C. M. Wielands Sämmtliche Werke: Band 7/8 Poetische Werke [Reprint 2021 ed.]
 9783112412343, 9783112412336

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

€♦ M. WielaadS

sämmtlich« Werke Siebenter Band.

Herau-gegeLe«

ZG. Grube?.

Poetisch« Werk« VII. Band.

! e t p t i Lay Georg Joachim Göschen igM.

z n

-

a

l r.

Nadine. Crdeng lück. Celia an Dämon. Komische Erzählungen.

Diana und Cndymion. DaS Urtheil des Paris. Aurora und Cefalus. Bruchstücke von Psyche. Aspasra. KombabuS.

DaS Leben ein Traunr.

Nadine.

Line LrzLhlung in Priors 8Renter,

x 7 6 a.

»»Nadin«, komm, und misch in demen'Kuß

D«n Zauberton, der Filomelens gleichet, Indeß di« Nacht mit unbemerktem Fuß Den jungen Tag in Floren- Arm beschleichet. »Lin Augenblick wird schon |u cheu'r versäumt; Sie fliehn, fie fliehn mit Flügel» an den Fußen, Die Stunden fliehn, die unter unfern -küssen Lin tzuincika am Huell der Lust verträumt.

»Hat meinen letzten Hauch dein Mund «inst auf­ geküßt. Was folget uns in- öde Reich der Schatten? Acht die Lrinnerung was »vir genoss«« hatten 3st mehr vielleicht als dann uns übrig ist." So spricht AmyNt, and drückt, indem «r's spricht, An ihr«» Schwanenhals sein glühendes Gesicht, And fühlt, vom Arm der'Lieb« sanft umwunden, Den gange« Werth der eilenden Secunden.

Mit Augen, wo die Traurigkeit In süße Wollust schmilzt, verschämt, doch hingerissen

Don eurer Macht, Natur und Zärtlichkeit, Entwindt -e lässig nur fich seinen heißen Küssen. Die schlaue Nacht zieht jüngferlich bescheiden Ein Wölkchen, tote vom dünnsten Silberflor,. Dem GeitrnbllL- der spröden Lunu vor; Em Rosenbusch wächst schnell um fie empor. Und ungesehn umflattert fie ein Kor Don Liebeö göttern und von Freuden.

Nur Einer au< der kleinen Schaar, Ein lunger Scherz, von dreisterem Geschlechte, Den eine Grazie dem schönsten Faun gebar. Setzt schalkhaft auf dein braunen Haar An deiner Stirn, Nadi ne, sich zurechte. Amynt wird ihn zuletzt gewahr, Und will den losen Gaukler fange«; Allein der Scherz, der letcht von Füßen war, Entschlüpft, und flieht in eins der Grübchen ihrer Wangen.

Auch hier verfolget ihn Amynt. Nun, denkt er, soll imr's doch in ihren Lippen glücken!

Ja! wäre nicht jein Gegner schnell besinnt Den kleinen Gott nnt Küssen zu ersticken.

Nadine

7

Er zappelt, wie ein junger Aal Im feuchten Retz, und schlägt und sträubt sich mit den Flügeln, Bis zwischen sanft erhabnen Hügeln Don warmem Schnee ein dävnnernd Rosenthal Sich ihm entdeckt. — Er gluscht an einer Leiter Don Bändern unvermerkt herab. Umsonst! Der Mund, der kerne Rast ihm gab, Folgt chm durch Berg und Thal, und trrebt ihn

immer weiter. Wohin, o Denus, faU er fliehn? Wo kann er zu entrinnen hoffen? tffhe soll er sich der Schmach, erhascht zu seyn, ent-

ziehn? Wo ist noch eine Zuflucht offen 3 So wie em Reh, vom frühen Horn erweckt, Mit raschem Lauf, der kaum daö GraS berühret, Don Bergen flieht, dann steht, dre Ohren recklj, Dann schneller eiU, vom Nachhall fartgeschreckt, Und sich zuletzt in einen Hain verlieret, Wo krauser Büsche Nacht thu seinem Feind versteckt:

So eilt der schlaue Scherz, ganz athemlos vor Schrecken, So (tif er kann in eine Freistatt sich. Wo ihn fern Jager sicherlich Richt suchen werde, zu verstecken.

V

Saline,

Der Flüchtling glaubt, in Paso« tiefste» Hain? Wo, unentdeekt sogar bei Sonnenschein, Sich Amor oft an Spröden schon gerochen.

Glaubt in Cythereus Hriligthum, In Dtdals Labyrinth, ja im Elysium Richt sicherer zu seyn als roo er sich verbrochen. Allein der Liebesgötter Schaar Die, Dienen gleich, doch unsichtbar, In Trauben an Radinen« Wangen An ihrem Rosenmund, an ihrem Busen hangen. Bemerkten bald die reizende Gefahr, Und schrien laut — als et zu späte war r Ach! Brüderchen, da bist gefangen l

Erdengkücf.

2(

n

§

h

l

v

e.

1766.

Hüpfend, wie das Blut in deinen Adern, scherze^

Chloe, deine Seel' ihr Daseyn hin;

Keine Ahndung ferner Uebel schwärzet

Deinen freien unbewölkten Sinn; Alles, daucht dir, ift wie deine Wangen

Rofenroth z gleich Liebesgöttern hangen

Tausend Hoffnungen, von brütender Begier Sanft entfaltet, gaukelnd über dir.

Jeder Wunsch, der mit Vergnügen schmeichel^ Scheust dir schuldlos r du erfuhrst noch nich^

Daß der Schmerz sich oft zu WolluA heuchelt. Und die Hoffnung stet- zu viel verspricht.

1a

tfbenjlürf. Ach! warum, o Chloe,- flnd's nur Träume,

Denn die Fantasie, mit eitler Schöpfungskraft^

Goldne Wetten um uns her erschafft? Lauter Lust, wohin bas Auge gafft.

Lauter Rosen, lauter Myrteubäume; Göttertisch yon Grazien gedeckt,

Nektar aus Tokai in allen Flüssen, Schlaf auf Schwanen, den zu stillen Küssen

Amor ost, die Sorge niemals, weckt; Lauter Feste, Tänze, frohe Spiele, Lauter Unschuld, Eintracht, Zärtlichkeit,

Kurz, der Menschen ganze Lebenszeit

Sin Gewebe lieblicher Gefühle — Welch ein Traum ! —

Warum (so ruft, entzückt

Don N annett' im kurzen Unterrocke,

Tristr am aus, indem deS Mädchens schwarze Locke

Eich im ungelernten Tanz entstrickt,

Und ihr lächelnd Aug' unwissend Liebe blickt) »Ach! warum, du, dessen Wohlbehagen Unsre Freuden schafft und unsre Plagen,

Kann nicht hier ein Mann fich in der Freude Schooß

Erdeng t u ck.

r-

Riederlegen, tanzen, fingen, und sein Pater sagen.

Und gen Himmel mit Ranetten gehn?

Eitler Wunsch! vielleicht verzeihlich im Entstehn, Aber dein Gesetz der ernsten Weisheit — Sünde!

Ein Derhangniß, dessen dunkle Gründe

Wir vielleicht in bessern Welten sehn, Findt für diese Welt ein reineS Glück -u schön, Mischt in jeden Tropfen Lust geschwinde

Zwei von Bitterkeit, gefällt fich, (wie eS scheint) Jede Hoffnung

selbstgewähtter Wonne,

Wenn zu unsern Wünschen alles fich vereint,

Plötzlich zu verwehn, erfindet jeden Morgen,

Der uns Lust verhieß, unvorgesehne Sorgen, Giebt die Unschuld oft der Bosheit, dem Betrug

Preis, und lohnt die Treu' mit einem Aschenkrllg.

Chloe, hoffe nicht, daß innerhalb dem Kreise, Der den Erdball von dem Sternenfeld

Trennt, die Wo an' uns je ihr himmlisch Antlih weife! Ach! fie finkt nicht bis zur Unterwelt^'

Alle diese schönen Lustgefichte, Deren Raute deine junge Brust

14

Erdeaglück.

UeberwaLeu macht, find bloße Gchaugericht«,

Leicht« Träum' unwesentlicher Lust! Freundschaft, Liebe! ach! euch laste» uas di«

Götter

Nur von fern aus offnem Himmel sehn; Diesseits her versetzt, find eure Früchte — Blätter, Die mit leere« Schmuck das Auge hintergehn!

Celia

an

Dämon.

Rach dem Englischen. Coll eeti.e of Poem» Val. Ul. p. 14a.

Mein, Dämon, läng« feU mein Mund Dich nicht um deinen Sieg betrügen! Austichtig als ich widerstund Sollt' ich unedel unterliegen? Du triumfierst! Was half es mir, Wenn ichs noch läng« mir verhehle? Ach! diese Spiegel mein« Seele D«rath«n mein Geheimniß Dirk

Ja, Dämon, ja, du triumfierest, Mein H«z «giebt sich, es ist dein: Doch laß, v laß genug dir seyn Daß du es unumschränkt regierest. Nimm »um Beweise diesen Kuß, Seit ersten den ein Mann von mir davon getragen; Rur fordre nicht — ich wär' es -u »«sagen Vielleicht zu schwach"— was ich versagen muß. Laß, theur« Jüngling, nicht »«gebens D« Tugend letzten Seufz« seyn! Das Glück, die Ruhe meines Lebens Steht nun bei dir, bei dir allein. ÄitlenM SB. 7- »6.

1$

Telia

an

Dramas.

Zwar hab^ ich -egen dich Entschliekungen genommen, Und Engel' hörten meinen Schwur; Doch, bester Dämon, lab es nur, L laß es nicht — zur Probe kommen I Gey Du vielmehr der P e «i u Der Unschuld, die in deinen Schutz sich giebet. Und die nur darum zittern muß, Weil sie dich über alles liebet!

komische Er-ählsirgeir,

Diana und Lndymion-

Da- Urtheil de- Pari-Aurora und Cefalu-.

Diana und E n d y m i o n.

Line scher,hafte Erzählung i 7 ö 2.

An jener dichterischen Zeit/

Mit deren Wundern uns der Amme Freundlichkeit Durch manches Mahrchen einst in süßen Schlummer wiegte; Als sorgenfreie Mäßigkeit Eich ohne Pflichten, ohne Streit, Mit dem was die Natur freiwillig gab, begnügte, Nein Mädchen spann, kein Jüngling pflügte, Und manches thunlich war, was Seneka verbeut; Eh' noch der Stände Unterscheid Aus Brüdern Nebenbuhler machte, Und gleißnerische Heiligkeit Das höchste Gut der Sterblichkeit, Den frohen Sinn, um seine Unschuld brachte; Und kurz, in jener goldnen Zeit, Als Mutter Isis noch, von keinem Joch entweiht, Gesetze gab wodurch sie glücklich machte, Die Welt noch kindisch war, und alles scherzt' und lachte: In dieser Zeit lebt' einst auf Latmos Höh'n Ein junger Hirt, wie Ganymedes schön.

24

Komische Erzählungen.

Schön wie Narciß, doch nicht so spröde, Wie Ganymed, allein nicht halb so blöde. Sobald man weiß, Endymion War schön und jung, so denkt ein jedes schon Daß ihn die Mädchen gerne sahen; Ium mindsten liefen sie nicht oft vor ihm davon, Das läßt sich ohne Scheu bejahen. Die Kronik sagt noch mehr,, als ich Den Musen selbst geglaubet hätte: Sie buhlten, spricht sie, in die Wette Um seine Gunst; sie stellten sich Ihm wo er ging in Steg' und Wege, Sie warfen ihm oft Blumen zu Und flohn dann hinter ein Gehäge, Belauschten seine Mittagsruh Und guckten ob er sich nicht rege. Man sagt daß er im Bad sogar Nicht immer ohne Zeugen war; Allein, wer kann so was beweisen? Genug, der Tag begann die Stirne kaum zu weisen, So wurde schon von mancher schönen Hand Der Blumenflur ihr schönster Schmuck entwandt; So putzte schon, dem Schäfer zu gefallen, Im Hain, am Bache, sich der Npmfen ganze Schcar; Die badet sich, die flicht ihr blondes Haar, Die läßt es frei um weiße Schultern wallen. Herab gebückt auf fluffige Krystallen Belächelt sich die schöne D a m a l i s.

Diona und Endymion.

25

Wie vieles macht des Sieges sie gewiß! Ein Mund, der Külsen winkt, ein Lilienhals und Nacken, Der Augen feuchter Glanz, die Grübchen in den Backen, Ein runder Arm, und o! der Thron der Lust, Die blendende, kaum aufgeblühte Brust! Mit Einem Wort, nichts zeigt sich ihren Blicken, Das nicht verdient selbst Götter zu berücken: Sie sieht's und denkt, ob Le da ihrem Schwan Mehr Reitzungen gewiesen haben kann? Und zittert doch und wünscht: O sande mich Endymion nur halb so schön als ich ! Die Schönheit wird mit Wunder an geblickt, Doch nur Gefälligkeit entzückt. War Juno nicht, war nicht Minerva schön, Als Z e v s den Paris ausersehn, Den Streit der Schönheit zu entscheiden? Man weiß, sie ließen sich, um bösen Schein zu meiden, Dem Richter ohne Röcke sehn. Sehr lange ließ der Hirt von einem Reitz zmu andern Die ungewissen Blicke wandern. Und zehnmahl rief ein neuer Blicf Den schon gefaßten Schluß zurück. Untadelig ist alles was sie zeigen; Beisammen sind sie gleich, allein Scheint jede reitzender zu seyn: Was wird zuletzt des Schäfers Urtheil neigen?

-6

Lomrfche Erzählungen.

Der Juno Majestät? der Pallas Würde? — Rein! Die flößen nicht- als Ehrfurcht ein; Ein stärkrer Reitz wird hier den Ausschlag geben müssen. Sie, die so zaubrifch lächeln kann, Lythe^e lacht ihn an — er fallt -u ihren Füße«, Und beut der Lächelnden den goldnen Apfel an. Gefälligkeit raubt unserm Schäfer oft Die Gunst, worauf umsonst die stolze Schönheit hofft. Die blaffe Schaar der halb verwelkten Wangen Erwirbt durch zärtliches Bemühn, Durch Blicke, die an seinen Blicken hangen, Und süßen Scherz manch kleines Recht an ihn. Wie eifern sie, ihm liebzukosen! Die schmückt sein Lamm, die kränzt ihm Hut und Stab; Der Lenz ward arm an Blüth' und Rosen, Sie pflückten ganze Haine ab; Sie wachten, daß ihn nicht- in skinem Schlummer störte, Sie pflanzten Lauben hin, wo er -ü weiden pflag Und weil er gerne flngen hörte. So sangen sie den ganzen Tag. Des Tage- Lust schließt bis zum Sternenglanz Manch muntre- Spiel, und mancher bunte Tanz; Und trennt zuletzt die Rächt den ftohen Reih'n, So schläft er sanft auf Rosenbetten ein. Die Rymfen zwingt der keuschen Göttin Schein

Sich allgemach hinweg -u stehlen;

Diana

ün-

Lndymioit

*i

Sie zögern zwar, doch muß et endlich feen. Sie geben ihm die Hand, die angenehm« Seelen, Uns wüüschen ihm wohl zehnmal gute Recht; Doch weil der Schlaf fich oft erwarten «acht, Bleibt Tine stets zurü

Er reckt sein lange- Ohr Bei jedem leisen Zischen Aus dem Gesträuch hervor, Lin Rymfchek zu erwischen, Das in den finstern Büschen Melleicht den Weg verlor. Er sucht im ganzen Hain Mit wohl zerzausten Füßen;

Diana und Endymiou.

33

Umsonst! der Göttin Dräun Zwang sie, sich einzuschließen; Die armen Mädchen muffen Für kürzre Nächte büßen, Und schlafen jetzt allein. Dem Faun finkt Ohr und Muth-

Gr kehrt mit kühlerm Blut Beim ersten Morgenblick Zu seinem Schlauch zurück: Gr denkt, mich zu erhenken. Da müßt' ich albern seyn; Ich will die Pebespein In süßem Most ertränken!

Indessen schwebt der Göttin Wagen schon Nah über jenem Ort, wo in deS Geißblatts Schatte« Die Nymfen dir, Gnd^wion, vielleicht auch sich, so sanft gebettet hatten. Wie reihend lag er da! — Nicht schöner lag Adon An seiner Göttin Brust, die seinen Schlaf bewachte, Mit liebestrunknem Blick auf ihren Liebling lachte,

Und still entzückt »auf neue Freuden dachte; Nicht schöner tag, durch doppelte Gewalt Der Feerei und Schönheit überwunden/ Der Wollustathmende R i n a l d Dyn seiner Zaubrerin umwunden, Als hier, vom Schlaf gebunden, Undymion — gesteht, daß die Gefahr SB. 7* Go.

34

Komische Erkühlungen.

Richt allzu klein für eine Spröde war! Das Sicherste war hier — die Augen -uzumachen. Sie that e< nicht, und warf, jedoch nur obenhin Und blinzend einen Blick auf ihn. Sie stutzt und hemmt den Flug der schnellen Drachen, Schaut wieder hin, erröthet, kebt zurück,

Und suchet mit verschämtem Blick Ob sie vielleicht belauschet werde: Doch da sie ganz allein sich steht, Lenkt fle mit ruhigerm Gemüth Den Silberwagen sanft zur Erde; Bückt stch, auf ihren Arm gestützt, Mit halbem Leib heraus, und überlaßt stch itzt Dem Anschaun ganz, womit nach Platons Lehren Sich in der andern Welt die reinen Geister nähren. Ein leicht beschattendes Gewand Erlaubt dert ungewohnten Blicken Rur allzu viel — fie zu berücken. Man sagt sogar, fie zog mit leiser Hand Auch dieses weg — doch wer hat zugesehen? Was sagt man nicht? — Und war' es äuch geschehen, So zog fie doch beym ersten Blick Gewiß die Hand so schnell zurück Als jenes Kmd, das einst im Grase spielte, Rach Blumen griff, und eine Schlange fühlte. Indessen klopft vermischt mit banger Lust Ern süßer Schmerz in ihrer heißen Brust; Ein zitterndes, wollüstiges Verlangen

Diana und Ettdymian.

35

Bewölkt ihr schwimmend Aug' unv brennt auf ihren Wangen. Wo, Göttin, bleibt dein Stolz, die harte Sprödigkeit? Dein Busen schmilzt wie Schnee in raschen Flammen!

Kannst du die Rymfen noch verdammen? Was ihre Schuld verdient, ist's Tadel oder — Neid? Die Neugier hat, wie Jo oa st er lehrt, Don Anbeginn der Weiber Her- bethört. Man denkt, ein Blick, von ferne, von der Seiten,

Ein bloßer Blick, hat wenig -u bedeuten. O! glaubet mir, ihr habt schon viel gethan: Der erste Blick zieht stets den andern an; Das Auge wird (so sagt ein weiser Mann) Nicht satt vom Sehn, und Lünens Beyspiel kann Uns hier, wie wahr er sagte, lehren. Der Gegenstand, der Ort, die Zeit, Wird die Entschuldigung der Göttin machen muffen. Selbst ihre Unerfahrenheit Vermindert ihre Strafbarkeit. So neu sie war, wie kann sie wissen,

(Wie manche wiffen's nicht!) daß man Dom Sehn sich auch berauschen kann? Sie schaut, und da sie so, wie au- sich selbst gerissen, So unersättlich schaut, kommt sie ein Lüstern an Den schönen Schläfer gar — -u küssen. Zu küssen? — Ja: doch, man verstehe «ich, So züchtig so unkörperlich, So sanft, wie junge Iefyrn küssen;

36

Komische Erzählunaen-

Mit dem Eedanken nur Von einem solchen Kuß, Wovon Ovidius Die ungetreue Spur Nach mehr als einer Stunde (Laut seiner eignen Hand) Auf seines Mädchens Munde Und weißen Schultern fand. Es kostet ihr, den Wunsch fich zu gestehen. Sie lauscht und schaut sich um. Doch allgemeine Ruh Herrscht weit umher im Thal und auf den Höhen. Kein Blättchen rauscht. Itzt schleicht sie leist hinzu, Bleibt unentschlossen vor ihm stehen, Entschließt sich, bückt sich sanft auf seine Wangen hin, Die, Rosen gleich, in süßer Rothe glühn, Und spitzt die Lippen schon, und itzt — itzt war's ge­ schehen, Als eine neue Furcht (wie leicht Wird eine Spröde scheu!) sie schnell zurücke scheucht. „Sie möcht' es noch so leise machen, So könnte doch der Schäfer dran erwachen. Was folgte drauf? Sie müßte weiter gehn, Ihm ihre Neigung eingestehn, Um seine Gegenliebe flehn, Und sich vielleicht — wer könnte das ertragen? Vielleicht sich abgewiesen sehn — Welch ein GedankeKann Diana so viel wagen? Bei einer Venus, ja, da möchte so was gebnl

D.iana^ und Cndymi^n.

37

Die giebt oft ungestraft den Göttern was zu spaßen. Und kann sich eh' im Netz ertappen lasten . Als ich, die nun einmal die Spröde machen muß, Bei einem armen trocknen Kuß. Und wie? Er sollte mich zu seinen Füßen sehn? Dianens Ehre sollt' in seiner Willkühr stehn? Wie? wenn er dann den Ehrfurchtsvollen machte, (Man kennt der Schäfer Schelmerei) Und meiner Schwachheit ohne Scheu An einer Nymfe Busen lachte? Wie würde die der Rache sich erfreun, Und meine Schmach von Hain zu Hain Den Schwestern in die Ohren raunen! Die eine sprach's der andern nach, Bald wüßten's auch die Satyrn und die Faunen, Und sängen's laut beim nächtlichen Gelag. In kurzem eilte die Geschichte, Vermehrt', verschönt, gleich einem Stadtgerüchte, Bis zu der obern Götter Sitz, Dem Momus, der beim Saft der Nektarreben Die Götter lachen macht, und Junon's scharfem Witz Beim Theetisch neuen Stoff zu geben." Die Göttin bebt, erblaßt und glüht Dor so gefährlichen Gedanken; Und wenn sie dort die Neigung zieht, Sö' macht sie hier die Klugheit wanken. Man sagt, bei Spröden überzieh'

38

Komische Elkz^hlwnge«.

Die Liebe doch' die Vorsicht nie. Ein Kuß mag freilich sehr behagen, Doch ist's am Ende nur ein Kuß; And Freuden, wenn man zittern muß, Sind doch (was auch Ovide sagen) Für Schönen nicht gemacht, die gerne — sicher gehn. Schon fängt sie an, nach ihrem Drachenwagen Unschlüssig sich herum zu drehn; Schon weicht ihr scheuer Fuß — doch bleibt er wieder stehn; Sie kann den Trost sich nicht versagen, Nur Einmal noch (was ist dabei zu wagen?) Den schönen Schläfer anzuseha.. »Noch einmahl? ruft ein Loyolist: Und heißt denn das nicht alles wagen?* Dielleicht; doch ist es, wie ihr wißt, Genug, die Göttin los zu sagen, Daß sie eS nicht gemeint. Die Frist War allzu kurz euch Raths zu fragen; Und überdieß, vergönnet mir zu sagen, Daß Pater Eskobar auf ihrer Seite ist. Vorsichtig oder unvorsichtig, Uns gilt eS gleich; genug, fö viel ist richtig,

Sie bückte sich «och einmahl hin, und sah (Doch mit dem Vorsatz ihn auf ewig dann ztt fliehen) Den holden Schläfer an. — Betrogne Cynthia! Schon kann sie ihm den Blick nicht mehr entziehen, Und bald vergißt sie auch zu fliehen.

Diana und Endipmion.

39

Ein fremde- Feuer schleicht durch ihren gän-en Leih, Ihr feuchtes Aug' erlischt, die runden Knie erbeben. Sie kennt fich selbst nicht mehr, und fühlt in ihrem Leben Sich itzt zum ersten Mahl — ein Weib. Erst ließ fich ihr Gelüst mit Einem Kusse büßen. Itzt wünscht fie schon — fich satt an ihm zu küssen; Nur macht fie stets die alte Sorge scheu. Diana muß fich ficher wissen, Und wird.ein wenig Feerey Zu brauchen fich entschließen müssen.

Ls wallt durch ihre Kunst Ein zauberischer Dunst, Don Schtummerkraften schwer, Um ihren Liebling her. Er dehnt fich, streckt ein Bein,

Und schläft pezaubert ein. Sie legt fich neben ihn Aufs Rosenlager hin, (Es hatte, wie wir wissen, Für eine Freundin Raum) Und unter ihren Küssen Den Schlaf ihn zu versüßen Wird jeder Kuß — ein Traum. Ein Traumgeficht von jener Art, Die oft, trotz Skapulier und Bar^

40

Kurze Erzählungen.

Sankt Franzens fette Serafinen In schwüler Sommernacht bedienen; Ein Traum, wovor, selbst in der Fastenzeit, Sich keine junge Nonne scheut; Der (wie das fromme Ding in seiner Einfalt denket) Sie bis ins Paradies entzückt, Mit einem Strom von Lust sie tränket, Und schuldlos fühlen läßt was nie ihr Aug' erblickt. Ob Luna selbst dabei was abgezietet; Ob ihr das schelmische Gesicht, Kupido, einen Streich gespielet; — Entscheidet die Geschichte nicht. Genug, wir kennen die und den, Die gerne nie erwachen wollten, Wenn sie Aeonen lang so schön Wie unser Schäfer träumen sollten'. Was Jupiter als Leda's Schwan Und als Europens Stier gethan, Wie er Alkmenen hintergangen, Und wie der hinkende Vulkan Sein Weibchen einst im Garn gefangen; Wie stille Nymfen oft im Hain Dem Faun zum Raube werden müssen; Wie sie sich strauben, bitten, draun, Ermüden, immer schwächer schreyn, Und endlich selbst den Räuber küssen: Des Weingotts Zug, und wie um ihn Die taumelnden Bachanten schwärmen,

Diana und Endymion.

41

Wie sie von trunkner Freude glühn, Und mit den Klapperblechen lärmen; Sie wiehern laut ihr Evoe! Es hallt zurück vom Rhodope; Der Satyr hebt mit rasender Geberde Die nackte Mänas in die Höh, Und stampft in wildem Tanz die Erde» Ein sanfter Anblick folgt dem rohen Bach an al. Ein stilles, schattenvolles Thal Führt ihn der Höhle zu, wo sich die Nymfen baden; Diana selbst erröthet nicht, (Man merke, nur im Traumgesicht, Und von geschäftigen Najaden Fast ganz verdeckt) von ihm gesehn zu seyn. Welch reihendes Gewühl 1 Es scheint vom Widerschein So mancher weißen Brust, die sich im Wasser bildet, So manches goldnen Haars, die Flut hier übergüldet, Dort Schnee im Svnnenglanz zu seyn. Sein trocknes Auge schlingt mit gierig offnen Blicken So viele Reitzungen hinein, Er schwimmt in lüsternem Entzücken Und wird vor Wunder fast zum Stein. Man glaubt, daß Cynthia hierbei Nicht ungerührt geblieben sey. So süß auch Küsse sind, wenn wir Tibulle hören, So haßt doch die Natur ein wenig Einerlei. Beim Nektarisch und beim Koncert der Sfären Sind Götter selbst nicht stets von langer Weile frei.

42

Komische Er-thlUN-en.

Ium mindsten sagt's Homer. Wie' wird denn satt von Küssen, Diana sich zu helfen wissen? Sie that, (so sagt ein Faun, der fie beschlichen hat) Söä# Platons Penia im Göttergatten that. Was that den die? — wird hier ein Neuling fragen? Sie legte — Ja doch! nur gemacht Schlagt euer» Plato selber nach; Es läßt sich nur auf Griechisch sagen.

DaS Urtheil de - Paris. Eine scherzhafte Erzählung nach ?ucian.

1764-

Aus dreien Reitzende« die Schönste au-zuwihten,

Fand Aristipp, ein weiser Mann, nicht leicht: Er guckte lang', und fich an keiner Hu verfehlen. Erwählt' er alle drei; unweislich, wie-mich däucht. Der Mann verstand fich nicht auf Weiberseelen r Sein Grund halt wenigsten- nicht Stich. Ein Kenner, Ihr, Herr Leser, oder ich, Wir Hütten uns um Eine doch von dreien Durch unsre Wahl verdient gemacht, Anstatt, wie er, mit allen dreien Ans ohne Dortheil zu entzweien. Just so wie wir hat Pari- einst gedacht, Als ihm den goldnen Preis der schönsten -u-usprechen Ein Götterwink zur Pflicht gemacht. Anstatt den Kopf fich lange zu zerbrechen, Erklärt' er fich, um eine hübsche Nacht, Für die gefällige Cythere. Freund Lucian, der Spötter, sagt uns zwar Don diesem Umstand nichts; doch, wär er auch nicht

war, So macht' er doch dem Witz de- Richters Ehre. Wer kennt ihn nicht, den Spötter Lucian?

46

Komische Erzählungen

Wer bei ihm gähnt, der schnarchte wohl am Busen CytherenS beim-Gesang der Musen. Daß niemand feiner scherzen kann. Daß er ein schöner Geist, ein Kenner, Ein Weltmann war, gesteht ihm jeder ein; Doch wünschen Tillemont und andre wackre Männer Mit gutem Fug, er möchte frö-nmer söyn. WaS uns betrifft, die gern Gokratisch lachen, UnS dient er ost zum wahren Aefkulap; Gr treibt die Blähungen der Seele sanft uns ab, Und weiß die Kunst, mit Lächeln oder Lachen Und klüger ost, vergnügter stets zu machen: Und das ist mehr, gesteht's, als mancher große Mann

In Folio und Quarto leisten kann. Um euch au- ihm für dieimal zu erbauen, Erzähl' ich euch den Streit der schönen Götterfrauen.' Sie flammte noch, von Eris angeschürt, Die Fehde, ohne die Fürst Priam unbezwungen, Ach illens Jörn und Hektor unbesungen, Herr MenelaS am Dorhaupt ungeziert, Und seine schöne Frau, zu ihrer größer« Ehre, Uns unbekannt geblieben wäre; Der Jank, der Götter selbst in Hochzeitfteuden stört, Und wahrlich nicht um Kleinigkeiten; Nicht was die Linien im Buch § e-kin bedeuten? Ob Dudelhum, ob Dudeldey Der Musen größrer Günstling sey 1

Das Urtheil des Paris.

47

Ob Käuzchen oder Eule besser finge? Richt ob das erste Huhn am Anfang aller Dinge Dor oder nach dem ersten Ey Gewesen, noch wie hoch ein Floh im Dunkeln springe? Richt wie Saturn -u seinem Singe, Noch wie der Mann im Mond -um Mond gekommen

sey? Göttinnen machten auch um nichts so viel Geschrei Wie Filosofen und — wie Kinder! Der Streit betraf nicht mehr noch minder Als —wer die Schönste sey? Um diesen Preis kann man -u viel nicht wagen. Die Damen schreien nicht allein: Das Rymfenvolk aus Flüssen, Meer und Hain Hat auch zur Sache was zu sagen; Die Zofen kriegten -fich bereit- beim goldnen Haar, Und kurz, es war nicht weit vom Schlagen, Als Dater Ievö, dem hier nicht wol zu Muthe war, Weil alle stürmend in ihn dringen Ihm seinen Ausspruch abzuzwingen, Sich glücklich einer List besann. Er spricht: Man weiß, daß ich, als dieser Göttin Mann Und jener Zwei Papa, nicht gültig sprechen kann; Denn (was auch unsre Priester sagen) Parteilichkeit steht Göttern übel an. Zum Richter weiß ich euch nur Einen vvr-uschlagen

48

Komische Erzählungen.

Der tauglich ist: er? ist auS Ilion, Ein junger Hirt, wiewpl ein KönigSfohn; Schön wie der Tag, geübt in solchen Fragen, Ein Dilettante und zugleich Ein Kenner, kurz ein Mensch von ungemeinen

Gaben. Der, Kinderchen, der ist der Mann für euch! Ihr könnet wider ihn nichtS einzuwenden haben. Doch redet frei, denn mir gilt alles gleich.

Meinthatben (spricht mit hohem Selbstvertrauen Saturnia) mag Momu- Richter seyn? Und ich, fallt Cytherea ein, Ich rühme mich -war nicht so hoher Augenbraunen, Doch last' ich mir vor keiner Prüfung grauen r Ist Par iS nur nicht blind, so hat's wohl keine Noth. Minerva schweigt und laßt ihr Köpfchen schmol­

lend hangen. Und du, spricht Aevs, indem er in die Wangen Die Tochter freundlich kneipt, du schweigest und wirst roth? Doch, Jungfern machen's so, wenn von dergleichen

Sachen Die Rede ist: ihr Schweigen gilt für Ja. Wohlan, Merkur steht schon gestiefelt da; Ihr könnt euch auf die Reise machen. Vergeßt die Hüte nicht; der Tag ist ziemlich heiß. Und, wie ihr wißt, macht Sonnenschein nicht weiß.

Das Urtheil des Paris.

49

Das Reiseprotokoll, und was sie auf den Straßen Gesehn, gehört, geschwatzt, das will ich euch eplaffen. Man hebt den einen Fuß, man setzt den andern Hw/ Und kommt, wie Sancho sagt, dabei doch immer weiter; Auch kürzt den Weg der aufgeweckte Sinn Von ihrem schwebenden Begleiter. Der ganze Kor der Götter wird Von Glied zu Glied anatomirt; Man steigt herab zu Faunen und Rajaden; Selbst von den Grazien drc im K 0 c y t sich baden Wird viel erzählt, vielleicht auch viel erdacht. Das ihnen nicht die größte Ehre macht; Nur der Erweisungstast will niemand sich beladen. Inzwischen langt ^e schöne Karawan' Bei guter Zeit am Fuß des Ida an. Man weiß, daß Götter nicht wie Deputirte reisen. Der Berg war hoch, mit Busch und Holz bedeckt, Und im Gesträuch der fruinme Pfad versteckt. Hier könnte Venus uns den Weg am besten weisen Fängt Juno an: des Orts Gelegenheit Muß ihr noch aus A n ch i s e n s Zeit In frischem Angedenken liegen. Es hieß, (vielleicht aus bloßem Neid) Sie sey auf Ida oft zu ihm hskab gestiegen, Und hab' ihm da, nach Nymfenart geschüx-t, Als Jägerin die Zeit verkürzt. Dein Spott, versetzt Jdalia mit Lachen, Wielands W 7» Dd.

So

Komische Erzählungen.

Äanii> glaube mir, mich niemals böse machen: Man weiß doch wohl— Die Damen (fallt Merkur Sehr weislich ein) geruhen sämmtlich nur Mir nachzugehn; Vas ganze Frygerlanv lind Ida sonderlich ist mir genau bekannt.

Ich ward, eh' Ganymed ein Amt im Himmel fand, Dom Jupiter so ost hierher gesandt, Daß ich den Weg im Dunkeln finden wollte. Ich geh' voraus — Schon öffnet fich der Hain: So viel ich hier die Gegend kenne, sollte Der Richter nicht mehr weit — Seht ihr auf jenem Stein, Dort wo die Ziege grast, den schönen Hirten sitzen? Unfehlbar wird eS Paris seyn — Er Lst's, beym Styx.' Der wird die Lhren spitzen,

Wenn er erfährt was unsre Absicht ist! Ich red' ihn an — Sey mir gegrüßt, Du junger Hirt 5 — »Ihr auch mein hübscher Herr! WaS führet euch in diese wilden Höhen? Und jene Mädchen dort, die bei der Eiche stehen? Wer sind sie? Schön, beim Jupiter! So schöne hab' ich nie gesehn. Die schwitzten wohl nicht oft im Sonnenschein! Sie übertreffen ja die Schwanen selbst an Weiße! Es muffen — ja, so wahr ich Paris heiße!

Ls müffen Feen seyn!" Nah zu, mein Freund!

Du kannst dich glücklich preisen,

Das Urtheil des Paris.

51

Der ganze Himmel hat nicht- schöner- aufzuwekfen. Göttinnen find's — »Göttinnen? nun, beim Pan! Das dacht' ich gleich,

ich sah es ihnen an;

Doch find's die ersten die ich sehe. Dersichre dich s, wir kommen aus der Höhe; Du fiehst Gesichter hier wie mans dort oben trägt: Sie haben nur die Strahlen abgelegt, Die, wre du weißt, sonst Götterköpfe schmücken, (Denn diese könntest du nicht ungestraft erblicken) So thun sie nichts. Gieb nur auf alles Acht! Die große hier, die über alle raget, Hat Jupiter verlangst zu seiner Frau gemacht. Doch siehst du selbst, der Morgen wenn es taget Ist kaum so frisch; das macht der Götterstand! Die vollste Rose prangt nicht prächtiger am Stocke. Die andre dort, im krieg'rischen Gewand Mit Helm und Sper, wird Pallas zubenannt; Und diese da, im leichten Unterrocke, Mit offner Brust, die unterm Spitzenrand Des kleinen Huts hervor so schalkhaft nach uns schielet, Ist (wenn dein Herz sie nicht bereits gefühlet) Dem Rahmen nach als Venus dir bekannt. Was zitterst du? Sey ohne Grauen! Göttinnen, glaub' es dem Merkur, Sind eine gute Art von Frauen Z Ihr hoher Stolz fitzt in der Miene nur. Du kennst sie nun: betrachte sie genau; Denn Jev s verlangt, nach vorgenommner- Schau,

52

Komische Erzählungen.

Den Ausspruch, welche dir die Schönste baucht,

von dir. Der Preis' des' Wettstreits ist der goldne Apfel hier. Die Aufschrift sagt: Die Schönste soll mich haben. Run steht's hei dir,, die Schönste zu begaben.

Der junge Hirt, zückt, da er dieses hört, Die Achseln, und versetzt: Herr Hermes, wie ich

höre Erweiset Jupiter mir allzu viele Ehre. Ich bin, beim Pan! nicht so gelehrt, Zum wenigsten nicht daß ichs wüßte; Auch seh' ich nicht woher mir's kommen müßte: Ich bin ein Hirt, der nichts gesehen hat Als Küh' und Schafe, Fichten, Eichen, Und Mädchen, die — nicht diesen gleichen. Dergleichen Fragen sind für Leute in der Stadt. Fragt mich, ob diese junge Ziege, Hb jene schöner sey, das weiß ich auf ein Haar. Don euren Mädchen hier thut jede mir Genüge. Sie find ja alle schön und schlank und glatt; Die Schönste, denk' ich, ist die man gerade hat: Und also, »veil mir alle drei gefalle^, So geb' ich euern Apfel — allen. Das geht nicht an, versetzt ihm Majens Sohn: Du kommst hier nicht so leicht davon! Zevs will du sollst als Richter sprechen; Und was er will ist ein Gesetz,

DaS Urtheil deLPari-,

53

Das ungestraft wir Götter selbst nicht brechenNun, rief SaturnLa- wenn endet das Geschwätz 3 Die Herren wissen schlecht zu leben; Man läßt uns stehn und schwatzt! — Wohlan, ver­ setzt der Hirt, Ievs will; ich muß nuch schon ergeben; Man sagt uns, daß durch Widerstreben Nicht viel an ihm ge»vonnen wird. Doch müßt ihr mir die Hand drauf geben, Daß, weil doch Sine nur die Schönste heißen kann.

Der andern keine mich deßhalb befeinden wolle; Sonst dank' rch für die Rrchterrolle; Mich ficht der Ehrgcitz gar nicht an. "Wir schwören drr's beim Styx! * — Wohlan! So tretet her, und stellt euch an einander. Den Kopf -uxück! — So! so! Beim großen. Pan! Die Schönste, die ich jemals im S kam an der In Sommernächten baden sah, War gegen diese da — ein Affe! Doch, lieber Herr Merkur, ich bitte, macht mich klug;

Mir fällt, indem ich sitz' und gaffe, Ein Zweifel ein. Jst's denn auch schon genug, Sie so gekleidet zu betrachten? Mich döucht, wenn sie sich leichter rnachten, Dieß sicherte mein Urtheil vor Betrug. »Das steht bei dir; man kann dem Richter nichts verwehren Was dienen kann sein Urtheil auftuklären.

54

Komische Erzählungen.

Nun wohl, fährt Parrs fort, und schneidt ein Amtsgesicht; So sprech' ich denn, wozu mich Amt und Pflicht

Ohn' Ansehn der Person verbindet: Weil, wie bekannt, sich zwischen Hals und Fuß Derschiednes eiygehüllt befindet Das in Betrachtung kommen muß, Und da- Apollo selbst durch Rilthen nicht ergründet, So zeigt euch alle drei in natufaiibiisf

Wie, meinst du, würden unsre Weiber Iu einem solchen Antrag schrei'n? Der Aufruhr war' unfehlbar allgemein. Das gingen sie in Ewigkeit nicht ein.' Sie sollten ihre heil'gen Leiber Dor Manneraugen so entweihn"? Sich kritisch untersuchen lassen, Ob nichts zu groß, ob nichts-zu klein,

Iu lang, zu kurz? ob alle Theile fein Symmetrisch an einander paffen, Durch ihre Nachbarschaft einander Reitzd leihn, Schön an sich selbst, im Ganzen schöner seyn? Auch ob ihr Fell durchaus so ^ein Und glatt und weiß wie i^re Hände? Kein schwarzer Fleck, kein stechend Dein Den weichen Alabaster schände; Und kurz im ganzen Werk, von Anfang bis zu Ende, Der Kunst gemäß, äuch alles edel, ftei, Untadelich, und rund und lieblich sey?

Das Urtheil deS Paris.

55

Das thäten fie (ich rede nicht von allen) Dem Amor selbst nicht zu Gefallen. Gut! Aber mehr Entschlossenheit Fand Paris bei den Göttersrauen. Sie zeigten ihm ein edles Selbstvertrauen, Und keine Spur von Furchtsarnkeit. Nur Pallas schlagt die Augen züchtig nieder,. Wie Jungfern ziemt; fie sträubt fich lange noch, Da Juno schon gehorcht, und hofft,Nnan lass' ihr doch Zum wenigsten — ein Röckchen und ihr Mieder. »Ein Röckchen? Ei, das wäre fein! Des Richters Ernst geht keine Klauseln ein.

Rur hurtig!

zieht euch ab!

Ruft Hermes.

Was seyn

soll muß

geschehen! Mich darf keine scheu'n;

Ich werd' indeß bei Seite gehen.e Kaum ist er weg, so steht schon Lyprig, Doll Zuversicht in diesem Streit zu siegen, In jenem schönen Aufzug ta, Worin fie fich (das lächelnde Vergnügen Der lüsternen Natur) dem leichten Schaum entwand. Sich selbst zum ersten Mahl voll süßen Wunders fand Und im Triumf auf einem Muschelwagen An Paso- reitzendes Sestad Don frohen Ieftwn hingetragen, Im ersten Jugendglanz die neue Welt betrat: So steh^fie da, halb abgewandt, (Wie zu Florenz) und deckt mit einer Hand,

56

Komische Erzählungen.

Errathend, in sich selbst geschmieget, Die holde Brust, die kaum zu decken ist, Und mit der andern — was ihr wißt. Die Zauberin! Wie ungezwungen lüget Ihr schamhaft Aug'! und wie behutsam wird Dafür gesorgt, daß Paris nichts verliert! Auch Junons Majestät bequemt sich allgemach Zu dem, was ohne solche Gründe, Sie ihrem Manne, selbst im ehlichen Gemach, Noch nie gestattet hat, noch jemals zugestünde. Gewandlos steht sie da. Nur Pallas will sich nicht Don ihrem Unterrocke scheiden. Bis Paris ihr zuletzt verspricht,

Wenn sie noch länger säumt, die selber auszukteiden. Nun ist's geschehn! — »O ZevS, ruft er ent­ zückt, O laß mich ewig hier wie eine Säule stehen, Und, lauter Auge, nichts als diesen Anblick sehen! Mehr wünsch' ich nicht. “ Kaum ist der Wunsch geschehen, Go schließet sich, von so viel Glanz gedrückt, Sein Auge zu, und, fast erstickt Dom Uebermaß der Lust, schnappt er mit offnem Munde Nach kühler Luft. Doch wird er unvermerkt Durch jeden neuen Blick -um folgenden gestärkt; Er schaut, und schaut fast eine Viertelstunde Und wird's nicht satt.— »Was fang' ich nun, oPan! ( Rust er zuletzt) mit diesem Apfel an?

Da- Urtheil des Pari-.

n

Wem "geb' ich ihn? Dey meinem AmtSgewiffen! Ich kann, je mehr ich schau , Le minder mich ent­ schließen. Der wollusttrunkne Blick verirrt, Geblendet, taumelnd und verwirrt, In einer See von Reitz und Wonne, Die Große dort glänzt wie die Helle Sonne; Dom Haupt zum Fuß dem schärfsten Blick Untadelig, und ganz aus Einem Stück; Au königlich, um einen schtechtern Mann

Als den der donnern kann An diese hohe Brust zu drücken! Der Jungfer hier ist auch nicht- vorzurücken. Beim Amor, hatte sie mir nicht So wa- — wie nenn' ichs gleich? was Trotzig- im

Gesicht, Ich könnte wohl in- LooS, ihr Mann zu seyn, mich schicken. Doch dieser Lächelnden ist gar nicht zu entgehn Z Man hielte sie, so obenhin besehn, Für minder schön, allein beim zweiten Blicke Ist euer Herz schon weg, ihr wißt nicht wie/ Und holt mir'ö, wenn ihr könnt, zurücke! Mir ist, vom Ansehn schon,, ich fühle sie. So groß sie ist, bis in den Fingerspitzen: Was wär' es erst — * Run, ruft Saturuia, W^ sollen hier die Selbstgespräche nsitzen?

58

Komische Lrzä-lungen.

Wir find nicht für die lange Weile da. Ihr werdet doch, wenn's euch beliebt, nicht wollen

Daß wir, bis man fich müd' an unS gesehn, In einem solchen Aufzug stehn Und uns den Schnepfen holen sollen? « ist hier kühl.' — „Frau Göttin, nur Geduld! Wir wollen uns nicht übereilen; Und müßtet ihr bis in die Nacht verweilen, So seyd so gut, und gebt euch selbst die Schuld Wer hieb euch um den Vorzug streiten, Und mich zum Richter auserfthn? Mein Platz, ich will's euch nur gestehn, Hat seine Ungemächlichfeiten; So viele Augenlust wird mir zuletzt zur jQuoL Mehr sag' ich nicht — Doch kurz, so ist die Wahl Unmöglich! Line muß fich nach der andern zeigen! Seht wie ihr euch indeß die Zeit vertreibt; Ihr tretet ab, und diese bleibt: Doch müßt ihr euch nicht gar zu weit versteigend Wie viel der kleine Umstand thut, Richt ganz allein (denn das ist niemals gut) Doch ohneJeugon seyn, ist nicht genug zu sagen. Die Einsamkeit macht einem Nönnchen Muth; Und Schäfern, die sonst, blaß und stumm, den Hut In beiden Handen drehn, an ihren Fingern nagest, Mit offnem Munde kaum gebrochne Sylben wagen, Und, wenn die Sylvien fich gleich fast Heißer fragen

Das Urtheil

de- Paris.

59

WaS ihnen fehlt? und durch ihr Lächeln sagen: Wie, blöder Hirt, was hält dich noch zurück? Versprich dir denn mein nachsichtsvoller Blick Richt alles zu verzeihn? — sich noch mit Zweifeln plagen; Selbst dieser Blöden schwachen Muth Verkehrt fie ost in ungestüme Wuth, Und heißt fie plötzlich alles wagen. Sie stärkt ^as Haupt, fie giebt dm Augen Gluth, Und Munterkeit den Lebensgeistern, Den schwächsten Armen Kraft Heldinnen -u bemeistern, Und selbst den Weisen Fleisch und Blut, Sa t u r n i a, die mit verschränkten Armen Euch kurz zuvor wie eine Säule stund, Ist kaum allein, (errathet mir den Grund) So fleht der Hirr den Marmor schon erwärmen, Den schönen Mund, die Wangen ftischer blühn, Die weiße Brust, die Alabaster schien, Mit Rosen sich auf einmal überziehn, Und sanft, wie leicht bewegte Wellen, Mit dmen Aefyr spielt, sich jeden MuSkel schwellen, Kurz jedm Reitz im schönsten Feuer glühn.

Ha, rief der Hirt, da fie so plötzlich fich beseelte, Run merk' ich erst was Euer Gnaden fehlte! Ich fühlt' ej wohl, und wußte doch nicht was? Ich stand erstaunt, und' blieb euch kalt wie Erde ; Run seh' ich wohl, es war nur daSl Jetzt sorg' ich nur, daß ich zu feurig werde.

6o

K omische Erzählungen.

Ein allzu günstiges beschick (Spricht sie mit Majestät) enthüllt vor deinem Blick Was, seit die Sfären sich in ihren Angeln drehen, Kein Gott so unverhüllt gesehen. Was zögerst du? Was hält dich noch zurück Den goldnen Preis mir zuzusprechen? Der kleinste Zweifel ist, seit du mich sahst, Ver­ brechen. Gieb mir was mir gebührt, und von dem Augenblick Ist nichts zu groß für deine Ruhmbegierde! Der Juno Gunst gewährt dir jedes Glück, Den Thron der Welt, ja selbst die Götterwürde! Den Thron der Welt? — Frau Göttin, wenn ihr's mir Nicht übel nehmt, mich reitzt ein Thron nur wenig. Was mangelt mir zum frohen Leben hier? Hier bin ich frei, und das ist mehr als König. Ihr zählet, seh' ich, mehr auf meine Ruhmbegier Als euern Reitz, den Apfel zu erlangen: Doch wenn ihr wollet, könntet ihr Mit weniger mich weit gewisser fangen. Ihr seyd sehr schön, — so schön! — (die andern sind doch fort?) Daß unser einer — Kurz, ihr merkt doch was ich möchte? Mehr sag' ich nicht! — Frau Iupitrin, ich dächte, So ^ine kluge Frau verständ' aufs halbe Wort! Nun, wie so stumm? Bei unsern Schäferinnen

Das Urtheil des Paris.

61

Heißt Schweigen, ja: ich dercke dieser Brauch Gilt in der andern Welt bei euers gleichen auch. Die Zeit vergeht, was nützt so viel Besinnen? Komm, schöne Frau, ich will nicht geitzig seyn! Drei Küsse nur! dem rothen Mäulchen einen, Und auf die Backen zwei, so ist der Apfel dein. Das ist doch wohlfeil, sollt' ich meinen? Du giebst mir wohl noch selber einen drein. Wie? fällt ergrimmt die stolze Göttin ein: Verwegner, darfst du dich entblöden Mit mir, des Donnerers Gemahlin, so zu reden? Gieb her.' Der Apfel ist kraft seiner Aufschrift nietti. Gieb, oder zittre, Staub, vor einer Göttin Rache! He! sachte, wenn ich bitten darf, (Fällt Paris ein) zum Wetter! nicht so scharf! Ein Kuß ist wohl so eine große Sache! Am Ende kommt mir's auch auf einen Kuß nicht an: Meint ihr, cs sey zu viel für mich gethan. So muß ich mir's gefallen lasten. Ihr glaubtet mich beim schwachen Theil zu fasten; Allein ein Richter soll nicht auf Geschenke sehn: Es wird was Rechtens ist geschehn. Wir wollen nun die Blonde kommen lasten! Er ruft wohl siebenmal, bis Pallas sich bequemt Aus ihrem Busch hervor zu steigen: Das edle Fräulein war mit gutem Fug-beschämt Sich einer Mannsperson in solcher Tracht zu zeigen. Auch schien sie in der That ihr gar nicht anzustebn

62

K o ru ische Erzählungen.

Man mußte sie in Stahl, mit Helm und Lanze, Beim Ritterspiel, beim kriegerischen Tanze, Mit Mars und Herkules ein Trio machen sehn; Da wies sie sich in ihrem wahren Glanze. Allein zur Kunst der feinen Buhlerei, Der Kunst aus hinterlist'gen Blicken Zum Herzenfang ein Aaubernetz zu stricken. Zu losem Scherz und holder Tändelei, Besaß die Göttin kein Geschicke. Wir wünschen ihr zu ihrer Unschuld Glücke: Doch hatt' ein wenig Freundlichkeit Und was wir sonst an Mädchen Seele nennen, Für dieses Mal ihr wenig schaden können. Nun? Jungfer, wie? Was soll die Schüchternheit? (Spricht unser Hirt, und nimmt sich ungescheut Die Freiheit, sie beim runden Kinn zu fasten) Mir war' an Ihrem Platz nicht leid, Mich neben jeder sehn zu lasten. Die Augen auf! — Zurück, Verwegner! (schreit Triton ia) — drei Schritte mir vom Leibe! Vergesset nicht den Unterscheid Von einer Tochter Zevs und einem Hirtenweibe! Es scheint zu viele Höflichkeit Ist euer Fehler nicht. — Doch (setzt sie gleich gelmder Hinzu) soll diese Kleinigkeit Uns nicht entzweien; ich bleibe dir nicht minder In Gnaden zugethan, und wenn, nach Recht und Pflicht,

Das Urtheil des Paris.

63

Dein Mund zu meinem Vortheil spricht. So soll die Welt, mit schimmernden Trofaen Bis an des Ganges reichen Strand Durch dich bedeckt, von Casarn und Pompeen, Vom Schweden Karl, vom Guelfen Ferdinand, Vom Helden jeder Zeit, in dir das Urbild sehen! Im Ernst? (lacht Paris überlaut) Das sind mir reihende Versprechen! Die Jungfer denkt damit mich zu bestechen? Allein mir ist ganz wohl in meiner Haut, Und Händelsucht war niemals mein Gebrechen. Meint sie, weil ich ein Fürstensöhnchen sey, So müffe michs ga- sehr nach Wunden jücken? Bei Nagelkriegen, ja, da bin ich auch dabei, Wo wir, für Lorbern, Küffe pflücken, Der Feind in Büsch' und Grotten flieht, Sich lächelnd wehrt, den Sieg zur Lust verzieht, Und, wenn er alle Kraft zum Widerstand vereinigt, Dadurch nur seinen Fall beschleunigt: In diesen Krieg, der wenig Wittwen macht, Da lass' ich mich gleich ohne Handgeld werben. Doch wo man nach der heißen Schlacht Nicht wieder von sich selbst erwacht, Ihn einen Lorberkranz in vollem Ernst zu sterben; Da dank' ich! Sprecht mir nichts davon! Ich hasse nichts so sehr als Schwerter, Dolch' und Spieße; Auch kenn' ich manchen Königssohn,

64

Komische Erzählungen.

Der, eh' er sich, selbst um die Kaiserkron', In einen Küraß stecken ließe, Die Kunkel selbst willkommen hieße. So viel zur Nachricht, jlmge Frau! Indeß ist euch damit die Hoffnung nicht benommen; Mir gilt die Eule was der Pfau. Doch, laßt mir nun die Kleine kommen!

So kommt,

die Lust der Welt, des Himmels schönste Zier, Und unsichtbar die Grazien mit ihr. Dem Hirten ist's, da er sie wieder siehet, Als sah' er sie zum ersten Mal. Ihr erster Blick erspart ihm schon die Wahl; Das Herz entscheidt; ein einzigs Lächeln ziehet, Noch eh' er sich besinnen kann, Und feffelt ihn an ihren Busen an.

Sie spricht zu ihm: »Du siehst, ich könnte schweigen, Mein schöner Hirt; ich siege nicht durch List, Die Schönheit braucht sich nur zu zeigen; Man weiß, daß du ein Kenner bist, Und guten Tänzern ist gut geigen. Doch was ich sagen will, betrifft dich selbst, nicht mich. Schön wie Apoll, wie kann, ich bitte dich, Dir dieser wilde Ort gefallen? Sey immerhin der Schönste unter allen Im Frygerland, sey ein Endymion, Sey ein Narciß, was hast du hier davon?

Das Urtheil des Paris.

65

Du denkst doch nicht daß deine Herden Von deinem Anschaun fetter werden? Die Mädchen hier, die man im Walde findt, Empfinden nicht viel mehr als ihre Ziegen: Die Liebe ist für sie Bedürfniß, nicht Vergnügen; Sie sehn den Mann in dir, und sind fürs andre blind» Den Hof, die Stadt, wo deines gleichen sind, Die solltest du zum Schauplatz dir erwählen! Dort ist die Lieb' ein Spiel, ein süßer Scherz. Die Schönsten würden sich dein Herz Einander in die Wette stehlen. Und wenn du wolltest, wüßt' ich dir Ein junges Mädchen zuzuweisen, Die, ohne sie zu viel zu preisen, An jedem Reitz, an jeder Schönheit mir In keinem Stücke weicht." — Beim Pan! die möcht' ich sehen! (Ruft Paris aus) So schön, so hold, wie ihr? Ihr wollt mir, hör' ich wol, ein kleines Näschen drehen? Wo käme mir noch eine Venus her? So schön wie ihr! — »Du sagst vielleicht noch mehr. Wenn du sie siehst." — Das glaub ich nimmermehr! Sie hatte mir so schöne lange Locken Vom feinsten Gold, und weich wie seidne Flocken? Und einen Mund, der so verführerisch lacht, Und wenn er lacht nach Küsten lüstern macht? Und ihre schwarzen Augenbraunen Wielands W. 7. Bd.

5

66

Komische Erzählungen.

Die flössen ihr so fein und sanft verloren hin? Und solch ein Aug' und solche Blicke drin, Die einem durch .die Seele schauen? In jedem Backen und im Kinn Ein Grübchen, wo ein Amor lächelt, Und Arme die Auror' nicht schöner haben kann. Und eine Hand wie Marcipan, Und Hüften — »Stillt nichts weiter, junger Mann," Fallt Venus ein. —- Sagt mir nur dieß noch — fächelt Denn auch so schön wie hier, in ihrer Lilienbrust Die Wollust selbst den Geist der Iugendlust? »In diesem Stück, erwiedert sie mit Lachen, Kann mir Helene noch den Vorzug streitig machen." Ihr flößt mir fast ein wenig Neugier ein. Helene nennt ihr sie? Ich lass' es mir gefallen. Doch — um nur halb so schön als ihr zu seyn, Muß wahrlich Götterblut in ihren Adern wallen. »Du irrest nicht, erwiedert Pafia, (Die der gelungnen List und ihres Siegs sich freute) Sie ist mein Schwesterchen, (zwar von der linken Seite) Ein Kind- von Zevs, der ihrer Frau Mama Zu Lieb' ein Cchwanenfell sich borgte, Und seinen Vortheil einst bei ihr im Bad ersah. Frau Le da wußte nicht wie ihr dabei geschah, Und sah dem Schwan, von dem sie nichts besorgte. Und seinem Scherz in unschuldvoller Ruh,

Das Urtheil des Paris.

67

Nicht ohne Lust, mit süßem Wunder zu: Doch wenig Monden drauf wird, wider alles Hoffen, Die gute Frau, von Tyndar, ihrem Mann, Beim Eierlegen angetroffen. Ein Weiser tragt was er nicht andern kann. Die Schuld blieb auf dem Schwan ersitzen: Doch zeigte schon die That genüglich an, Der Schwan, der dieß gekonnt, sey kein gemeiner Schwan. Man fand in einem Ei zwei wunderschöne Knaben, Und aus dem andern kroch das schönste Mädchen aus. Herr Tyndar machte sich (wie billig) Ehre draus, Den wundervollen Schwan so nah zum Freund zu haben, Und alles endigte mit einem Kindbett - Schmaus. Nach fünfzehn oder sechszehn Lenzen War Leda's Töchterchen das Wunder- von My cen. Schon macht ihr Ruhm sich immer weitere Grenzen > Die Dichter finden schon mich selbst nicht halb so schön. Man sieht um sie die Schönen und die Erben Dom festen Land und von den Inseln werben.. Doch alles dieß, und was noch mehr geschah,. Verschlägt uns nichts; genug, sie ist nun da,. Macht ihrem Vater Schwan viel Ehre, Ist weiß und roth, als wie ein wächsern Bild,. 3st jung und reitzend wie Cythere, Und dein, mein Prinz, so bald du willt.*

6S

Komis ch e Erzählungen.

Beim Pan! (ruft Paris ans) wenn's hier nur Wollen gilt. So wollt' ich daß sie schon in meinen Armen wäre! Doch zweifl' ich „Zweifle nicht, und trau Cptheren mehr! Ich und mein Sohn, wir können vieles machen. Wir brachten, glaube mir, wohl ungereimt're Sachen Zu Stand als dieß. Die Frage ist Nur bloß, ob du entschlossen bist Um sie nach Sparta hinzureisen? Den Weg soll dir mein Amor selber weisen: Er ist, so klein er ist, so schlau, Du kannst dich ganz auf ihn verlassen. Nur mußt du zu dir selbst auch mehr Vertrauen fassen. Ein feiges Herz freit keine schöne Frau.« Der Vorschlag, Göttin, laßt sich hören. Versetzt der Hirt der lächelnden Cpthcren: Wenn sie nur halb so reitzend ist als ihr, So ist, wer sie besitzt, ein Jupiter auf Erden. Allein was soll indessen hier Aus diesem goldnen Apfel werden? „Dem Apfel? — Gut, mein Sohn, den giebst du m i r. Bekommst du nicht das schönste Weib dafür?« — Frau Göttin, (spricht der Jüngling) darf ich reden ? Ich gab' um einen Kuß von euch, ich sag' es frei,

Gleich eine ganze Welt voll Leden Und Ledcneiern hin, wenn auch aus jedem Ei Ein Mädchen, wie ein Rosenknöspchen schlüpfte. Und ungelockt mir auf die Schultern hüpfte. Ein Wort für tausend, Göttin — doch/ verzeih, Es muß heraus und galt' es gleich mein Leben! Mit Freuden will ich's dir sammt diesem Apfel geben, Wofern du diese Nacht, nur bis zum Hahnenschrei, Ein Stündchen nur — wie bald ist das vorbei! — Dich überreden willst daß ich Anchises sey. Wie sollt' ich nicht den Glücklichen beneiden? Er war ein Hirt wie ich; und eben dieser Hain War einst ein Zeuge seiner Freuden! Sprich, Göttin, soll er's nicht auch von den mei­ nen seyn? Cythere fand die Frag' ein wenig unbescheiden, Und sieht ihn, glaubt sie, zürnend an: Doch weil ihr lachend Aug' nicht sauer sehen kann, So wird's ein Zorn, der ihn so wenig schrecket, Daß ihr sein Blick nur feuriger entdecket Was Venus selbst nicht ohne Röche hört. Sie hatte gern sich lang're Zeit gewehrt; Doch Ort und Zeit verbot ein langes Strauben. Der Jüngling fleht, und sie so weit zu treiben Als man Göttinnen treiben kann Die nicht von Marmor sind, fangt er zu weinen an. Das mußte seine Wirkung haben! »Nun, sprich mein Urtheil — nur kein Nein!*

70

Komische Lrrihlungen.

Sie text t>em ungestümen Knaben Die schöne Hand, und sagt — nicht Rein.

Der Schlaue will noch mehr Gewißheit haben: »Beim Styx, mein Täubchens" — ®ep’ mein Zerbin! — riefsie entzückt, und schloß Den Mund von lebenden Korallen Gleich wieder, dem der süße Ton entfloß. Nun hielt ich mich nicht mehr, die Wonne war zu groß!

Wer wäre nicht in vollem Ueberwallen Der Dankbarkeit an ihre Brust gefallen? Wer hatte nicht in süßer Trunkenheit Solch einen Mund mit Küsten überschneit?

93„Gewiß nicht ich !" — rief Idris schwärmerlich. — So könnt ihr, was ich that, euch selbst statt meiner sagen. Doch eben diese Fluth von Zärtlichkeit, die mich Auf einen Mund und eine Brust verschlagen, Um welche noch der Ton von meinem Namen schlich, Verwehrte mir, zu viel zu wagen. Ich ließ dem Herzen nur, nicht der Begier, den Lauf, Doch, was ich auch begann, so wachte sie nicht auf.

94Bei solchen Küsten unbeweglich! Sie muß bezaubert seyn; es ist nicht anders möglich! £) Astramond, ich kenne dich hierin: Bei dir allein ist Lieb' und Grausamkeit verträglich. Doch hoffe nicht, du werdest den Gewinn Don deiner Bosheit ziehn, eh' ich vernichtet bin. Verlaß dich immerhin auf deine Zauberwaffen; Die Liebe und mein Arm soll Rache mir verschaffen.

Dritter

Gesang.

133

95. Indem zog meinen Blick ein ungeheurer Hahn, Auf einem Fußgestell von schwarzem Marmor, an. Er schien zum Flug mit nachgeahmtem Leben Die Purpurflügel zu erheben, Und unten ward in Gold-dem Leser kund gethan: Wem Amor Muth genug gegeben, Der schwinge sich um diese Dame hier Des Zaubers zu befrein, auf dieses edle Thier.

96. Mir schien mit Recht die Sache sehr verdächtig; Der alte Kabbalist liegt hier im Hinterhalt, Dacht' ich: vielleicht ist diese Hahngestalt, Zu meinem Untergang, mit Blitz und Donner trächtig! Vielleicht —Doch, laß es seyn ! — Verratherei, Gewalt — Ich scheue nichts, die Liebe macht allmächtig! Ein Blick auf meine Schläferin Bestärkte mich in diesem kühnen Sinn.

97Noch einmal warf ich mich zu ihren Füßen, küßte Roch einmal Stirn und Mund, und fühlt' itzt Muth genug, Auch wenn ich mich für sie mit Riesen schlagen müßt-. Ob Astramond mich überliste,

134

2 d ris

und

9 e n i t e.

War das, wofür ich itzt die mindste Sorge trug. Ich schwang mich auf, der Aaubervogel schlug Die Wolken schon mit segetgleichem Flügel, Und plötzlich dauchte mich der Atlas nur ein Hügel.

98-

Wie damals mir geschah, scheint itzt mir selbst ein Traum. Genug, ich fing schon an die Himmelstuft zu hauchen, Und sah, in einer See von Sonnenstrahlen, kaum So viel als Liebende zu stillen Küssen brauchen. Wir nahten, glaubt' ich, uns bereits dem leeren Raum, Als itzt mein Hahn begann sich allgemach zu tauchen, Drauf schoß er senkrecht als wie ein Pfeil herab, Und warf mich unverhofft in einem Brunnen ab.

99Er warf mich ab, fing an zu krähen, Schwang im Triumf die Flügel und verschwand. Wie stutzt' ich, da ich mich am alten Orte fand, Und alles wieder sah, was ich noch kaum gesehen: Den grünen Labyrinth, den Boden, statt mit Sand, Mit Perlen überstreut, die thürmenden Alleen, Und, was an meinem Witz und meinem Daseyn fast Mich zweifeln hieß, den nämlichen Palast.

Dritter Gesang.

135

100. Mein Wunder stieg, als sich der kleine Weiher Mit einer Schaar von Nymfen ohne Schleier (Der diese Tracht nicht allzu reihend ließ) Erfüllt' und jede mich vertraut willkommen hieß. »»Willkommen, Herr Aerbin, zu einem Abenteuer, Das weniger gefährlich ist als süß! “ So sangen sie, und machten im Gedränge Ihn mich herum den feuchten Raum zu enge.

101. Wie schön er ist! rief eine, — in der That, Figuren dieser Art pflegt man nicht sehr zu hassen, — Es mag ganz hübsch sich von ihm wecken lassen, Fiel eine dritte ein. Dieß dau'rte, bis ich bat, Die Damen möchten nicht so sehr zur Unzeit spaßen. Der Herr zieht, wie es scheint, hier die Fysik zu Rath, Sprach eine Alte drauf, er könnte sich erkälten, Und, ging ein Fehler vor, so müßten wir's entgelten.

102. Drauf stieß sie in ein Horn, und plötzlich trugen mich Die Nymfen im Triumf ans blumige Gestade. Ich stutzt' in keinem kleinen Grade, Die Kurzweil dauchte mich nicht halb so lächerlich.

136

Idris

und Jenide.

Hofft, sprach ich zu mir selbst, der Alte, daß er sich Auf diese Art von mir entlade? Er denkt doch nicht, durch diese Wafferdrachen Mir Lust zum Unbestand zu machen?

IOZ.

Kaum trat ich aufs Gestad, als eine andre Schaar Von Nymfen hinter den Schasminen Hervor geschlichen kam, die nur, so treu ich war. Gefährlicher als ihre Schwestern schienen. Sie näherten sich tanzend. Paar und Paar. Und winkten mich herbei. Mit Zittern folgt' ich ihnen: Sie sprachen nicht ein Wort und tanzten stets voran. Bis wir das schönste Bad vor uns eröffnet sahn. 104. Hier, (fing ein Npmfchcn an mir leis' ins Ohr zu raunen,) Möcht' unser Dienst vielleicht beschwerlich seyn; Doch sorget nicht, wir taffen euch allein. Statt ihrer wimmelten wohl zwanzig junge Faunen, Mit goldnem Horn auf krauser Stirn, herein: Denkt euch, Herr Ritter, mein Erstaunen! Sie kleideten mich aus, ich saß im Bade da, Und wußte nicht wie mir geschah.

dritter Gesang.

137

105* Ist, fing ich endlich an, ist euch so viel zu sagen Erlaubt, so bitt' ich, sagt, wohin das alles zielt? Allein sie blieben stumm; ich mochte zehnmal fragen, Ein schalkhaft Lächeln war, was ich dafür erhielt. Nachdem sie mich genug gerieben, abgespült, In warme Tücher eingeschlagen, Berauchert und gesalbt, dann zierlich angekleid't, Eröffnete die Thür sich plötzlich angelweit. io 6.

Ein Saal empfing mich itzt, dem in der Geisterwelt An Schimmer gleich, woselbst die Götter speisen, Auch war die Tafel schon bestellt, Und eine Symfonie, die Stern' aus ihren Kreisen Herab zu zichn geschickt, und wechselsweis gesellt Ium lieblichsten Gesang, fing an das Glück zu preisen Das mir beschieden sey. Beglückte Schläferin! (So schloß sich jede Strof') und glücklicher Zerb.in?

107.

Nun schien mir's ausgemacht, daß irgend eine Fee, Die meiner Liebe gnädig sey, Mit meinen Sternen sich zu meinem Glück verstehe. Dieß machte mich so froh und sorgenfrei,

138

IdrL s und J e n L d e.

Als ob ich Lila schon an meiner Seite sahe. Ich setzte mich und aß für ihrer drei: Denn, laß die Seladons so viel sie wollen sagen. Wer liebt fei; lauter Herz; man hat auch einen Magen!

log.

Zwei Ganymede machten sich Sehr viel zu thun mir fleißig einzuschenken; Ihr schlaues Lächeln lockte mich, Den trüben Gram, das zweifelnde Bedenken In einem Nektar zu ertränken, Der sich wie Oehl den Gaum hinunter schlich : Vom ersten Glase war mein Blut zu Geist gelautert, Die Stirn' entwölkt, das Herz erweitert.

109. Wie Rosen, buhlerisch vom Jefyr aufgehaucht, That sich mein Busen auf; die Wünsche wurden freier, Die Fantasie, in Wollust eingetaucht, Weissagte sich die schönsten Abenteuer. Dieß seelenschmelzende, unkörperliche Feuer, In dessen süßer Gluth die Weisheit sanft verraucht, Fing an mit lieblich bangem Sehnen Und süßer Ungeduld die Brust mir auszudehnen.

Dritter

Gesang.

139

IIO.

Doch, wie beschreib' ich euch den Glanz, den Lila'S Bild Won Amors Fackel übergüld't, In meine Augen warf? Dieß kennt nur, wer'S empfunden! Wie ward ich gegen mich mit Ungeduld erfüllt, Daß ich was dringenders, als sie zu sehn, gefunden! Sekunden däuchten mich itzt tödtlich lange Stunden. Allein, kaum hatt' ich mich vom Lehnstuhl aufgerafft. So war in einem Wink das Gastmal weggeschaffr. in.

Banket und Saitenspiel, und Numfen, Sängerinnen, Und Knaben, kurz, den ganzen Speisesaal Sah ich in Finsterniß zerrinnen; Kaum ließ mir noch ein halb erloschner Strahl Von ferne zu, die Thüre zu gewinnen. Denkt, ob ich andachtsvoll mich meiner Dam' empfahl. Ich tappte nun so gut ich konnte weiter, Und fand zuletzt ein Zimmer wieder heiter. 112. Ich schlich mich auf den Zehn, nicht ohne Furcht, hinein, Indeß, beim ungewissen Schein Von Rosenöhl, das trag' in goldnen Lampen brannte, Mein Auge rings umher Kundschaftersblicke sandte,

i4o

Idris u nd Z e n i d e.

Allein, der erste Blick, beim Eintritt schon, erkannte Dieß Zimmer, eben das zu-seyn. Was mich das erste Mal zu Lila eingelassen, Nun mußt ich mich vor Freude kaum zu fassen.

113. Und wie ich bald hernach im gleichen Kabinette Ein schlafend Frauenbitd mit halb entdeckem Knie Und offnem Busen fand, auf einem Ruhebette Don nelkenfarbnem Sammt, wie Lila lag, —wer hattt An meinem Platze nicht geglaubt, er sahe sie? Was ihr zur Aehnlichkeit noch fehlen konnte, lieh Der Schlafenden die Schwärmerei der Liebe: Ich glaubte meinem Aug', und mehr noch meinem Triebe.

114. Das matte zweifelhafte Licht, Das Amor selbst zu seinen süßen Scherzen Erfunden hat, (wie wenn im frühen Märzen Aurorens Glanz mit grauen Nebeln ficht,) Beglückte den Betrug, und fälschte mein Gesicht. Empfindungen, wie oft belügt ihr unsre Herzen! O Lila, seh' ich dich? Jst's möglich? ist's gewiß? War alles, was der Strom der Lust mich stottern ließ.

Dritter Gesang.

141

II5*

In diesem Mittelstand, da, zwischen Tod und Leben, Ganz aufgelöst in ideale Lust, Die Seelen, kaum sich selbst bewußt, In mystischer Entzückung schweben, In dieser Trunkenheit, wovon ein Bild zu geben Unmöglich ist, lag ich an ihrer Brust: Als meine Schläferin, der ich's zu lange machte, Durch ihrer Küsse Wuth mich zu mir selber brachte.

116.

Von einem Arme, dem selb st I u n o n s schöner Arm An Form und Weiße wich, fühlt'ich so stark, so warm, So brünstigtich mich an die halbe Sfare, Woran ich lag gedrückt, als ob der ganze Schwarm Der losen Götter von Cythere Und Venus selbst in ihn gefahren wäre; Der andre Arm verbarg ihr abgewandt Gesicht; Allein, mir gab bereits wein Herz ein traurig Licht,

117. So wenig Zärtlichkeit, so buhlerische Küsse, So viel Behutsamkeit bei so viel Gluth, bewies, Daß mich die Hoffnung sehr betrogen haben müsse. Der Schutzgeist reiner Liebe blies.

142

I drLs

und

AenL de.

Mir warnend ein: hier sey Gefahr; es wisse Die Dame, die sich mir so gütig überließ, Die Rolle, welche sie vermuthlich mit dem Alten Zu spielen abgeredt, nicht lange auszuhalten. II8*

Ich fuhr bestürzt zurück, beschaute sie genau, Und wurde fast zum Stein vor Wunder, Mit einer unbekannten -Frau Mich so verstrickt zu sehn. Der Angstschweiß stand wie Thau Mir auf der Stirne. Nicht, als hatt' es ihr am Zunder Jur Ueppigkeit gefehlt: denn blendender und runder Als ihre Brust, und reihender gedreht, Hat unter Amors Hand sich keine je gebläht» 119. Gleich lockend war was unter Nebeldecken Zu lauern schien, und was sie mißlich fand Aus übertriebner Scham dem Blöden zu verstecken, Der, ängstlich zwar, doch matt, sich ihrem Arm entwandt. Kurz, fehlt' ihr gleich der Glanz vom ersten Jugendstand, So hatte sie, Begierden zu erwecken. Nur allzuviel, genug, die Tugend umzuwalzen, Uud das Gefühl der Pflicht in Wollust hinzuschmetzen.

Dritter

Gesang.

143

120.

Die Tugend umzuwalzen?— rief Der Paladin; o Freund, so war sie wohl nicht tief In eurer Brust gewurzelt! — Mit Erröthen Versetzt Jerbin: Es scheint, ihr habt in solchen Nöthen Euch nie gesehn, worin die meine chch verlief. Herr Ritter, ungeprüft giebt's tausend Epikteten! Der Stärkste reitze nicht die Rache der Natur! Was unsern Fall verwehrt, ist oft ein Zufall nur. 121.

Ich kämpfte, Freund! dieß war mein Untergang. Von einem Fall, zu dem ein innerlicher Hang Die Sinne zieht, kann nur die Flucht uns retten. Die Wollust, Spinnen gleich, umwindet ihren Fang Im Strauben selbst mit unsichtbaren Ketten; Und gaukeln einmal Amoretten Und Scherz und Freuden dicht unr unser Aug' und ziehn Die Schlinge lächelnd zu, dann ist's zu spat zum Fliehn ! 122.

Die Zauberin ! wie wohlwar ihr die Kunstzu siege» Bekannt! Zudem gab ihr in einem solchen Streit Selbst meine Unerfahrenheit Den Vortheil über mich. Doch dau'rte das Vergnügen,

144

Id r Ls und I e n i d e.

Sich selbst und mich und Amorn zu betrügen, Nicht länger als bei mir die erste Trunkenheit. Kaum fing mein Busen an sich matter auszudehnen, So spielte Reu und Zorn die schrecklichste der Scenen.

123. Die Fee selbst erfuhr von meiner Raserei Den ersten Sturm. Wie man sich einem Ungeheuer' Entreißt, wie aus M e d e e n s Schleier, Durchdrungen bis aufs Mark von unlöschbarem Feuer, K r e u sa — riß ich mich aus ihren Armen frei. Wie ras' ich I — Kaum daß noch die Scheu, Die dem Geschlecht gebührt, das sie so sehr entehrte, Sie meiner Wuth zu opfern mir verwehrte.

124. Vergebens rief sie alle Macht Der schlauen Reitzungen zusammen, Die kurz zuvor in mir so starke Flammen Vermeinter Liebe angefacht: Ich hörte nimmer auf, mein Schicksal zu verdammen, Und sie, und mich, und den, der mich zu ihr gebracht. Was sprach, was that sie nicht! — wo nicht, mein Herz zu rühren, Mich wenigstens noch langer zu verführen!

Dritter Gesang.

145

125. Durch Ueberraschung nur, nicht durch Verführung, kann DieUnschuld, ungewarnt—gewarnet niemals — fallen. Vergebens schmiegte sie an meineKnie sich an, Vergebens schmolz ihr Aug' in tröpfelnde Krystallen, Vergebens war des schönen Busens Wallen! Das Mitleid fühlt ein Stein, das sie mir abgewann. Auch da sie endlich ohne Leben Dahin sank, fiel mir's nur nicht ein sie aufzuheben.

126. Nun hielt sie sich nicht mehr, denn alles war versucht, Natur und Kunst, und alles ohne Frucht. Die Wuth half bald ihr auf. — Was gleicht dwWuth der Feen? — Ein Wirbelwind schien ihr die Augen umzudrehen, Die kurz zuvor mich noch so schmachtend angesehen; Und was ihr schöner Mund nur Böses angeflucht, War fürchterlich genug, den Furien der sollen Die Schlangen auf dem Haupt vor Angst empor zu schwellen.

127Auch dieses half ihr nichts! Gleich unvermögend war Die schmeichelnde und die ergrimmte Miene. Das Aergste, was mir Salmacine (So hieß sie) angedroht, der bittre Tod sogar, «BidüiiM W. 8- Bl>. 10

i^6,v

I d.r i s u n d

A e n> i d e.

Schien mir nicht m^hr als meine That verdiene. Ich bot ihr selbst mein Blut zum Opfer btir. »Nein, rief sie wüthend aus, das hieße dir vergeben; Nichtswürdiger! du sollst für meine Rache leben!'

128. In ein morastiges, lichtleeres Loch gesperrt, Umheutt, umzischt von Kröten und von Schlangen, Siech von gefaulter Luft, von Kummer ausgedörrt, Mit hohlem Aug' und eingefallnen Wangen, Lag ich viel Tage lang gefangen. Die Fee selbst zuletzt fand mich bedauernswerth. Eie hofft', ich würde nun, statt gänzlich zu verschmachten, In ihren Armen mich noch allzu glücklich achten.

129.

Man ließ mich frei; ich sah zum zweiten Mal Don Rymfen mich bedient, die nun ihr bestes thaten Mir mehr Gefälligkeit, aus Roth, wo nicht aus Wahl Für ihre Dame anzurathen. Doch, was sie sagten, was sie baten, Wie sehr mein Vortheil auch mir ihren Rath empfahl, Nie wollte sich mein stolzes Herz bequemen Um einen solchen Preis das Leben anzunehmen.

Dritter

Gesang.

147

IZO. Sie fanden diesen Stolz zur Unzeit angebracht. Die Fee, sagten sie, hat alles, was die Dienste, Die sie von euch erwartet, rühmlich macht, Und angenehm dazu. Ihr kennet ihre Künste Noch lange nicht;,versucht's noch eine Nacht! Was halt euch auf? Schimären, Hirngespinste! Bleibt eurer Lila nicht, wenn Salutacine gleich Die Nießung hat, das Eigenthum von euch?

131. Hinweg mit den Bedenklichkeiten Der grillenhaften Treu'! der Fee Forderung Geht nicht so weit: sie wird den hohen. Schwung Don eurer Fantasie für Lila nie bestreiten; Seyd feurig, Herr Jerbin, das ist für sie genug; Aus Liebe, oder nicht, hat wenig zu bedeuten! Beständigkeit ist ihre Tugend nicht, Und eh' ihr müde seyd, entlaßt sie euch der Pflicht.

132. Kurz, was uns Tugend ist, das nannten sie @ri# massen. Mit welchem Grund, erfuhr die Fee bald. Die ganze magische Gewalt Don ihren Reitzung^n ward auf mich tos gelassen;

148

Idris

und Z e u id e.

Vertumnus wechselte nicht öfter die Gestatt Bis ihm's gelang Pomonen zu umfassen: Doch ihr gelang es nicht. Ich wand mich glücklich los, Und stellt' ein festes Herz gereihter Rache bloß, 133. Die schöne Furchtbarkeit kann nur ein R u b e n s malen, Die ihr der Zorn bei diesem Anlaß gab. Ihr rollend Auge schoß erst wüthend Strahl auf Strahlen, Dann schaut' es stolz auf mich als einen Wurm herab. Nichtswerther, bebe nicht vor wohl verdienten Üualen, Rief sie, und hob den schwarzen Zauberstab: Du bist zu klein für meine Rache; Entfleuch auS meinem Blick, entfleuch und sey ein Drachel 134»

Ein Drache sey und bleib' es ewiglich, Bis du ein Mädchen sindst, das fähig seyn kann, dich, So wie du bist, aus Zärtlichkeit zu küssen. So viele Großmuth find't nicht alle Tage sich, Du wirst vielleicht ein wenig warten müssen. Sie spricht's, läßt einen Blick voll Grimms noch auf mich schießen, Und sieht, sobald sie mich mit ihrem Stab berührt, Mit schadenfroher Lust, den strengen Fluch vollfuhrt.

Dritter Gesang.

149

135. Und schnell entzieht die dickste Mitternacht Die Fee mir; es bricht ein schreckliches Gewitter Von allen Seiten aus, des Himmels Achse kracht, Als schmettert' in erboßter Schlacht Der Stürm' und Donner Heer das Firmament in Splitter« Wie mir zu Muthe war, Herr Ritter, Ist zu errathen leicht: sch fand die Scene schön, Und hoffte unterm Schutt des Weltbaus zu vergehn.

136. Doch / plötzlich schwieg der Sturm^ die schnell ent­ wölkten Lüste Vergüldete aufs neu der Morgensonne Strahl, Und ich befand mich selbst in einem öden Thal, Und nichts rund um mich her als Wald und Felsenklüfte. Mir kam zu Sinn, als ich zum ersten Mal Mich ansah, daß man sagt, den Basilisk vergifte Ein Spiegelglas durch seine eignen Blicke, Und nun erbat ich nichts als Spiegel vom Geschicke.

IÖ7* Ich guckte stundenlang in einen dunklen Bach, Mir den erwünschten Tod zu geben. Allein der Götter Schluß bestimmte mich zum Leben. Die Zeit versöhnte nach und nach

Mich mit mir selbst und meinem Ungemach z Ich fühlt' in meiner Brust ich weiß nicht was sich heben, Das mich, so wenig auch mein Zustand Hoffnung ließ/ Das Ende meiner Noth von Lila hoffen hieß. 138-

Was bis hieher mit mir sich zugetragen, Ist zwar, Herr Jdris, eitern Fragen Genug zu thun noch nicht geschickt; Allein ich seh', daß euer Auge nickt: Und da den Osten schon ein Kranz von Rosen schmückt, Wird itzt die Morgenruh uns beiden mehr behagen. Als alles, was in Tausend einer Nacht Scheherezade selbst dem Sultan weiß gemacht. 139.

Kommt, wenn es euch gefallt, geliebter Paladin; Vier Stunden Schlafs sind mehr als Goldtinktur zu schätzen. Die Sterne schwinden schon; und findet ihr Ergötzen An meinem Lebenslauf, so bin ich willig; ihn Beim Frühstück wieder fortrusetzen. Der Nitter dankt, und folgt dem führenden Serbin Gedankenvoll ins stille Schlafgemach; Und —meine Muse Zahnt, und folgt dem Beispiel nach.

V i er ter Gesang.

1.

Den Schlummer kann gar leicht, wer ein geliebtes Weib Zur Seite liegen hat, an ihrem Busen fhiben. Ein andres ist's, wenn ihr, für eure Sünden, Bei einer Juno liegt; das ist kein Zeitvertreib! Das bannt.den Schlaf, erhitzt die Galle, schwächt den Leib, Und machte selbst den feisten Komus schwinden. Indeß fand Vater Zevs, den dieses Unglück traf, Bei guten Npmfen oft ein Mittel für den Schlaf.

2. Allein, wer liebt, und sieht durch Alpen und durch Meere Von seiner Dame sich getrennt, Laut mit ihr spricht als ob er bei ihr wäre, Und erst, nachdem er lang' manch Ach! und O! ver­ schwende,

15®

ZdriS

und

Jenide.

Gewahr wird/ daß fie ihn nicht höre: Kur», wer di« Lieb« nur aut ihre« Quakn kennt/ Den wiegt kein Eaitenspiel, kein Wei«/ Kem Opiat/ kein Frenmahrchea ein.

3*

Der gute Paladin, den wir ganz abgemattet Auf seinen Polstern sehn, macht den Beweis hievon. Indeß Jer bin, so süß wie ein Endymion, Bei feiner Lila schlaft, von Hymen überschattet, Wird jenem von CytherenS Sohn Kein Stündchen Schlaf, kein Morgentraum gestattet: Unruhig walzt er sich in einem finstern Meer Sich selbst bekämpfender Gedanken hin und her.

4-

Gr ändert oft den Platz, wirst bald auf diese Seite, Auf jene bald sich hin, der Breite, Der Lange nach, drückt fest die Augen zu, Und hofft, fie komme nun^ die lang' entbehrte Ruh; Umsonst i die fand' er eh' im Bauch der g l ü h' n d e n - Kuh Al- wo die Seele glüht; eh' im erboßten Streite

Der Winde mit der Fluch zu oberst auf dem Mast, Al- bet empörtem Blut auf Kiffen von Damast.

Vierter

Gesang.

i53

5. Verdrossen, ohne Schlaf fein Lager zu zerwühlen, Masst er sich auf, laßt em zefyrischeö Gewand, Das er auf einem Sofa fand, Um seine weißen Schultern spielen, Und schleicht dem Garten zu, um seinen innern Brand In frischer Morgenluft zu kühlen. Kaum athmet er der Blumen süßen Geist, So fühlt er, daß sein Blut in sanftern Wellen fleußt»

6.

Aurora fleht ihn durch die Lauben, In deren Duft er irrt; fie seufzt und findet ihn (Wenn wir der tosen Muse glauben) So werth als C e fa ln einst, ihn heimlich wegzurauben. Man sah fie wenigstens in ihrem Lauf verzieh», Mit Rosen ihn bestreun, die im Olympus blühn, Und sich herab von ihrem Wagen bücken, Ihm, im Entfernen noch, die Augen nachzuschicken.

7* Denn fie s, die peinigen auf sich zu ziehn,. gethan. So war's umsonst r er ging ganz 'ruhig seine Bahn z

Was im Olymp geschah, ließ ihn in stolzem Frieden. In süßer Träumerei beschäftigt mit Jeniden,

X54

I drLs und

I e n i d e.

Dem Gegenstand, der ohne zu ermüden Ihn Tag und Nacht erfüllt, langt er am Ufer an, Und fühlt sich, wie sein Blick auf den gekrausten Wogen Dahin schwimmt, wundersam gerührt und angezogen.

8Im fernen Horizont, wo die azurne Lust Die See zu küssen scheint, glaubt er im Morgenduft Ein leicht getuschtes Land zu sehen; Bald macht darin die mächtigste der Feen, Die Fantasie, em schimmernd Schloß entstehen; Zuletzt daucht ihn sogar, es ruft Ihm jemand zu, es lispeln ihm die Winde, Daß seine Göttin sich in diesem Schlöffe finde.

9-

Ihm ist's unmöglich, diesem Wahn Und den Begierden, die ihn pressen, Zu widerstehn; er denkt, Nicht mehr daran, Warum er schon so manches Land durchmessen; Orakel, Statue, und alles ist vergessen: Er will Z e n i d e n sehn! »O, fand' ich einen Kahn! Um einen Augenblick Zeniten anzuschauen, Würd' ich dem Ozean in einem Korbe trauen!•

Wierser Gesang.

155

IO;

Kaum hat cx diesen Wunsch andächtig angestimmt. So peht er einen goldnen Nachen, Der, einer Muschel gleich, ihm sanft entgegen schwimmtr Ein Liebesgott, bereit den Steuermann zu machen, Winkt ihm hinein und scheint ihn anzulachen. Der unverzagte Ritter nimmt Das Omen freudig an, steigt ein, und überlaßt ßn voller Zuversicht sich Amorn und dem West.

IT. Beglückte Fahrt, Herr Ritter! — Unterdessen Daß ihr die See durchstreicht, vergönnt Nach einem Freunde, dm ihr leicht errathen könnt, Uns umzusehn. Seit wir mit ihm zu Nacht gegessen

Und ziemlich hastig uns von tyta getrennt, Hatt' I tifall nicht lange still gesessen. Er lief wie ein Achill, und sah sich, kurz vorm Schluß Des fünften Tags, an emem breiten Fluß.

12; Der Strom war schness und lief, und hatte keine

Auch zeigte sich kein Kahn.

"Brücke, Nun 'höret iöaS geschah!

Er wünscht es nicht so bald, so steht/aus Einem Stückle Don adrigem Porfyr, die schönste Brücke da.

IZ6

Idris vnd A e n i d e.

Pfand von seinem nahen Glücke? Er hielt Zeniden schon in seinen Armen, sah Sich schon gekrönt, und unumschränkten Meister Der ganzen Welt der Elementengeister.

Braucht er ein starkres

iS. Er läßt den Fluß zurück, und tritt in einen Hain, Den ich, weil Lessing mich beim Ohr zupft, nicht beschreibe; Genug, er schien zum Zeitvertreibe Der Götterchen von Gnid mit Fleiß gemacht zu seyn. Die Sonne schlief bereits; allein ihr Wiederschein, Mit voller spiegelheller Scheibe Von Lun en aufgefaßt, goß einen mildern Tag Auf die Natur herab, die eingeschlummert lag,

14* Durch schlangengleich gewundne Pfade Ging Jtifall, bis er an einen Garten stieß. Der schöner war, als der am Kolchischen Gestade, Wo Jason einst des goldnen Widders Vließ Dem Drachen stahl. Rings um dieß Paradies Herrscht eine goldne Balüstrade, Worauf in Urnen von Rubin Die seltensten Gewächs' und schönsten Blumen blühn.

Vierter Gesang.

157

rZ. Herr Itifall, von Freuden ganz berauschet, Verschlingt bereits sein eingebild'tes Glück; Sein schwellend Herz wird noch einmal so dick; Er hatte, was er hofft, in diesem Augenblick Um sechs Bengalen nicht vertauschet. Indem er nun so steht, und um sich schaut und lauschet, Schlagt ein vermischt Getön, wie wenn ein ganzes Chor Von Fröschen fernher quackt, an sein betroffnes Ohr.

l6. wenn eine Schaar Gevatterinnen, Basen, Und Ahnfrau'n sich um einen Säugling drängt, Ihn schön find't, allerliebst, und zwanzig solcher Fräsen, Indeß den Zappelnden die Amm' in Windeln zwangt, Sein Horoskop ihm stellt, und an der klugen Nasen Ihm ansieht, daß er einst den Doktorhut empfängt; Zu schweigen wäre hier Verbrechen, Und keine wird gehört, weil alle sprechen. So

tönt's,

17. Der Abenteurer horcht, und steht ein wenig an, Was diese Nachtmusik von Elstern und von Krähen (Wie ihn von ferne däucht) hier wohl bedeuten kaun? Sie schwatzen was, nur kann er nichts verstehen.

i58

IdrLs

und

I e n i d e.

Das Beste, dessen sich der weise Mann besann, War also naher hinzugehen. Er schleicht hinzu, und steht euch wie bethört Und nebeltrunken da, sobald er'deutlich hört.

18Du seufzest, Göttliche? ruft jemand ihm entgegen; L! — Venus seufzte selbst nicht um Adon so schön! Sieh, wie die Sfaren all' in tiefer Stille stehn, Und Götter weinend sich zu deinen Füßen legen! Hier war's! hier sah ich sie in Balsamwolken gehn, Hier seufzte sie, und— ach!—nicht meinetwegen! Wer war, o sprich, daß ich ihm fluchen mag, Der Glückliche, der jüngst an deinem Busen lag?.

19. Auf Rosen scherzten wir, (so singen zwei zusammen) Als aus dem schönsten Traum dein Affe mich geweckt. Der Eifersüchtige! er hatte sich versteckt, Und schielt' un-s neidisch an als wir im Bade schwammen. Hier Seme le — hier bin ich, Z ev s i n Flammen! Wozu die seidne Luft, die deinen Busen deckt? Wir sehen doch auf ihm die Liebesgötter gaukeln Und mit den Grazien sich auf und nieder schaukeln.

Vierter

Gesang.

159

20.

ausgebrannt! (rief eine andre Stimme) Und ach ! der arme Mond! was half's ihm, daß er rang ? Sah't ihr, wie ihn der Drach' in seinem Grimme Gleich einem Frosch hinunter schlang? Welch' allgemeine Nacht! Kein Sternchen, das noch glimme! Ihr auf der Welt da unten, ist euch bang? Ihr Thoren, höret auf zu weinen! Bald wird ein neuer Tag aus ihren Augen scheinen. Die Sonn' ist

21.

Wie? (schrie es anderswo) bei mir vorüber gehn. Und thun als ob du mich nicht kenntest ? O du Spröde! Mich, den der Götter Schaar bei dir im Netz gesehn, In deinen Arm verstrickt! Nennst du den Undank schön? Du kennst mich nicht? Warst du nicht meine Lede, Und ich dein Schwan? Besorge, daß ich rede! — Doch komm nur diese Nacht und sey noch einmal mein. So schwör' ich dir beim Styx, ich will's verzeihn!

22. Bestürzt horcht Itifall mit allen seinen Ohren. Wo bin ich! ruft er endlich aus: Hat sich das große Narren Haus, Die Welt, vom Ausbund ihrer Thoren

i6o

Idri
Daß auf des Atlas Stirn ein alter Kabbalist, Des Himmels Nachbar, wohnt, der alles weiß und siehet Was je geschehen ist und künftig noch geschiehet.

53Er sagt den Sterblichen vorher Was ihnen wiederfahrt; ob euch die Sterne hassen, Ob sie euch günstig sind. Er braucht dazu nicht mehr, Als euch dem Umriß nach ins Auge scharf zu fassen. Nur muß man ihm ein wenig Froheit lassen; Denn, seiner Meinung nach, ist's nicht von ungefähr Daß sich zwei Nasen. nie in allen Stücken gleichen; Kurz, jede Muskel hat für ihn geheime Zeichen.

54Er sah mich, wie ihr mich gesehn, Und fand ich weiß nicht was so wundervoll und schön, Daß nur ein Thron damit erfüllt zu seyn verdiene; Kurz, so viel Majestät in meiner ganzen Miene, Daß selbst die ernste Musseline Von Astrakan, dem Drachen zu entgehn Der unverhofft im Bade sie gestöret. Nichts prachtigerö dem Ufer zugekehret.

Vierter

Gesang.

r?s

55. Ihr hattet mich vielleicht für eitler als ich bin; Doch, was ich sage, kommt aus seinem eignen Munde; Und alle Welt gesteht, daß in der Sternenkunde Ihm keiner gleicht. Genug, er sah darin Den Anfang und das Glück von unserm Liebesbunde. Ich bin bestimmt der Feen Königin Zu seyn, so bald durch das, was euch an mir gerührct. Der Prinz von Trebisond sein tapfres Herz verliefet.

56. Wie? ruft der schlaue-Gast: der Prinz von Trebisond ? Der bin ich selbst. —Ich bin es überzeuget, Versetzt die Nymst; es lebet unterm Mond Kein Sterblicher, zu dem, sobald er sich gezeiget. Ein innerer Zug mein Herz, als wie zu euch, geneiget. Ja, Prinz, ihr seid's, den mir der alteAstramond Verhieß. Doch, fühlt ihr auch, erlaubet mir zu fragen. Den Muth in euch, um Alles was zu wagen?

57» Madam, spricht Iti fall, (den noch der Wahn bethört, Daß fleZenide sey,) wem könnt' an Muth es fehlen, Den euer Mund so göttlich hoffen lehrt? Gebietet mir, den Blitz des Donnerers zu stehlen;

174

Jdris und Aentde.

Wenn eure Augen mich beseelen, So wag' ich's. — Gut, mein Prinz, so seyd Ihr meiner werth I (Erwiedert fle) ich liebe dieses Feuer: Doch, ich bestimm' euch weit ein schön'res Abenteuer.

58*

Liebt ihr mich, Prinz? Davon hängt alle- a6l Wie? ruft er, laßt zu einer solchen Frage Die Königin der Reitze fich herab? Verdient' ich sie? — Hiemit setzt er sich in die Lage, Ihr auf die Art, die ihm die mindste Mühe gab, Zu zeigen, daß sie fich mit eiteln Zweifeln plage. — Glaubt ihr, erwiedert fle, indem sie sich entreißt, Daß dieser Ungestüm viel Zärtlichkeit bsweißt?

59»

Rein, Prinz, ich schließe nicht, wie manche ©prir

den schließen, Die, eurer Trunkenheit noch langer zu genießen, Sich stellen, ob sie sich dadurch betrügen ließen, Und, Kindern ähnlich, schrein, daß ihr sie wiegen sollt. Die Art, wie ihr beweißt, ist höchstens, wenn ihr wollt,

Gut für den Augenblick; sie zollt Der Eitelkeit. Ihr sucht in solchen Proben Ehre; W i r denken: wäre das, wenn ich nicht reitzend wäre?

Vierter

@ e s a n $♦

175

60. Mein, so denk' ich nicht, mein Prinz! ich fordremehr. Man kennt euch andre schon: es fällt euch gar nicht schwer, Für jede, die euch ungefähr In Gahrung setzt, (und so viel zu gewinnen Trauchr's eben keine Huldgöttinnen,) Ganz in Entzückungen und Flammen zu zerrinnen r Ihr glaubt wohl selbst ihr liebt, so lang' das Fie­ ber schäumt; Den andern Tag ist'- euch ihr habt geträumt.

61. Mich aller Sorgen zu entheben. Daß ihr so flatterhaft wie andre Männer seyd. Müßt ihr von eurer Zärtlichkeit Mir unzweideutige und neue Proben geben. Fürs erste, Prinz, muß euer Leben In meiner Hand, und meine Sicherheit Für eure Treue seyn! Entflieht ihr meinen Ketten, So kann euch keine Mache von meiner Rache retten!

62. »Ich schwöre, Königin* — Ihr schwört? Statt) schwüret nicht! Fragt euer Herz, versprecht, fy viel eö euch versprich^ Nicht eine Sylbe mehr; hier gilt kein Uebereilen! Denn, bei Dianens kuschem Licht!

x?6

3 drrS

und

A e n i d e.

Ich will dein Herz mit keiner andern theilen. Du spieltest sicherer mit Jovis Donnerkeilen,

Als mit dem Wort, daS du mir giebst; Du stirbst, sobald du mich nicht über alle- liebst»

63. Wofern, spricht I t ifall, hieran von meinem Glücke

Die Dauer hangt, so boraet nur für mich Sobald ihr wollt des alten Tithons Krücke, So sterb' ich nie l — Doch sagt, wie nennt die Probe sich Die ich bestehen soll? Sie sey so fürchterlich Sie will, was wagt' ich nicht um Einen eurer Blicke! Prinz, /pricht sie, lernt mein Herz erst kennen, dem vielleicht Lein andres in der Welt an hohem Stolze gleicht. 64. Die Damen fordern sonst, e- soll, wer sie verehret, Für alle andern stumpf und ohne Nerven seyn. Für mich ist diese Art von Eitelkeit zu klein: Der Schönsten Gunst wird euch von mir gewähret. Genießt sie alle, Prinz, nehmt alle stürmend ein; Doch, wenn ihr im Triumf aus ihren Armen kehret,

Bringt euer Herz mir unverletzt zurück,

Und findet größre Lust an meinem bloßen Blick.

Bierter Gesang.

»77

65. Besiegt Göttinnen selbst 1

Mir wird's zum Ruhm

gereichen, Wenn jede dem, der mich bezwungen, weichen muß. Allein der reitzendste Genuß Soll eure Sinne nur, nie euer Her-, erweichen; Er schwache nie den Reitz von meinem Kuß, Und diene mir zuletzt zum Siegeszeichen. Kur-, treibet, wenn ihr wollt, mit allen euerm Scherz; Nur 3 ch allein herrsch' über euer Herz!

66. Madam, ihr setzt mich in Erstaunen, Ihr liebet mich, und fordert — »Ja, mein Freund; Ich tief’re sie euch aus, die Blonden und die Braunen! So seltsam diese Probe scheint. So ist sie, glaubet mir, vernünft'ger als ihr meint: Sie unterscheidet Amors Launen Am sichersten von dieser reinen Gluth, Die meinem Stolz allein Genüge thut.

67. »Denkt nicht, es sey so leicht was ich von euch verlange. Itzt macht mich der Genuß in euern Augen schön Doch, Prinz, vielleicht bin ich e- nur so lange, Als euer Taumel dau'rt. — Ich muß es euch gestehn, OUUeM W. S. Dd

m

i78

2 driö und Zemide.

Die Probe, die ich euch bereite, macht mir bange; Allein daß Schicksal will's: ihr müßt I e n L d e n sehn! • Run werden Jtifalln die Augen aufgezogen; Doch laßt er Sie nicht sehn, wie sehr er -ch betrogen, 6«.

Zeniden? ruft er aus, von welcher Fama sagt, Daß, wer sie sieht, sogleich den Witz verlieret? Ich denke, mancher hat das Abenteu'r gewagt. Der den Verlust nicht sonderlich gespüret. Was mich betrifft, Madam, ich bin nicht so verzagt. Die Neugier, rch gesteh's, hat mich hieher geführet; Allein, was ich bereits gesehn, Macht, jeden andern Wunsch auf ewig mir vergehn. 69. »Ihr seyd ein Schmeichler, Prinz, (versetzt die schöne Dame,) Doch nein! mein Herz verschmäht den niedrigen Ver­ dacht ! Sey dieses Herzens werth, das dir dein edler Name, Das Schicksal'und mein Hang auf ewig eigen macht! 4) könntest du, nach dem, was diese Nacht Geschah, urichchintergehn, ich stürbe, Prinz, vor Grame.« Dich hintergehn? Jst's möglich, ruft der Held, Daß unser Glück solch eine Furcht vergällt?

Vierter

Gesang.

179

7v. Doch,

wenn dl; zweifeln kannst, warum von mtr

begehren Daß ich Aenidcn seh'?—»Ich fordre wohl noch mehr; Besiegen sollst du siel Das Abenteu'r ist'schwer; Ja, wenn nicht deinen Muth ein glücklich Ungefahr Begünstigt, könnt'es ^eicht die Hoffnung ga;rz zerstören, Die meinen Busen schwellt. — Dir dieses zu erklären

Verbeut Aurora mir, die schon den Morgen weckt; Wir sind verloren, Prinz, wenn jemand uns entdeckt.'

71. Grausame, ruft er aus, es ist noch weit vom Morgen,

Wie könnt'ich schon — »Still

Nichts von Zärtlichkeit!

Entweicht in jenen Wald, und haltet euch verborgen, Bis uns die Mitternacht den Schleier wieder leiht. Ein Umstand quält mich nur — ich habe nichts bereit Euch zu erfrischen." — Seyd hierüber ohne Sorgen^ Spricht Itrfall; hier ist ein TaliSman, Mit dessen Beistand ich ein wenig zaubern kann.

73Den besten Wein, die niedlichsten Gerichte Setzt er in Wüsten mir, sobald ich winke, vor?' Belustigt mit Musik aus stiller Luft mein Ohr,

Vertreibt die Nacht mit zauberischem Lichte,

ißo

3 drLs und

Zenider

Und weiset mich zurecht, wenn ich den Weg verlor. Ihr glaubt vielleicht, ich scherze oder dichte; Allein er kann noch mehr: dieß Stückchen Feengokd Verwandelt mjch in welche Form ihr wollt.

73Was sagt ihr, Prinz ? ruft R a h i m u, vor Freuden Ganz außer sich: ihr könnt durch euern Talisman Euch, wie ihr wollt, in fremde Formen kleiden? Nun können wir uns ohne Kummer scheiden! Ich seh', ihr habt den Ring des Königs Kormoran; Und nun ist nichts, das uns den Sieg entziehen kann! Umarme mich, mein Prinz! Eh' jene Sterne scheinen, Soll dieser Liebesgott uns wieder hier vereinen.

74. Der Prinz von Trebisond, er wolle oder nicht, Muß ihren Armen sich entreißen, Und, bis in nächster Nacht die spätern Sterne gleißen, Die Ungeduld der Neugier schweigen heißen, Die kaum erwarten kann bis ihm ihr Unterricht Ein Räthsel löst, das vieles zwar verspricht, Doch wenig Anschein zeigt. Hier lasten wir ihn gehen, Um wlcder uns nach Jdris umzusehcn.

Fünfter Gesang.

i. N)arum und wie der schöne Paladin, In einem Ueberfall von schwärmendem Verlangen, Um seines Herzens Königin Au sehn und ihre Knie fußfällig zu umfangen, Uneingedenk des Freunds Jerbin, Früh, da noch alles schlief, zu Schiff davon gegangen, Und Amorn sich dabei zum Steuermann erwählt, Hat euch bereits das vierte Buch erzählt»

2. Es fahrt sich schnell und sanft in einem Zaubernachen r In zehn Minuten stieg Herr Jdris schon ans Land. Doch wie erschrak der Mann, da, statt der schönen Sachen Die ihn dahin gelockt, er eine Wildniß fand! Ein felsiges Geripp', bewohnbar nur für Drachen, Und öde Gegenden, wo nicht ein Bäumchen stand! Er sucht das Feenschloß, das aus der Insel MittZu steigen schien, und sieht nicht eine Fischerhütte.

182

Jdris

und

Z e n i d e.

3Mit jedem neuen Schritt entdeckt Sich ihm ein Gegenstand der neue Furcht erweckt. Doch, Jdris wandelt fort/ obgleich die öde Stille Ein todweissagendes Gebrülle Der Ungeheuer bricht, die diese Wildniß heckt. Auf einmal wirft der Sturmwind eine Hülle Von-siebenfacher Nacht um den erstickten Tag, So daß der Ritter kaum sich selbst erkennen mag.

4Erwartungsvoll, was alles dieß Am Ende werden soll, doch ohne sich zu scheuen, Bleibt Jdris stehn, als schnell der Schlund der Fin­ sterniß Entsetzlich gähnt, um Flamm' auf Flammen auszu­ speien ; Der Donner rastt, ein allgemeiner Riß Scheint jeden Augenblick des Himmels Fall zu dräuen, Die Erde schwankt, ein ungeheurer Spalt Zerreißt sie, und entdeckt der Schatten Aufenthalt.

5. Und aus dem Abgrund steigt ein Heer von Amsisbänen Und Höllenlarven auf, grotesker ekelhaft, Als durch der Milzsucht Schöpfungskraft Schlaflose Mütterchen, bethaut vom Aaubersaft

Oer Fee Mab, zu sehen wahnen; Sie athmen Flammen aus, und grinsen mit den Zahnen. Man weiß, Herr I d r i s hatte Muth ; Doch dieses Mal gerann sein ritterliches Blut.

6.

Was soll er thun? — Den diamantnen Degen, Der itzt so nöthig war, ließ er im Schlafgemach Beim Freund Zerbin zurück, — und nur mit O! und Ach! Laßt ein Gespensterheer sich nicht zu Boden legen. In dieser Noth war alles viel zu schwach Was Kräfte der Natur vermögen. Was thut, wenn alles fehlt, ein echter RitterSmann? Ec ruft den Schutz von seiner Göttin an.

7Der Ritter rufet kaum Jeniden, so zerfließen Die Ungeheuer in Luft, der Donner rollt nicht mehr, Es flieht der Stürme wüthend Heer; Die Wolken hören auf zu gießen, Und plötzlich macht der Sonne Wiederkehr Des schönsten Anblicks ihn genießen, Der einem Wanderer sich jemals dargestellt; Kurz, ihn bedünkt, er sey in einer andern Welt.

184

Idriö und Jenide 8-

Die Luft, die Jemens bezauberte Gefilde Durchwürzt, ist nicht so rein und milde Und so balsamisch nicht, als die er in sich zieht; Der Bäume glänzend Laub, der Schmelz der Blu­ men glüht, Als ob die Sonne sich in so viel Spiegeln bilde. Er steht entzückt und übersieht Ein unbegrenztes Feld, das einem Garten gleichet, Dein alles, was er noch gesehn, an Schönheit weichet.

9Gut! — aber doch wird ihm das leichte Nachtgewaüd Worin er Morgenluft zu schöpfen ansgegangen, Gebadet wie er sich durch jenen Sturm befand, Sehr unbequem um seine Schultern hangen. — Ihr Herrn, erinnert euch, wir sind im Feenland r Der Sturm, der ihn so ungeneigt empfangen, Der Wolkenbruch, das ganze Höllenfest, War lauter Jauberwerk, das keine Spuren läßt.

10. Nun fürchtet er nicht mehr, daß ihn sein Herz betrogen. Doll süßer Hoffnungen irrt er getrost wohin Sein Fuß ihn führt, und wird durch tausend grüne Bogen

Und Rosenbüsch' und Lauben von Schasmin

In einen Labyrinth, der ohne Ausgang schien, So unvermerkt hinein gezogen, Daß ihm die reihende Gefahr Nicht sichtbar wird, bis er gefangen war.

H. Der Ausgang, ja sogar der Wunsch ihn auszufinden, Wird immer schwieriger, je mehr er sieht und hört; Ein wollustgirrendes Getön von Flöten stört Der Sinne Ruh, und schleicht in schlangelnden Gewinden Ins Herz sich ein; er glaubt sich zärtlich zu empfinden, Da doch allein des Blutes Lauf sich mehrt; Es wird bei dessen Reitz und wollustreichem Pressen Auf einen Augenblick Aenide selbst vergessen.

12. Ihn laden überall gewogne Schatten ein; Hier binden Zefyrn ihn nut einer Rosenkette, Dort reicht von einem Blumenbette Die schönste Nynrst ihm lächelnd Götterwein; Wie reitzend winkt sie ihm! Der müßte Marmor seyn, Der ihr zu nahn sich nicht versucht gefühlet hatte. Der Ritter fühtt's, hebt mit verstohlncm Blick Den Fuß, hält plötzlich ein, und zieht ihn scheu zurück.

rH6

Id ris und Aenide.

13Er flieht, — die Flucht allein kann uns vor Amorn schützen, — Als eine schönere, vom kühnsten Faun gejagt, Ihm in die Arme laust.— Hier galt's, sich zu besitzen! Die Nymfe weiß vor Angst nicht was sie thut noch sagt; Doch Jdris, eh' er noch sie anzuschauen wagt, Fühlt sie bereits bis in den Fingerspitzen. Wie ward ihm erst zu Muth', als ihn sein Auge lehrte, Es fei; die nämliche, die ihn im Bade störte!

14. Er will sich mit Gewalt aus ihren schwanenweißen Ihn fest umschlingenden gedrehten Armen reißen: Sein eigner Arm versagt ihm die Gewalt! Er schließt die Augen zu, die reihende Gestalt Nicht mehr zu sehn: doch was an seinem Busen wallt Und sympathetisch klopft, kann er nicht ruhen heißen; Er will sie sanft zurücke schieben; Die ungelehr'ge Hand folgt angenehmern Trieben.

15. Was ihn aus mancher Noth schon riß, Wozu in Fahrlichkeit mit Drachen und mit Damen Die Gataor und Ama dis Und Don Quischotten stets die fromme Zuflucht nahmen,

Fünfter Gesang.

187

Dieß Mittel, oder sonst kein andres, Hilst gewiß! Sein Schutzgeist raunt ihm's zu. Er ruft g ent» dens Namen, Und plötzlich fühlt er Kraft; er reißt sich los und laust, DaßNpmfen, die so fliehn, gewiß kein Faun ergreift.

16.

Der Lohn der Tugend folgt dem edeln Unterfangen^ Er floh aus diesem gaubergrund Die Hälfte kaum von sieben Parasangen, So war er der Gefahr entgangen, Und sah auf einmal sich in einem weiten Rund, In dessen Mitt' ein Dom von edler Bauart stund, Doch ohne Schmuck, gestützt auf Jaspissäulen, An deren Einfalt sich die Augen nicht verweilen.

17«

Wie freudig klopft sein Herz, da er das Ziel erblickt, Das von Aeniden ihn vertrieben! O Göttin, ruft er aus, (vielleicht zu früh entzückt,) Hch hoffte nicht umsonst, du wirst, du wirst mich lieben ! Hier ist der Ort, den mir dein schöner Mund beschrieben; Sein Bild ist allzu tief in meine Brust gedrückt: Er ist's, ich kann mich nicht betrügen; Hier soll der Liebe Macht des Schicksals Neid besiegen!

188

2 dris

und

Z en id e.

18.

Zwar kühn und mehr als kühn, unmöglich scheint was ich Mich unterfing hier zu erstreben. Ein Bild, das fühllos ist, beleben? So etwas nur zu dichten, ließe sich In einem Mahrchen kaum vergeben. Doch was vermag ich nicht durch Amorn und durch dich? Kann's mehr als eine Gluth, so wie die meine, brauchen, Dem Marmor selbst den Geist der Liebe einzuhauchen?

19. So denkt der Paladin, und naht mit Zuversicht Dem wundervollen Abenteuer, Don dem er sich Zenidens Herz verspricht,— Dem Bilde, das, verhüllt in einen seidnen Schleier, Hier einsam steht. Bald wankt sein Muth, es ficht Begier und Furcht in ihm; bald wird er wieder freier, Er wagt's; doch schaudert ihm, indem er sich erkühnt Die Seide wegzuziehn, die ihr zum Kleide dient» 20.

2 Nicht Doch Kühn

wag' es nicht, wenn du, anstatt es zu beseelen, selbst zum Felsen werden willt! der Verwegne wagt's, enthüllt den fatalen Stein, und sicht —2 warum fehlen

Fünfter G esang.

189

Mir Färb' und Pinsel hier, statt frostig zu erzählen, §u malen, wie ihm ward, als er Jenidens Bild Erblickt! —IhrBild? O nein, sie selbst! so war­ mes Leben Vermag die Kunst dem Marmor nicht zu geben!

21. So, wie die Holde stand, entstieg dem blauen Meere, Mit eigner Schönheit nur geschmückt, Ans Cyprische Gestad die Göttin von Cythere, Und um sie drängte sich der Götter Schaar entzückt, Und jeder wünscht, daß er der erste wäre, Den dieser Mund, den diese Brust beglückt. Dollkommners hat die Sonne nie bestrahlet, Besungen kein Poet, kein Tizian gemalet.

22. Doch, wäre dieses Bild auch minder schön genesen: In Idris Augen war nichts schöners in der Welt; Es war Aenidens Bild! —Ist nicht, was uns gefällt, Das liebenswürdigste der Wesen? Don Amors Jauberlicht erhellt, Daucht uns an ihm sogar ein Fehler auserlesen Er steht entzückt, und glaubt, je mehr er sieh:, Daß warmes Blut in diesem Marmor glüht.

igb

ItzriS und Aenide^ 2A.

Sehr selten oder nie betrügt uns, was man fühlt z Der Irrthum liegt allein in übereilten Schlüssen. Der Ritter sieht, daß Geist in diesen Augen spielt, Fühlt durch ihr Lächeln sich versuchet sie zu küssen, Und wußte nicht, (wie konnt' er's wissen?) Daß eine Nymf' im Stein unsichtbar Wache hielt. So nenn' ich sie, damit der Reim sich füllen lasse, Doch war sie in der That von einer andern Klaffe.

24. Ihr kennt die Geisterart, womit Graf Gabalis Den Feuerkreis (wofern ein solcher wäre) Bevölkert hat? Sie macht, das ist gewiß, Der Fantasie des Kabbalisten Ehre. Nichts schöners, zärtlichers, geistrcichers überdieß Als (seinem Urtheil nach) die Damen dieser Sfärk Ihr Blick ist Sonnenschein, ihr Athem Roseuduft, Ihr ganzes Wesen Licht, und ihr Gewand von Luft»

2Z. Ddn dieser Gattung war Amöne, In deren Schutze sich Zenidens Bild befand. Zum Unglück warf.die feuerfarbne Schöne Die Augen kaum auf unsern Mann, so stand

Fünfter 0 t f a n g>