C. M. Wielands Sämmtliche Werke: Band 27 Vermischte Schriften [Reprint 2020 ed.] 9783112413302, 9783112413296


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German Pages 421 [420] Year 1839

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C. M. Wielands Sämmtliche Werke: Band 27 Vermischte Schriften [Reprint 2020 ed.]
 9783112413302, 9783112413296

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n»y „Ach Schwester! so fröhlich wie d«, so sor­ genfrei hüpft' ich nmher, eh' Amor mein Herz verwundet«. Aber seitdem hat mich die Muh« mit der lächelnde« Freude verlassen! Richt mehr für mich blüht der Frühling, und des Hak« hört meine Seützer nUr. Mei» Auge schwimmt iw trüdrm Feuer, der Blümenttanz welkr um meine glühende Stiiene ; träge schleich' ich zum geselligen Tanze; und kommt-

120 Me schlummerthanende Nacht, ach! bann wälz' ich mich schlaf­ los auf-dem einsamen Lager, nnb strecke meinen Arm nach fliehende» Schatten and " -chtristaay. „Geftrgnet sey der goldne Tag, da Hymen «ich dem beste» Jüngling gab. ?. Sey gesegnet, Hymen, duGeber der Freude, und du keusche geheiligte Liebe, hol­ des Band, das die befreundeten Menschen zu Einem Ge­ schlechte verknüpft, Quelle der süßesten Pflichten, «nd der beste« Freude»! O Aemia, d» Urheber meiner Glückseligkeit, die Stunde, da ich zuerst dich sah, da du die schlummernde Liebe in meinem Dusen wecktest, war der Anfang meines LebevS. Lieblicher sind mir deine Blicke als die aufgehende Sonne, süßer dein Kuß als die erste» Gerüche öer Rosengärkeu von Susa. Dein« Winke 'sind mein Gesetz, und dein Lächeln die Belohnung meiner zärtlichen Sorgen." Letl». „Hinweg, kriechende Schlange, schmeichelnder Betrüger, der mich zu liebe» »ergibt, wenn er, nach meiner Schönheit lüstern, nyr seine Befriedigung sucht ! Ich bedarf deiyer nicht. Dieser glatte umschattete Brunnen malt mir besser als, du, wie reizend meine Lippen lächeln, wie lieblich um de» Nfstnnornackea die schwarze» Locken schweben. Sollt' ich erst »st« dir hören, daß ich schlank bin wie eine Gespielin der Wstldgittm? Mein Schatten sagte mir's längst. Auch seufzen Jephyrn um mich, und kühlen, wo ich gehe, die glühende Luft mit ihrem Rosenfittig. Nicht ungeliebt, nur ohne Sor­ gen und frei, genieß ich so dm Frühling meines Lebens." «utiu», „Ihr, deren zärtliches Herz ei» blühender Dusen umwölbt, o hütet mchvoryem schmeichelnden Mann! Erstickt den »erräthrischm Seufzer, der bei de» Klagen des Jünglings sich hebt. So wehklagt di« tückische Hyäne, ihre» Raub herbei zu locken. O könnt' ich dich, allzu fühlendes

121 Herr, ans meinem Buse» reißen! Ich glaubte dem Verführe^ da seine glatten Uederredungen mir eine Liebe einflößten, bi# er nicht empfand. Ohne Mitleid hört er jetzt meine Seufzer, sieht die versengte Wange welken, und die Blume meiner Jugend verdorren. Ungerührt sieht er'S, und spottet in an­ dern Arme» meiner leichtgläubig« Zärtlichkeit." - ch e ri st a » ,. „Wohlthätiger Hymen! was ist das Mäd­ chen ohne dich? Eine.fruchtlose Blume! sie welkt, und läßt dem künftigen Frühling keinen Sprößling zurück. In thö­ richter Freiheit hüpft sie ««gebändigt umher, und vertändelt ihr unbrauchbares Leben. Ober wenn sie sich unbesonnen im Netze der Liebe verstricken läßt, dann nagt ungestillte Sehn­ sucht ihr Herz, das »erhaltne Feuer schleicht in ihren Adern und verzehrt die blühende Pracht der Schönheit; ja, oft gibt sie, von der mächtigen Natur bezwungen, Tugend und Ehre um »erbotne Freuden hin." Jriis. „Was für Freuden, o Amor, hast du mir an­ zubieten? Süße Pein, gefallende Schmerze», wollüstige Seuf­ zer, verliebte Tändelei, und was sonst die leichte Seele schwindliger Dirnen reizt. Sollt' ich für diese« Schaum dich hingeben, holder Friede des jungfräulichen Herzens, und dich edle Freiheit, du Seele des Lebens? Sollt' ich meine frohen Tage dem trotzigen Manne »erkaufen? Soll meine Zufrieden­ heit von seinem Lächeln abhängt»? Soll ich den Sklaven, der sich jetzt zu meinen Füßen krümmt, zu meinem Gebieter er­ heben? Nein, Amor, so theuer kauf' ich deine Freuden nicht!" hnon (neht ibn an und verwirrt (ich). DaS ist doch Nicht auSzuhalten! Lieber wollt' ich dem SispphuS seinen Stein walzen, oder den Danaiden ihr Faß füllen helfen! Vir««». WaS hast du, daß du so unruhig scheinst? Deine Farbe wird immer düstrer, und deine Bildung immer ungestalter! Ph ao«. Und daS Schlimmste ist, sobald ich dir (in die Augen sehe, so komm' ich mir selbst so vor. Ja, der erste beste, der mir in diesem unbegreiflichen Lande begegnet, wirkt daS Nämliche. Ich begreife nichts von dieser seltsame« Bezauberung. Wo ich Hinblicke, bin ich von, Spiegeln um­ geben, die mich häßlich machen; und eS gibt einige, deren Anblick ich gar nicht aushalten kann. Gleichwohl bin ich der nämliche Phaon, der noch vor kurzem der schönste unter allen Griechen hieß. Vir««». DaS will ich dir wohl glauben, weil du mir'S versicherst. Phao«. Du würdest eS dir selbst geglaubt haben, wenn du mich gesehen hättest. Ich war so schön, daß die Leute

414 nicht begreifen konnte«, wie einer, den weder ein Unsterb­ licher gezeugt noch eine G-ttin geboren, ohne Wunder so schön seyn könne, und daher auf die Einbildung verfielen, die Mutter der Liebesgötter selbst habe mich zur Belohnung eineß ihr geleisteten Dienstes mit übernatürlichen Reizungen begabt. Die Menge meiner Liebhaber war so groß, daß sie mir zur Last wurde. Alle Maler malten nur mich. Alle Weiber verloren ihre Ruhe um meinetwillen, und Sappho, die berühmte Sängerin von Lesbos, sogar ihren Verstand. DaS arme Mädchen stürzte sich aus Verzweiflung, weil sie alle ihre feurigen Lieder an mir verschwendet sah, vom Leucadischen Felsen herab, um dessen Klippen, wie man sagt, ihre lieblich wehklagende Stimme noch immer in Men Nächten umher irret, und mit schwachem in Thränen ersticktem Tone, Phaon, Phaon! tust. Ulten«. Dafür hat sie büßen müssen! Phaon. Mir selbst gereichte meine Schönheit endlich zum Verderben. Ein brutaler Eifersüchtiger, der mich fand wo er nicht erwartet war, versetzte mich mit einem Dolchstoß hierher — wo ein feindseliger Dämon mich angeblasen, und (wie ich nicht mehr zweifeln kann) alle Augen, ohne meine eigenen auszunehmen, zu meinem Nachtheil bezaubert hat. Es ist eine sehr unangenehme Veränderung, das kannst du mir glauben! ■ Uiten«. Armer Phaon, ich begreife wie dir zu Muthe ist. Was du jetzt erfährst, hab' ich ehemals, da ich hierher kam, auch erfahren. Ich bin Nireus. — Phaon. Wie? Du bist Nireus? Nireus, Charopo» Sohn, des Herrschers, und der Aglaia. N>reus. der iMdustc Mann, der gegen Ilion -nszcg Unter den Danaern, naa> dem tatelloscn Achilleus-

415 Ui reue. Aber nnflrcilbar er selbst, mid klein die Echa.'.v» die ihm folgte. Phaon (mit einer ieibstgks.illigcnMiene). NUN, so Unbescheiden bin ich nicht, daß ich mich mit dir vergleiche» sollte — wie­ wohl mir's, beim Kastor! nicht an Schmeichlern gefehlt hat, die mich den Nireus meiner Zeit, den zweiten Hyacinth, und den wieder ins Leben zurückgerusene» Adonis nannten. Und ich will dir sogar gestehen, daß es Augenblicke gab, wo ich mir selbst kaum getraute in einen Brunnen zu sehen, ohne vor dem Schicksal des Narciffus zu erzittern. tlirtue (für nd». Der widerliche Mensch! Phaou. Laß dich umarmen, schöner Nireus! Mir ist, ich erkenne mich selbst wieder in dir — laß dich umarmen! Nireus (mriidivridxnt). Du übereilst dich, Phaon! Phaon (.US obre vor ndj selbst luriirffahrr). Weh Mik! Welch eine plötzliche Verwandlung! So wahr mir Venns helfe, ich begreift nichts davon. Ai reu». Ich begreif' es sehr wohl. l>»orn. Aber sagtest du nicht, du hättest, als du hier­ her kamst, eben das erfahren? Gleichwohl hast du deine ganze Schönheit wieder erhalte». O sage mir, schöner Nireus, ist den» keine Hoffnung für mich, daß ich wenigstens nur wieder werde was ich gewesen bin? tlirru». Davor mögen die guten Götter dich bewahren! Phaon. Du bist grausam. 11 irrus. Und du verstehst mich nicht. P h - o u. Ich frage bloß, ob kein Mittel ist, wodurch ich meine natürliche Gestalt wieder erlange» könnte? tlireue. Allerdings gibt's ein Mittel. Hier im Elpfium gibt's Mittel für alles: denn die Unheilbaren, wenn dergleichen sind, kommen nicht zu «ns.

416 Ptza-n. So beschwör' ich dich bei den Grazien, entdeck' es mir! Zch vergehe vor Ungeduld, bis du mir sagst was ich thun muß. Vir tu». Für dich weiß ich nur Ein Mittel — suche den AesopuS auf, liebe ihn und gewinne seine Gegenliebe! P haon. Wie? den kleinen buckligen glatzköpfigen Zwerg mit der breiten vorgedrückten Stirne? mit den tiesliegenden Augen? mit der Faunennase, und dem weiten Seehunds­ rachen? — der vorhin, an die schöne Rhvdope gelehnt, bei mir vorbeischlendert« ? Viren». Wie du ihn beschreibst! Er wird dir wohl schöner vorkommen, wenn du genauer mit ihm bekannt wirst. phaon. Du spottest meiner. Ich habe solche Mißgeschipfe nie leiden können. SS ist als ob alles um fie her von ihrer Häßlichkeit ««gesteckt würde. Ich verfichre dich, da er im Dorübergehn nur einen Blick auf mich warf, war mir einen Augenblick lang als ob ich in einen Affen verwandelt wäre. Vir tu«. DaS ist schon ein gutes Zeichen, Phaon. Phaou (ungthalien). Der Dorjug, den du über mich zu haben glaubst, macht dich übermüthig. Ich dächte doch nicht, daß ich dir Ursache gegeben hätte mir so zu begegnen. Vittu# (gelassen). Du kannst dich hier noch in nichts finden. Gedulde dich! ES wird besser gehen, wenn du erst bei unS eingewohnt bist. Ich dachte gleich, baß dir mein Mittel widersinnig vorkommen würde. Aber du wolltest eS wissen, und, ich wiederhole dir'S, ich weiß kein andres. Fahr wohl. (Nireuö entfernt fiel?.)

417 Phaon (>hm nachsthcnd, für sich). Wie schön er ist! Menn er sich in dieser Gestalt zu Olympia zeigte, die Hellenen würden ihn sür den Mercur oder den ewig jungen Apollo ansehen. — Ich möchte rasend werden! Mit jedem Augen­ blicke komm' ich mir ungestalter vor. Es muß mit Zauberei zugehen, anders ist's nicht möglich — Ich kann's nicht länger CtttdgClL (Er gehr tiefer in den Hain; indem begegnet ihm Sappye, die

— Aber, wer ist -blt Nymphe, die, mit so reizendem Anstand, eine Lyra von Elfenbein im schönen Arm, aus jener Laube hervorgeht? — Wie? seh' ich recht? — Wahrlich, beim Kastor! es ist die Lesbische Sänge­ rin, es ist Sappho selbst! — Ich muß ihr ausweichen. — Aber sie geht auf mich zu — sie lächelt mir — O gewiß liebt sie mich noch! — So ist doch wenigstens Eine Person hier, in deren Augen ich noch der schöne Phaon bin! — Ich will ihr entgegen gehen — Kapp ho. Wie? der schöne Phaon auch im Elysium! Phaon (für sich). Dacht' ich's nicht! — Willkommen, Dichterin. Du hast mich wohl nicht so bald in diesen Gegen­ den zu sehen gehofft? Sappho (lächelnd). Hat sich vielleicht eine Grausame ge­ funden, die mich an dir gerochen hat? Hast du dich auch vom Leukadischen Felsen herabgestürzt? Phaon. Vergib mir deinen Tod, reizende Sappho — ich glaubte nicht, daß dich die Liebe zu einer so ernsthaften Ver­ zweiflung treiben würde. Sappho. Es war ein kindischer Zustand, was wir da oben Leben nannten! Wenn ich jetzt an meine Lieder denke, Phaon — auö einer Laube hervortvmmt.)

(Sie hält die Hand voro Besicht.)

Wieland, sammtl. Werse.

XXVJL

418 Phaon. Laß sie dich' nicht gereuen, schöne Sappho 1 Phaon sieht dich jetzt mit ganz andern Augen an — Ka pp h o (ihm schnell ins Wort fallend).

D gewiß

Mlt

verschiednern, als womit Sappho den schönen Phaon ansieht. Phaon (erschrocken). Wie so? Was willst du damit sagen? (Für f:d» Götter! ich werde mir doch nicht zu viel geschmeichelt haben? »ax»ho. So gefalle ich dir hier wirklich besser als zu Mitplene? Phaon. Und du — findest du mich so verändert von dem was ich war, als du mein Herz — Aphrodite mußt' es in ihrem Zorne verhärtet haben! — durch so feurige Lieder in Liebe zu zerschmelzen suchtest? »appho. Erinnere mich nicht mehr daran! Mir wird gleich so wunderlich hier — (Sie Irzr He -Sand auf den Magen.) Zch finde dich gar nicht verändert. Phaon (ledvast, intern er sie bei der -Sand nehmen will). Wirklich nicht? Sappho (die -Sand zurück ziehend). Ich finde dich noch eben so blond, eben so krauslockig, blauäugig, lilienwangig, kirsch­ lippig, noch eben so weich und zart und wie mit lauter Rosen und Küssen aufgefüttert, als ehemals — Kurz, Phaon, du bist so schön, daß — mir ganz übel davon wird. (Sie mw einen Zweig von einem blühenden Citronenbaum ab, und hält ihn vor den Mund.)

Phaoa. Mir sollen die Grazien den Rücken kehren, wenn ich dich verstehe! Sappho. Ich dächte, ich erklärte mich. — Siehst du, schöner Phaon — ich kann mich nicht lange aufhalten — Aber

419 so schöne Herren wie du — sind nun, seit ich hier bin, meine tägliche Gesellschaft. Es sind ihrer nicht weniger als sieden, und immer einer blonder, süßer, zarter, lilienwangiger, geist­ loser, unbedeutender, leerer, stroherner als der andre. Und denke, ich muß sie, schon sieben ganzer Monden lang, den ganzen Tag um mich herflattern lassen, ihre gefühllosen Schmeicheleien, ihren ewigen eintönigen Grillengesang, ihr gedankenloses ElstergeschwLtz anhören, und — darf mir weder die Augen verbinden, noch die Ohren verstopfen, noch davon laufen — und das alles, schöner Phavn, zur Strafe, weil ich — so ein albernes Ding war, mich, aus Ungeduld darüber, daß du so wenig Seele hattest, von dem Leukadischen Felsen zu stürzen. Ich versichre dich, mein Zustand würde ärger als ein Platz im Tartarus gewesen seyn, wenn nicht alle sieben Tage einmal der eisgraue Nestor, und der alte Simonides, und der weise Selon, und andre solche hübsche Leute Erlaub­ niß gehabt hätten, mich zu besuchen und meines Leides zu ergötzen. Phaon -sr.r n»). Ich möchte von Sinnen kommen! »aypho. Du glaubst nicht, wie viel dieser alte Home­ rische Nestor über mein Herz gewonnen hat! Das nenn' ich einen Mann, bei dem einem die Stunden zu Augenblicke« werden! Wenn ja noch einer ist, der ihm den Dorzug in meiner Liebe streitig machen kann, so ist's Anakreon — der liebenswürdigste, natürlichste, munterste, angenehmste, jugend­ lichste Greis im ganzen Elysium. Mein guter Phaon! das sind die Männer, von denen ein Mädchen im Elysium geliebt zu werden stolz seyn mag!

Phaon (für nch). Was sie schön wird, indem sie von den. alten «isbärtigen, hohläugigen Flußgöttern spricht! (8