentumsübertragung eintritt, sondern aufgrund der „Absicht, seinerseits der Sache als Gut zu entsagen und sie dem andern zu überlassen“.446 Die Konsequenz von Lenels Ansatz, den Begriff des Rechtsgeschäft zu deuten, wäre für die hier untersuchte Problemstellung geradezu dramatisch: Der rechtliche Effekt eines Rechtsgeschäfts soll nicht eintreten, weil er unmittelbar als rechtlicher gewollt ist, sondern weil er dem wirtschaftlichen Begehren des Handelnden rechtlich genüge tut. Dann käme es in keiner Weise darauf an, wie der Handelnde das Geschäft rechtlich ausgestalten wollte; die Rechtsordnung würde immer nur an den wirtschaftlichen Zweck anknüpfen und das dafür rechtlich probate Mittel bereitstellen. Betrachtet man wieder den paradigmatischen Fall des Wiederkaufes zu Sicherungszwecken, dann müsste aus Lenels Sicht die Rechtsordnung die gesamte artifizielle Gestaltung für unbeachtenswert halten. Denn die wirtschaftlich intendierte Folge ist eine zeitweise Überlassung von Geld gegen Zinsen und Besicherung durch eine Sache. Das dafür von der Rechtsordnung bereitgestellte Mittel sind Darlehen und Verpfändung.

443 Dies ist auch im geltenden Recht allgemeine Ansicht, vgl. nur BeckOK-BGB/Kindl, § 958 Rn. 4; MüKo-BGB/Oechsler, § 958 Rn. 6, allerdings wird daraus die Konsequenz gezogen, die Aneignung sei gerade deshalb kein Rechtsgeschäft: Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage 2009, § 53 Rn. 72. 444 Lenel, JherJb 19 (1881), 154 (170). 445 Lenel, JherJb 19 (1881), 154 (170). 446 Lenel, JherJb 19 (1881), 154.

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

bb) Würdigung Lenels Problemstellung ähnelt der Problematik des Vorsatzes bezüglich normativer Tatbestandsmerkmale im Strafrecht.447 Ein Dieb, der eine fremde Sache stiehlt, vermag dies nicht in dem Bewusstsein zu tun, dass die Sache, die er stiehlt, einem fremden absoluten Herrschaftsrecht unterliegt, das sich „Eigentum“ nennt. Versteht der Dieb die Sache nicht als „im Eigentum eines anderen stehend“, so handelt es sich mithin um einen unbeachtlichen Subsumtionsirrtum. Notwendig ist jedoch, dass der Täter eine Vorstellung davon hat, dass die Sache in irgendeiner rechtlichen Ausgestaltungsweise nicht ihm zugeordnet ist, sondern einem anderen, der mit dieser Sache grundsätzlich tun und lassen kann, was er will. Es kommt auf dessen „Parallelwertung in der Laiensphäre“ an.448 Wer rechtsgeschäftlich handelt, will zwar den wirtschaftlichen Erfolg herbeiführen, aber er möchte diesen eben doch von Rechts wegen herbeiführen. Ferner ist diese „Grundfolgentheorie“449 unvereinbar mit der historischen Vorstellung des Gesetzgebers. Dieser ging nämlich eindeutig von einer „Rechtsfolgentheorie“ aus: „Rechtsgeschäft im Sinne des Entwurfes ist eine Privatwillenserklärung, gerichtet auf die Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, welcher nach der Rechtsordnung deswegen eintritt, weil er gewollt ist.“450 Der Gesetzgeber hat sich somit klar der „Rechtsfolgentheorie“ angeschlossen. c) Stampes Wertbewegungslehre aa) Darstellung Ein Lenels Lehre nahestehendes Verständnis des Rechtsgeschäfts und der Causa hat Stampe entwickelt.451 Zentral ist der Begriff der „Wertbewegung“: Es handelt sich um einen rechtlichen „Zuständigkeitswechsel“ eines Wertes.452 Eine solche Wertbewegung entsteht nach Stampe durch einen „komplizierten Tatbestand“ aus „Kausalvorgang“ und „Hilfsgeschäfte“453 Die „causa“ (Kausalvorgang) ist für Stampe der „Ausgangspunkt einer Wertbewegung bestimmter Art“.454 Die Causae sind unterteilbar in rechtsgeschäftliche und nichtrechtsgeschäftliche; die Zahl der Causa-Typen entspreche der Zahl der Wertbewegungstypen.

447

Dazu MüKoStGB/Joecks, § 16, Rn. 70 – 71. Ähnlich Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen (München 1995), S. 45. 449 Der Begriff findet sich z. B. bei BeckOGK/Rehberg, § 116 BGB Rn. 180. 450 Mot. I, S. 126. 451 Stampe, Grundriß der Wertbewegungslehre; ders., Das Causa-Problem des Civilrecht. 452 Stampe, Wertbewegungslehre, S. 4. 453 Stampe, Wertbewegungslehre, S. 11. 454 Stampe, Wertbewegungslehre, S. 11. 448

A. Die Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation

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Auf der anderen Seite bestehen in Stampes Wertbewegungslehre die sog. Hilfsgeschäfte: diese dienten der Abwicklung der „Güterschiebung“ und der Verwirklichung der dinglichen Rechtsänderungen; sie dienten regelmäßig der Erfüllung der Obligationen aus dem Grundgeschäft, sowie weiteren („sichernden, konstitutiven, präparatorischen, modifizierenden, rekapitulierenden“) Zwecken.455 Die Causa ist, unabhängig von der Ausgestaltung des jeweiligen Hilfsgeschäfts als kausal oder abstrakt, jedenfalls die Bestandsbedingung für die Hilfsgeschäft.456 Je nachdem sind sie nämlich entweder unwirksam (bei Kausalität) oder kondizierbar (bei Abstraktheit).457 Der Grundfolgentheorie nahe stehend ist nun das Verständnis der Causa als ein Tatbestand, in welchem der von den Parteien gewollte „Gesamterfolg“ festgestellt wird.458 Dieser Gesamterfolg ist der wirtschaftliche Erfolg der Wertbewegung.459 Wenn der wirtschaftliche Zweck durch das Grundgeschäft, das Stampe als Causa bezeichnet, festgestellt wird, gibt Stampe die Unterscheidung zwischen der Vereinbarung von Rechtsfolgen, die nach der Vorstellung des BGB den Inhalt des Rechtsgeschäfts bilden, und dem damit verfolgten Zweck auf.460 Der wirtschaftliche Zweck bildet für ihn den Inhalt des Kausalgeschäfts. bb) Würdigung Auch Stampes Lehre, die freilich von ihm selbst als „freirechtliches System“ bezeichnet wird461, muss sich für das geltende Recht die Kritik entgegenhalten lassen, dass sie nicht vereinbar ist mit dem gesetzlichen Verständnis des Begriffs „Rechtsgeschäft“. Denn im Gesetz manifestierte Vorstellung des Gesetzgebers ist, dass ein Rechtsgeschäft aus Willenserklärungen besteht, die auf bestimmte Rechtsfolgen gerichtet sind.462 Nicht etwa der wirtschaftliche Zweck oder wirtschaftliche Erfolg stellt den Gegenstand der Willenserklärung dar, sondern der Rechtserfolg. Dieser contra legem-Einwand wiegt am schwersten. Ferner wird Stampes Vorstellung auch der Charakter einer Forderung als Zuwendung nicht gerecht. Denn wenn man die obligatorische Wirkung eines Vertrages als Rechtsgrund einer Leistung solvendi causa betrachtet, so liegt zwar für die Zuwendung der geschuldeten Leistung zur Erfüllung dieser Obligation in der Er455

Stampe, Das Causa-Problem des Civilrechts, S. 30. Stampe, Wertbewegungslehre, S. 12 f. 457 Stampe, Wertbewegungslehre, S. 12 f. 458 Stampe, Wertbewegungslehre, S. 22. 459 Stampe, Das Causa-Problem des Civilrechts, S. 24. 460 Vgl. Stampe, Das Causa-Problem des Civilrechts, S. 26. 461 Untertitel von Stampe, Wertbewegungslehre: „Zur Einleitung in ein freirechtliches System der Schuldverhältnisse“. 462 Vgl. schon oben, S. 96 f. 456

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

füllung der Rechtsgrund für die Leistung; der Rechtsgrund, der wirtschaftliche Zweck der Obligation selbst ist damit jedoch nicht definiert. d) Das faktisch-empirische Verständnis kausaler Verknüpfung aa) Darstellung Nach anderen Autoren ist die Causa auf den wirtschaftlichen Erfolg des Rechtsgeschäfts gerichtet und nicht auf dessen rechtlichen Erfolg.463 Bei einem Austauschvertrag sei nicht der Gegenanspruch Causa des Anspruchs, sondern die tatsächliche Erlangung der Gegenleistung.464 Dies zeige sich an verschiedenen Punkten: Ein rein normatives Verständnis der Causa (als Rechtserfolg) könne lediglich das genetische Synallagma (keine Verpflichtung ohne die andere), nicht jedoch auch das funktionelle Synallagma (keine Geltendmachung der Verpflichtung ohne die andere) erklären.465 Es könne Handgeschäfte nicht erklären, bei denen ein sofortiger Leistungsaustausch stattfindet.466 Ferner seien die datio oder promissio ob causam (man könnte hier auch von „unbenannten Zuwendungen“ sprechen), bei denen eine reale Leistung oder eine Verpflichtung zugewandt wird, ohne dass eine Gegenleistung geschuldet wird, Fallkonstellationen, in denen gerade kein rechtlicher, sondern ein tatsächlicher Erfolg mit der Zuwendung angestrebt wird und nicht durch ein rein normatives Verständnis der Causa erklärt werden kann.467 Ferner spreche der Wille des historischen Gesetzgebers dafür, dass dieser bewusst von einem Verständnis der Causa als angestrebten rein rechtlichen Erfolg abgewichen ist.468 Es finden sich nämlich folgende Äußerungen in den Gesetzesmaterialien: Besser sei allerdings die Ausdrucksweise des Antrags 3a, der den Mangel des Rechtsgrundes als Mangel des bezweckten rechtlichen Erfolges bezeichne; aber es werde damit ein Gesichtspunkt in den Vordergrund gestellt, der das Verhältnis nicht erschöpfe und auch nicht entscheidend sein könne, da den Parteien nicht immer an einem rechtlichen, sondern häufig nur an einem thatsächlichen, wirtschaftlichen Erfolge gelegen sei.469

bb) Würdigung Westermanns historisches Argument unter Bezug auf die Protokolle vermag zwar zu begründen, warum die Causa nicht zwingend ein Rechtserfolg sein muss, sondern auch faktische Erfolge umfassen kann. Nicht jedoch kann man mit diesem Argument widerlegen, dass die mit einer Zuwendung verknüpfte Causa auch ein Rechtserfolg 463 464 465 466 467 468 469

Westermann, Causa, S. 60; Schmidt-Rimpler, Bedingte Verträge, S. 58. Westermann, Causa, S. 60; Schmidt-Rimpler, Bedingte Verträge, S. 58. Zu allem Westermann, Causa, S. 60. Westermann, Causa, S. 60. Westermann, Causa, S. 60. Westermann, Causa, S. 60. Prot. II, S. 691.

A. Die Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation

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wie der Gegenanspruch sein kann. Mehr Argumentationskraft hat auf dem ersten Blick dagegen das Argument, dass nur ein faktisches Verständnis der causa acquirendi (Erlangung der Gegenleistung als Rechtsgrund) das funktionelle Synallagma erklären kann. Dem ist allerdings jedenfalls für das geltende Recht entgegenzuhalten, dass sich auch der Nichtfortbestand eines Anspruchs mit der kausalen Verknüpfung mit dem Gegenanspruch begründen lässt: Das Gesetz knüpft in § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB den Fortbestand eines Anspruchs an den Fortbestand von dessen Gegenanspruch. Ein Rückgriff auf die faktische Leistungserbringung bedarf es dafür nicht. Was die Durchsetzbarkeit des Anspruchs angeht (insbesondere § 320 BGB), ist allerdings in der Tat die faktische Leistungserbringung maßgeblich. Das funktionelle Synallagma lässt sich insoweit nur durch das Verständnis deuten, dass die Causa eines Anspruchs im synallagmatischen Vertrag nicht nur im rechtlichen Bestehen des Gegenanspruchs, sondern in der Erlangung der Gegenleistung selbst liegt. Es stellen sich ferner grundsätzliche rechtslogische Fragen im Hinblick auf das Verhältnis rechtlicher Geltung und Wirklichkeit. Sieht man im Rechtsgrund einer Zuwendung die tatsächliche Erlangung einer Gegenleistung, wird das Bestehen eines rechtlichen Sollens mit einem tatsächlichen Sein begründet. Der Grund eines Sollens kann jedoch nie in einem (realen) Sein liegen.470 Allerdings liegt ein derartiger Fehlschluss nur dann vor, wenn ein Sollen ausschließlich durch Seinssätze begründet wird. Die Anerkennung einer Geltung eines Rechtsgeschäfts wird jedoch nicht ausschließlich mit dem tatsächlichen Leistungsaustausch begründet, sondern gerade auch mittels der übergeordneten Norm, welche dem Willensakt selbst Geltung verleiht. Dabei ist es logisch nicht ausgeschlossen, dass diese übergeordnete Norm die Wirkung von Willensakten an weitere Tatsachen knüpft. Das Verhältnis von rechtlicher und wirtschaftlicher Zielsetzung sei nach Fuchs dadurch charakterisiert, dass zwischen Recht und Wirtschaft ein Verhältnis von Idee und Wirklichkeit bestehe.471 Somit könne es einen reinen Rechtsfolgewillen niemals geben, sondern er ist immer auch auf eine wirtschaftliche Folge gerichtet.472 Es ist nicht einmal die Grundfolgentheorie aufzugreifen, um anerkennen zu können, dass eine Verpflichtung um der wirtschaftlichen Folgen willen aufgenommen wird und dies rechtlich anzuerkennen ist. Der Rechtsgrund einer Verpflichtung ist die Causa als eben „die wirtschaftliche Seite des Geschäfts“.473 Dies ist insbesondere beim Verständnis vom Synallagma zu berücksichtigen – das Wesen von ihm liegt im tatsächlichen gegenseitigen Leistungsaustausch.

470

Dies besagt schon eine Implikation aus Humes Gesetz, nach dem sich aus einem Sein kein Sollen ergeben kann: „Aus nicht-normativen Aussagen folgen keine normativen Sätze“, Kutschera, Das Humesche Gesetz, Grazer philosophische Studien 4 (1977), S. 1 – 14. 471 Fuchs, Scheinhändel, S. 61 ff. 472 Fuchs, Scheinhändel, S. 60. 473 Fitting, AcP 52, 395.

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

Der Unterschied zwischen einer Zuwendung ob rem (bei deren Zweckfortfall der § 812 Abs. 1 S. 2 BGB maßgeblich ist) und einem vollständigen synallagmatischen Vertrag ist daher, dass die Causa bei ersterem lediglich in der tatsächlichen Zweckerreichung liegt, bei zweiterem im Erlangen des Gegenleistungsanspruchs und gleichzeitig im Erlangen der Gegenleistung selbst; es ist also im Ergebnis Westermann zuzustimmen. Die Causa ist mithin auch empirisch-wirtschaftlich zu verstehen. 4. Schlussfolgerungen Sieht man von vorneherein die Bestimmung der Causa als lediglich auf den rechtlichen Erfolg bezogen, so ist die Annahme einer Simulation bei Bestimmung einer lediglich scheinbaren Causa ausgeschlossen: Denn regelmäßig wird bei artifiziellen Vertragsgestaltungen die kausale Verknüpfung von Anspruch und Gegenleistungsanspruch so gewollt sein, wie es die Gestaltung suggeriert. Beim Wiederkauf zu Sicherungszwecken wäre die Causa des Anspruches auf die Übereignung der „Kaufsache“ der Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises. Die Verknüpfung der synallagmatischen Pflichten im Vertrag fände auf rein normativer Ebene statt: Die Causa der einen Schuld wäre die Schuld des jeweils anderen, nicht jedoch die faktische Gegenleistung. Da es nur auf die rechtlich-normative Verknüpfung der Ansprüche ankäme, bestünde kein Raum dafür, auf den wirtschaftlichen Zweck bei der Bestimmung der Causa abzustellen. Sieht man dagegen – wie es in dieser Arbeit vertreten wird – eine wirtschaftlichempirische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung als die Causa eines Vertrages an (bzw. die Gegenleistung als Causa für den Leistungsanspruch), öffnet man dagegen erst die Tür für die Möglichkeit, ein Scheingeschäft anzunehmen: Wenn der wirkliche Zuwendungszweck tatsächlich nicht in der Erlangung der vorgegebenen Gegenleistung liegt, obwohl dies nach außen hin erklärt wird, sondern in einer anderen Leistung, die entweder als unbedeutende Nebenpflicht oder aber als separates Geschäft getarnt ist, wie beim Wiederkauf zu Kreditzwecken der Rückkauf, könnte man diese Abweichung vom wirklichen und erklärten Willen als Simulation betrachten. Dennoch ist dies auch bei einem solchen Verständnis einer kausalen Verknüpfung keine notwendige Konsequenz. Beispielsweise kann man die synallagmatische Verknüpfung konstruktiv durch eine Bedingung des Versprechens mit dem Erhalt der Gegenleistung verstehen.474 Dann wäre auch diese Verknüpfung der Rechtswirkung mit einem Faktum (Erhalt der Gegenleistung) wirklich gewollt, denn diese Bedingung ist in ihrer Rechtswirkung gewollt. Stattdessen müsste man für die Annahme einer Simulation im Verständnis der Causa-Bestimmung vom klassischen Verständnis der Willenserklärung als Geltungserklärung475 abweichen – denn versteht 474 475

So Blomeyer, Studien zur Bedingungslehre, S. 110 f. Dazu Flume, Rechtsgeschäftslehre, S. 57.

A. Die Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation

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man die Willenserklärung als rein normierenden Tatbestand, als reine „Statuierung irgendeines Sollens oder Dürfens, eines Nichtsollens oder Nichtdürfens“476, so ist diese Normierung nicht an die wirtschaftliche Zwecksetzung der Parteien geknüpft; dagegen hätte ein Anhänger der Grundfolgentheorie Lenels kein Problem mit einer Simulation, da sich die Rechtsfolgen einer Erklärung gerade auf die wirtschaftlichempirischen Folgen richten. Ihre Unzulänglichkeiten wurden jedoch bereits ausführlich erörtert. Im Folgenden muss noch untersucht werden, wie sich eine Theorie der Causa als wirtschaftlichen und nicht nur rechtlichen Zweck eines Rechtsgeschäft unter die Rechtsfolgentheorie des Rechtsgeschäfts einordnen lässt: Wenn die wirtschaftlichempirischen Absichten der Parteien unter den Begriff der Causa mitgefasst werden, so würde das herrschende Verständnis des Rechtsgeschäfts insoweit relativiert, als dass es zwar vom Prinzip her ihre Folgen aus Geltungserklärungen herleitet, aber ein Teil seiner Folgen auf einem wirtschaftlich-empirischen Willen beruht. Der Bestand dieser Rechtsfolgen könnte bei einer atypischen Zwecksetzung dann nicht mehr mit dem Geltungsgrund einer Einigung der Parteien hierüber gerechtfertigt werden, da ihr Geltungsgrund eben nicht mehr in dem rechtsgeschäftlichen Parteiwillen zu finden wäre.477 Allenfalls könnte dann die Erheblichkeit der erklärten Causa gegenüber der wirklichen Causa mit einem Recht der Parteien gerechtfertigt werden, eine Rechtstatsache gegenüber der Rechtsordnung zu fingieren.

III. Die Natur der Causa-Bestimmung: Rechtsgeschäftliche oder geschäftsähnliche Einigung? Versteht man die Causa als erforderlichen Teil (essentialia negotii) des rechtsgeschäftlichen Geltungswillens, so ermöglicht dies den Parteien, eine Causa-Bestimmung zu treffen, die nicht mit ihrer wirtschaftlichen Intention übereinstimmt. Deutet man die kausale Bestimmung dagegen als lediglich rechtlich relevantes Verhalten478, nämlich als tatsächlich geäußerten wirtschaftlichen Willen, an welchen die Rechtsordnung von Rechts wegen eine bestimmte Rechtsfolge knüpft, so handelt es sich bei entgegenstehender Äußerung um einen Scheintatbestand, welcher allenfalls als scheinbare rechtsgeschäftsähnliche Handlung analog § 117 BGB rechtlich unbeachtlich sein könnte.479 Es muss an dieser Stelle betont werden, welche weitreichenden Folgen die Einordnung der Causa-Vereinbarung als rechtsge476

Hölderl, 2. DJT Band IV, S. 87, zit. nach Flume, Rechtsgeschäft, S. 57. Streitbar ist, ob Rechtsgeschäfte ihren primären Geltungsgrund im rechtsgeschäftlichen Willen selbst oder aber in der Rechtsordnung haben (dazu Flume, Rechtsgeschäft, S. 2). Jedenfalls aber finden die Rechtsfolgen des Rechtsgeschäftes sekundär durch Anerkennung des rechtsgeschäftlichen Willens durch die Rechtsordnung ihre Geltung. 478 Dieser Begriff ist geprägt von Flume, AcP 161 (1962), 52. 479 Zur analogen Anwendung des § 117 BGB auf Scheingeschäfte: BeckOGK/Rehberg, § 117 BGB Rn. 7. 477

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

schäftlich oder als geschäftsähnlich hat: Wird sie als rechtsgeschäftlich eingeordnet, haben die Parteien die Macht, jede Causa, ob sie dem wirklich verfolgten Zweck entspricht oder nicht, also auch eine fiktive, vorgeschobene Causa, gelten zu lassen. Sieht man sie allenfalls als geschäftsähnlich an, so erkannte die Rechtsordnung nicht die Geltung der Causa kraft Vereinbarung an; vielmehr knüpfte sie ihre Rechtsfolgen nicht in Anerkennung dieses Gelten-Lassens, sondern aufgrund der Tatsache eines rechtlich relevanten Verhaltens, nämlich der Vereinbarung der wirtschaftlichen Zweckrichtung durch die Parteien. Mehrheitlich wird offensichtlich davon ausgegangen, dass die Causa-Bestimmung rechtsgeschäftlichen Charakter aufweist, die – losgelöst von der wirtschaftlichen Wirklichkeit – der Disposition der Parteien unterliegt. So wird in der Literatur davon ausgegangen, die synallagmatische Verknüpfung480 von Leistung und Gegenleistung sei primär Gegenstand einer Parteivereinbarung.481 Schmidt-Rimpler geht dagegen vom Charakter des Synallagmas als Geschäftsgrundlage aus.482 Zu betonen ist an dieser Stelle die Konsequenz letzterer Auffassung für das gegenständliche Problem: Die Geschäftsgrundlage beruht nicht auf rechtsgeschäftlicher Einigung, sondern stellt einen Tatbestand „geschäftsähnlicher Einigung“ dar.483 Die Parteien haben eine gemeinsame Vorstellung von Tatsachen (beim Austauschvertrag eben der tatsächliche Leistungsaustausch), und an dieses tatsächliche Einigsein knüpft die Rechtsordnung Folgen. Der Normbefehl besteht aber nicht, weil der Rechtserfolg gewollt ist, sondern kraft Gesetzes. Im Folgenden gilt es daher, den Meinungsstand zu der Frage der Natur des Synallagmas im geltenden Recht darzustellen, welcher paradigmatisch für die Struktur der Causa im Ganzen ist.484 Ferner ist auch anhand von weiteren rechtlichen Strukturen, die an die Causa anknüpfen, die Rechtsnatur herauszuarbeiten. 1. Der Meinungsstand zum Synallagma a) Das Synallagma als Geschäftsgrundlage Für Schmidt-Rimpler liegt das Wesen des Synallagmas darin, dass es eine „gemeinsame Wertungsgrundlage“ darstelle; die Folgen des Fehlens dieser Wertungsgrundlage ergäben sich gerade nicht aus einer rechtsgeschäftlichen Parteivereinbarung, sondern aus dem Gesetz.485 Tragendes Argument Schmidt-Rimplers für diese Einordnung des Synallagmas ist die Unzulänglichkeit des Verständnisses des Sy480 Wie oben bereits gezeigt, ist das Synallagma ein Fall der causa acquirendi, die Causa des gegenseitigen Vertrages. 481 MüKoBGB/Emmerich, § 320 Rn. 30. 482 Schmidt-Rimpler, Bedingte Verträge. 483 Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 243 – 246. 484 Zum Meinungsstand: Klinke, Causa, S. 104 – 120. 485 Schmidt-Rimpler, Bedingte Verträge, S. 62.

A. Die Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation

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nallagmas als Bedingungsgefüge.486 Beim gegenseitigen Schuldvertrag entstünden gegenseitige, zunächst einmal unbedingte Pflichten, keine bedingten Pflichten.487 b) Das Synallagma als Bedingung Blomeyer betrachtet das Synallagma hingegen mit Hilfe der Dogmatik der Bedingungslehre.488 Für das damals geltende Recht führt er den § 323 Abs. 1 BGB489 an. Diese drücke eine echte Bedingtheit der zwei Gegenverpflichtungen im gegenseitigen Vertrag aus. Dass im Falle der vom Gläubiger selbst zu vertretenden Unmöglichkeit die Leistungspflicht bestehen bleibt490, erklärt Blomeyer mit der Parallele des § 324 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.491 zu § 162 BGB, der arglistigen Bedingungsvereitelung. Denn das schuldhafte Verhindern des Bedingungseintritts (durch Erlöschen der Verpflichtung) solle dann das Bestehen der synallagmatischen Gegenverpflichtung nicht verhindern, so wie wenn sie als Bedingung arglistig vereitelt worden wäre. Ebenfalls möchte Kreß die Zweckvereinbarung als unechte Bedingung, als condicio in praesens relata (nicht auf ein zukünftiges unsicheres Ereignis, sondern auf einen gegenwärtigen unsicheren Zustand bezogen) verstehen, und zwar in Bezug auf die Entstehung des Gegenleistungsanspruchs.492 c) „Causatheorie“ des Synallagmas Klinke sieht in Anlehnung an Daele493 im Synallagma einen Fall der Causa.494 Die Zweck-Mittel-Struktur sei maßgeblich für das Synallagma. Dieser Ansichtsweise ist nach dem Gesagten durchaus zuzustimmen; sie gibt aber mit dem Verweis auf die Causa gerade nicht dessen Struktur vor; wenn an dieser Stelle versucht wird, aus der Natur des Synallagmas eine allgemeine Natur der Causa zu deduzieren, so ist dieser 486

Schmidt-Rimpler, Bedingte Verträge, S. 62 f. Schmidt-Rimpler, Bedingte Verträge, S. 62 f. 488 Blomeyer, Studien zur Bedingungslehre, S. 110 ff. 489 § 323 Abs. 1 BGB a. F. lautete bis zum 01. Januar 2002: „Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage dem einen Theile obliegende Leistung in Folge eines Umstandes unmöglich, den weder er noch der andere Theil zu vertreten hat, so verliert er den Anspruch auf die Gegenleistung; bei theilweiser Unmöglichkeit mindert sich die Gegenleistung nach Maßgabe der §§ 472, 473.“ 490 Die alte Fassung des BGB unterschied terminologisch nicht zwischen dem Primäranspruch und dem Sekundäranspruch; eine nicht zu vertretende Unmöglichkeit ließ im Rahmen des § 275 BGB a. F. sowohl Primär- als auch Sekundäranspruch entfallen. 491 „Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage dem einen Theile obliegende Leistung in Folge eines Umstandes, den der andere Theil zu vertreten hat, unmöglich, so behält er den Anspruch auf die Gegenleistung.“ 492 Kress, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, S. 41 ff. 493 Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 15 – 39. 494 Klinke, Causa, S. 116 ff. 487

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

Verweis an dieser Stelle vorliegend wenig hilfreich. Klinke sieht in der Causa ein vereinbartes Motiv.495 Ob es sich dabei um eine rechtsgeschäftliche Einigung handelt, impliziert eine solche Aussage nicht; vielmehr muss auch Klinke davon ausgehen, dass die Folgen des Fehlens einer Causa gerade aus dem Gesetz herrühren und nicht aus einer mit der Causa vereinbarten Rechtsfolge – denn dies ist nur für die Vertreter denkbar, die das Synallagma als Bedingung sehen. Für Klinke ist die Vereinbarung einer Bedingung jedoch gerade eine unzulässige Unterstellung, womit er die Eigenschaft des Synallagmas als Bedingungsgefüge bestreitet.496 Er erkennt gerade an, dass das Gesetz die Rechtsfolgen der Kausalität von Verpflichtungen schafft.497 Dann setzt er sich jedoch gleichzeitig in einen Widerspruch, wenn er an anderer Stelle behauptet, die Causa werde rechtsgeschäftlich vereinbart und es fänden die Vorschriften über Willenserklärungen damit unmittelbar Anwendung:498 Denn in der Rechtsfolgenfinalität liegt der Kern des Inhaltes einer Willenserklärung, und deren Folgen treten mithin kraft der Erklärung und nicht kraft Gesetzes ein. Daele erkannte ebenfalls an, dass es sich bei den Rechtsfolgen des Synallagmas um gesetzliche Rechtsfolgen der aus dem Willen der Parteien herrührenden Zweckbeziehung handelte.499 Für Klinke spielt das Problem der Rechtsnatur der Causabestimmung außer beim Leistungszweck bei der abstrakten Verfügung schlichtweg keine Rolle, weshalb er diese Frage nur dort erörtert;500 Es spielt jedoch sehr wohl eine Rolle im Hinblick auf den Geltungsgrund der Causa-Vereinbarung, was – wie diese Arbeit noch zeigt – unmittelbare Auswirkungen auf die Anwendbarkeit des § 117 BGB in Fällen artifizieller Vertragsgestaltungen hat. d) Das Synallagma als Rechtstatsache Ausführlich hat sich auch Sorge mit der Frage der Rechtsnatur des Synallagmas beschäftigt.501 Für Sorge handelt es sich beim Synallagma um eine „rechtsfolgenneutrale“ Vereinbarung, bei welcher keine Rechtsfolgen vereinbart werden.502 Insbesondere betont er, ähnlich wie Schmidt-Rimpler, der das Synallagma als einen Fall der Geschäftsgrundlage sieht,503 dass das Synallagma selbst keinen Rechtserfolg darstelle (sondern nur die auf der „Gegenseitigkeit“ aufbauenden gesetzlichen Rechtsfolgen), sondern ein bestimmtes „normatives Austauschmodell im Rahmen 495 496 497 498 499 500 501 502 503

Klinke, Causa, S. 40. Klinke, Causa, S. 115. Klinke, Causa, S. 115. Klinke, Causa, S. 42. Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 22. Klinke, Causa, S. 42 Fn. 83. Sorge, Verpflichtungsfreier Vertrag, S. 358 – 370. Sorge, Verpflichtungsfreier Vertrag, S. 360. Siehe oben, S. 102.

A. Die Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation

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verschiedener entgeltlicher Verknüpfungsmodalitäten“.504 Er wendet sich jedoch gegen den Vorstoß Schmidt-Rimplers, das Synallagma als eine rechtsgeschäftsexterne Komponente zu verstehen. Vielmehr werde die „Geltung“ des Synallagmas rechtsgeschäftlich vereinbart, ohne dass mit ihr unmittelbare Rechtsfolgen vereinbart werden.505 Wie Gernhuber betont der damit die Immanenz des Synallagmas im Vertrag selbst.506 e) Synallagma als rechtsgeschäftlicher Vertragsinhalt mit einheitlichem, gemeinsamen Austauschweck Hingegen wird von vielen Stimmen angenommen, die Causa des Schuldvertrages sei rechtsgeschäftlich vereinbart.507 Diese Ansicht vermag aus mehreren Gründen entstanden zu sein. Die Distinktionen zwischen rechtsgeschäftlichem und geschäftsähnlichem Handeln scheinen v. Thur insofern nicht vor Augen gewesen zu sein, wenn er pauschal behauptet, jede Einigung unterliege den Regelungen über den Vertragsschluss.508 Es gibt jedoch gerade auch tatsächliche Einigungen, die nicht rechtsgeschäftlich sind.509 Gernhuber bezeichnet das Synallagma als „vertragsimmanente Zweckstruktur mit genetischer, konditioneller und funktioneller Abhängigkeit […] zweier final aufeinander bezogener primärer Leistungspflichten“510 Demnach sei das Synallagma auch Teil des Vertragsinhalts und nicht der Vertragsgrundlage.511 Insbesondere liege dem gegenseitigen Vertrag nach dieser Auffassung ein einheitlicher, gemeinsamer Zweck zugrunde; dieser einheitliche Zweck lässt sich konstruktiv als einheitlichen Austauschanspruch deuten.512 Jeder Vertragspartner hat im gegenseitigen Vertrag demnach den gleichen Anspruch gegenüber der anderen Partei, nämlich auf Durchführung des Austausches.

504

Sorge, Verpflichtungsfreier Vertrag, S. 359. Sorge, Verpflichtungsfreier Vertrag, S. 360. 506 Siehe unten, S. 128. 507 v. Thur, BGB AT, Bd. 2/2, S. 98; Westermann, Causa, S. 53 f.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 312 ff.; Gernhuber, FS Raiser, S. 57 – 98; ausdrücklich Teil des „rechtsgeschäftlichen Willen der Parteien“ Larenz, SchR I § 15 I (S. 203); BGH NJW 1992, 1172 geht davon aus dass Anspruch als solcher durch das Synallagma beschränkt wird und dadurch „weniger weit“ ginge. 508 v. Thur, BGB AT, Bd. 2/2, S. 84. 509 Zum rechtsgeschäftsähnlichen Charakter der Causabestimmung s. u. 510 Gernhuber, FS Raiser (Fn. 507), S. 57. 511 Gernhuber, Schuldverhältnis, § 13 II (S. 313). 512 So nennt ihn Gernhuber, FS Larenz, S. 470. 505

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

f) Synallagma als subjektive Äquivalenz Literatur und Rechtsprechung betonten in der Vergangenheit die Eigenschaft der gegenseitigen Entgeltlichkeit von synallagmatischen Verträgen.513 Insbesondere wird angenommen, dass die Parteien üblicherweise davon ausgehen, dass die Leistung und Gegenleistung äquivalent sind.514 Hierbei wird die „subjektive“ Äquivalenz und nicht die „objektive“ Äquivalenz gemeint: denn es kommt dabei nur darauf an, dass die Parteien Leistung und Gegenleistung für gleichwertig hielten.515 g) Bewertung aa) Geltungsgrund der Wirkungen des Synallagmas ist nicht der Rechtsfolgewille Das Synallagma als besondere Zweckvereinbarung wird zwar vereinbart; diese Vereinbarung ist aber regelmäßig nicht auf die rechtlichen Folgen einer Bedingtheit gerichtet.516 Die Parteien haben bei derartigen Verträgen nicht den bewussten Willen, die eine Pflicht nur mit Entstehen der anderen zu begründen. Vielmehr haben die Parteien jeweils nur den typischen Geschäftszweck eines Austauschs vor Augen, ohne sich um die Rechtsfolgen dieses Handelns überhaupt Gedanken zu machen. Die speziellen Rechtsfolgen eines Austauschverhältnisses können folglich gesetzliche sein. Damit entfällt auch die Möglichkeit der von vielen Stimmen unkritisch angenommenen rechtsgeschäftlichen Natur der Causa-Vereinbarung,517 da rechtsgeschäftliches Handeln immer auf einen bestimmten Rechtserfolg gerichtet sein muss. Diese Voraussetzung erfüllt das Synallagma gerade nicht. Von einer Bedingung ließe sich höchstens dann sprechen, wenn die Erreichung des Zweckes (Erlangung des Gegenanspruchs/der Gegenleistung beim Synallagma) den Parteien als zweifelhaft vor Augen stünde.518 Dies ist beim Regelfall des Austauschvertrags gerade nicht der Fall: Hier halten die Parteien den Erfolg des Austauschs gerade für wahrscheinlich. Folgte man beim Synallagma dagegen dem Gedanken Gernhubers eines einheitlichen Austauschanspruchs, so müsste man konsequenterweise den Parteien die Rechtsmacht lassen, einen scheinbaren Austausch zwischen beliebigen Werten gelten zu lassen, auch wenn tatsächlich der wirtschaftliche Zweck der Unentgeltlichkeit verfolgt wird. Denn dann beruhte das Synallagma auf einem Rechtsfolgewillen. Allerdings geht Gernhubers These fehl, der „Finalnexus“ des Synallagmas sei schon auf Ebene einer Beschränkung der einzelnen Leistungspflichten zu verorten, 513 Larenz, SchR § 15 I (S. 204); Palandt/Grüneberg, Vor § 320 Rn. 8; BGH NJW 1980, 2304; 1962, 251; 77, 363; 15, 105. 514 BGH NJW 1980, 2304. 515 Dazu Wolff, Zuwendungsrisiko und Restitutionsinteresse, S. 112 ff. 516 Vgl. Schmidt-Rimpler, Bedingte Verträge, S. 62. 517 Dazu siehe oben, S. 105. 518 Locher, AcP 121 (1923), 1 (29).

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indem die Leistungs- und Gegenleistungspflicht zu einem einheitlichen Austauschanspruch verschmelzen. Insbesondere kann Gernhubers Ansicht die gesetzliche Ausgestaltung des konditionellen Synallagmas und den § 320 BGB nicht erklären: Denn die Einrede des nichterfüllten Vertrages beim gegenseitigen Vertrag beschränkt nicht den Bestand des Anspruchs, sondern wirkt eben nur als rechtshemmende Einrede.519 bb) Synallagma ungleich Äquivalenz Die Behauptung, dass das Synallagma auf einer Art subjektiver Äquivalenzvorstellung beruht, geht schon zu weit, wenn davon ausgegangen wird, dass die Parteien subjektiv die Leistungen für objektiv gleichwertig hielten. Ein Austausch hat seine ökonomische Daseinsberechtigung im Vergleich zum unterlassenen Austausch, wenn sich der Gesamtnutzen beider Parteien im Vergleich zum status quo ante erhöht.520 Dies kann auch der Fall sein, wenn die Parteien etwas bewusst unter dem Marktwert verkaufen, da die Transaktionskosten für einen Verkauf an einen Kontrahenten, der zum Marktpreis kaufen würde, prohibitiv hoch sind. So betont auch Daele, dass es nicht auf eine objektive oder vorgestellte Äquivalenz ankommen kann, sondern lediglich, dass jede Partei für sich selbst subjektiv den Nutzen der Gegenleistung höher einschätzt als die Kosten der eigenen Leistung.521 Maßgebliches Kriterium für eine Entgeltlichkeit dürfte also eher sein, dass beide Parteien jeweils eigennützig nutzenmaximierend gehandelt haben (dann Entgeltlichkeit), oder sie altruistisch gehandelt haben (dann Liberalität/Unentgeltlichkeit). Derartige Erwägungen wie Äquivalenz sind jedoch für die Feststellung der Rechtsnatur der Causa wenig hilfreich, da sie phänomenologisch den Inhalt des Synallagmas beschreiben zu versuchen, nicht jedoch die eigentliche Rechtsnatur erklären können. Dies gelingt schon eher den Ansätzen, die eine Bedingung behaupten, oder das Synallagma als Geschäftsgrundlage oder sonstige Rechtstatsache einordnen wollen. cc) Keine reine Geschäftsgrundlage, aber dieser nahestehend: geschäftsähnliche Einigung über Synallagma Mit der Abgrenzung von Causa und Geschäftsgrundlage beschäftigt sich Westermann.522 Zwar handele es sich bei beiden wohl um Motive. Die Gleichstellung von Causa und Geschäftsgrundlage sei schon deshalb nicht zulässig, weil jene im Gegensatz zu dieser entweder durch den Typus bestimmt werde oder aber durch Parteivereinbarung. Dies sei bei der Geschäftsgrundlage nicht der Fall, wenn man anerkennt, dass dort auch Umstände berücksichtigt werden können, die sich die Par519 520 521 522

Zur sog. Einredetheorie vgl. BeckOGK/Rüfner, § 320 BGB Rn. 3 f. Vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 421. Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 12. Westermann, Causa, S. 107 – 118.

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teien nicht einmal vorgestellt hatten.523 Insoweit ist Westermann zuzustimmen, dass die Begriffe nicht synonym verwendet werden können. Allerdings sprechen die Ausführungen Westermanns nicht dagegen, dass man die Kausalbestimmung von ihrer Rechtsnatur als einen Unterfall der subjektiven Geschäftsgrundlage, also eine „gemeinsame Vorstellung, von der sich beide bei der Festsetzung des Vertragsinhalts haben leiten lassen“524, betrachtet. Wenn Sorge mit Gernhuber zusammen betont, dass die Vereinbarung des Synallagmas Teil des Rechtsgeschäfts selbst ist und nicht bloß ein außergeschäftlicher Tatbestand, ist ihnen mit Sorges Formulierung des Arguments Recht zu geben, dass das Synallagma nicht „auf den Bodensatz von gewissen Motiven und Umständen, die nur ausnahmsweise und unter äußerst restriktiven Voraussetzungen rechtserheblich sind“, verwiesen werden kann.525 Nicht jedoch darf daraus die Konsequenz gezogen werden, die Vereinbarung eines Synallagmas sei deswegen Teil der von den Parteien abgegebenen jeweiligen Willenserklärungen. Dies wird fälschlich suggeriert, wenn Sorge davon spricht, die Parteien würden die „Geltung“ der Causa vereinbaren, freilich ohne deren Rechtserfolg zu vereinbaren.526 Der Begriff der „Geltung“ ist dabei jedoch deplatziert: „Geltung“ ist rechtliches Sollen.527 Mit der Causa-Vereinbarung wird kein Sollenssatz vereinbart, anders als bei der Vereinbarung der Pflichtenprogramms („du sollst leisten…“). Dagegen handelt es sich beim Zweck einer Zuwendung (Causa) nicht um ein Sollen, sondern um einen Seinssatz („Zweck der Verpflichtung ist…“). Mangels einer Finalität rechtlicher Geltung kann damit nicht ihren Geltungsgrund in einer Willenserklärung finden. 2. Der Meinungsstand zur Vereinbarung des bezweckten Erfolges bei § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB Ebenfalls diskutiert wird die Rechtsnatur des im § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB angedeuteten „mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolgs“.528 Sie lässt sich in die Causalehre dogmatisch als eine atypische, vereinbarte Causa einordnen.529 Aus ihrer Rechtsnatur lassen sich mithin – wie aus der des

523

Zu allem Westermann, Causa, S. 107 – 118. Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 20. 525 Sorge, Verpflichtungsfreier Vertrag, S. 361. 526 Sorge, Verpflichtungsfreier Vertrag, S. 360. 527 Larenz, Rechtsgeltung, unterscheidet noch zwischen der „normativen Geltung“ (S. 15) und einem vereinheitlichten Begriff der „Rechtsgeltung“, in dem „Sollen“ und „Sein“ vereint sind. (S. 22) Letzterer Begriff beinhaltet sowohl den Geltungsanspruch als ideelle wie den Geltungsbestand als positive Tatsache. Dies hilft freilich für eine Einordnung der Causabestimmung unter den Begriff der Willenserklärung nicht weiter. 528 Hierzu zusammenfassend Sorge, Verpflichtungsfreier Vertrag, S. 422 ff. 529 Diese Einordnung in das allgemeine Institut der Causa nehmen vor Söllner, AcP 163 (1964), 20 (29); Klinke, Causa, S. 63 ff.; Ehmann, Lehre vom Zweck, FS Beuthin, S. 19. 524

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Synallagmas – induktiv Schlüsse auf die allgemeine juristische Natur der CausaVereinbarung herleiten. a) Die Zweckvereinbarung als tatsächliche Willensübereinstimmung Es ist hervorzuheben, dass der BGH in Bezug auf die condictio ob rem (§ 812 I S. 2) ausführt, dass die Zweckvereinbarung hier eine „tatsächliche Willenseinigung“ voraussetze und eben keine rechtsgeschäftliche Einigung.530 Abzugrenzen sei diese Willensübereinstimmung von der bloß einseitigen Erwartung.531 Eine vertragliche Bindung hingegen führe gerade dazu, dass das Rechtsverhältnis nicht nach dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung abzuwickeln sei, sondern nach dem Vertragsrecht.532 Der BGH sagt zwar nicht genau, welche Vorschriften des Vertragsrechts genau Anwendung finden sollen, wenn der Zweck durch vertragliche Bindung vereinbart würde. Gemeint ist jedoch offensichtlich, dass nach Vorstellung des BGH erst die Vereinbarung eines Gegenleistungsanspruchs und damit eines synallagmatischen Austauschsvertrages eine rechtsgeschäftliche Begründung eines Kausalverhältnisses darstellt. Auf diese fände bei einer Zweckverfehlung nicht das Bereicherungsrecht, sondern das allgemeine Leistungsstörungsrecht für synallagmatische Verträge (heute §§ 323 ff. BGB) Anwendung. b) Die Zweckvereinbarung als lex privata imperfecta Mediger beschreibt die Zweckvereinbarung bei der condictio ob rem (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB) als „lex privata imperfecta“ (deutsch: unvollkommene private Normsetzung):533 Durch die Zweckvereinbarung werde „eine Norm geschaffen, an der die tatsächliche Entwicklung gemessen werden kann.“534 Es werde jedoch keine Vereinbarung über die Rechtsfolgen einer Zweckverfehlung getroffen. Es handele sich dabei um eine Vereinbarung ohne Rechtsfolgenfestsetzung.535 An diese Konzeption schließt sich auch Sorge an, der den „bezweckten Erfolg“ als „rechtsfolgenneutrale Bestandsbedingung für die Behaltensbefugnis der Leistung“ bezeichnet.536

530 531 532 533 534 535 536

BGH NJW 1966, 540, 541; BGH NJW 1989, 2745, 2747. BGH NJW 1966, 540, 541. BGH NJW 1966, 540, 541. Mediger, Zweckverfehlung, S. 86 ff. Mediger, Zweckverfehlung, S. 87. Mediger, Zweckverfehlung, S. 88. Sorge, Verpflichtungsfreier Vertrag, S. 442.

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c) Die Zweckvereinbarung als Bedingung Leonhard beschreibt die Zweckvereinbarung im Rahmen der Zweckverfehlungskondiktion als „stillschweigende Bedingung“.537 Diese Bedingung durch Zwecksetzung unterscheide sich von der dinglichen Bedingung dadurch, dass sie nur schuldrechtliche, keine dingliche Wirkung habe.538 Leonhard möchte in der Folge sogar den bereicherungsrechtlichen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB als einen vertraglichen Anspruch aus einem stillschweigenden Auflösungsvertrag für den Fall der Zweckverfehlung herleiten.539 d) Diskussion Wenn einige Autoren bei der Causa-Vereinbarung von einer stillschweigenden Bedingung ausgehen, so handelt es sich um eine Fiktion: Denn regelmäßig werden, wenn die Parteien sich gerade Gedanken um einen Zweckfortfall gemacht haben, diese eine echte Bedingung vereinbart haben und den Bestand der Zuwendung an diese Bedingung geknüpft haben. Dann aber wäre der Rückgriff auf einen gesetzlichen Kondiktionstatbestand ohnehin überflüssig, gerade wenn man mit Leonhard sogar einen vertraglichen Rückabwicklungsanspruch bei der Zweckverfehlungskondiktion annehmen möchte. Im Hinblick auf die Diskussion zur Zweckverfehlungskondiktion stellt sich für die dieser Arbeit gegenständlichen Problematik die folgende Frage: Ist eine „lex privata imperfecta“ eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung? Die Causa-Vereinbarung ist nämlich genau ein Fall einer rechtsfolgenneutralen Vereinbarung; konkrete Ausgestaltung findet sie im „nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckten Erfolg“. Wenn mit der Einigung über den Zweck gem. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB eine „lex privata imperfecta“ bestehe, die zwar ein rechtliches Sollen im Sinne einer Zwecksetzung, nicht jedoch Rechtsfolgen konstituiere, stellt sich die Frage, ob man hier noch von einer privaten Rechtssetzung durch Rechtsgeschäft sprechen kann. In seiner Abhandlung über den Eigenschaftsirrtum hat Brauer argumentiert – worauf sich Mediger540 und Sorge541 beziehen – dass es sich bei der Beschaffenheitsvereinbarung beim Kaufvertrag um eine rechtsgeschäftliche „Zusage“ handele, die zwar rechtsgeschäftlich vereinbart sei, nicht jedoch ein „programmatisches“ Element beinhalte, welches zu einer bestimmten Handlung verpflichte.542 Der Grund 537 538 539 540 541 542

Leonhard, Schuldrecht BT, S. 518 f. Leonhard, Schuldrecht BT, S. 519. Leonhard, Schuldrecht BT, S. 525. Mediger, Zweckverfehlung, S. 88. Sorge, Verpflichtungsfreier Vertrag, S. 442. Brauer, Der Eigenschaftsirrtum, S. 30 f.

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hierfür liege darin, dass die Parteien nicht die Rechtsfolge für den Fall einer Abweichung der Ist-Beschaffenheit der Kaufsache von der Sollbeschaffenheit vereinbarten.543 Die Beschaffenheitsvereinbarung sei „sanktionslos“. Flume hält seiner maßgeblichen Schrift544 dagegen: Brauers Ansicht widerspreche mit seiner Trennung der Vorstellung des Leistungsgegenstandes „an sich“ und der Beschaffenheit der Speziessache den psychologischen Tatsachen.545 Denn Flume richtet sich ausdrücklich gegen eine künstliche Aufspaltung des rechtsgeschäftlichen Willensmomentes und der Beschaffenheitsvorstellung, wie es Zitelmann mit seiner Lehre vom Eigenschaftsirrtum546 als unbeachtlichen Motivirrtum postulierte.547 Vielmehr betont Flume, dass Gegenstand der geschuldeten Leistung gerade auch die Beschaffenheit sei; geschuldet (als „Sollen“) sei dementsprechend die Leistung der konkreten Sache (beim Spezieskauf) zu einer bestimmten Beschaffenheit.548 Ein bestimmtes „Sein“ werde und könne nicht versprochen werden.549 Beim Spezieskauf knüpfe der Geschäftswille nicht an die Sache an sich an, sondern an die konkrete Sache, wie sie sich vorgestellt wird.550 Ein Messingring, der als „goldener Ring“ verkauft werde, werde nicht als Objekt an sich verkauft, sondern als das vorgestellte Sein, nämlich als Goldring.551 Nach Flume bestehe mithin beim Spezieskauf keine psychologische Dichotomie zwischen dem Willen, eine bestimmte Sache zu kaufen, und der Vorstellung, dass diese Sache eine bestimmte Beschaffenheit aufweist, sondern es handle sich psychologisch um einen einheitlichen Geschäftswillen. Flumes Ansicht überzeugt umso mehr, als sogar die Herstellung dieses vertragsgemäßen Zustands auch beim Spezieskauf vom geltenden Recht nun als eine Nachbesserungspflicht anerkannt ist (§ 439 BGB).552 Flume lehnte zwar eine solche Pflicht ab.553 Die Existenz der Nacherfüllungspflicht lässt sich jedoch nur dann erklären, wenn man schon im ursprünglichen Erfüllungsanspruch eine Primärpflicht zur mangelfreien Leistung auch beim Spezieskauf sieht.554

543

Brauer, Der Eigenschaftsirrtum, S. 31 f. Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf. 545 Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 31. 546 Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft. 547 Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 17 f. 548 Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 19. 549 Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 19. 550 Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 21. 551 Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 21. 552 Nach der alten Rechtslage vor der Schuldrechtsreform galt der § 480 a. F. BGB, nach welchem ein Nacherfüllungsanspruch nur für den Gattungskauf vorgesehen war. 553 Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 35. 554 Der Nacherfüllungsanspruch wird zwar nicht als mit dem ursprünglichen Leistungsanspruch identisch angesehen, er stellt jedoch einen „modifizierten Erfüllungsanspruch“ dar: dazu Lorenz, JuS 2014, 7. 544

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

Mithin ist das Beispiel der Beschaffenheitsvereinbarung beim Spezieskauf kein Beispiel für eine rechtsgeschäftliche lex privata imperfecta – es ist vielmehr eine lex privata perfecta mit Rechtsfolgenvereinbarung. Es kann nicht die Existenz rechtsfolgenneutraler rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen begründen. Im Allgemeinen ist auf dem Boden der herrschenden Geltungstheorie des Rechtsgeschäfts und des Verständnisses der Willenserklärung als Geltungserklärung die Existenz einer solchen rechtsfolgenfreien Vereinbarung zweifelhaft:555 Gegenstand einer Willenserklärung ist die Setzung einer Rechtsfolge, eines rechtlichen Sollens. Der Wille ist ausschließlich auf die Geltung bestimmter Rechtsfolgen gerichtet, also ein (Nicht-)Sollen oder (Nicht-)Dürfen.556 Die Vereinbarung einer „lex privata imperfecta“ durch rechtsgeschäftliche Willensäußerungen wäre jedoch die Vereinbarung eines Seins und nicht eines Sollens. Bei der Vereinbarung eines Zweckes wird sich über eine Tatsache geeinigt; der Zweck stellt weder ein (Nicht-) Müssen, noch ein (Nicht-)Sollen dar. Es ist schlicht eine gemeinsame Vorstellung einer bestimmten Wertungsgrundlage, nämlich die Funktion einer Zuwendung. Es handelt sich um die Einigung über eine gemeinsame Vorstellung bezüglich dieser Funktion; es handelt sich mehr um ein Sein als um ein Sollen oder Müssen. Diese Funktion wird nicht willkürlich gewählt, sondern ergibt sich aus der Übereinkunft der vorgeschäftlichen Vorstellungen der einzelnen Parteien vom Sinn einer Zuwendung. Auch wenn § 812 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB die Zweckverfehlung an den „Inhalt des Rechtsgeschäfts“ knüpft, bedeutet dies noch nicht, dass der Zweck auch rechtsgeschäftlich in dem Sinne vereinbart wird, dass sie durch Geltungserklärung rechtliche Beachtlichkeit erlangt. Vielmehr gehört zum Rechtsgeschäft auch der typische anschließende, tatsächliche oder geschäftsähnliche Begleittatbestand (Annex).557 So geht auch der Gesetzgeber in den Protokollen der 2. Kommission davon aus, dass im Rahmen der condictio ob causam datorum die Leistung und die Zweckvereinbarung nicht in separate Geschäfte zerlegt werden können: Die unüberwindliche Schwierigkeit liege darin, daß es sich um die Zerlegung eines in Wirklichkeit einheitlichen Geschäftes in zwei Theile handle, das Leistungsgeschäft und die Zweckbestimmung […].558

Es ist also auch in dieser Hinsicht zweifelhaft, den in § 812 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB vereinbarten Zweck als eine eigenständige Rechtsgrundabrede mit rechtsgeschäftlichem Charakter zu begreifen.

555

Zur sog. Geltungstheorie Flume, Rechtsgeschäftslehre, S. 57 ff. Auch Köhler lehnt es ab, einen Zweck als Vertragsinhalt anzuerkennen, der nicht Gegenstand oder Bezugspunkt einer vertraglichen Regelung ist, Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage, S. 138. 556 Vgl. Flume, Rechtsgeschäftslehre, S. 56. 557 Siehe unten, S. 114 ff. 558 Protokolle S. 2955 = Mudg. II, 1174.

A. Die Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation

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3. Rechtsnatur der Unentgeltlichkeitscausa Die Anwendung des Schenkungsrechts setzt gem. § 516 Abs. 1 BGB voraus, dass sich „beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt“. An dieser Stelle sind mehrere Punkte streitig: zum einen, was überhaupt Inhalt dieser Rechtsgrundabrede ist und zum anderen, welche Rechtsnatur die Abrede hat. a) Inhalt der Rechtsgrundabrede Umstritten ist, ob die Unentgeltlichkeit im Sinne des § 516 Abs. 1 BGB einer besonderen altruistischen „Freigebigkeit“ bedarf oder die bloße Abwesenheit einer vereinbarten Gegenleistung die Schenkung begründet.559 Diese Freigebigkeit entspräche genau der causa liberalitatis bzw. causa donandi als Geschäftszweck der Schenkung. Gegen ein solches Erfordernis wird hingegen eingewandt, dass die Existenz der Vorschriften über die Pflichtschenkung (§ 534 Alt. 1 BGB) gerade keine altruistische Freigebigkeit im Schenkungsrecht verlangen können, da eine Schenkung aus moralischer Pflicht eben nicht freigebig sei.560 Dagegen führt Fischer an, dass die Existenz dieser Vorschriften nicht notwendig macht, dass sittliche Pflichten mittels einer Schenkung erfüllt werden. Vielmehr liege eine Schenkung dann nur vor, wenn die sittliche Pflicht bloß einseitiges Motiv des Schenkenden war.561 Fischers Ansicht ist zuzustimmen und noch zu ergänzen, dass selbst eine zweiseitige Vorstellung von der sittlichen Pflicht nicht zwingend auch eine andere Causa als die Freigebigkeit impliziert: Die Causa muss ein rechtlich relevantes, vereinbartes Motiv sein. Dieses Motiv entbehrt der Relevanz als Causa, wenn es nicht als „erste Absicht“ der Zuwendung gewertet wird. Erste Absicht ist aber auch in solchen Fällen die Freigebigkeit, betrachtet man die sittliche Pflicht lediglich als eine solche, die zur Freigebigkeit verpflichtet. Auch ein sittlich gebotenes Verhalten kann freigebig sein. Mithin ist also zu fordern, dass die Rechtsgrundabrede auch die Freigebigkeit umfasst.562 Insbesondere erscheint es ebenfalls konstruiert, auch bei der typischen familienrechtlichen Causa güterrechtlicher Vereinbarungen die allgemeine Unentgeltlichkeitscausa anzunehmen, welche dann durch die spezielle familienrechtliche Causa verdrängt würde.563 Causa ist stets die erste rechtliche Absicht einer Vermögenszuwendung. Sie ist entweder schenkungsrechtlich oder familienrechtlich, nicht jedoch beides zugleich. 559

Zum Streitstand Held, Anfechtung, S. 370 ff.; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 80 ff.; Apelt, Güterstandswechsel, S. 64 ff. 560 RGZ 125, 380, 383; Schotten, NJW 1990, 2841; Apelt, Güterstandswechsel, S. 68 ff. 561 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 87. 562 So auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 83. Auch in MükoBGB/Koch, § 516 Rn. 24 wird eine „altruistische Motivation“ gefordert. 563 So Apelt, Güterstandswechsel, S. 70 f.; MükoBGB/Koch, § 516 Rn. 57.

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

Mithin ist Inhalt der Rechtsgrundabrede bei der Schenkung auch die Einigung über altruistische Motivation, eine Freigebigkeit (liberalitas). b) Rechtsnatur der Rechtsgrundabrede In der Einigung über die Unentgeltlichkeit wird vielfach eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung in Form eines Vertrages gesehen.564 Haymann dagegen behauptet, dass die Unentgeltlichkeitsabrede keine rechtsgeschäftlich-vertragliche Vereinbarung sein kann, sondern nur auf einem tatsächlichen Willen beruhen könne.565 Die Begründung findet er darin, dass die causa donandi (unentgeltliche Zuwendung) gar keine Rechtsfolge zum Gegenstand habe. Dieses Argument weist von Thur zurecht zurück, da auch das Unterbleiben einer Rechtsfolge eine Rechtsfolge ist.566 Allerdings ist zu bezweifeln, dass das Unterbleiben einer Rechtsfolge, nämlich das Fehlen einer Gegenleistungspflicht, gerade die Unentgeltlichkeitscausa ausmacht.567 Vielmehr ist zu fordern, dass der Unentgeltlichkeitszweck positiv von den Parteien vereinbart wird.568 Dass es sich bei dieser causa liberalitatis um eine wirtschaftliche Zweckvereinbarung handelt und nicht um eine rechtsgeschäftliche Geltungserklärung, zeigt sich insbesondere bei der gemischten Schenkung: Hier wird von der Rechtsprechung nicht etwa der Parteiwille der Rechtsgeltung einer etwaigen ScheinGegenleistung bzw. um einen Schenkungsbetrag reduzierten Gegenleistung anerkannt, sondern der tatsächlich-wirtschaftliche Unentgeltlichkeitszweck.569 Vorzugswürdig ist diese Ansicht weiterhin, weil sie die Kondiktionsfestigkeit von Gefälligkeiten erklären kann. Denn auch rein tatsächliche Zuwendungen, die ohne Rechtsbindungswillen gefälligkeitshalber unentgeltlich erbracht werden, bedürften eines Rechtsgrundes, damit sie nicht einem Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB unterliegen. Willoweit erklärt diese Kondiktionsfestigkeit dadurch, indem er auch in reinen Gefälligkeitsverhältnissen eine rechtsgeschäftliche Rechtsgrundabrede sehen will; das Kriterium des Rechtsbindungswillens sei aufzugeben.570 Insoweit sei auch die Gefälligkeit rechtsgeschäftlich, als in ihr ein Behaltensgrund für die aus der Gefälligkeit erwachsenden Vorteile vereinbart werde.571 Hingegen lässt sich diese Problematik dogmatisch auf dem Fuße des herkömmlichen Verständnisses des Rechtsgeschäftes (Rechtsfolgentheorie) lösen, indem man für jede Zuwendung, sei es einer solchen durch Rechtsgeschäft, sei es einer tatsächlichen Zuwendung, ein geschäftsähnliches Moment anerkennt, welches als Einigung über 564 565 566 567 568 569 570 571

BeckOK/Gehrlein, § 516 BGB Rn. 6; MükoBGB/Koch, § 516 Rn. 14. Haymann, JherJb 56, 86 (107 ff.). v. Thur, BGB AT, Bd. II/2, S. 84. So aber v. Thur, BGB AT, Bd. II/2, S. 84. Vgl. MükoBGB/Koch, § 516 Rn. 7. BGH NJW 2012, 605 Rn. 15; dazu weiteres siehe unten, S. 149 ff. Willoweit, Nicht rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, S. 47 ff. Willoweit, Nicht rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, S. 100 ff.

A. Die Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation

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die Causa den Rechtsgrund bestimmt.572 Willoweit will hingegen ausdrücklich dem Minderjährigen oder Geschäftsunfähigen die Fähigkeit absprechen, kondiktionsfest tatsächliche Zuwendungen als Gefälligkeiten zu erbringen.573 Dies ist zweifelhaft: Minderjährigenrecht bezweckt den Schutz nur vor rechtlichem, nicht tatsächlichem Handeln. Es kann hingegen für diese Arbeit offen bleiben, ob ein Minderjähriger diese geschäftsähnliche Einigung wirksam (oder besser für die geschäftsähnliche Einigung ausgedrückt: rechtlich beachtlich) erbringen kann oder nicht.574 Schließlich käme eine Anwendung der §§ 106 ff. BGB analog auch für eine geschäftsähnliche Handlung in Betracht – die Rechtsnatur beeinflusst die Antwort auf diese Frage in der Sache nicht zwingend. Durch eine Einordnung der Rechtsgrundabrede der Unentgeltlichkeit als geschäftsähnlich vermeidet man gerade den Schritt, Gefälligkeitsverhältnisse bereits als rechtsgeschäftlich zu betrachten, um deren Kondiktionsfestigkeit zu begründen. 4. Rechtsnatur der Causa im Allgemeinen Sowohl die Folgen des Synallagmas wie die Folgen der Zweckvereinbarung bei der condictio ob rem und die Unentgeltlichkeitscausa sind rechtsfolgenneutral; sie können daher nicht Vertragsinhalt sein: Denn zum Vertragsinhalt gehört nur, was Regelung ist.575 Unabhängig jedoch davon, ob man das Synallagma als Geschäftsgrundlage versteht oder unter ein eigenständiges Institut der Causa fasst, lässt sich ihre strukturelle Nähe zur Geschäftsgrundlage als ein rechtlich relevantes, beidseitiges Motiv nicht abstreiten. Für die genauere dogmatische Einordnung der Causa-Vereinbarung bietet sich – wie bereits angedeutet – daher eine Entsprechung zu dem Verständnis Schwarzes von der Geschäftsgrundlage an, nämlich als geschäftsähnliche Einigungen:576 Denn nicht nur das (mehrseitige) Rechtsgeschäft als solches wird durch eine Willenseinigung konstituiert, sondern auch die subjektive Geschäftsgrundlage als „zweite Ebene der Willenseinigung“.577 Der Grund für die rechtlichen Folgen einer Störung der Geschäftsgrundlage sei im Gesetz zu finden.578 572 Zur herrschenden Rechtsfolgentheorie gegenüber der „Grundfolgentheorie“ siehe schon oben, S. 94. 573 Willoweit, Nicht rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, S. 101. 574 Willoweit will ausdrücklich dem Minderjährigen oder Geschäftsunfähigen die Fähigkeit absprechen, kondiktionsfest tatsächliche Zuwendungen als Gefälligkeiten zu erbringen (S. 101). Allerdings ist der Minderjährige durch das Minderjährigenrecht nur vor rechtlichem, nicht tatsächlichem Handeln zu schützen. 575 Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage, S. 138. 576 Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 243 ff. 577 Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 245. 578 Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 243.

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

Jedoch knüpfe diese an ein gemeinsames Willensmoment der Parteien, an eine gemeinsame Wertungsgrundlage an, welche selbst nicht auf bestimmte Rechtsfolgen gerichtet ist.579 Diese Einigung liege in einer bestimmten Vorstellung bezüglich der Realität. Die Situation, bei welcher die Rechtsordnung an bestimmte Mitteilungen Rechtsfolgen knüpft, aber nicht weil sie gewollt sind, sondern kraft Gesetzes, entspreche der Kategorie geschäftsähnliche Handlung.580 Sie entspreche damit der gleichen rechtlichen Kategorie wie zum Beispiel die Mahnung.581 Denn auch wenn die Einigung über diese gemeinsame Wertungsgrundlage Teil des schuldrechtlichen Rechtsgeschäftes ist, findet sie nicht zwangsläufig auch ihren Geltungsgrund in den Willenserklärungen. Ein Rechtsgeschäft ist nämlich definiert als „ein Tatbestand, der aus mindestens einer Willenserklärung sowie oft aus weiteren Elementen besteht und an den die Rechtsordnung den Eintritt des gewollten rechtlichen Erfolges knüpft“.582 „Weitere Elemente“ können dabei unter anderem Realakte sein, so wie die Übergabe bei § 929 S.1 BGB als Realakt Teil des Rechtsgeschäftes der Übereignung ist.583 Es trifft daher zu, dass bei jedem kausalen Schuldvertrag als „weiteres Element“ neben den beiden korrespondierenden Willenserklärungen die Rechtstatsache der Einigung über das Synallagma steht. Wie bei der Geschäftsgrundlage beruhen die Rechtsfolgen des Synallagmas eines Vertrages auf der gemeinsamen Vorstellung der Parteien über bestimmte tatsächliche Vorstellungen, und zwar vom wirtschaftlichen Zweck eines Vertrages; die Einigung über die Gegenseitigkeit ist damit lediglich Tatbestandmerkmal, das zu einer Rechtsfolge führt. Die Rechtsfolgen der Gegenseitigkeit sind einzig eine Folge rechtlich relevanten Verhaltens (nämlich das Einigsein über den Geschäftszweck des Austauschs zwischen den Hauptleistungspflichten). Sie ist damit wie die Einigung über die Geschäftsgrundlage nicht rechtsgeschäftlich, sondern rechtsgeschäftsähnlich. Brox/Walker definieren den Begriff der geschäftsähnlichen Handlung allgemein als: „Willensäußerungen oder Mitteilungen, an die das Gesetz Rechtsfolgen knüpft, ohne dass diese vom Äußernden gewollt sein müssen.“584 Das Gesetz knüpft an die Willensäußerungen über den Zweck, die Causa des Vertrages gesetzliche Rechtsfolgen, sodass seine Vereinbarung geschäftsähnlich ist. Jedoch ist diese Einigung Teil des Vertrages, man könnte sie insoweit als ein „weiteres Element“, als einen geschäftsähnlichen „Annex“ des jeweiligen Zuwendungsgeschäfts verstehen. Der Gegenstand dieser Einigung beim Synallagma ist der empirisch-wirtschaftliche Zweck des Austausches von Anspruch und Gegenanspruch sowie des tat579 580 581 582 583 584

Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 243. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 245. Vgl. unten, S. 124. Brox/Walker, BGB AT § 4 Rn. 28. Brox/Walker, BGB AT § 4 Rn. 26. Brox/Walker, BGB AT § 4 Rn. 27.

A. Die Causa als Anknüpfungspunkt der Simulation

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sächlichen Leistungsaustauschs.585 Dies entspricht der Ansicht Lochers, welcher als „unmittelbare Quelle“ (= Geltungsgrund) der Rechtsfolgen einer Nichtverwirklichung der Zweckbindung die Rechtsordnung sieht;586 die Zweckgebundenheit selbst beruhe… … auf dem realen, empirisch feststellbaren Parteiwillen, so daß die Rechtsfolgen der Zweckvereinbarung mittelbar allerdings Folgen eines zur psychologischen Realität gewordenen, aber nicht eines auf diese Rechtsfolgen gerichteten Parteiwillens sind.587

Ist dies anhand des typischen Austauschzwecks (causa acquirendi), welcher das Synallagma begründet, sowie der condictio ob rem nun nachgewiesen, so lässt dies sich ohne Mühe auch auf den Causa-Begriff im Allgemeinen übertragen. Ein Schenkungsversprechen beispielsweise, das einen Liberalitäts- und keinen Austauschzweck verfolgt, hat die Folgen der Unentgeltlichkeit aufgrund der gemeinsamen Wertungsvorstellung der Parteien; die Rechtsfolge ist, dass dieses Schenkungsversprechen nicht wegen des Nichterreichens eines bestimmten Zwecks kondiziert werden kann. Diese Rechtsfolge tritt kraft Gesetzes (nicht) ein, da der Zweck der Zuwendung des Anspruchs in der bloßen Bereicherung des Beschenkten liegt. Anders als bei der Bedingung vereinbaren die Parteien selbst mit der Causa mithin keine Rechtsfolgen; die Rechtsfolgen der Verfehlung der Causa treten kraft Gesetzes ein.588 Die Einigung über Causae gleich welcher Art haben den Charakter geschäftsähnlicher Einigungen. Dies deckt sich im Übrigen mit der Rechtsnatur der Tilgungsbestimmung bei der Erfüllung, welche nach der Rechtsprechung geschäftsähnlich ist.589 Die Tilgungsbestimmung ist ebenfalls nichts anderes als die Bestimmung einer Causa, nämlich der causa solvendi, und somit eine mögliche Causa eines Verfügungsgeschäfts.590 5. Zusammenfassung Zusammengefasst ist bezüglich des Gegenstandes der Causa festzustellen, dass sie nicht in einem beliebig festgelegten, in Geltung gesetzten Parteizweck liegt. Vielmehr ist die Causa der tatsächlich mit einer Zuwendung verfolgte Zweck. Insbesondere im Synallagma liegt die Causa der einzelnen Zuwendung nicht im Erlangen des Gegenleistungsanspruchs, sondern in der tatsächlichen Erlangung der 585 Die Causa des gegenseitigen Vertrages ist nicht nur der Gegenleistungsanspruch, sondern die Erlangung der Gegenleistung selbst, siehe oben, S. 98 ff. 586 Locher, AcP 121 (1923), 1 (31 f.). 587 Locher, AcP 121 (1923), 1 (3 ff.). 588 Vgl. Westermann, Causa, S. 106. 589 BGH NJW 1989, 1792; OLG Hamm NJW-RR 1989, 700 f.; BeckOGK/Looschelders, § 362 BGB Rn. 42.1 m. w. N. 590 Dazu Westermann, Causa, S. 201 f.

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

Gegenleistung. Nur so kann das funktionelle Synallagma, also die nach Vertragsschluss wirkende rechtshemmende Verschränkung von Anspruch und Gegenanspruch insbesondere nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB erklärt werden. Bezüglich der Rechtsnatur und des Geltungsgrundes der Causa ist Folgendes festzuhalten: Die Rechtsfolgen des Synallagmas, der condictio ob causam (bzw. ob rem) und der Unentgeltlichkeit beruhen auf dem Gesetz und nicht auf dem Parteiwillen. Geltungsgrund dieser Rechtsfolgen ist daher ausschließlich das diese anordnende Gesetz. Dennoch beruhen diese Rechtsfolgen auf einer Anerkennung eines tatsächlichen Willensaktes der Parteien, welcher als „zweite Ebene der Willenseinigung“591 der Geschäftsgrundlage nahe steht. Aus diesem Grund ist die Rechtsnatur der Causa-Vereinbarung als geschäftsähnliche Einigung zu qualifizieren: Sie stellt eine gemeinsame Vorstellung über den wirtschaftlichen Zweck der vertraglichen Zuwendung dar. Denn mangels Rechtsfolgenbestimmung durch die Parteien fehlt es gerade an dem Wesensmerkmal der Willenserklärung einer Geltungserklärung. Die Causa einer Zuwendung ist damit geschäftsähnlicher Annex der Zuwendung. Zur Veranschaulichung dieser Struktur des kausalen Rechtsgeschäfts kann folgende grafische Darstellung dienen:

Bei der bloß kausalen Verknüpfung (linker Teil) wird der Geschäftszweck nicht in den eigentlichen rechtsgeschäftlichen Rechtsfolgewillen (Geltungswillen) mit aufgenommen. Er verbleibt eine gemeinsame Wertungsgrundlage, welche der Geschäftsgrundlage nahesteht, mit ihr jedoch aufgrund ihrer besonderen, hervorstechenden Bedeutung nicht identisch ist. Erst durch die Aufnahme des Geschäfts591 So bezeichnet Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 236, die subjektive Geschäftsgrundlage.

B. Die Anwendbarkeit des § 117 BGB auf die Causa-Vereinbarung

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zwecks in den Geschäftswillen durch Vereinbarung einer Bedingung (rechter Teil) wird der Geschäftszweck insoweit Inhalt des eigentlichen Geschäftswillens, als dass die Wirkung des vereinbarten geschäftlichen Willens von der Zweckerreichung abhängig gemacht wird.

B. Die Anwendbarkeit des § 117 BGB auf die rechtsgeschäftsähnliche Causa-Vereinbarung Ist diese Rechtsnatur der Einigung über den Geschäftszweck als geschäftsähnlich festgestellt, so lässt sich die Anwendbarkeit des § 117 Abs. 1 BGB nicht mehr alleinig mit dem Argument ablehnen, bei lediglich zum Schein vorgeschobenem Geschäftszweck läge kein Scheingeschäft vor, da der rechtlich relevante Teil, die erklärten Rechtsfolgen, schließlich gewollt sei. Denn der rechtlich relevante Teil einer geschäftsähnlichen Handlung kann nur die Äußerung als solche sein, nicht jedoch der erklärte Rechtsfolgewillen, da gerade dieser bei der geschäftsähnlichen Handlung nicht relevant ist. Die Rechtsfolge tritt aufgrund der einverständlichen Äußerung der Parteien eines tatsächlichen wirtschaftlichen Zweckes als vertragliche Wertungsgrundlage ein und nicht wegen eines finalen Rechtsfolgewillens. Es stellt sich jedoch die Frage, ob nicht schon dem Wortlaut nach eine Anwendbarkeit des § 117 auf die geschäftsähnliche Causa-Vereinbarung ausgeschlossen ist.

I. Direkte Anwendbarkeit des Abs. 1 Die direkte Anwendbarkeit des § 117 Abs. 1 BGB ist schon deshalb ausgeschlossen, da die Vorschrift dem Wortlaut nach eine Willenserklärung voraussetzt und sich auf diese bezieht. Die Einigung über die Causa ist jedoch nicht rechtsgeschäftlich, sondern rechtsgeschäftsähnlich, sodass sie von ihrem Geltungsgrund nicht auf die Willenserklärungen der Parteien zurückzuführen ist. In Betracht kommt daher lediglich eine analoge Anwendung.

II. Direkte Anwendbarkeit des Abs. 2 Während § 117 Abs. 1 BGB an die Willenserklärung anknüpft und deren Nichtigkeit anordnet, knüpft § 117 Abs. 2 BGB an das „Scheingeschäft“ und damit an das simulierte Rechtsgeschäft an. Der Wortlaut ist insoweit offener für eine Einbeziehung von Causa-Vereinbarungen in den Anwendungsbereich, kann man doch – wie im gemeinen und französischen Recht592 – die simulierte Causa als einen Fall des Scheingeschäftes interpretieren. Allerdings ist in systematischer Hinsicht der Abs. 2 592

Siehe oben, Teil 1.

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als Ergänzung zu Abs. 1 zu interpretieren: Während Abs. 1 die Nichtgeltung der simulierten Willenserklärung vorschreibt (und damit des darauf aufbauenden Rechtsgeschäfts), statuiert Abs. 2 die Geltung des wirklich intendierten Geschäfts (und damit des wirklichen Willens). Der Grund, warum der § 117 Abs. 2 BGB nicht an die Willenserklärung anknüpft, sondern an das Rechtsgeschäft („Scheingeschäft“), ist darin zu sehen, dass gerade der Erklärungstatbestand nicht mehr maßgeblich ist, sondern der wirkliche Wille, der gerade keinen Ausdruck in der Erklärung gefunden hat. Die systematische Nähe des Abs. 2 zu Abs. 1 legt nahe, dass „Scheingeschäft“ ein Geschäft ist, welches aus gem. Abs. 1 simulierten Erklärungen besteht. § 117 Abs. 2 BGB knüpft also tatbestandlich notwendigerweise an den Fall des Abs. 1 an.593 Weder Abs. 1 noch Abs. 2 des § 117 BGB sind daher auf die simulierte Causa direkt anwendbar.

C. Analoge Anwendung des § 117 BGB auf die Causa Im Schrifttum wird prinzipiell die analoge Anwendbarkeit der §§ 116 – 124 BGB auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen im Allgemeinen bejaht.594 Die konkrete Anwendbarkeit des § 117 Abs. 2 BGB auf derartige Tatbestände wird hingegen kaum diskutiert.595 Aus der Rechtsprechung lässt sich ein Fall anführen596, in welchem der BGH die Anwendung des § 117 BGB bei einer Strohmannkonstellation auf die geschäftsähnliche Handlung der Gewerbeanmeldung durch den Strohmann ablehnte mit der Begründung, dass der mit der Gewerbeanmeldung verfolgte Zweck sonst nicht erreicht werden könnte und damit ernstlich war. Zweck der Gewerbeanmeldung war, die rechtliche Erlaubnis zur Nutzung eines gewerblichen Leasingwagens durch die Anmeldung zu ermöglichen. Mit dieser Argumentation unterläuft dem BGH jedoch ein schwerwiegender Begründungsfehler: Geltungsgrund der Rechtsfolgen der geschäftsähnlichen Handlung ist gerade nicht der Geltungswille der Parteien; dieser ist keine konstitutive Voraussetzung für das Eintreten der Wirkungen der geschäftsähnlichen Handlung. Vielmehr muss auf die Ernstlichkeit des Willens zum beabsichtigten tatsächlichen

593 Generell ist bezüglich der begrifflichen Unterscheidung von „Willenserklärung“ und „Rechtsgeschäft“ anzumerken, dass ihr nicht allzu viel Bedeutung beizumessen ist. Siehe dazu das Zitat in Fn. 245. 594 Zur Übersicht Ulrici, NJW 2003, 2053; MükoBGB/Armbrüster, Vor § 116 BGB, Rn. 17 f.; Ennecerus/Nipperdey, BGB AT/II, § 207 II 4. 595 Nur BeckOGK/Rehberg, 01. 10. 2018, § 117 Rn. 7. Ennecerus/Nipperdey, BGB AT/II, § 207 II 4 geht von der Nichtigkeit der simulierten Mahnung aus. 596 BGH NJW 2002, 2030 (2031).

C. Analoge Anwendung des § 117 BGB auf die Causa

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Erfolg abgestellt werden und nicht auf die Ernstlichkeit des Willens zum Rechtserfolg – denn auf diesen kommt es nicht zwingend an.597 Es ist daher zu prüfen, ob der § 117 BGB auf die rechtsgeschäftsähnliche Handlung der Causa-Vereinbarung angewandt werden kann. Eine Analogie zu einer Norm setzt das Bestehen einer Regelungslücke voraus sowie eine Vergleichbarkeit der Interessenlage zwischen geregeltem und nicht geregelten Fall.598

I. Regelungslücke Eine Regelungslücke ist eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, gemessen an der Gesamtrechtsordnung.599 Anders als über die Willenserklärung finden sich bezüglich geschäftsähnlicher Handlungen, bzw. Vorstellungs- und Willensmitteilungen600, keine allgemeinen Regelungen im BGB. Ausdrücklich hat der Gesetzgeber die Frage der Anwendbarkeit der Vorschriften über Willenserklärungen auf „Rechtshandlungen“, also Handlungen die eine Rechtsfolge herbeiführen, aber nicht, weil sie gewollt sind, der Wissenschaft überlassen.601 Es ist zu untersuchen, ob eine Unvollständigkeit auch im Zusammenhang von artifiziellen Vertragsgestaltungen besteht, ob also nicht eine bestehende gesetzliche Regelung bereits die Konstellation regelt. Die mittels artifizieller Vertragsgestaltungen gelöste Problematik ist regelmäßig die einer Gesetzesumgehung, wobei die herrschende Meinung diesen Problemkreis mittels Auslegung und Analogie löst.602 Nach der hier vertretenen Ansicht ist schon auf der Ebene der Qualifizierung die Problematik mittels einer analogen Anwendung des § 117 BGB zu lösen. Möglicherweise besteht jedoch schon keine Gesetzeslücke, wenn der Bereich artifizieller Vertragsgestaltungen schon durch eine Anwendung von § 134 BGB i. V. m. dem Verbotsgesetz selbst geregelt wird. Es geht also um die genaue Verortung der Gesetzeslücke: Kurz gesagt – liegt die Lücke bei der Vertragsqualifikation und ist mittels § 117 BGB zu schließen oder liegt sie beim Ver-

597 Freilich ist auch denkbar, dass die Parteien vereinbaren, dass die Rechtsfolgen der geschäftsähnlichen Handlung nicht eintreten sollen. Dieser Fall wäre der nur zum Schein abgegebenen Willenserklärung nahe. Die Parteien bräuchten dann jedoch im Einzelfall die Befugnis, die Wirkungen der geschäftsähnlichen Handlung abzubedingen. 598 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 889. 599 Canaris, Lücken, S. 39. 600 MükoBGB/Armbrüster, Vor § 116 BGB, Rn. 16. 601 Mot. I, 127 (Mugdan I, 421): „Es erscheint angemessener, diejenigen dieser Vorschriften, deren Anwendung im Einzelfalle von besonderem Belange ist, ausdrücklich für anwendbar zu erklären bz. Vorschriften aufzunehmen, welche inhaltlich mit den betr. Normen übereinstimmen, und bezüglich der Anwendbarkeit der übrigen Normen die Entscheidung der Wissenschaft anheimzustellen […]“. 602 Siehe oben, S. 47 ff.

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

botsgesetz? Hierfür ist eine systematische Einordnung der Problematik artifizieller Vertragsgestaltungen erforderlich. Schurig behauptet, zwischen Simulation und Gesetzesumgehung bestünde der wesensmäßige Unterschied, dass es bei jenem um die „richtige Sachverhaltsaufklärung“ ginge, bei diesem um eine reine Rechtsfrage handle.603 Anders ausgedrückt lässt sich eventuell systematisch gegen das hier geäußerte Verständnis des § 117 BGB einwenden, dass bei Situationen von Gesetzesumgehungen bloß eine Bewertung der Rechtsfolgen im Kontext des umgangenen Gesetzes notwendig sind, was die herrschende Meinung durch analoge Anwendung des Verbotsgesetzes löst; bei Simulationen geht es jedoch schon um den Tatbestand der Willensbildung. Systematisch vorrangig wäre dann eine Regelung des Problems mittels § 134 BGB i. V. m. dem jeweiligen Verbotsgesetz, dessen Umgehung angestrebt wird. Ein derartiger Einwand hat sich bei historischer und rechtsdogmatischer Betrachtung als nicht haltbar herausgestellt. Gegenstand des „Normalfalls“ des Scheingeschäfts ist das bewusste, einverständliche Erklären nicht gewollter Rechtsfolgen. Der Sachverhalt, welcher verdeckt ist und einer Sachverhaltsaufklärung bedarf, muss hier aufgeklärt werden. Das gleiche geschieht jedoch bei der analogen Anwendung des § 117 Abs. 1 BGB auf die simulierte Causa. Hier wird ein bestimmter Geschäftszweck nach außen getragen (regelmäßig ein gekünstelter Leistungsaustausch); die Tatsache des abweichenden Geschäftszwecks wird erst durch weitere Sachverhaltsaufklärung herauszufinden sein. Es handelt sich also um eine spezifische Umgehungssituation, die keine reine Rechtsfrage darstellt, sondern sehr wohl auch eine Tatsachenfrage wie der Normalfall des Scheingeschäfts. Es handelt sich um eine Frage einer nicht-rechtsgeschäftlichen Willensbildung, nämlich in Bezug auf das Rechtsgeschäft, was systematisch vorziehbar bei § 117 BGB und nicht bei § 134 BGB und der Analogie des Verbotsgesetzes zu verorten ist. Ferner spricht auch ein weiteres systematisches Argument für eine Verortung der Problematik im § 117 BGB (analog), und nicht bei § 134 BGB: Es geht um einen Willensmangel bei einem der Geschäftsgrundlage verwandten Tatbestand, der Causa-Bestimmung, die eine geschäftsähnliche Einigung darstellt. Diese geschäftsähnliche Einigung weist einen Mangel der Ernstlichkeit auf, wenn der erklärte Geschäftszweck dem wirklich verfolgten nicht entspricht und sich darüber beide Seiten einig sind. Der Anknüpfungspunkt ist hier die Ernstlichkeit jedes einzelnen Teilelements – des „Quasi-Antrags“ und der „Quasi-Annahme“ im Rahmen der geschäftsähnlichen Einigung über die Causa. Dies legt die Analogie zu § 117 BGB nahe, welcher tatbestandlich in ähnlicher Weise an die Ernstlichkeit der einzelnen Bestandteile der Teil-Willenserklärungen anknüpft. Ferner liegt ein erheblicher Vorteil einer Lösung mittels der Lehre vom Scheingeschäft darin, dass im Gegensatz zur klassischen Umgehungslehre das Problem mit nur einer Rechtsregel zu lösen ist: mit der Analogie zu § 117 BGB. Dagegen muss 603

Schurig, Die Gesetzesumgehung, S. 404 f.

C. Analoge Anwendung des § 117 BGB auf die Causa

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sich die herkömmliche Theorie der Gesetzesumgehungen entgegenhalten lassen, dass die Menge an zu begründenden Rechtsregeln so mächtig ist wie die Menge an Verbotsnormen selbst. Die Lösung über die Lehre vom Scheingeschäft hat hingegen den Vorteil, universell anwendbar zu sein. Schließlich hat die analoge Anwendung des § 117 BGB den Vorteil, dass sie mehr Rechtssicherheit schafft: Die Wertung, dass nicht die erklärte Causa, sondern die tatsächlich bestehende für die Qualifikation maßgeblich ist, führt zu vorhersehbareren Ergebnissen als die Regel, für jeden Einzelfall die Wertung vorzunehmen, ob eine Umgehung zur analogen Anwendung des Verbotsgesetzes führen soll. Die Wertung im Einzelfall kann durch die Qualifikation vorgenommen werden.604 Dies sieht auch Fuchs, wenn er betont, dass, wenn die Parteien „mit ihren Rechtsgeschäftsformen machen, was sie wollen“, ihnen die „Freiheit des Falschkonstruierens, des Mißbrauchs“ zugestanden ist und als Korrektiv durch die herrschende fraus legisDoktrin die „freie Rechtsfindung des Beurteilers“ steht, und damit „eine Willkür durch eine andere Willkür gut gemacht wird“.605 Das Regelungsgefüge ist unvollständig, mithin besteht in Bezug auf geschäftsähnliche Handlungen selbst eine Regelungslücke.

II. Vergleichbarkeit der Interessenlage 1. § 117 BGB und dessen willenstheoretisches Fundament § 117 BGB wird als Ausdruck der Privatautonomie gesehen.606 Privatautonomie definiert Flume allgemein als „Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen“.607 Wenn Flume mit seinem willenstheoretischen Verständnis hierbei auf den Willen abstellt, steht er damit der sog. Erklärungstheorie entgegen: Nach dieser Sichtweise liegt der Geltungsgrund einer Willenserklärung in der Erklärung selbst und nicht im (inneren) Tatbestand des rechtsgeschäftlichen Willens.608 Aus Sicht der Willenstheorie, die das Primat des Willens gegenüber der Erklärung behauptet, kann dann bei bewusster Abweichung des Willens nur der Wille, auch wenn dieser nicht erklärt wurde, ausschlaggebend sein. Aufgrund der theoretischen Möglichkeit, Privatautonomie auch über die Erklärungstheorie zu begründen, bezweifelt Rehberg, dass die Entscheidung des § 117 BGB für den Vorrang des wirklichen Willens gegenüber dem Erklärten mit der Privatautonomie zu begründen sei. Vielmehr manifestierte sich in § 117 BGB der 604

Dazu nun im Folgenden. Fuchs, Umgehung des Gesetzes, S. 46. 606 MükoBGB/Armbrüster, § 117 BGB, Rn. 1; Staudinger/Singer, § 117, Rn. 1 m. w. N. 607 Flume, Rechtsgeschäft, S. 1. 608 Eine Zusammenfassung der Erklärungstheorien des Rechtsgeschäfts findet sich bei BeckOGK/Rehberg, § 116 BGB Rn. 172 ff. 605

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

willenstheoretische Grundsatz des BGB.609 Ein erklärungstheoretischer Ansatz könne hingegen die Nichtigkeit von Scheingeschäften nach § 117 Abs. 1 BGB insbesondere gegenüber Dritten nicht erklären, da die Parteien ja eine zurechenbare Schein-Erklärung in die Welt gesetzt haben.610 Flume weist zwar darauf hin, dass die Verfasser des BGB ausdrücklich eine einzelfallbezogene Kompromisslösung zwischen Willens- und Erklärungstheorie abfassen wollten.611 Jedenfalls im Rahmen des § 117 BGB besteht eine dezidiert willenstheoretisch gefasste gesetzliche Regelung, wird doch ausdrücklich der Vorrang des Willens vor der Erklärung statuiert. Auch die durch § 117 BGB einhergehende Konkretisierung des Prinzips der Privatautonomie ist somit im Falle einer einverständlichen Schein-Erklärung willenstheoretisch geprägt. Wenn im Folgenden also der Begriff Privatautonomie verwendet wird, ist damit im Kontext des §117 BGB deren willenstheoretische Ausprägung gemeint; es ist die Anerkennung des wirklichen Rechtsfolgewillens der Parteien, der Vorrang hat gegenüber dem erklärten Rechtsfolgewillen. Dies muss bei den folgenden Bewertungen berücksichtigt werden. Es besteht nur eine vergleichbare Interessenlage, wenn eine analoge Anwendung des § 117 BGB auf geschäftsähnliche Handlungen im Allgemeinen, sowie auf die Causa im Besonderen Ausdruck dieses Vorrangs des wirklichen Willens gegenüber dem erklärten Willen ist. 2. Anwendbarkeit auf geschäftsähnliche Handlungen im Allgemeinen Bei geschäftsähnlichen Vorstellungs- und Willensmitteilungen ist zunächst festzustellen, dass sich ihre rechtliche Wirkung nicht mit dem herkömmlichen Verständnis vom Begriff der Privatautonomie fassen lässt. Ihre Wirkungen treten nicht aufgrund von rechtlicher Selbstbestimmung durch finale Geltungserklärung ein, sondern kraft Gesetzes. Der mit derartigen geschäftsähnlichen Äußerungen verknüpfte Zweck ist anders als bei der Willenserklärung kein rechtlicher Erfolg612, sondern ein tatsächlicher.613 Bei einer geschäftsähnlichen Handlung sind nun zwei Fallgruppen der Simulation denkbar: der einverständliche Vorbehalt des rechtlichen Erfolges der Willensäußerung sowie der einverständliche Vorbehalt des tatsächlichen Erfolges.

609

BeckOGK/Rehberg, § 117 BGB, Rn. 4.5. BeckOGK/Rehberg, § 117 BGB, Rn. 4.3 f. 611 Flume, Rechtsgeschäft, § 4 7 (S. 56). 612 Davon geht jedoch die allgemeine Vorstellung der Rechtsfolgentheorie im Gegensatz zur Grundfolgentheorie aus, siehe oben, S. 96 f. 613 Vgl. v. Thur, BGB AT, Bd II/2, § 48 (S. 106 f.); Ulrici, NJW 2003, 2053. 610

C. Analoge Anwendung des § 117 BGB auf die Causa

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a) Vorbehalt des rechtlichen Erfolgs Denkbar ist, dass die Parteien bei der geschäftsähnlichen Handlung einverständlich vereinbaren, dass die geschäftsähnliche Handlung keine Wirkung entfalten soll. Der Scheincharakter dieser Handlung entspräche insoweit der Simulation der Willenserklärung, bei welcher einverständlich die Nichtgeltung der Willenserklärung bedungen wird. Spricht der Gläubiger dem Schuldner eine Mahnung „zum Spaß“ mit dessen Einverständnis aus, um einen Dritten „hereinzulegen“, sie sich aber darüber einig sind, dass die Mahnung keine Rechtsfolgen herbeiführen soll, besteht scheinbar kein Zweifel, dass eine Analogie gerechtfertigt ist. Schließlich handelt es sich bei der Scheinabrede selbst um eine rechtsgeschäftliche Regelung der Nichtgeltung der Mahnung, um einen contractus de simulando614. Allerdings existiert der Wesensunterschied, dass die Rechtsfolgen bei der geschäftsähnlichen Handlung gerade nicht eintreten, weil sie gewollt sind, sondern kraft Gesetzes eintreten. Insoweit kann für die Unwirksamkeit wegen Simulation auch nicht maßgeblich sein, dass der rechtliche Erfolg nicht gewollt ist. Man muss vielmehr differenzieren: Selbstverständlich steht es den Parteien frei, dispositives Gesetzesrecht abzubedingen, das Rechtsfolgen an bestimmte geschäftsähnliche Handlungen anknüpft. Allerdings hat diese Dispositionsbefugnis Grenzen im zwingenden Recht. Rechtsfolgen des zwingenden Rechts könnten die Parteien auch dann nicht durch eine Nichtgeltungsvereinbarung unterbinden, wenn sie sich die Geltung der geschäftsähnlichen Handlung vorbehalten. Daher ist der rechtliche Geltungsvorbehalt kein Fall der Simulation bei geschäftsähnlichen Handlungen, da es keinen allgemeinen Rechtssatz gibt, der die Nichtigkeit der geschäftsähnlichen Handlung anordnet, wenn die Nichtgeltung vereinbart wurde. b) Vorbehalt des tatsächlichen Erfolgs Anders sieht es jedoch aus, wenn die Parteien sich in der Konstellation um die Rechtswirkung keinerlei Gedanken machen, sondern sich die Scheinabrede auf den mit dem Akt verknüpften tatsächlichen Erfolg bezieht. So ist folgender Fall denkbar: Der Gläubiger einer existenten Forderung mahnt den Schuldner. Denn ein Dritter hatte in Aussicht gestellt, ohne sich bereits rechtlich zu binden, im Falle der Nichtzahlung durch den Schuldner „möglicherweise“ selbst einzuspringen. Hierüber wollten Gläubiger und Schuldner durch die Scheinmahnung den Dritten täuschen. Sie verabreden dabei jedoch nicht die rechtliche Nichtgeltung der Mahnung (denn über die Rechtsfolgen müssen sie sich nicht einmal Gedanken machen!), sondern lediglich die fehlende Ernstlichkeit des Zahlungsverlangens selbst; der tatsächliche Zweck der geschäftsähnlichen Handlung, den Schuldner zur Zahlung zu bewegen, wäre in einem solchen Falle simuliert.

614 Zu diesem Kallimopoulos, Simulation, S. 43 f.: das Einverständnis der Nichtgeltung der Willenserklärung kann auf die Vereinbarung der Parteien hierüber zurückgeführt werden.

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

Mit dem Topos der Privatautonomie kommt man an dieser Stelle nicht weiter; denn diese ist „Anerkennung der ,Selbstherrlichkeit‘ des einzelnen in der schöpferischen Gestaltung der Rechtsverhältnisse“.615 Das Wesen des Rechtsgeschäfts liegt in der rechtlichen Anerkennung des finalen Rechtsfolgenwillens. Die Rechtswirkung der Mahnung ist jedoch gerade keine Anerkennung schöpferischer Gestaltung der Rechtsverhältnisse, sie beruht nicht auf dem finalen Rechtsfolgewillen, sondern ist eine Rechtswirkung qua Gesetzes. Interessensmäßiger Anknüpfungspunkt der Analogie kann mithin zwar nicht die rechtsgeschäftliche Privatautonomie sein. Jedoch kann die Gemeinsamkeit von Rechtsgeschäft und nicht-rechtsgeschäftlicher Willensbekundung für die Zwecke der Analogie ergiebig gemacht werden: Die Rechtsfolgen knüpfen in beiden Fällen an eine Willensäußerung an, im ersteren Fall an einen auf einen rechtlichen Erfolg gerichteten, im zweiten Fall an einen auf einen tatsächlichen Erfolg gerichteten Willen – bei der Mahnung also regelmäßig das Faktum des Zahlens durch den Schuldner. Den Gedanken von § 117 BGB kann man über die rechtsgeschäftliche Privatautonomie hinaus auf geschäftsähnliche Handlungen als rechtlich relevantes Verhalten übertragen, indem man ihm die Funktion zuspricht, dem wirklichen Willen der Parteien Rechnung zu tragen.616 Knüpft die Mahnung als Rechtsgeschäft an den durch Aufforderung erklärten Willen des Gläubigers an, den Schuldner zur Zahlung zu bewegen, so ist es interessengerecht, bei einem lediglich simulierten Mahnakt die Rechtsfolgen analog § 117 Abs. 1 BGB entfallen zu lassen, um dem tatsächlichen Willen der Handelnden Rechnung zu tragen. Freilich ist unter diesem Gesichtspunkt, wenn man auf das voluntative Element einer geschäftsähnlichen Handlung abstellt, eine Analogie nur dann gerechtfertigt, wenn es sich nicht um reine Wissenserklärungen handelt, wie zum Beispiel die Abtretungsanzeige. Es ist ferner denkbar, bereits das Vorliegen des Tatbestands einer Mahnung wegen der fehlenden Ernstlichkeit abzulehnen, sodass eine Anwendung des § 117 Abs. 1 BGB überflüssig wäre. Dies ließe sich jedoch genauso gut auch mit der Willenserklärung selbst begründen: denn mangels fehlenden Rechtsbindungswillens liegt in jedem Fall des § 117 Abs. 1 eigentlich schon tatbestandlich keine Willenserklärung vor.617 Ein solcher Einwand kann mithin nicht überzeugen. Eine analoge Anwendung von rechtsgeschäftsähnlichen Willensmitteilungen ist folglich geboten, wenn die Parteien den Schein eines tatsächlichen Willens nach außen tragen. 3. Anwendung auf Causa-Vereinbarungen im Besonderen: ein Problem der Privatautonomie Die Einigung der Parteien bezüglich der Causa eines Schuldvertrages ist, wie oben genauer erörtert wird, geschäftsähnlich, da ihre Rechtsfolgen kraft Gesetzes 615 616 617

Flume, Rechtsgeschäft, § 1 5 (S. 6). So beispielsweise BeckOK-BGB/Wendtland, § 117 Rn. 1. Staudinger/Singer, § 117 Rn. 1 m. w. N.

C. Analoge Anwendung des § 117 BGB auf die Causa

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eintreten. Prinzipiell gilt, dass auf die nur zum Schein abgegebene geschäftsähnliche Handlung der § 117 BGB analog anzuwenden ist. Würde man jedoch den § 117 Abs. 1 BGB auf diese geschäftsähnliche Einigung anwenden, so käme es zu dem bemerkenswerten Effekt, dass die Privatautonomie möglicherweise hierdurch beschränkt wird: Wenn Parteien die Rechtsfolgen eines Kaufvertrages herbeiführen wollten, obwohl sie wirtschaftlich ein Darlehen intendierten, so wäre ihnen dies nicht möglich. Stattdessen wäre analog § 117 Abs. 2 BGB auf den wirklich intendierten Geschäftszweck zu verweisen. Sinn und Zweck des § 117 BGB ist jedoch gerade, dem Gedanken der Privatautonomie Ausdruck zu verleihen.618 Läge in der Anwendung des § 117 Abs. 1 BGB gerade eine unzulässige Beschränkung des Prinzips der Privatautonomie, so wäre dies nicht mit dem Grundgedanken der Vorschrift vereinbar und mangels einer vergleichbaren Interessenlage eine analoge Anwendung nicht geboten. Es bedarf daher einer genaueren Absteckung der Reichweite dieses Prinzips. Es stellt sich insbesondere also die zentrale Frage: Umfasst die Privatautonomie auch die Kompetenz der Parteien, eine beliebige Causa gelten zu lassen, obwohl sie in Wirklichkeit einen nicht mit dieser Causa kompatiblen Geschäftszweck verfolgen? Diese Frage stellt sich auch trotz der Einsicht, dass die Causa ihren Geltungsgrund nicht im Rechtsfolgewillen hat und damit geschäftsähnlich ist – denn trotzdem könnte neben der geschäftsähnlichen Causa eine privatautonome Vereinbarung stehen, welche die Geltung einer anderen Causa fingiert. a) Lehre von der Privatautonomie und Natur der Causabestimmung Privatautonomie definiert Flume allgemein als „Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen“.619 Bei den Rechtsfolgen in der Rechtsordnung sei zu unterscheiden zwischen „Rechtsfolgen kraft privatautonomer Gestaltung“ und „gesetzlichen Rechtsfolgen“.620 Das Mittel, Rechtsfolgen kraft privatautonomer Gestaltung herbeizuführen, ist das Rechtsgeschäft, da in ihm die gewollten Rechtsfolgen verwirklicht werden, der privatautonome Wille anerkannt wird.621 Hingegen bei gesetzlichen Rechtsfolgen tritt die Rechtsfolge aus anderen Gründen ein als aus der Anerkennung des Rechtsfolgewillens, nämlich auf Grund gesetzlicher Entscheidung über die Rechtsfolgen in rechtlicher Wertung von Verhältnissen und Vorgängen. Schließlich ordnet Flume die gesetzlichen Rechtsfolgen des dispositiven Vertragsrechts als „gesetzliche Rechtsfolgen auf Grund privatautonomer Gestaltung“ ein.622 Diese würden gerade im Hinblick auf die privatautonome Vereinbarung gewährt. 618 619 620 621 622

Und zwar, wie gesagt, aus willenstheoretischer Sicht. Siehe oben, S. 123. Flume, Rechtsgeschäft, S. 1. Flume, Rechtsgeschäft, S. 3. Flume, Rechtsgeschäft, S. 23. Flume, Rechtsgeschäft, S. 3.

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

Will man die Causa in Flumes Lehre der Privatautonomie einordnen, so ist als erstes festzustellen, dass er ausdrücklich die Bestimmung der Causa der Privatautonomie unterstellt.623 Maßgeblich für diese Einordnung ist nach Flume, dass die Parteien die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung selbst bestimmen müssen und der Preis ein „iustum pretium“ sei, weil er als solcher bestimmt ist.624 Dabei muss jedoch nach dem in dieser Arbeit zuvor gesagten festgehalten werden, dass die Natur der Causa-Vereinbarung es gerade nicht zulässt, sie insofern als rechtsgeschäftlich625 anzusehen und deren Rechtsfolgen damit als Anerkennung der „schöpferischen Gestaltung eines Rechtsverhältnisses kraft Selbstbestimmung“626 anzusehen. Es kann sich also nicht um eine privatautonome Gestaltung im engeren Sinne handeln, ist sie nicht Ausdruck rechtlicher Autonomie, sondern wirtschaftlichtatsächlicher Autonomie. Insoweit könnte man von einer Privatautonomie „zweiten Grades“ sprechen, da die Causabestimmung Anerkennung wirtschaftlicher Selbstbestimmung darstellt, was Flumes Beispiel der Äquivalenz im Synallagma zeigt. Eine Beschränkung eines einverständlichen Gelten-Lassens eines tatsächlich nicht verfolgten Geschäftszweckes (Causa) wird hingegen vom engeren Sinne des Prinzips der Privatautonomie nicht gewährt. Privatautonomie beinhaltet nicht die Kompetenz, die Fiktion rechtlich relevanter Tatsachen vor dem Recht gelten zu lassen – sondern eben nur Rechtsfolgen gelten zu lassen. b) Debatte um die Zulässigkeit abstrakter Schuldversprechen Die zum Zeitpunkt des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs viel diskutierte Frage der Zulässigkeit abstrakter Verträge ähnelt der hier diskutierten Problematik artifizieller Vertragsgestaltungen.627 Schließlich geht es bei der Frage der Zulässigkeit abstrakter Schuldversprechen darum, ob es im Rahmen der Privatautonomie liegt, einen Schuldvertrag ohne Causa-Angabe zu begründen; in der hier betrachteten Konstellation darum, einen Schuldvertrag mit einer beliebigen Causa zu schließen, auch wenn diese nicht dem tatsächlich wirtschaftlich verfolgten Zweck entspricht. Bährs Abhandlung628 über das abstrakte Schuldanerkenntnis stellte im 19. Jahrhundert eine der ersten Plädoyers für die Anerkennung des abstrakten Schuldanerkenntnis und Schuldversprechen dar (heutige § 780 f. BGB). Der Begriff des „An623

Flume, Rechtsgeschäft, S. 170. Flume, Rechtsgeschäft, S. 170. 625 Zwar ist die Causa-Vereinbarung „Annex“ des Rechtsgeschäfts, aber nicht insoweit rechtsgeschäftlich, als dass ihre Rechtsfolgen ihren Geltungsgrund in den Willenserklärungen der Parteien findet. 626 Flume, Rechtsgeschäfts, Vorwort (S. VII). 627 Dazu zusammenfassend Hofer, Freiheit, S. 240 ff.; Bremkamp, Causa, S. 147 – 164; aus der damaligen Debatte insbesondere Bähr, Anerkennung; Jhering, Gutachten, in: Verhandlungen des 8. Deutschen Juristentags II (S. 95 ff.); Hesse, Wesen und Arten der Verträge. 628 Bähr, Anerkennung. 624

C. Analoge Anwendung des § 117 BGB auf die Causa

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erkenntnis“ wird bei Bähr im Sinne der „formellen Verträge“629 im Allgemeinen gebraucht für die beiden im BGB separat geregelten Typen.630 Wie Hofer betont,631 war für Bähr die Privatautonomie (neben der Tatsache des Bestehens der stipulatio im römischen Recht) ein tragender Begründungsfaktor für seine Akzeptanz der bindenden Wirkung abstrakter Versprechen, also solche, die losgelöst von einer Causa sind: Ist aber überhaupt die freie Bewegung des Willens das Grundprincip des heutigen Obligationenrechts, so muss dieser Wille auch die Fähigkeit haben, jene Verbindung [zur Causa] aufzugeben und das einfache Versprechen isolirt zu einem vollendeten Vertrage zu erheben.632

Jhering verwies in seiner Rede beim 8. DJT 1869 darauf, dass er erst durch Bährs Schrift davon überzeugt wurde, dass auch ein abstraktes Schuldversprechen klagbar sein sollte.633 Auch für ihn war – wie Hofer betont – die Privatautonomie ein maßgebliches Prinzip, was für ihn zur Anerkennung des abstrakten Schuldverhältnisses führte.634 Hofer identifiziert in Jherings Rede drei Argumente für eine Beschränkung der Privatautonomie, mit denen sich Jhering auseinandersetzt. Ein Entscheidendes soll im Folgenden dargestellt werden und untersucht werden, ob sich diese für das gegenständliche Problem der artifiziellen Vertragsgestaltungen fruchtbar machen lassen: die „Unsittlichkeit“ abstrakter Schuldverhältnisse.635 Für Hesse „offenbart sich in ihm [dem Erfordernis der Causa] auch der sittliche Character der Rechts“.636 Es sei eine „gewisse Garantie für die Wahrheit, Ernstlichkeit und Bedachtheit des Willens“. Die Anerkennung des abstrakten Schuldversprechens führe dazu, dass es vom Beklagten abhängig gemacht werde. Sie führe „zu Scheingeschäften, zu Betrügereien und Ueberlistungen“. Jhering entgegnet diesem Einwand beim 8. DJT, dass es ja nicht moralischer sei, bei Vorliegen eines abstrakt gefassten Schuldscheins dem Schuldner zu erlauben, einfach „wegen mangelnder Namhaftmachung des Schuldgrundes“ durch den Anspruchssteller den Anspruch „bei Seite zu schieben“, als wenn man ihn zwingt, sein (nacktes) Versprechen zu erfüllen.637 629

Bähr, Anerkennung, S. 124. Bei Jhering, Gutachten, S. 102 finden sich Erörterungen der Terminologie: Jhering bevorzugt den Begriff des „abstrakten Versprechen“ gegenüber dem „Anerkenntnis“, da ersterer nicht suggeriert, dass sich das Versprechen auf eine bereits bestehende Schuld beziehen muss. 631 Hofer, Freiheit S. 241. 632 Bähr, Anerkennung, S. 124. 633 Jhering, Gutachten, S. 95. 634 Hofer, Freiheit, S. 242 mit Zitat von Jhering, Gutachten, S. 104: „Es ist die Idee der Freiheit, der Autonomie des subjectiven Willens, die hierbei zur Frage kommt[…]“. 635 Jhering, Gutachten, S. 95. 636 Hesse, Wesen und Arten der Verträge, S. 204. 637 Jhering, 8. DJT, S. 104 f. 630

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

Nun scheint sich hier auf den ersten Blick die alte mittelalterliche Antinomie zwischen Legisten und Kanonisten wiederzufinden; letztere wollten im Gegensatz zu ersteren – aus christlicher Ethik heraus jedenfalls im kanonischen Recht – dem nackten Versprechen zur Wirksamkeit verhelfen.638 Baldus hat mit seinem Verständnis der Causa einen Spagat zwischen beiden Lehren geschaffen; die vorliegende Antinomie greift jedoch weiter: die Lehre vom abstrakten Schuldversprechen verlangte ja nicht einmal mehr die Angabe irgendeiner Causa! Welcher Gedanke eigentlich hinter dem von Hesse steckt, präsentiert sich in einer anderen Schrift Hesses: „Die Lehre von der Souveränität des Willens der Kontrahenten halte ich für eine Speculation der neueren Jurisprudenz“.639 Was für vorliegendes Problem besonders maßgeblich ist, ist der Einwand, abstrakte Schuldversprechen führten im besonderen Maße zu „Scheingeschäften“. Gemeint sind offensichtlich die hier besprochenen Fälle artifizieller Vertragsgestaltungen, die in verschiedenen Schriften als Scheingeschäft bezeichnet wurde, auch ohne dass man ihn im engeren Sinne als Unterfall der Simulation ansah.640 (Vorliegend wird dagegen die These untersucht, ob man diesen Tatbestand nicht tatsächlich als Scheingeschäft in diesem engeren Sinne des BGB auffassen kann.) Man könnte sich die Konstellation, die Hesse vor Augen hatte, in etwa so vorstellen, dass die Parteien, anstatt einen Kaufvertrag zu schließen, zwei abstrakte Schuldversprechen austauschen, die eine als Verkäufer das Versprechen zur Übergabe und Übereignung der Kaufsache, die andere als Käufer das Versprechen zur Zahlung des Kaufpreises (und ggf. Abnahme der Sache). Wenn trotz der Gefahr von Gesetzesumgehungen ein Versprechen, das einer Angabe seiner Causa entbehrt, zulässig ist, so legt dies auf den ersten Blick nahe, dass dann erst Recht ein Versprechen Wirksamkeit finden muss, das eine Causa angibt, die nicht der wahren wirtschaftlichen Geschäftsabsicht (denn genau diese ist die Causa) entspricht; und zwar könnte die Causa so Anwendung finden, wie sie bewusst nach außen hin („ernstlich“) erklärt wurde. Dies ist jedoch mitnichten so: Die nur vorgeschobene Angabe einer Causa hat viel größeres Potential, missbräuchlichen Zwecken zu dienen (um Hesses polemischen und in einem modernen Rechtsverständnis fehlplatzierten Begriff der Sittlichkeit zu vermeiden) als die Ausgestaltung eines Geschäftes als abstrakten Schuldvertrag. In diesem Fall nämlich würde sogar die Geltung einer Fiktion (Schein-Causa) beansprucht werden. Beim abstrakten Schuldversprechen hingegen wird lediglich auf die Angabe des Schuldgrundes verzichtet; lässt sich jedoch nachweisen, dass keine Causa das Schuldversprechen rechtfertigt, ist das Schuldversprechen schließlich kondizierbar. 638

Siehe oben, S. 28 ff. Hesse, Probleme (zit. nach Hofer). 640 Peterka, Das offene zum Scheine Handeln, Prag 1911; ebenfalls bei Rabel, Savigny Zeitschrift, Rom. 27 (1906), S. 290 (292): „Denn das Charakteristische der Scheingeschäfte, die Verwendung eines juristischen Aktes zu fremden Zwecken, kehrt bei den verschiedensten Völkern und zu den verschiedensten Zeiten wieder.“ – weiter unten im Aufsatz lehnt Rabel diesen Begriff jedenfalls wegen der abweichenden Verwendung im BGB ab (S. 296). 639

C. Analoge Anwendung des § 117 BGB auf die Causa

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c) Die Bindung der privatautonomen Gestaltung an die interessengerechte rechtliche Form Das Problem der Privatautonomie und die Bindung an rechtliche Formen bzw. Typen wird verschiedentlich mit mehr oder weniger ausgeprägten Bezügen zur Causa-Lehre diskutiert. aa) Löhleins Ansicht der Bindung von Vertragstypen an das wirklich verfolgte Interesse Löhlein möchte den § 117 in Fällen von artifiziellen Vertragsgestaltungen Anwendung finden lassen.641 Zwar geht es in der Arbeit um Steuerrecht; Löhleins Behauptung ist jedoch gerade, dass die im Steuerrecht bestehende wirtschaftliche Betrachtungsweise beim Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (damals § 6 StAnpG, der heutige § 42 Abgabenordnung) aus dem allgemeinen bürgerlichen Recht herruhe.642 Für diese Sichtweise rekurriert er in bemerkenswerter Weise auf ein bestimmtes Verständnis von Privatautonomie: Das Privatrecht gibt den Rechtsgenossen in Form der Privatautonomie die Mittel, ihre privaten Interessen durch Einkleidung in eine rechtliche Form Verbindlichkeit zu verleihen. Die gewählte Rechtsform spiegelt das Interesse, das zu ihrer Wahl geführt hat. Daß dies, so selbstverständlich es klingen mag, keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt die auch im Privatrecht nicht ausschließbare Möglichkeit des Missbrauchs.643

Löhlein geht also zunächst einmal davon aus, dass die Privatautonomie dem Einzelnen selbst freistellt, wie er seine Interessen im Vertrag (Rechtsform644) rechtlich umsetzt. Die rechtliche Gestaltung geschieht nicht etwa durch automatische Unterordnung der Rechtsfolgen unter die wirtschaftlichen Absichten der Parteien, wie es die Vertreter der Grundfolgentheorie postulierten645 ; vielmehr obliegt es den Parteien, die rechtliche Form selbst zu bestimmen. Für Löhlein besteht jedoch eine zwangsweise Verbindung rechtlich gewählter Form (= Vertragstypus) und dem verfolgten und durch die Form geschützten Interesses: Sieht man die von der Privatautonomie geschaffene Rechtsform nicht absolut und positivistisch, sondern als Ausdruck eines nunmehr rechtlich geschützten Interesses, so ist es nur konsequent zu verlangen, daß die Rechtsform des geregelten Lebensverhältnisses auch im Einzelfall kongruenter Ausdruck des geschützten Interesses ist, oder anders gesehen: die im Einzelfall verfolgten privaten Interessen sollen durch die den Rechtsgenossen zur Verfügung gestellten rechtlichen Mittel eine Gestaltung finden, bei der sie erkennbar übereinstimmen mit den diesen rechtlichen Mitteln als Schutzgegenstand zugrunde liegenden, die 641

Löhlein, Der zivilrechtliche Tatbestand S. 135 ff. Löhlein, Der zivilrechtliche Tatbestand, S. 144. 643 Löhlein, Der zivilrechtliche Tatbestand, S. 142. 644 Mit „rechtlicher Form“ wird freilich nicht die Form im Sinne des § 126 BGB gemeint, sondern die rechtliche Ausgestaltung. 645 Dazu siehe oben, S. 94 f. 642

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

wir als die typischen bezeichnen wollen. Nur dort machen die Rechtsgenossen von ihrer Privatautonomie den richtigen Gebrauch, wo die von ihnen verfolgten Interessen sich mit den typischen, vom Gesetz anerkannten und geschützten decken.646

Löhlein hat damit zwei Annahmen bezüglich der Privatautonomie: Sie bestehe erstens nur insoweit, als dass mit ihr rechtlich anerkannte Interessen verfolgt werden. Zweitens knüpfen die Vertragstypen an diese rechtlich anerkannten Interessen an und können damit nur diesen zugeordnet werden, wenn sie auch dem Interesse wirklich zu dienen bestimmt sind. Wie man rechtlich ein „anerkanntes Interesse“ greifbar machen kann, wurde hier im Rahmen der Erörterung der Causa bereits ausführlich erörtert.647 Anknüpfungspunkt für den § 117 BGB ist für Löhlein hier, ohne dass er es ausspricht, die Causa: Denn über diese wird bei der Vertragsqualifikation eine Verknüpfung des geschlossenen Vertrages zu den verfolgten Parteiinteressen hergestellt, was dem Postulat der Interessenjurisprudenz entspricht.648 bb) Bettis Theorie der Causa In ähnlicher Weise wird für Betti die Causa sogar ausdrücklich ein Mittel, die Privatautonomie zu beschränken.649 Denn nicht der Privatlaune soll der Rechtsschutz angedeihen, sondern nur solchen Verkehrszwecken, die wegen ihrer sozialen Bedeutsamkeit dazu geeignet erscheinen, unter dem Schirm des Rechtes dauernd organisiert zu werden.650 Im Gegenteil bezieht sich das Causaproblem auf die objektive Zweckbestimmung des Rechtsgeschäfts als auf die Aufgabe, die dieses im Rahmen der Volksgemeinschaft zu erfüllen hat: eine Aufgabe, deren soziale Bedeutsamkeit, soweit sie von der Rechtsordnung anerkannt wir, erst geeignet ist, den Rechtsschutz der Privatautonomie zu rechtfertigen, also den Grund (Causa) des Rechtsschutzes abzugeben.651

Betti begrenzt damit die Privatautonomie auf rechtlich geschützte Interessen. In der Konsequenz könnte man annehmen, dass damit der nach außen getragene Schein eines bestimmten Geschäftszwecks für Betti nicht ausschlaggebend sein konnte, sondern nur der tatsächlich verfolgte. Jedoch zeigt Bettis Exegese des römischen Rechts und seine hochskeptische Haltung gegenüber dem pandektistischen „Willensdogma“, dass er sämtliche Tatbestände für unbeachtlich hält, die nicht nach außen treten: er sieht hierin sogar einen Gegensatz des romanischen zum angelsächsischen Rechtsdenken.652 Betti knüpft daher nur an das nach außen getragene 646 647 648 649 650 651 652

Löhlein, Der zivilrechtliche Tatbestand, S. 142 f. Siehe oben, S. 69. Siehe oben, S. 69. Dazu ausführlich Reiter, Vertrag und Geschäftsgrundlage. Betti, Typenzwang, S. 264. Betti, Typenzwang, S. 277. Betti, Bewusste Abweichung.

C. Analoge Anwendung des § 117 BGB auf die Causa

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rechtliche Interesse an. Löhlein dagegen spricht dem tatsächlich verfolgten rechtlichen Interesse Wirkung als Causa zu. cc) Kohlers Ansicht Dagegen betonte Kohler, dass es im Rahmen der Privatautonomie liege, rechtliche Formen zu wirtschaftlich fremden Zwecken zu verwenden:653 Gerade diese Inkongruenz zwischen der wirthschaftlichen und juristischen Seite des Geschäftes bringt es mit sich, daß die Parteien aus irgend welchen Gründen statt es eigens vom Rechte geschaffenen Weges, welcher den Zweck offen durchblicken ließe, einen Schleichweg zu wählen, in welchem ihr wirthschaftlicher Zweck nicht offengelegt, vielmehr unter andern ostensiblen Geschäften verdeckt wird, und deßhalb sind diese Geschäfte verdeckte Geschäfte zu nennen. […] Wie soll sich die Rechtsordnung den verdeckten Geschäften gegenüber verhalten? Ihnen die Rechtswirkung entziehen, wäre ein ungebührlicher Eingriff in die freie Bewegung des Verkehrs, es würden dadurch die berechtigten Interessen verletzt, da die Verdeckung häufig ein sehr erlaubter, ja gebotener Schutz gegen neugierige Nachspürungen und feindselige Uebergriffe ist. So weit hat sich denn auch noch kein Recht verstiegen.654

Stattdessen möchte Kohler wie die heutige herrschende Meinung die Problematik mittels der Gesetzesauslegung oder Analogie im Einzelfall lösen.655 dd) Bewertung Zunächst ist festzustellen, dass Löhlein zwei voneinander unabhängige Fragestellungen miteinander vermischt: zum einen die Frage, ob durch einen Typenzwang lediglich die gesetzlich anerkannten Interessen von „Rechtsgenossen“ einem Rechtsschutz unterliegen; zum anderen die hier einschlägige Frage, ob sich die Qualifizierung eines Vertrages in das Muster der anerkannten Vertragstypen nach seiner bloß angegebenen oder tatsächlichen kausalen Zweckbindung richtet. Dabei muss man gar nicht die Vertragstypenfreiheit einschränken, um die Verwendung eines Geschäftstypen daran zu knüpfen, dass die typischen Interessen verfolgt werden; soweit die Rechtsordnung bestimmte Typen an bestimmte Interessen (die den Causae entsprechen) knüpft, kann ein Rechtsakt diesem Typ nur zugeordnet werden, wenn dieses Interesse auch tatsächlich verfolgt wird. Entspricht sie keinem Typ, so wird die Vereinbarung trotzdem wirksam, ohne dass diese einem Typus zugeordnet wird; es handelt sich dann um einen atypischen Vertrag. Wenn also diese Frage beantwortet werden soll, so ist zu untersuchen, welchen Zweck die Regelung der Geschäftstypen des BGB aufweisen. Maßgebliches hat 653 654 655

Kohler, JherJb 16 (1878) 91 (142). Kohler, JherJb 16 (1878) 91 (144). Kohler, JherJb 16 (1878) 91 (144).

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

Leenen dazu beigetraten.656 Als eine der wesentlichen Funktionen stellt er heraus, dass die Vertragstypen aufgrund des gesetzten dispositiven Rechts eine Erleichterung des Rechtsverkehrs darstellten;657 das Recht solle für typische Konstellationen unvorhergesehene Situationen mit einer Regelung versehen.658 Zwingende Rechtsnormen, die an einen bestimmten Typen anknüpfen, verfolgten hingegen als Beschränkungen der Privatautonomie regelmäßig einen übergeordneten Ordnungszweck.659 Soweit nur dispositive Normen durch die Schein-Causa „umgangen“ werden, erscheint eine analoge Anwendung des § 117 Abs. 1 BGB nicht sachgemäß: Denn die Parteien machen nur von ihrer Privatautonomie Gebrauch und nutzen die Angabe einer Schein-Causa, um den Vertrag dem Regime eines anderen Typus zu unterstellen. Ein öffentliches Interesse an einer Beschränkung der Privatautonomie besteht nicht, da unzweifelhaft das gleiche rechtliche Resultat erzielt werden könnte, wenn die Parteien den Vertrag der ihren Absichten typischen Causa unterstellen und das dispositive Vertragsrecht zu Gunsten des dispositiven Rechts eines anderen Typen abbedingen. Dies hat auch Thomä erkannt, der in Fällen einer „bewusst zweckwidrigen Typenwahl“ einen „Globalverweis auf das dem gewählten Typ zugeordnete ergänzende Vertragsrecht“ sehen will.660 Andererseits ist es in diesem Fall den Parteien auch gleichgültig, ob der Vertrag alleinig nach dem gewählten Typus zu behandeln ist, oder aber nach dem natürlichen, interessenentsprechenden Vertragstypus. Soweit jedoch zwingende Rechtsnormen betroffen sind, gibt es durchaus gewichtige Gründe, den Parteien die Rechtsmacht zu nehmen, frei über die zu geltende Causa des Vertrags bestimmen zu können und zwingend ihren wahren Absichten Geltung zu verleihen, was konstruktiv mittels § 117 BGB geschehen muss. Denn zwingende Rechtsnormen knüpfen an bestimmte von den Parteien verfolgte Interessen an und – um diesen Geltung zu verleihen – können nur die tatsächlich verfolgten Interessen maßgeblich sein, die bloßen scheinbar vorgeschobenen Interessen sind nicht maßgeblich. Die Causa ist damit das wirtschaftliche Anknüpfungsmerkmal der Qualifikation unter zwingende Rechtsnormen. Wirtschaftlicher Zweck und rechtliche Ausformung werden hierdurch von Rechts wegen angeglichen.661 Im Vordergrund der Diskussion im englischen Recht stand die Frage: „form or substance?“. Im Hintergrund stand ein erheblicher rechtspolitischer Aspekt, wie 656

Leenen, Typus und Rechtsfindung. Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 127. 658 Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 127, dies wird insbesondere von Vertretern der ökonomischen Vertragstheorie so gedeutet, vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 455 f. 659 Brox/Walker, BGB AT Rn. 35. 660 Thomä, Typenwidrige Zwecksetzung, S. 22; vgl. auch Canaris, AcP 190, 410, 458. 661 Vgl. auch Fuchs, Scheinhändel, S. 51 ff., welcher die Auflösung des Gegensatzes von rechtlicher und wirtschaftlicher Zwecksetzung zu überwinden sucht. 657

C. Analoge Anwendung des § 117 BGB auf die Causa

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man sehen konnte, nämlich die Legitimität von Gesetzesumgehungen. Die Gesetzesumgehung wurde durch die sham doctrine und die Vertragsqualifikation zu lösen versucht, aber letzten Endes scheint die Privatautonomie im englischen Recht über dem öffentlichen Interesse der Normanwendung zu stehen; es liegt eine unterschiedliche Risikoverteilung im Hinblick auf Normwortlaut und Normanwendung vor. Dagegen herrscht jedoch im deutschen Recht weitgehende Einigkeit in der Hinsicht, dass die Gesetzesumgehung ein zugunsten öffentlicher Interessen zu lösender Problemkomplex ist, dass die Parteien nicht die Freiheit haben, gegen den Sinn zwingender Rechtsvorschriften durch Umgehungsgestaltungen zu verstoßen. Die Gesetzesumgehung ist aber bei artifiziellen Gestaltungen nach hier vertretener Ansicht mittels dem § 117 BGB zu lösen.

III. Schlussfolgerungen Bei der Causa-Vereinbarung handelt es sich um eine rechtsgeschäftsähnliche Einigung662 mit einem mittelbar rechtserheblichem Willensmoment. In einem solchen Fall ist, um dem wirklichen – tatsächlichen – Willen der Parteien Rechnung zu tragen, eine analoge Anwendung des § 117 BGB notwendig. Die Konsequenzen für artifizielle Vertragsgestaltungen sind folglich weitreichend. Die Qualifikation von Vertragstypen ist maßgeblich von der Causa abhängig.663 Im Falle des Rückkaufs zu Kreditzwecken fehlt es an einer gewollten Gegenseitigkeit von Kaufpreiszahlung und Übergabe und Übereignung des Kaufgegenstandes, mithin also an dem zur Einordnung als Kaufvertrag erforderlichen Synallagma zwischen diesen beiden Pflichten. Wirklicher Geschäftszweck ist der Austausch von Valuta und Zinszahlung, sodass nur eine Einordnung als Darlehensvertrag in Betracht kommt.664 Insoweit ist die Aussage ernst zu nehmen, der Rechtsverkehr hätte im Rahmen seiner Privatautonomie nicht die Rechtsmacht zur Typenbestimmung.665 Lässt man ihm die Macht zum freien Gelten-Lassen simulierter Geschäftszwecke, zum GeltenLassen einer Causa Simulata als fingierten Geschäftszweck, so ließe man über diesen Umweg die freie Typenbestimmung durch die Parteien zu. Privatautonomie umfasst lediglich das Recht, Rechtsfolgen selbstbestimmt zu setzen, nicht jedoch, beliebige Tatsachen gegenüber der Rechtsordnung zu fingieren. Daher kann auch keine Causa entgegen dem wirklich verfolgten Zweck durch Parteivereinbarung fingiert werden. Eine analoge Anwendung des § 117 BGB auf artifizielle Vertragsgestaltungen löst das Problem folglich – wie Savigny es postuliert666– nicht durch Auslegung des

662 663 664 665 666

Siehe oben. Siehe oben. Genaueres zum Umgang mit der dissimulierten Causa, siehe unten. Vgl. Michaelis, Verdecktes Geschäft. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band I, S. 324 f.

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

Gesetzes, wie die weit herrschende Meinung es zu lösen versucht667, sondern durch Anwendung der Lehre der Simulation, und damit verknüpft durch Qualifikation. Sie führt zur erzwungenen Bindung eines Geschäftes an den zweckkonformen Vertragstypus.

D. Zugrundelegung der wirklich gewollten Causa Will man feststellen, ob die nach außen hin erklärte Causa des Vertrages eine bloß simulierte war, so ist eine Diskrepanz zwischen der vorgeschobenen, nach außen hin erklärten Zweckvereinbarung und der wirklichen Zweckvereinbarung festzustellen. Dies muss zunächst durch eine Auslegung der Äußerungen der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezüglich der Zwecksetzung des Geschäftes geschehen. Hierbei ist in erster Linie wie bei der Auslegung von Willenserklärungen auf den Wortlaut der Erklärungen abzustellen.668 Vereinbaren die Parteien also, dass ihr Kaufvertrag in Wirklichkeit getarnten Finanzierungs- und Sicherheitszwecken dient, was in solchen Konstellationen im Geschäftsverkehr durchaus ausdrücklich geschehen kann und in den Verhandlungen der Kautelarpraxis samt den Vorteilen der Vermeidung bestimmter Rechtsnormen zum Vorschein kommen wird, wird diese ausdrückliche wirtschaftliche Zweckvereinbarung für die Qualifikation maßgeblich sein. Wenn die Parteien nicht ausdrücklich bestimmen, was der Zweck der vereinbarten Zuwendungen sein soll, so ist gem. § 133, 157 BGB auszulegen. Eine Simulation einer Causa kann innerhalb eines Causatypus erfolgen oder aber zwischen verschiedenen Causatypen. Für ersteren Fall ist wieder der Fall des Wiederkaufs zu Sicherungszwecken paradigmatisch: Dort wird der Rechtsgrund eines gegenseitigen Vertrages (entgeltlicher Darlehensvertrag) durch den Rechtsgrund eines anderen Vertrages dissimuliert. Konkret wird also das Synallagma von Darlehensvaluta und Zinsen durch die Gestaltung als zwei Synallagmen von Kaufgegenstand und Kaufpreis verdeckt. Die Causa-Simulation bewegt sich in diesem Fall innerhalb des Typus der causa acquirendi. Eine Simulation ist aber auch von einem Causa-Typus in einen anderen möglich: Beispielhaft ist die Simulation von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit bzw. vice versa.669 Beim gegenseitigen Vertrag ist zu ermitteln, ob und welche Pflicht als Gegenleistungspflicht einzuordnen ist. Die Testfrage, ob die eine Leistung nach der Vorstellung der Parteien ein Äquivalent für die andere Leistung darstellt, kann hierbei

667

Siehe oben, S. 47 ff. Vgl. Jauernig/Mansel, § 133 Rn. 8. 669 Zur Simulation durch Verdeckung von Unentgeltlichkeit oder Entgeltlichkeit siehe unten, S. 149 ff. 668

D. Zugrundelegung der wirklich gewollten Causa

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nicht maßgeblich sein.670 Ebenfalls kann die Frage, ob sich jemand eigennützig oder fremdnützig verpflichtet hat,671 nur die Frage beantworten, ob jemand sich causa acquirendi verpflichtet hat, aber nicht, in welcher Pflicht genau die Causa der Verpflichtung liegt. Maßgeblich kann hierbei nur das spezifische, primäre Interesse an der Verpflichtung sein; denn durch die gesetzlich normierten Tatbestände knüpft der Gesetzgeber an eine spezifische Interessenlage an.672 Zu ermitteln ist also, um welcher Leistung Willen sich der eine Teil gegenüber dem anderen Teil verpflichtet, an welcher Pflicht also ein eigenständiges wirtschaftliches Interesse besteht. Bei einem Wiederkauf zu Sicherungszwecken wäre also beispielsweise zu ermitteln, ob wirklich ein primäres Interesse des Erstkäufers an der Kaufsache und des Erstverkäufers an der endgültigen Erlangung des Kaufpreises besteht; diese Korrespondenz von Interessen konstituiert nämlich die Causastruktur des Kaufvertrages. Das tatsächliche Interesse des Erstkäufers ist jedoch im Zusammenhang mit dem Wiederkauf zu sehen: Der Verkäufer lässt sich nämlich durch den Aufschlag beim Rückkauf entlohnen und an dieser zinsähnlichen Entlohnung hat er das primäre wirtschaftliche Interesse. Es ist mithin in gegenseitigen Verträgen eine wertende Betrachtung durchzuführen, welche Gegenleistungspflicht im Austausch die wesentliche Pflicht darstellt, an welcher an eigenständiges Interesse besteht, um wessen Willen also das Geschäft überhaupt eingegangen wird. Bei der Qualifikation artifizieller Vertragsgestaltungen ist also nach alldem gesagten folgendes rechtliche Prüfungsprogramm durchzuführen. Auslegung des Vertrages. Das vertragliche Pflichtenprogramm ist zu ermitteln; es sind hierbei die bekannten Auslegungsgrundsätze, deren Erörterung es an dieser Stelle nicht bedarf, anzulegen. Ermittlung der erklärten Causa. Es ist zu ermitteln, welche Causa, das bedeutet wirtschaftliche Zwecksetzung die Parteien mit dem vereinbarten Pflichtenprogramm verfolgen. Dies wird regelmäßig durch die Gestaltung des Geschäfts als ein bestimmter Vertragstypus sowie durch die Qualifikation des Vertrags durch die Parteien selbst indiziert; hierbei unbeachtlich ist letztere allerdings, wenn der Sachverhalt ergibt, dass es sich um eine bloß unbewusste, laienhafte Falschbezeichnung handelt. Ermittlung der wirklichen Causa bei Vorliegen einer Schein-Causa. Anhand der Äußerungen der Parteien vor und zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses muss ermittelt werden, ob in Wirklichkeit eine andere Causa vereinbart wurde, als nach Außen hin erklärt wurde. So könnte zum Beispiel beim Wiederkauf zu Sicherungszwecken eine interne Vereinbarung bestehen, dass die Kaufsache in Wirk670 671 672

Siehe 108. Siehe 108. Daele, Gegenseitiger Vertrag, S. 20 ff.

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Kap. 8: Simulation als Wesensmerkmal artifizieller Vertragsgestaltungen

lichkeit nur Sicherungszwecken dienen soll (Causa der Übereignung ist dann nicht, Gegenleistung für den Kaufpreis zu sein, sondern der Abwicklungszweck der Sicherung). Entsprechend wäre die Abmachung zu ermitteln, dass die Differenz zwischen Kaufpreis und Rückkaufspreis funktional-wirtschaftlich der Vergütung der zeitweisen Kapitalüberlassung dient (nicht also Teil der Gegenleistung für den Rückkauf ist und damit Causa der Rückübereignungspflicht). Besteht eine tatsächlich andere Causa als die Parteien erklärt haben, und haben die Parteien dies bewusst und einverständlich getan, so ist in analoger Anwendung des § 117 Abs. 1 BGB die erklärte Causaeinigung für unbeachtlich zu betrachten und analog § 117 Abs. 2 BGB das Geschäft der wirklichen Causa zu unterstellen. Der Rechtsanwender darf allerdings beispielsweise dabei nicht einfach bei der Feststellung bleiben, das Geschäft sei ja als synallagmatisch gewollt wie erklärt; vielmehr kommt es bei der Causabestimmung darauf an, die konkret einander im Synallagma stehenden Pflichten zu bestimmen: Regelmäßig liegt die Abweichung echter und simulierter Causa nicht in einer Abweichung im Typus der jeweiligen Causa, sondern in ihrer konkreten Ausformung. Wertungsmäßiger Abgleich mit infrage kommenden Vertragstypen. Anhand der wirklichen Causa kann nun anhand der gesetzlich geregelten Vertragstypen der zutreffende Vertragstyp zugeordnet werden. Dies muss typologisch durch einen Abgleich der wertungsrelevanten Faktoren des jeweiligen Vertragstypus geschehen; es reicht aus, dass Vertragspflichten funktionell dem gesetzlich vorgestellten Regelfall entsprechen.673 An dieser Stelle muss noch einmal die Konsequenz dieser Ansicht hervorgehoben werden: Es steht nicht zur Frage, dass eine Vorschrift, die nach der herrschenden Lehre von den Gesetzesumgehungen analog Anwendung fände, tatsächlich Anwendung finden soll. Es geht vielmehr darum, die Problematik artifizieller Vertragsgestaltungen systematisch als einen Willensmangel zu begreifen. Die Qualifikation eines Vertrages nach der wahren wirtschaftlichen Zwecksetzung führt damit einhergehend zur direkten Anwendung der infragestehenden Norm. Die Frage ist keine der Gesetzesanalogie, denn es bedarf dann dieser Analogie nicht mehr.

E. Zusammenfassung Das moderne Verständnis vom Scheingeschäft, dem § 117 BGB, ist mit seiner streng „subjektivistischen“ Sicht abweichend vom wichtigsten historischen Anwendungsfalle – nämlich dem der artifiziellen Vertragsgestaltungen – abgerückt. Es reduziert den Anwendungsbereich auf Fälle, in denen die Rechtsfolgen einer Wil673 So wie beim Wiederkauf die Differenz zwischen Kauf- und Wiederkaufspreis funktionell als Vergütung und damit als Zins zu qualifizieren ist, welcher im Synallagma zur Darlehensüberlassung steht.

E. Zusammenfassung

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lenserklärung (bzw. dem Scheingeschäft) in Wirklichkeit einvernehmlich von beiden Seiten nicht gewollt worden sind. Während die mit dem BGB nicht zu vereinbarende Grundfolgentheorie zu einem solchen Ergebnis kommen könnte, da dort die vereinbarten wirtschaftlich-empirischen Folgen Gegenstand der Parteivereinbarung sind, kann man mit der Rechtsfolgentheorie unter dem BGB schwerlich die Anwendbarkeit des § 117 BGB wegen fehlender Ernstlichkeit des Geschäfts begründen. Rechtskonstruktiv ist dies über den Weg der Analogie jedoch nicht nur denkbar, sondern auch erforderlich, wenn man die Rechtsnatur der Einigung über die Causa, nämlich als geschäftsähnlich betrachtet. Die Einordnung als „geschäftsähnlich“ wiederum ist auf Grundlage des Verständnisses der Willenserklärung als auf Rechtsfolgen gerichtete Geltungserklärung unvermeidbar, da mit der Causa-Vereinbarung gerade nicht die Vereinbarung von Rechtsfolgen einhergeht. Es mag verwunderlich erscheinen, wenn ein solch zentrales Element von Rechtsgeschäften als „geschäftsähnlich“ bezeichnet wird; nur durch eine solche Bezeichnung kann jedoch begriffslogisch klar gemacht werden, dass ihre Rechtsfolgen solche kraft Gesetzes sind und keine Anerkennung schöpferischer Rechtsgestaltung wie bei der Anerkennung der Wirkungen der Willenserklärung darstellen. Die Frage ist dann schließlich eine wertende, die die Reichweite von Privatautonomie bestimmt. Betrachtet man den historischen Kontext der Simulation als Rechtsinstitut, ist nach dem hier Gesagten sich der Verwunderung von Fuchs anzuschließen, wie „eine so mangelhafte theoretische Fundierung“ der Doktrin des Scheingeschäftes „Anklang finden konnte, daß sie massenhaft nachgesprochen werden und daß man meinen konnte, den bisher üblichen Gesichtspunkt des Scheingeschäfts damit widerlegt zu haben“.674 Man muss aber, um das Problem kausaler artifizieller Vertragsgestaltungen in den Griff zu bekommen, auch nicht statt der „Ernstlichkeit des Wollens“ das „Objekt des Willens“ zum Gegenstand der Doktrin des Scheingeschäftes machen.675 Vielmehr geht es bei der direkten Anwendung des § 117 BGB um die Ernstlichkeit des Rechtsfolgewillens, und bei der analogen Anwendung des § 117 BGB um die Ernstlichkeit des tatsächlichen, wirtschaftlichen Willens, der sich in der Causa manifestiert.

674 675

Fuchs, Scheinhändel, S. 52. So aber Fuchs, Scheinhändel, S. 110.

Kapitel 9

Fallstudien artifizieller Vertragsgestaltungen Im Folgenden ist nun der vorherige Lösungsansatz an verschiedenen praxisrelevanten Fällen anzuwenden, um damit die Vorteile des hier vertretenen Ansatzes gegenüber der fraus legis-Doktrin zu diskutieren.

A. Finanzrecht Bei Factoringgeschäften stellt sich insbesondere eine Frage der Qualifizierung als Kauf- oder als Darlehensvertrag. Die herrschende Meinung differenziert hier zwischen dem „echten Factoring“ und dem „unechten Factoring“.676 Beim „echten“ Factoring werden die Forderungen gegen einen sofort ausgezahlten Betrag angekauft; mit der Veräußerung übernimmt der Factor (das erwerbende Kreditinstitut) das Delkredererisiko, also das Risiko des Forderungsausfalls; der Veräußerer haftet lediglich für den rechtlichen Bestand, die Verität der Forderung. Der Factor wird dadurch vergütet, dass ein bestimmter Abschlag von den Forderungen vorgenommen wird. Beim echten Factoring wird überwiegend ein Rechtskaufvertrag gem. §§ 453, 433 BGB angenommen.677 Beim unechten Factoring dagegen trägt der Veräußerer weiterhin das Risiko der Forderungseintreibung. Es wird als Darlehensvertrag mit einer Komponente von Inkassogeschäftsbesorgung qualifiziert.678

I. Echtes Factoring Die Begründung für diese Unterscheidung ist, dass im Falle des echten Factorings im Gegensatz zum unechten Factoring die Risikostruktur eines Kaufes vorliege: beim paradigmatischen Sachkauf haftet der Verkäufer prinzipiell für die Mängelfreiheit zum Zeitpunkt der Übergabe; ab dann trägt der Käufer die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache gem. § 446 BGB. Beim entsprechenden Rechtskauf haftet der Verkäufer entsprechend für den Bestand des Rechts zum Übertragungs-

676 677 678

BeckOGK/Wilhelmi, § 453 BGB, Rn. 928; MükoBGB/Roth/Kieninger, § 398 Rn. 158. Nur Schimansky/Bunte/Lwoswski, § 102 Rn. 32. Dazu Schimansky/Bunte/Lwoswski, § 102 Rn. 44.

A. Finanzrecht

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zeitpunkt sowie für die Rechtsmangelfreiheit. Das Risiko der Nutzbarkeit des Rechts trägt ab diesem Zeitpunkt beim Rechtskauf in gleicher Weise der Käufer.679 1. Kritik an der herrschenden Abgrenzung Ein wesentlicher Kritiker dieser Ansicht war Canaris, der jedenfalls in früheren Werken einen Darlehensvertrag auch beim echten Factoring annehmen wollte.680 Tragendes Argument für ihn ist, dass die Qualifikation als Kaufvertrag den „wirtschaftlichen Gegebenheiten und insbesondere der Kreditierungsfunktion des Factoring nicht gerecht“ wird.681 Das Interesse des Zessionars (Factors) sei nicht auf den Erwerb der Forderung als solcher gerichtet, sondern auf das Entgelt, was er seinerseits für die Vorstreckung des „Kaufpreises“ (also einem Zins entsprechend) sowie für die Eintreibung der Forderungen (also einer Bearbeitungsgebühr entsprechend) erhält.682 Canaris argumentiert also bei der Qualifikation des Factoring-Vertrages mit der wirtschaftlichen Zwecksetzung der Parteien. Die wirtschaftliche Zwecksetzung, warum sich jemand vertraglich verpflichtet, wurde in dieser Arbeit vorstehend als Causa herausgearbeitet und charakterisiert.683 Für Canaris ist damit richtigerweise nicht alleinig die Risikostruktur des Vertrages ausschlaggebend; die Richtigkeit dieser Vorgehensweise lässt sich am folgenden umgekehrten Fall verdeutlichen: Wenn jemand einen Kaufvertrag über eine Sache mit lebenslanger Haltbarkeitsgarantie schließt, so ist dies im Lichte der gesetzlichen, typischen Risikoverteilung gem. § 446 BGB mit der Risikostruktur eines Kaufvertrages unvereinbar, die nach dem Grundsatz „casum sentit dominus“ dem Erwerber das Risiko zuweist. Jedoch erscheint es abstrus, einen solchen Vertrag als atypischen Mietvertrag einzuordnen: zwar ist es denkbar, im Rahmen der Gebrauchsüberlassungspflicht auch zur Eigentumsübertragung zu verpflichten.684 Dagegen liegt jedoch die Causa der Verpflichtung zur Entgeltzahlung darin, das Eigentum an der Kaufsache acquirendi causa zu erlangen (und einen Anspruch auf die Eigentumsübertragung zu erlangen). Der wirtschaftliche Zweck ergibt sich aus den Umständen bei Vertragsschluss. Den Parteien sind zu diesem Zeitpunkt bestimmte wirtschaftliche Absichten bekannt, die sie gemeinsam mit der Transaktion verfolgen. Canaris hält im Übrigen treffend fest, dass die Einordnung regelmäßig keine Rolle spiele, da eine Titulierung des Geschäfts als „Forderungskauf“ jedenfalls eine 679

Zu allem Schimansky/Bunte/Lwoswski, § 102 Rn. 32. Canaris, Bankvertragsrecht, S. 850. 681 Canaris, Bankvertragsrecht, S. 850. 682 Canaris, Bankvertragsrecht, S. 850. 683 Siehe oben, Kapitel 7 C. 684 Vgl. Lenel, JherJb 19 (1881), 154 behauptet sogar, im römischen Recht sei es stets – auch beim Kaufvertrag – nur auf die Gebrauchsüberlassung als wirtschaftlich-empirischen Zweck angekommen. 680

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Kap. 9: Fallstudien artifizieller Vertragsgestaltungen

Vereinbarung über die Anwendbarkeit der kaufrechtlichen Vorschriften darstelle.685 In Bezug auf das zwingende Gesetzesrecht ist jedoch der Vertrag nach seiner wahren kausalen Natur zu begreifen. 2. Kritik an Canaris Auffassung Die Kritiker von Canaris’ Auffassungen betonen u. a., dass die Ersetzung des Rückzahlungsanspruchs mit der Abtretungspflicht (und der Zuordnung des Delkredererisikos zum Factor) zu einem Pflichtenprogramm führt, welches unvereinbar ist mit der typischen Struktur eines Darlehensvertrags nach den §§ 488 ff. BGB.686 Isoliert betrachtet missachtet dieser Einwand allerdings den typologischen Charakter von Vertragstypen. Typischer Gegenstand eines Gelddarlehensvertrags ist die Überlassung eines Geldbetrags auf Zeit. Die Causa dieser Verpflichtung kann entweder entgeltlich sein (dann causa acquirendi) oder unentgeltlich (dann causa liberalitatis).687 Beim entgeltlichen Darlehen liegt die Causa daher im Austausch von zeitweiser Überlassung des Geldbetrags und der Zinszahlung (oder einer anderen Vergütungsweise). Anders ausgedrückt ist für das entgeltliche Darlehen das Synallagma zwischen Kapitalüberlassungspflicht und der Vergütungspflicht typenprägend. Dies steht im Gegensatz zum Kaufvertrag, in welchem das Synallagma zwischen Übereignungspflicht, also dauerhafter Überlassung des Kaufgegenstands, und Kaufpreiszahlungspflicht entscheidend ist. Qualifikationsentscheidend ist die Causa, der wirtschaftliche Zweck der jeweiligen Zuwendungen; ob bestimmte Pflichten begrifflich fehlen oder nicht, ist dagegen nicht entscheidend. 3. Qualifikation echter Factoringverträge mittels Ermittlung der Causa Dass der Factor anstatt einer Rückzahlung einen Anspruch auf Übertragung von Forderungen hat, ist insoweit nur mittelbar relevant, nämlich als Indiz für den bestehenden typischen Geschäftszweck eines Kaufvertrages. Denn in der Tat bezweckt der Factor die Erlangung der Forderung zu deren Verwertung und Einziehung. Zwar hat er dabei das wirtschaftliche Interesse an der zinsäquivalenten Gewinnmarge, die dadurch bedungen wird, dass der Auszahlungsbetrag niedriger ist als der Betrag der abzutretenden Forderungen. Ein verfolgter Zweck ist damit auch die vergütete Kreditierung durch das Factorinstitut. Allerdings wird gleichermaßen der Zweck eines echten Austausches zwischen Forderung und Kaufpreis verfolgt.

685

Canaris, Bankvertragsrecht, S. 850. BankrechtsHdb/Martinek/Omlor, § 102 Rn. 35. 687 Eine Entgeltlichkeit ist kein typenprägendes Merkmal des Darlehensvertrags, vgl. nur BeckOGK/Binder, § 488 Rn. 2. 686

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Zu bestimmen ist also die „erste Absicht“688 der Handlung (Causa), wenn mehrere Zwecke vorliegen. Hier kommt ein Austausch von Kapitalüberlassung und Zins sowie von Kaufpreis und Forderung in Betracht. Prinzipiell beachtlich ist zunächst einmal immer nur die Causa als primärer Zweck.689 Es ist also im Wesentlichen zu ermitteln, worin der Primärzweck liegt und worin lediglich ein unbeachtlicher Sekundärzweck liegt. Die Causa einer Verbindlichkeit im gegenseitigen Vertrag (Synallagma) liegt in der Erlangung der Gegenleistung.690 Beim echten Factoring könnte man nun annehmen, der Beweggrund für die Verpflichtung zur Auszahlung an den Zedenten läge in der Abtretung der Forderungen an ihn. Folge wäre also ein Synallagma zwischen Auszahlung (dann Kaufpreis) und Abtretung, was typologisch der Interessenlage eines Kaufvertrags entspricht. Die wirtschaftliche Verwertung wäre bloß unbeachtlicher Sekundärzweck. Denn das Verwertungsrisiko trägt beim echten Factoring der Factor. Umgekehrt wäre aber auch denkbar, als Primärzweck des Versprechens der Auszahlung die Erlangung der Vergütung zu erachten; typologisch läge dann ein entgeltlicher Darlehensvertrag vor. In der Sache ist die wertende Abgrenzung von Primär- und Sekundärzweck nichts anderes als die Wertung beim Typenkombinationsvertrag, welcher Teil den Schwerpunkt des Vertrages bildet.691 Zur Unterscheidung kann hierbei die Testfrage dienen, ob ein eigenständiges primäres wirtschaftliches Interesse an der Forderungsübertragung besteht oder sie rein artifiziell ist, d. h. eine Gestaltung darstellt, die nur aus Umgehungsgründen gewählt wurde. Ziel der Vertragsgestaltung des echten Factorings ist, das Delkredererisiko dem Factor zuzuweisen, dass der Zedent mit der weiteren Forderungseintreibung nichts mehr zu tun hat und er dieses Risiko an einen anderen (überlegenen) Risikoträger abwälzt. Alternativ könnte ein solcher Vertrag gestaltet werden, indem ein Darlehensvertrag unter Vereinbarung einer Ersetzungsbefugnis geschlossen wird, also durch Einräumung eines Rechts des Schuldners zur Hingabe eines Gegenstands an Erfüllung statt (§ 364 BGB).692 Dem Zedenten könnte lediglich das Recht eingeräumt werden, den Rückzahlungsanspruch mit der Forderungsabtretung zu ersetzen. Hierin manifestierte sich im Vertrag ein fehlendes primäres Interesse des Factors an der Forderung selbst; eine Einordnung als Kaufvertrag wäre damit ausgeschlossen, die Regeln über den Kaufvertrag fänden lediglich über den § 365 BGB Anwendung, während ein solcher Vertrag primär als Darlehensvertrag gem. § 488 BGB zu qualifizieren wäre. Es besteht jedoch gerade – anders als Canaris es behauptet – ein primäres wirtschaftliches Interesse des Factors daran, die 688 Ehmann, Lehre vom Zweck, S. 8; v. Thur, BGB AT, Bd. II/2, § 72 S. 79 („nur der erste, unmittelbare Zweck der Zuwendung“). 689 Klinke, S. 50 ff. 690 Siehe oben, S. 96. 691 Dass es sich beim Factoring um einen Typenkombinationsvertrag handelt, betont auch MüKoBGB/Roth/Kieninger, § 398 BGB Rn. 158. Bei der Ermittlung des Schwerpunkts eines Vertrages ist gerade auch auf den Zweck, also die Causa, abzustellen (siehe oben, S. 136). 692 Zur Ersetzungbefugnis, BeckOGK/Looschelders, § 364 BGB Rn. 20 ff.

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Kap. 9: Fallstudien artifizieller Vertragsgestaltungen

Forderung durch Abtretung zu erhalten: Nicht nur ist sie ein Mittel der Kreditsicherung wie beim unechten Factoring. Dies macht der Vergleich mit dem Wiederkauf zu Sicherungszwecken (retrovenditio) deutlich: In diesem Fall nämlich dient die Übertragung des Kaufgegenstandes alleinig dem Abwicklungszwecke der Sicherung. Am Gegenstand selbst besteht daher kein eigenständiges wirtschaftliches Austauschinteresse. Dagegen dient die Übertragung der Forderung beim echten Factoring der alleinigen wirtschaftlichen Nutzung des Factors durch dessen Befriedigung. Die Kreditierungsfunktion des echten Factorings ist dagegen lediglich zweitrangig und stellt einen bloßen Sekundärzweck dar: Sie ähnelt der Stundung des Kaufpreises bei einem Kaufvertrag, welche Kreditierungsfunktion hat, aber unstreitig nicht dem § 488 BGB unterfällt, wie auch der gesetzliche Verweis bei § 506 Abs. 1 BGB für den entgeltlichen Zahlungsaufschub im Umkehrschluss klarstellt. Wenn eine Factoringvereinbarung daher als Kaufvertrag betitelt wird und damit die Kausalstruktur eines Austausches von Geld gegen Forderungen erklärt wird, liegt keine simulierte Causa vor. Die tatsächlich verfolgte Causa entspricht nämlich der Erklärten.

II. Unechtes Factoring Das unechte Factoring wird von den meisten Stimmen nicht als Kaufvertrag, sondern als Darlehensvertrag behandelt.693 Hierbei übernimmt der Factor nicht das Delkredererisiko, die Abtretung der Forderung findet nur erfüllungshalber statt; ist sie im Einzelfall nicht eintreibbar, so hat der Zedent die Auszahlungssumme zurückzuzahlen. Auch diese Qualifikation wird bestritten, insbesondere eine Einordnung als Kaufvertrag vorgenommen.694 Auch hier ist zur Qualifikation wieder auf die Causa abzustellen; eine Einordnung als entgeltlicher Darlehensvertrag würde typischerweise ein Austauschverhältnis von Valutaüberlassung und Entgelt voraussetzen. Primärzweck (Causa) der Verpflichtung des Factors zur Auszahlung kann hier nicht die Erlangung der Forderung sein: Denn an dieser besteht kein eigenständiges wirtschaftliches Interesse, da der Zedent bei Ausfall der Forderung ohnehin regresspflichtig ist. Die Übertragung der Forderung dient alleinig der Sicherung der vorgeschossenen Auszahlungssumme. Würden die Parteien daher bewusst den Vertrag als Kaufvertrag qualifizieren und dessen Kausalstruktur simulieren, liegt insoweit eine Scheinvereinbarung über diese vor.

693

BankrechtsHdb/Martinek/Omlor, § 102 Rn. 32. Staudinger/Freitag, § 488 BGB Rn. 707 m. w. N.; allerdings sollen die Parteien auch ausdrücklich eine Darlehensgestaltung vereinbaren können. 694

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III. Umqualifizierungsrisiken bei True Sale Securitisations Bei sogenannten True-Sale-Verbriefungen werden Darlehensforderungen eines sog. Originators gegen Bankkunden an bestimmte Zweckgesellschaften (Special Purpose Vehicles) verkauft.695 Diese emittieren die Schuldverschreibungen, welche durch die angekauften Forderungen gesichert sind (Asset Backed Securities).696 Entscheidend für den Erfolg der Transaktion ist hierbei regelmäßig das Entstehen eines echten Kaufvertrages zwischen dem Originator und dem SPV: Bestünde lediglich eine Sicherungsabtretung zugunsten des SPV, hätte das SPV ein Absonderungsrecht im Falle einer Insolvenz des Originators gem. § 51 Nr. 1 InsO inne, anstatt eines Aussonderungsrechts nach § 47 InsO.697 Folge davon wären insbesondere ein Abzug der Kosten des Insolvenzverfahrens nach §§ 170, 171 InsO.698 Welchen Charakter das übertragene Recht hat, hänge daher nach der Literatur davon ab, ob man die Transaktion wie von den Parteien beschrieben als Kauf, oder aber als forderungsbesichertes Darlehen qualifiziert.699 Dies soll sich wie beim Factoring danach richten, ob das SPV das Delkredererisiko trägt (dann Darlehensvertrag und Sicherungszession) oder nicht (dann „echter“ Kaufvertrag und keine ledigliche Sicherungszession).700 Bei verschiedenen Arten der True-Sale-Verbriefung ist denkbar, dem Originator zumindest teilweise das Risiko zu belassen, dass die an das SPV abgetretenen Forderung gegen ausgefallene Schuldner nicht eintreibbar sind, was mittels bestimmter Abreden zum Ausgleich möglicher Forderungsausfälle zugunsten des SPV als Käufer der Forderungen geschehen kann.701 In diesem Fall bestehe damit ein „Umqualifizierungsrisiko“ bei True-Sale-Vebriefungen, wenn Gerichte solche Konstruktionen qualifizieren sollen.702 Eine solche Umqualifizierung wird schon in Bezug auf das unechte Factoring, auf dessen Argumente rekurriert wird, bestritten.703 Die bestehende Literatur beruft sich bei der Qualifikation auf Argumente angeblicher unabdinglicher Vertragsbestandteile, welche dem typologischen Charakter der Vertragstypen nicht gerecht werden.704 695

Schimansky/Bunte/Lwowski/Sethe, Bankrechts-Handbuch, § 114a Rn. 73. Schimansky/Bunte/Lwowski/Sethe, Bankrechts-Handbuch, § 114a Rn. 12. 697 Schimansky/Bunte/Lwowski/Sethe, Bankrechts-Handbuch, § 114a Rn. 73. 698 Schimansky/Bunte/Lwowski/Sethe, Bankrechts-Handbuch, § 114a Rn. 73. 699 Schimansky/Bunte/Lwowski/Sethe, Bankrechts-Handbuch, § 114a Rn. 73; Langenbucher u. a./Geiger, Bankrechts-Kommentar, 2. Auflage 2016, Kapitel 20 Rn. 9. 700 Schimansky/Bunte/Lwowski/Sethe, Bankrechts-Handbuch, § 114a Rn. 73; Langenbucher u. a./Geiger, Bankrechts-Kommentar, Kapitel 20 Rn. 9, jeweils m. w. N.; zur Einordnung von Einzelverträgen beim Factoring Schimansky/Bunte/Lwowski/Martinek/Omlor, BankrechtsHandbuch (5. Auflage 2017), § 102 Rn. 45. 701 Schimansky/Bunte/Lwowski/Sethe, Bankrechts-Handbuch, § 114a Rn. 73. 702 Schimansky/Bunte/Lwowski/Sethe, Bankrechts-Handbuch, § 114a Rn. 73. 703 Siehe oben, S. 144. 704 Siehe oben; vgl. auch Weber, Refinanzierung, S. 140 – 145. 696

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Kap. 9: Fallstudien artifizieller Vertragsgestaltungen

Es wurde herausgearbeitet, dass es bei der Qualifikation auf die geschäftsähnliche Causa-Vereinbarung ankommt, dem parteilich vereinbarten wirtschaftlichen Geschäftszweck der einzelnen Verpflichtungen. Schieben die Parteien der Vereinbarung einen Geschäftszweck (Causa) vor, der nicht dem tatsächlich vereinbarten entspricht, so ist analog § 117 Abs. 1 BGB jener unbeachtet zu lassen und dem wahren Geschäftszweck Geltung zu verleihen (analog § 117 Abs. 2 BGB). Die Parteien erklären mit der Bezeichnung des Geschäftes zwischen Originator und SPV als „Kauf“, dass ein Austauschverhältnis (causa acquirendi) zwischen den Forderungen als Kaufgegenstand und dem Kaufpreis bestünde. Zu fragen ist, welche wirtschaftliche Zwecksetzung wirklich vereinbart wurde. Der Ermittlung des Delkredererisikos kann dabei wieder nur eine Indizfunktion vorkommen. Wieder ist die Testfrage maßgeblich, ob ein eigenständiges wirtschaftliches Interesse des SPV an den übertragenen Forderungen besteht. Dies ist durch Auslegung der Äußerungen der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu ermitteln. Es ist zu ermitteln, welchem Zweck der Vertrag diente. Insofern handelt es sich um extrinsische Tatsachen, die nicht zwingend aus dem Vertragswerk herausgehen (ein „contre lettre“705, also eine Gegenabrede, welche für die Ermittlung des Simulationstatbestandes typisch ist). Es ist die wirklich vereinbarte Causa zu ermitteln, die sich aus den vorhergehenden Äußerungen der Parteien untereinander ergibt.706 Weber argumentiert vor allem mit der typischen kaufrechtlichen Risikoverteilung, die durch eine weitreichende Garantie verlassen werden könnte (wobei er im Ergebnis die Umqualifikation ablehnt).707 Die Risikoverteilung ist hingegen nur ein Indiz für den Geschäftszweck (Causa), welcher bei der wertenden typologischen Qualifikation zu berücksichtigen ist. Denn nur dann wird ein Austausch bezweckt, welcher jeweils die causa acquirendi zwischen Pflicht zur Forderungsübertragung und der Pflicht zur Zahlung des „Kaufpreises“ begründet. Man gehe also vom vorliegenden Sachverhalt aus: Eine Bank B hat eine Menge an Rückzahlungsforderungen gegen Verbraucher aus Verbraucherdarlehensverträgen. Sie gründet daher eine Zweckgesellschaft (SPV) in der Form einer GmbH.708 Die Geschäftsführer (wenn nicht ohnehin identisch) der Bank B und der SPV-GmbH einigen sich auf den Verkauf der Forderungen und machen dabei eine bestimmte Zwecksetzung zur Voraussetzung ihres Handelns: Die True-Sale-Verbriefung besitzt das Hauptmotiv der Refinanzierung des Originators, dadurch dass illiquide, noch nicht fällige Forderungen von Investoren aufgekauft werden und die Zweckgesell705

Rn. 4. 706

Zum Topos des contre lettre („Gegenurkunde“) Jansen/Zimmermann/Dedek, Art. 6:103

Zum Vorrang der wirklichen Willens gegenüber dem erklärten Willen bei der Simulation, siehe oben, S. 62. 707 Weber, S. 134 ff. 708 Diese wird im deutschen Rechtsraum zur Gründung einer SPV-Zweckgesellschaft verwendet, Weber, Refinanzierung, S. 39.

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schaft den Kaufpreis an den Originator weiterreicht.709 Die Transaktion bringt dem Originator Liquidität, ähnlich wie beim Factoring.710 Dieses einvernehmliche Hauptmotiv wird begleitet vom Ziel des Eigenkapital- und Risikomanagements. Diese Ziele haben im Wesentlichen eine regulatorische Natur711; zweiteres hat allerdings auch eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung. Die reine Refinanzierung der Darlehen könnte auch durch eine einfache Anleihe bewerkstelligt werden. Das Risikomanagement ist hingegen ein tragender Grund, warum gerade die TrueSale-Gestaltung gewählt wird: insbesondere dient die Risikoübertragung der Portfoliodiversifizierung.712 Typisiert man diesen Geschäftszweck bei der True-Sale-Verbriefung, so kommt man nicht darum herum, einen Austausch zwischen Forderungsrechten und Geldzahlung zu sehen: Der „Verkauf“ von Forderungen an das SPV dient dem Austausch eines risikobehafteten Zahlungsstroms (Rückzahlungen von Darlehen) mit einem sicheren Zahlungsstrom (Investitionssumme, „Kaufpreis“). Dies ist die typische Kausalstruktur eines Forderungskaufs: die Aussicht, von jemandem eine Geldsumme eintreiben zu können (Forderung), hat einen eigenständigen Vermögenswert.713 Dieser wird mit einem sicheren Vermögenswert ausgetauscht. Eine andere Beurteilung ist daher tatsächlich wie beim unechten Factoring geboten, wenn die mit den Forderungen übergehenden Risiken beim Originator verbleiben. Dies wird als Credit Enhancement bezeichnet und kann durch verschiedene Vertragsgestaltungen realisiert werden.714 Hier ist besonders eine direkte Bonitätshaftung des Originators denkbar, auch wenn sie in der Praxis aufgrund des Umdeutungsrisikos nicht eingesetzt wird.715 In einer solchen Konstellationen bezweckten die Parteien nicht mehr den Austausch der Risiken selbst (welche einer emptio spei716 entspricht – Geld gegen Chance); die Funktion des Risikomanagements tritt dabei in den Hintergrund. Vielmehr begrenzt sich eine solche Transaktion auf die übrigen typischen Zwecke eines True-Sales: nämlich die Liquiditätsfunktion (die der Kreditierungsfunktion beim Factoring entspricht) und durch die Übertragung der Forderungen auf eine gesonderte Rechtsperson, Kosten des Kapitals zu senken.717 In der Sache hat damit die Übertragung der Forderungen eine reine Sicherungsfunktion, die Verpflichtung des SPV zur Zahlung eine Kreditierungs709

Siepmann, Selbstbehalt bei Verbriefungen, S. 100. Weber, Refinanzierung, S. 44 ff. 711 Weber, Refinanzierung, S. 101. 712 Weber, Refinanzierung, S. 101. 713 Gothe, Verkäuferpflichten und Gewährleistung beim Forderungskauf, S. 24; den Forderungsverkauf könnte man vergleichen mit einer emptio spei, mit dem „Kauf einer Hoffnung“ im römischen Recht: D. 18, 1, 8. Dazu Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, § 41 Rn. 9. 714 Grundlegend Weber, Refinanzierung, S. 187 – 214. 715 Weber, Refinanzierung, S. 129. 716 Vgl. Fn. 713. 717 Weber, Refinanzierung, S. 45. 710

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Kap. 9: Fallstudien artifizieller Vertragsgestaltungen

funktion. Dies entspricht der kausalen Struktur des Darlehensvertrages. In einem solchen Fall ist die Erklärung der Parteien, es handle sich um einen True Sale, einen „echten Kauf“ die Angabe einer scheinbaren Causa, welche analog § 117 Abs.1 BGB unbeachtlich ist. Analog § 117 Abs. 2 BGB ist die wirkliche Causa, der Austausch von zeitweiser Kapitalüberlassung und einem Abschlag, sowie die Sicherung durch die Forderungen entsprechend dem unechten Factoring dem Geschäft zu unterlegen und das Geschäft dementsprechend zu qualifizieren.

B. Umgehung eines Vorkaufsrechts Ein praktisch relevanter Fall von artifiziellen Vertragskonstruktionen ist der Versuch, dem Vorkaufsrecht durch gekünstelte Geschäftsgestaltungen zu entgehen, um den Eintritt des Vorkaufsfalles zu verhindern.718 Ein bemerkenswerter Fall ist BGHZ 25, 174719: Hier lag ein Erbfall vor, dessen Erbmasse unter anderem ein Grundstück enthielt. Der Erbanteil jedes Miterben war demnach mit dem Vorkaufsrecht der anderen Miterben gem. § 2034 Abs. 1 BGB belastet. Der beklagte Miterbe wollte offensichtlich unter Umgehung des Vorkaufsrechts seinen Erbanteil an den (ebenfalls beklagten) Dritten veräußern. Dies geschah durch eine komplexe, sehr gekünstelt wirkende Vertragsgestaltung: Er vereinbarte mit dem Dritten einen Darlehensvertrag und übertrug zur Sicherung seinen Erbanteil an ihn. Hierbei sollten dem Dritten die Nutzungen des vorgeblichen Sicherungsgegenstandes zukommen. Durch Erbvertrag wurde schließlich vereinbart, dass mit dem Tode des verfügenden Miterben dem Dritten endgültig „das Eigentum zufalle“. Das Darlehen sollte mit Vollzug der Sicherungsübereignung unkündbar sein. Schließlich kam es zur Ausübung des Vorkaufsrechtes durch die übrigen Miterben und zum Rechtsstreit. Dreh- und Angelpunkt ist die Qualifikation des Geschäftes als Kaufvertrag. Hier ist Ausgangspunkt die Beschreibung des Zwecks und Gegenstands des Darlehensvertrags: Bei diesem gehe es nicht um die dauernde Vermehrung des Vermögens um das hingegebene Kapital, sondern um die Verschaffung zeitweiliger Nutzung.720 Der BGH geht dementsprechend davon aus, dass die Annahme eines Darlehensvertrages „begrifflich“ die Rückzahlungspflicht voraussetzt, welche aber durch die Vertragsgestaltung praktisch ausgeschlossen worden sei (namentlich durch die Unkündbarkeit und den endgültigen Eigentumserwerb mit dem Tod des Veräußerers). Daher ordnet der BGH den der Verfügung zugrundeliegenden Vertrag aufgrund von dessen Zweck eines Austauschs des „dauernden und uneingeschränkten Genuß[es] dieser Geldsumme“ und „andererseits als Gegenleistung dafür […] die sofortige dauernde und – von unbedeutenden schuldrechtlichen Einschränkungen abgesehen – 718 Als geradezu paradigmatischen Fall des Umgehungsgeschäftes scheint dies auch Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 47 ff. 719 BGH NJW 1957, 1515. 720 BGH NJW 1957, 1515 (1516).

C. Artifizielle Schenkungskonstruktionen und gemischte Schenkungen

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dinglich uneingeschränkte Rechtsstellung eines Miterben zu verschaffen“. Die Rechtsform eines solchen synallagmatischen Vertrages sei der Kaufvertrag, als welcher der Vertrag qualifiziert wurde.721 Wenn der BGH auf den Zweck des Vertrages abstellt, qualifiziert er den Vertrag auf Grundlage seiner Causa. Nicht die von den Parteien behauptete Zweckstruktur (unentgeltliches Darlehen, Sicherungszweck der Erbanteilsübertragung) ist maßgeblich, sondern es wird vom Gericht auf den wirklich verfolgten Zweck (Austausch zwischen Geldzahlungspflicht und dauerhafter Erbanteilsübertragung) abgestellt. Da die Parteien keine Befugnis dazu haben, einen beliebigen, in Wirklichkeit nicht verfolgten Zweck gelten zu lassen, ist analog § 117 Abs. 2 BGB der wirklich verfolgte Zweck (Causa) maßgeblich. Dies formuliert der BGH zwar nicht ausdrücklich, genau der im Rahmen dieser Arbeit postulierten Herangehensweise bedient sich das Gericht hier jedoch in der Sache. Der Verweis des BGH auf die begriffliche Notwendigkeit eines Rückforderungsrechtes des Darlehensgebers beim Darlehen kann – wenn man von einer typologischen und zweckorientierten und nicht von einer nominalistisch-begriffsjurisprudentiellen Sichtweise ausgeht – insoweit verstanden werden, als dass es bei der Verfolgung der typischen Zwecke eines Darlehensvertrages (zeitweilige Nutzungsüberlassung) ausgeschlossen erscheint, dass kein Rückforderungsrecht vereinbart wird.

C. Artifizielle Schenkungskonstruktionen („verschleierte Schenkung“) und gemischte Schenkungen Eine häufige artifizielle Vertragsgestaltung liegt in bestimmten Schenkungskonstruktionen, welche die Unentgeltlichkeit des Geschäfts verschleiern, beispielsweise um Steuerpflichten zu umgehen.722 Hierbei kleiden die Parteien die wirtschaftlich beabsichtigte unentgeltliche Zuwendung in einen entgeltlichen Scheintatbestand. Anders ausgedrückt dissimulieren sie die causa acquirendi gegenüber einer causa liberalitatis. Derartige Konstellationen sollen unter bestimmten Umständen als Scheingeschäft gem. § 117 Abs. 1 BGB nichtig sein.723 Konstellationen, in denen lediglich zum Schein eine Gegenleistungspflicht vereinbart wird, also von Anfang an der Vorbehalt besteht, dass die Gegenleistung nicht geschuldet ist, können sicherlich auf Grundlage der herrschenden Meinung724 ein Scheinge721

BGH NJW 1957, 1515 (1517). MükoBGB/Koch, § 516 Rn. 20 und Staudinger/Chiusi, § 516 BGB Rn. 54 bezeichnen solche Konstellationen als „verschleierte Schenkung“. Steuerrechtlich ist geregelt, dass solche Konstellationen die Schenkungssteuerpflicht nicht umgehen können, § 7 Abs. 4 ErbStG. 723 MükoBGB/Koch, § 516 Rn. 20; Staudinger/Chiusi, § 516 BGB Rn. 54; RGZ 29, 265 – 268. 724 Dazu siehe oben, Kapitel 6. 722

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Kap. 9: Fallstudien artifizieller Vertragsgestaltungen

schäft i. S. d. § 117 Abs. 1 BGB darstellen, da das erklärte Pflichtenprogramm sich nicht mit dem tatsächlich Gewollten deckt. Allerdings kann man auf Grundlage des herrschenden Verständnisses vom Scheingeschäft derartige Konstellationen nicht lösen, in denen ein entgeltlicher Austauschvertrag zu einem bestimmten Kaufpreis besteht, dessen Höhe durch einen bestimmten schenkweisen Abzug gemindert wird (sogenannte „gemischte Schenkung“)725 – hier wollen die Parteien das gewollte Pflichtenprogramm ernstlich in Geltung setzen. Eine Anwendung des § 117 Abs. 1 BGB schiede auf Grundlage der herrschenden Meinung aus, wird auch, soweit ersichtlich, nicht postuliert. Betrachtet man jedoch den Lösungsansatz, den insbesondere die Rechtsprechung726 für die Problematik gemischter Schenkungen vorsieht, so rückt sie sich in auffälliger Weise in Widersprüche zu ihrem Verständnis der Unentgeltlichkeitsabrede und des Scheingeschäfts: Sie möchte nämlich den Charakter des „geschenkten“ Teils der Zuwendung zu Recht nicht lediglich am Verhältnis des Wertes von Leistung und Gegenleistung messen. Insbesondere verlangt sie kein Überwiegen des Wertes der geschenkten Zuwendung gegenüber der vereinbarten Gegenleistung. Stattdessen lässt die subjektive Vorstellung der Parteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung über den Schenkungscharakter entscheiden.727 Diese Unentgeltlichkeitsabrede entspricht einer Einigung über den Zweck der Zuwendung (causa liberalitatis). Diese Behandlung beweist, dass die Unentgeltlichkeitsabrede nicht rechtsgeschäftlich sein kann:728 Denn wäre die Frage der Unentgeltlichkeit in § 516 BGB eine rechtsgeschäftliche, so wären die Parteien frei darin, selbst über die Geltung der Unentgeltlichkeit oder Entgeltlichkeit bestimmen, oder anders ausgedrückt: Sie wären frei darin, einen Vertrag auch zu einem Scheinpreis von einem Euro als entgeltlich gelten zu lassen, obwohl sie damit einen wirtschaftlichen Zweck der Unentgeltlichkeit verfolgten. Auf diese Abrede fände § 117 Abs. 1 BGB freilich keine Anwendung, da die Rechtsfolgen der Entgeltlichkeit ernstlich gewollt sind. Was Vertreter der herrschenden Doktrin nicht zugeben wollen, ist, dass sich die Lösung in einer analogen Anwendung des § 117 Abs. 1 BGB finden lässt und sie damit sehr wohl die Grundsätze der Simulation zur Lösung heranzieht: 725

Zur gemischten Schenkung BeckOK/Gehrlein, § 516 Rn. 13; Staudinger/Chiusi, § 516 BGB Rn. 63 ff.; BeckOGK/Harke, § 516 BGB Rn. 100 ff. 726 BGH NJW 2012, 605 Rn. 15. 727 BeckOGK/Harke, § 516 BGB Rn. 100; MükoBGB/Koch, § 516 Rn. 20; aus der Rechtsprechung z. B. BGHZ 82, 274 (281). 728 Dennoch wird weitgehend von einem rechtsgeschäftlichen Charakter der Einigung über die causa donandi ausgegangen, z. B. BeckOK/Gehrlein, § 516 BGB Rn. 6; MükoBGB/Koch, § 516 Rn. 14. Wenn der Gesetzgeber bei Mugdan, Mot II, S.159 f. die causa donandi als vertraglich bezeichnet, vermag dies für eine Einordnung als rechtsgeschäftliche Einigung (= Vertrag) sprechen. Allerdings sah der Gesetzgeber damit lediglich das Problem, das vermieden werden sollte, dass dem Bereicherten diese Bereicherung als Geschenk aufgedrängt werden sollte. Betrachtet man jedoch die Causa als rechtsgeschäftsähnliche Einigung, so bedarf es auch bei einer nicht-rechtsgeschäftlichen Sicht der tatsächlichen Zustimmung des Bereicherten zur Unentgeltlichkeit.

D. Scheinbar unentgeltliche Zuwendungen als Gegenleistung

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Die Unentgeltlichkeitsabrede (causa donandi) ist als Causa-Vereinbarung (Rechtsgrundabrede) nicht rechtsgeschäftlicher Natur, sondern geschäftsähnlich.729 Es zählt dabei nicht die Causa, die die Parteien nach außen erklären (reine Entgeltlichkeit, causa acquirendi), sondern es wird der tatsächliche Zweck berücksichtigt, den sich die Parteien in Wirklichkeit vorbehalten haben. Dies ist im Ergebnis genau das, was die Rechtsprechung tut, unabhängig, ob man nun von „Einheitstheorie“, „Trennungstheorie“ oder „Zweckwürdigungstheorie“ der gemischten Schenkung ausgeht:730 Sie hat nicht den lediglich vorgegebenen Zuwendungszweck zum Inhalt, sondern den tatsächlichen. Dies entspricht genau der analogen Anwendung des § 117 BGB auf die geschäftsähnliche Causa-Vereinbarung.731 In der Folge führt dies zu einer Umqualifizierung: Das Geschäft wird nicht als ein rein entgeltliches Geschäft behandelt, wie es die Parteien regelmäßig durch die Ausgestaltung als scheinbar entgeltliches Geschäft intendiert haben, sondern als ein gemischt unentgeltlich-entgeltliches Geschäft.

D. Scheinbar unentgeltliche Zuwendungen als Gegenleistung Umgekehrt finden sich in der Rechtsprechung Konstellationen, in denen aus steuerlichen Gründen wirtschaftliche Gegenleistungen als unentgeltlich gestaltet werden:732 Als Vergütung für eine Vorstandstätigkeit bis zur Beendigung eines Aktienerwerbs und zum Anreiz, dass dieser bis zum Ende bleibe, hatte der nunmehr insolvente Aktienveräußerer dem Vorstand der betreffenden Gesellschaft und dessen Ehefrau ein notariell beurkundetes Schenkungsversprechen erklärt, das auf die erfolgreiche Veräußerung bedingt war; die Einkleidung als Schenkung und die Zwischenschaltung der Ehefrau diente dabei der Ausnutzung schenkungssteuerrechtlicher Freibeträge.733 Sowohl Vorstand als auch Ehefrau wurden nun bei der Insolvenz des Aktionärs auf Rückzahlung verklagt. Es stellte sich die Frage, ob diese Zahlungen gem. § 134 Abs. 1 InsO als unentgeltlich anfechtbar waren. Die Vorinstanz sah bezüglich beiden Beklagten die Anfechtung wegen Unentgeltlichkeit nicht gegeben. Bezüglich des Vorstands selbst sah das OLG die Unentgeltlichkeit nicht als gegeben an, da der Vorstand mit dem Schenkungsversprechen „von seinen zuvor geäußerten Rücktrittsabsichten Abstand nahm und durch sein Bleiben zum Gelingen des Verkaufs beitrug“ und „dies objektiv als Gegenleistung zu 729

Vgl. schon oben S. 101 ff. Zu den Theorien vgl. Nachweise bei Staudinger/Chiusi, § 516 BGB Rn. 73 ff. 731 Dies betont ähnlich auch Haymann, JherJb 56, 86, welcher betont, dass es bei dem animus donandi nicht auf den erklärten Willen, sondern auf den wirklichen Willen ankommt (S. 110). 732 So exemplarisch im Folgenden: BGH NJW-RR 2006, 1555, Vorinstanz: OLG Karlsruhe, NZI 2004, 31. 733 So BGH NJW-RR 2006, 1555 (1556) in der Beschreibung des Sachverhalts. 730

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Kap. 9: Fallstudien artifizieller Vertragsgestaltungen

werten“ sei.734 Hierbei sieht das OLG als Maßstab, ob die Beteiligten die Gegenleistung „als Entgelt angesehen haben oder ob gleichwohl der Hauptzweck des Geschäfts die Freigebigkeit gewesen ist“.735 Der erforderliche „subjektive Zusammenhang“ wird vom OLG bejaht, indem es in bemerkenswerter Weise auf die wirtschaftlichen Zusammenhänge rekurriert, nämlich insbesondere die parteilich vorausgesetzte Notwendigkeit, dass bis zum Ende der Aktienveräußerung der Vorstand im Amt bleibe. Dass die Zuwendung als Schenkung bezeichnet wurde, spielte keine Rolle, da das Gericht die Falschbezeichnung durch die Parteien für unbeachtlich erachtete. Für die Ehefrau entschied das Gericht ebenso, da die Leistung an sie aufgrund „wertender Betrachtung“ als Leistung an ihren Ehemann gesehen werden musste, der wiederum eine Gegenleistung zu erbringen hatte.736 Betrachtet man die Argumentation des OLG, so wird auch hier die in dieser Arbeit gewonnene These verfestigt, dass es sich bei der Causa-Vereinbarung um eine geschäftsähnliche Einigung handelt, die ihren Geltungsgrund nicht aus der Parteivereinbarung, sondern aus der tatsächlichen wirtschaftlichen Zwecksetzung durch die Parteien schöpft: Das OLG knüpft an die Rechtsprechung des BGH zu § 134 InsO an, nach welchem zur Ermittlung der Unentgeltlichkeit einer Leistung zunächst das objektive Wertverhältnis von Leistung und (potentieller) Gegenleistung ausschlaggebend ist.737 Dieser Unterschied zu § 516 BGB, der die Einigung über die Unentgeltlichkeit genügen lässt, wird aufgrund der gläubigerschützenden Charakters des Anfechtungsrechts nach § 134 InsO betont.738 Zusätzlich stellt es aber auch auf das Erfordernis der Rechtsprechung ab, dass die Parteien diese Gegenleistung gerade als Entgelt für die Leistung gewollt haben müssen und die Gegenleistung nicht der Freigiebigkeit diente (und damit nicht im Zusammenhang mit der Leistung steht).739 Der Begriff der Entgeltlichkeit im Sinne des § 134 InsO knüpft also auch an die Causa-Vereinbarung an (Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung durch Synallagma oder sonstige kausale Verknüpfung740) – wenn auch nur an zweiter Stelle.741 734

OLG Karlsruhe, NZI 2004, 31 (32). OLG Karlsruhe, NZI 2004, 31 (32). 736 OLG Karlsruhe, NZI 2004, 31 (33). 737 OLG Karlsruhe, NZI 2004, 31 (33). 738 Ausführlich BGH NJW 1991, 560. 739 BGH NJW 1993, 1379 Rn. 11. 740 Die Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung muss nicht zwingend synallagmatisch sein, es genügt auch eine sonstige kausale Verknüpfung: BGH NJW 1993, 1379 Rn. 13, also durch Zweckvereinbarung im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 2 BGB. 741 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 433 ff. will dagegen sogar an die subjektive Freigebigkeit und damit an die subjektive Causa als alleinigen Anknüpfungspunkt auch im Insolvenzrecht anknüpfen. 735

E. Fiduziarische Geschäfte

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Die Anknüpfung an die Unentgeltlichkeit im Falle des § 134 InsO ist damit eine beschränke Anknüpfung an die vereinbarte Causa. Eine Leistung ist dann als entgeltlich einzustufen, wenn die Gegenleistung nicht der reinen Freigebigkeit dient (causa liberalitatis), sondern einen Austausch- oder sonstigen Zweck verfolgt, und zugleich unter der Bedingung, dass der Wert des Entgelts objektiv dem Wert der Leistung entspricht. Die Konstellation in dem angesprochenen Fall lässt sich also der hier besprochenen Fallgruppe der artifiziellen Vertragsgestaltungen zuordnen: Es wurde der Austauschzweck (causa acquirendi) durch eine artifizielle Gestaltung durch eine angebliche Schenkung dissimuliert. Dass die Parteien vereinbart haben, dass das Geschäft Schenkungsrecht unterstehen soll (und durch diese Causabestimmung ein unentgeltliches Geschäft darstellen soll)742, ist jedoch unbeachtlich, da die Rechtsfolgen der Causa-Vereinbarung kraft Gesetzes eintreten. Die Causa-Vereinbarung ist eine Einigung über den wirtschaftlichen, nicht nur rechtlichen Zweck, stellt das OLG doch auf die wirtschaftliche Voraussetzung ab, dass der Empfänger der scheinbaren Schenkung bis zum Ende der Veräußerung im Amt bliebe. Wenn aber nicht der vorgeschobene Zweck der Freigebigkeit (Schein-Causa) zur Geltung gebracht wird, sondern der tatsächliche Zweck, handelt es sich um nichts Anderes als um die hier geforderte Anwendung des § 117 BGB bei artifiziellen Vertragsgestaltungen: Gem. Abs. 1 ist der erklärte Zweck unbeachtlich und gem. Abs. 2 wird der tatsächlich verfolgte (dissimulierte) Zweck berücksichtigt. Und dies gilt, obwohl die Parteien die Causa einer Schenkung gelten lassen wollten; eine Rechtsmacht, eine solche causa simulata entgegen dem wirklich vereinbarten Zuwendungszweck gelten zu lassen, haben die Parteien mithin nicht. Dies ist nichts anderes als eine analoge Anwendung des § 117 BGB auf die Causa.

E. Fiduziarische Geschäfte Bei fiduziarischen Geschäften wird einem Treuhänder ein Überschuss an Rechtsmacht eingeräumt.743 Insbesondere kann dies zum Sicherungszwecke geschehen (Sicherungstreuhand).744 Die Sicherungsübereignung als ein Fall der Sicherungstreuhand dient funktional dazu, dem Sicherungsnehmer ein leicht zu verwertendes Sicherungsrecht zu gewähren, dass auch nicht wie das Pfandrecht an ein Übergabe- und Besitzerfordernis gebunden ist.745 Es wird damit lediglich rechtlich, aber nicht wirtschaftlich das Eigentum zu übertragen erstrebt, vielmehr dient das Sicherungseigentum nicht der wirtschaftlichen Nutzung durch den Sicherungsneh742

S. 70 f. 743 744 745

Zum engen Zusammenhang zwischen Causa und Entgeltlichkeit vgl Klinke, Causa, Medicus/Petersen, BürgR, § 21 Rn. 488. Medicus/Petersen, BürgR, § 21 Rn. 488. BeckOGK/Klinck, § 930 Rn. 60; Jauernig/Berger, § 930 Rn. 21.

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Kap. 9: Fallstudien artifizieller Vertragsgestaltungen

mer, sondern alleinig Sicherungszwecken. Insoweit sind Gestaltungen fiduziarischer Sicherung artifiziell, da zur Umgehung eines bestimmten Normenregimes (dem der Fahrnispfandrechte, §§ 1204 ff. BGB) eine indirekte Gestaltung gewählt wird. Im deutschen Recht wird die Sicherungsübereignung einhellig nicht als Scheingeschäft gesehen.746 Die Argumentation beschränkt sich weitgehend darauf, dass betont wird, die Rechtsfolgen der Eigentumsübertragung seien ernstlich gewollt. Fuchs wollte dagegen auch die fiduziarischen Geschäfte als Scheingeschäft auffassen:747 Das Wesentliche der geschilderten Auffassung liegt nun darin, daß fiduziarische Rechtsgeschäfte hiernach als überhaupt und notwendig, ausnahmslos, ihrem Begriffe nach scheinhafte betrachtet oder, wie man auch sagen kann, daß sie ,an sich‘, ,als solche‘ für Scheingeschäfte angesehen werden, indem eben vorausgesetzt wird, daß durch die Eigenschaft eines angeblich einer bestimmten Art oder Gattung angehörigen Geschäfts als eines fiduziarischen wesentlichem, die Zugehörigkeit dieses Geschäfts zu dieser bestimmten Art oder Gattung begründende Merkmale alteriert oder aufgehoben seine und daß also die von den Kontrahenten gewählte Bezeichnung des Geschäfts als eines auf den betr. Geschäftstypus hindeutende Ausdrucksweise der wahren Natur des Geschäfts nicht entspreche.

Dies versuchte er konstruktiv, indem er ein fiduziarisches Geschäft als nicht mehr zum angegebenen Geschäftstyp gehörig betrachtet, da der fiduziarische Charakter die Wesensmerkmale des jeweiligen Akttypen verändere.748 Für die Sicherungsübereignung argumentiert Fuchs, dass mit dem Akttypus der Übereignung ein spezifischer Zweck verfolgt werde, welcher bei der Sicherungsübereignung nicht verfolgt wird.749 Wer ein Scheingeschäft bei der Sicherungsübereignung annimmt, verkennt jedoch den Charakter der Eigentumsübertragung als abstraktes Verfügungsgeschäft.750 Durch die gesetzliche Ausgestaltung der Eigentumsübertragung als abstraktes und nicht kausales Geschäft hat der Gesetzgeber dem Rechtsverkehr gerade die Befugnis eingeräumt, zu beliebigen Geschäftszwecken ein Geschäft dieses Inhalts abzuschließen. Abstraktheit bedeutet nicht lediglich – wie es trivialerweise häufig ausgedrückt wird –, dass die Gültigkeit des Verfügungsgeschäftes

746 Vgl. nur MükoBGB/Armbrüster, § 117 Rn. 15; BeckOK-BGB/Wendtland, § 117 Rn. 14; BeckOGK/Rehberg, § 117 Rn. 22 ff. 747 Fuchs, Scheinhändel. 748 Fuchs, Scheinhändel, S. 105. 749 Fuchs, Scheinhändel, S. 127 – 129. 750 Auch Thomä, Typenwidrige Zwecksetzung, betont die Bedeutung der Aufhebung kausaler Bindung in der Privatrechtsordnung durch abstrakte Ausgestaltung mancher Geschäftstypen: „Es gibt Sachbereiche, in denen sie [die Rechtsordnung] die Rechtsklarheit und den Bestandsschutz höher achtet und in denen sie daher ihre Geschäftsformen zu beliebigen atypischen Zwecken zur Verfügung stellt.“ (S. 36) Dementsprechend scheint er auch die Anerkennung der Sicherungsübereignung im deutschen Recht zu billigen (vgl. S. 37 f.).

E. Fiduziarische Geschäfte

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unabhängig von der Gültigkeit des Kausalgeschäftes sei.751 Dogmatisch präziser ausgedrückt bedeutet abstrakt im Gegensatz zu kausal, dass die Zweckbestimmung (Causa) einer Zuwendung nicht in den Tatbestand des Rechtsgeschäftes selbst aufgenommen werden muss.752 Die äußere Abstraktion, also die Unabhängigkeit der Wirksamkeit des abstrakten Rechtsgeschäfts von seinem Rechtsgrund, ist dann eine geradezu zwingende Folge dieser inhaltlichen Abstraktion, wäre es doch sinnwidrig, die Wirksamkeit von einem Zweck abhängig zu machen, an deren Angabe es ja gerade mangelt.753 Gerade die inhaltliche Abstraktion knüpft folglich die Anwendbarkeit des Rechts des abstrakten Rechtsakts nicht an den damit verbundenen Zweck. Man könnte die abstrakte Eigentumsübertragung auch als Ausgleich in Hinsicht Privatautonomie sehen, dass die Teilnehmer des Rechtsverkehrs – da sie an die gesetzlichen Typen aus Verkehrsschutzgründen gebunden sind – wenigstens die Möglichkeit haben müssen, zu beliebigen rechtmäßigen Zwecken die sachenrechtlichen Typen von Rechtsakten auszunutzen. Damit zeigen sich auch die rechtspolitischen Grenzen der hier vertretenen Anwendung des § 117 BGB auf die geschäftsähnliche Causa-Vereinbarung: Es kann die Problematik der Gesetzesumgehung mittels abstrakter Verfügungen nicht lösen. Anders als bei kausalen Schuldverträgen ist die kausale Bindung nicht dezisiv für den Typus des Geschäfts. Bei Umgehungskonstellationen, die eine Gestaltung durch abstrakte Rechtsgeschäfte zum Gegenstand haben, und deren Unwirksamkeitssanktion (wie es bei der Umqualifizierung einer besitzlosen Sicherungsübereignung der Fall wäre) zur Frage steht, kann nicht auf eine simulierte Causa abgestellt werden, sondern es muss die Lösung in der Anwendung des jeweiligen Rechts wie nach der herrschenden Meinung gesucht werden, geht es dabei schließlich nicht um die Qualifikation, sondern die sinnweise, analoge Anwendung der Rechtsnormen. Dagegen stellt sich das Qualifikationsproblem weiterhin bei Fragen der Qualifikation der kausalen Verpflichtungsgeschäfte, wie das Beispiel der True-Sale-Umdeutung zeigt:754 hier steht nicht die Wirksamkeit der Übereignung zur Frage, sondern die Qualifikation des Grundgeschäfts, insbesondere im Kontext der Insolvenzordnung.

751 So eine Formulierung findet sich u. a. bei Faust, BGB AT, § 5 Rn. 3: „Es ist nicht nur hinsichtlich des Zustandekommens zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zu trennen, sondern auch hinsichtlich der Wirksamkeit (Abstraktionsprinzip). Mängel des einen Geschäfts beeinträchtigen die Wirksamkeit des anderen nicht. Insbesondere ist die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts unabhängig von der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts.“ Vgl. auch Köhler/Lange, BGB AT, § 5 Rn. 14. 752 Jahr, AcP 168, 9, 16, dies „inhaltliche Abstraktion“ nennend. Dazu auch Wolf/Neuner, BGB AT, § 29 Rn. 65 ff. 753 Jahr, AcP 168, 9, 16. 754 Siehe oben, S. 145.

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Kap. 9: Fallstudien artifizieller Vertragsgestaltungen

F. Zusammenfassung Es lässt sich in der bestehenden Literatur eine divergierende dogmatische Behandlung der Qualifikation artifizieller Vertragsgestaltungen finden: Bei zweifellos entgeltlichen Geschäften (Factoring, True Sale-Verbriefungen), bei denen es bei der Qualifikation auf die genaue Bestimmung der im gegenseitigen Synallagma stehenden Leistungspflichten ankommt, findet die Lehre der Causa keine ausreichende Berücksichtigung bei der Qualifikation. Die Typisierung findet formal anhand angeblicher vertragstypischer Pflichtenprogrammen statt und berücksichtigt nicht ausreichend den vereinbarten Zweck (Causa) als Determinante für die Qualifikation. Bei der Abgrenzung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Causae hingegen werden die im Rahmen dieser Arbeit gewonnenen Ergebnisse bestätigt: Die Causa-Vereinbarung wird von der Rechtsprechung – allerdings unausgesprochen – wie eine geschäftsähnliche Einigung behandelt. Die Parteien werden nach dem wirklich verfolgten Zweck behandelt und nicht nach dem vorgeschobenen, simulierten Zweck. Somit liegt hier unausgesprochen eine entsprechende Anwendung des § 117 BGB vor.

Kapitel 10

Ergebnisse und Ausblick A. Zusammenfassung der Ergebnisse 1.

Die neuere Lehre betrachtet artifizielle Vertragsgestaltungen als ernstlich gemeinte, nicht simulierte Geschäfte. Für sie wird das Umgehungsproblem zu einem Problem der Gesetzesanwendung und nicht der „Sachverhaltsauslegung“, wie Savigny die Anwendung der Grundsätze der Simulation nannte.

2.

Ähnlich wie im englischen Recht betrachtet die bestehende neuere Literatur zum deutschen Recht für die Annahme eines Scheingeschäftes ausschließlich das im Vertrag vereinbarte Pflichtenprogramm isoliert, ohne die die einzelnen Zuwendungen verknüpfende Causae zu berücksichtigen.

3.

Im Mittelalter fand sich dagegen die Lösung für die Problematik in der Qualifikation selbst. Die simulatio a causa in causam sah die unwahre Angabe des Schuldgrundes in einem Vertrag als einen Fall der Simulation an und es wurde die Problematik der Gesetzesumgehung im Wesentlichen durch die Anwendung der dissimulierten Causa zu lösen gesucht.

4.

Der Tatbestand der Causa existiert auch noch im geltenden deutschen Recht als Funktion der einzelnen Verpflichtung im Schuldvertrag für das wirtschaftliche Gesamtgeschäft. Sie ist Ansatzpunkt, auch im deutschen Recht die Umgehungsproblematik bei artifiziellen Vertragsgestaltungen sachgerecht durch Sachverhaltsauslegung zu lösen: Denn auch im deutschen Recht wird die Qualifikation durch die Causa determiniert. Die typischen Geschäftszwecke lassen sich in die drei Zwecke „causa acquirendi“ (Austauschzweck), „causa donandi“ (Schenkungszweck“) und „causa solvendi“ (Erfüllungszweck), bzw. im Allgemeinen Abwicklungszwecke unterteilen.

5.

Die Causa unterliegt der Parteivereinbarung, ist jedoch nicht rechtsgeschäftlich, sondern als „zweite Ebene der Willenseinigung“ geschäftsähnlicher Natur und zwingender Bestandteil jedes kausalen Schuldvertrages. Sie richtet sich damit nach der tatsächlichen wirtschaftlichen Absicht. Sie ist Annex des jeweiligen Zuwendungsgeschäftes.

6.

Geben die Parteien zur Verschleierung einen anderen Schuldgrund in ihrem Geschäft an, als tatsächlich besteht, ist in analoger Anwendung des § 117 Abs. 2 BGB dem tatsächlich verfolgten Verpflichtungsgrund Rechnung zu tragen. Hierbei ist nicht auf den bloß isolierten rechtlichen Zweck abzustellen,

158

Kap. 10: Ergebnisse und Ausblick

sondern auch auf den wirtschaftlichen Zweck der vereinbarten Vertragspflichten. 7.

Die Privatautonomie gebietet damit die freie Gestaltung von Pflichtenprogrammen, nicht jedoch die zweckwidrige Verwendung von Aktstypen.

8.

Findet bei einem Vertrag die wahre Causa Berücksichtigung, so führt dies bei artifiziellen Vertragsgestaltungen zu einer Umqualifizierung des Vertragstypus in den natürlichen Vertragstypus, da die Causa bei typologischer Betrachtung der Vertragstypenlehre das maßgebliche Qualifikationskriterium darstellt.

9.

Die Literaturmeinungen zur Rechtsnatur von Factoring- und Verbriefungsgeschäften berücksichtigen nicht ausreichend die Causa als qualifikationsbestimmendes Element.

10. Die Rechtsprechung zu artifiziellen Schenkungskonstruktionen bzw. zu reziproken Konstellationen wendet faktisch die hier postulierte Simulationsdoktrin an, da sie dem Rechtsverkehr die freie Bestimmungsmöglichkeit über die Causa nimmt und ihn auf die von ihm tatsächlich wirtschaftlich intendierten Zwecke verweist.

B. Ausblick Die moderne Rechtslehre berücksichtigt in ihren Erwägungen nicht ausreichend den Vertragszweck (Causa) als eigenständiges juristisches Kriterium. Dies führt nur zu stückchenweisen Lösungsversuchen, welche den Strukturähnlichkeiten insbesondere von Synallagma und Unentgeltlichkeit als Causa nicht gerecht werden und dabei es versäumen, sie als in ihrer Rechtsnatur identisch zu begreifen. Stattdessen wird vielfach das Substrat des Rechtsgeschäftes in ihrem Charakter als reine „Geltungserklärung“ gesehen, und damit isoliert – losgelöst vom tatsächlich-wirtschaftlichen Zweck – das vereinbarte Pflichtenprogramm eines Schuldvertrages betrachtet. An diesem Mangel leidet insbesondere das Verfahren der rechtlichen Qualifikation, insbesondere wenn versucht wird, die Hauptleistungspflichten zu bestimmen, ohne den Zweck des Vertrages als Causa zu berücksichtigen. Literatur und Rechtsprechung versäumen den wirtschaftlichen Charakter von Causabestimmungen als tatsächliche Einigung über ihren wirtschaftlichen Gehalt, der zu gesetzlichen Rechtsfolgen führt, einheitlich anzuwenden; Ansätze finden sich dabei nur bei der Behandlung der gemischten Schenkungen und der umgekehrten Konstellation des als unentgeltlich getarnten entgeltlichen Geschäfts. Dabei wird verkannt, dass es sich um eine Sonderform der Simulation handelte, nämlich um die

B. Ausblick

159

Simulation eines Rechtsgrundes über einen anderen (in der mittelalterlich-scholastischen Jurisprudenz „simulatio a causa in causam“ genannt).755 Wird der wirtschaftliche Charakter der Causabestimmung betont, so ist jedoch die herrschende Rechtsfolgentheorie nicht aufzugeben. Eine Willenserklärung als solche ist und bleibt auf einen bestimmten Rechtserfolg gerichtet. Jedem kausalen Zuwendungsgeschäft liegt dagegen eine zweite, tatsächliche Willensebene zugrunde, die eine Rechtstatsache darstellt, aber selbst nicht auf einen Rechtserfolg abzielt. Willoweit zieht dagegen die gegensätzliche Konsequenz: Er möchte sogar nicht rechtsgeschäftliche Vereinbarungen wie Gefälligkeiten im sozialen Bereich, da sie einen Rechtsgrund zu begründen vermögen, unter den Begriff des Rechtsgeschäftes ziehen.756 Gleichzeitig lehnt er die Auffassung der Grundfolgentheorie ab, nach welcher das Rechtsgeschäft den wirtschaftlich-empirischen Zweck zum Substrat habe.757 Die Folge der hier vertretenen Auffassung im Hinblick auf die Struktur des Rechtsgeschäfts ist, dass der klassische Begriff der Privatautonomie, das „Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen“758, differenzierungsbedürftig wird. Im engeren Sinne betrifft das Prinzip die rechtsgeschäftliche Privatautonomie (wir können sie als Privatautonomie „ersten Grades“ bezeichnen). Sie umfasst die Anerkennung der finalen Rechtsgestaltung, also des auf eine Rechtsfolge gerichteten Willens. Im Kontext von Zuwendungsgeschäften, zu denen jegliche Schuldverträge gehören, ist damit Gegenstand der privatautonomen Regelung die Zuwendung durch Veränderung der Rechtslage selbst – im gegenseitigen Vertrag also die Zuwendung der vertraglichen Rechte. Die funktionale Verknüpfung dieser Pflichten als gegenseitig, als Anerkennung einer Leistung als Entgelt für die andere, ist dagegen regelmäßig keine Regelung der Parteien, sondern beruht erst auf einer zweiten Willensebene: auf der gemeinsamen empirisch-wirtschaftlichen Zweckvorstellung der Parteien. Hier erkennt das Recht nicht die privatautonome Gestaltung der Rechtslage als solche an; Geltungsgrund der Rechtsfolgen der Causa ist gerade nicht die Anerkennung schöpferischer Gestaltung der Rechtslage. Vielmehr erkennt es die mit einer Zuwendung (welche durch das Zuwendungsgeschäft getätigt wird) verfolgte wirtschaftliche Zwecksetzung auf der Ebene des Rechtes an. Diese wirtschaftliche Zwecksetzung ist jedoch freilich der eigentliche Kern des freien wirtschaftlichen Handelns selbst: Der verfolgte sozialökonomische Zweck (Austauschzweck, Schenkungszweck) ist gerade Kern des Handelns. Man könnte es zuspitzen, dass der wirtschaftliche Zweck das „Was“ des Rechtsgeschäftes darstellt und die durch Rechtsgeschäft herbeigeführte Vermögensverschiebung nur das „Wie“. Insoweit berührte Lenels Grundfolgentheorie759 755 756 757 758 759

Siehe oben, S. 32 ff. Willoweit, Nicht rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, S. 102 f. Willoweit, Nicht rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, S. 104 f. Flume, Rechtsgeschäft, S. 1. Lenel, JherJb 19 (1881), 154. Siehe oben, S. 94 f.

160

Kap. 10: Ergebnisse und Ausblick

die richtigen Probleme einer Willenstheorie, die isoliert den Rechtsfolgenwillen berücksichtigte. Eine Bestimmung des Substrats des Rechtsgeschäft als den verfolgten wirtschaftlichen Zweck widerspricht jedoch schlicht der positiven Entscheidung des Gesetzgebers für die Rechtsfolgentheorie.760 Die Anerkennung der wirtschaftlichen Zwecksetzung der Parteien als für die Rechtsordnung verbindlich ist jedoch in gleicher Weise Ausdruck der Anerkennung der Privatautonomie wie die Anerkennung der gewollten Rechtsfolgen. Es genügt also nicht, den Begriff der Privatautonomie rein rechtsfolgenbezogen zu betrachten, wie z. B. Flume es versucht. Wenn man auf dem Boden des herrschenden Verständnisses von Rechtsgeschäft und Willenserklärung die Causa als „geschäftsähnlich“ charakterisiert, ist dies lediglich die begriffliche Notwendigkeit, die aus dem Verständnis vom Rechtsgeschäft resultiert – nicht jedoch soll eine solche Bezeichnung deren juristische Relevanz und die besondere Bedeutung herunterspielen, die sie für den Teilnehmer des Rechtsverkehrs hat. Eine Rolle spielt dies, wie gezeigt, insbesondere bei der Qualifikation; einen rein „juristischen Gehalt“, wie ihn die englische Rechtsprechung behauptet, gibt es bei keinem Rechtsgeschäft. Die Causabestimmung lässt den wirtschaftlichen Gehalt in den juristischen Gehalt einfließen.

760

Siehe oben, S. 94 f.

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Sachwortverzeichnis Artifizielle Vertragsgestaltung

16

Baldus 26, 30, 129, 161 Bartolus 26, 32 causa 24, 69, 88 ff., 101 causa simulata 32, 93, 135, 153 cause simulée 38, 88 Eigenqualifikation 42 Erklärungstheorie 123 Factoring 140 ff. Fiduziarische Geschäfte 153 Französisches Recht 38 ff., 83 fraus legis 32, 34, 47, 123, 140 geschäftsähnlich 101, 115, 118, 124, 139 Geschäftsgrundlage 79 ff., 83, 102 ff., 107 f. Gesetzesumgehung 47 ff., 121 Grundfolgentheorie 94 f. Insolvenzrecht

152

lex privata imperfecta

109

Privatautonomie Qualifikation

123, 126 ff.

64 ff., 89 ff., 121

Recharacterisation 41 ff. Rechtsfolgentheorie 55, 96, 101, 114 Rechtsgrund 70 ff., 76 Rechtsnatur 101 ff. Römisches Recht 21, 28 Schenkung 90, 113 ff., 149 ff. Synallagma 76, 78, 85, 89, 98, 102 ff., 115 True Sale

145 ff.

Unentgeltlichkeit

113, 149

Verbriefung siehe True Sale Vorkauf 148 Wertbewegung 96 Wiederkauf 26, 32, 52 ff. Willenstheorie 123 f., 159 Zinsverbot, kanonisches 36, 52 Zweckverfehlung 108 ff.