C. M. Wielands Sämmtliche Werke: Band 25 Vermischte Schriften [Reprint 2021 ed.] 9783112413142, 9783112413135


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German Pages 430 [420] Year 1839

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C. M. Wielands Sämmtliche Werke: Band 25 Vermischte Schriften [Reprint 2021 ed.]
 9783112413142, 9783112413135

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E. M Wielands

sämmtliche Weeke.

Fünfundzwanzigster Band.

Leipzig. Verlag von Georg Joachim Göschen. 1839.

Vermischte Schriften. Von

C. M. Wieland.

Leipzig. Verlag von Georg Joachim Göschen.

1839.

Als

vor

vierundzwanzig

Jahren

Wieland

seine

sämmtlichen Werke herauözugeben anfing, erklärte er: seine Laufbahn habe mit der ausgehenden Sonne unserer Litera­

tur begonnen, ihrem

und er beschließe sie,

Untergange.

Niemand aber war geneigter,

Irrthümer cinzugestehcn, selbst

ein

wie cs scheine, mit

als Wieland,

strenger Richter.

seine

und er war sich

Darum erklärte er nachher

unverhohlen diese Aeußerung für eine Altersschwäche,

denn,

sagte er, ich bin seit jener Zeit wohl auf Werke gestoßen, deren Vortrefflichkeit früher nicht erreichbar gewesen wäre. Im Grunde hatte also Wieland nur den Untergang seiner Periode für den Untergang unserer schonen Literatur über­

haupt angesehen, und dem Greise ist's ja natürlich,

Neue nicht auch sogleich für das Bessere zu halten. neue Periode war aber

eingetreten,

daü

Eine

und der Zeitgeist

VI

nahm eine andere Gestalt an. außer den

Dieses zu verhindern lag

Gränzen von Wielands und jeder menschlichen

Macht; die Veränderung mußte erfolgen.

Wie sehr sich

nun aber auch alles verändert hat, so ist'S doch auch nicht ge­

die Anerkennung Wielands zu vermindern; denn

lungen,

daS konnte nicht gelingen, weil das wahrhaft Gute, wel­

ches die neue Zeit brachte, von Wieland selbst am meisten vorbereitet war.

Manches gehörte nur der cwigwechseln-

den Mode an,

und

glücklich

entzogen,

gewesen,

deren Launen hatte sich

Wieland

da er zwar selber wohl in der Mode

aber nie ein Mode-Schriftsteller war.

In ei­

nem eignen Kreise bewegt er sich, und dieser Kreis ist ge­

rade derselbe, worin von jeher alle denkenden Köpfe, alle Freunde deS Wahren, weilten.

Guten und Schönen am liebsten

Führte er als ein

Moderner und in die alte

classische Welt, so war dieß nur um so glücklicher; unbe­

kümmert um die zufällige Form, faßte er selbst dann vor­ zugsweise daS Menschliche inS Auge.

es,

daß er allen Zeiten angehört.

sich alles bei ihm dreht,

schen.

Gerade darin liegt

Der Punkt, um den

ist die Bestimmung des Men-

Mag er diese im Ideal aufstellen, mag er ernst

die erreichte, oder mit launiger Ironie die verfehlte schil­

dern,

so muß er dadurch interessiren, so lange Menschen

VII

Menschen sind, zumal da er mit ächt sokratisch-philvsophischem Geiste, jenen

der schon so

Gegenstand behandelt,

viele Systeme überlebt hat,

und jede Schilderung die

feinsten Zergliederungen der Herzen und Geister enthält; denn, in dieser psychologischen und moralischen Zergliederungökunst ist

Scho» daraus geht hervor,

er Meister.

daß das Interesse,

welches er einstößt,

nicht allein von

dem Stoff entlehnt seyn kann, sondern wenigstens eben

so sehr Wirkung seiner Behandlung und Darstellung ist. Philosophie und Poesie batten sich in diesem Geiste durch­

drungen.

Mag es seyn,

daß der Hang zum Philosophi­

ren zuweilen dem Dichter Eintrag thut,

daß er sich hie

und da in Betrachtung und Entwicklung zu sehr auSbreitet;

durch eine blühende Einbildungskraft stellt er doch

das Ganze in ein verschönerndes Licht und fesselt durch

milden Reiz.

Oft wechselt er den Ton, aber ernst oder

scherzend, launig oder ironisch, naiv oder phantastisch, ist er immer geistreich und behauptet eine edle Haltnng selbst

da, wo er die Rolle deS Satyrs spielt; denn in der That spielt er nur zuweilen die Rolle desselben, und gleicht je­ nen Satyrstatuen deö Alterthums,

Grazien verschlossen waren.

in deren Innerem die

Nie ein ereentrischer Phan­

tast, nie ein mürn'scher Sittenrichter, ein heller Kopf, im-

VI u

«er heiter,

ist er stets auf den Ton der wahrhaft guten

Gesellschaft gestimmt.

Durch diese Mittel hat er Wahr­

heiten da verbreitet, wo man sie zu hören sonst eben nicht

gewohnt war, hat für das Beste der Menschen recht viel gewirkt, viele gefährliche Vorurtheile glücklich besiegt, viel

WaS sein Oberon

Licht verbreitet.

von sich sagt, darf

man von ihm rühmen:

Nur wer das Licht nicht scheut, der ist mit mir verbrüdert. Die Werke

eines solchen Schriftstellers,

der noch

Lberdieß in Ansehung der Sprache, des melodischen Klan­

ges,

der Harmonie der Verse, nach elassischer Vollendung

zu streben nie aufhörte, und der anch in diesen Hinsichten recht viel geleistet hat, können nicht vergessen werden, wie

Neuigkeiten Zeiten neu.

des Tages,

So lange eö unverkünsteltes Gefühl fiir das

heitere Schöne gibt, und

ihr Gehalt macht sie in allen

werden sie erfreuen;

so lange Licht

Finsterniß in der Geksterwelt mit einander kämpfen,

werden sie nützen. Eine neue Ausgabe der Werke dieses Schriftstellers ist also gewiß ei» erfteulicheö Zeichen der Zeit; der Her­

ausgeber

aber

anzuklagen seyn,

würde

der Vernachlässigung einer Pflicht

wenn er diese Ausgabe nicht so nützlich

zu machen suchte als möglich.

Sein Wunsch ist, die Werke

IX

Wielands zu einem Spiegel deö halben Jahrhunderts zu welches seine schriftstellerische Laufbahn umfaßt,

machen,

und

welches gewiß dereinst die Culturgeschichte als den

Zeitraum

wird.

der merkwürdigsten Umwandlungen auszeichnen

Dieser

Wunsch

drängt sich bei Betrachtung der

Werke Wielands beinahe von selbst auf, denn alö ein treuer Sohn seiner Zeit begann er, und wurde Mtschöpfer einer neuen; in ihm reflectiren sich fast alle die Gei­

ster,

Einfluß daö Neue sich bildete; unauf­

durch deren

hörlich nahm er Theil an der Verwandlung des Zeitgei­

stes in ästhetischer, philosophischer, literarischer, religiöser und politischer Hinsicht.

meisten Mitwirkenden,

Er stand

im Bunde mit den

und wurde selbst

eine Zeitlang,

durch die Vereinigung philosophischer und poetischer Ta­ lente in ihm,

der einflußreichste von allen.

Alö Spä­

tere, von seinem Genius mit erweckt, in jugendlicher Kraft

rascher vorwärts

schritten,

blieb er nicht müßig zurück,

sondern schritt entweder muthig nach, oder suchte warnend

zurückzuhalten; denn bei der größten Empfänglichkeit hielt er doch Einiges entschieden von sich ab,

weil er bei ho­

her Beweglichkeit des Geistes unveränderlich in Gesinnung

und Charakter war.

Dieß macht die Kenntniß seiner In­

dividualität besonders wichtig.

Auö allen diesen Rücksichten wurde vorerst eine an­ dere Anordnung der Werke Wielands beschlossen, als er in seiner Ausgabe selbst befolgt hatte. Diese Werke wur­ den in fünf Classen abgetheitt: die poetische, philosophi­ sche und culturhistvrische, ästhetisch - kritisch => literarische, eine politische, und eine histon'sche nebst einem Anhang vermischter Schriften; in jeder dieser Classen aber ist die chronologische Ordnung befolgt. Dabei trifft eö sich nun fteilich, daß gerade diejenigen Werke Wielands, welche für unsere Zeit daü Meiste an Interesse verloren haben dürf­ ten, und welche Wieland selbst zum Theil in die Supplemcntbände verwiesen hatte, hier den Anfang machen. Den müssen sie aber machen, wenn jener Zweck erreicht werden soll. Wieland erklärte selbst sehr richtig, daß diese Schriften zu der Geschichte unserer Literatur gehören, daß sie den Punkt zeigen, von welchem er auSging, und daß ein bettächtlicher Theil der Geschichte seines Geistes unverständ­ lich seyn würde, wenn er, von einer falschen Scham ver­ leitet, die Erstlinge seines Geistes hätte unterdrücken wol­ len. Für die Geschichte deü Wieland'schen Geistes aber, die nicht bloß des Individuums wegen interessant ist, liegt noch ungleich mehr in diesen Schriften, als bisher daraus entwickelt wurde.

XI

Jede

einzelne Schrift

ist

mit

Anmerkungen

be­

gleitet, deren vielleicht kein Dichter mehr bedarf, als der vielbelesene und von Berufungen und Anspielungen volle Wieland.

Manche sind auü den ältern Ausgaben herüber­

genommen,

die meisten neu hinzugefügt,

einige auö der

letzten Ausgabe bald verkürzt, bald vermehrt worden.

Ue-

berall ist nur gegeben, was zum Verständniß nöthig schien; wo mehr gegeben ist, da hat der Herausgeber für andere Zwecke sich vorzuarbeiten gesucht. Um diese neue Ausgabe wirklich zu einem Beitrag

der Literatur- undCulturgeschichtc des Wielandischen halben Jahrhunderts

zu machen, sollen nämlich jeder Classe von

Schriften die Aeußerungen der Kritik über dieselben bei­ gefügt werde»,

um auch von dieser Seite die Umbildun­

gen deö Zeitgeistes kennen zu lernen.

Vergleichungen und

durch sie veranlaßte Betrachtungen werden zeigen, welchen Einfluß die Zeit auf unsern Wieland, und welchen er auf

sie gehabt hat.

Hiedurch so wie durch die Einleitungen,

welche da vermehrt worden sind,

ausreichend schienen,

wo Wielands eigne nicht

werden wir in den

Stand gesetzt

werden, diese Ausgabe der Wielandischen Werke mit dem zu schließen, womit er selbst seine Ausgabe wenigstens früherhin zu schließen gedachte, mit der Biographie Wie-

XII

landö

und einet Charakteristik seines Selbst und seiner

Schriften.

Daß

diese

der Herausgeber liefern möchte,

war ein öfters wiederholter Wunsch Wielands, der ziemlich daö Ansehen eines Auftrags hatte.

Eingedenk jener schö­

nen Stunden des reinsten Vertrauens,

welche mit dem

ehrwürdigen Greise zu Tieffurt, Belvedere und Weimar

verlebt zu

haben

der

Herausgeber zu dem Glücklichsten

zählt, was ihm das Leben bot, wird er mit eben so viel

Eifer als Liebe allem diesem stch unterziehen, und zu des innigstverehrten Abgeschiedenen Andenken wenigstens alles

bei dieser neuen Ausgabe seiner Schriften thun, was seine Kraft vermag.

Ein chronologisches Derzeichniß der sämmtlichen Schrif­ ten Wielands, mit der Angabe, worin sie in dieser neuen Ausgabe und in der bisherigen, bei Göschen erschienenen,

zu finden find, soll am Ende nicht fehlen, denn es möchte von Vielen gewünscht werden.

Die nöthigen Literarnoti­

zen zu jeder Schuft dürften wohl gerade hierbei ihre schick­

lichste Stelle finden. Halle, den 9 Julius 1818.

I. G. Gruber.

Wielands Vorbericht zu seinen sämmtlichen Werken.

Es sind nun vierundvierzig Jahre, seit der Ver­ fasser der poetischen und prosaischen Werke, die in gegen­ wärtiger vollständiger Ausgabe von der letzte» Hand ge­ sammelt erscheinen, zum erstenmal im Chor der Dichter und Schriftsteller Deutschlands auftrat.

Seine Laufbahn umfaßt also beinahe ein halbes Jahr­ hundert. Er begann sic, da eben die Morgenröthe unsrer Literatur vor der aufgehenden Sonne zu schwinden anfing; und er beschließt sie — wie es scheint, mit ihrem Un­ tergänge.

xvi

wiffenhastigkeit zu Werke gegangen ist; und da er also beinahe gewiß ist sie von allen Makeln, quas incuria fudit, befreit zn haben, so darf er uqr sy eher für die­ jenige«, quas humanst parum cavit natura, Nachsicht hoffen.

Vorbericht zur dritten Ausgabe von 1990 (mit ringen Auslassungen und Zusäpcn).

Das System dreses Lehrgedichts bat einen Ursprung, wodurch es sich vielleicht von allen andern Systemen unterscheidet, die seit Erschaffung der Welt zur Auflösung der unauflösbarsten aller Aufgaben ausgebrütet worden sind. Es war die Frucht eines enthusiastischen Spaziergangs eines noch sehr jungen und sehr platonischen Liebhabers mit seiner Geliebten, an einem sehr heißen Sommertage des Jahres 1750, nach Anhörung einer etwas kalten Predigt über den Tert: Gott ist die Liebe; und wenn die Musen die poetische Darstellung so gewiß eingegeben hatten, als die Liebe das System, so würde es die Nach­ sicht, womit es im Jahre 1751 ausgenommen wurde, wenig­ stens von Einer Seite gerechtfertiget haben. Doch, die Mu­ sen hätten thun mögen was ihnen beliebt hatte, wenn das Werk nur unter den Augen derjenigen geschrieben worden wäre, für die es anfänglich zunächst bestimmt war. Ver­ muthlich würde es dann eine ganz andere und gefälligere Ge­ stalt gewonnen haben. Der Verfasser würde von denjenigen Theilen desselben, welche eigentlich in das Gebiet der Ein­ bildungskraft gehören, mehr Vortheil gezogen haben; die unverständliche und einschläfernde Methaphysik des zweiten und dritten Buchs würde weggeblieben, der Vortrag nicht

4

so

platt und trocken, und das Ganze überhaupt interessanter und mit sich selbst übereinstimmiger geworden seyn. Da es aber in einer sehr schwermüthigen Einsamkeit aufgesetzt wurde, und der Verfasser überdieß, zur bösen Stunde, den Gedan­ ken gefaßt hatte, zu einem so antilucrezischen Gedichte den Lucrez zum Muster zu nehmen; so blieb die Ausführung, schon aus diesen beiden Ursachen, weit unter der ursprüng­ lichen Idee, zumal da der Dichter in einem Alter war, wo man impaliens lijnae zu seyn pflegt, und der letzte Vers des sechsten Buchs kaum auf dem Papiere stand, da, vermöge einer andern Untugend dieses Alters, schon der Plan zu einer neuen Unternehmung sich aller seiner Aufmerksamkeit und Zuneigung bemächtigte. Cs ist wohl kaum nöthig hinzuzusetzen, daß man — un­ geachtet des zuversichtlichen dogmattschen Tons, der im Gan­ zen herrscht *), und einem Jüngling von siebzehn Jahren eben so billig zu gut gehalten wird, als es billig ist, ihn (zu­ mal bei hyperphysischen Spekulationen) an Mannern lächerlich zu finden — daö System dieses Gedichts und die Hypothesen, die darin behauptet werden, für nichts Besseres als wachende Träume eines philosophirenden Dichters, oder Visionen eines poetisirenden Platonikers, in Herba, ausgibt. Wie viel oder wenig Scheinbarkeit ihnen dieser gegeben, oder, wenn er ein tieferer Denker und geübterer Dichter gewesen wäre, etwa hätte geben können, läßt man dahin gestellt seyn; genug, daß seine Hauptabsicht löblich, die Mittel wenigstens unschuldig, und seine Hypothesen, eine in die andere gerechnet, immer so gut als andere ehrliche Hypothesen sind. Und VDrnrbmlicb in dell vorläufigen Anmerkungen, die siel' nod) in der Auogal'e von i77(i nnTcn. nnv nitö der xjfgcnwartLmi billig weggelassen worden sind.

Was die Poesie dieses Lehrgedichts, zumal in der erste« Ausgabe von 1751 betrifft, so dürften wohl wenig andere Dichterwerke geschickter seyn, einen Lehrer der poetischen Aesthetik mit Beispielen aller möglichen Fehler, die dem schönen Styl und Vortrag entgegen stehen, reichlicher zu versehen; und in der That würde es, wenn man die Zeit, worin es geschrie­ ben wurde, aus den Augen ließe, unerklärbar seyn, wie und wodurch es bei seiner ersten Erscheinung in einem Bodmer, Breitinger, Hagedorn, Sulzer und andern principibus viris derselben Zeit eine so günstige Meinung von den Fähigkeiten des jungen Aspiranten hätte erregen können, als wirklich ge­ schehen ist. Wie tief dieser erste Versuch unter dem ist, was er (seiner Ueberschrift nach) seyn sollte und seyn müßte, um einen Platz unter den Lehrgedichten zu verdienen, hat schwer­ lich jemand stärker gefühlt als der Verfasser selbst, da er sich bei dieser neuen Ausgabe genöthigt sah, es nach einem Ver­ lauf von 27 Jahren (seit der letzten Ausgabe) noch einmal mit Aufmerksamkeit zu durchlesen. Auch hätte ihn keine andere Rücksicht bewegen können, es in die gegenwärtige Sammlung aufzunehmen, als die Betrachtung, daß es ge­ wissermaßen zur Geschichte unsrer Literatur gehört, zu sehen, von welchem Punkt er ausging, und welch einen Zwischen­ raum er zurückzulegen hatte, um 15 Jahre später nur zu Musarion zu gelangen. Ueberdieß würbe ein nicht unbeträcht­ licher Theil der Geschichte seines Geistes und feiner Schrif­ ten, die er zu geben versprochen hat, unverständlich und ohne allen Nutzen seyn, wenn er, von einer falschen Scham ver­ leitet, die Erstlinge seines Geistes und seines ihm selbst damals noch wenig bewußten Dichtertalents hätte unterdrücken wollen. Indessen war es ihm doch nicht möglich, dieses Ge­ dicht wieder aus der Hand zu legen, ohne alles, was die

6 Natur der Sache verstatten wollte, zu versuchen, um den Liebhabern wahrer Sprache und Dichtkunst eine kursorische Durchsicht desselben weniger unangenehm zu machen. Ungeachtet er sich in dieser Hinsicht schon bei der zweiten und drit­ ten Ausgabe viele Mühe gegeben hatte, so sanden sich dock unter der großen Menge noch Stellen, die einer Verbesserung bedürftig, viele, die derselben auch fähig waren. Manche mußten (mit Horaz zu reden) wieder auf den Amboß ge­ bracht werden; den meisten war durch die Feile, verschie­ denen, besonders im sechsten Buche, bloß durch den Schwamm zu helfen. Bei allen mehr oder weniger umgeschmolzenen Stellen oder Versen mußte indessen, so viel möglich, der Ton der Urschrift beibehalten werden; und es kostete vielleicht weniger Mühe, manches besser, als es nicht (Verhältniß­ weise) gar zu gut zu machen. Da aber gleichwohl durch alle diese Mrbeit den wesentlichen Mängeln und Gebrechen des ganzen Merkchens nicht abzuhelsen war, so verlangt der Ver­ fasser auch keinen Dank, und ist völlig zufrieden, wenigstens seinen guten Willen, Horazens Vorschrift (Epist. ad Pfsones v. 445. sq.) genug zu thun, an den Tag gelegt zu haben. Da es aber unziemlich gewesen wäre, durch diese Verände­ rungen jüngere oder künftige Leser, denen dieses Gedicht in seiner ersten Gestalt nie zu Gesicht gekommen, zu täuschen und zu einer bessern Meinung von demselben zu verleiten, als es verdient: so hat man für gut befunden, alle bei gegen­ wärtiger Ausgabe beträchtlich veränderten oder gänzlich umge­ arbeiteten Stellen mit einfachen , ‘ vor den übrigen auszuzncknen.

Inhalt des ersten Duchs.

Vorbaben des Dichters. Anrufung der Wahrheit und der Mule. Das Daseyn Gottes, erkannt aus dem Anschauen der Narur. Das Zeugniß der Vernunft, und ein den Gei­ stern angeschaffnes Gefühl der Gottheit, ist der Grund von der Uebereinstimmung aller Völker in dem Glauben eines Schöpfers der Welt. Widerlegung der Epikurischen Kosmo­ gonie. Vortrag und Widerlegung des Wahns der Pantheisten und Naturalisten, welche Gott mit der Welt vermengen; oder einen nothwendigen Mechanismus, den sie Gott nennen, zur Grundursache aller Dinge machen. Worin die Verknü­ pfung der Welt mit Gott bestehe. Ewigkeit der Schöpfung. Gründe für dieselbe, und Beantwortung einiger Einwürfe. Das System des Zoroaster von zweien Grundwesen, und vom Ursprung des Uebels, wird in seiner ganzen Stärke vorge­ tragen, und angezeigt, wie dieses ganze Gedicht als eine Widerlegung desselben anzusehen sey.

Wie Natur -er Dinge oder die vollkom­ menste Welt.

Erstes Buch. Don deinem Triebe voll, o Weisheit, will ich singen, 0! möchte mir durch dich ein würdig Lied gelingen! Ein Werk, das du beseelst, treibt kein gemeiner Zug, Entehrt kein niedrer Aweck. Ein ungewohnter Flug Trägt mich dem Himmel zu; von Millionen Sternen Umringet, lernt mein Geist vom Staube sich entfernen. Dich, Urbild jeder Welt, der Gottheit Ebenbild, Dich, Wahrheit, seh' ich selbst; der Glanz, der dir entquillt. Stärkt mein noch blödes Aug'; wie dich dein Liebling schaute. Wie Plato, dessen Blick sich die Natur vertraute, So, Göttin, seh' ich dich, und die geschwellte Brust Wallt liebend zu dir ans, mit nie gefühlter Lust, O! könnt' ich auch, wie er, dich in erhabnen Bildern Doll von Begeisterung und kühnem Feuer schildern! Dann sollte dieß Gefühl, das mir dein Anblick schenkt. Die Wollust, welche stets die reinen Geister tränktAuch meiner Brüder Herz erweichen und durchstießen. Und nie empstindne Lieb' in ihre Seelen gießen.

10 Komm, Muse, welche stets der Wahrheit Freundin war. Und stell' ihr himmlisch Bild entzückten Augen dar; Komm, mal' an meiner Statt (dein Pinsel kann nickt trügen) Ihr göttlich Angesicht mit ungeschminkten Zügen. So rührt sie auch den Blick, den der Gewohnheit Nackt Und träges Vorurtheil empfindungslos gemacht. Wie, wenn Titonia mit purpurfarbnen Flügeln Die Dämmrung zu uns führt von halb bestrahlten Hügeln, Ein müder Wandrer, den, auf sanft geschwelltem Moos, Ein grünes Schlafgemach von dichtem Laub umschloß. Vom Licht erweckt sich rührt; er reibt die Augenlieder, Der Morgen hebt sie auf, der Schlummer schlagt sie nieder. Das glänzende Gefild, der Blumendüfre Schwall, Und selbst das hohe Lied der frühen Nachtigall, Rührt seinen Sinn nur schwach, kaum glaubt er zu empfinden, Er rafft zuletzt sich auf, und Traum und Schlaf verschwinden; Ihn grüßt der nahe Tag, das aufgewachte Feld Lacht ihm ermuntert zu, ihn blickt das Aug' der Welt Mit sanften Strahlen an, von neuer Lust entzücket Wird eine neue Welt, glaubt er, von ihm erblicket: So wird der träge Sinn, der thierisch fühlt und denkt. Vom Schlaf, worein ihn Wahn und Leidenschaft versenkt. Durch den Gesang erweckt, den mich die Musen lehrten. Die Vorurtheile fliehn, die seinen Geist beschwerten; Ihn wundert, daß er da so viel Vergnügen schmeckt. So viele Schönheit sieht, solch eine Pracht entdeckt. Wo sein geschloff'ner Blick nichts fähig war zu schauen Als unfruchtbaren Sand und Wüsten voller Grauen; Und in der Welt, die sonst sein Trübsinn ihm entstellt. Entdeckt die Weisheit nun ihm eine neue Welt. Ja, Göttin, die du einst mit alter Weisen Zungen

11 Manch überirdisch Lied von Gott und Welt gesungen, Steh deinem Dichter bei, den, von dir selbst bewegt. Ein hoher Adlerflug durch alle Sphären trägt. Laß du in seinem Geist erhabnere Ideen, Ihm selbst verwundrungswerth, von dir gewirkt entstehen. Er singt die Gottheit selbst, den Quell der schönsten Welt, Und wie durch ihre Kraft das Ganze sich erhält. O möchte den Gesang, der mit der Engel Chören Um seinen Thron sich mischt, die ganze Schöpfung hören! Auch ihr, die Stolz und Wahn um jenes Licht gebracht. Worin die Gottheit sich den Geistern sichtbar macht. Die ein verruchter Trieb selbst gegen Gott empöret. Die ihr das Wesen schmäht, das euer Wesen nähret. Hört meinem Singen zu, und fühlt der Wahrheit Macht! Doch nein! Ihr fühlet nicht! des Lasters Todesnacht, Der Sinnlichkeit Betrug, der Sturm der Leidenschaften, Läßt keinen edlern Trieb in eurer Seele haften. Durch eigne Schuld gestraft seht ihr die Sonne nicht. Wie mächtig auch ihr Strahl die Finsterniß durchbricht; Wie Katadupens 9 Volk den Fall des Nils nicht höret. Der sein betäubtes Ohr im Sturm vorüberfähret. Doch wer mit freiem Blick und einem Geist voll Klarheit Sich in das Ganze wagt, den rührt die höchste Wahrheit, Dem macht unzweifelhaft der tausendfache Mund Der zeugenden Natur das Daseyn Gottes kund. »Zwar kann, wen Sinnlichkeit und Vorurtheil bestricken, ,Im Tanz der Sphären selbst Verwirrung nur erblicken, , Und wenn uns Sehenden der schönste Tag erwacht, »Jst's, ohne seine Schuld, rings um den Blinden Nacht/ Stellt eurer Phantasie ein menschlich Wesen vor. Das nie den Tag gesehn. Nah bei dem Höllenthor,

12 In Aetna's tiefem Bauch, in Gründen voller Grauen, Schließ' ein Palast ihn ein, in dichtem Fels gehauen, ,Hier leb' er so wie einst im Hain Brosseliand »Merlin verzaubert lag von Vivianens Hand; »Nichts als Gespenster seh' in schwarzen Marmorzimmern , Sein ungewisses Aug' an glatten Wänden flimmern? Er kenne nicht den Reiz der Mannichfaltigkeit, Den süßen Unbestanb, der unser Aug' erfreut; Ein blasses Schattenspiel einförmiger Ideen Bleib unverändert stets vor feiner Stirne stehen, »Und schläfert ihn, so wieg' an mattem Lampenschein »Der Schlummer ihn zu noch langweil'gern Träumen ein. »Setzt, dieser Mensch seh' einst durch neu entdeckte Ritzen »Den ungewohnten Tag in seinen Kerker blitzen; »Erstaunt such' er den Ort, der seine Nacht erhellt, »Und der geborstne Fels Mr' ihn zur Oberwelt: , Wie wird ihm! Welch ein Strom von glänzenden Gedanken »Erweitert plötzlich ihm des Geistes enge Schranken, »Der kaum vor Lust fich kennt! Ein liebliches Gefild, »Von Florenö Hand gepflegt, malt ein entzückend Bild »In sein geblend'tes Aug'; aus jenem blauen Bogen » Fühlt er ein Meer von Glanz ans ihn herunterwogen, »Das tausendfarbig ihn mit süßer Glut umfacht, , Und Formen ohne Zahl ihm plötzlich sichtbar macht. , Der Bäche sanft Geräusch, des schwanken Laubes Wallen, »Das immer neue Lied verliebter Nachtigallen, »Der Weste leises Spiel, das liebliche Gemisch »Von tausend Lebenden in blühendem Gebüsch, »Die alle tausendfach sich ihres Daseyns freuen, »Kurz, jeder Zauber, den im wonnevollen Maien »(AIS ihrem höchsten Fest) die Schöpferin Natur

13 , Verschwenderisch ergießt auf Anger, Hain und Flur, , StrLmt seinen Sinnen zu im lieblichsten Gedränge, ,Und Herz und Seele wird so vieler Lust zu enge. ,Wo bin ich? ruft er aus, wie ist mir? Bin ich der .Noch der ich war? O welch ein Wechsel! und woher .Dieß neue Daseyn? Kann ein Traum so schön betrügen?‘ Welch angenehmer Ort, gebauet zum Vergnügen? Woher ist alles da? wo reget sich die Kraft, Die mit verborgner Hand so viele Wunder schafft? Er hält vielleicht, wie einst das Volk der jungen Erden, Die Sonne für den Gott, durch den die Dinge werden; Aufmerksam merkt er bald, daß alles was er sieht. Von ihrem Strahl belebt, sich zeuget, wächst und blüht; Ins Inn're der Natur weiß er noch nicht zu dringen. Er kennt die Flächen nur von körperlichen Dingen; Drum schaut der junge Geist, zu schwach zu hellerm Blick, Noch nicht auf dich, o Gott, der Wesen Quell, zurück. Doch die Betrachtung schärft sein unvollkommnes Wissen, Und leitet den Verstand gemach zu tiefern Schlüffen; Der nie gestillte Trieb nach neuer Wissenschaft Beflügelt seinen Muth, und stärkt die Denkungskraft. Er lernt die Kette sehn, die alle Dinge bindet. Wie die bewegte Luft den schnellen Blitz entzündet, Wie sich der Körper stets zur niedern Erde senkt. Wie aus der Wolken Brust die matte Saat sich tränkt; Die Bilder, welche stets aus allen Körpern fließen. Und sich mit sanftem Druck in unser Aug' ergießen; Der Samen inn're Kraft, die aus sich selbst gebiert. Und die belebte Frucht im Kleinen in sich führt; Den wunderbaren Bau harmonischer Maschinen, Die Wesen hih'rer Art zu langer Wohnung dienen;

14 Den ungemeffnen Raum, wo in des Aethers Fluß Sich ein umstrahltes Heer von Welten drehen muß. Dieß alles und noch mehr zeigt ihm im hellsten Lichte Erfahrung und Vernunft, und stärket sein Gesichte.! Ja, spricht er, ja, ein Gott bewegt die Wunderuhr Der Welt, die er erfand, beseelet die Natur. Ein eingeschränkter Arm kann so viel Seltenheiten Vollkommner als er selbst unmöglich zubereiten; Die Welt, die meinem Blick kaum ihre Schale weift. Erhält sich durch die Macht von einem höchsten Geist; Sie ist zu schlecht, in sich die Wirklichkeit zu finden, Zu schön, von ungefähr sich aus dem Nichts zu winden. So richtet die Vernunft, wenn kein gefärbtes Glas Den Vorwurf anders zeigt, als ihn das Auge maß. Von Vornrtheilen frei, die niedre Seelen drücken. Schwingt sie zu Gott sich auf, mit aufgeklärten Blicken. Im Ausfluß deiner Huld, vollkommenste Natur, Entdeckt dir jeder Punkt von dir die Segensspur. Ihr Weisen jeder Zeit, ihr Lieblinge des Wahren, Bei denen Geist und Witz sich mit Erfahrung paaren, Wie? daß beim Hellen Glanz, worin sich Gott uns zeigt. Euch doch ein untreu Licht auf falsche Stege neigt? Wie daß beim reinen Strahl entnebelter Begriffe Ihr doch das Ziel verfehlt, die gränzenlose Tiefe,

In der sich alles gründ't, aus welcher alles fließt. In welche alles führt und wieder sich ergießt? Du, kluger Epikur, du Freund der Ruh' der Seelen, Du lehrst das ächte Gut aus tausend andern wählen; Du kennst den ew'gen Trieb, der in den Wesen glimmt, Und zum Vergnügen nur des Willens Hang bestimmt; Und doch mißkennr dein Witz den Urquell aller Freuden,

15 Die in verschiednem Maß erschaffne Wesen weiden; Die Gottheit kennst dn nicht, die ihre Gegenwart Im unbegränzten Ranm so herrlich offenbart. Aus Stäubchen ohne Sinn, gefügt von Lnu'rer Regung, Baust du die schönste Welt durch schwärmende Bewegung, Und machst aus jenem Geist, der alle Kraft gebiert. Ein träges Schattenbild, das kaum sich selber spürt. O! hätt'st du von der Welt, die du dem Ungefähren, Der Stäubchen tollem Schwarm und dem geträumten Leeren Zu bauen übergibst, nur einen Theil gekannt; 2) Gewiß du hättest nicht das diamautue Band, Wodurch die Wirkungen sich an die Ursach' schließen. Mit unbedachtsamer verwegner Hand zerrissen. Der kennt das Sandkorn nicht, das dort am Ufer liegt. Der es, wie du die Welt, durch blinden Zufall fügt. Verwegen, doch beschämt von eigener Empfindung, Verwirft dein kühner Mund die weiseste Verbindung Der Zwecke ohne Zahl, nach welcher alles zielt. Der ew'gen Ordnung Macht, die unverletzt befiehlt. Die jedes Wesen ehrt; doch laß uns Gründe hören. Und höre auf, uns nur mit Traumen zu bethören! Ist jeder Grundsatz nicht, auf dem dein Lehrbau steht. Von unsrer Gütigkeit erzwungen und erfleht? Woher dein zahllos Heer stets reger Elemente, Das ewig zwecklos sich bekämpfte, mischte, trennte? Regt sich in ihnen selbst ein Keim der Wirklichkeit, . Der, ohne fremde Kraft, im Schooß der Ewigkeit Durch inn'res Leben sproßt? -Nein, was sich selbst umgränzet> Besitzt die Strahlen nicht, wovon die Gottheit glänzet. Ein unbelebter Staub, dem inn're Form gebricht, Den nichts Vollkommnes schmückt, erhalt sich selber nicht.

16 Und sprich, woher der Stoß, der von der ersten Richtung Die Stäubchen weichen heißt? Mit schlecht erftmdner Dichtung Läff'st du von ungefähr das größte Werk geschehn. Und deinen Göttern bleibt nichts als nur zuzusehn. Wann hat der Sturm vermocht den sterbenden Gefilden Numidiens die Pracht des Frühlings anzubilden. Wenn er mit toller Wuth in hohlen Wüsten zischt. In Meeren SandeS wühlt, und Erd' und Himmel mischt? Wann hat sein Blasen einst im Staub, mit dem er spielet. Ein Werk, das deinem gleicht, erhabner Nahl, 3) erwählet? „Seht, wie vom Donnerton des Weltgerichts erweckt. Durch den zerriss'nen Fels, der dieses Wunder deckt. Die schönste Mutter sich aus ihrem Staub erhebet! Wie den verklärten Arm Unsterblichkeit belebet! Wie bebt von seinem Stoß der leichte Stein zurück! Wie glänzt die. Seligkeit schon ganz in ihrem Blick! Ihr triumphirend Ang', in heiligem Entzücken, Scheint den enthüllten Glanz deö Himmels zu erblicken. Der Seraphinen Lied rührt schon ihr lauschend Ohr; Ein junger Engel schwebt an ihrer Brust empor. Und dankt ihr jetzt zuerst sein theu'r erkauftes Leben: Der Wandrer sieht's erstaunt, und fromme Thränen beben Aus dem entzückten Aug'; er sieht's und wird ein Christ, Und fühlt mit heil'gem Schau'r, daß er unsterblich ist." So weiß des Künstlers Geist dem Stoffe zu befehlen. Belebt den todten Stein, und haucht in Marmor Seelen. Allein wann hat eS1 je dem Ungefähr geglückt. Daß es, wie Phidias, die Weisen selbst entzückt? Wann hat in. Baumanns Gruft durch ungefähres Stoßen, Sich ein Lavkoon aus weichem Stein gegossen? Und was ist jenes Werk, das aller Griechen Blick

17 Mit Rührung auf sich zog, des Meißels Meisterstück, Nur gegen einen Staub, aus dem die Pflanzen sprossen. Wo unbegreiflich klein, von mancher Haut umschlossen. Die künft'ge Blume liegt, geformt doch unbelebt. Aus tausend Fäserchen mit weiser Kunst gewebt? Unendlich ist für «ns der zarten Fibern Länge, Unzählbar unserm Blick der kleinen Adern Menge, Die nach dem Grundgesetz, das in den Wesen liegt, Die wirksame Natur unendlich schön gefügt. Und was ist dieser Staub? Miß ihn mit unsrer Erden, Miß mit dem Himmel sie, sie wird zum Staube werden. Und dieß erschaffet dir der Stäubchen wilder Lauf, Und häufet Welt auf Welt, auf Wunder Wunder auf? Mit gleicher Raserei, und größerm Muth zum Siegen, Thürmt Strato ’*) Schluß auf Schluß, die Gottheit zu bekriegen. Wie der Titanen Heer, voll toller Wuth durchstürmt, Dem wolkichten Olymp den Ossa überthürmt; Man hört ihr Feldgeschrei den Himmel schon durchschallen; JeuS sieht sie lächelnd an, und heißt die Berge fallen. Im Innern der Natur liegt die gemeine Kraft (So lehrt er), die durch sich der Dinge Bildung schafft. Kein Geist beherrscht die Welt und bringt durch weises Wählen Vollkommenheit hervor, und heißt das Böse fehlen: Nein, ein Maschinentrieb, den kein Verstand erhellt. Bestimmt durch manches Rad die Aend'rungen der Welt. Im Schooß des ew'gen All, wohin kein Blick kann dringen. Sproßt, warm von eignem Feu'r, der Keim von allen Dingen; Die Zeit hilft der Natur, und säugt was sie gebar; So wächst und blüht und reift was erst ein Unding war; Doch bald wird's wiederum von jenem Schlund verschlungen. Aus dessen düstrer Nacht es kaum hervorgedrungen. Wielank, fätnmtl. Werke.

XXV.

2

18 Wie dort Saturn, von dem Hesiodus uns singt. Mit wilder Fräßigkeit die Säuglinge verschlingt. Die Rhea ihm gebiert, der Keim von späten Söhnen, Und sein selbsteignes Fleisch knirscht unter seinen Zähnen: So schlinget die Natur mit nie gestillter Wuth Ihr eignes Fleisch in sich, und säuft ihr eigen Blut; Ihr ewig schwangrer Schooß hört nie auf zu gebären. Nie ihr Harpyienschlund sich selber zu verzehren. Nichts, sprecht ihr, wird aus Nichts, die Welt muß ewig seyn ; Wie Gott aus Nichts sie schuf, das sehen wir nicht ein; Drum ist Gott selbst die Welt; des ew'gen Stoffs Gestalten Sind keine Wesen, die sich durch sich selbst erhalten: Nichts, was die Sinne trifft, besteht durch eigne Kraft, Die Kraft des Ganzen ist's, die alles regt und schafft. Betrogne! euer Schluß fällt auf euch selbst zurücke. Und euer eigner Fuß verwickelt sich im Stricke, Der uns geleget war; der richtige Verstand DeS Spruchs, auf den ihr trotzt, ist euch ganz unbekannt. Das gränzenlose Reich, in welchem alles schwebet. Zeigt uns Ein Wesen nur, das durch sich selber lebet; Cs hängt von niemand ab, von keinem Ding umschränkt Wird sein vollkommner Will' nur von ihm selbst gelenkt. Kein Fleck vermag den Glanz der Strahlen zu verdunkeln. Die ewig ungeschwächt in seinem Antlitz funkeln. Der andern Wesen Schaar (sie nennet man die Welt) Wird durch verschiednen Grad von Häßlichkeit entstellt; Dem Besten fehlt noch was; die schönste aller Dirnen Find't ungern einen Grund der stillen Flut zu zürnen. Die ihr geliebtes Bild mit kleinen Flecken weis't; Nichts ist hier ohne Grad, der allerhellste Geist Sieht Stufen über sich, die er noch nicht erstiegen.

19

Und selbst der Sohn des Glücks fühlt Unlust im Vergnügen. Wer so in seiner Brust das sichre Merkmal trägt. Daß eine ftemde Kraft sein träges Wesen regt. Wie kann der ewig seyn und keine Ursache kennen? Wer ist so sehr ein Thor, das einen Gott zu nennen'. Das nie bleibt was es war, dem immer was gebricht. Das stets noch werden soll, stets mit dem Tode ficht? Hier zeigt der Irrthum sich, dem ihr wünscht zu entgehen; Wie kann ein endlich Ding aus eigner Kraft entstehen? Muß zwischen dem was wirkt, und dem was aus ihm fließt. Nicht ein Verhältniß seyn, das sie zusammen schließt? Kann auch aus eigner Kraft ein träger Baum sich zimmern? Kann ohne Sonnenglanz Aurorens Purpur schimmern? Wann schmückt sich von sich selbst, beraubt vom heißen Strahl, Der alle Samen wärmt, das blumenvolle Thal? Heißt dieses nicht dem Nichts die Gottesmacht gewähren. Aus seinem öden Schooß die Welten zu gebären? Viel leichter konnten einst Amphions Harmonien Der stolzen Tbebe Wall aus Schutt und Steinen ziehn: Viel eher bildeten Dionens schöne Glieder Aus leichtem Schaume sich, mit zeugendem Gefieder Vom lauen West belebt, als daß aus eigner Kraft ?urch blinder Nader Trieb sich Stratons Welt erschafft. Willst du die Gottheit nicht von deinem Ganzen trennen. So mußt du überzeugt zu eigner Schmach bekennen. Daß in dem Wahrigebäu', das du auf Sand geführt (Des nahen Falls gewiß), ans Nichts ein Etwas wird. Dieß ist der falsche Fels, den beide nicht vermeiden, Leucipp 0 und Strato muß hier gleichen Schiffbruch leiden. Was ist Nothwendigkeit, die kein Verstand bestimmt. Was der Atomen Schaar, die in dem Leeren schwimmt,

so Bald von der Richtschnur weicht, sich ohne Ordnung dränget. Und wie der Zufall will, sich an einander hänget? Ein Wort, das keinen Sinn in seinem Ton verschließt. Und, wie des Freigeists Hirn, leer am Verstände ist. Hoch über jener Schwarm, die sich von ihr entfernen. Sitzt mit entwölkter Stirn die Weisheit bei den Sternen, Und dringt mit freiem Blick und unverwandtem Sinn Durch aller Welten Raum zum Throne Gottes hin. Gin nie versiegter Strom von «nvermischtem Lichte Umfließt sein Heiligthum; kein sterbliches Gesichte Trüg' unverzehrt den Glanz, in dessen stiller Flut Gin ungezähltes Heer verklärter Geister ruht. Hier fühlet man dein Seyn, o Herr der Cherubinen, Hier strahlest du sie an, hier schenkest du dich ihnen; Von reiner Wonne satt, befteiet von Begier, Vergessen sie die Welt, und sehn sie nur in dir. Was unsre Augen sehn in matten Spiegeln glänzen, Sehn sie im Urbild selbst, und sehn es ohne Gränzen. So weit dringt nicht mein Geist, doch zeigt ihm Raum und Zeit Den mächtigen Beweis von deiner Göttlichkeit. Ja selbst in seiner Brust find't er von deinen Zügen Gin unauslöschlich Bild in zartem Abdruck liegen. Kaum blickt er in die Welt, kaum rühret seinen Sinn Die Pracht der Creatur, so find't er dich darin. Ein nnbekannter Zug, zu stark zum Widerstehen, Verknüpft unendlich schnell die größesten Ideen In seiner Bildungskraft, es wird ein Bild von dir Und reizt, ergreift, entzückt die sehnende Begier. Dieß Zeichen deiner Macht, die alle Wesen reget. Hast du von Ewigkeit den Geistern eingepräget; Der dumme Samojed, der wilde Hottentott

21 Fühlt diesen Zug in sich und ehret einen Gott; Ein innerlich Gefühl wird ihn dein Daseyn lehren. Nur mangelt ihm die Kraft, sich selbst es aufzuklären; Weil er im dunkeln Bild Gott selbst nicht sehen kann. So betet der ein Hol;, und der den Monden au. Dieß ist der innre Trieb, der, tief in uns gesenkt, Mit bringender Gewalt die Herzen zu dir lenket. Den selbst ein Sremonm '■) mit ängstlichem Verdruss, Zu oft für seine Ruh', im Busen Wen muß. Vergebens sucht er ihn mit trügerischen Gründen Und manchem kühnem Schluß aus seiner Brust zu winden. Kein Bildniß von Porphyr trotzt mehr dem Iahn der Jeit, Kein Eichbaum steht so fest und lacht des Nordwinds Neid, Als, von ihm selbst geprägt, des Schöpfers Eigenschaften Und sein ursprünglich Bild in unsrer Seele haften. Vergebens sprichst du hier, du dessen Jörn uns schilt. Die Dichtungskraft allein entwerfe dieses Bild, Und wisse aus dem Stoff von allen Trefflichkeiten, Die sie in Eines haust, gar leicht das zu bereiten. Was, nach der Weisen Lehr', aus höhrer Wirkung fließt. Und von des Schöpfers Hand ein ewig Denkmal ist. Erforsche nur die Art der flüchtigen Zdeen, Die durch die Bildnerei der Phantasie entstehen; Ein einzig Beispiel macht den Unterschied uns klar: Erträum' ein Hirngespenst, wie etwan jenes war. Das uns Horaz gemalt; das Haupt gleich' einem Weibe, Es reize Aug' und Mund; am schuppenvollen Leibe Schlag' ein Delphinen-Schwan;; mit Federn ausgeschmückt Sey noch ein Pferdehals den Schultern angeflickt: Dieß Werk der Phantasie, wen hat es je gerühret. Und durch geheimen Zwang zum Glauben überführet?

SS Dieß thut mit stiller Kraft das angeborne Bild, Von ihm, dem Urbild selbst, in unser Herj gehüllt! Uns treibt ein süßer Zug, sobald wir nur empfinden Daß es in unS fich regt, sogleich es wahr zu finden; »So macht ein innrer Sinn den Widerspnich zu Spott, »Und tief in unsrer Brust erschallt's: es ist ein ®ott!‘ Cs ist ein Gott, durch den ich aus dem Nichts gedrungen; Sv ruft Natur uns zu mit Millionen Zungen, So stimmt in unsrer Brust dem jauchzenden Geschrei Von allen Schöpfungen ein stiller Zeuge bei. Du bist. Unendlicher, den keine Größe misset, Meer von Vollkommenheit, daS ewig überfließet. Aus dem ein steter Strom geschaffne Wesen tränkt, Und fich doch unverzehrt in dich zurücke senkt. Kein ftemdeS Wesen kann die reine Wonne mehren. Die du aus dir nur schöpfst, du kannst der Welt entbehren; O lehre selber mich, mein Ohr ist dir geweiht. Den schöpferischen Grund von unsrer Wirklichkeit! Wie dorten jene See von goldnen Feuer-Wellen Sich nicht enthalten kann die Sphären zu erhellen. Die eilt allmächt'ger Schwung um sie zu fliegen drängt; Der schattichte Planet, der ihren Schein empfängt. Begierig in sich zieht und die geborgten Strahlen, Auf seine Monde schießt, vermag ihr's nicht zu zahlen; Ganz unbesorgt, wer ihm die holde Wärme leiht. Empfängt er bloß von ihr der Samen Fruchtbarkeit; Sie freut sich, ihre Glut der Welt umsonst zu geben, Und flößt in die Natur ein allgemeines Leben: So ist die Gottheit auch (doch mit Vollkommenheit) Zum Heil der Creatur in steter Wirksamkeit. Kann sie unendlich seyn und nichts von Schranken wissen.

S3 So lang im kalten Nichts die Wesen schlummern müssen? Nein, der Vollkommenste kann ohne uns nicht seyn. Sein ewig Daseyn schließt auch unser Daseyn ein. , Untrennbar ist das Band, das Kraft und Wirkung einet, , Gott denkt die Welt in sich, und, was er denkt, erscheinet/ Dieß ist der sichre Grund, auf den zu aller Zeit Die weisesten der Schaar, die sich der Weisheit weiht. Der Schöpfung Ewigkeit und stete Dau'r gegründet. Die ein uiisterblich Band an ihren Schöpfer bindet. Der Führer jenes Volks, das Gott sich auserwählt. Singt uns der Welt Geburt, von Gottes Geist beseelt. Nicht nach der Weisen Art, durch tiefgeschvpftes Wissen Das Innre der Natur den Menschen aufzuschließen; Dieß will sein Endzweck nicht; genug, daß uns sein Licht, Jur Absicht sattsam hell, die düstern Nebel bricht. Wodurch die Weise» selbst, oft sinnreich um zu irren. In Labyrinthen sich, die sie gebaut, verwirren. Mit ungekünstelter und göttlich-hoher Pracht Erzählt sein heil'ger Mund, wie aus des Abgrunds Nacht, Dem Stoff, der nur von Gott die Wirklichkeit gesogen. Des Schöpfers kräftig's Wort die Welt hervvrgezogen; Nicht, weil der ew'ge Geist, der Leben in uns blies. Erst in gemeff'ner Jeit den Raum gebären hieß; Nein, bloß den alten Wahn der Weisen zu verbringen. Der den vermischten Stoff von ungeformten Dingen Durch sich läßt ewig seyn, und Gott entziehen will (Dieß lehrte schon ein Theut") am vierzehnmüqd'gen Nil, Dieß hat den Magiern ein Jerdusht8) vorgesungen). Und dieser Irrthum ist's, den Amrams Sohn») bezwungen; Der, da er uns erzählt, wie unsre Welt entstand, Die Kette nicht zerreisst, die sie an andre band.

84 So fällt der Widerspruch, den aus den heil'gen Bücherir Man einer Wahrheit macht, die tausend Gründe sichern. Ein Wesen, das stets wirkt und stets mit gleicher Kraft, Das keinen Wechsel kennt, das nicht bald ruht, bald schafft; Und dessen Tugenden, die wir verwegen trennen, Zn stetem Ausfluß sind, und keinen Zuwachs kennen; Wie könnt' es ewig ruhn? Fehlt's ihm vielleicht an Macht, Daß es ganz unwirksam Aeonen zugebracht? Wie? oder an der Huld? Mißgönnt er uns das Leben, Das seine Allmacht uns von Ewigkeit kann geben? Ohnmächtig seufzt die Welt ins öden Undings Grab, Sie seufzt nach Wirklichkeit, und wer schlägt sie ihr ab? Er, der nur winken darf, damit sich Sonnen drehen? O! Liebe, soll dich so ein niedrer Erdwurm schmähen? Die höchste Macht ist nicht, wie die Vermögenheit Des Weisen von Stagir,'") zum Wirken nur bereit; Die schlummernd warten kann, bis durch die Zeit erreget. Was vorher nur geglimmt, jetzt volle Flammen schläget: So wie ein schneller Strom, von Dämmen eingeschränkt. An den verhaßten Wall beschäumte Wellen drängt, Er bäumt die wilde Flut, stürmt in die Felsenstücke, Bespritzt die Wolken selbst und rauscht gepeitscht zurücke: Doch endlich weicht der Schutt dem stets erneute» Stoß, Die Steine trennen sich, der Pfähle Band wird los. Erfreuet fühlt der Fluß die festen Eichen wanken. Und bricht mit neuer Kraft durch die verhaßten Schranken, Nichts hemmt nun seinen Lauf, er reißt vom nahen Hain Bejahrte Tannen aus, und stürzet Felsen ein. Ho fesselst du die Macht, durch die die Welt entstanden. Die unumschränkte, Macht, mit frevelhaften Banden; Dir kämpft das Nichts mit Gott, und erst nach langem Streit

SS Weicht es, von ihm besiegt, der ncugcbornen Zeit. Vergeblich suchst du dich, mit unhaltbaren Gründen Vom Vorurtheil geschminkt, dem Vorwurf zu entwinden; Du sprichst, nicht ohne Schein: die Schuld, daß die Natur Nicht ewig dauern kann, trägt bloß die Creatur. »Der Dinge Schranken sind's, die seine Allmacht hemmen, »Sich seinem schaffenden Gebot entgegen stemmen. »Ein eingeschränktes Ding ist nur in Raum und Zeit, »Sein Wesen selbst verträgt sich nicht mit Ewigkeit. »Bewiese dieser Grund, so würd' er mehr noch gelten »Als du beweisen willst; er spräche gar den Welten »Und allem, was Gott selbst nicht ist, das Daseyn ab; »Wir alle lägen noch ins alten Undings Grab. -Das Wesen strebt ins Seyn, und was ihm fehlt zum Leben »Kann es zwar selbst sich nicht, doch kann es Gott ihm geben: »Dieß gilt in jedem Punkt der ewig theilbar'n Zeit; »Stets sind zum Werden wir, zum Schaffen er bereit; ,3n Ewigkeit läßt Seyn sich nie mit Nichtseyn paaren, »Und daß wir jetzo sind, zeigt daß wir immer waren. »Zudem lehrt ihr ja selbst die Unvergänglichkeit »Der Wesen, die jetzt sind. Zst eine ew'ge Zeit, »Die unaufhörlich in die Zukunft sich ergießet, »Euch denkbar? Nun, so räumt, wofern ihr folgrecht schließet, »Auch uns, der Endlichkeit zu Trotz, die Wahrheit ein, »Was ohne Ende ist, kann ohne Anfang seyn? Die Welt fing niemals an, und wird sich niemals enden, Sie liegt von Ewigkeit in ihres Meisters Händen; Durch seine Kraft bewegt, die ewig wirken muß. Und stets in gleichem Maß, und ohne Zeit und Fluß. Wähnt nicht, den Ewigen verkleinre diese Lehre! Nein! sie gereicht vielmehr zu seiner größer» Ehre.

26 Die Welt ist ewig zwar, doch ihre Dauer ist Nur eine stete Zeit, die endlos immer fließt; Die Kraft, die ewig schlägt in den umschränkten Dingen, Weicht stets aus ihrem Gleis, sich höher aufzuschwingen; Nie ist sie was sie wird, nie bleibt sie was sie war. Und was sie ist, wird nur durch Scheinen offenbar, Dich aber, Herr der Welt, flieh» Wechsel, Grad und Zeiten; Du unbegreiflich'S Meer vollkommner Stetigkeiten Bleibst ohne Aenderung, wie du dich stets gezeigt, Indeß daß unsre Kraft durch ew'ge Grade steigt. Auch Welten trifft der Tod, der Sonnen Glanz erlischet. Wie eine Blume welkt, die lang kein Thau erfrischet; Nur du, du bleibst allein in gleichem Alter stehn; Kein neuer Himmel wird dich jemals größer sehn. Die Welt ist GotteS Werk, und dauert ew'ge Zeiten; Dieß, Muse, war bisher der Inhalt deiner Saiten. Doch wie ist sie gebaut? Entdeckt auch ihre Pracht Die Weisheit, die sie schuf, und ihres Meisters Macht? Hier, Göttin, stärke mich, da ich den Wahn bestreite. Den Zerdufht ftüh gelehrt, und Manes ") spät erneute, Von Bayle, der so gern den priesterlichen Blitz Durch seinen Muthwill reizt, geschmückt mit neuem Witz. Die Mängel unsrer Welt, die gleich den Sonnenflecken Nur den geringsten Theil von ihrem Glan; verdecken, Verftlhrtcn jederzeit der blödern Geister Schwarm. Von Wahnsinn aufgebläht, an reifem Wissen arm. Zu klein die edle Pracht der Ordnung zu bemerken. Die nur die Augen rührt, die sich mit Weisheit stärken. Nennt der Verwegne schlimm, waS er nicht richtig sieht. Weil sich ein falscher Dunst um seine Sinne zieht. ,Wie eine Mücke, die an jenem Bilde klebet.

27

,Jn dessen Nachruhm noch sein großer Meister lebet, ,Wie ihr vieleckicht Aug', in einen Kreis gezwängt, ,Der eine Spanne kaum vom ganzen Bild umfängt, ,Nicht seine Schönheit sieht, noch ahnt das heil'ge Grauen, ,Das jeden Seher faßt, wenn seiner Augenbrauen ,Mmächt'ger Wink Olymp und Erde zittern macht; ,Der Formen hoher Reiz, der Faltenwürfe Pracht, ,Das Auge, das den Gott dem ersten Blick entdecket, ,Mild auf den Guten sieht, den Frevler niederschrecket, ,Die Majestät, die auf der höhren Stirne thront, ,Die Huld mit Ernst gepaart, die auf den Lippen wohnt;' Der ganze Jupiter verliert sich in der Schwäche Des Mückenaugs; dafür entdeckt sie auf der Fläche, Die ihre Füße trägt, des Marmors Rauhigkeit, Der ihr ein Felsen dünkt mit Zacken überstreut: So schränkt die Dummheit auch die neblichten Ideen In einen engen Kreis (das Ganze übersehen Ist größrer Geister Werk), das allgemeine Band, Das alle Theile fügt, bleibt stets ihr unbekannt. Drum find't sie überall die Schöpfung voller Mängel Und machte gar zu gern aus allen Würmern Engel; Klagt, daß ein öder Fels nicht bunte Tulpen bringt. Und Philomele nicht nach Grauns Gesetzen singt. Allein der Weise lacht des eingebild'ten Klugen; Er kennt des Ganzen Bau und aller Theile Fugen, Er hat den wahren Stab, der ihr Verhältniß mißt. Und find't so vieles schön, daß er den Fehl vergißt. Aus jenem trüben Quell, von Leim und Sand geschwollen. Ist bis auf unsre Zeit ein tödtlich Gift gequollen. Statt mit Behutsamkeit der Wahrheit nachzuspähn. Bleibt der verdroff'ne Witz stets auf der Gränze stehn;

28 Mit Träumen speist man. sich, die das Gehirn verwirren. Und wünschet sich noch Glück, so angenehm zu irren. In einem tiefen Wald in Baktrens ider Flur Verlieret sich Zerdusht im Forschen der Natur. Die bickbelaubte Nacht umschatteter Gefilder Führt den einsamen Sinn aus schreckenvolle Bilder. Er forscht dem Uebel nach, das alle Menschen plagt. Und mit geschärftem Zahn an ihren Herzen nagt. Auch den, der Purpur deckt, dem alles scheint gewähret. Verläßt der Kummer nie, der seine Luft verzehret; Der Glanz, der ihn umgibt, blend't nur des Pöbels Wahn, Und streicht mit falscher Pracht ein schimmernd Elend an. Wir nähren tief in uns den Keim zu steten Plagen, Er hat in unsre Brust die Wurzel eingeschlagen, Die das durchschlungne Herz mit tausend Adern füllt. Und die du selbst umsonst, o Weisheit, tilgen willt. Der Geist sieht traurend sich in träge Fessel schließen. Sein schwacher Nachen wird vom Strome hingerissen; Der Wollust Süßigkeit vergällt der Ueberdruß, Und Tantals Hunger nagt uns mitten im Genuß. UnS trüget ein Gespenst, ein reizend Schaugerichte Quält unsern trocknen Gaum und schmeichelt dem Gesichte. Wie dort Krensens Bild sich dem Aeneas zeigt, Und sein bekümmert Herz mit falscher Hoffnung säugt — Dreimal streckt er den Arm nach dem geliebten Schatten, Dreimal entzieht sie sich dem Kuß des bangen Gatten: So flieht die Seelenruh', das niemals feste Ziel Betrogner Geister, den, der sie umfangen will; Hingegen schwärmet stets ein Heer von blaffen Sorgen Bei jedem Tritt um uns, und ängstigt uns auf morgen. Vergebens wird der Gram durch jetz'ge Lust verscheucht.

29 Er ist dem Parther gleich, der sieget, wenn er fleucht. Kaum scheint er zu entfliehn, so kömmt er stärker wieder. Und schwingt um unser Haupt sein trauriges Gefieder. Aus diesem Augenpunkt betrachtet nun Zerdusht Die allgemeine Noth, die Folter unsrer Brust. Er spürt der Nrsach' nach, erstaunt in deinen Werken Gebrechen ohne Zahl, o Mithra, zu bemerken. Nein, ruft er endlich ans, erbarmensvoller Gott, Du lebest nicht von Blut, und suchst nicht unsern Tod. Ein boshaft Wesen ist, das uns das Seyn mißgönnet. Sein Her; ist stetes Feu'r, wo Zorn und Rache brennet. Es labt mit Thränen sich und nährt mit unserm Blut, Als wie mit fettem Oel, die unglücksel'ge Glut. Der Seufzer Angstgetön liebt es weit mehr zu hören. Als jene Harmonie der musikal'schen Sphären, Die, Mithra, dich vergnügt. Von ihm stammt alle Noth, Die uns bis zum Beschluß des bangen Lebens droht. Und nur dem Tode weicht, der unsern Jammer kürzet. Ach! aber gar vielleicht in ew'gen Schlummer stürzet. So schließt der Persen Theut, und findet in Geschichten Des grauen Alterthums, umnebelt von Gedichten, Was seine Meinung stärkt; der Celten Ueberfall Und Hermanns strenge Faust, der Horomasben'?) Qual, Ließ noch im Orient die blut'gen Spuren sehen. Und schien dem neuen Wahn mit Nachdruck beizustehen. So heckt des Weisen Witz und die Unwissenheit Des Volks den Irrthum ans; genähret von der Zeit Wächst er, und schützet sich mit seiner Priester Zungen, Bis nun das Alterthum den Beifall ihm erzwungen. Den ihm, als er entstand, des Pöbels Leichtsinn gab: Nun blüht der Wahn empor, und auf der Wahrheit Grab.

30 Iwei Wesen ehrt und scheut, mit ganz verschiedneu Trieben, Das alte Persien. Das eine macht sich lieben. Cs pflanzt in unsre Brust der Tugend Samen ein. Und pflegt die zarte Frucht mit warmem Sonnenschein. Das andre gleicht der Nacht; mit kalten Finsternissen Hemmt es der Strahlen Kraft die von Hormasdes fließen. Ein ew'ger Iweikampf trennt der Himmelsgeister Schaar, Und nichts als unser Glück ist dabei in Gefahr. Das gute Wesen führt die unerfahrne Jugend, Der oft die Unschuld schabt, den steilen Weg der Tugend, Sein zärtlich-ernster Blick folgt ihnen wo sie zieh«. Und wandelt Dornen oft in lieblichen Jasmin. Hingegen Ariman, verschlagen uns zu kränken. Hört niemals auf, an Stoff zu unsrer Pein zu denken. Jetzt lockt er uns mit List in reizender Gestalt. Ein liebenswerther Feind hat zehnmal mehr Gewalt, Als der die Waffen zeigt, die unserm Leben dräuen; Ein Feind, der sich erklärt, befiehlt uns, ihn zu scheuen; Da dem, der lächeln kann, der uns umarmt und küßt, Schon oft der kühnste Held zum Opfer worden ist. Auf solche Weise ist's dem Wüthrich oft geglücket. Daß seine Iauberei ein schwaches Herz berücket. Kein Proteus wend't so oft die trügende Figur; So vielfach sah dich nicht der spröden Nymphe Flur, Vertumnus, *5) bis zuletzt mit schmeichlerischen Falten Du als ein graues Weib die süße Gunst erhalten. Voll Wunders fühlte gleich Pomona bei dem Gruß, So gut er sich verstellt, den allzu frischen Kuß; So küßt die Freundschaft nicht! Sie stutzt, ihr glühn die Wangen, Doch plötzlich fühlt sie schon sich feuriger umfangen. Sie sträubet sich umsonst, zu schwach zu ernstem Krieg,

31 Krönt nur ihr Widerstand des holden Feindes Sieg. So zeigt sich Ariman, den Endzweck zu erhalten (Sein Spiel ist unser Tod), in mancherlei Gestalten; Von jedem Vorwurf nimmt er Färb' und Bildung air Und trügt zu gleicher Zeit verschiedner Seher Wahn. In unsers Herzens Form weiß er sich schnell zu drücken. Und andre Neigungen auch anders zu berücken. Dianens Gürtel braucht er zu Kalisto's Weh, Und füllt mit goldner Flut den Schooß der Danae. Gelingt die List ihm nicht, so schrecket er mit Blitzen, Und Oromasdes selbst kann oft vor ihm nicht schützen. Dieß ist des Uebels Quell, so träumete Zerdusht, Und suchte außer uns, was tief in unsrer Brust Aus innrer Quelle rinnt; den Knoten aufzulösen, Macht er das Uebel gar zu einem ew'gen Wesen. Allein vor Fabeln bebt des Zweiflers Kühnheit nicht. Du, Wahrheit, bist's allein, die seine Waffen bricht; Durch dich will ich die Macht geschärfter Zweifel dämpfen, DaS Vvrurtheil zerstreu'», und für die Gottheit kämpfen. Im ewigen Verstand der göttlichen Natur Schwebt ein unendlich Bild der ganzen Creatur, Von allen Schatten frei. Hier stehn in langen Reihen Die Wesen, welche sich der Möglichkeit erstellen: Unendlich ist die Schaar, die ihren Platz hier hat. Und sich vom öden Nichts dem Unerschaffnen naht. Hier fehlet keine Kraft, kein wirksames Vermögen, Kein Wesen, das sich selbst kann fühlen und bewegen. Dieß ist der Stoff der Welt. Ihm gab die weise Macht, Die ihn unsterblich schuf, der schönsten Bildung Pracht. Sie hat der Wesen Schaar nach Aehnlichkeit verbunden, Und jenes Grundgesetz der Ordnung ansgefnnden,

32 Das jede Wirkung stets an eigne Ursach' knüpft, Und wehrt, daß die Natur nicht epikurisch hüpft. Die schöne Symmetrie,'die Eintracht in den Theilen, Die durch verschiednen Weg den besten Zweck ereilen; Die wohl gesparte Kraft, die abgewogne Zeit, Der ausgemeff'ne Raum, die Mannichsaltigkeit Mit Einfalt stets vermählt, das künstliche Verfügen, Daß im Vergangnen stets der Zukunft Samen liegen; Dieß alles ist Has Werk vom ewigen Verstand, Der für den reichsten Stoff die schönste Form erfand. Der Mängel kleine Zahl schivind't in des Guten Größe, Und gleicht kaum einem Punkt, den ich mit Sonnen messe. Die Welt ist ja nicht Gott; genug, daß ihre Pracht Sie, nach dem Schöpfer selbst, zum höchsten Wesen macht. Sie ist so groß und gut als Gott sie kann bereiten. Ein völliger Begriff von allen Möglichkeiten, Und führt der Wesen Schaar, von Mängeln endlich rein. Durch den bequemsten Weg in ihren Ursprung ein.

Inhalt -es zweiten Dnchs.

Nachdem im ersten Buche die ewige Schöpfung der Welt behauptet worden, geht der Dichter zu Erklärung des Ur­ sprungs derselben fort. Widerlegung der Meinung, daß alle Dinge Ausflüsse aus der Gottheit seyen. Alle Substanzen haben ihre Kraft oder Wirksamkeit von Gott, die Art aber wie sie dieselbe äußern, von sich selbst. Die Schöpfung und Erhaltung ist demnach eine einzige, ewige und sich selbst gleiche Wirkung Gottes, wodurch alle Kräfte in ihrem Seyn erhalten werden. Letzte Absicht der Schöpfung. Awei große Folgen aus derselben: die erste, daß alle möglichen Wesen wirklich sind; die andre, daß alle empfindenden Wesen für eine endlose Glückseligkeit bestimmt sind. Die Seelen und Geister sind der einzige Gegenstand der Absichten des Schö­ pfers, und der Stoff ist bloß nm ihrentwillen. Vortrag und Widerlegung des Wahns der Materialisten, welche das Daseyn unkörperlicher Wesen läugnen. Grund der Verschiedenheit der empfindenden Wesen, in Absicht der Grade ihrer Voll­ kommenheit und Glückseligkeit. Gemälde einiger Classen solcher Wieland, fämmtl. «Gevfe.

XXV.

3

34 Geschöpfe. Zergliederung der innern Einrichtung der geistigen Wesen. Wie ihre Natur ein Schattenbild der göttlichen ist, durch die Vorstellungskraft, den Trieb zur Vollkommenheit oder die Liebe, und durch die Ruhmbegierde. Allgemeiner Blick über die ganze Geisterwelt.

Zweites Buch. Die Welt, dieß weite Reich beseelter Wirklichkeiten, War, den Substanzen nach, kein Werk gemessener Zeiten, Obgleich ein steter Fluß die Form der Dinge treibt. Und ihr verstärkter Lauf stets großem Kreis beschreibt: Nein, wie im ersten Buch die Musen uns gelehret. Hat stets ihr wandelnd Seyn dem Schöpfer gleich gewahret; Sie hangt an seiner Macht, und zöge die sich ab, So sänke gleich das All ins Undings finstres Grab. Doch wie wirkt diese Kraft? Wie weit wird's uns gelingen, Ins Unermeßliche mit schwachem Blick zu dringen? Der allsten Weisen Schaar, vom Trismegist gelehrt, Hat jenen Wahn gezeugt, den noch der Indus ehrt. Den einst Plotin erneut, Zochaides ') verdunkelt. Und der mit blassem Schein in Böhms Aurora 5) sunkelt. Die allzu fruchtbare, zu warme Phantasei Ist die Gebärerin von dieser Schwärmerei; Sie mischt und wechselt stets die Bilder mit den Sachen, Die durch die Bilder uns der Witz soll sichtbar machen. Der Irrthum dieser Schaar ergießt durch manchen Arm Sein schlammicht Wasser aus. Der ernsten Zenons ■) Schwarm Laß: ein astralisch Licht das ganze All umsiießen.

36 Und Leben und Verstand in alle Wesen gießen. Plotin macht Gott zum Meer, aus dem die Geisterwelt. In tausendfachem Grad verschiedner Klarheit quellt; Der Schaum, der diese Flut gleich einer Rinde decket. Ist der entseelte Stoff, der alles Uebel hecket. Iochaids Mißgeburt tiefsinn'ger Schwärmerei Borgt von Plotin den Grund zum seichten Lehrgebäu, Das er rabdinisch schmückt mit morgenlind'schen Bildern. In unermeßlichen ätherischen Gefildern (So träumt er) wallt ein Licht, das, rein und unbegränzt Don allem Dunkel, frei die Ewigkeit durchglänzt:5) CS hält, was durch die Zeit aus ihm hervorgestossen,; Die Samen aller Ding' in seinen Schooß verschlossen. Der Erstling seiner Kraft geußt den empfangnen Schein Mit ungleich reinem Licht in zehn Canäle ein. Die immer weniger vom Ursprungsglanze schmücket. Je weiter sich ihr Lauf dem Mittelpunkt entrücket. Dieß ist die höchste Welt, die Helle Aziluth, Der unvermischte Strom aus Cnsophs reiner Gluth. .Mit etwas blasserm Schein gießt Briah ihre Strahlen Der Welt der Geister zu, die, in gestirnte Schalen (Ein dunkler Kleid) gehüllt, die finstre Unterwelt, Den unbelebten Stoff, mit mattem Licht erhellt. Doch Muse, schweig', und scheu' die heil'gen Dunkelheiten; Ihr unsichtbares Licht glänzt nicht den Ungeweihten I So zeugt der Irrthum sich in dem fruchtbaren Schooß Der heißen Phantasie, und wird vom Beifall gr oß! Kaum tilgt ein Hercules den hundertköpfigen Drachen, Der immer sich ergänzt und dräut mit neuen Rachen. Du, Weisheit, dämpfest ihn, dein Blitz zerstreut den Wahn; Komm, G-ttin, zeige mir der Wahrheit sichre Bahn.

37 Die ganze Welt regt sich von thätigen Vermögen, Die sich durch innre Kraft verändern und bewegen. Die innerliche Form, der Wesen Unterscheid, Hängt bloß an dieser Kraft und ihrer Thätigkeit. Doch ist die Kraft nicht selbst das, was aus ihr entspringet, So wie die Nachtigall nicht das ist, was sie singet. Die Wirkung dieser Kraft, die ihr Geschlecht und Art Durch das, was sie gebiert, den andern offenbart, Ist bei der Creatur in Grade eingeschlossen. Und nie der Quelle gleich, aus der sie ausgessossen. Nur Gott ist was er ist, und bleibt sein eigner Grund, Da uns hingegen stets in seinem öden Schlund Das wesenlose Nichts gleich todten Schatten quälte. Wenn nicht der Kräfte Quell die unsre stets beseelte. Jetzt zeigt sich unserm Geist das ewig feste Band, Das die Geschöpfe knüpft an die allmächtige Hand. Durch sie nur lebt der Trieb, der in den Wesen schläget. Die einen körperlich, die andern geistig reget: Obgleich die Aenderung der Kraft, die er beflammt. Nicht von der Gottheit selbst, nein, von den Wesen stammt, So bleibt der Schöpfer stets in gleicher Wirkung stehen. Und schafft nie weniger, nie mehr als sonst geschehen. .Auch hier verleitet leicht zu einem falschen Schluß »Die Täuscherin, die ich so oft bekämpfen muß. ,Ein Werk, worauf Lysipp die Schöpferkunst verwendet, »Wird mit dem letzten Druck der Künstlerhand vollendet. »Sein Schaffen hat ein Ziel; steht deine Paphia, »Praxiteles, einmal ganz glatt und fertig da/ Bedarf sie dein nicht mehr, und kann, um fortzuwähren, Des Künstlers, den sie nun weit überlebt, entbehren. Drum schließt die Phantasie: was einst geschaffen sey.

38 Besteh' nun durch sich selbst, hon fremdem Beistand frei. Doch läßt dieß Gleichpiß auch sich auf den Schöpfer wenden? Der Künstler gibt dem Strip, der uhter.fefoen Händen Mit fremder Schönheit reizt, die ihm Kassandra leiht, Rur eine neue Art der vor'gen Wirklichkeit; Er schuf ihn nicht aus Nichts: allein die Kraft der Wesen Kann nie sich von der Hand des ew'gen Schöpfers lösen; Der Grund, warum sie nicht aus eigner Macht besteht. Hört niemals auf zu seyn; so sehr sie sich erhöht, Wird sie doch nie zu Gott, und was sie einst empfangen. Muß jeden Augenblick sie stets von ihm erlangen. Sing', Muse, nun, wie Gott den besten Zweck erfüllt. Und was das Muster war, ivornach er uns gebild't. Der Wesen Inbegriff'soll seinen Meister preisen. Und seine Herrlichkeit im schönsten Abdruck weisen; Drum schafft Gott eine Welt, die seiner Huld genießt, Und jenes Licht empfängt, das schaffend aus ihm fließt. Dieß ist der Zweck, den uns die Wahrheit heißt bemerken. Der Gottheit Ehre liegt im Glück von ihren Werken. Je mehr sie sichtbar wird, je mehr wird sie geehrt: Was uns beseligt, ist, was ihren Ruhm vermehrt. Dieß ist der Felsengrund, der zwei Kolossen träger. Auf deren sichres Haupt sich unser Lehrbau leget. Der eine stützt den Satz: daß, was empfindlich ist. Der Wesen ganze Schaar, die Schöpfung in sich schließt. Im andern gründet sich das Glück der Geistigkeiten, Der Triebe Gegenstand, die Hoffnung beff'rer Zeiten. Ist der Geschöpfe Glück des Schöpfers einzig'S Ziel, So flößt sein Allmachtshauch Empfindung und Gefühl In so viel Wesen ein, als in der Möglichkeiten Uneingeschränktem Reich sich ihrer Hoffnung freuten.

39 Was hilft's dem todten Stoff, daß er den Geistern nützt? Was hilft's der Sonnenglut, daß sie die Welt erhitzt? Kennt Vandycks Malerei den Reiz von ihren Zügen? Kann sie ein schmeichelnd Glas wie Splvien vergnügen? Empfindet sie die Lust, die Phrynens Busen bläht. Wenn der Bewundrer Heer bezaubert um sie steht? Nein, unbekannt sich selbst, ergötzt sie fremde Blicke, Und schlägt mit taubem Ohr das eitle Lob zurücke. Zwar hat das Alterthum ein Wesen stets mißkennt. Das bloß Ideen wirkt, vom Stoffe ganz getrennt; Die Geister, denen es Empfindung beigeleget. Sind von gestirntem Feu'r, das, wenn es sich beweget, Gedanken fühlend zeugt, und unverweslich ist. Weil, frei von trübem Stoff, sein reiner Lichtstrom fließt. Anch unsre Zeiten hat der Irrthum noch beflecket. Und aus dem alten Schutt sein stolzes Haupt gestrecket. In Geister, welche sich vom Stoffe nie befrei'». Floßt er sein schleichend Gift sanft und unmerklich ein. Das Laster hofft durch ihn sich vor des Richters Blitzen, Vor gegenwart'ger Singst und künft'ger Qual zu schützen. Sein Freund, der Witz, hilft anch mit dienstbarem Bemühn, Ihm trüglich die Gestalt der Wahrheit anznziehn. O Thor, um kurze Lust, und die kaum halb zu schmecken, Soll dich mit ew'ger Nacht des TodeS Grabmal decken? Verachtet schmäht dein Sinn das Glück der Ewigkeit, Und doch genießt er kaum die Hülsen von der Zeit. Sie, welche jederzeit den Wahn erzeugt und nähret. Die Phantasie, hat auch des Irrthums Wuchs vermehret. Den ich bekämpfen will; aus ihrem Bilderschatz Schmückt sie ihn reizend aus, und nimmt der Gründe Platz. Fragt nur den Freigeist an, und dringt in ihn mit Gründen

40 Kaum wird er zweiflerisch sich aus dem Netze winden. Was, spricht er höhnisch, waS denkst du beim Worte Geist? Jst's nicht «in leerer Schall, der dich mit Unsinn speist? Kann was entkörpert seyn, und ganz vom Stoff sich trennen? Wär' es nicht eben das, was wir das Leere nennen? So schloß schon ein Lucrez, und ohne roth zu seyn. Stimmt noch zu unsrer Zeit manch falscher Weiser ein. Man zweifelt, ob ein Geist (nad) unsers Leibnitz Lehren) Solch eine große Zahl von Bildern kann gebären, Don Bildern, welche doch sein innres Wesen scheut. Das keinen Sinn berührt, und Stoff und Dehnung meid't. Und endlich (dieses ist der Kern von ihren Schlüssen) Wer sagt uns, daß vom Stoff wir alle Kräfte wissen? Betrogne Sterbliche! Vom unbegränzten All Seht ihr den äußern Rand, die Schale nicht einmal. Und-rühmt euch doch getrost der Dinge Herz zu kennen. Und wißt die Himmel selbst, wie Kircher, c) zu durchrennen. O kaum gewordnes Nichts, das jetzt ein kurzer Wind Gleich einer Blase dehnt, die, eh' sie ist, verschwind't; O Thörichter, du willst in klippenvollen Tiefen Und ohne Stcu'r und Mast und Stern und Nadel schiffen? Viel leichter prüfte dort der ersten Schiffer Heer, In heil'ger Fichten Bauch, das laut verschreit« Meer, Die Nymphen sahn erstaunt in den beschäumten Gränzen Ein fliegend Holz sich drehn, und Schild und Harnisch glänzen; Allein sie schützt' ein Gott, Minerva führte sie. Des goldnen Vließes Preis reizt' ihre Heldenmüh': Du aber, schwacher Geist, wie kannst du dich erfrechen. Und ohne Hüls und Licht die finstre See durchstechen? Verwegen schließest du, der Stoff empfinde nicht. Weil dir es einzusehn Verstand und Sinn gebricht.

41 2st das der Helle Geist, den ihr so sehr erhebet. Der Strahl von Gott, der einst sich selber überlebet? Er zeugt sich mit dem Leib, fangt an mit ihm zu blühn. Nimmt ab wie er, und ach! wie er wird er verfliehn! Dieß ist des Dichters Schluß, der seinen Witz verschwendet, ’) Doch nur ein blödes Aug' mit seinen Flittern blendet. Hier ist ein weites Feld, wo sich die Dichtkunst weift; Das muntre Frankreich trägt kaum einen seichten Geist, Der hier den Witz nicht übt, stolz die Vernunft verhöhnet. Mit Scherzen Gründe schlägt, und große Wörter tönet. Doch dichte immerhin, und wandle, wenn du willt. In ein beseeltes Weib Pygmalions Marmorbild; Du magst nach deiner Art mit Mährchen uns betriegen; Du thürmest Reime auf, hier sollen Gründe siegen. Du sprichst, der Stoff empfind't, er ist's, der in uns denkt. Die Bilder nimmt, verwahrt, trennt und zusammen hangt. Sich in die Formen gießt, die ihm der Körper giebet. Und in uns wünscht und scheut und hofft und haßt und liebet. Doch sage, da der Stoff unendlich theilbar ist, Ob diese geist'ge Kraft aus allen Theilen fließt, Don dem was in uns denkt? Dieß mußt du uns bejahen. Und deinen Satz zugleich dadurch dem Umsturz nahen; Platin hat längst für dich den starken Pfeil gespitzt. Vor dem dein Luftgebäu kein Witz, kein Einfall schützt. Denn sprich nur, ist das Bild, das jetzt dein Stoff empfindet, Zn jedem Theile so, daß er's ganz in sich findet? Ist dieß, so würde ja ein jeder Gegenstand, Trotz dem, was man erfährt, unendlich oft erkannt. Du würdest, wie Orest, nicht nur zwei Sonnen sehen. Unzählbar würden sie vor deinen Augen stehen; Dir würd' unendlich oft, was deinen Blick bestrahlt.

42 Was andre Sinne rührt, in dein Gehirn gemalt; Es würde jeder Trieb, dein Hassen und Begehren, In der betäubten Brust unendlich sich vermehren. Don drei Antikpren wird, wer dieß glaubt, nicht heil! s) Doch beuge klüglich dich, und weiche diesem Pfeil, Sprich, jeder Theil des Stoffs, der in mir fühlt und denket. Fühlt nur ein Stück des Bilds, das in den Sinn sich senket: Nun sag' auch, wenn du dich beim Denken selbst erkennst. Und dich unendlich schnell vom Vorgestellten trennst. Ist dieß Gefühl getheilt- und wie wird es zerrissen? Nur Eine Kraft kann es in Eine Wirkung, schließen. Was der Verstand ergründ't, des Scharfsinns hoher Flug, Die Kraft, die Schlüffe häuft, des Willens sanfter Zug, Dieß alles läßt sich nicht in Stoff und Bilder schränken. Noch ohne Ziel getheilt, wie dn erdichtest, denken. Ein Beispiel, mach' es klar: du gehst in einen Wald, Und suchst, der Sonne müd', der Schatten Ausenthalt; Im gleichen Augenblick steigt vom beblümten Wasen Ein süßer Dampf empor, und eilt zu deiner Nasen; Auch hört dein Ohr zugleich das Lied der Nachtigall, Und sucht im fernen Fels den rauhen Widerhall. Nun muß, nach deinem Wahn, von allen diesen Bildern Sich jedes für sich selbst in deiner Seele schildern; Der Blumen süßer Hauch drückt sich ganz anders ein. Als auf der Silberflut der Sonne Widerschein. Ein jedes fühlet sich (dieß folgt aus deinen Schlüffen) Und sich allein, und kann nichts von den andern wissen. Der Theil des geist'gen Stoffs, in dem der grüne Wald Sich spiegelt, fühlet nur die eigene Gestalt; Ein andrer wird allein vom Blumenduft entzücket. Wenn in den dritten sich der Waldgesaug nur drücket.

43 Nun widerspricht dir nicht, was die Erfahrung lehrt. Wenn der verhüllte Geist auf sich die Blicke kehrt? Jst's nicht Ein Mittelpunkt, zu dem von allen Dingen Die Bilder, wie ein Strom, durch alle Sinnen dringen? Vermocht' ein Malebranche, der Schluß aus Schlüffen zieht Und mit geschärftem Blick der Sätze Band durchsieht. Durch die geschloff'ne Reih' entwickelter Ideen, In ihrem Labyrinth die Wahrheit auszuspähen. Wenn nicht ein Wesen wär', das alles in ihm denkt. Das die Begriffe fügt und nach Gefallen lenkt? Und würden nicht vielmehr im allgemeinen Trennen Die Bilder feindlich sich einander niederrennen? Der Stoff ist's also nicht, was denkt; ein Unterscheid, Der tief im Wesen liegt, entfernt die Geistigkeit Vom ausgedehnten Stoff; er kann sich nur bewegen Und fühlt sich nicht; sie fühlt und weiß sich nicht zu regen. So weit als möglich hat der ewige Verstand Die Unempfindlichkeit aus seiner Welt verbannt. Doch kann die Geisterwelt den Stoff nicht ganz verbringen. Warum? Sein Beistand nützt den ungedehnten Dingen. Er fördert ihren Zweck, weil er der Geistigkeit Was ihr zum Wirken fehlt durch die Bewegung leiht. Das aber, was sich Gott zum Wohlthun auserlesen. Ist die beseelte Schaar der edlern geist'gen Wesen, Die, nach ihm selbst geformt, zum Fühlen aufgelegt, In ihrem Innersten den Trieb zur Feude hegt. Es wallt sein Vaterherz zu den geliebten Kindern, Und haßt der Schranken Neid, die seinen Einfluß hindernd Sein Will' ist unser Glück; doch gleiche Seligkeit Verbeut auf ewig uns der Wesen Unterscheid. Warum denn schuf er uns, fragt Manes, nicht zu Engeln,

44 Fest in des Guten Wahl, und ftei von strafbarn Mängeln? O Thor! mit gleichem Recht klagst du die Erde an. Daß sie der Nelken Pracht auch Distel, Löwenzahn Und andern Pöbel mischt. Nicht stets von Liljen strahlet. Und statt gemeinem Gras, mit bunten Tulpen prahlet. Vielleicht begehrst du auch, daß stete Meste wehn. Und willt die schwarze See von Nektar glühen sehn; Du heißest öden Sand mit Blumen sich erheitern. Und Schiffe sollen dir an Diamanten scheitern. O flieh aus einer Welt, der die Natur befiehlt. Und zaubre dir ein'Reich, worin die Wärme kühlt; Den Bach, der bei uns rauscht, laß Operlieder singen, Und aus des Frühlings Schooß Rubin und Perlen dringen. Wie eng ist eine Welt, die nur Halbgötter trägt. Die ein einförmig Licht mit gleicher Wonne pflegt! Wie klein wird da die Zahl der Mannichfaltigkeiren, Die fern Ein Endzweck ruft, und die harmonisch streiten! Und kann die Gottheit sehn, daß ein unzählbar Heer Das eines kleinern Glücks nach Graden fähig war' Umsonst zu seyn sich sehnt? Karin dieß die ew'ge Liebe? O nein! Sie wallt zu uns mit allgemeinem Triebe, Und flößet Wirklichkeit und zngezählte Lust, Nach jedes Fähigkeit, in aller Wesen Brust. Das Elend, welches jetzt die niedern Classen leiden. Verliert sich nach und nach in eine See von Freuden. Des Uebels ganze Summ', wie groß sie Baylen dünkt, Ist kaum ein Regentropf, der in das Weltmeer sinkt. Verglichen mit dem Glück, das noch entfernte Zeiten, Von Titan nicht erlebt, den Geistern znbereiten. Der innre Unterschied der wesentlichen Kraft Ist, was die Einzelnheit in den Substanzen schafft.

45 Verschleime Fähigkeit zu fühlbaren Gedanken Vertheilt der Wesen Heer in abgemeff'ne Schranken; Und ein geheimes Band, das alle Geister reiht. Knüpft Arten und Geschlecht nach ihrer Ähnlichkeit. Dieß ist der Liebe Hauch, den Orpheus schon besungen. Durch den Empedokles der Samen Streit verdrnngen. ") So ward die Geisterwelt, die durch Ideen lebt. Und mit verühiednem Schwung zur Gottheit sich,erhebt. Die Weisheit schränkte sie in ungezählte Classen, Die nach bestimmter Zeit sie höher steige» lassen. Mit ungleich sattem Trieb naht der Natur Gebot, Die einen ihrem Quell, die andern noch dem Tod. Bekränzt mit stillem Licht, strahlt eine größre Sonne Dort einen Cherub an, mit unvermischter Wonne. Sein scharfes Auge sieht durch unsre Nebel hin. Kein trübes Vornrtheil schwärzt seinen Hallen Sinn. Ihm zeigt sich die Natur in unverhüllter Schöne, Sein geistig Ohr entzückt der Sphären Lobgetöne; Manch neuer Sinn führt ihn ins innre Heiligtbum Der großen Schöpfung ein, wo des Erschaffers Ruhm In ew'gen Flammen brennt auf ewigen Altären. Er theilt die Seligkeit mit tausend Engel-Chören; Der Wahrheit Urbild selbst wird stets von ihm erblickt. Und reine Liebe ist'ü, was seine Brust entzückt. So nähert er sich stets der Geister erstem Quelle, Und wird im Nähern stets von reinern Strahlen Helle. Viel niedrer drängt sich dort auf zweifelhafter Bahn Ein noch nicht reifer Geist zur Seelenruh' hinan. Was hilft ihm die Vernunft, die ihn beglücken könnte. Wenn seine Wahl sich nie von ihrem Ausspruch trennte? Sein Herz verlangt nach Lust, die falsche Phantasie

46 Verdoppelt ihren Reiz, und raubt zugleich ihm sie. Sie reizet die Begier, und weiß sie nicht zu stillen. Und lockt mit eitelm Glanz den oft betrognen Willen. Indem er hin und her ein Gut sucht, das ihn flieht, 9iuft ihn mit süßem Ton der Wollust Zanberlied. Im blumenreichen Thal, wo unter Myrtenschatten Der Venus Tauben sich im stillen Laube gatten. Wo alles scherzt und liebt, und stets im lauen Wind Ein unsichtbarer Dunst von süßen Seufzern schwind't. Dort liegt die Zauberin auf buhlerischen Rosen. Cylherens kleiner Sohn, nie müd ihr liebznkosen. Schlingt sich, dem Epheu gleich, um ihre heiße Brust; Ihr funkelnd Auge reizt zu untersagter Lust. Ihr schwarzes Haar, das leicht nm ihren Nacken schwebet. Dämpft süßen Balsam aus; den West, der sie umwebet. Schöpft sie voll Lüsternheit und kühlt den matten Gaum; Der Liebesgötter Schaar verengt um sie den Raum, Und spielet sorgenlos, doch schwirrt bei ihrem Scherzen Manch unsichtbarer Pfeil in unverwahrte Herzen; Der trunkne Bacchus liegt zu ihrem Fuß gestreckt; Von weicher Flöten Schall zur Ueppigkeit erweckt. Erhebt er sich, den Chor der Faunen und Mänaden, Der in die Schatten floh, zum wilden Tanz zn laden. Dieß ist der Wollust Hof, ans diesem Zaubergrund Ruft sie dem Wandrer zu, ihr allzu süßer Mund Vethört sein willig Herz, er küsset sein Verderben, Und saugt aus ihrem Blick ein angenehmes Sterben. Doch wenn die Zauberin ihn kurze Zeit berückt. Raubt ihm ein Augenblick, was ihn vorher entzückt (Wie ein treuloser Traum, indem er uns vergnüget. Nur durch ein hold Gesvenst des Herzens Sehnsucht trüget

47 Und von der Schattenlust kaum einen schwachen Rest, Des Schattens Schatten, nur zu größerm Schmerz uns läßt)'; Wo lauter Anmuth war, sieht er erstarrte Klippen Und todten Sand gehäuft; Armidens süße Lippen, Ihr Auge, reich an Lust, ist mit dem leichten Schwarm Der Liebesgötter weg; er sieht vom dürren Arm Des Ekels und der Reu' mit Abscheu sich umfangen. Bald bleicht die kalte Furcht die schnell verblühten Wangen, Wenn des Gewissens Spruch ihm seine Straft droht; Bald streicht die späte Reu' ihm ihr verhaßtes Roth Aufs blasse Angesicht; von der genoss'nen Freude, Bleibt nichts als die Begier, und nagt sein Eingeweide. Doch da er liegt und ftuszt, und seine Noth bethränt. Und ohne Hoffnung sich nach einem Netter sehnt. Blickst du, o Tugend, ihn, umglänzt von sanftem Lichte, Voll innern Mitleids an, mit tröstendem Gesichte. Die Kraft, die in sein Herz mit deinen Blicken fleußt. Belebt mit neuem Muth den auferweckten Geist; Du hebst ihn liebreich auf, und führst an deiner Seiten Ihn deinen hohen Weg zu bessern Ewigkeiten. In noch geringerm Grad hüllt dort ein Naupenkleid Ein schwächer Wesen ein, und reizt oft unsern Neid. Mit weniger Vernunft mißkennt es unsre Plagen, Und braucht in steter Lust sein kurzes Maß von Tagen. Befreit vom bleichen Neid, der unsre Ruh verzehrt, Vom ekeln Unbestand, der unsre Wollust stört. Schmeckt es die jetz'ge Lust, und säumt sich nicht im Wählen, Und kennt die Mittel nicht, sich sinnreich selbst zu quälen. Der Rose kühler Schooß, der Nelke Purpurgrund, Reizt es, wie dich, Myrtill, Aminens kleiner Mund; Sein Leben ist Gefühl, es schwimmt in trunknen Freuden^

48 Und seine Wonne stört kein vorgesehnes Leiden. Zwar schließt ein enger KreiS die dunkeln Sinnen ein. Allein es wird nicht stets in dieser Kindheit sehn: Die Zeit, und jener Weg durch den die Wesen steigen. Wird ihm ein neues Feld einst zum Empfinden zeigen; Voll Wunders sieht eS dann, den Geistern zugesellt. Sein neues Daseyn an, und eine neue Welt. So ist, was fühlt und denkt, an Graden mancherlei: Doch keines ohne Lust, von Mängeln keines frei. Der reinste Cherub fühlt den Damm der Endlichkeiten, Den unsichtbarsten Wurm erwarten bessre Zeilen. Von Gottes Hand geformt, stellt der Substanzen Schaar Der ersten Züge Riß von seinem Wesen dar. Je naher sie sich hin zu ihrem Urbild kehren. Je herrlicher kann sie sein reiner Glanz verklären. Sie fühlen alle sich, wenn von der äußern Welt Ein geistig Bildniß sich vor ihre Augen stellt. Und dieses Bild erweckt in de» gerührten Herzen, Das eine Lieb' und Lust, ein anders Haß und Schmerzen. Des Willens Richtungskraft kann nie gleichgültig seyn. Ein Vorwurf flößet stets Haß oder Neigung ein. So hat der höchste Geist, was ihn vollkommen schmücket. Mit oft gebrochnem Licht den Wesen eingedrücket. Vom Quell der Möglichkeit, vom göttlichen Verstand Ist die Vorstellungskraft mit weiser Kunst entwandt; Und der Begierden Strom, die stets zum Urbrunn quillen. Zeigt uns ein Schattenbild vom allerbesten Willen. Kein Geist verschmäht sein Glück, und liebet was ihn kränkt. Weil seine Neigung sich von selbst zum Bösen lenkt; Nein, Witz und Leidenschaft betrügt die blöden Herzen, Und lockt mit falschem Reiz zu angenehmen Schmerzen.

49 Die Lieb' umfasset nur ivas sie durch Schönheit rührt. Was gut und nützlich scheint und süße Lust gebiert; Sie ist der schönste Strahl vom schöpferischen Blicke, Die Wurjel unsrer Lust, der Keim von höherm Glücke.

Zu dem was Gott selbst liebt, zu der Vollkommenheit, Füllt dieser edle Trieb die Brust mit Zärtlichkeit; Wo schöne Ordnung reizt durch weiSliches Verbinden, Eröffnet er das Herz, sie lebhaft zu empfinden. Er treibet den Verstand, und setzt ihm Stacheln an Wenn ihn der Schlaf besiegt; der Vorurtheile Wahn, Der Irrthum flieht vor ihm; er gibt sich nicht zustieden. Und hört nicht auf, den Geist dupch Flehen zu ermüden. Bis er zur rechten Spur her holden Weisheit kehrt. Die mit Zufriedenheit, der Geister Kost, sich nährt. O Liebe, süßer Zug zu Wesen, die unö gleichen. Du herrschest unbegränzt in allen Schöpfungs-Reichen. Dich fühlt der schwächste Wurm, dich fühlen Seraphim, Dich fühlt der Schöpfer selbst! Du führest unS zu ihm. Du bist die Geberin der schönsten besten Freuden, Und keine andre Lust bezahlt selbst deine Leiden. O! tönte mein Gesang hoch, wie ein himmlisch Lied, Rein, wie im Cherubin dein ew'ges Feuer glüht. So süß wie deine Lust, so stark wie deine Triebe, Dann wagt' ich kühn dein Lob, dann solltest du, o Liebe, Des heiligsten Gesangs erhabner Inhalt seyn! Weg, trunkne Sänger, weg, die ihr von Lieb und Wein, Dort wo beim Faunen-Tanz die wilde Flöte schallet. Auf feiler Phrynen Schooß mit starrer Zunge lallet; Entweiht den Namen nicht, der Engeln heilig ist. Womit der Himmel selbst den Unerschaffnen grüßt; Wieland, stimm». Werk«. XXV4

50 Den Namen, dessen Macht die bessern Welten ehren. Und dessen Wunder unS einst Ewigkeiten lehren! Die schönsten Bündnisse, di« unsre Seele kennt. Die keusche Flamme, die dnrch Hymens. Fackel brennt. Der holden Sippschaft Quell, die mächt'gen Sympathien, Wodurch sich wechselweist verwandte'Seelen ziehen; Du, Freundschaft, süßer Trost des Lebens, das von dir Erst seinen Reiz empfängt, und Sicherheit und Zier; Die höbre Liebe selbst, womit wir im Verlangen Das menschliche Geschlecht und die Natur umfangen. Sind nur ein Strahl von dir, den deines Anhauchs Macht Zn unsrer kalten Brust, o Liebe, angefacht. Geschwisterlich verwandt mit diesem schönen Triebe Ist die Begier nach Ruhm, des edlen Lorbers Liebe; Auch ist sie unserm Geist vom Himmel angestammt. Sie spornt zur Tugend an. Von. ihrer Glut beflammt. Hat ein Prometheus sich der Sonne zugeschwungen. Und den verbotnen Strahl'und seine Straf' errungen. Sie hat das erste Volk von Eicheln abgewöhnt. Und seiner Enkel Pracht von einem Wurm entlehnt. Durch sie erfand ein Theut der Wissenschaften Samen, Durch sie blühn noch im Tod erblaßter Helden Namen. Sie legt der Weisen Geist beseelte Flügel an, Und hebt sie zum Gestirn auf untersagter Bahn. Sie lehrte, Valla, *°) dich der Schule Hohn zu sprechen. Und am Aquin und Duns “) der Wahrheit Schmach zu rächen. Durch sie hat Pisa's Stolz 12i der Sterne Zahl vermehrt. Und dich, Urania, durch Gläser sehn gelehrt. Durch sie zwang Grrike,13) die Lust vor ihm zu fliehen. Und hieß ein magisch Feu'r aus kalten Körpern sprühen. Dem Newton zeigte sie im weißen Sonnenstrahl

51 Durch ein dreieckicht Glas der Farben heil'ge Zahl; Von ihr gelehrt, hieß er in abgemeff'nen Kreisen, Bestrahlte Welten stets um ihren Brennpunkt reisen. Sie führte, Leibnitz, dich auf unbetretner Spur, Durch manchen Labyrinth ins Innre der Natur; Dir war der Ruhm bestimmt, den Stoff selbst zu beleben. Und lauter Harmonie der schönsten Welt zn geben. Doch eben dieser Trieb, wenn die Vernunft ihn nicht In strengen Zügeln hält, und seine Hitze bricht. Ist ohne Ruh' bemüht, sich und die Welt zu quälen. Und opfert seiner Wuth erschlagner Brüder Seelen. Er reizt die Herr'» des Nils den Himmel nah zu sehn. Und von gebranntem Leim Gebirge zu erhöhn. Wo unter theurer'Last, Niit Mcnschenblut gesüget, Ihr moderndes Gebein In öden Winkeln lieget. Er führt' einst Philipps Söhn 'durch manch entvölkert Land, Im blutigen Triumph, bis an den Indus-Strand. Er feu'rte Cäsarn an, Roms Freiheit zu zertrümmern. Und im erbleichten Glanz des Vaterlands zu schimmern. Er stößr des Lieblings Dolch, der Wohlthat unbewußt. Die ihn verwegen macht, in seines Fürste» Brust; Ja, er bewaffnet selbst, dir, Herr der Welt, entgegen. Die Thoren, die Ein Wink zu deinem Fuß kann legen. So weicht die Ruhmbegier, die uns der Himmel gab. Sobald ihr Führer fehlt, vom ebnen Gleise ab. Sie soll den ew'gen Geist von diesem Ball entfernen, Zu würdigerm Geschick in strahlenreichern Sternen; 'Allein oft laßt sie sich von falschem Winde blähn, Sie hebt sich, steigt, und wird sich bald im Staube drehn; So stürzt den Phaüthon die Wuth der Sonnenpferde, Die ihren Herrn vermißt, zur mütterlichen Erde.

52 Doch lehrt der öftre Fall den hinterg-ugnen Geist, Bis ihm ein sichres Licht die wahre Laufbahn weist. Auf dem die Heide« sich durch manchen Feind geschlagen. Und den errungnen Preis den Himmeln zugetragen. Der Gipfel alles Ruhms, den die Begier erreicht. Ist eines Engels Glanz, der seinem Schöpfer gleicht. Je fähiger die Zeit zu diesem Glück sie machet. Je stärker wird der Brand im Nähern angefachet, Dis endlich unser Seyn in seine Quelle sinkt. Und unvermischte Lust in vollen Strömen trinkt. Dieß ist der schönste Theil von dem vollkommnen Ganzen; Das unbegränzte Reich empfindender Substanzen, Die eine Leiter hält, an der das Ende fehlt. Wo vom geringsten Wurm, den kaum ein Trieb beseelt. Bis zu dem Cherubin, der sich in Golt verlieret, Geschöpfe ohne Zahl des Schöpfers Bildniß zieret. In ungleich hellem Glanz, wo jedes Schönheit liebt. Und sich nach Wonne sehnt, und seine Kräfte übt; Wo jedes, durch die Zeit mit reinerm Licht geschmücket. In bessre Zukunft stets mit hellerm Auge blicket.

Inhalt -es -ritten Auchs.

Widerlegung derer, welche die Materie aus Atomen zu­ sammen setzen. Die Monaden des Herrn v. Leibnitz be­ stritten. Vortrag einer Hypothese, nach welcher die Materie ihrer Natur nach unendlich theilbar seyn, und jedes einfache Wesen mit einem unsichtbaren, unvergänglichen, und von ihm unzertrennlichen Leibe, verknüpft seyn soll. Widerlegung der drei bekannten Hypothesen, über die Art des Zusammenhangs der Seele mit dem Leibe. Vortrag einer neuen Auflösung dieses Problems, von welcher es einigen Lesern scheinen wird, daß sie ihrem Erfinder nicht viel begreiflicher sey, als ihnen. Dieses Buch endet sich mit Behauptung des Satzes, daß die kleinsten Theilchen (Samen, Stamina, Molecules) der Körper aus den oben gedachten unvergänglichen ätherischen Leibern einfacher Substanzen bestehen; und daß nicht mehr Materie sey, als zu dieser Verhüllung der einfachen oder geistigen Wesen nöthig ist; eine Meinung, aus welcher folget, daß der Stoff bis in seine kleinsten Theile organisirt sey.

Drittes Buch Der Weisheit ersten Zeit, dem klugen Griechenland, War, was vom Stoff sich trennt, ganz fremd und unbekannt. Kein Anaragoras, so scharf sein Geist sonst richtet. Kein Plato, was er auch von Ur-Zdeen dichtet. Schied je den Geist vom Stoff; der ernste Stagirit, Und der von Citium folgt ihm und irret mit. Und muß nicht ihr Begriff von kirperlichen Dingen Daher mit Dunkelheit und Vorurtheilen ringen? Aus Stäubchen ohne Geist fitgt Epikurus Zunft Die ganze Geisterwelt, und trotzet der Vernunft; Leucipp macht sie gezackt, sie leichter zu verbinden. Und dem von Agrigent gefallt es, sie zu künden. Ein Thales baut die Welt aus samenvoller Flut, Die Wahrheit stimmt ihm bei, und heißt den Grundsatz gut; Doch auch dieß Clement theilt er bloß in Atomen, Und läßt aus ihrem Fluß der Dinge Formen kommen.') Statt auf den ersten Grund der Dinge fortzugehn. Verfängt er sich im Kleid, und bleibt bei Farben stehn. Auch mich erhitzt der Trieb, den jene Dichter fühlten. Als sie von dir, Natur, auf hohem Saiten spielten. Die Wahrheit lockt auch mich (und o! wie ist sie schin!) In Akademus Wald ihr forschend nachzugehn. -) Voll Muthes wird mein Geist sich in ihr Dunkel wagen, Und bis ins Mark des Stoffs verwegne Blicke tragen. Die erste Eigenschaft die uns der Stoff entdeckt.

56 Und die, in welcher auch sein ganzes Wesen steckt, Ist, daß er ausgedehnt, und solche Theile heget Die gleiches Wesens sind. Wer dieß bei Seite leget, Daß auch das kleinste Stück des Stoffs gedehnt muß seyn, Gesteht durch seinen Satz die Ungereimtheit ein, Daß selbst die geist'ge Schaar empfindender Substanzen Aus dichtem Stoff besteht, als Theile eines Ganzen. - Hier rüst die Muse mich von deinen Pfaden ab, O Schmuck Germaniens, den ihr der Himmel gab. Der Wahrheit alte Spur in neuem Licht zu zeigen. Und fremder Völker Stolz beschämt vor ihr zu beugen. Zwar hat dein heller Geist, von unsrer Nacht befreit, Ein ungewohntes Licht in die Natur gestreut; Doch da dein kluger Fuß der Wahrheit nachgestrichen, Ist vom verirrten Pfad er seitwärts abgewichen. Wie rühmlich ist uns hier ein kleiner Irrthum nicht, Wo selbst des Engels Blick mit Dunkelheiten ficht. Und nur den höchsten Geist, der in sich alles siehet. Des Irrthums Möglichkeit und unser Nebel fliehet! Der Stoff weicht scheu vor dir; die gränzenlosen Weiten Des leergewordnen Raums füllst du mit Geistigkeiten; Ausdehnung und Figur machst du bloß zur Idee, Die Färb' und Bildung nimmt, weil ich verworren seh'. Zu viel war dieß gewagt! An zweifellosen Gründen Soll dein Monaden-Heer siegreiche Feinde finden. Gesetzt, der wahre Stoff löst in des Weisen Geist In Elemente sich, die kein Begriff zerreißt. Die völlig einfach sind, und nur durch innre Regung Vom Unding ferne stehn: so muß auch die Bewegung, Der Dinge steter Fluß, in den Monaden seyn: Aus ihnen quillt sie aus, in sie gießt sie sich ein.

»7 So gibt dein Lehrbegriff den Geistern Eigenschaften, Die ihre Art nicht leid't, die nur an Körpern haften. Sprich, ist dein Heller Geist von allen Bildern frei. Fällt bei der Monas nicht ein sinnlich Bild ihm bei? Schließt nicht die Phantasie den geistigen Gedanken Dir, unbegreiflich schnell, in eines Pünktchens Schranken? Einheiten will man sehn, ein Stäubchen zeigt sich dir. Aus beiden bildest du ein neues Wunderthier. Nie hat der braune Sand, der Zara's Wüsten füllet. Ob ihn gleich jeden Tag ein neues Wild durchbrüllet. Solch eine Frucht geheckt; so seltsam füget nicht Horaz mit einem Fisch ein reizendes Gesicht; Ja die Monaden selbst, als sie sich voll Verlangen, Der ernsten Pallas gleich, aus deinem Haupte drangen. Erstaunten ganz beschämt, sahn sich verwundernd an. Da sie in deiner Hand sich so verwandelt sahn. Was sich, dem Wesen nach, vom Körper unterscheidet. Kennt auch die Wirkung nicht, die nur ein Körper leidet; Was wirklich einfach ist, ist schon den Seelen gleich, Zum Fühlen aufgelegt; ein Glied vom Geisterreich. Von Gott nur hangt es ab, es schöpfrisch anzuhauchen. Und wann wird seine Huld die Allmacht nicht gebrauchen? Kann, der die Liebe ist, ein fühlbar Wesen sehn. Gleich dem entseelten Tod vor seinen Augen stehn? O! nein was einfach ist, nimmt Theil an seiner Güte, Und fühlt in seinem Schooß ein denkendes Gemüthe. Wie aber? soll ein Geist zwei Kräfte, die sich fliehn. In seinem Wesen sehn, und doppelt sich bemühn? Leid't dieses die Natur entkörperter Substanzen? Kann Gott in einen Geist ungleiche Kräfte pflanzen? Komm, ehre die Vernunft; gesteh', von ihr besiegt.

58 Daß deine Monas sich zum Element nicht fügt; Viel eher schnitzest du auS zähem Feigenbäume Den göttlichen Merkur, und baust auS leichtem Schaume Die schöne Cypria, die stolz der Zephyr küßt. Da sie, durch seinen Hauch belebt, die Nymphen grüßt. Als daß ein Stoff entstünd' aus tausend Myriaden Don unbeschaulichen geistähnlichen Monaden. Sprich, her du sie verfichtst, damit kein Zweifel bleibt. Wie macht'S die Monas dir, wenn sie die andre treibt? Geschieht es durch den Stoß? Wie kann sie sie berühren? Wie kann sie fremde« Druck, unausgedehnet, spüren? O! flieh zur Schule hin, flieh zur verborgnen Kraft, Und hilf dir dichterisch durch dunkle Eigenschaft! Mit gleicher Kunst läßt Bav, den Knoten zu entschlingen. Den unversehnen Gott aus einer Wolke springen. Noch eine Eigenschaft, die keine Monas schmückt. Noch ein Beweis, wie oft der Witz den Geist berückt! DaS niedrigste Geschlecht der regen Geistigkeiten Sind die, ans denen sich die Körper ihm bereiten. In diese leget er ein idealisch Bild, Des unmeßbaren Alls, in Dunkelheit gehüllt; Sie fühlen nichts davon; nach träger Austern Weise Durchschlafen sie den Lauf der ewig regen Kreise. So wie Cytherens Bild und Nebenbuhlerin, Der Stolz der Knidier, doch Marmor, ohne Sinn, Beim liebestrunknen Kuß des Jünglings >) nichts empfindet. Der sich verzweiflungsvoll um ihren Busen windet; Vergebens schließt er sie in glühnden Armen ein. Die Göttin fühlt eS nicht und bleibt ei« schöner Stein; So wenig fühlt in sich die schlafende Monade Das Bild der fremden Welt und ihres Wesens Grade;

59 Sie würde für sich selbst nicht minder glücklich seyn, Schliff' Ariostens Mond •) und Platons Staat sie ei«. Wozu dann hilft es ihr das Bild der Welt zu tragen? „Sie mehrt die Pracht der Welt" — Wie wenig heißt dieß sagen! Wenn ihr und andem nicht ihr Daseyn wirklich nützt. Was hilft es, daß sie tobt bei regen Wesen sitzt? Doch hier läßt man getrost der Phantasie den Zügel, Sie sind, erzählt man «ns, unkirperliche Spiegel, In welche sich die Welt mit feinen Zügen brückt. Wohin ein jedes Ding sein geistig Bilbniß schickt. Ob dunkle Nebel gleich es unserm Blick verhüllen! Wie sinnreich! doch wozu die Welt mit Spiegeln stillen? Wozu, stagt ihr? Vielleicht gibt's in der Geisterwelt Narcisse, denen auch des Spiegels Lob gefällt; Zu geistig, wie Narciß, in Quellen sich zu sehen, Find't man, von sich entzückt, sie vor Monaden stehen. Wohin sie schauen, strahlt ihr werthes Bild zurück; Ihr Selbst erfüllt die Welt, und sättigt ihren Blick. O Wahrheit, welche hier dein Liebling selbst verfehlet. Sey du zur Richterin in diesem Streit erwählet. Lehr' uns der Körper Grund, und trenn' mit weiser Hand Das Geist'ge und den Stoff, die er zu eng verband. Das was den todten Stoff vom Geist unendlich trennet. Ist, daß er keine Zahl in seinen Theilen kennet; Daß auch sein kleinster Theil, so sehr man ihn zerschneid't. Doch stets ein Körper bleibt, und stete Theilung leid't; Dieß gibt ihm Fähigkeit, sich selber zu bewegen,^) Und andre Körper auch durch Druck und Stoß zu regen. Dieß scheidet ihn vom Geist, der ohne Dehnung ist. Unfähig der Figur, worein der Stoff sich schließt. Und bloß dadurch geschickt, Ideen zu empfinden.

60 Zu lieben und zu flieh», zu trennen, zu verbinden. Zwar wirst der Gegner und die Theilung ohne Ziel Als widersinnig vor; doch wagt er nicht zu viel? Die Meßkunst widerspricht. Theilt nicht gebrochne Zahlen Bernoulli's scharfer Geist zu unzählbaren Malen? Zwar steift man sich getrost auf den bestimmten Grund. Doch, sprich, wo findst du ihn im uferlosen Schlund Der steten Ewigkeit? Wirst du sie wohl ergründen. Und zum Unendlichen uns einen Maßstab finden? Die endliche Figur, wirft man noch ferner ein. Heißt offenbar den Stoff nicht ewig theilbar seyn. Welch übereilter Schluß! weil unvollkommne Classen Der Geisterwelt den Stoff in Form und Schranken fassen. So muß er meßbar seyn — wie? lehret deinen Geist So manches Beispiel nicht, das die Natur ihm weisst. Daß eben das, was wir mit Recht in Gränzen ziehen, Zn einem ander« Sinn, kann Gränz' und Maßstab fliehen? Der hellste Seraphim fühlt, daß er endlich ist. Ob seine Dauer gleich kein Lauf der Sterne mißt. Die allgemeine Sucht ist, trotzig zu verschmähen, Was unbegreiflich ist! Was ist's, das wir verstehen? Zst nicht das ganze All von dunkeln Wundern voll. Die man empfinden nur, und nicht begreifen soll? Wer mißt die Ewigkeit? Kann d'Alembert bestimmen. Wie viele Welten dort im tiefen Aether schwimmen? Sprich, waS ist Zeit und Raum? Wo ist der Born des Lichts? Welch eine Marche trennt die Schöpfung und das Nichts? O du, der Nichts begreift, und Alles will erklären. Wann wird die Weisheit dich Sokratisch zweistln lehren? Der Körper wirkt und leib't, sein Stoff bleibt stets gedehnt. So sehr ihn Halley6) theilt, und wird nie ganz zertrennt.

61 So wie der Geist sich nie in einen Körper wandelt. Die Denkungskraft verliert, und gleich Maschinen handelt. Der Geist, der denken zwar, nicht sich bewegen kann. Nimmt andrer Eindruck auch unmittelbar nicht an; Hingegen kann der Stoff aus innerem Vermögen, Das ihm der Schöpfer gab, sich selbst und andre regen. Doch ist sein Wesen gleich von aller Einheit frei, So zeigt doch die Natur, daß sie nicht fähig sey. Auch seinen kleinsten Theil unendlich fortzutheilen. Und Sonnenstäubchen stets in kleinere zu feilen. Nein! endlich bleibet sie bei solchen Splittern stehn. Die vor dem Diamant an fester Härte gehn. Schon Moschos,') sagt man, hat die Tyrer sie gelehret; Der Beifall nährte sie, bis sie Leucipp entehret. Der sie mit Epikur dem Zufall dienen macht. Von dessen Joch sie erst Gaffend! frei gemacht. Wie dort ein irrend Schiff die schwarze See durchpflüget. Auf deren breiter Brust ein Heer von Wolken lieget. Der brausende Aeol bläht falsche Segel auf. Kein leitendes Gestirn bestimmt den blinden Lauf; Bestürzt sieht Palinur -) nach den gestirnten Höhen, Und wünscht den hellen Bär, das treue Licht zu sehen. Bis endlich lang genug durch Sturm und Nacht geschreckt. Sein nnverwanbter Blick den fernern Strahl entdeckt. Er blitzt die Wolken durch, die sich gemach erhellen. Und weiser ihm den Weg durch zweifelhafte Wellen:• So sucht der Weise auch der Wahrheit dunkle Spur, Und irret, führerlos, auf unbekannter Flur; Wie ftoh, wenn durch die Nacht von wolkichten Begriffen, Ein treuer Strahl ihn lehrt dem Hafen zuzuschiffen! O Wahrheit, leuchte du durch unsre Dunkelheit,

6*2 Und zeige wie man hier die falschen Pfade meid't. Welch eine Menge hat des rechten Wegs verfehlet. Die Okkams") finstre Schaar zu Führern sich erwählet? Vergessend, daß ein Geist vom Stoff nicht leiden kann. Nimmt man vom Stagirit mißkennte Sähe an; Läßt sich den Nervensaft bis in die Seel' ergießen. Und umgekehrt die Seel' in ihren Körper fließen. Die Bilder drücken sich in unsre Sinnen ein, Hier formt ein flüchtig Naß der Dinge Widerschein, Der unbegreiflich schnell in unsre Seele strahlet. Und ein empfindbar Bild ins Ungedehnte malet. So hat der Stagirit, der Schule Gott, gedacht; Doch, hat er nicht den Geist aus zartem Stoff gemacht? Sein fünftes Element, *°) woraus er Seelen bauet, Zst ein astralisch Licht (das zwar kein Auge schauet). Da ihm hingegen das nur Stoff und Körper heißt. Was durch die Sinne sich der innern Seele meist Der aber, der den Geist vom Stoffe weiß zu trennen. Wie wird er ungestraft dem Griechen folgen können? Sag an, der du dem Leib die Seele mischen willt. Wie drücket sich in sie ein körperliches Bild? Wie kann was Theile hat das Ungedehnte rühren? Wie kann der Nervensaft sein Wesen selbst verlieren? Entkörpert sich des Hirns äther'sche Flut vielleicht, Und wird schnell zur Idee, wenn sie die Seel' erreicht? Und wenn der Nervensaft auch durch geheime Gänge, Die kein Verstand entdeckt, bis in die Seel' dränge; Wie kann sein Eindruck doch so oft verändert seyn. Als Bilder andrer Art sich in die Sinne streu'n? Dich trägt ein hoher Wald von Jovial'schen Eichen, Mit luft'gem Laub umkränzt und duftenden Gesträuchen,

63 Der Sonne wallend Gold wirft dort ein zitternd Licht Auf grüne Wipfel hin, und blendet dein Gesicht; Ein perlenfarbner Bach durchmurmelt hier die Auen, Erfreut, die junge Zucht der Flora zu bethauen; Der Rosen holdes Roth, zwar reizend, doch so schön Als Chloens Lippen nicht, wenn Zephyrn sie umwehn. Lacht deine Augen an, und hauchet süße Düfte Den feinsten Nerven zu, durch die erwärmte» Lüfte; Dieß siehst, dieß fühlest du, der ganze Hain regt sich. Und jedes Blatt wird Ton, und singet froh um dich; Sprich, wie fallt dieses Bild, das du im Augenblicke Von allen Sinnen nimmst, in deinen Geist zurücke. Der gänzlich einfach ist? Muß nicht zu gleicher Zeit (Gesetzt, dein Satz sey wahr, den die Vernunft verbeut» Ein ungezähltes Heer von körperlichen Bildern Durch tausendfachen Druck des Safts in ihm sich schildem? Wer dieß mit der Natur der Seele reimen kann. Der malt mit gleichem Witz de» Wellen Eber an. Läßt Hirsche sich mit Luft in dünnen Wolken weiden. Und heißt den trunknen Fisch das Wasser ewig meiden. Jedoch, was halten uns erträumte Lehren auf? Dich, Leibnitz, hat zuerst ein adlerschneller Lauf Zur neidischen Natur in ihren Sitz getragen, Die Decke war umsonst, die sie um sich geschlagen. Du zogst die Decke weg, und hast sie selbst gesehn, Erröthend, so entkleid't vor deinem Blick zu stehn. Versuchte sie es zwar, mit zauberischen Künsten, (Beinahe glückt' es ihr) dein Auge zu umdünsten. Doch bleibt die Harmonie die du ihr abgesehn. Von ihren Flecken frei, soll, sie mein Lied erhöhn. Die Seele fühlt durch sich, ihr Wesen ist im Denken,

64 Ihr Körper kann kein Bild entfließend in sie senken. Zn jedem Geiste liegt ein idealisch Bild Von allem, waS daS Reich der Wirklichkeiten füllt; Sogar die niedrige stets schlummernde Monade Trägt dieses Bild in sich, in ihrem eignen Grade; Mit Wolken zwar bedeckt und angeborner Nacht, Bis ihre Kraft sich stärkt und zum Gefühl erwacht: Indeß den Cherubin, so herrlich als er glänzet. Nach Ewigkeiten selbst noch Dunkelheit umgränzet. Am äußersten Gestad der weiten Geisterwelt Wird der Monaden Schaar von Leibnitz hiogestellt. Auch sie erfüllt ein Riß der Sammlung aller Wesen! Wozu? Für sie umsonst, sie können ihn nicht lesen. Kein Strahl erleuchtet sie, und mischt den Schatten Licht, Selbst kein behender Blitz, der aus den Wolken bricht; Von stemder Hüls' entblößt, zu schwach sich zu erheben, Verschlummern sie wie todt ihr ungefühltes Leben. Die andre Claff' empfind't; zwar ist'S bei ihr noch Nacht, Doch leuchtet ihr ein Mond, der Seele schlaffe Macht Dehnt schon sie jugendlich, erweitert ihre Schranken, Ob sie gleich, ungeschickt zu geistiger» Gedanken, Nur durch die Sinne sich mit schlechtem Stoffe speist. Die dritte kennt den Tag, dem sie entgegen reift. Doch in verschiednem Grad. Uns, an den äußern Gränzen, Scheint nur ein dämmernd Licht von ferne anzuglänzen. Wir hoffen erst den Tag, der höher» Wesen strahlt. Und ihren Weltbegriff mit vollem Glanze malt. So wird in jedem Geist, vermengt mit Licht und Schatten, Die sich verschiedentlich in tausend Arten gatten. Dieß Ganze nachgeahmt. Stets dringt ein neuer Glanz Die Nebel durch, und mehrt die Kräfte der Substanz.

65 Was je die Seele fühlt, liegt schon in ihr verstecket. Und wird nur durch die Zeit entwickelt und erwecket. Der Leib in seiner Art ist wie der Geist gebild't. Weil was er thut und leid't aus seinem Wese« quillt. Und mit der Seele stimmt. Von seiner Fibern Regung, Von innrer Räder Lauf, erhält er die Bewegung. ,Der Geist befiehlt ihm nicht; doch durch des Schöpfers Wort ,Geht beider Wirken stets in Parallelen fort/ Wie wenn in waldichten entgegenstehnden Klippen Des Jägers frühes Lied mit unsichtbaren Lippen Die Nymphe wieder gibt, wie jenes schallet, ruft Der Widerhall, und schlägt mit gleichem Ton die Luft: So steht die Aenderung des Leibs mit der Empfindung Stets in harmonischer geselliger Verbindung; Wie diese will und fühlt, so wirkt der Leib und leid't. Ein jedes thut sein Amt, ob keines gleich gebeut. Sobald nur Brutus Geist den Augenblick beschlossen. Den patriot'schen Dolch in Cäsars Brust zu stoßen. Sobald streckt sich die Hand, vom Geiste nicht regiert. Durch innerlichen Trieb, und zückt den Dolch und führt Den mörderischen Stoß, den Cäsars Seele fiihlet; Ob der geweihte Stahl gleich nur den Leib durchwühlet. Dieß ist ein schwacher Riß von jenem Wunderwerk Der spielenden Vernunft, dem ernsten Augenmerk Der Grübler seiner Zeit — „O Geist von seltnen Gaben, Werth einer bessern Zeit, dein Licht gegönnt zu haben. O du, in welchem sich uns Platons Geist verjüngt. Der Zeiten werth, die «nS kein Wunsch zurücke bringt; Dr einen Aristid die edle Armuth ehrte. Dm Hof ein Dion floh und PlatonS Hof vermehrte, Dr Tugend Uebung war, und der ein Weiser hieß, Wieland, sammtl. Werke. XXV. 5

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Der, wie man leben soll, in seinem Leben wies; Dort, Leibnitz, hätte sich für deiner Tugend Kräfte Ein Schauplatz aufgethan, voll würdiger Geschäfte; Dort hätte dieser Geist, der jetzt, vom Joch gedrückt. Mit Syllogismen spielt, ein fteies Volk beglückt; Und statt zum Haupte sich von Secten zu erheben. Wie Phocion gewußt Plutarchen Stoff zu geben."") Der Sertus ' ■) unsrer Zeit, der in so mancher Schlacht Die Schaar, die alles weiß, bestürzt zur Flucht gebracht; Vor dem der trotzige Dogmatiker erzittert. Hat, stolz auf seinen Witz, Leibnihens Dau erschüttert. Und unter manchem Pfeil, der stumpf zu Boden fällt. Auch manchen abgedrückt, der seinen Zweck erhält. O! Klio, sage mir, wo ist er durchgebrochen. Und wo hat ihm den Sieg die Wahrheit abgesprochen? Zuerst bestürmt sein Witz des Körpers Wunderuhr; Doch Felsen fällt er an, mit Halmen ficht er nur. Seht seinen Einwurf an, wen täuscht sein blödes Schimmern? „Wie sollt es möglich seyn, fragt er, ein Schiff zu zimmern? Das, ohne Steuermann, der seinen Lauf bestimmt. Aus innern) Trieb, den Weg zum fernen Hafen nimmt; Es weichet Klippen aus, die es nicht vorgesehen. Nimmt ftisches Wasser ein, belauscht der Winde Wehen, Es wittert unbelehrt der Stürme fernes Dräu'n, Wirft jetzt den Anker aus, zieht jetzt die Segel ein; Von keinem Geist regiert, von keines Menschen Händen, Weiß es sich von sich selbst zu richten und zu wenden: Wer zweifelt, daß dieß Schiff ein Werk der Phantasei, Ein unreif Hirngespenst und Feenmährchen sey? ,Obgleich mir Cäsars Leib (nach euerö Leibnitz Lehre) ,Verglichen, solch ein Schiff ein Kinderspiel nur wäre." -Doch dieser Pfeil, wie scharf auch unsers Zweiflers Witz

67 ,Ihn zugespitzt, ist nur ein Bärenlappenblitz. Beweis't er etwa, daß, bewegt von innern Rädern, -Ein künstlich Automat harmonischreger Federn/ Das mit der Seele stets in seiner Wirkung stimmt. Ein Unding sey, das sich den Glauben selbst benimmt? 3m schweifenden Gepräng von blendenden Gedanken, Entdeckt er weiter nichts als seines Geistes Schranken. Er spricht: kein Mensch begreist's. — Das läugnen wir ihm nicht. Doch gilt sogleich der Schluß: drum ist es rin Gedicht? Zudem, so zeigt ja schon der Künstler Unternehmen, Wie leicht der Kunst es sey, den Zweifler zu beschämen, Archytas '■) Taube selbst, und Alberts redend Bild, n) Wer weiß nicht, daß man sie für Zauberwerke hielt? Und kann es unserm Witz, so schwach er ist, gelingen. Den Gränzen seiner Kraft sich manchmal zu entschwingen; Wie thöricht zwingest du den unumschränkten Geist 3» Schranken, denen sich ein Vaucanson *’) entreißt! O lern' von einem Gott mit größrer Ehrfurcht denken. Der mit gewalt'gcm Arm die Himmel weiß zu lenken! Mit größerm Glück hat Bayl' den schwächsten Ort bemerkt. Und da mit neuem Muth des Angriffs Macht verstärkt. Ist nicht der schwächste Theil der göttlichen Erfindung Des Platons unsrer Zeit, die Quelle der Empfindung, Die Seele, die er selbst ein geistig Uhrwerk heißt. Und, was in ihr geschieht, aus ihrer Form erweist? Sie läßt (so lehrt er uns) die sinnlichen Ideen Durch's ewige Gesetz der Ordnung bloß entstehen; Ein jeder Zustand sieht im vor'gen seinen Grund, Und macht vom folgenden uns die Bewandtniß kund: Die schönste Harmonie muß stets die Bilder knüpfen. Der Geist, wie die Natur, kann nicht gesetzlos hüpfen.

68 Wie aber, widerspricht ihm die Erfahrung nicht? Wie oft vertauschen wir schnell mit der Nacht das Licht? Wie oft entsteht ein Stand und heißt den vor'gen schwinden? Worin'S unmöglich ist des Folgers Grund zu finden? Berauscht von Lieb' und Wein, an seiner Phpllis Brust, Vertauscht Anakreon schnell mit dem Tod die Lust; Kaum labt den alten Gaum der Nektarsast der Trauben, So muß ein Kern die Lust ihm mit dem Leben rauben. Wie schickt sich schneller Tod zu Cpperns süßem Wein Und Phpllis süßerm Kuß? Wer sieht das Band hier ein? Umkränzt sitzt Cäsar dort im Rath bezwungner Väter, Der unterdrückte Staat begrüßt ihn seinen Retter, Doch kaum empfind't er sich den Herrn vom Vaterland, So fühlt er schon den Tod und seiner Mörder Hand. Sprich, du, der Cäsars Geist läßt als Maschine handeln. Wie kann ein Bild so schnell ins Gegentheil sich wandeln? Wie gründ't sich das Gefühl des Dolchs, der ihn entseelt, Zn dem, daß zum Monarch die Kron' ihm kaum gefehlt? Kaum sieht er sich umarmt von seinem Brutus küssen, Sv sieht er schon sein Blut durch seinen Brutus fließen. Wie gründete sich dieß in Cäsars Seele bloß? »Unmöglich ist der Sprung, der Abstand allzu groß! ,Das Ungereimtste muß, wer dieß glaubt, glaublich finden!' Kann (fragt ihr) Leibnitz sich aus dieser Schlinge winden? Ein Witz, wie seiner, kann's. Er dichtet, daß ein Bild Des ganzen Weltalls sich in jeder Seel' enthüllt. Und daß zu jeder Zeit, was wir in uns empfinden. Sich nicht nur in uns selbst, auch in der Welt muß gründe». O, spricht er, drängest du bis in der Geister Schooß, Und schautest ihre Form vom äußern Kleide bloß. Gewiß, dann würde dich die schönste Ordnung rühren,

69 Wo deine Augen jetzt in Nebel sich verlieren. Wie ein harmonisch Band den Geist dem Leib vertraut, So ist ein jeder Geist dem Ganzen nachgebaut. Und läßt die ganze Welt in Reihen von Ideen, Die mit dem Urbild stets zusammen stimmen, sehen. »Ein schöner Hirngespenst ward nie im Traum geküßt; ,Wie Schade, daß es nicht so wahr als reizend ist! »Allein es wird gar bald, wenn wir's nur leicht betüpfen, ,Nach Hirngespenster Art, uns durch die Finger schlüpfen/ Dieß Bild, das Leibnitz sich in jedem Geiste denkt. Ist größtenlheils, nach ihm, in tiefe Nacht gesenkt; 2a die Monaden hält ein ew'ger Schlaf umfangen, ,Und niemals werden sie zum Selbstgefühl gelangen/ Wo bleibet hier die Spur vom g-ttlichen Verstand, Der alles, was er schuf, an eine Absicht band, Und jedes Körnchen Sand, das dort am Ufer lieget. Den größten Sternen gleich, nach weisen Zwecken wieget? ,Noch mehr! Dieß Weltbild wird Idee von ihm genennt, ,Wiewohl der Geist davon den kleinsten Theil nur kennt. ,Wic? Babel, Ninive und Balbecks Prachtruinen »Stellt meine Monaö vor, mir find sie nie erschienen. ,Die Welten alle, die um andre Sonnen gehn, ,Und jene Himmel selbst, die unsre Sonnen drehn, »Sie spiegeln sich in mir, und nicht die kleinsten Spuren »Erkenn' ich in mir selbst von diesen Mignaturen? »Und diese Galerie, vor der ich ewig steh' »Und nichts erblicken kann, die nennest du Idee? »Jst's möglich? Konnte dir von Bildern und Ideen, »Die hier dein Witz vermengt, der Unterschied entgehen?" Die Venus, die Apell durch Farben fast belebt. Und die, die seinem Geist im Malen vorgeschwebt.

70 Die beide Bilder sind, und Einen Vorwurf zeigen; Waö unterscheidet sie, und was ist jedem eigen? Das eine wirft die Kunst auf flache Leinwand hin, ES ist ein Körper selbst, und wirkt auf unsern Sinn: Das andre hängt im Geist, den Theil und Dehnung fliehet. Und wo kein äußrer Sinn es ohne Zeichen siehet. Das eine ist von dem, der es entwirft, getrennt. Und wird auch außer ihm und ohne ihn erkennt; Das andre laßt sich nicht von seinem Meister scheiden. Cs lebt in ihm und schwind't, sobald es ihn soll meiden; ,So wie das Bild wobei Narciß sich selbst vergißt, ,Sobald er sich entfernt, mit ihm verschwunden ist. ,Das ein' ist bloßer Schein; es kann, zu innern Leben, ,Sepn oder Nichtseyn ihm nichts nehmen und nichts geben; ,Säh' es kein Kenner an, formt' es kein Künstler ab, ,ES stünd' im Bildersaal wie eine Leich' im Grab: ,DaS andre fühlt sich selbst, bedarf nicht fremder Zeugen, »Und kann, sich zu beschau'», sich auf sich selber beugen. Doch, noch ein stärker Grund! Das ganze Weltall ist Ein uferloses Meer, das kein Erschaffner mißt; Nie fing es an zu seyn, nie Hirt es auf zu dauern. Und seinen ew'gen Raum umschließen keine Mauern; Was folgert sich hieraus? Daß sich das All der Welt Nur dem, der es erschuf, ganz vor die Augen stellt — Kein endlicher Verstand umfaßt sie in Gedanken, Der größte Cherub fühlt hier seines Wesen Schranken. So wenig Grönlands Fisch den Ocean verschlingt. Ob er der See gleich dräut und ganze Flüsse trinkt; Die Ströme, die er jetzt auS seiner Nase dränget. Sind gegen sie ein Tropf, der noch am Eimer hinget: So wenig faßt ein Geist, wie hell er immer denkt.

71 Das Meer des ew'gen Alls, das kein Gestad' umschränkt. Gott zählt die Summ' allein der ewigen Ideen, Und ihm nur kommt es zu, sein Werk zu übersehen! So fällt die Antwort hin, die Vaylens Junge band. Und allzu früh den Sieg ihm aus den Händen wand. Cs wankt die Harmonie, und ihre Pfeiler beben; O Muse, hilf mir nun sie wieder zu erheben. Des Schöpfers weise Hand hat jede Geistigkeit In einen Leib gehüllt. Ein unsichtbares Kleid, Von feinem Stoff gewebt, der bloß dazu erlesen. Umhüllt unabgelegt die ideal'schen Wesen. Der äußern Körper Druck, der unsre Sinne rührt. Wird unbegreiflich schnell in diesen Leib geführt. Hier bildet sich sodann der Vorwurf der Ideen, Und läßt dem innern Geist die Gegenstände sehen. Die seinen Leib gerührt. Der Geist ist ohne Licht, In steter Nacht, wenn ihm des Leibes Dienst gebricht: Und doch flößt nicht der Leib die Bilder in die Seele, Den Vorwurf zeigt er nur, und führet die Befehle, Die sie ihm zuwinkt, aus. Sobald der Gegenstand In diesem Leib sich malt, den Gott dem Geist verband. Sobald empfind' t der Geist, und hätte nicht empfunden, Hätt' er in seinem Leib den Abdruck nicht gefunden. Du sprichst, wer saßt denn dieß? O Freund, besinne dich. Verstehe mich zuerst, und dann so richte mich! Mein Satz erklärt zwar nicht die Zeugung der Ideen, Und wie sie aus dem Schooß der Geistigkeiten gehen; Allein er meidet doch die Fehler, welche man Mit Recht am Stagirit und Leibnitz tadeln kann. Wem ist doch unbewußt, was längst die Weisen lehren, Daß außer unsrer Welt, in andern Himmels - Sphären,

72 Zehntausend Arten noch von Sinnen möglich sind. Durch deren Mittel man vielleicht daselbst empfind't? Wer faßt, wie es geschieht? Wer kann mit unsern Bildern, Die Art der Möglichkeit von fremden Sinnen schildern? Kein Widerspruch gebeut, daß eö unmöglich sey. Daß Seelen, ob gleich ganz vom Druck des Leibes frei. Doch ohne ihren Leib nicht denken, nicht empfinden; Weiß gleich die Phantasie das Wie? nicht zu ergründen. So stehet dann der Satz, der unsern Lehrbau trägt. Zu welchem Lcibnitz selbst den ersten Grund gelegt. Doch dieser zarte Leib, der jede Seele kleidet. Und den der Moder scheut, wie ist er zubereitet? Er ist das größte Werk der Weisheit und der Macht, Die mit vereinter Hand die Welt hervorgebracht; Kein Werk erhöht sie mehr, auch selbst nicht jene Sonnen, Die aus dem ersten Licht zur Festigkeit geronnen. Als diese Wunderuhr, die durch sich selber schlägt. Und nach des Geistes Stand harmonisch sich bewegt. Sie stellt die Bilder dar, die sie von außen rühren. Und weiß sogleich den Schluß des Geistes auszufiihren. Pamphil liebt Sylvien; sie tommr, er sieht sie gehn. Er will ihr nach, sogleich muß auch der Leib sich drehn; Er thut's aus innerm Trieb, der Geist kann nicht befehlen. Der Federn Wunderba« lehrt ihn der Seele Wählen, Und lehrt ihn es vollziehn. Die Schöne und Pamphil Empfinden beid' in sich das reizende Gefühl Der Liebe, die sie ruft; der Leib nährt ihre Regung, Und folgt dem Grundgesetz harmonischer Bewegung; Es naht sich Mund zu Mund, da sich die Seelen nahn. Und sacht die holde Glut durch tausend Küsse an.

73 Die, wie ätherisch Lei, die zarten Flammen mehren. Bis man, berauscht, vergißt im Küssen aufzuhören. So stimmt der feine Leib mit der Empfindung ein. Die seine Seele rührt; muß, was sie hasset, scheu'«. Und suchen, was sie liebt, und wird in ew'gen Tagen (Dieß ist des Schöpfers Schluß!) nach gleichen Regeln schlagen. Denn Gott, vor dem entdeckt die dunkle Zukunft liegt. Hat für die Ewigkeit den Geist ihm zugefügt. Nie nützt das Werk sich ab, nie stockt der Trieb der Federn, Nie fehlt die Richtigkeit den stets gewälzten Rädern. Der Stoff, aus welchem sie der Schöpfer werden hieß. Ist in den Theilen gleich, und leider keinen Riß. Woher entsteht der Tod, als wenn sich Theile scheiden. Die die Natur nicht mehr kann bei einander leiden? Doch hier ist alles gleich und unzerstörbar fest? Kein Fels, so sehr er auch den Steinmetz schwitzen läßt. Kein ew'ger Diamant, den Indostan uns schicket. Kein Schild, den Peru send't, wird weniger zerstücket. Schon Platon und Platin gab längst vor unsrer Zeit, Dem Geist aus dem Gehirn ein unsichtbares Kleid, Das immer, wo er ist, ätherisch um ihn fließet. Und tas er nie, beim Tod des gröber» Körpers, misset. Nun zeigt sich der Gebrauch des Stoffs, der selbst nicht denkt. Und doch Gefühl und Lust den geist'gen Wesen schenkt. So kenn der helle Brunn, in dessen glatten Gründen Sich Phyllis oft beschaut, zwar selber nicht empfinden (Sonst, Phvllis, liebt' er dich), und doch säh' ohne ihn. Den schmeichlerischen Brunn, sich keine Schäferin. Der Vtoff dient bloß dem Geist, er bildet den Ideen Den ersten Abriß vor, und läßt die Seele sehm. Was außer ihr geschieht; er leiht ihr seine Kraft

74 Und bringt bewegend sie in andre Nachbarschaft. Er weiß Ideen selbst und körperlosen Dingen Figur und Farben und Beleuchtung beizubringen. Durch ihn entdeckt sich oft der Seelen Heimlichkeit. Selindens spröde Furcht, die sich der Wirkung freut, Färbt er Auroren gleich, und malt sie ans die Wangen; O Schäfer, wie wirst du der Schönen Gunst erlangen, So lang du schüchtern schweigst, und siehst sie schmachtend an. Lockt dich ihr Auge nicht, das sie kaum zwingen kann? Und kann sie es, so zeigt ein zitternd Roth dein Glücke, Und lockt und widerspricht dem streng gezwungnen Blicke. Doch, da nicht um sein selbst der Stoff die Welt vermehrt. Da er nur wirklich ist, weil ihn kein Geist entbehrt, So muß die Weisheit nur so viel aus ihm bereiten. Ms unentbehrlich ist, die stillen Geistigkeiten In Wirksamkeit zu sehn. Was dieses All umfängt. Ist bloß die ew'ge Schaar, die sich empfind't und denkt. Von der sich jedes Glied in einem Leibe zeiget. Durch den es nach und nach auf höhre Stufen steiget. Die Sonnen, die sich dort in leichten Wirbeln drehn, Planeten, Lust und Meer, und alles, was wir sehn. Ist nicht ein bloßer Stoff, der unbeseelt veraltet; Beseelte Wesen sind's, die uns ihr Leib gestaltet. Gott, der, was er erschuf, in weise Ordnung zwang, Vertheilt der Wesen Heer in tausendfachen Rang, In Classen ohne Zahl, die sich zusammen drängen, Und den gemeinen Raum zu gleicher Zeit verengen. So wird die Form der Welt, die sich in jedem Geist, In jeglichem Geschlecht, in anderm Lichte wes'it, Und, wie die Geisterwelt sich immer höher schwinget, Zugleich verschönert wird, und ewig sich verjünget.

Inhalt des vierten Buchs.

Die Form des Weltsystems. Classification der empfindenden Substanzen, aus denen die Welt zusammengesetzt ist, und welche nach der Hypothese, welche der Poet im vorigen Buche zu Grunde gelegt hat, alle mit einem unzerstirbaren sub­ tilen Leibe angethan sind. Die unterste Classe besteht aus denjenigen, bei denen die Empfindung am schwächsten ist; aus ihnen sind die Körper des Mineralreiches zusammenge­ setzt. Die zweite Classe sind die Seelen der Pflanzen. Ana­ logie der Pflanzen mit den Thieren. Das Thierreich in seinen verschiedenen Classen. Widerlegung derjenigen, welche die Thiere für bloße Maschinen halten. Von der Vernunft der Thiere. Bestrafung des Plinius, welcher behauptet, daß die Natur sich gegen die Thiere gütiger bewiesen, als gegen die Menschen. Allgemeine Beschreibung der Erde, — der Ionen, — ihrer Einflüsse aus Menschen und Thiere, — der Himmel. Die Bewohner andrer Welten. Die Gestirne, nach der Mei-

76 nung der Alten, beseelt. Dieses Buch endet sich mit der Hypothese, daß der Unterschied der Geschlechter auch bei den Seelen und Geistern statt habe, und auf eine innerliche Verschiedenheit der Natur sich gründe.

Viertes Buch Ich sang, wie Gottes Huld sich unzählbare Wesen, In Reihen ohne Maß, zum Gegenstand erlesen; Und wie die Weisheit sie in einen Leib gehüllt. Nach dessen Vorwurf sich die Kraft zu denken bild't. Die ganze Welt ist bloß ein All von Geistigkeiten, In die vom Quell deS Seyns sich stete Ströme leiten; Der formenreiche Stoff, unfähig zum Gefühl, Hat ihren Dienst allein zu seines Daseyns Ziel. *) Wie trügend ist der Schluß, dem Weise kaum entgehen: Weil wir von dem, was ist, nur bloß die Schalen sehen. So ist die Körperwelt nur eine todte Last, In Schranken mancher Art willkürlich eingefaßt? Nein! was der Sinn uns zeigt, was in die Augen wallet. Was das Gefühl erregt, was in die Ohren schallet, Sind Bildungen des Stoffs, der Geister in sich schließt, Und von dem Kern nur bloß die äußre Hülse ist. Nun führe, Göttin, mich durch aller Wesen Reihen, Von denen, die das Licht aus innrer Schwäche scheu«. Bis zu dem reinsten Geist, der in dem Lichtmeer lebt. Das ewig uferlos der Gottheit Thron umwebt; Und zeige, wie der Raum, der alle Classen füget. Die Form, die Schönheit schafft, die unsre Sinne» trüget.

78 Der ganze Kreis, der sich, voll von äther'scher Flut, Um unsre Sonne dreht (die in dem Brennpunkt ruht. Und ihr heilsames Licht zu sechzehn Erden sendet. Die ein geheimer Zug in eignen Bahnen wendet). Scheint vom Unendlichen der schlechtste Theil zu seyn. Und schließt die niedrigsten der Geistigkeiten ein. Hier ist der dunkle Ball, an dem die Menschen hängen Und um ein schimmernd Nichts, das keinem bleibt, sich drängen. Nimmt in der Welten Zahl er gleich den untern Platz, So ist sein Kreis doch voll von unerkanntem Schatz. Er soll zu höherm Glück die Seele vorbereiten, Drum ward er ausgeschmückt mit so viel Trefflichkeiten, Die, ist ihr Reiz gleich groß, doch die Gewohnheit bald Mit ekler Galle färbt. Der kurze Aufenthalt (Kaum einer Herberg gleich) auf der zu kleinen Erden Soll uns durch sie versüßt, nicht paradiesisch werden. Die Wollust, die uns hier ein irdisch Gut gewährt, Soll nur ein Dorschmack seyn, der die Begierden mehrt. Mit angefachtem Fleiß nach jenem wahren Leben, Aus dieser Dämmerung, erwachend, hinzustreben. Doch, thränenwerthes Volk, dein Endzweck und dein Stand, Selbst deine Hoffnungen, die sind dir unbekannt! Vergessend, welch ein Glück die Arme nach dir strecket, Hängst du dich an ein Gut, das dir nur Durst erwecket. Zwar du gewahrst es selbst; mit unvergnügtem Sinn Verläff'st du es, und schwärmst zu tausend andern hin. Die dein nie satter Geist bald wird zu flüchtig finden, Die ewige Begier vom Wünschen loszuwinden. Ein schönes Hinderniß reizt dich betrüglich an. Vor Lust vergissest du dein Ziel und deine Bahn. So riefen dem Ulyß die lockenden Sirenen

79 Vom zauberischen Strand mit tidtlich süßen Tönen; So nahm das kleine Heer, das diesen noch entging. Der süße Lotus ein, der Aug' und Zunge fing; Das rauhe Ithaka ward jetzt mit Lust vergessen; Jedoch der Held zieht fort, und laßt fie Lotus essen. O Mensch, wann lernst du einst, wozu du ewig bist Und daß dein Herz zu groß für diesen Erdball ist! Benachbart mit dem Nichts, füllt dort ein traurig Heer Den unbestrahlten Raum. Von innerm Lichte leer, Cmpfind't es kaum fich selbst; den Schlaf, der es bestricket. Stört kaum ein schwaches Bild, das in den Leib sich drücket. Auch sie bedeckt ein Kleid, von dichtem Stoff gewebt. Durch den der Gegenstand vor ihrem Sinne schwebt; Doch weil kein größer's Haus ihn mit der Welt verbindet, Was Wunder, daß er kaum sein dunkles Seyn empfindet; Er fühlt zwar, doch nur schwach; auch scheinet seine Brust Zum Schmerze noch zu trag, und noch nicht reif zur Lust; Unthätig bleibt er stets im Gleichgewichte liegen, Von bittrer Unlust frei, unfähig zum Vergnügen. Aus diesen Wesen sind die Körper aufgehäuft. Die man sonst insgemein im Minern-Reich begreift. Du, Leeuwenhoeck, -) zeigst uns mit scharfbewehrten Augen, Was Menschenblicke sonst nicht zu bestrahlen taugen; Zeigst dem erstaunten Blick den ganzen Stoff belebt. Und wie das Sandkorn selbst von regen Thierchen webt; Vor deines Scharfsinns Strahl ist unsre Rächt verschwunden. Der Erde kleinsten Punkt hast du bewohnt gefunden. So gründet unsern Satz, den die Vernunft gebeut. Auch der Erfahrung Spruch, und hilft der Sinnlichkeit. Doch kein vergrößernd Glas führt die geschärften Blicke Anfs unterste Geschlecht der Creatur zurücke;

80 Denn diese deckt ein Leib vom feinsten Stoff erbaut, Den selbst kein.Leeuwenhoeck, kein Needham jemals schaut. Er läßt sich nicht aufs neu in kleinre Wesen schneiden. Die sich in andern Stoff, nach gleicher Regel, kleiden. Hingegen das Gewürm, wovon im Tropfen Naß . Ein Hook, ein Swammerdam, viel Millionen maß, Läßt ein sichtbarer Leib in schärfte Augen dringen. Ein Leib, der fähig ist, sich zeugend zu verjüngen. Dieß zeigt, daß unter ihm noch tiefte Classen gehn. Doch endlich bleibt der Geist bei einer Gattung stehn. Die allen andern weicht, ob ihr der Trost gleich bleibet. Daß einst die späte Zeit sie weckt und höher treibet. Ein jedes Glied der Zahl, der unmeßbaren Zahl, Vom niedrigsten Geschlecht, trägt ein natürlich Mal, Das von den andem es im Wesen unterscheidet. Die Kraft, die es bewegt, der Leib, der es bekleidet, Hat was ihm eigen ist; auch was es jetzt empfind'!. Ob seine Bilder gleich nur matt und einzeln sind. Ist nicht vollkommen gleich mit dem, was andre reger, Die sonst die Aehnlichkeir am nächsten zu ihm leget. O Mannichfaltigkeit die hier mein Auge füllt! O Weisheit, Geist der Welt, wie groß wird mir dein Bild? Der Seraph steht erstaunt, und wünscht dich zu ermessen. Doch er ermißt dich nicht, häuft er gleich Größ' auf Größen. Noch mehr, ein ewig Band hält jede Geistigkeit Des niedrigsten Geschlechts ans Ganze angereiht; Weil alle Wesen sich zu gleichen Zwecken schwingen. Und zu des Ganzen Zier verschiednen Beitrag bringen. Der Schöpfer (ehret ihn, so oft sein Nam' erschallt, Ihr Sonnen, lichter Staub, der seinen Fuß umwallt!) Hat durch der Liebe Zug den innern Streit geschlichtet.

81 Und das Manchfaltige harmonisch, eingerichtet. Auch da, wo unser Sinn nur blaffe Gleichheit sieht. Strahlt Ordnung, Schönheit, Lust in ein verklärt Gemüth. Kein finstres Chaos mischt die kämpfenden Substanzen, Hier herrscht der Weisheit Arm, und schaffet Ruh' im Ganzen. Um einen Grad erhöht, beseelt daS Pflanzenreich, Ein besseres Geschlecht, doch Thiere« noch nicht gleich. Auch dir, du holde Jucht der immer fruchtbar'n Floren, Wird in dem schönen Leib ein Wesen angeboren. Das sich und ihn genießt. Kein Gras, kein unwerth Kraut, Wird auS Aurorens Brust erquickend angethaut. Das nicht im weisen Bau von wohlgesügten Röhren Dem gleichgestimmten Geist Empfindung kann gewähren. Du lachst, bestäubtes Heer Megarischer Eukliden, 5) Daß wir den Pflanzen selbst Empfindlichkeit beschieden? Die Muse thut eS nicht; der Weisheit milder Hauch Hat längst sie schon beseelt, und die Erfahrung auch. Jeigt ihrer Glieder Bau (ein Werk, das selbst die Weisen Zu schwach es durchzusehn, nur voll Erstaunen preisen) In feinem Wese» selbst, in Bildung und Gestalt, Nicht eine Aehnlichkeit, die in die Augen strahlt. Mit andrer Thiere Leib? Ein wundersam Gespinnste Von Nerven nimmt die Flut der eingesognen Dünste, Und kocht das süße Blut, daS von der Sonn' erhitzt Sich durch der Adern Höhl' in alle Glieder spritzt; Die eingeschöpste Luft durchweht in tausend Röhren De» angefachten Leib, und hilft das Leben nähren. Ist nicht der Thiere Leib mit gleicher Kunst gewebt? Der Same selbst, durch de» sich jedes überlebt. Nimmt eigne Glieder ein, die im Geschlecht sich trennen. Und ohne Liebe nicht sich selbst emeuern können. Wieland, sämmtl. Werke. XXV. 6

88 Durch dich, o Paphia, durch dich lebt die Natur; Auch Blumen fühlen dich, dein Trieb gebiert sie nur. Sobald dein warmer Hauch, den und, auf laue« Schwingen, Des Frühlings Erstlinge, die muntern Weste bringen. Den rauhen Nord verjagt, und Schnee und Wolken fliehn. Dringt aus der Erde Schooß ein jugendliches Grün. Die Samen dehnen sich, und fühlen deine Triebe, Die ganze Erde haucht die eingeflißte Liebe. Die Bäume schmückt ihr Kleid, der Vögel lüft'geö Heer Ruft dir stohlockend zu, dir heitert sich das Meer; ES glänzt, ich weiß nicht was, im Auge junger Schönen, Und ihren Busen schwellt ein unbekanntes Sehnen. Dieß, Liebe, wirkest du, und so erhält durch dich. Und deinen süßen Zwang, der ganze Erdkreis sich. Wenn mit Linneus nun in Florens buntem Kinde Ich so viel Ähnlichkeit mit andern Thieren finde. Und sein belebter Leib, durchaus orgauisirt. Ein aromatisch Blut durch tausend Adern führt. Was hindert uns, es auch, gleich Thieren, zu beseelen? Kann wohl dem Geisterreich ein möglich Wesen fehlen? Sprich nicht, wir sehe» nicht, daß sie ein Gliedmaß ziert, DaS zum Empfinden taugt und fremden Eindruck spürt. Seit wann hat die Natur uns ihren Schooß entdecket? Bleibt uns der größte Theil der Zwecke nicht verstecket? Auch die Veränderung im eingenommnen Platz, Die den Gewächsen fehlt, bekämpft nicht meinen Satz. Der Austern träges Volk, daS an den Felsm klebet. Vertauscht nur durch Gewalt den Ort, an dem es lebet. Verändert gleich das Kraut die erste Stelle nie, 3st's doch nicht regungslos; es öffnet selber früh Den halbgeschloff'nen Kelch den angenahten Strahlen,

83 Und schließt bei ihrer Flucht die sternengleichen Schalen, Es wend't sein blühend Haupt verliebt der Sonne zu. Grüßt sie, da sie erwacht, und sucht mit ihr die Ruh'. *) Die Seelen, welche wir den Pflanzen zugegeben, Naht schon ihr innrer Stand dem animal'schen Leben; Wirksamer als die Art, die unter ihnen schläft. Kennt ihre Kraft schon mehr das geistige Geschäft. Sie fühlen, weil ihr Leib die Bilder vor sie stellet; Doch ist ihr Bild der Welt gleich dämmernd aufgehellet. So ftlhlen sie doch schwach und ohne Deutlichkeit, Und was? Vielleicht daß sie der Weste Kuß erfreut; Vielleicht empfinden sie den Balsam ihrer Düste, Und athmen voller Lust die süßen Frühlingslüste; Der Sonne wärmend Licht, des Aethers reiner Fluß, Wer zweifelt, daß er sie nicht viel vergnügen muß? Auch wird der Thau, womit sie laue Nächte tränken, Nicht ohne Wollust sich in ihre Adern senken. Hier ist ein weites Feld den Dichtern aufgethan. Wo sich ihr muntrer Witz erfindend üben kann; Doch krönt nur ein Vielleicht, was sie begeistert singen. Und Klio schweigt voll Ernst von zweifelhaften Dingen. Noch keine Zahl umschränkt den weiten Zwischenraum, Von Libans altem Stolz, dem lüft'gen Cedernbaum Bis zu den Thieren auf, die sich vernünftig nennen. Und, trotz der Aehnlichkeit, ihr Urgeschlecht verkennen. Der Muscheln stachlicht Heer naht sich noch sehr deut Kraut; Ihr kaum belebtes Fleisch schließt eine rauhe Haut, Bewundernswerth gedreht, meßkünstlerisch gekerbet. Und mit verborgner Hand, zur Scham der Kunst, gefärbet, Zn deren Labyrinth, von Titan undurchscheint. Manch weichbeschalteS Ei zur Perle sich versteint.

84 Der Fische stummes Do«, die Nachbar« der Najaden, Trägt ihr beschwingter Leib in ungegründ'tea Pfaden, Den regen Thieren gleich; doch kehrt ihr stumpfer Sinn «Sie mehr zu FlorenS Reich, als zu den Thieren hin. Den Raum vom Schuppenvolk zu den vollkommnern Thieren, Die ans dem trocknen Land in Wäldern sich verlieren. Erfüllet daS Gewürm, das Erd' und Luft erfüllt. An harten Rinden nagt, und selbst km Marmor wühlt. Der Wälder schwarzen Forst durchbrüllen wilde Rachen, Die im bewehrten Leib sich Schwächer« furchtbar machen. Doch hat die Weisheit sie in unwirthbarm Sand, Wo Glut und Dürre tobt, von uns hinweggebannt, AnS nützet bloß ihr Tod, von andern auch das Lebm, Die ohne Zwang uns Milch und warme Wolle geben: Da andre, deren Fleisch uns die Natur heißt scheu'«, Au Last und Arbeit stark, uuS ihren Rücken leihn. Ja selbst das wilde Vieh (was wird ein Mensch nicht wagen?) Awang die Gewalt der List nicht gern das Joch zu tragen. Die Jovial'sche Lust belebt der Vögel Schaar, Itab bringt ihr frühes Lied der nähern Sonne dar. DaS reine Clement, worein sie muthig schweben. Scheint über niedres Vieh des Adlers Reich zu heben. Der Schwalbe kluger Fleiß, der ihre Wohnung fügt. Der Nachtigall Gesang, der Bäume selbst vergnügt. Die süße Vielfachheit, die ihre Stimme drehet. Jetzt gurgelt, jetzt vertieft, jetzt wunderschnell erhöhet, Naht sie der Menschlichkeit. Wie singt von ihrer Lust Die liederreiche -Luft, wenn in der kleinen Brust Sich Venus mächtig dehnt, sobald der West «ns grüßet. And alles, was empfind't, in neuer Brunst zerfließet? Welch eine hohe Kunst zeigt sich in der Struktur

85 Der schönsten Leiber uns, worein sich die Natur, Nach jedes Art, gehüllt! Wie jeigt nur eine Mücke (Ein ungeachtet Thier) im schönsten Meisterstücke Des gliedervollen Leibs, daß sie rin Gott gebaut? O hättest du, Lucrez, mit Bonnets Blick geschaut. Du hättest dich bemüht, mit deinen süße« Weisen Ein deiner würdig Ziel, den Schöpfer selbst, zu preisen. Doch wie? da solch ein Leib dem Thier Gejühl verspricht. Genießt ihn nicht ein Geist? Dieß glaubt Descartes) nicht. Und liebt, den alten Wahn Pereirens zu erneuern. Den, lange schon vor ihm, die Lust zu Abenteuern Zu einer Lehre trieb, die (was er selbst kaum glaubt) Der Sinnlichkeit sogar das arme Vieh beraubt. Er macht sie ohne Kunst zu künstlichen Maschinen, Die doch sich selber nichts, den Menschen wenig dienen. Sein neblichter Begriff schließt seines Schöpfers Macht In enge Gränzen ein, die er selbst ausgedacht. Kann die vollkommne Welt ein möglich Wesen missen. In welcher uferlos unzähl'ge Arten fließen? Die Weisheit, leidet sie daß einem Punkt der Welt Ein möglicher Gebrauch, ei» Zug der Schönheit fehlt? Was für ein Meer von Lust verflösse ungeschmecket? Wie viele Anmuth blieb' unbrauchbar und verstecket? Wo nur der träge Mensch/ von schlechtter Lust entzünd't. Sie zwar empfinden kann, und sie doch nicht empfind't. Viel weniger entfernt Rorar«) sich von der Wahrheit. Ja, ja, gesteh' es nur, du Geist voll hoher Klarheit, Du Herr der ganze» Welt, den keine Fliege ehrt. Der Sonn' und Himmel mißt, und Sterne laufen lehrt. Und kennt nur nicht den Weg sein irdisch Glück zu bauen. Gesteh', erhabner Mensch, zum mindsten im Vertrauen,

86 Du bist von gleichem Stamm mit dem verworfnen Weh, Ja ost nimmt's dir den Preis, und du bedenkst es nie. Sey nicht so kühn, o Mensch, auf eingebild'te Rechte, Du bist nur eine Art von einerlei Geschlechtes Wie viel ist, bas dir fehlt und eine Raupe hat? Zwar ein geringer Raum scheid't dich um einen Grad Von niedern Thieren ab; dich bliht dein tiefer'S Wissen, Du kennst die eitle Kunst zu zweifeln und zu schließen; In einer weitern Sphar' verbreitet sich dein Sinn, Und deine Neugier fliegt zu fernen Welten hin. Du fühlest zärtlicher, und bist, mit weicherm Herzen, Geöffneter der Lust, empfindlicher zu Schmerzen. Doch, o der kleinen Zahl die dieser Vorzug schmückt. Die Hähern Wesen gleicht und in die Zukunst blickt! Ihr andern, seyd ihr's gleich die sich am meisten blähen, Vergeblich strebet ihr nach untersagten Höhen, Im Staub, den Würmern nah'! Was euer» Hochmuth nährt. Ein Schatten der Vernunft ist keines Neides werth. Mehr Mittel, die Begier erhitzt, nicht satt, zu machen. Der Thränen bittern Trost, das Recht um nichts zu lache». Mehr Kenntniß falscher Lust, mehr Stoff zum Ueberdruß, Gönnt euch der Vogel gern. Er theilet den Genuß Fast jeder Lust mit euch, und läßt euch nur die Plagen; Die Sorgen, die in euch der Freuden Knospe nagen. Den unruhvollen Blick in das, was künftig ist. Den Vorzug läßt er euch! Ihr wünschet, er genießt, O höret auf, euch noch mit eurer Schmach zu brüsten! Sey dir zur Plage klug, sey schlau zu neuen Lüsten, Sey ein Sardanapal, kein Vieh beneidet dich. Betrinke dich in Blut, umkränzter Wütherich, Zertritt den fteien Staat, und kauf' um Millionen

87 Von Seelen deiner Art unsichre Königsthronen: Doch sieh von deiner Höh' «inst jenen Würmern zu; Wie eifrig baut ihr Fleiß an der gemeinen Ruh'! Kein Stolz theilt ihre Müh', ihr Ruhm ist, andern nützen; Der Gipfel der Begier, vor Mangel sich zu schützen; Kein innerlicher Streit schwächt die gemeine Kraft; Der ehrt sich, der dem Staat den größten Nutzen schafft. So folgt ein schlechter Wurm den angenehmen Trieben Der lockenden Natur, und freut sich sie zu üben; Und du, dem die Vernunft der Lugend Reiz erhöht. Bist trotzig, daß dein Herz der Menschheit Ruf verschmäht. Doch, ist's vielleicht die Kunst, die übers Vieh dich hebet? Der Kreis der Wissenschaft, die dein Verstand erstrebet? Die Weisheit, welche dir in vollem Licht sich weisst? — O still! der Dinge Kern enthüllt kein ird'scher Geist, Nur Wenige von euch, verschwistert mit den Engeln, Befreit ihr günstig Glück von den gemeinen Mängeln, Und heitert ihren Blick von euer» Nebeln auf; Der andern Füße trägt ein zweifelhafter Lauf Der fernen Wahrheit zu, und oft sehn sie im Dunkeln Ein fabelhaft Gespenst an ihrer Stelle funkeln. Und wie? Verdient die Kunst, die euern Stolz beschint. Die allzu schwache Kunst, daß ihr die Thiere höhnt? Ihr stützt den Himmel zwar mit marmornen Kolossen, Und haust Gebirge auf, die durch die Wolken stoßen; Doch, nimmt euch nicht ein Wurm, der mit geerbtem Fleiß Aus sich sein Wohnhaus spinnt, den schlecht verdienten Preis? Das weiße Paros muß den rohen Stoff euch geben. Die Spinne kann ihr Zelt aus ihrem Leibe weben; Sie führt es in die Lust, vom Sturme nicht erschreckt. Der Memphis Säulen selbst mit Schutt und Sand bedeckt.

88 Die Bienen, welche dort, wo Hpbleus Thäler blühen. Der Erd' Ambrosia aus junge». BluMe» ziehen. Was gleichet ihrer Kunst? — Erschöpft ein Reaumür, Sie nur zu kennen stolz, nicht Jahr« über" ihr? Ein Werk, das Archimed nicht klüger cirkela könnte. Vollführt sie ungelehrt und sonder Instrumente. Sprich nicht, ein blinder Trieb, ein willenloser Zwang Bestimmt der Bienen Fleiß, der Nachtigall Gesang, Des Seidenwurms Gespinnst; dieß heißt in leeren Tinen Die Wahrheit, der du weichst, mit deinem Stolz versöhnen. »Zeig' uns das Thier, das nichts als bloßes Uhrwerk sey; »Auch Thieren wohnt ein selbst sich regend Wesen bei/ Auch in deö Löwen Brust schlägt was von jenen Trieben Der Großmuth und des Zugö, de», der uns dient, zu lieben, CytherenS süße Brunst, die mit dem Herzen spielt. Wird von den Thieren auch, oft menschlicher, gefühlt; Man lehrt unS ein Insect im Fleiß zum Muster nehmen; Und sollte Manchen nicht UlpffenS Hund beschämen? Doch nicht zu weit, mein Sinn! Ein unverlierbar Recht Erhöhet über sie daS menschliche Geschlecht. Jetzt sind sie nicht was wir; und wird nach ferne« Tagen Sie einst ihr künftig Glück auf unsre Staffel tragen. So wird ein gleicher Weg, den alle Geister gehn. In bess're Nachbarschaft uns über sie erhöh». Uns würdigt die Natur mit mütterlichen Händen, Was sie Vortrefflich's hat, verschwendrisch zuzuwenden; Uns kleid't ein schinrer Leib, und was die Erde trägt. Wird willig von ihr selbst zu unserm Fuß gelegt. Uns zollt der Berge Schacht; in tiefe» Meeresschlünden Muß sich zu unserm Schmuck die weiche Perle künden; Und vom versengten Süd bis zum geftornen Pol

89 Ist Lust und Sand und Meer von unserm Reichthum voll. Und was vermag die Kunst? Sie schasst dem -den Sande Des Frühlings Anmuth an, und läßt im trocknen Lande Beschäumte Schiffe gehn, mit Korn und Frucht beschwert. Die ihr sinnreicher Fleiß im Meere blühen lehrt; ,Indem wir ewig sie von Grad -« Grade treiben, »Wird nichts uns «nversucht-Md nichts unmöglich bleiben.' Klag' nicht, o Plinius,») bist Menschen Mutter an, Daß sie uns nicht, wie Vieh,: Mb-Men angethan. Nicht wie den Fisch beschuppt, init Federn nicht beschenket. Noch, stummen Austem gleich, in Schalen eingesenket. „Uns, rufst du rednerisch, uns wirft sie nackend aus; Das Vieh bewehrte sie; die Muscheln deckt ihr Haus; Den Vogel weicher Pflaum : wer muß sich nicht beklagen; Ist's billig, für das Vieh mehr Sorg' und Huld zu tragen?" Wie blendet dich dein Witz! Für ein geringes Glück Gäbst du die Schönheit ihr und tausend Lust zurück. Von unsern Schönen wirst du wenig Dank erlangen. Sie tauschten schwerlich gern die Rosen ihrer Wangen Um warmen Schwanenflaum, und eine Lilienbrust Auch noch so schön beschuppt, erweckte wenig Lust. Und warum willt du uns denn unsern Schmuck entziehen? Wie klein ist der Verlust von dem, was dein Bemühen Undankbar'» geben will? Die heiße Zärtlichkeit, Die in der Mutter Brust für ihre Kinder schreit. Erseht durch Müh' und Kunst, was aus bedachten Gründen Uns die Natur versagt. Wofür sind weiche Binden? Wofür trägt dort ein Baum ein sanftes Flaumenhaar? Bringt nicht Natur und Kunst uns ihre Hülfe dar? Wie wenig Billigkeit stützt deine Dichterklagen! War'S Wohlthat nicht, was du begehrst, «ns z« versagen?

90 Der Mensch bleibt wie zuvor der Liebling der Natur, Ihm schenkt sie ihren Schatz, ihm ziert sie Wald und Flur. Die andern Thiere sieht, in unzählbaren Classen, Er, unter sich gereiht, ein kleinres Glück umfassen. Dieß ist der Arten Zahl, aus der der Ball besteht. Der langsam sich verzehrt, indem er uns erhöht. Ihn heißt ein innrer Zwang in schneckengleichen Kreisen, Um Titans feur'gen Sitz, mit gleichem Wälzen, reisen. Durch sein bestimmtes Drehn wird uns der Tag geschenkt. Wenn er der Sonn' uns zeigt, die Nacht, wenn er sich schwenkt. Dann blitzt Aurorens Aug', da unser Strich erbleichet. Die Gegenfüßler an, und ihre Nacht entweichet. Der Unterschied des Stands, der uns zur Sonne hält. Die Arten, wie ihr Strahl auf unsre Fläche fällt. Verändern ganz und gar die Form der äußern Erden, Und lassen dreimal sie sich selber ungleich werden. Dort am erfrorneu Nord, wo sich sein ewig Eis Nach seinem Sterne sehnt, von andrer Glut nicht heiß. Herrscht Frost und öder Tod mit allgemeinem Grauen, In stiller Dämmerung, durch unwirthbare Auen. Hier lacht der Frühling nie, kein blühend Kraut lockt hier Den frischen Zephyr an und ein verirrend Thier. Der Liebe süßer Brand, den jeder Welttheil fühlet. Erstirbt hier um den Pol, und wird in Eis gekühlet. Kaum, daß ein Zembla noch ein seltner Schein erhellt. Und hier und da den Fels ein weißer Fuchs durchbellt; Froh, wenn er unterm Schnee ein faulend Moos erblicket. Das menschengleiche Volk, das dieser Himmel drücket. Fühlt auch des Erdstrichs Neid, der seinen Körper krümmt, Und selbst dem matten Geist sein dumpfes Feuer nimmt. Dort, wo, der Sonne nah, die Mittagsgegend raucht.

9t Und der beglänzte Sand nur Glut und Flammen haucht. Verzehrt der stete Strahl das siebende Geblüte, Und wie die Ader kocht, so brauset daS Gemüthe. Die Liebe wird hier Wuth, die Rachsucht zügelftei. Der Witz geblähter Schwulst, die Andacht Schwärmerei. Den aufgebirgten Sand, den nie ein Grün beschattet. Durchzischt ein Schlangenheer, das sich mit Hydern gattet. Der Liwen dürrer Schlund ächzt hier nach heißem Blut, Und ans des Tigers Blick blitzt seines Himmels Glut: Der Mensch gleicht seinem Vieh; die sanfte Menschenliebe Rührt kraftlos seine Brust: nur blntbegier'ge Triebe, Nur zügellose Brunst und wilde Cisersucht Verzehren sein Gehirn, und sind der Gegend Frucht. Die ihr der Länder Recht in heil'ge Tafeln ätzet. Und was die Pflicht gebeut, was sie versaget, setzet; Lykurge jedes Volks, zwingt nicht nach Einer Schnur, Nach einerlei Gesetz, die streitende Natur. Vergebt dem Himmel was, und mildert euer Fodern! Die Glut erstirbt nie ganz, in der die Äsern lodern: Hemmt weislich ihre Wuth, und zeigt die Mittel an. Wie man der Triebe Brand am klügsten kühlen kann; Erlaubt dem Norden nicht, was ihr dem Süden schenket. Und wisset, daß das Recht oft nach der Lust sich lenket. Ein selig Mittel schränkt die andern Zonen ein; Die Billigkeit der Lust, der Sonne warmer Schein, Besamt das lockre Land, gemalt mit tausend Farben, An Bacchus Gaben reich und gelb von schwängern Garben. Zwar ändert die Natur, in vorgeschriebner Zeit, Die liebliche Gestalt, und wechselt stets ihr Kleid, Gibt uns im Sommer oft der Mohren Glut zu fühlen. Läßt schon im Herbst den Nord mit starren Flocken spielen.

s» Doch jede IahrSzeit ist an eignm Freuden reich, Wir würden bald zu satt, wär' unsre Lust stets gleich. Allein des Winters Frost, der «NS in warmen Zimmern Den Herbst genieße« läßt «ab hüllt der Wiesen Schimmer« In sein einfärbig Weiß, schärft den gestumpften Sinn ,Und selbst Entbehrung wird durch Wechsel zum Gewinn. ‘ Wie fröhlich grüßen wir die mildern Frühlingöwinde, Wie lieblich schäumt und rauscht uns durch die nackten Gründe Der aufgelöste Schnee, wie froh lauscht unser Ohr Der ersten Nachtigall, der Lerchen frühem Chor! ,Wie wonnig fühlen wir im allgemeinen Weben , Und Streben der Natur auch unser neues Leben! ‘ Glückselig, wen sein Stern in Zone» leben heißt. Wo eine milde Luft wohlthätig ihn umfleußt! Des Himmels Mäßigkeit verschönert auch die Geister, Vernunft wird leichter hier der Leidenschaften Meister, Das Herz fühlt zärtlicher, der Witz ist schön und rein. Geordnet der Verstand, und die Empfindung fein. Dort wo aus heitrer Luft entwölkte Sonnen scheinen. Herrscht Witz und Dichtungskraft in lorberreichen Hainen. Durchs ganze Thierreich fließt die Kraft vom nähern Strahl, Die Blumen glänzen mehr, nie weicht der West dem Thal; Die Wälder duften dort von ewig-grünem Laube, Und Daphnens Haar wird nie dem rauhen Nord zum Raube; Sidon'scher Aepfel Gold 9) strahlt ungepflanzt im Wald, Der stets vom Wettgesang der Nachtigallen schallt; Der Hügel breiter Schooß grünt von Falerner-Reben, Die ganze Gegend wallt von innerlichem Leben. Dort aber wo das Land zum weißen Pol sich senkt. Spürt Mensch und Vieh und Baum, daß ihn der Himmel kränkt. Zu Phlegma wird der Witz, die Leidenschaft wird träge.

93 Das Blut schleicht matt dahin durch die gehemmten Wege; Den Forst schreckt rauhes Wild, und, leer an edlerm Erzt, Wird nur von Stahl und Blei der Berge Schacht geschwärzt. Dieß ist der Ordnung Frucht; in allen ihren Reichen Muß innre Harmonie das Maunichfache gleichen. Verlaß, o Muse, nun den niedern Gegenstand, Und suche deinem Blick ein neu, ein himmlisch Land. Schwing dich mit flüchsgeM Fuß und unverwandten Augen Den bessern Welten zu, die rein're Strahlen saugen; Wo Geister hih'rer Art, aus unsrer Nacht gereist. Ein himmlisch Element mit lautrer Wonne speist. Was für ein Weltrnheer, bas unter mir sich drehet? Was für ein Tempel, der sich über mir erhöhet? Welch eine Harmonie bezaubert Ohr und Blick? Die ihr hier ewig wohnt, wie reizt mich euer Glück! O! daß mich Erd' und Zeit so wett von euch entfernen! Dort, wo ein weißes Licht, gemischt aus tausend Sternen, Sich um den Himmel krümmt, wo nie der Tag erbleicht. Dort wohnt die frohe Schaar, die unsrer Erd' entweicht. O dreimal Selige! die ihr hkeher entronnen! Euch nährt der Engel Kost, euch glänzen hellre Sonnen, Die Nebel fliehn dahin; verklärt von reinem Licht, Seht ihr, mit welcher Nacht der Tag der Menschen ficht. Doch, eure Seligkeit läßt selbst sich noch vermehren. Weit über euerm Haupt schöpft, in den höchsten Sphären, Der Seraph Götterlust aus dem vollkommnen Quell, Und wird, der Welt zu hoch, nur von der Gottheit hell. Wie staunst du, schwacher Geist? Von himmlischen Gedanken Aufwallend, haßt dein Herz die ihm zu engen Schranken, Vergiß dein Vaterland, blick nach der Sterne Bahn, Sieh' jener Welten Glanz, sieh' ihre Bürger an.

94 O Maunichfaltigkeit! o Schönheit! o Entzücken! Welch ein Zusammenfluß von weisen Meisterstücken! Wie stimmt mit ihrem Leib, wie stimmt mit ihrer Brust, Die schöne Wohnung ein? Wie einfach ist die Lust, Die in den zärtlichen und wohlgebild'ten Seelen Die Tugend süßer macht, und billiget ihr Wählen? Ein allgemeiner Trieb, «in-unqufl-slich Band, Verknüpft die Seelen hier; kein Unterschied im Stand Stört die gemeine Lust, Ein Herz, Ein Zug im Allen Eilt in der Tugend sich, in gleichem Maß, z« Men. Bricht schon aus manchem Geist des Wesens Trefflichkeit Mit hiherm Schimmer aus; ihn trübt kein bleicher Neid. Er fühlt den Vorzug kaum; bemüht, ihn nicht zu wissen. Läßt er ihn, unbemerkt, auf seine Freunde fließen. Und jeder ist sein Freund. Er ist , der Gottheit gleich, (Wie glänzend ist dieß Lob!) nur für die andern reich. Das Band, wodurch schon hier auf dieser düstern Erden Ein tugendhaftes Paar kann paradiesisch werden. Die Liebe, o wie wird sie hier so schön gefühlt! Hier ist sie keine Brunst, die im Genuß sich kühlt. Des Geistes Kräfte schwächt, die Tugend unterdrücket. Das Herz mit Wuth durchstürmt und die Vernunft ersticket. O nein! voll Zärtlichkeit knüpft sie ein gleiches Paar Fest an die Tugend an; was jedem eigen war. Ist jetzt des andern Gut, eins wird aus zweien Herzen, Von gleichen Trieben reg, verschlossen allen Schmerzen. Mich rührt kein andrer Wunsch, als dich beglückt zu sehn. Du schmeckest keine Lust, als durch mein Wohlergehn. Beglückte! die ihr seyd, die Gottheit liebt euch beide. Und ruft euch unzertrennt zu gleichgefuhlter Freude. Doch was verspricht vom Geist ein solches Herz uns nicht?

95 Die Wahrheit liegt vor ihm in ihrem eignen Licht. Er wiegt der Wesen Kraft, er faßt den Stoff in Zahlen, Dringt in der Dinge Mark, und klebet nicht an Schalen. Nie hemmt des Körpers Last des Geistes freien Lauf; Von neuen Sinnen faßt er neue Bilder auf; Manch' fühlend Gliedmaß zeigt ihm neue Eigenschaften, Die, unsichtbar für uns, an andern Körpern hasten. Vielleicht, daß manche nur Ein Sinn der Welt verbind't. Und der nur durchs Gesicht, der nur durchs Ohr empfind't. Wo tausend Düfte sich ambrosialisch mengen. Und die gewölbte Brust mit sanftem Zufluß drängen. Und wo der ganze Leib in Dalsammeeren wallt. Wer mißte Ohr und Aug' in diesem Aufenthalt? Dort aber, wo die Lust von holden Tinen zittert. Und das gebrochne Thal stets mit Musik erschüttert. Wo tausend Kehlen stets zum Wirbeln offen sind. Wo Wald und Fels und Flut der Töne Macht empfind't. Der Bach harmonisch rauscht, die Luft harmonisch wallet. Und wenn der Nymphe Lied in Felsen widerhallet. Der Hain melodisch rauscht, wer hielt' es wohl für Pein In einer solchen Welt sonst nichts als Ohr zu seyn? Wie schwindelt meinem Geist, wie hört er auf zu denken. Wenn seine Blicke sich in jene Tiefe senken. Die kein Geschöpf ermißt, wo in gewohnten Höhn Sich Sterne ohne Zahl mit ihren Bürgern drehn. O wie vergißt er sich bei ihrer Arten Menge, Und unterliegt der Zahl, und wird sich selbst zu enge! Noch mehr! die Sterne selbst sind Thiere, sind beseelt. Damit in keinem Reich ein Thier zum Bürger fehlt. Rauscht die astral'sche Luft von selbstbelebten Ballen, Die, andrer Thiere voll, ihr Element durchwallen.

96 ,Du, dem der größte Stern ein strahlend Pünktchen scheint, »Sag' an, mit welchem Recht wird dieser Satz verneint? »Du sprichst: „er überwiegt zu Millionen Malen »Die Sonn', und seine Dahn ermüdet unsre Zahlen; »Auch wälzt er ohne Rast und unveränderlich »Um eine grißre Sonn' im gleichen Kreise sich: »Was ist hierin, um ihn mit Leben zu beschenken? »Wer könnte sich ein Thier von solcher Größe denken? »WaS sehen wir an ihm, das einen innern Geist »Der seinen Körper regt, auch nur vermuthen heißt?" »Gemach! ein rascher Schluß kann leicht uns hintergehen; »Wie wenig ist'S, was wir an einem Sterne sehen? »DaS Käferchen, das dort um goldne Blumen schleicht, »Täuscht auf dieselbe Art ihr schimmernd Licht vielleicht; »Wer weiß es, ob sie nicht in seinem winzig kleinen »Prismat'schen Augenglas ihm Sternenbilder scheinen? »Und jenes Reichen, das im Blut des Aales schwimmt »Und dem geschirst'stm Blick raum als ein Pünktchen glimmt, »Vermuthet eS, die Welt, die es als Herr durchstreichet, »Sey auch em lebend Thier, das ihm an Bildung gleichet ?‘ Ein Keppler, ein Cassin merkt an der Sterne Bahn DaS Regelmäßigste von ihrem Umlauf «r, Unzähl'ge Aendrungen sind ihm vielleicht verstecket. Die aus der Nachbarschaft ein Hellers Aug entdecket. Sie wachsen wie ein Thier (die Erde lehrt uns dieß), DaS Alter zehrt sie aus, auch ist ihr Tod gewiß; Durch ihn wird ihre Seel' auf neuen Grad erhoben. So, Schöpfer, könne» dich die Morgensterne loben! Nun, Muse, lehr' unö auch, was für Verschiedenheit, Die Geister aller Art in zwei Geschlechter, scheid't. Richt nur der Zweck allein, der, ihre Art zu mehren.

97 Das eine zeugen heißt, daS andere gebären, Macht diesen Unterschied; nein, tief im Innern liegt .Was durch die Trennung selbst sie mehr zusammen fügt/ Wir, die der Leib verführt «ns selber zu mißkennen. Wir, die den Geist (uns selbst) als stemde von uns trennen, Sind durch zwei Kräfte reg, die so geartet sind. Daß diese dann erst blüht, wenn jene welkt und schwind't. Die eine fühlt den Leib, und waö durch alle Sinnen Zu ihrem innern Sitz für Bilder denkbar rinnen; Mit unsichtbarer Kunst stellt sie, nach manchem Jahr, Ein einst gesehnes Bild mit frischen Zügen dar; Ein unerschöpfter Schatz von geist'gen Schildereien, Die ihr Natur und Kunst aus tausend Quellen leihen. Liegt schimmernd vor ihr da, und sie zertrennt und bind't. Vermischt und ändert sie, wie sie es gut befind't. Sie nimmt den Eindruck an, der ihre Sinne reget. Sie liebt, sie hofft, und wird dem Leibe gleich beweget. Wiewohl nach Geister Art. Der Zug, der unsre Brust Zu holden Schönen dringt, und die Begier zu Lust Entsteht ans ihrem Schooß; sie ist's die sich vergnüget. Wenn das gesehnte Glück in unsern Armen lieget. Ganz anders wirkt in uns der forschende Verstand, Mit dialekt'scher Kunst löst er der Dinge Band; Er nimmt den Bildern ab, was sie dem Sinne kleidet Und sieht scharfblickend nur was jedes unterscheidet: -In unsre innre Welt bringt Ordnung er und Licht, .Siehr ungetäuscht dem Wahn ins lügende Gesicht, .Macht Klugheit und Gebühr zu unsrer Triebe Hütern, .Und lenkt den Willen nur zu wesentlichen Gütern.' Zwar schlingt ein zartes Band sich beiden Kräften um, Und wenn die eine schweigt, ist auch die andre stumm; '•IvielrtH?, fainnitl. 'Ivnlc. XXV. 7

98 Ein glänzender Verstand vermag auch schin zu denken. Und bloß aufS Blenden wird kein schöner Geist sich schränken; Doch Eine herrschet stets und schwächt der andern Macht, So wie bei vollem Mond in unbewölkter Rächt Der andern Sterne Heer mit blasserm Lichte funkelt. Und ihrer Nymphen Reiz DianenS Glanz verdunkelt. Wer hört dein Heldenlied, unsterblicher Virgil, Hört deiner Dido Schmerz, und schmilzt nicht in Gefühl? Die Seelen stehen dir zu jedem Eindruck offen. Bereit, wie du befiehlst, zu fürchten und zu hoffen; Wenn Nisus, halb entseelt, durch seinen Kuß die Flucht Der Seele seines Freunds noch aufzuhalten sucht. Den letzten Hauch empfängt auö dem geliebten Munde, Dann, hingestreckt auf ihn, aus hundertfacher Wunde Sein eignes Leben strömt, wer wünscht, indem er weint. Nicht, selbst um diesen Preis, fich einen solchen Freund? So hauchet, durch die Kunst, die Zauberkunst der Musen, Der fühlende Poet in seiner Hörer Busen Welch eine Seel' er will, — indeß ein Archimed Mit faltenvoller Stirn in seinen Cirkeln steht. Und ungerührt von dem, was weiche Seelen reget, Den Lauf der Sphären mißt, der Körper Kräfte wäget. Sv macht dort zarter Sinn, hier herrschender Verstand Die zwei Geschlechter uns im Gcisterreich bekannt. Das anmuthsvolle Volk, gemacht uns zu beglücken. Empfing ein fühlend Herz, gleich fähig zu entzücken Und selbst entzückt zu seyn. Des Mädchens junge Brust Fühlt ungelehrt den Reiz der zugedachte» Lust. Sie fühlen zärtlicher, weil alle ihre Sinnen, Empfindlicher gebaut, von feinern Geistern rinnen. Die muntre Phantasie nimmt, weichem Wachse gleich.

99 Die Bilder lebhaft an; ihr holdes Herz ist reich An sanstern Wallungen, und frei von den Gewittern Der wilden Leidenschaft, die unsre Brust erschüttern: So wie bei heitrer Lust sich die zufriedne See Vom stillen Zephyr bläht, es wallt die blaue Höh' In immer gleichem Trieb, und locket die Najaden Um Amphitriten sich, mit stillem Spiel, zu baden. Des Geistes Zärtlichkeit, gebild't uns zu erfreu'«. Drückt auch dem schinen Leib sein holdes Wesen ein. Wie reizend ist er nicht? Wen muß er nicht entzücken? Wie lad't der Mund zum Kuß, wie strahlt aus ihren Blicken Die sanfte Liebe aus, und legt uns Ketten an. Die ohne Schande selbst der Weise tragen kann! O Thoren! die ihr uns die Liebe fliehen lehret. Wißt, daß ihr der Natur nicht ohne Strafe wehret; Sie schafft die Lieb' in uns, sie läßt die Schönen blühn. Und rächt den frechen Stolz, an allen, die sie fliehn. Doch nicht nur Paphia gesellt sich unsern Schönen, Der lorberreiche Pind schallt selbst von ihren Tinen: Hier irrt noch Sappho's Lied, so süß stimmt nicht der Schwan An Strymons grünem Rand sein frohes Sterblied an; Sie sieht Germanien und unsrer Zeit zu Ehren, Geistreiche Karschin, dich, der Musen Zahl vermehren; Durch eine Schöne füllt Colombo's Ruhm die Welt Und Rowens englisch Lied ertönt im Sternenfeld. *°) Ihr Schönen, ehrt den Werth, den die Natur euch schenkte. Erkennt den Reiz, den sie in eure Seelen senkte! Zürnt, daß des Vorurtheils und der Gewohnheit Macht Euch um den schönsten Theil von euerm Schmuck gebracht! Zm zarten Keim erstickt, noch eh' sie aufgegangen. Der Seele Fruchtbarkeit; die Sorge für die Wangen

100 Verdrängt den edlem Wunsch auch sittlich schön zu seyn. Und ach! so flößet ihr nichts als Begierden eia! Ein Lvutvu, ") ein Amant, ein Stutzerchen, zum Scherzen Kaum gut genug — wie klein denkt ihr von euer» Herzen, Wenn solch ein Tand sie füllt! Der bleibe stets entehrt. Der euch, ihr Schönen, einst des Fächers Kunst gelehrt; Der euch dem jungen Herrn, der ohne Seele lachet. Dem stolzen Federhut und Westen hold gemachet. Der einem schönen Kopf, voll Puder, leer an Geist, Mit Blicken voll Gefilhl die Augen folgen heißt, Worin der Himmel uns sich scheinet aufzuklären. Wenn sie Za>rens Kampf mit edeln Thränen ehren. Wie sehr bedauern wir Lucindens schönen Mund, Durch den sie Suada schien, eh' er uns selbst gestund Wie sehr wir uns geirrt; der sie Cytheren gleichte, Bis er, sobald er sprach, die Grazien verscheuchte; Den Mund, der, wenn ihn Geist und seiner Scherz bewegt. Entzückte Weisen selbst zu euern Füßen legt. Dieß ist der Unterschied, nach welchem jede Classen Der Wesen sich in zwei Geschlechter theilen lassen. Das, wo die obre Kraft die Seelen stärker macht. Das keine Arbeit scheut und der Gefahren lacht. Mit Schmerz und Blut und Tod ein tönend Nichts erringet. Mit tieferm Sinne denkt, und in die Wahrheit dringet; Dieß hat Deukalion, wenn nicht die Sage trügt. Mit schöpferischem Wurf aus hartem Stein gefügt; Die andre hat ein Gott aus weicherm Ton gebauet. Und dem anmuth'gern Leib ein zärter Herz vertrauet; Sie lieben daS Gefühl, und ihre weiche Brust Ist auch empfindlicher, zu falsch - und wahrer Lust. Zwar nahet die Natur oft Geist und Leib der Schönen

101 Der Männer rauhrer Art unb Mavors wilden Söhnen; So wie ein Lydier oft fein Geschlechte schmäht. Und im schwatzhaften Chor die Spindel weibisch dreht. Wie streut Camilla dort, wohin ihr Muth sich dränget, Furcht, Schrecken, Flucht und Tod? Ein schwerer Köcher hänget Den braunen Schultern an, ihr gelbes Haar fliegt wild. Und die gedrückte Brust beschützt ein goldner Schild. Sie folgt Dianen nach, von Liebe »»besieget; Don Wald und Jagd allein «nd wildem Streit vergnüget; Und doch verläßt sie nicht die angeborne Art; Sie, die ihr Heldenherz vor Amors Macht verwahrt. Entgeht nicht der Begier (ihr Tod muß sie bezahlen). Der weibische» Begier in Chloreus Raub zu strahlen, Sein Köcher lockt sie an, fein tyrifches Gewand, Und der beschuppte Leib reizt Aug' und Wunsch und Hand: Und mitten in dem Sieg, den ihre Waffen geben. Beschließt sie, als ein Weib, ihr heldengleiches Leben. *2)

Inhalt -es fünften Auchs.

Erklärung der hauptsächlichsten Erscheinungen der Kirperivelt. Die Form der Dinge ist so mannichfaltig, als die Ge­ sichtspunkte, woraus sie gesehen werden. Die Größe, der Raum, die Zeit, die Qualitäten der Körper u. f. f. sind bloß relative Dinge. Jnwieferne die Sinnen uns hintergehen. Widerlegung der Skeptiker. Die Welt ändert immerfort ihre Gestalt; das Künftige liegt in dem Gegenwärtigen eingehüllt; alle Veränderungen sind nichts anders als Entwicklungen, wo­ von der Grund in der stufenweise» Veränderung und Ver­ wandlung liegt, welche mit den Elementen vorgehet. Die geistigen Wesen erheben sich aus einer Gattung in die andre. Erklärung des Urspnmgs der vegetablen und animalische« Körper, mittelst dieser Hypothese. Die Geister und Naturae plasticac, welche von einigen zu Bildung der Körper gebraucht worden, werden dieses Amtes entsetzt. Es ist kein Tod in der Natur; der Tod ist die Geburt eines neuen Zustandes. Die großen Weltkörper sind eben so wie die kleinern diesem

104 Lode unterworfen. Gemälde eines Kometen, der als ein brennender Planet betrachtet wird, — eine durch ihn ver­ ursachte Sünbfluth. Der Ursprung unsers Erdbodens nach Whistons Hypothese.

Fünftes Buch.

Wie Phidias den Stein, der Paros Spitzen weißt. Den ungeformten Stein, zur Venus werden heißt. Der Stoff liegt vor ihm da, und wartet auf das Leben, Das, mit DädaLscher Hand, der Künstler ihm wird geben ; Er aber baut aus ihm das schönste Meisterstück, Die ganze Göttin strahlt aus ihres Bildes Blick: So gab der höchste Geist, der Schöpfer aller Wetten, Dem All die beste Form: es floh vor seinem Schelten Das Chaos schüchtern hin, er streute seinen Schein Und Ordnung und Verstand dem Stoff der Dinge em. Welch eine Schönheit glänzt in allen seinen Reichen? Wie weislich weiß er sie zu Einem Zweck zu gleichen? Wie find't ein tiefer Blick selbst in der Dämmerung, Die unsre Augm schwärzt, Stoff zur Bewundemng! Wie strahlt die Creatur vom mitgetheilten Lichte, Wie schmückt der Schatten sie vom göttlichen Gesichte, Wie malt, was, ohne ihn, dem Nichts sein Hoffen gab. So prächtig einen Gott in hellen Spiegeln ab! Du, die du selber mich dem Pindus zugeführet. Wo des Askräers Lied den heil'gen Hain noch rühret, O Muse, zeige mir die Form der ew'gen Welt, Und was für ein Gesetz sie ewig drtnn erhält.

106 Was zwingt die Körper stets in fließende Gestalten, Die wandelnd, wie die Zeit, nie ihren Ort behalten? Was düngt die Erde stets mit ihrer Kinder Staub? Wodurch wird unser Leib verhaßter Würmer Raub? 3« welch ein Wunder heißt selbst irdische Planeten, Auf unbekannter Bahn, in dunkler Glut erröthen? Dieß, Göttin, lehre mich, und leite meinen Sinn, Der deinem Antrieb folgt, zum Quell der Wahrheit in. Dieß gränzenlose All von Welten und von Zeiten, Der volle Inbegriff umleibter Geistigkeiten, Malt sich in jeder Art int ideal'schen Reich Mit andern Farben ab, ist nie sich selber gleich. So viele Wesen sich mit andern Sinnen schmücken. Und Leiber andrer Art die volle Erde drücken; So viele Gattungen, in ungemeff'ner Bahn, Durch tausend Himmel sich der Gottheit ewig nahn: So vielfach ist die Art, wie bloß uns zu vergnügen (Wohlthätiger Betrug!) die Sinnen unS betrügen; So vielfach ist in uns die ideal'sche Welt, Die, wie er sie erblickt, der Sinn für wirklich hält. Da doch, weit unter ihm, und über seinem Haupte, Der das als Welt umschifft, was er ein Sandkorn gtubte. Und diesen rothen Ball, den jener Erde nennt, Im himmlischen Gefild' für eine Blum' erkennt. Zwar liegt auch außer uns und in den Gegenständen, Die ihren Ausfluß uns durch offne Sinnen senden. Ein Theil des Grunds davon; doch die Beschaffenheit Des Leibes, welcher uns der Dinge Bilder leiht. Verändert ihren Druck; so wie vom lichten Wagen, Den durch die hohe Luft äther'sche Pferde tragen. Die Sonne gleiches Licht durch ihren Himmel sprüht.

107 Und, was ihr gleich sich naht, in gleichem Feuer glüht (Nimmt ihre Kraft gleich ab, wenn sie sich muß verbreiten. So wirket sie doch gleich aus allen ihren Seiten); Allein der Gegenstand, nicht gleich geschickt zum Schein, Saugt den geschenkten Glanz auf tausend Weisen ein. Und läßt den harten Strahl jetzt blau, jetzt golden funkeln, Jetzt, ganz verschluckt, den Stoff entfärben und verdunkeln. Dort flattert niedrer Staub um deinen Tritt im Gehn, Nein! Welten sind's, die sich zu deinen Füßen drehn; Der Cherub denkt wie du, wenn von Gott nahen Himmeln Er die Gestirne sieht im tiefen Aether wimmeln. Der Wurm, den in der Fluth ein Needham spielen sieht. Der, zwar unendlich klein, doch Ströme von sich sprüht. Ist in dem Tropfen Naß, der ihm ein Weltmeer dünket. Was uns ein Wallfisch ist, der ganze Seen trinket. Selbst in der Glieder Bau zeigt sich die Aehnlichkeit, Die Einfalt der Natur, der gleiche Unterscheid; Das kleinre Seegeschöpf, unsichtbare Tritonen, Und alle schreckt sein Grimm, die sein Gebiet bewohnen. Und so, wie Needhams Blick, durch zauberisches Glas, Ein solch kaum sichtbar Meer mit einem Sandkorn maß. So hält ein Dämon, der durch Iwischenwelten steiget. Wenn er sein leuchtend Haupt zu seinen Füßen neiget. Und ihn ein ähnlich Glück die Erde finden läßt. Der Menschen Sammelplatz für ein Ameisennest. Und du, zu dessen Lust oft ganze Länder weinen. Wie groß (erröthe nur!) wirst du ihm wohl erscheinen? So ist das Kleine nur nach großem Maßstab klein. Und Titan selbst wird dir was seine Stäubchen seyn. Wenn du sein weites Reich mit höher» Kreisen missest. In deren Tiefen du ihn. Erd' und dich vergissest.

108 Und wie der Raum, so ist der Folge Maß, die Zeit, Stets theilbar, und für uns, bis zur Unendlichkeit. Vergleiche deine Dau'r mit der Gestirne Leben, Bestimmt, die Himmelslust Aeonen durchzuschweben: Sie scheint ein Augenblick, der, ungebraucht, verschwind't; Doch wenn Orion selbst sein wartend Grab einst find't. Wird, gegen jene Sphär', die, Gott! dich in sich siehet. Er eine Rose seyn, die im Mittag verblühet. Das Eulchen, das, voll Lust, in der erwärmten Lust, Satt von geliebtem Licht, dem süßen Tode ruft, Sieht seinen Gott, die Sonn', nur einmal sich entfärben. Und freut sich mit dem Tag, den es verehrt, zu sterben; Ein Augenblick, der unS, von Wollust leer, entweicht. Ist ihm zur Lust ein Tag; sein kurzes Seyn verstreicht In steter Wirksamkeit, und die verlängt Secunden, Und gibt der Jahre Werth den wohlgebrauchten Stunden. Auf gleiche Weise ist der Schule Qualität Nicht was, das außer uns, in gleicher Form besteht. Was diesem bitter dünkt, wird andern lieblich schmecken. Und dich belustigt was, womit man mich kann schrecken. Vielleicht daß einen Wurm, der in der Rose kriecht, Ihr Glanz nicht roth bestrahlt. Wie viel entdeckt er nicht. Was wir verworren sehn? Wie wird ihr süßes Rauchen Ihn viel empfindlicher, als unsern Sinn, umhauchen? Die Glut, die uns zerstört, wird, gleich dem lauen West, Der Sonne Bürgern wehn, und Körpern von Asbest; Wie der, den Grönland schickt aus den polar'schen Gründen, Die holde Sonne haßt, und lechzt bei Abendwinden. So wandelt unser Leib, das Werkzeug zum Gefi'ihl, Des Gegenstands Gestalt, und Form ist Sinnenspiel. „Doch, da die Sinnen uns mir tausend Bildern triegen.

109 Die nur in uns, und nicht im Gegenstände, liegen, Ist nicht die Wissenschaft, die man auf sie gegründ't. Ein leeres Hirngespenst, daS vor der Wahrheit schwind't? Der uns so oft getäuscht, verdient wohl kein Vertrauen; Vielleicht, daß alles, was wir hören, stihlen, schauen. Ein Traum, ein Selbstbetrug, ein Spiel der Seele ist." Hört! wie ein SertuS sich im Zweifeln gar vergißt: Welch übereilter Schluß! Weil, wenn wir dunkel sehen. Uns, seinem Wesen nach, der Sinn muß hintergehen. So ist's ein bloßes Nichts, was er uns dargestellt! Wenn du, eh' noch der Tag die Felder aufgehellt. Wenn nur ein falbes Licht entfernte Berge malet. Und zitternd um das Haupt umwölkter Wipfel strahlet. Den Baum, der sich von fern mit hundert Armen zeigt. Für den Briareus *) hältst, der aus den Wolken steigt. Wirst du so thöricht seyn, und nichts zu sehn vermeinen. Weil dir die Dinge nicht, so wie sie sind, erscheinen? Weil ein geeckter Thurm dir rund von ferne scheint. Wird denn darum mit Recht sein Daseyn gar verneint? Der Sinn muß trügrisch seyn, der Stoff muß uns verführen. So lange wir in uns der Schöpfung Schranken spüren; Und dieß wirb ewig seyn. Nie wird die Nacht vergehn. Die unsern Mittag trübt; so deutlich wir auch sehn. Bleibt doch die Dämmerung, die einen Theil umfließet. Indem der andre Theil des Lichtes Gunst genießet. Und eben dieser Grad, der uns in Classen scheid't (Weil den mehr Klarheit stillt, der mehr Verfinstrung leid't. Weil jede Art die Welt mit andern Augen fasset. Und der oft liebt und sucht, was jener schmäht und hasset), Jst's, was den Trug des Stoffs und unsrer Sinne mehrt. Doch, ward uns nicht ein Geist, der uns die Wahrheit lehrt

110 (Und der, dem jetzo noch sein Licht nicht aufgegangen. Wird, wenn die Zeit ihm ruft, in gleichem Schimmer prangen). Ein Geist, der Stoff und Bild von seinem Kleid entbl-ßt. Und, was zufällig ist, vom Wesentlichen lös't; Dem kömmt der Ausspruch zu, der soll den Willen lenken. Und ost, durch seine Macht, verblend'te Triebe kränken. Indeß, weil doch der Sinn in ungetreuem Licht Die Welt uns zeigt, und oft der Wahrheit Strahlen bricht. So komm, und öffne uns, so weit dein Blick kann dringen, Selbstleuchtende Vernunft, das Herz von allen Dingen. Zeig' uns die wahre Fonn der geistervollen Welt, Und führ' den sichern Blick auf ein entwölktes Feld; Laß ihn den innern Grund von den Gestalten sehen. Womit uns, mir zum Theil, die Sinne hintergehen. Die Welt fließt ohne End' in neue Formen ein; Kein Zeitpunkt sieht sie gleich. Selbst Sonnen, deren Schein Uns jetzt den Tag gewährt und die die Nacht durchglänzcn. Fand eine ältre Zeit noch nicht in diesen Gränzen. Ein alter Himmel wich, da noch umwölkt und schwach Ihr kaum geborneS Licht aus seiner Rinde brach: Und, o wie lang währt's wohl, daß sie noch strahlend blühen. So werden sie, erblaßt, vor neuen Himmeln fliehen! Die Erde, die uns zeugt und nicht behalten wird. Hat kaum sechstausend Jahr' der Sonne Reich geziert; Vielleicht, daß sie vorher ein andrer Wirbel kannte. Wo sie in eignem Licht sür andre Erden brannte: Jetzt aber nährt sie uns, und gibt uns unser Kleid, Das sie bald wieder nimmt und vor die Würmer streut. Die Blumen, denen sie noch kaum ihr schönes Leben Aus Zephyrs fruchtbar'« Mund zu unsrer Lust gegeben Frißt sie bald wieder auf, und wird von Kindern satt,

111 Die sie dem Frühling kaum vom Thau geboren hat. Das Wasser, welches kaum durch den beblümten Rasen Sich wand, dampft in die Luft und wird zu leichten Blasen; Beweget durch den West, schwebt der verdünnte Dust Wie seidenes Gespinnst in der gewölbten Luft. Bald aber fängt Aeol von Süden an zu stürmen. Man sieht sich in der Luft gespannte Wogen thürmen. Ein schweres Grau scheint uns den Himmel selbst zu nahn. Der endlich gar zerfließt, und gießt die Erde an; Ein himmlischer Firniß umfließt die frohen Malten, Die Pflanzen säugt der Thau, den sie geschwihet hatten. Und bald wird dicht und fest, was vor leicht theilbar floß. Aus faulen Thieren wächs't in Rheens fettem Schooß Die Kost der Lebenden, und wenn auch die verderben. So nährt die Folgezeit sich bloß von ihrem Sterben. Wo ist die Ursach' doch von diesem Unbestand, Dem schönen Unbestand, der ewig das Gewand Der Körperwelt verkehrt; der, wo kaum Meere flössen. Ein rauchendes Gebirg läßt aus den Wellen stoßen. Und für Bewohner schmückt, gibt Flüssen neuen Lauf, Häuft in gesnnkner Flur beschäumtc Fluten auf. Und lässet aus dem Rest von halbverbrannten Erden, Die lang die Welt geschreckt, verschönte Monde werden: Wie Phönir aus dem Brand, der noch von Myrrhen fließt. Mit neuen Schwingen steigt, und seine Gottheit grüßt. Zm Mark des Stoffs allein kann man die Ursach' lesen. Ist nicht die ganze Welt ein All von geist'gen Wesen, Die uns ihr Lkib verhüllt und die ihr innrer Stand Zn tausend Formen schränkt, weil sie der Ordnung Hand An ähnliche gereiht? Ist in äther'schen Reichen Ein Stern nicht selbst ein Thier, das einst der Tod wird bleichen?

112 Hier liegt der stille Grund, den, ganz im Stoff versteckt. Der forschende Verstand, durch manchen Schluß entdeckt! Die geist'gen Wesen sind's, die ewig sich erhöhen. Sie sind's, aus deren Lauf die Aendrungen entstehen. Wovon die Rede ist; ihr Leib, der Seele Kleid, Entwickelt, wandelt sich, wie sie, von Zeit zu Zeit. Die Liebe, die uns schuf, in deren Schooß wir leben, Gab jedem Geist die Kraft sich steigend zu erheben. Nicht jedem gönnt sein Glück der Engel Trefflichkeit; Wo, was nur möglich ist, die Wirklichkeit erfreut, Wird auch kein Wurm vermißt. Doch aus geringerm Leben In einen höhern Stand sich stufenweis' zu heben. Hiezu trägt jeder Geist die Kraft in seinem Schooß, Und- stets ist die Begier für seinen Stand zu groß. Es zeigt die Energie der Triebe, die ihn regen. Daß Ewigkeiten sie zu stillen nur vermögen. Doch wie entschwinget sich der Seelen reger Fleiß, Dem für ihr sehnend Herz noch zu umschränkten Kreis? In allen Wesen, die ihr eignes Seyn empfinden, Sind von zweifacher Kraft die Wirkungen zu finden. Die eine nimmt vom Leib fühlbare Bilder an. Und stellt sie so sich vor, wie sie den Sinnen nahn; Die andre fühlt dabei, sie liebt, was sie vergnüget. Und hasset das Phantom, das ihren Wunsch betrüget. So schwach ist nie ein Geist, daß er nicht Bilder hegt. Und beim Empfinden sich nach ihrem Druck bewegt. Von Lieb' und Abscheu liegt die Spur in allen Herzen, Sie öffnen sich der Lust, und scheuen sich vor Schmerzen. Mit dieser Kraft sieht sich, was geistig ist, geschmückt. Der Unterschied wird bloß in ihrer Form erblickt. Wer mehr Ideen faßt, lebendiger empfindet.

113 Die Theile besser scheid't, sein Wissen tiefer gründet. Wer schöner denkt und fühlt, von ediern Trieben glüht. Mit stärkerm Flügelschwung aus seinen Schranken flieht. Der überstrahlt das Heer der trägeren Substanzen, So wie der Iris Pracht den Pöbel falscher Pflanzen. Auch liegt in jedem Geist die.ungleich starke Macht, Ein sich verdunkelnd 48ild, das wir einmal gedacht. Wenn uns ein ähnlich's rührt, aufs neue zu genießen. Dieß dient des Geistes Bahn erweiternd aufzuschließen. Und wenn sich nach und nach der Bilder Menge mehrt. Wird auch die Hauptidee lebhafter aufgeklärt. Die wachsende Begier beflügelt jetzt die Kräfte, Und macht sie wirksamer zum geistigen Geschäfte; Die Seele dehnt sich aus, sie blühet auf, und weicht Zu einer höher» Art, die ihr an Schönheit gleicht. So wie ein Rosenknvpf, vom Morgenroth bethaut, Den süßen Nektar trinkt, der durch die äußre Haut SiSo drängen viele sich, mit ungleich saurer Müh', Zur Kunst beglückt zu seyn, und keiner findet sie.

187 Wie, daß der Mensch so sehr in seinem Hauptzweck fehlet. Was nützlich ist verkennt, und selbst sein Unglück wählet? Hat der Verstand nicht Schuld, wenn unser Herz sich quält? Der ächten Wonne Bild ist's, was den meisten fehlt; So lange wir den Werth des wahren Guts nicht schätzen. Reizt seine Larv' uns an, dem falschen nachzusetzen. »Indessen wollen wir, um nicht zu weit zu gehn, »Auch einem Aristipp, was recht ist, eingesteyn, ,Und keine falsche Scham wehr' uns, ihm nachzusagen, ,Daß mit dem höchsten Gut auch kleinre sich vertragen, ,Und daß (ist gleich der Thor für diese Wahrheit blind) ,Nur der sie recht genießt, dem sie entbehrlich sind/ O Weisheit, lehre mich mit wohlgewählten Bildern, Das allergrößte Glück, das Glück des Weisen, schildern. Dem, zu der innern Ruh', die nie der Tugend fehlt, Auch äußre Güter noch sein Schicksal zugezählt! Zwar kenn' ich nicht den Mann, den solch ein Stern uns schickte. Den, bei der Thoren Glück, nicht auch ihr Elend drückte; Der in der Weisheit Arm, auf ihrer Tochter Schoß, Ein irdisch Paradies, em lautres Glück, genoß; Der nie gezwungen war die Großen anzuflehen. Des Lasters Ball zu seyn, und Thoren nachzustehen. Mit Hülfe der Vernunft schafft meine Phantasie Sich einen Glücklichen; das Urbild lebte nie. Wao Sophroniekus Sohn und Seneca besaßen, ") Soll mein Gemälde dir in Einem sehen lassen; DaS Glück verschwendet nicht, wenn es den Weisen ehrt. Dieß hat Laertius und Suidas mich gelehrt. 4) Doch borgte Zeuris nicht zum Bilde von Helenen Verschiedner Theile Zier auch von verschiednen Schönen? Sein Pinsel stahl von der des Mundes Anmuth ab.

188 Wenn die, der Augen Glanz, die, Stirn' und Wangen gab; Was die Natur vertheilt, um nicht zu reich zu scheinen. Das wußte seine Kunst in Einem zu vereine n Und so entstand sein Stolz, die Venus von Kroton; Den Weisen malte so Chrysipp und Posidon. *) So, Freundin, will ich drr den Glücklichen gestalten; Mag dann, wer will, sein Glück an diesen Maßstab halten! Fern von der Fürsten Hof schließt ein zufriedner Hain, Sein väterliches Gut, den weisen Kleon ein. Dem Neid, der Schmeichelei (den Geißeln aller Großen), Der Sucht nach höherm Glück, dem Geiz nach Ruhm verschlossen. Genießt er, ungestört, in süßer Einsamkeit, Das Lauterste der Lust, die uns die Erde beut. Sein stets zufriednes Herz ist allen Freuden offen. Bebt vor der Zukunft nicht, wallt nicht von eitlem Hoffen, Und dankt dem Himmel das, was ihm genugsam ist. Weil auch ein Theil davon auf seine Brüder fließt. Sein Haus zeigt zwar kein Gold, noch Persische Tapeten, Doch darf die Reinlichkeit beim Eintritt nicht erröthen. Er plündert nicht Korinth, sein Dach ist nicht vergold't. Ihm hat Numidien den Marmor nicht gezollt. Und kein Silanion das Vorhaus ausgezieret; '■) Des Besten Wahl wird hier im Nöthigen verspüret. Ein richtiger Geschmack, der wahre Schönheit schätzt. Nicht den Vulcan ins Meer, Neptun ins Trockne setzt (Wie Hagedorns Fatill), 7) gibt den bescheidnen Zimmern Zwar keine fremde Kunst und kein ermüdend Schimmern, Doch Anmuth, die gefällt. Sein Bücherfaal stellt zwar Kein Chaos ohne Form von allen Schriften dar. Die, zu der Motten Lust, Pansoph in Schränke schließet: Doch wird hier kein Homer, kein Sophokles vermisset.

189 Er braucht was er besitzt. Ihn lehret Tullius, Roms Karnead, wie man vernünftig zweifeln muß.6) Des besten Weisen Bild entwirft mit Meisterzügen Ihm Xenophon, gleich groß im Schreiben und im Siegen. Er sieht im Theophrast die Thoren seiner Jeit, Hält sie an Neuere, und lacht der Aehnlichkeit. Er steigt an Platons Hand zum Urbild der Ideen; Und wenn sein blödes Aug' sich müd' und stumpf gesehen. Lockt ihn ein Theokrit zur Hirtenlust zurück. Bald macht ihn Seneca zum Meister vom Geschick. Er sieht im Livius den Wuchs geringer Staaten, Als sie die Väter noch vom Land aufs Rathhaus baten. Will er in seiner Brust der Tugend Reiz erhöhn, So läßt ihm sein Plutarch der Helden Bilder sehn. Wovon die Züge noch an edeln Seelen haften. Dann führt ein Bacon ihn durchs Feld der Wissenschaften, Und stürzt die Götzen um, wovor die halbe Welt, Jur Schande der Vernunft, abgöttisch niederfällt. Auch folget er erstaunt dem Solon der Planeten,) S. 195. Anspielung aus die berühmten Bücher de Consolatione Philosoph iae, welche Voethius, Magister Palatii et officiorum unter dem Gothischen König Theodorich, im Gefängniß schrieb, worin ihn dieser durch falsche Beschuldigungen Hintergangene Fürst einige Jahre schmachten und enthaupten ließ. 5) S. 195. Ein Liebling des Anakreon. -) S. 19K. Gleichfalls ein Jüngling von Samos, dessen Gemälde Anakreon in der 29ften Ode mit Meisterzügen entwirft. 5) S. 196. KrateS und Hipparchia* sind durch Wieland selbst hin,länglich bekannt worden.

6) S. 196. Vias, einer der sogenannten sieben Weisen Griechen­ lands, der weise politische Rathgeber der Ionier, zeigte durch seinen be­ rühmten Denkspruch: ich trage alle meine Schätze bei mir! seine An­ erkennung eines besseren Eigenthums als äußere Güter sind. 7) S. 197. Siehe den 19. Brief deö 7. DuchS der Briefe des Plinius. Wie rühmlich ist es dieser Fannia, von einem PliniuS so sehr verehrt worden zu seyn! Aber wie groß wird Plinius selbst in unsern Augen, da er uns den Charakter seiner Freundin so vortrefflich schildert! „Welche Keuschheit! (ruft er mit Entzückung von ihr auS) welche Redlichkeit! welche Klugheit! welche Großmuth! — Und wie an­ genehm , wie leutselig war sie zugleich! Wie wenigen ist es gegeben, wie Fannia, eben so verehrungöwerth als liebenswürdig zu seyn! O gewiß, sie wird ein Beispiel unsrer Frauen bleiben; sie wird uns Män­ nern selbst ein Muster deS Heldenmuths seyn, da wir sie noch in ihrem Leben so sehr bewundern, als jene Heldinnen, deren Vortrefflichkeit unS die Geschichte lesen läßt." 8) S. 197. Der Name Stentors, der seine Verewigung der Gewalt seiner Lungen verdankt, ist hier Gottschedcn gegeben, der damals mit den Schweizer-Kritikern, namentlich mit Bodmer, in beständiger

Fehde lebte. Wieland, sämmtl. Werke.

XXV.

26

408 9) S. iss.

Akte, eine Sklavin, in welche Nero, nach dem De,'

richt de- Sueton und TacituS, so unsinnig verliebt war, daß er sie helrathen wollte, und deßwegen etliche gewesene Consul- zwang, zu schwö­ ren, daß sie von königlichem Geblüt sey.

9. Brief. 1) S. 200.

Ehe die Ansichten deß Weltmanns und die Neigungen

deß WeltlingS in unS entstehen und unS bereden.

Streben nach reiner

Tugend sey chimärisch.

2) S. 200.

S. Anm. 2.

zu

Nachdem die alte classische

Dr. 7.

Literatur im neueren Europa wieder auflebte,

von

erstarb

selbst jener

scholastische Wust, der allerdings für den gesunden Menschenverstand und

den Geschmack gleich verderblich war.

3) S. 201. der

Kircher, f» Anm. 6, zu Dr. 2. — Cassini, einer

berühmtesten Astronomen

deS

i?ten Jahrhunderts,

Wissenschaft wichtige Entdeckungen verdankt.

Sohn gemeint (C-sar FranxoiS),

welchem

feine

Vielleicht ist aber hier der

dessen berühmte Vermessungen Frank­

reichs in die Zeit dieser Briefe fallen. — Hermann Conrtng,

ein

großer Polyhistor deS I7ten Jahrhundert-, soll seiner Braut überlassen haben, in welcher Facultät er zum Doctor promoviren solle. Erst Pro­ fessor der Philosophie zu Helmstadt, dann Leibarzt der Königin Christine

von Schweden, wurde er häufig auch in Staatsangelegenheiten gebraucht, und hat sich durch philologische,

historische, literarische und publieistische

Schriften einen Namen erworben. 4) S. 201. Bezieht sich auf Pindar, der den Hieron über die Ge­

bühr lobte,

s. Anm. 9. zu Dr. 2., gelegentlich aber den Preis der —

Maulesel fang.

5) S. 201.

Dergl. Anm. 3. zu Dr. 5.

6) S. 202.

Um der

willen

wurde

Schönheit

und

Anmuth

seiner Schreibart

renophon von Dichtern seiner Zeit die Attische Muse

genannt. 7) S. 202.

So hieß die vornehmste

von dm verschiedenen Schilderelen,

öffentliche Galerie in Athen,

womit sie von den großen Meistern

PolygnotuS, PandämuS, Mykon, auSgezieret war. Sie stellten meistens die Thaten deS TheseuS und einiger berühmten Athenienfer vor, wie

PausankaS in ^ttieir weitläufig erzählt.

403 8) S. 202.

Eine

berühmte und

an großen Mannern fruchtbare

Familie unter den Römischen Patriciern. —

Der Dichter hat hierbei an

Zuvenal gedacht, Sai. s. zu Anfang. 9) S. 202. CorvinuS und Corvu - (dex Rabe), war ein Beiname deS Dälerlschen Geschlecht-, welchen Marc. Valeriu- Maxinru-,

bei der Gelegenheit,

al-

rettete, zuerst erhielt.

10) S. 202.

er

sein Vaterland

vom Einfalle

der Gallier

Warum? darüber s. Liv. 7, 20.

Anaragora -

und

Archelao -,

beide

welche

SokrateS in seiner früheren Zeit hörte, werden zu den Ionischen Natur­ philosophen gerechnet, mit denen jedoch eine neue Epoche beginnt. Anaragoras war der Erste, welcher die Einheit elneö außerordentlichen Got­

te-

behauptete,

eigentliche Stifter der Religion

der

Spuren davon findet man auch bei Archelaoü,

der

und

wurde.

Vernunft

dadurch

der

jedoch den Ursprung von Recht und Unrecht

noch

in der pofitlven Ge­

setzgebung aufsuchte, von welcher Vorstellung sich vielleicht auch Sokrare-

nie ganz freigemacht hat. 11) S. 203 Die Seherin Dlotima und die Theorie der höheren die ihr Platon in den Mund legt, sind au- dessen Gastmahl

Liebe,

bekannt.

12) S. 204. nen

Lobe

Wie Wieland späterhin von dem eben so übertriebe­

de- Sokrates

als

dem

übertriebenen Tadel

der

Sophisten

zurückkam, zeigen am besten die Briefe Aristippö und der Laiö. — Der Sophist

GorgiaS

von

einer

ist

den Anklägern

dort

ebenfalls

geschildert. —

deS SokrateS,

MelitoS war

und steht hier statt jede- Ur­

hebers von Chicanen.

1'0 S. 20». dung,

daß

bei

Man stand

damals

in Griechenland

den Aegyptischen Priestern

in der Einbil­

tiefe Geheimnisse

der

Welt

verborgen lägen, deren Ruf den Anaxagora-, DemokrituS, ja sogar den

Plato, dessen WiffenSdurst die reine Lebensweisheit seine- großen Meister­ nicht zu stillen vermochte, nach MemphiS und SaiS zog.

14) S. 204.

DemokrituS.

15) S. 204. Ein üppiger Athenischer Jüngling, an welchem Tenor krareS, Agathenor- Sohn, ein ädft Sokrattscher Nachfolger Platon- in

der Akademie,

da-

berühmte Wunder von

einer plötzlichen Bekehrung

wirkte. Mit Rosen bekränzt, von Salben triefend, und in einer seinen losen Sitten gemäßen Kleidung, taumelte Polemon in die Schule de-

404 um

ehrwürdigen Alten,

seiner Ernsthaftigkeit

-u spotten.

TenokrateS

fing, sobald er ihn erblickte, von der Mäßigkeit zu reden an, und machte in kurzem den Jüngling so aufmerksam,

daß er seine Rosenkränze weg:

bald darauf seine Kleider zusammenzog,

twi',

deS XenokrateS begab,

sich unter die Lehrlinge

und von Stund' an ein so eifriger Schüler der

WelSbeit und Tugend wurde,

daß

er

seinem Lehrer in

der Akademie

folgen konnte.

16) S. 205. Socrales mihi videlur prixnus a rebus occullis et ab ipsa natura involulis, in quibus omnes ante eum Philosophi occupali fuerant, avocavbse philosophiam et ad vitam communem adduxisse, ut de virlutibus et vitiis quaereret etc. Cicero, Acad quaest. L. I. c. 4. 17) S. 205. Dieser höfische Philosoph antwortete einem, die LaiS vorrückte: LaiS besitzt mich nicht, ich besitze fie. 18) S. 205.

Bezieht

sich

auf daö,

waö

der ihm

der Epikuräer Deilejuü

(Cir. N. D. I. 11 ) von dem Gott deS ParmentdeS sagt, er sey eine Krone, ein ringö

umher brennender,

den. Fimmel

Lichtkreis. —

umgebender,

Alkmäon von Krotona scheint, nach derselben Stelle, eine ailgc:

meine Weltseele, besonders in den Gestirnen, alS Gottheit angenommen zu haben.

19) S. 206.

Unsere Seiten, welche mehrern fälschlich angeklagten

und verschreiten Alten Gerechtigkeit widerfahren lassen,

haben

auch die

bekannte Xanrippe unschuldiger befunden, alS man ehedem glaubte. , In­ zeigen unS Stellen auS dem Lenophon,

dessen

zärtlichsten

und

sanftmüthigsten Charakter

daß sie eben nicht den

gehabt;

denn SokrateS hei-

rathete sie, um sich an ihr in der Geduld und Menschenliebe zu üben. 20) S. 206.

Potidäa, sammt

SokrateS rettete, nach der unglücklichen Schlacht bei

seinen jungen verwundeten Freund AtcibiadeS,

seinen Waffen

mitten

durch

einen

feindlichen

indem er ibn Laufen

davon

trug.

S. 206.

ßen

In der Sammlung der Dildcr der Melden und gro­

Männer dcö Alterthums, welche Johann Angcluö Eänini gemacht,

und de EhevriereS ins Französische übersetzt zu Amsterdam 1751 heraus, gegeben har, ist ein JaspiS abgezeichnet, in welchen der Kopf deö Theä-

tetuS geschnitten ist,

der statt der Mütze eine Larve hat,

die

von

der

einen Seite einen Delphin, und von der andern den SokrateS vorstellet. Die «f'aarc deS Jünglings machen den Darr deS Alten auS, und die

405 Ähnlichkeit, welche der kable Kopf und die gebogene Nase dem SokrareS mit einem Delphin gibt, widerlegen die Gelehrten genugsam, welche diesen Weisen mit Gewalt verschönern wollen, die Augenzeugen Platon und -kenophon zuwider und.

ob ihnen gleich Auf diesen Steln,

wo TheätetuS, SokrateS und der Delphin alle drei einander ganz gleich sehen,

welcheü auch mit dem Zeugnisse der Alten übereinkommt, folgen

zwei andere, wo SokrateS und SilennS einander so ähnlich sind, alö ob ne Zwillinge waren.

22) S. 207.

Dieser

nen KritobuluS ist,

scherzhafte Streit

deö Weisen mit dem scho­

so wie ihn Lenophon in seinem Gastmahl erzählt,

eineS von den schönsten Beispielen von dem, waS die Attische Urbanität und

daö Attische Salz

genannt wurde,

so

uns auS diesen glücklichen

Zeiten übrig geblieben ist.

25) S. 207.

phaneö,

Schon

hier hat Wieland

sein Urtheil

in Vergleichung gegen die früheren Ausgaben,

späterhin schrieb er eine eigne Abhandlung darüber; noch daö in den Briefen AristippS darüber Gesagte.

•n) S. 208.

über Aristo-

sehr gemildert:

für besser hielt er

O.le XXVI.

10. Brief. 1) S. 209.

Dieser Indische Weise (Gymnosophist),

der

eine Zeit-,

lang in Alexanders Gefolge gewesen war, verbrannte sich selbst, um, wie die Griechen sagen, dem Hercules ähnlich zu werden.

2) S. 2io.

Diesen

Nymphen

wird hier die Gabe zu blenden nicht

deS

Mahommedischen

hyperbolischer Weise

Paradieses

zugeschricben;

denn ne haben (nach der Versicherung der Commentatoren deS KoranS) Augen, die so groß wie Hühnereier und von solchem Glanze stnd, daß

wenn sich eine von ihnen um Mitternacht auf Erden sehen ließe, ne so heile machen würde, als die Sonne am Mittag.

5) S. 2io. Man würde mich sehr unglücklich verstehen, wenn man meinte, ich rechne meinen Weisen unter die großen Männer deö Herrn DeSlandeS, die scherzend gestorben stnd.

Man muß ein SokrateS

oder TbomaS Moore seyn, um dem Tode so entgegen scherzen zu können,

daß die WeiSbeit Antheil daran hat.

406 %) S. 210. So nennt Homer die honigsüße Frucht, welche so sehr nach dem Geschmack der Gefährten de- Odysseus war, daß sie Zthaka

Odysi. 9, so.

darüber vergaßen.

für daS schönste Merk einer Stadt in Groß.-

5) S. 210. Die DenuS von Knidoö gilt deö Praxiteles. — Die Bürger von SybariS,

Griechenland, waren wegen ihrer ausnehmenden Weichlichkeit und Schwel.gerei in der alten Geschichte berüchtigt.

S.

6) S. 210.

Horat.

Od.

is.

L. II.

und

den 92. Dries deS

Seneca.

7) S. 210.

Contracta pisces aequora sentiunt Actis in al tum molibus; huc frequcns Caementa demittit redemlor, etc. Horat L. III. Od. I.

sDie Insel ParoS

war

wegen

ihres

vorzüglich weißen Marmorö

berühmt.^

s) S. 2ti.

Tigellinuö

war einer

nichtöwürdigsten

der

und

niederträchtigsten Lieblinge deS Ungeheuers Nero (Tacit. Hist. 1. 72.) — Philipp II, König von Spanien, ist von Schiller, Papst Gregor VII Hildebrand, von Johannes Müller in ein milderes Licht gestellt worden; doch laßt sich harte Grausamkeit nie rechtfertigen. 9) S. 212. Ni reu p an ist daö Paradies oder vielmehr die Seligkeit der Siamesen, worin die Seele so glücklich ist, gar nichts zu

empfinden noch zu begehren.

Foe,

dessen Meinungen durch ganz Jn-

dien auSgebreitet sind, verweiset auf eine eben so subtile und schläfrige

Seligkeit, welcher Epimenideö von Kreta sehr nahe gekommen seyn muß,

der in bat;

einer Höhle siebenundsunszig Jahre nach

wenn die,

nach St. PaulS Zeugniß,

einander fortgeschkafen

sehr unzuverlässigen Kreter,

die eS ihm nachsagen, nicht gelogen haben. 10) S. 212. So hießen einige freie Köpfe, chologischen Lehrsätze

deS Alexander

welche

von Aphrodisien und

sich die psydeS AverroeS

gefallen ließen, und sich im fünfzehnten Säculum in Italien so fürchrerlich machten, daß ihnen durch daö letzte Lateranische Concilium

Ein­

halt gethan werden mußte.

11» S. 212.

La Metrie, z. D.

12) S. 212.

Die

Nom bringen ließ.

Aegyptischen

Obelisken,

welche AugustuS nach

Einen davon hat Denedict XIV

auS dem Schutte

deS EampuS Martiuö hervorziehen und i7W wieder aufrichten lassen.

407 Sr.ilicel uxorem cum dote, fidemque et amicos

13) (£,. 215.

Et genus et sormam regina pecunia donat, Et bene hmnmatum decorant Suadela VcMusque.

Horat. Sat. I. L. I. Die Milchstraße war, nach der Meinung einiger phi­

it) S. 21».

losophischen Seelen, die Wohnung der seligen Abgeschiedenen. vita in

coelum cst,

et in hunc

E* vita,

coelum eorum qui jam vixerunt e

corpore laxati, illum incolunt locum, quem vides; erat autem is spien*

didissimus candore Inter flammas circus elucens, quem vor ut a Graii« accepistis, orbem lacteum nuncupatis etc.

15) S. 211.

Ein Jüngling,

den nach Lesung de- Gespräch- von

der Unsterblichkeit der Seelen, welche- Plato an- den letzten Reden deö Sokrateö verfaßte, eine so große Begierde nach dem zukünftigen Leben ergriff, daß er sich in- Meer stürzte, um ungesäumt zu einer so großen Glückseligkeit zu gelangen. sEine psychologische Erklärung hier­

von hat Wieland ebenfalls in den Briefen Arlstipp- versucht.)

Anti-Ovid. Ami-Ovid nannte Wieland

diese- Gedicht alt. Gegenstück zu dem

Gedicht LvidS über die Kunst zu lieben, welche- den Leserinnen wenig­ sten- in der Nachbildung Man so'- bekannt seyn kann, aber dann freilich nicht in seiner ursprünglichen Frivolität. „Dieß Lehrgedicht, sagt Ramdohr in seiner Urania, würde besser: Kunst zu verführen, heißen. Eö

enthalt

eine

Anleitung

ter römischen schrift,

ihre

arme

ohne Geld die Gunst

Wollüstlinge,

und für diese Hetären eine Vor­

Reize

Liebhaber geltend zu machen. —

Da- Herz wird kennt man

für

Hetären zu gewinnen, aus Kosten ihrer

nie dadurch gewonnen werden können.

den auögelernten

Wüstling."

Darum

will

In

allem er­

Wieland dieser

Kunst die wahre Art zu lieben entgegenstellen.

Erster Gesang. S. 221. Z. io. S. 221. ?. ist.

AedonS, der Sängerin, Nachtigall. Corinna ist eine von denen Schönen,

Reize und Genuß r7vid in seinen Liebeö.Clegien

vielfach geschildert

deren

hat.

408