Burkard Waldis: Esopus: 400 Fabeln und Erzählungen nach der Erstausgabe von 1548 9783110234541, 9783110254754, 9783110577846

With more than 22,000 verses, the Esopus of the former monk and protestant pastor Burkard Waldis is the most comprehensi

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German Pages 1082 [480] Year 2011

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1. Typen, Formen und Themen der ›Fabeln‹ von Waldis
2. Biographische Notizen zu Waldis
3. Die Vorlagen des Esopus
4. Die Drucke des Esopus im 16. Jahrhundert
5. Rezeption und Forschung
6. Zu dieser Ausgabe
2. Kommentar
3. Textkritik
1. Variantenverzeichnis
2. Drei Fabeln von 1543
3. Variantenverzeichnis zum Aesopus Dorpii
4. Register
1. Bibelstellen
2. Zitate aus antiken Schriften
3. Phraseologismen (Sprichwörter, Redensarten u. Ä.)
4. Fabelakteure
5. Namen und Orte
6. Motive
7. Moralia
8. Sachregister zum Stellenkommentar
9. Nummern der Bearbeitungsverzeichnisse
10. Aesopus Dorpii: Nummern, Titel, Konkordanz
5. Bibliographie
1. Texte und Editionen
2. Forschung und Nachschlagewerke
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Burkard Waldis: Esopus: 400 Fabeln und Erzählungen nach der Erstausgabe von 1548
 9783110234541, 9783110254754, 9783110577846

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Frühe Neuzeit Band 154

Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext Herausgegeben von Achim Aurnhammer, Wilhelm Kühlmann, Jan-Dirk Müller, Martin Mulsow und Friedrich Vollhardt

Burkard Waldis

Esopus 400 Fabeln und Erzählungen nach der Erstausgabe von 1548

Herausgegeben von Ludger Lieb, Jan Mohr und Herfried Vögel

Teil 2: Kommentar

De Gruyter

ISBN 978-3-11-023454-1 e-ISBN 978-3-11-025475-4 ISSN 0934-5531 Bibliogra¿sche Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliogra¿e; detaillierte bibliogra¿sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/ New York Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen f Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Zweiter Teil

Kommentar

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Typen, Formen und Themen der ›Fabeln‹ von Waldis . . . . . . . . . . . . Biographische Notizen zu Waldis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Vorlagen des Esopus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Drucke des Esopus im 16. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezeption und Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu dieser Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4 10 15 17 23 27

2. Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Textkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 1. Variantenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 2. Drei Fabeln von 1543 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 3. Variantenverzeichnis zum Aesopus Dorpii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393

4. Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zitate aus antiken Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phraseologismen (Sprichwörter, Redensarten u. Ä.) . . . . . . . . . . . . . Fabelakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namen und Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Moralia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister zum Stellenkommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nummern der Bearbeitungsverzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aesopus Dorpii: Nummern, Titel, Konkordanz . . . . . . . . . . . . . . . .

395 398 399 419 424 428 435 438 443 447

5. Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 1. Texte und Editionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 2. Forschung und Nachschlagewerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467

1. Einleitung Die umfangreichste deutschsprachige Fabelsammlung des 16. Jahrhunderts, eine Enzyklopädie europäischer Fabel- und Erzählstoffe, ein Zeugnis lustvollen Wiedererzählens und selbstbewussten Neuerfindens, ein Speicher allgemeiner Spruch- und individueller Lebensweisheit, eine Einlösung von Luthers Forderung nach einem gereinigten (und protestantischen) Äsop – all das kann man im Esopus des ehemaligen Franziskaners und protestantischen Pfarrers Burkard Waldis (um 1495–1556/1557) sehen. Mit 400 Fabeln und 22.909 Knittelversen übertrifft dieses 1548 erstmals erschienene Werk alle zuvor oder später im 16. Jahrhundert publizierten Fabelsammlungen an Umfang. Dieser beispiellosen Quantität des Esopus steht eine auffallende Schlichtheit der formalen Präsentation gegenüber: Keine der fünf bekannten Ausgaben des 16. Jahrhunderts ist mit Holzschnitten oder Bordüren geschmückt (Ausnahme ist jeweils der Titelholzschnitt), es gibt keine Marginalien, keine Prosa-Einschübe, keine lateinischen oder griechischen Zitate, keine Variationen im Satzspiegel. Geordnet in vier Büchern zu je 100 Fabeln folgt auf knapp 800 Druckseiten eine Nummer der anderen, und jede teilt sich in eine Überschrift, eine Erzählung (Narratio) und eine Deutung (Morale, Epimythion). Anders als dieser äußere Eindruck einer gewissen Eintönigkeit vermuten lässt, finden sich im Esopus viele Fabeln, die eigenständig, engagiert und humorvoll erzählt sind. Und es sind keineswegs nur versifizierte Tierfabeln,1 sondern fast zur Hälfte auch Texte, die den Gattungen Märe, Schwank, Anekdote oder Fazetie zuzuordnen sind. Die Einteilung in vier Bücher mit je 100 Fabeln dient seit der Erstausgabe von 1548 der Orientierung des Lesers.2 Das Titelblatt teilt darüber hinaus die 400 Fabeln noch in anderer Hinsicht ein: Der Esopus biete neben den ›äsopischen‹ auch ›hundert neue Fabeln‹. Tatsächlich sind die ersten 283 Fabeln (I 1 bis III 83), die wir im Folgenden als e r s t e n ( ä s o p i s c h e n ) Te i l bezeichnen, fast ausnahmslos der Reihe nach vorgenommene Übertragungen von lateinischen Prosafabeln aus dem Aesopus Dorpii in seiner um die Fabeln von Abstemius, Valla und Rinucius erweiterten Fassung (siehe unten, S. 15). Diese Fabeln stimmen zu einem großen Teil in den Merkmalen Kürze, Fiktionalität und nichtmenschliches Personal überein und haben eine (meist) eindeutige moralische Lehraussage. In der Wahrnehmung des 16. Jahrhunderts gelten diese als ›äsopische‹ Fabeln, auch 1

Im Fabelkatalog von Gerd Dicke und Klaus Grubmüller (DG) sind 232 Fabeln aus dem Esopus verzeichnet, die den Gattungskriterien der (Tier)Fabel entsprechen. 2 In der vorliegenden Neuedition wird ebenso nach Büchern (römische Ziffern) und Fabelnummern (arabische Ziffern) gezählt.

Einleitung

4

wenn sie keineswegs alle auf die Äsop zugeschriebenen antiken Sammlungen zurückgehen. Der z w e i t e ( n e u e ) Te i l des Esopus besteht aus 117 ›Fabeln‹, die bunt durcheinander einige weitere Fabelstoffe, vor allem aber auch andere narrative Typen (Schwänke, Anekdoten, Fazetien, Historien) präsentieren, die man heute nicht zur Gattung ›Fabel‹ rechnen würde: Hier treten meist nur Menschen auf; die Moral ist mehrdeutig; die Erzählungen sind nicht selten sehr umfangreich und z. T. offenbar selbst erfunden oder selbst erlebt. Die hier vorgelegte Neuausgabe hat das Ziel, den erzählerischen Kosmos von Waldis’ Esopus durch Kommentare und Register so zu erschließen, dass er als Referenzwerk auch für die Kultur, die Mentalitäten und die deutsche Sprache der Frühen Neuzeit sowie für die europäischen Erzähltraditionen wieder neu entdeckt werden kann. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert waren die WaldisFabeln ihrer ›Welthaltigkeit‹ wegen bereits recht bekannt gewesen. So schreibt schon 1771 der anonyme Bearbeiter der Fabeln und Erzehlungen in Burkard Waldis Manier: »Noch aus einem andern Grunde wird uns die Geschwätzigkeit unsers Waldis und seiner Thiere ganz angenehm; wir finden nehmlich darinn eine außerordentlich treue und lebhafte Schilderung der damaligen Sitten und Lebensart«, und es gebe »in Waldis Fabeln von allem und jeden, was die Lebensart unsrer Vorfahren betrifft, die lebhaftesten Beschreibungen«.3 Für die einstige Bekanntheit des Esopus sprechen nicht zuletzt auch die zwei Editionen von Heinrich Kurz 1862 und Julius Tittmann 1882 (siehe unten, S. 27). Heute wird man hingegen von einer Neuentdeckung zu sprechen haben. Um diese Neuentdeckung des Esopus zu erleichtern und das Interesse für die Erzählkunst des Burkard Waldis zu wecken, folgen im ersten Abschnitt dieser Einleitung einige Hinweise auf das inhaltliche, formale und narrative Profil der Waldis-Fabeln. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die verschiedenen Register unserer Ausgabe, die Einstiegspunkte für eine Lektüre bieten können. Der Leser, der systematisch einzelne Themen abschreiten will, beginnt am besten mit dem Motiv- und Moralia-Register, mit dem Sachregister zum Stellenkommentar oder mit dem Register der Phraseologismen (Sprichwörter, Redensarten usw.). Diese Register dokumentieren auch vielfache Verbindungen zwischen verschiedenen Fabeln. Über das Verzeichnis der Fabelakteure lassen sich Fabeln mit spezifischem Personal finden.

1. Typen, Formen und Themen der ›Fabeln‹ von Waldis Die prominenteste Gruppe im ersten Teil des Esopus sind die äsopischen (Tier) Fabeln. Darunter sind viele von denen, die man heute noch mit dem Namen Äsops verbindet, z. B.:

3

Zitiert nach dem ersten Nachdruck: [Zachariä], Fabeln, Einleitung, S. XLVIf.

Typen, Formen und Themen

I1 I2 I3 I4 I9 I 11 I 17 I 24 I 66

Hahn und Perle Wolf und Lamm Frosch und Maus Hund und Stück Fleisch Stadtmaus und Feldmaus Rabe und Fuchs Frösche und ihr König Zickel und Wolf Pfau und Nachtigall

5

I 90 I 99 II 18 II 21 II 27 III 18 III 27 III 41 III 76

Esel in der Löwenhaut Pfau und Kranich Hund und Löwe Fuchs und Katze Eule und andere Vögel Nachtigall und Sperber Fuchs und Steinbock Fuchs ohne Schwanz Fuchs und Birnbaum.

Darüber hinaus gibt es auch im zweiten Teil einige Tierfabeln, die – soweit wir sehen – vor 1548 nicht belegt sind; Waldis mag sie selbst erfunden haben, z. B.: III 85 IV 3 IV 44 IV 54

Hornisse und Biene Rückfälliger Wolf Fuchs und Habicht Reiher und Gans

IV 55 IV 56 IV 57 IV 79

Koch und Hund Fuchs, Hase und Luchs Zwei Esel Hecht und Krebs.

Im zweiten Teil findet sich zudem eine Reihe von Fabeln, deren Stoffe aus der mittelalterlichen Tierepik stammen oder Ähnlichkeiten mit ihr aufweisen. In diesen überwiegend recht umfangreichen Fabeln spielt stets der Fuchs eine herausragende Rolle. Explizite Querverweise und Motivwiederholungen lassen einen lockeren Zusammenhang erkennen.4 In Klammern angegeben sind die geläufigen Titel aus der Erzählforschung (vgl. EM) für diese Stoffe (bzw. alternativ ein Hinweis auf den Inhalt) sowie der Versumfang: III 91 IV 1 IV 2 IV 7 IV 8 IV 49 IV 73 IV 77 IV 94 IV 99

Wolf und Fuchs (= Schwanzfischer) (74 V.) Fuchs, Wolf und Esel (= Tierbeichte) (284 V.) Fuchs und Hahn (= Friedensfabel) (196 V.) Fuchs und Affe (Wolf kann nicht wie Fuchs der Äffin schmeicheln) (134 V.) Wolf und Fuchs (= Rettung aus dem Brunnen) (92 V.) Wolf und Fuchs (wie die Menschen Wolfspelze tragen) (164 V.) Fuhrmann, Fuchs und Wolf (= Fischdiebstahl) (100 V.) Löwe, Wolf und Fuchs (= Der kranke Löwe) (134 V.) Wolf, Fuchs, Hirsch und Storch (Gerichtsverhandlung) (316 V.) Bauer, Lindwurm, Pferd, Hund und Fuchs (= Undank ist der Welt Lohn) (538 V.)

Sowohl aus dem ersten wie aus dem zweiten Teil des Esopus ist hier auch je ein Märchen anzuzeigen, das im einen Fall (II 31 Spinne und Podagra) aus dem Lateinischen übertragen wurde und im anderen Fall (III 97 Bohne, Kohle und Strohhalm) bei Waldis erstmals belegt ist und in dieser Fassung auch in Grimms Kinder- und Hausmärchen aufgenommen wurde. 4

Vgl. Lieb, S. 161–166.

Einleitung

6

Fast die Hälfte der 400 ›Fabeln‹ ist den Gattungen der Fazetie, des Schwanks, der Anekdote o.Ä. zuzuordnen. Schon im ersten (äsopischen) Teil gibt es solche Erzählungen, die keine (Tier)Fabeln im strengen Sinne sind, z. B.: I 50 I 55 II 11 II 12 II 22 II 30 II 50 II 54

Jüngling und Katze Trompeter Waldgott und Mensch Bauer und Wildschwein / Esel und Pfaffe König und Affen Arion und der Delphin Schiffsleute, die in Seenot die Heiligen anrufen Kardinal und sein Freund / Albertus Magnus und seine Eltern

II 60 II 62 II 75 III 6 III 16 III 26 III 39 III 61 III 62

Klausner Heiratswillige Witwe Bischof und Lotterbub Begehrende Witwe Jüngling und Wolf Geiziger und Geldsack Ungezogener Sohn und Mutter Heirat des Diebes Arzt.

Aus dem zweiten Teil des Esopus gehört zu dieser Gruppe eine ganze Reihe von Erzählungen, die meist recht umfangreich sind und bei denen sich die erzählerischen Qualitäten des Autors besonders zeigen. Weil der Titel bei diesen ›Fabeln‹ meist nicht sehr aussagekräftig ist, sei im Folgenden auch der Inhalt kurz angedeutet: III 87 Von einem Hauptmann und seinem Kaplan, der jenem drastisch vor Augen führt, wie Soldaten in der Hölle enden (74 V.). III 88 Vom lügenhaften Jüngling, der seine Lüge aus Angst vor der Lügenbrücke zurücknimmt (76 V.). III 92 Wie ein Schweinehirt zum Abt wird, weil er dem Fürsten drei Rätselfragen schlau beantworten kann (224 V.). III 94 Von zwei Brüdern, von denen der Faule die vermeintliche Reliquie des Bruders durch seinen weitläufigen Besitz trägt (293 V.). III 98 Vom Schneider und seiner Frau, die die Aufträge ihres Mannes immer missversteht (134 V.). IV 4 Vom Guardian und einem Lotterbub, der vorgibt, im Himmel gewesen zu sein, wo Franziskus bisher vergeblich auf einen Franziskaner warte (144 V.). IV 14 Vom Schultheiß und dem Pfarrer, den der Schultheiß betrügt, indem er den Willen für die Tat nimmt (einen Karpfen geben will, es aber nicht tut) (100 V.). IV 16 Vom alten Landsknecht und seiner jungen Braut, die nicht mehr jungfräulich ist (62 V.). IV 17 Vom Kardinal und dem Dorfpfaffen, der im Voraus für seine noch nicht gezeugten unehelichen Kinder rechtliche Gleichstellung erbittet (114 V.). IV 19 Vom Schultheiß und seiner jungen Ehefrau, die von ihrer Mutter zur Völlerei erzogen wurde (162 V.). IV 21 Von zwei Landsknechten, die mit Hilfe eines Franziskaners einen Dorfpfarrer ausnehmen (214 V.).

Typen, Formen und Themen

7

IV 24 Von einer römischen Reise, auf der der fromme Ich-Erzähler das sündhafte Leben des römischen Klerus kennenlernt (92 V.). IV 28 Von einem gelben Schleier, der zum Anlass für einen schlagfertigen Wortwechsel wird (62 V.). IV 31 Von einem betrunkenen Mönch, der während der Frühmesse einschläft (64 V.). IV 39 Vom Pfarrer und seiner geliebten Haushälterin, die mehr an seinen Pfründen als an ihm interessiert ist (94 V.). IV 50 Von einem Theriak-Händler, einem Scharlatan, der viel Geld mit einem Flohpulver einnimmt (92 V.). IV 60 Vom Goldschmied und einem Köhler, der das sexuelle Begehren der Ehefrau des Goldschmieds nicht versteht und zurückweist (146 V.). IV 66 Vom Studenten und einem Müller, dem der Student verschiedene Speisen und schließlich den Teufel hervorzaubert (260 V.). IV 69 Von Petrus und einem Mönch, dessen franziskanische ›Ideale‹ ihn zu einem fetten Lebemann gemacht haben (220 V.). IV 82 Von einem Reichen und einem Armen, der dem Reichen das Geld zurückbringt, um weiter fröhlich zu sein (140 V.). IV 90 Vom Bäcker, der zum Bischof gewählt und darüber unglücklich wird (230 V.). IV 95 Wie der heilige Petrus einen Tag lang Gott spielen darf und es ihm kaum gelingt, eine einzige Ziege zu hüten (328 V.). Der Esopus weist somit ein recht großes Spektrum unterschiedlicher Gattungen auf. Das äußert sich nicht zuletzt im erheblich schwankenden Umfang der einzelnen ›Fabeln‹. Kürzere und längere Fabeln sind zudem ganz ungleich auf den Esopus verteilt: Während die 300 Fabeln der ersten drei Bücher zusammen 12.580 Verse umfassen5 (Buch I: 4.223 Verse; Buch II: 4.378 Verse; Buch III: 3.979 Verse), hat das vierte Buch mit 100 Fabeln allein 10.037 Verse. Vergleicht man den ersten (äsopischen) und zweiten Teil des Esopus, fällt die Ungleichheit noch mehr auf: Der erste Teil (I 1 bis III 83) ist mit insgesamt 10.763 Versen deutlich kürzer als der zweite Teil der Fabeln (III 84 bis IV 100) mit 11.854 Versen, obwohl im ersten Teil mehr als doppelt so viele Fabeln stehen wie im zweiten Teil. Die durchschnittliche Länge der Fabeln beträgt damit im ersten Teil ca. 38 und im zweiten Teil ca. 101 Verse. Sehr kurze und schlichte Fabeln finden sich vor allem im zweiten und dritten Buch. Die kürzesten Fabeln, III 10 und III 56, haben nur zehn Verse. 38 weitere Fabeln umfassen nur zwischen 12 und 18 Verse. Elf Fabeln (mit Ausnahme von II 31 alle aus dem zweiten Teil des Esopus) haben dagegen einen Umfang von über 200 Versen, zwei Fabeln (IV 94 und IV 95) sogar von über 300 Versen. Mit Abstand die längste Fabel im Esopus ist IV 99 mit 538 Versen. Auch das Morale, das stets der Narratio folgt und damit ein unverzichtbarer formaler Bestandteil jeder ›Fabel‹ von Waldis ist, variiert hinsichtlich des Um5

Nicht mitgezählt ist hier der Umfang von Das Leben Esopi (292 V.).

Einleitung

8

fangs und der Funktion erheblich. Zum einen lässt sich beobachten, dass in der zweiten Hälfte des ersten (äsopischen) Teils, zwischen II 32 und III 83, in dem Waldis die Fabeln des Abstemius, Valla und Rinucius überträgt, das Morale in fast der Hälfte aller Fälle nur genau vier Verse hat (II 42, 57, 71, 76, 78, 82, 83, 87, 89, 92, 95, 97; III 1–6, 10–17, 19–23, 27, 28, 30–38, 40, 45, 46, 49, 54–60, 62–65, 67–72, 76, 77, 80–83). Zum anderen kann das Morale der Ort sein, an dem Waldis eine weitere Erzählung unterbringt, die die aus der Narratio abgeleiteten Wertmaßstäbe und Verhaltensregeln bestätigt oder variiert (siehe z. B. I 62, 77, 95; II 12, 22, 26, 32, 45, 54, 100; III 51, 85, 88, 93, 94; IV 16, 20, 23, 32, 44, 50, 52, 61, 62, 76, 77, 84, 90, 95). Zweimal ist auch ein Lied ins Morale inseriert (III 92,201–224, und IV 96,127–134). Nicht selten greift das Morale weit aus und nimmt die Gestalt und Funktion einer kleineren ethisch-moralischen Abhandlung an. Folgende Fabeln haben ein Morale mit mehr als 30 Versen, ohne dass eine weitere Erzählung präsentiert wird: I 7, 40, 55, 80, 90, 94; II 11, 17, 18, 21, 30, 50; III 99, 100; IV 1, 3, 19, 75, 78, 80, 81, 91, 94, 96, 99, 100. Das mit 178 Versen längste Morale weist die Fabel IV 93 auf. Gelegentlich geht auch die Rede einer Figur aus der Narratio in das Morale über, besonders deutlich in IV 21, wo die Mahnrede des Schultheiß, die an den Pfarrer gerichtet ist, ins Morale verlängert ist, ebenso in IV 95,269–328, wo Christus als handelnde Figur der Narratio auch selbst das Morale spricht. Manchmal gibt auch eine Fabelfigur bereits eine Deutung ab, die neben das Morale treten kann; einen solchen Fall expliziert der Erzähler in IV 49,155–164. Sogenannte Promythien, also Deutungsansätze, die der Narratio vorangestellt sind, sind bei Waldis eher selten. Am ehesten finden sie sich im zweiten Teil, z. B. in III 98, III 100, IV 40 und IV 97, aber auch, die Sammlung eröffnend, in I 1. IV 83 bietet mit 74 Versen das längste Promythion. In den Fazetien, Schwänken, Anekdoten usw. tritt des öfteren ein Ich-Erzähler auf. Er nimmt meist die Rolle eines Beobachters ein: In IV 13 inszeniert sich der Erzähler z. B. als Händler, der mit seiner Ware auf einem Schiff von Lübeck nach Riga fährt; in IV 50 gibt das Ich vor, einen Vorfall in Amsterdam und einen in Einbeck (V. 79–92) selbst beobachtet zu haben. Auffallend sind auch zwei nacheinander positionierte Erzählungen (IV 17 und 18), von denen Waldis vorgibt, sie (1524?) in Nürnberg auf dem Reichstag von Kardinal Lorenzo Campeggio gehört zu haben. Die Pointe liegt in IV 17 nicht zuletzt darin, dass der Kardinal seinen Schwank vom verlotterten und dummen Pfarrer als selbst erlebt ausgibt, durch Datierung und Lokalisierung authentifiziert und damit die Sittenlosigkeit des altgläubigen Klerus sozusagen unmittelbar bestätigt. Nur in einzelnen Fällen ist der Ich-Erzähler auch der Hauptakteur, z.  B. im Bericht von der Romreise (IV 24) oder in der Fazetie vom gelben Schleier (IV 28). Anders als sein Zeitgenosse Erasmus Alberus situiert Waldis die Tierfabeln nie in einer geographisch identifizierbaren Welt (Ausnahme: IV 1). Lokalisierungen finden sich jedoch recht häufig in den Anekdoten und Schwänken des zweiten Teils, z. B.:6 IV 4 und 32 (Freiburg im Breisgau), IV 10 (Neuss), IV 13 6

Vgl. auch den Überblick bei Lieb, S. 211–214.

Typen, Formen und Themen

9

(Lübeck, Gotland, Riga), IV 14 (Lichtenau in Ostpreußen), IV 15 (Magdeburg), IV 16 (Speyer), IV 17 (Nürnberg bzw. Augsburg), IV 19 (Damerau in Ostpreußen), IV 21 (Halberstadt), IV 23 (Breslau), IV 24 (Rom), IV 26 und 65 (Mainz), IV 27 (Ingolstadt), IV 28 (Worms), IV 38 (Naumburg), IV 39 (Hildesheim), IV 42 und 82 (Lübeck), IV 50 (Amsterdam), IV 60 (Köln), IV 67 (Malmö, Landskrona), IV 83 (Würzburg, Rom), IV 84 (Einsiedeln), IV 86 (Schlettstadt, Rappoltstein). Der Erzähler des Esopus verbirgt nicht, dass er ein überzeugter Anhänger der Reformation ist. Besonders deutlich lassen sich reformatorische Positionen im zweiten Teil beobachten. Eine (auch durch die Anordnung signalisierte) herausragende Stellung nehmen in diesem Zusammenhang die umfangreichen Fabeln III 100 und IV 1 ein, in denen die altgläubige Praxis der Heiligenverehrung (Franziskus und Katharina) sowie Wallfahrt und Ablasshandel scharf kritisiert werden. Daneben zielt die konfessionelle Polemik auch auf die Selbstgefälligkeit (z. B. IV 4), die Habgier (z. B. IV 9, 14, 36, 83), die Sittenlosigkeit (z. B. IV 17, 24), die Völlerei (z. B. IV 31, 69) oder die Scheinheiligkeit (z. B. IV 33, 69) des altgläubigen Klerus. Gelegentlich finden sich auch schon im ersten Teil des Esopus reformatorische Akzentuierungen und Deutungen der Fabelhandlungen, z. B. macht Waldis in II 50 aus dem allgemein gehaltenen Morale der Vorlage eine Abrechnung mit den ›Papisten‹, die sich ›widerchristlich‹ verhielten. In II 75 werden die Geldgier der altgläubigen Bischöfe, der Sakramentenhandel und der Ablass angeprangert. In anderen vergleichbaren Fällen lässt Waldis aber auch eine naheliegende reformatorische Akzentuierung aus, so in III 51. Selbst im zweiten Teil wird einmal (IV 89) ein durchaus derber Mönchsschwank nicht für polemische Kirchenkritik, sondern für die ganz nüchterne Verkündung einer allgemeinen Lebensklugheit zum Anlass genommen.7 Zu einem festen Bestandteil in Kurzdarstellungen des Esopus ist die Behauptung des Erzählers in der Vorrede (Z. 32f.) geworden, er habe auf die zarten keuschen ohren der lieben Jugent Rücksicht genommen. Das lässt sich nicht immer ganz leicht mit den Inhalten der ›Fabeln‹ in Einklang bringen. Schon Friedrich Wilhelm Zachariä hatte in seiner anonymen Bearbeitung von Waldis’ Fabeln bemerkt: »Die zarten keuschen Ohren der lieben Jugend m(ßen dazumal anders beschaffen gewesen seyn; itzo knnte ihnen eine ziemliche Anzahl von seinen Erzehlungen nicht wohl vorgelegt werden.«8 Zu bedenken wäre aber, ob nicht der frühneuhochdeutsche Sprachgebrauch von ›keusch‹ ein Sprechen über Sexualität keineswegs ausschließt, sondern lediglich innerhalb bestimmter institutioneller Rahmen (Ehe!) hält und kanalisiert.9 Zu den Themen Sexualität, Frauen, Ehe bezieht Waldis jedenfalls öfter freizügig Stellung. Das resultiert einerseits aus der Rezeption novellistischer Stoffe, die ein typisch spätmittelalterliches Interesse an Betrugs- und Ehebruchsgeschichten transportieren (z. B. IV 60, 66, 81), andererseits aus einer antizölibatären Haltung und misogynen Tendenz des Erzählers. Im zweiten Teil wird z.  B. gleich dreimal die sexuelle Begierde einer Nonne 7

Kipf, S. 501, weist in diesem Zusammenhang auch auf IV 46 hin. [Zachariä]: Fabeln, Einleitung, S. LII. 9 Vgl. Lieb, S. 53f. 8

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Einleitung

thematisiert (IV 30, 33, 40). Ehefrauen erscheinen meist als unehrenhaft und ungehorsam (III 98; IV 29), faul, verfressen und versoffen (besonders drastisch IV 19, ferner IV 37, 59, 70), geldgierig (IV 27, 81), verschwenderisch (IV 84), geschwätzig (IV 68) und vor allem als untreu und sexuell unersättlich (IV 11, 27, 60, 66, 71, 81, 93). Etwas positiver gezeichnete Frauenfiguren finden sich nur gelegentlich (z. B. IV 28, 42, 52, 53). In einzelnen Fällen beurteilt Waldis sexuelles Verhalten überraschend pragmatisch und weniger moralisch (IV 16 und IV 60,123–146). Auch schon im ersten Teil, vor allem in den Fabeln des Abstemius (II 32 bis III 26), finden sich antizölibatäre und misogyne Erzählungen, die teilweise ebenfalls mit pragmatischen Einstellungen zur Sexualität gepaart sind: In II 60 wird von einem kranken Einsiedler erzählt, der durch Geschlechtsverkehr geheilt wird (ähnlich IV 40), und im Morale von II 62 preist Waldis – unter Benutzung ungewöhnlicher Metaphern – die Sexualität als Fundament einer funktionierenden Ehe (vgl. auch I 64; II 45, 46, 86; III 6, 16, 83). Im zweiten Teil des Esopus, besonders zwischen IV 32 und 86, lässt sich ein Interesse des Erzählers für das städtische, insbesondere für das handwerkliche und kaufmännische Milieu feststellen. Die Protagonisten der Erzählungen sind jedenfalls oft Kaufmänner und Krämer (IV 50, 51, 63, 65, 71, 80), Müller (IV 47, 66, 86), (Gold)Schmiede (IV 32, 60, 62), Schuster (IV 42, 82), Schneider (III 98, IV 43); je einmal auch Optiker (IV 45), Koch (IV 55), Köhler (IV 60) und Leinenweber (IV 68). Meist sind diese Figuren als Negativbeispiele gezeichnet. Die Dominanz der genannten Phänomene und Themen – das Auftreten eines Ich-Erzählers, die Lokalisierungen, das erzählerische Interesse an einer negativen Darstellung der römischen Kirche, der Ehe, der Frauen, der Handwerker und Kaufleute – ist häufig mit Waldis’ Biographie in Zusammenhang gebracht worden.

2. Biographische Notizen zu Waldis Burkard Waldis wurde vermutlich im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts im hessischen Allendorf an der Werra geboren. Gesicherte Nachrichten über sein Leben sind erst seit den 1520er Jahren erhalten. Im Druck seines 1527 aufgeführten Spiels De parabell vam verlorn Szohn nennt er sich selbst Borchardt waldis, kangeter tho Ryga ynn Lyfflandt, und auch in den städtischen Akten wird er als Zinngießer geführt.10 Wann und wo er das Handwerk erlernte, ob er es überhaupt ausübte, bleibt freilich unklar. Denn Waldis war offenbar wenige Jahre zuvor noch Mönch im Rigaer Kloster der Franziskaner. Er selbst bezeugt dies ein einziges Mal in einem privaten Brief vom 31. Mai 1531, in dem er sich über seine Ehefrau Barbara Schulte beklagt (verlouffener Munch).11 Spätestens 1529 war er 10

Waldis, Der verlorene Sohn, S. 144; Milchsack, S. 20, Anm.; C. E. Napiersky, Noch eine kleine Notiz über Burkard Waldis, in: Mittheilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Ehst- und Kurland’s 8 (1857), S. 509–510, hier S. 510, und Buchenau, S. 14. 11 Zitiert nach Milchsack, S. 22. Waldis legt dies neben anderen Schmähworten Barbara in den Mund.

Biographische Notizen zu Waldis

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verheiratet; bald war die Ehe vollkommen zerrüttet; wohl 1535 wies Waldis Barbara aus dem Haus. Sie versuchte daraufhin, ihre Ansprüche rechtlich geltend zu machen. Überliefert sind ein entsprechendes Schreiben an Hermann von Brüggenei, Deutschordensmeister von Livland (seit März 1535), sowie Empfehlungen des Rats der Stadt Danzig und ihrer Heimatstadt Königsberg.12 Erst am 21. Juli 1540 kam es zu einem amtlichen Vergleich.13 Am selben Tag wurde Waldis aus einer – nach eigener Aussage mehr als zweijährigen – Inhaftierung durch den Deutschen Orden, in der er auch Folter erlitt,14 entlassen. Sowohl der Rigaer Rat als auch Waldis’ Brüder, zuletzt mit Unterstützung des hessischen Landgrafen Philipp I.,15 hatten sich wiederholt für ihn eingesetzt. Man nimmt an, dass er an politischen Intrigen beteiligt war, die tatsächlichen Gründe für die Gefangenschaft sind unbekannt. Nach seiner Freilassung jedenfalls verließ er Livland und studierte in Wittenberg.16 Im Jahr 1544 ist Waldis als Pfarrer in Hofgeismar bezeugt;17 offenbar hat er die Witwe seines Amtsvorgängers geheiratet. Ab dem 13. September desselben Jahres erscheint er als erster evangelischer Seelsorger der neu zusammengeführten Pfarrei und Propstei Abterode.18 Ein Schreiben der Kirchengemeinde vom 3. August 1556 besagt, dass er, von Krankheit schwer getroffen, bereits seit einem Jahr von seinem Schwiegersohn Balthasar Hiltebrandt im Amt unterstützt werden musste. 1557 wird die Pfarrstelle mit ihm besetzt.19 In diesem Jahr dürfte Waldis gestorben sein. Die (wenigen) historischen Nachrichten ergeben eine brüchige Biographie. Gesichert ist die Zeit als Pfarrer in Abterode. Zweifelsfrei, wenn auch nicht bezeugt, ist zudem, dass Waldis eine lateinische Schulbildung durchlaufen hat. Möglicherweise war er, aus einer angesehenen und begüterten Familie stammend, für eine geistliche Laufbahn vorgesehen. Geradezu spektakulär, doch kaum vollständig aufzuklären, ist indes Waldis’ Rigaer Zeit: sein Abfall vom 12

Vgl. Milchsack, S. 20–28, mit Auszügen aus den überlieferten Akten. Milchsack, S. 35. 14 Vgl. Der Psalter/ Jn Newe Gesangsweise/ vnd künstliche Reimen gebracht/ durch Burcardum Waldis. Mit ieder Psalmen besondern Melodien/ vnd kurtzen Summarien, Frankfurt/M. 1553, Bl. aa iijb: meiner schweren gefenckniß/ vnd rachen des tods/ welchen ich fast in die drithalb jar/ mit grosser beschwerung verhafft/ daz* mit scharpffer Tortur vnd bedrawung peinlich ersucht vnd angegriffen (vgl. Buchenau, S. 17, die ganze Vorrede ebd., S. 35f.); die historischen Quellen bei Schirren, S. 519–521, und Milchsack, S. 31f. 15 Milchsack, S. 34f. 16 Im Wintersemester 1541; vgl. Album Academiae Vitebergensis ab a. Ch. MDII usque ad a. MDLX, hg. von Carl Eduard Förstemann, Leipzig 1841, S. 192. 17 Adolf Reccius, Alte Pfännerfamilien zu Allendorf in den Soden. 8. Waldis, Waldesa, Wallis, Walhauß, in: Nachrichten der Gesellschaft für Familienkunde in Kurhessen und Waldeck 7 (1932), S. 4–7, hier S. 5. 18 Die erhaltenen Zeugnisse aus dieser Zeit führt Buchenau, S. 21–23, auf. Hiervon erwähnt sei der von Waldis 1549 notierte Verkauf eines Esopus an den Pfarrer Johan Lesser für zehn Albus (Silberpfennige; vgl. Schrötter, S. 18–20), im Gegenzug bezahlt er 6 Albus für zwei Metzen (siehe zu IV 47,21) Erbsen. – Vgl. auch P. Schwenke, Ein Buch aus dem Besitz von Burkhard Waldis, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 32 (1915), S. 219–221. 19 Nachweise bei Buchenau, S. 27–29. 13

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Einleitung

Mönchtum, seine bürgerliche Existenz als Handwerker, die Scheidung seiner missglückten Ehe, seine erste Gefangenschaft und die Hintergründe der zweiten. Die Forschung des 19. Jahrhunderts hat – in durchaus wissenschaftlicher Intention – die historischen Quellen mit ›autobiographischen‹ Hinweisen in Waldis’ Fabeln verwoben und zu einer möglichst stimmigen Erzählung seines Lebens geformt.20 Zentrale Bedeutung kommt hier der Romreise zu, von der Waldis in IV 24 berichtet. Denn dieser Romaufenthalt scheint durch eine briefliche Notiz des Rigaer Franziskanerlektors Antonius Bomhower vom 19. November 1523 bestätigt und datierbar zu werden. Bomhower schreibt hier an den Franziskanerkustos von Livland Wilhelm Isenbroeck, er habe broder Borchard tho Urbinn gesandt […], dar P. Augustinus Alfelt kranck lycht […], dat he mach nu eynen cumpan hebben, dar he mede tho Rome kame.21 Seit Kenntnis des Briefs wusste man, dass sich Burkard in Begleitung Bomhowers befand, der in Rom päpstliche Mandate gegen die Ausbreitung der lutherischen Lehre in Livland erwirken sollte und dessen Mission gut bezeugt ist.22 Mit Bomhower soll Burkard von Rom aus zum Nürnberger Reichstag (1524) gereist sein, wo er sich im Umfeld des päpstlichen Legaten Lorenzo Campeggio aufhielt, der am 14. März dort eintraf (vgl. IV 17 und 18). Bomhower jedenfalls gibt später an, er habe beim Römischen Hofe 3 Monate lang vielen Schweiss und Arbeit getan, auch bei Kardinal Campegio, Römischen Legaten, 3 Wochen lang binnen Nürnberg gelegen.23 Bei ihrer Rückkehr nach Riga am 10. Juni 1524 wurden er und Burkard verhaftet. Nur bei David Chyträus ist überliefert, dass Waldis damals dem alten Glauben abgesagt habe. Man habe alßbald die zweene M nche (dann der dritte war bey Dunemund aus dem Schiffe getreten) aus dem winckel des Schiffes/ darein sie sich verkrochen hatten/ herf)r gezogen/ vnd ins Gef ngn)ß gelegt/ vnter welchen der eine Burchardus VValdis vber wenig Wochen hernach außm Gef ngn)ß wiederumb loß gelassen ward/ daruA daß er vmb verzeihung gebeten/ vnd die B pstische Religion sampt der M)nche kappen abgelegt vnd von sich geworffen.24 Und 20

Die umsichtigste und nach wie vor verlässlichste Darstellung bei Milchsack, der auf archivalische Arbeiten C. Schirrens aufbauen kann (Verzeichnis livländischer GeschichtsQuellen in schwedischen Archiven und Bibliotheken, [erschienen in Einzelheften mit fortlaufender Seiten- und Nummernzählung] Dorpat 1861–1868); zusammenfassend Waldemar Kawerau, Waldis, in: Allgemeine Deutsche Biographie 40 (1896), S. 701–709. – Ohne biographischen Wert bleibt die populärwissenschaftliche Darstellung von Günter E. Th. Bezzenberger, Burkard Waldis. Mönch, Zinngießer, Pfarrer und Dichter. Sein Leben und Werk, Kassel 1984; grundsätzlich kritisch, doch ohne biographischen Anspruch, Angelika Reich, Burkard Waldis, in: Deutsche Dichter der frühen Neuzeit (1450–1600). Ihr Leben und Werk, hg. von Stephan Füssel, Berlin 1993, S. 377–388, hier S. 377f. 21 Leonhard Lemmens, O.F.M., Die Observantenkustodie Livland und Preußen, Düsseldorf 1912 (Urkundenbuch der alten sächsischen Franziskanerprovinzen 1), Nr. 281, S. 61–63, das Zitat S. 63. Auf dem Weg nach Urbino soll Burkard Assisi besucht haben (Arbusow, Aktion, S. 65, Anm. 1). 22 Sie blieb ohne jeden Erfolg. Vgl. Arbusow, Einführung, S. 260–267. 23 Zitiert nach Arbusow, Aktion, S. 34. 24 Newe Sachssen Chronica. Vom Jahr Christi 1500. Biß auffs XCVII. Aus dem vermehreten

Biographische Notizen zu Waldis

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man hat hinzugefügt, dass seine Erfahrungen in Rom diesen Schritt begünstigt hätten.25 Zwar besitzt die Rekonstruktion der Romreise aus Fabeln und historischen Quellen eine verführerische Wahrscheinlichkeit, doch ist letztlich nicht gesichert, dass mit dem von Bomhower genannten broder Borchard tatsächlich Burkard Waldis gemeint ist,26 ganz abgesehen andererseits von der Lizenz der Fabel zur Unwahrheit (vgl. III 92,171–174). Unzweifelhaft ist, dass sich Waldis der evangelischen Bewegung in Riga angeschlossen hat – davon zeugen sein Lehrstück vom Verlorenen Sohn sowie die Aufnahme eines von ihm verfassten Gebets in die Rigaische Kirchenordnung vom Jahr 153727 – und dass er gute Beziehungen zum Rat der Stadt unterhielt. Sein Geschäft als Zinngießer dürfte er mehr als Kaufmann denn als Handwerker betrieben haben.28 Dies könnte besser erklären, warum er für den Rat ein Gutachten über die Aufwertung des Schillings verfasst hat und sein Urteil auch in anderen livländischen Münzangelegenheiten gefragt war.29 Ob freilich die zahlreichen Reisen, auf die er in seinen Fabeln anspielt, ihren Grund im Handel mit Zinnwaren haben, wie IV 13,1–7, es nahelegt, muss offen bleiben; ebenso, ob Waldis bei seinen Reisen auch Botendienste – etwa nach Speyer im Oktober 1530 (IV 28)30 – übernahm.

letzten Lateinischen Exemplar trewlich verdeutscht/ vnd vom Autore selbst mit fleis reuidirt vnd vbersehen. Der Erste Theil. Darinnen die anfahenden sechzehen B(cher der Historien/ biß auff das 1550. Jahr begrieffen, Leipzig MDXCVII, S. 381. Schon Buchenau, S. 13, wundert sich, dass Chyträus nur Waldis namentlich nennt. In den Akten ist allein Bomhower namentlich genannt; vgl. Arbusow, Aktion, S. 52f., sowie ders., Einführung, S. 327–329. 25 Milchsack, S. 16. 26 Ein Bruder Burchard ist etwa auch in einer anderen zeitnahen Quelle bezeugt; vgl. Leonhard Lemmens, O.F.M., Aus ungedruckten Franziskanerbriefen des XVI. Jahrhunderts, Münster 1911 (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 20), S. 94. 27 Abgedruckt bei Mittler, S. 63–66. 28 So schon Mittler, S. 28; Arbusow, Einführung, S. 779. Johannes Gahlnbäck, Eine Zinnkanne des Burchard Waldis, in: Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 23 (1924– 1926), S. 578–582, hier S. 580, vermutet eine Ausbildung in der Heimat noch vor dem Eintritt ins Kloster. 29 Vgl. die Abdrucke von Gutachten aus dem Jahr 1532 in Akten und Rezesse der Livländischen Ständetage, hg. von der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands, Bd. 3 (1494–1535), bearbeitet von Leonid Arbusow, Riga 1910, Nr. 308, 309, S. 792–802, sowie den Brief des Deutschordensmeisters von Livland, Walter von Plettenberg, an den Rat der Stadt Riga mit der Bitte, unsern lewen getruwen meister Burchart Waldis und szunst denjennigen der munthe kundich und woll erfaren zu einer Beratung nach Wolmar (Juli 1532) zu entsenden (ebd., Nr. 311, S. 803–805, das Zitat S. 804); Einzelheiten bei Milchsack, S. 17–19. 30 So Arbusow, Einführung, S. 779, mit einem Hinweis auf »Akten im Archiv des ehemal. Kammergerichts zu Wetzlar«. Man hat angenommen, dass ihn solche Dienste in politische Machenschaften verwickelten, die zu seiner Gefangennahme führten; vgl. Schirren, S. 519, danach Milchsack, S. 31.

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Einleitung

Abgesehen von IV 100,214–234, wo die Ich- in die Er-Rede wechselt, spricht der Erzähler der Fabeln an keiner Stelle ausdrücklich über den Autor; dort, wo der Autor sich äußert (im Widmungsbrief an den Rigaer Bürgermeister), sind die Aussagen – jedenfalls für den anonymen Leser – eher eine Erinnerung an Verschwiegenes (vielerley vnfelle/ widerstand vnd leibsgebrechen).31 Nahezu alle der nicht vielen Biographismen, die der Autor dem Erzähler mitzuteilen erlaubt (die Zeit als Mönch gehört nicht dazu), bleiben in der Schwebe,32 bisweilen auch spielerisch im Umgang mit dem (nach dem Autor fragenden) Leser. Zwar muss dieser nicht dem Fabel-Ausleger misstrauen, wenn er in II 75,43–48, persönlich der Papstkirche widersagt (vgl. IV 36), und niemand muss eine Lüge vermuten, wenn in III 100 von prächtigen franziskanischen Klöstern in Italien (Der ich viel da gesehen hab; V. 88), namentlich dem zu Assisi die Rede ist. Doch war der Autor in jenem Basler Wirtshaus, in dem ein junger Schmied sein Pferd verkaufen wollte (Des morgens tagts vns mechtig fru; IV 32,21)? Wie alt war der Fabeldichter, als er vor viertzig Jaren einen betrunkenen Pfaffen erlebte (IV 31,57–64), und lässt diese Angabe eine späte Entstehung der Fabel vermuten? Was hilft es dem Leser, wenn er weiß, dass die erzählten Ereignisse etwa 16 Jahre zurückliegen (IV 23), ohne dass er den Zeitpunkt kennt, von dem aus gerechnet wird? Wird hier die Suche nach dem biographischen Ich vom Erzähler genüsslich enttäuscht? Zumindest wenn vom Jahrmarkt im sommerlichen Amsterdam berichtet wird (IV 50), darf sich der Kundige hinters Licht geführt fühlen. Und selbst wenn sich Ich-Aussagen den historischen Nachrichten zu fügen scheinen, kann der Erzähler Unsicherheit verbreiten. So war Campeggio zwar nachweislich auf dem Reichstag zu Nürnberg 1524 (und der Erzähler Waldis kann ihm dort, aber auch schon in Rom, begegnet sein), schwerlich aber war er zehn Jahre zuvor anlässlich eines Reichstags in Augsburg, wo er die von ihm erzählte Geschichte erlebt haben soll (IV 17,29–34). Die Selbstaussagen des Ich-Erzählers in den Fabeln sind allenfalls dichterisch gebrochen und mit Fragezeichen auf Waldis’ Lebensumstände zu beziehen.33

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Vgl. auch IV 19,125–130, wo sich das Ich als Autor eines ungeschriebenen Buchs präsentiert. 32 Die einzigen konkreten Angaben sind ein Aufenthalt in Mainz auf dem Weg zur Frankfurter Herbstmesse im Jahr 1536 (IV 65) und die Erwähnung des Laterankonzils von 1513 (vor zwentzig Jar; IV 46,50). Weitere Datierungen gelten für die fiktive Welt der Tiere (IV 1) oder lassen keine chronologischen Rückschlüsse auf Waldis’ Leben zu (IV 23). 33 Ältere Darstellungen sind hier sorgloser. So hat man die Ovid-Paraphrase IV 78,121– 132, autobiographisch gelesen (Schirren, S. 522) oder in dem in IV 69 verspotteten Mönch einen Zeitgenossen Burkards, den Rigaischen Franziskaner Thomas Rehberg, erkannt (Arbusow, Einführung, S. 659f.). Unmissverständlich schienen Anspielungen auf die Ehe mit Barbara Schulte: »Schon aus seinen Fabeln hätte man auf den Charakter seines Weibes einen Schluss ziehen können« (Milchsack, S. 23, zu IV 19,123–162; vgl. ebd., S. 29, zu IV 67,53–70). – Noch Hans Lindemann, Studien zur Persönlichkeit von Burkard Waldis, Diss. masch. Jena 1922, schöpft die Fabeln gänzlich unkritisch für ein Charakterbild Burkards aus.

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3. Die Vorlagen des Esopus Die Vorlage des ersten Teils (I 1 bis III 83): der Aesopus Dorpii Waldis benutzt für die ersten 281 Fabeln34 die bekannteste lateinische Fabelsammlung des 16. Jahrhunderts. Sie wird von der neueren Forschung als Aesopus Dorpii bezeichnet, weil niederländische Humanisten unter Federführung des Martinus Dorpius (Maarten van Dorp, 1485–1525) diese Fabelanthologie erstellt haben.35 Zwischen 1512 und 1548 sind bereits über 100 Ausgaben dieser wirkmächtigen und mehrfach erweiterten Sammlung erschienen. Sehr wahrscheinlich hat Waldis eine jener erweiterten Ausgaben benutzt, die seit 1521 im Elsass (Hagenau, Straßburg) erschienen und später auch in Mainz, Leipzig, Nürnberg, Augsburg und andernorts gedruckt wurden.36 Diese erweiterte Ausgabe präsentiert neben dem Grundstock der 140 Fabeln des Goudanus und Barlandus (einschließlich ausgewählter Fabeln einiger weiterer Autoren)37 auch die Fabelsammlungen von Abstemius (100 Fabeln), Valla (33 Fabeln) und Rinucius (100 Fabeln). Der Aesopus Dorpii wurde bislang nicht ediert; lediglich einzelne Teile sind in Editionen greifbar oder können als Digitalisat eingesehen werden, z. B. die Ausgabe des Grundstocks aus Straßburg 1516 bei der Bayerischen Staatsbibliothek München (VD 16 A 452; Fabvlarvm Qvae hoc libro continentur interpretes atque authores Sunt hi […]). Die 33 Fabeln von Valla wurden 1978 nach den elf erhaltenen Handschriften ediert.38 Die 100 Fabeln des Rinucius Aretinus (Rimicius) sind 1993 kritisch herausgegeben worden.39 Die vorliegende Edition druckt alle lateinischen Vorlagen aus dem Aesopus Dorpii im Stellenkommentar zur jeweiligen Fabel ab. Ein Liste mit den Nummern und Titeln sämtlicher Fabeln aus dem Aesopus Dorpii sowie einer Konkordanz mit dem Esopus von Waldis findet sich im Registerteil, unten S. 447–458. 34

Von den 283 Fabeln (I 1 bis III 83) sind genau zwei Fabeln nicht aus der Vorlage des Aesopus Dorpii entnommen, nämlich II 99 und III 61. Auch im zweiten Teil scheint Waldis noch zweimal auf den Aesopus Dorpii zurückgegriffen zu haben: III 86 und IV 52. 35 Zum Aesopus Dorpii vgl. Adalbert Elschenbroich, Sammeln und Umgestalten aesopischer Fabeln bei den Neulateinern des 16. Jahrhunderts, in: Daphnis 14 (1985), S. 1–63, hier S. 9–14, und ausführlich Thoen. 36 Unter den im deutschsprachigen Gebiet vor 1548 gedruckten Ausgaben kommen als Vorlage für Waldis somit vor allem folgende Ausgaben (nach Thoen, S. 281–289) in Frage: etwa 13 Ausgaben der Gruppe B I. Ƥ (seit 1521; vor allem aus Straßburg), etwa 8 Ausgaben der Gruppe B I. ƥ (seit 1530, vor allem aus Leipzig), etwa 9 Ausgaben der Gruppe B III. (seit 1528; vor allem aus Nürnberg und Augsburg) sowie 2 Ausgaben der Gruppe B IV. (seit 1534, aus Mainz). 37 Vgl. dazu Enrique González González, Martinus Dorpius and Hadrianus Barlandus. Editors of Aesop (1509–1513), in: Humanistica Lovaniensia 47 (1998), S. 28–41. 38 Roberta Galli, The First Humanistic Translations of Aesop, Urbana/Ill. 1978, S. 149– 188. 39 Rinucius, Fabulae Aesopicae.

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Vorlagen für die Fabeln des zweiten Teils (III 84–IV 100) Während bei den Fabeln des ersten Teils aufgrund der fast unveränderten Abfolge von über 280 Fabelstoffen kein Zweifel daran bestehen kann, dass Waldis den Aesopus Dorpii benutzte, ist die Frage nach den Vorlagen im zweiten Teil schwer zu beantworten. Selbst dort, wo man sehr ähnliche Stoffbearbeitungen gefunden hat, die Waldis gekannt haben könnte, bleibt diese punktuelle Ähnlichkeit stets das einzige Indiz, weil Waldis auch im zweiten Teil keinen einzigen Autornamen nennt.40 Möglicherweise war ihm daran gelegen, auch diese Erzählungen als allgemein verfügbare und nicht der Autorität eines Autors unterworfene ›Fabeln‹ zu präsentieren. Etliche Erzählungen im Esopus scheinen zudem auf mündlich Überliefertes zurückzugehen (vgl. z. B. IV 17, 18, 84 und 98), manche vielleicht auf eigenes Erleben (vgl. z. B. IV 13, 24, 28, 50, 65). Künftige Forschung hätte zu prüfen, ob der sich abzeichnende Referenzrahmen für Waldis mit Steinhöwels Äsop und den Fabeln des Camerarius, den Fazetienbücher von Adelphus, Bebel, Luscinius, Pauli, Poggio Bracciolini, den Mären von Hans Rosenplüt, dem niederdeutschen Reynke de Vos, dem Ulenspiegel, Herolts Predigtsammlung, Hans Sachs’ Meisterliedern und Johannes Agricolas kommentierter Sprichwörtersammlung zu erweitern oder einzuschränken ist. Wenn die Ähnlichkeit zu einer bestimmten früheren Bearbeitung so groß ist, dass man annehmen muss, dass Waldis diese Bearbeitung schriftlich vor sich hatte oder den schriftlich fixierten Text auf welche Weise auch immer erinnerte, ist diese Vorlage im Kommentar angegeben.41 Abgedruckt wird sie in den Fällen, in denen keine Edition vorliegt (das betrifft insbesondere die Fabeln des Camerarius). Für einige Erzählstoffe liefert der Esopus sehr seltene und sehr frühe Belege (III 88, 92, 94, 97; IV 19, 34, 49, 55–57, 90). Auffallend ist darüber hinaus, dass einige Stoffe von Waldis-›Fabeln‹ auch von Hans Sachs bearbeitet werden, wobei die wechselseitigen Abhängigkeiten unklar bleiben. Womöglich gab es gemeinsame, heute unbekannte Vorlagen oder man muss mündliche Überlieferung annehmen. Nicht auszuschließen ist auch, dass Waldis neben der Historien von zweyen Mewssen (vgl. zu IV 95,1f., sowie den Abdruck unten, S. 368–392) noch andere ›Fabeln‹ vor 1548 einzeln in den Druck oder anderweitig in Umlauf gab.

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Ausnahme sind jene zusätzlichen Erzählungen im Morale, bei denen gelegentlich antike Autoren angegeben sind, z. B. III 94,272 (Xenophon) und IV 20,70f. (Euripides). Im ersten Teil des Esopus überträgt Waldis bei II 30 und 31 die Autornamen aus dem Aesopus Dorpii in seine Version; vgl. II 30,1f.: AVlus Gellius beschreibet diß | Jn seinen Noctibus Atticis, sowie II 31,1: GErbellius ein Fabel schreibt. 41 Vgl. hierzu Stiefel, Esopus, sowie Stiefel, Quellen.

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4. Die Drucke des Esopus im 16. Jahrhundert Der Esopus von Burkard Waldis ist im 16. Jahrhundert mehrfach aufgelegt worden. Heute sind folgende fünf Ausgaben nachweisbar; vgl. die Abbildung in Bd. 1, S. 2 (A), sowie die Abbildungen der Ausgaben B, C, E und F auf den folgenden Seiten; vgl. ferner zu den Holzschnitten auf den Titelblättern den Kommentar zum Titelblatt, S. 31–33:42 (A) 1548 (VD 16 A 552): Esopus/ Gantz New gemacht/ vnd in Reimen gefaßt. Mit sampt Hundert Newer Fabeln/ vormals im Druck nicht gesehen/ noch außgangen/ Durch Burcardum Waldis. Anno M. D. XLVIII. Kolophon: Gedruckt zu Franckfurdt am Mayn/ durch Hermann G(lfferichen/ in der Schnurgassen zum Krug. (B) 1555 (VD 16 A 554): Esopus/ Gantz new gemacht/ vnnd in Reimen gefaßt. Mit sampt Hundert newer Fabeln/ vormals im Druck nicht gesehen/ noch außgangen. Durch Burcardum Waldis. M. D. LV. Kolophon: Gedruckt zu Franckfurt am Mayn/ Durch Hermann G(lfferichs seligen/ Erben. (C) 1557 (VD 16 A 557): Esopus/ Gantz new gemacht/ vnnd in Reimen gefaßt. Mit sampt Hundert newer Fabeln/ vormals im Druck nicht gesehen/ noch außgangen. Durch Burcardum Waldis. 1557. Kolophon: Gedruckt zu Franckfurd am Mayn/ durch Wygandt Han in der Schnurgassen zum Krug. (E) 1565 (VD 16 A 559): Esopus Gantz neuw gemacht/ vnd in Reimen gefaßt. Mit sampt Hundert neuwer Fabeln/ vormals im Druck nicht gesehen/ noch außgangen. Durch Burcardum Waldis. Gedruckt zu Franckfurt am Mayn/ bey Georg Raben/ vnd Weygand Hanen Erben. M. D. LXV. Kolophon: Gedruckt zu Franckfurt am Mayn/ bey Georg Raben vnd Weygand Hanen Erben. (F) 1584 (VD 16 A 563): Esopus Gantz neuw gemacht/ vnd in Reimen gefaßt. Mit sampt Hundert neuwer Fabeln/ vormals im Druck nicht gesehen/ noch außgangen. Durch Burcardum Waldis. Getruckt zu Franckfurt am Mayn. M. D. LXXXIIII. Kolophon: Gedruckt zu Franckfurt am Mayn/ durch Nicolaum Basseum. M. D. LXXXIIII. 42

Ein Druck D: Esopus. Gantz new gemacht vnd in Reimen gefaszt. Mit sampt Hundert newer Fabeln, vormals in [!] Druck nicht gesehen, noch auszgangen. Durch Burcardum Waldis. (Frankfurt am Main durch Wygandt Han) [o.J.; zwischen 1556 und 1561], ist nicht mehr nachzuweisen. Da das einzige vor 1945 nachgewiesene Exemplar (Landesbibliothek Kassel) im Krieg verbrannt ist, folgt die bibliographische Angabe dem VD 16 (VD 16 A 555). Nicht auszuschließen ist, dass dieses Exemplar tatsächlich den Druck C repräsentierte.

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Einleitung

Bereits 1543 hat Waldis drei Fabeln separat publiziert (siehe den Abdruck unten, S. 368–392). Im Jahr 1623 hat ein sonst nicht bekannter Ulrich Wolgemuth – neben vielen anderen Fabeln des 16. Jahrhunderts – fast den gesamten Esopus wieder abgedruckt (siehe unten, S. 23).

Die Drucke des Esopus im 16. Jahrhundert

Titelblatt der Ausgabe 1555 (B). München: Bayerische Staatsbibliothek: 8° P.o.germ. 1554m

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Einleitung

Titelblatt der Ausgabe 1557 (C). Dresden: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek: Lit.germ.rec. B 2473 f. Deutsche Fotothek

Die Drucke des Esopus im 16. Jahrhundert

Titelblatt der Ausgabe 1565 (E). Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek: Lo 7807

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Einleitung

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Titelblatt der Ausgabe 1584 (F). Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek: Lo 7808

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5. Rezeption und Forschung 1623 veröffentlichte ein sonst nicht bekannter Ulrich Wolgemuth eine Fabelsammlung Newer vnd vollkommener Esopus, in die neben anderen Fabeln die Texte des Esopus Eingang fanden; in ihrem zweiten Teil sind sogar beinahe ausschließlich Waldis-Fabeln abgedruckt.43 Abgesehen von dieser Kompilation können Zeugnisse für eine frühe Rezeption des Esopus in Fabel- bzw. Schwanksammlungen nicht sicher bestimmt werden. In den protestantischen Sammlungen von Predigtexempeln des 16. und 17. Jahrhunderts finden sich mehrere Stoffe, die auch Waldis bearbeitet hat. Da es sich um verbreitete Geschichten handelt, kann der Esopus aber nicht sicher als Quelle bestimmt werden. Das gilt auch für die zuerst bei Waldis belegte Geschichte von der Reliquie, die angeblich über Hof und Felder getragen werden muss (III 94).44 Auch einige Schwänke von Michael Lindener45 und Martin Montanus46 zeigen motivische Parallelen, es überwiegen aber die Abweichungen. Ungeklärt ist das Verhältnis zu Hans Sachs (siehe oben, S. 16). Die frühe Rezeption des Esopus bekundet die funktionale Nähe zwischen Fabel und Sprichwort im 16. Jahrhundert (vgl. zu Das Leben Esopi 13). Ebenso wie Waldis offenbar Agricolas Sprichwörtersammlung benutzt hat, werden seine Fabeln oder einzelne sentenzenhaft bündige Verse in lehrhaft-gnomische Sammlungen aufgenommen. In Eyerings Proverbia sind mehrere Fabeln als Exempla aufgeführt.47 Bei Petri ist der Esopus komplett ausgewertet; etliche Sentenzen sind nur dort (und später dann bei Wander) als Sprichwörter ausgewiesen. Auch der Zürcher Glasmaler und Dichter Christoph Murer lässt die Figuren in seinem (ungedruckten) Drama Edessa (um 1611) mehrere Waldis-Fabeln als Exempla anführen.48 43

2 Bde., Frankfurt/M. – Eine Auswertung leistet Lieb, S. 218–234. Lediglich die letzte Nummer des zweiten Teils von Wolgemuths Sammlung stammt nicht aus Waldis, sondern ist eine Version des Ameisen- und Mückenkriegs von Hans Christoph Fuchs bzw. von Balthasar Schnurr von Lendsidel. Vgl. ferner Kurz, Einleitung, S. XVII–XIX, der auch die wichtigsten Textabweichungen verzeichnet. In dieser Edition wird der Druck textkritisch nicht berücksichtigt. 44 Vgl. Ernst Heinrich Rehermann, Das Predigtexempel bei protestantischen Theologen des 16. und 17. Jahrhunderts, Göttingen 1977 (Schriften zur niederdeutschen Volkskunde 8), Nr. 111, S. 172 (zu III 94). 45 Vgl. Michael Lindener, Schwankbücher: Rastbüchlein und Katzipori, hg. von Kyra Heidemann, 2 Bde., Bern u.a. 1991 (Arbeiten zur Mittleren Deutschen Literatur und Sprache 20), hier Bd. 2, Register. 46 Vgl. Martin Montanus, Schwankbücher (1557–1566), hg. von Johannes Bolte, Tübingen 1899 (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart 217), S. XIVf. 47 Vollständig oder in großen Auszügen sind aufgenommen I 22 in Eyering, Proverbia, Bd. 2, S. 702–705; III 76 in Eyering, Proverbia, Bd. 3, S. 154; III 91 in Eyering, Proverbia, Bd. 3, S. 135–137; IV 1 in Eyering, Proverbia, Bd. 1, S. 322–332; IV 3 in Eyering, Proverbia, Bd. 1, S. 435–438; IV 8 in Eyering, Proverbia, Bd. 3, S. 131–135. 48 Vgl. Thea Vignau-Wilberg, Die Fabelradierungen von Christoph Murer, in: Beiträge zur Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts in Zürich, hg. vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, Zürich 1978, S. 7–28.

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Einleitung

Offenbar wurde der Esopus auch in klerikalen Kreisen wahrgenommen, in denen die kirchenkritischen Polemiken für schroffe Ablehnung sorgten. Darauf deuten zwei Rezeptionszeugnisse in Form von drastischen Lesespuren hin: Im Londoner Exemplar von Druck B sind die misogynen Verse III 23,15f. geschwärzt; herausgerissen sind die Blätter 216–218, die die Fabel III 100 enthalten hatten. Bl. 215b endet mit der Überschrift Die c. Fabel/ Wie ein Barf.…, darunter steht in sorgloser Schrift (wohl 16. Jahrhundert): Dem Componiste sollt man den halß brechen […]. Erheblichere Eingriffe hat das Münchener Exemplar von Druck F erfahren, das schon zum Bestand der in Ingolstadt vom Jesuiten-Orden gegründeten Universität gehört hat: Herausgerissen sind Bl. 111f. (II 49,37– II 52,4); Bl. 116 (II 55,11–II 58,2); Bl. 118 (II 60,15–II 61,6); Bl. 199f. (III 99,63– III 100,118); Bl. 213 (IV 5,5–72); Bl. 228 (IV 18,11–78); Bl. 240 (IV 24,27–IV 25 Ü); Bl. 244f. (IV 29,9–IV 31,44); Bl. 251–253 (IV 38,11–IV 40,48). Wann diese Eingriffe erfolgten, ist nicht zu bestimmen, es gibt keine Lesespuren, die weitere Aufschlüsse erlauben würden. Besondere Ablehnung erfuhr aber offensichtlich Waldis’ Kritik an der Heiligenverehrung (II 50, IV 5), insbesondere der Franziskus-Verehrung (III 100), am Zölibat (II 60, IV 30, IV 40) und allgemein am heuchlerischen und sittenlosen Verhalten des päpstlichen Klerus (IV 24, IV 31, IV 39). Im nachopitzianischen Klassizismus des 17. Jahrhunderts findet Waldis kaum Erwähnung. Ein Interesse an seinen Fabeln erwacht erst wieder um die Mitte des 18. Jahrhunderts.49 Als Wiederentdecker des Esopus kann Christian Fürchtegott Gellert gelten. Der Verfasser der erfolgreichsten Fabelsammlung im 18. Jahrhundert überhaupt bearbeitet mehrere Fabeln des Esopus und macht seine Vorlage dabei kenntlich (»Die schlauen Mädchen« entspricht I 76; »Der Bauer und sein Sohn« entspricht III 88; »Der beherzte Entschluß« entspricht IV 67); in der Einleitung Nachricht und Exempel von alten deutschen Fabeln zitiert er I 33 (ohne Morale) und II 45 (mit verkürztem Morale).50 Vor allem aber gesteht er dem Fabeldichter in seiner Leipziger Disputationsschrift über Theorie und Geschichte der Fabel bemerkenswert viel Raum zu.51 Unter Gellerts Einfluss verstärkt sich zunächst das biographische Interesse an Waldis. Friedrich von Gemmingen52 und Johann Joachim Eschenburg,53 beide dem näheren Gellert-Umfeld zugehörig, verfassen lobende Artikel über den 49

Vgl. zum Folgenden Mohr, S. 62–76. Vgl. Christian Fürchtegott Gellert, Gesammelte Schriften. Kritische, kommentierte Ausgabe. Bd. 5, hg. von Werner Jung, John F. Reynolds, Bernd Witte, Berlin – New York 1994, S. 101–119, hier S. 109–112. 51 De Poesi Apologorvm Eorvmque Scriptoribvs (1744). Die Schrift wird bereits 1745 in Auszügen übersetzt, in vollständiger Übersetzung (Von denen Fabeln und deren Verfassern) erscheint sie allerdings erst nach Gellerts Tod 1772. 52 Schreiben, eine Nachricht vom Burkhard von W., und das Lob desselben betreffend, in: [Friedrich von Gemmingen], Briefe nebst andern Poetischen und Prosaischen Stücken, Frankfurt/M. – Leipzig 1753, S. 79–84. 53 [Johann Joachim Eschenburg], Ueber den Burcard Waldis, in: Unterhaltungen, Vierten Bandes Fünftes Stück, Hamburg 1767, S. 933–942. 50

Rezeption und Forschung

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Fabeldichter. 1771 erscheinen dann in Braunschweig anonym die Fabeln und Erzehlungen in Burkard Waldis Manier von Friedrich Wilhelm Zachariä, zu etwa zwei Dritteln aktualisierende Nachdichtungen von Waldis-Texten, denen der Verfasser eigene Fabeln im gleichen Stil hinzufügt. Zachariä übernimmt, ungewöhnlich für seine Zeit, den Knittelvers; in seinen Bearbeitungen streicht er oft das Morale oder kürzt es deutlich; gelegentlich aktualisiert er die Lehren, indem er neue Bezüge, etwa auf den Literaturbetrieb des 18. Jahrhunderts, stiftet. In seiner ausführlichen Einleitung liefert Zachariä die meisten der Stichworte, die in der Folgezeit die Waldis-Rezeption bestimmen werden. Das Buch erfährt positive Besprechungen und ist für die Wahrnehmung des Esopus im 18. Jahrhundert von immenser Bedeutung; ein erster Nachdruck erscheint noch 1771. Eschenburg gibt postum die Fabeln und Erzehlungen seines Freundes Zachariä um eine Auswahl von 35 Waldis-Fabeln vermehrt heraus, die einen direkten Vergleich zwischen den alten Fabeln und Zachariäs Bearbeitungen erlauben sollen.54 Bis 1782 folgen vier Ausgaben und weitere innerhalb von Zachariäs Poetischen Werken; einzelne Fabeln finden Aufnahme in Anthologien, Literaturgeschichten und Poetiken.55 Vor allem über Zachariä vermittelt dürfte Waldis im 18. Jahrhundert rezipiert worden sein. Die langen moralischen Auslegungen kritisiert man meist als geschwätzig. Einhelliges Lob finden dagegen Waldis’ anschauliche und lebhafte Art zu erzählen, seine bildkräftigen Schilderungen und die eingefügten Sprichwörter, und so kann er den prominentesten Fabeldichtern des 18. Jahrhunderts wie Hagedorn, Lichtwehr und sogar Gellert an die Seite gestellt werden. Mit der Zeit artikuliert sich daneben immer deutlicher ein weniger von Regelpoetiken geprägtes, sondern philologisch-kulturgeschichtliches Interesse am Esopus, der zunehmend auch als Dokument einer vergangenen Epoche, ihrer Dichtung und Kultur begriffen wird; den Anfang macht bereits Zachariä in der Einleitung zu seinen Fabeln und Erzehlungen.56 Dieses Interesse betrifft zum einen Waldis’ Sprache; Lessing, der den Esopus in seinen fabeltheoretischen Abhandlungen nicht erwähnt, nimmt Vokabeln aus Waldis-Fabeln in seine Notate für ein deutsches Glossarium auf.57 Friedrich von Gemmingen weist auf die Historizität von Waldis’ Sprachgebrauch hin und fügt einige Erläuterungen an. Auch Eschenburg signalisiert in seinem anonym erschienenen Aufsatz ein Interesse an der Sprache des Dichters und stattet seine erweiterte Ausgabe von Zachariäs Fabeln und Erzehlungen mit Worterklärungen aus. Bei Herder verschiebt sich das Interesse am 54

Fabeln und Erzählungen in Burkhard Waldis Manier von Herrn Friedrich Wilhelm Zachariä. Neue Ausgabe mit einem Anhange von ausgewählten Original-Fabeln des Waldis, und dazu nöthigen Spracherklärungen begleitet von Johann Joachim Eschenburg, Braunschweig 1777. 55 Vgl. Fritz Meyen, Bremer Beiträger am Collegium Carolinum, Braunschweig 1962, S. 130–164. 56 Vgl. oben, S. 4. 57 Gotthold Ephraim Lessing, Beiträge zu einem deutschen Glossarium und grammatischkritische Anmerkungen, in: ders., Gesammelte Werke in zehn Bänden, hg. von Paul Rilla, Bd. 7, Berlin 1956, S. 141–180, hier S. 153, 155, 159, 161, 164.

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Einleitung

kulturgeschichtlichen Wert der Waldis-Fabeln ganz auf die spruchhafte Qualität und die eingeschobenen Sprichwörter; in ihnen sieht Herder gar den Charakter des deutschen Wesens ausgedrückt: Zum Spruch gehört die Fabel. […] Oft sagt, nach Deutscher Weise in wenig Worten, das Sprüchwort die Fabel selbst, oder citirt, treu wie ein Referent, die Veranlaßung, bei welcher und von wem das Sprüchwort gesagt ward […]. Der alte Geist der Deutschen Erzählung ist so ganz der echte Geist der Fabel […]. Auch hier mögen Boners Fabeln, mancher Minne- und Meistersänger, Burkhard Waldis und in neueren Zeiten wie viele, viele für den feinen ruhigen Lehrsinn der Deutschen reden.58

Herder rückt Waldis in eine doppelte Traditionslinie, für die einerseits Äsop der Gewährsmann ist, die andererseits über die mittelalterlichen Spruch- bzw. Fabeldichter Freidank, Hugo von Trimberg und Ulrich Boner verläuft;59 bezeichnenderweise wird Waldis dabei ganz dem Mittelalter zugeschlagen. Mit dem Interesse an der abenteuerlichen Biographie, an der altertümlichen Sprache und der vermeintlichen Repräsentanz eines deutschen Wesens sind Linien für die Waldis-Rezeption im 19. Jahrhundert vorgeprägt. Die eigentliche biographische Forschung beginnt um die Mitte des Jahrhunderts mit den Arbeiten von Mittler (1855), Buchenau (1858), Schirren (1861) und anderen. Die Literaturgeschichten des 19. Jahrhunderts heben die Erzählkunst und Ausdruckskraft des Fabeldichters hervor. Die Bearbeiter des Grimmschen Deutschen Wörterbuchs werten den Esopus vollständig aus; das dürfte nicht zuletzt an der Einschätzung gelegen haben, Waldis führe ganz die Sprache des Volkes. Seit dem 19. Jahrhundert sucht die erzähl- und motivgeschichtliche Forschung verstärkt Vorlagen zu den Fabeln zu bestimmen. Die Zuordnungen erfolgen teilweise unbekümmert; dennoch sind das späte 19. und das frühe 20. Jahrhundert mit den Editionen von Kurz und Tittmann sowie den stoffgeschichtlichen Untersuchungen von Stiefel, Martens und Lindemann insgesamt als der bisher produktivste Zeitabschnitt in der Waldis-Forschung zu werten. Nach dem instruktiven Forschungsbericht von Riordan60 ist die Forschung zum Esopus fast ganz zum Erliegen gekommen. Abgesehen von der 1995 erschienenen Dissertation von Lieb gibt es weder Monographien noch Aufsätze, die sich in erster Linie mit dem Esopus beschäftigen würden. Gelegentlich dient der Esopus als Vergleichsobjekt.61 Ganz vereinzelt haben Waldis-Fabeln auch eine vergleichende Analyse 58

Johann Gottfried Herder, Briefe, den Charakter der deutschen Sprache betreffend, in: Adrastea VI 12 (Herders Sämmtliche Werke, hg. von Bernhard Suphan, 33 Bde., Berlin 1877–1913, Bd. 24 [1886], S. 394f.). 59 Vgl. auch Herder, Andenken an einige ältere Deutsche Dichter (Herders Sämmtliche Werke, hg. von Bernhard Suphan, 33 Bde., Berlin 1877–1913, Bd. 16 [1887], S. 192– 252, hier S. 223–226), sowie Mohr, S. 71–74, mit weiteren Nachweisen. 60 John Lancaster Riordan, The Status of the Burkhard Waldis Studies, in: Modern Language Quarterly 2 (1941), S. 279–292. 61 So z. B. bei Peter Hasubek, Der Erzähler in den Fabeln Lessings, in: Fabelforschung, hg. von Peter Hasubek, Darmstadt 1983 (Wege der Forschung 572), S. 363–383, hier S. 378–382.

Zu dieser Ausgabe

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erfahren.62 Eine reine Stellensammlung aus Waldis liefern Ernst Heinrich Rehermann und Ines Köhler-Zülch.63 Erst in jüngster Zeit erfährt der Esopus wieder etwas mehr Aufmerksamkeit (Kipf, Mohr), eine Tendenz, die die vorliegende Edition zu stärken hofft.

6. Zu dieser Ausgabe Die bisher einzige vollständige Edition des Esopus stammt von Heinrich Kurz (1862); sie muss als editorische Pionierleistung gewertet werden, die hier nicht ausreichend gewürdigt werden kann. Kurz kannte aber nur den Grundstock des Aesopus Dorpii und führte daher für die Fabeln II 32 bis III 83 eine Vielzahl möglicher Vorlagen an, was der falschen Annahme Vorschub leistete, Waldis habe aus einer Vielzahl von Quellen geschöpft. Statt den Erstdruck von 1548 zugrundezulegen, wählte Kurz als vermeintliche Ausgabe letzter Hand den Druck von 1557, dessen Eingriffe in den Text aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von Waldis, sondern vom Frankfurter Drucker Weigand Han stammen. Das Variantenverzeichnis berücksichtigt zwar neben den Drucken des 16. Jahrhunderts auch die Bearbeitung durch Ulrich Wolgemuth, ist aber lückenhaft. Nicht selten erschließt Kurz die Bedeutung unverständlicher Wörter aus dem Kontext und suggeriert damit ungerechtfertigt Klarheit; einige seiner sonst nicht belegten Worterklärungen finden sich in die späteren Bände des Deutschen Wörterbuchs und zuletzt in die des Frühneuhochdeutschen Wörterbuchs aufgenommen. Schwerer noch muss aber der Einwand wiegen, dass Kurz die Fabeln mit moderner Interpunktion versieht und damit keinen unverstellten Blick auf die frühneuhochdeutsche Syntax bietet, sondern zahlreiche semantisch relevante Vorentscheidungen trifft. Dem Prinzip moderner Interpunktion folgt auch Julius Tittmanns Edition des Esopus (1882), die manche Mängel von Kurz ausgleichen kann. Tittmann gibt den Text nach Druck A wieder, greift aber willkürlich in die Orthographie ein. Zudem ediert Tittmann den Esopus unvollständig: Ohne weitere Begründung vermerkt er in seiner Einleitung, dass das vierte Buch »hier nicht ganz vollständig gegeben« werde – 40 Fabeln fehlen –, »es wurde aber das Beste und unsere Zeit am meisten Ansprechende ausgewählt«.64 Beide Ausgaben entsprechen nicht mehr heutigen Ansprüchen an die Edition frühneuzeitlicher Texte.

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Vgl. die Literaturangaben zu IV 93 (Beyerle) oder zu I 40 (Peil). Ernst Heinrich Rehermann und Ines Köhler-Zülch, Aspekte der Gesellschafts- und Kirchenkritik in den Fabeln von Martin Luther, Nathanael Chytraeus und Burkhard Waldis, in: Die Fabel. Theorie, Geschichte und Rezeption einer Gattung, unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter hg. von Peter Hasubek, Berlin 1982, S. 27–42. 64 Tittmann, Einleitung, S. LXIII. 63

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Einleitung

Grundsätze der Texteinrichtung Die vorliegende Ausgabe bietet im ersten Band einen kritischen Text des Erstdrucks von 1548 (A). Benutzt wurde das Exemplar der Niedersächsischen Staatsund Universitätsbibliothek Göttingen (Signatur: 8° Poet.Germ. II, 2808 Rara), das – soweit wir sehen – einzig erhaltene Exemplar. Eingriffe der Herausgeber setzt schon die Übertragung aus der Fraktur- in Antiquaschrift voraus, sie erfolgten aber möglichst behutsam: Die zwei Formen des -r- in der Frakturschrift reduzieren sich in der Antiqua auf ein Zeichen. Schaft-s und geschwänztes -s- werden als das heute geläufige -s- wiedergegeben. Nasal- und Geminationsstriche sowie Ligaturen wurden stillschweigend aufgelöst, ebenso die wenigen Abbreviaturen: dz=das, wz=was, d mit Apostroph d’=der, ebenso v’=ver. Maßgebend für die Auflösung war der Usus scribendi innerhalb des Erstdrucks oder in den anderen Drucken. Die graphematische Varianz wurde ansonsten beibehalten. Entsprechend wurden auch ein oder mehrere Großbuchstaben nach einer Initiale sowie superskribierte Buchstaben beibehalten. Die wenigen graphischen Hervorhebungen durch Wechsel der Drucktypen wurden nicht wiedergegeben. Als Trennstrich dient statt der im Frühneuhochdeutschen gebräuchlichen doppelten Divis die heute übliche einfache Divis. Die Interpungierung durch Virgeln wurde beibehalten; die Verwendung der heute geläufigen Interpunktion hätte vielfach Interpretationen und Festlegungen erfordert, die der reihenden frühneuhochdeutschen Syntax unangemessen wären und zudem der Wahrnehmung des Lesers vorgreifen würden. Jede Virgel ist mit folgendem Leerzeichen, jedoch ohne voranstehendes Leerzeichen gesetzt. Kustoden und Bogenbezeichnungen sind, wie allgemein üblich, weggelassen worden. Jeder Seitenbeginn des foliierten Erstdrucks ist durch arabische Zahlen in eckigen Klammern gekennzeichnet. Sämtliche Emendationen oder Konjekturen sind im laufenden Text durch Kursivdruck angezeigt. Lediglich das öfter vorkommende Verdrehen von n zu u (und umgekehrt) wurde stillschweigend verbessert. In den Fabelüberschriften wurden die wenigen fehlenden Punkte hinter den Ordnungszahlen, fehlende Virgeln hinter dem Wort Fabel und fehlende Punkte am Ende der Überschrift ergänzt.

Erläuterungen und Hinweise zum Kommentarband Der vorliegende zweite Band der Neuedition des Esopus bietet einen ausführlichen Stellenkommentar zu jeder Fabel (2.). Darauf folgt ein textkritischer Abschnitt (3.); hier finden sich das Variantenverzeichnis der Drucke BCEF, ein kritischer Abdruck der Fabeln IV 7, IV 95 und IV 99 nach dem Druck von 1543 sowie eine Dokumentation der textkritischen Eingriffe in den Aesopus Dorpii. In einem vierten Bandabschnitt (4.) sind die zehn Register zusammengefasst, die Text und Kommentar möglichst vielfältig erschließen sollen: 1. Bibelstellen, 2. Zitate aus antiken Schriften, 3. Phraseologismen (Sprichwörter, Redensarten u. Ä.), 4. Fabelakteure, 5. Namen und Orte, 6. Motive, 7. Moralia, 8. Sachregister

Zu dieser Ausgabe

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zum Stellenkommentar, 9. Nummern der Bearbeitungsverzeichnisse, 10. Aesopus Dorpii: Nummern, Titel, Konkordanz. Die Einrichtung und Ansprüche werden, wo nötig, zu Beginn der jeweiligen Register erläutert. Eine Bibliographie (5.) mit Auflösung der verwendeten Abkürzungen beschließt den Band. Der Kommentar (2.; S. 31–357) zu jeder Fabel besteht aus den Rubriken ›Überschrift‹, ›Vorlage‹, ›Stellenkommentar‹ und gegebenenfalls ›Literatur‹: Ü b e r s c h r i f t : Jeder Einzelkommentar ist mit Zählung nach Buch und Fabel und dem Titel der Waldis-Fabel überschrieben.65 Wo möglich, wurden außerdem Hinweise auf weitere Bearbeitungen des Erzählstoffs gegeben, und zwar in hierarchischer Ordnung nach DG, ATU, Tubach und Pauli, zu dessen Stücken aus Schimpf und Ernst der Herausgeber Johannes Bolte mögliche Quellen und Vorlagen versammelt hat (vgl. hierzu das 9. Register: Nummern der Bearbeitungsverzeichnisse). Vo r l a g e : Nach der Überschriftenzeile folgt, soweit bekannt oder wahrscheinlich zu machen, der Abdruck der Vorlage. Alternativ dazu wird auf mögliche Vorlagen verwiesen. Der Abdruck der Fabeln aus dem Aesopus Dorpii folgt der (auch digital zugänglichen) Ausgabe Straßburg 1522 (Thoen 34), bei der es sich um einen genauen Nachdruck der erstmals erweiterten Ausgabe Straßburg 1521 (Thoen 30) handelt. Der Abdruck erhebt keinen editionswissenschaftlichen Anspruch, sondern will allein den Vergleich erleichtern. Der Text wird in normalisiertem Latein wiedergegeben und ist mit moderner Interpunktion versehen. Ligaturen und Abbreviaturen wurden aufgelöst. Offensichtliche Druckfehler wurden stillschweigend verbessert. An den Stellen, wo grammatisch oder semantisch in den Text eingegriffen wurde, wurden stichprobenartig andere Ausgaben konsultiert. Alle Änderungen erscheinen in Kursivdruck und sind im Abschnitt ›Textkritik‹ (3.3.; unten S. 393f.) dokumentiert. In den Fällen, in denen Waldis schon im Aesopus Dorpii gekennzeichnete Zitate übernimmt, sind diese auch dort nachgewiesen. S t e l l e n k o m m e n t a r : Der Stellenkommentar soll helfen, schwer verständliche Wortbedeutungen und Sachverhalte zu erschließen. Die poetische Faktur der Fabeln, die Koordination von Bildhintergründen, die Pointen, auch die Brüche in Waldis’ Gedankengängen nachzuvollziehen, soll dem Leser allerdings nicht vorweggenommen werden. Zwischen Übersetzungshilfen bzw. Wort- und Sachkommentar wird formal nicht unterschieden, zumal beides fließend ineinander übergehen kann. Aus denselben Gründen wurde kein Glossar eingerichtet, wie es Kurz in seiner Edition geboten hatte; die Bedeutung von einzelnen Wörtern und von Phrasen ist oft vom Kontext abhängig, ein Glossar könnte diese Nuancen schwerlich abbilden. Stattdessen werden heute nicht mehr gebräuchliche Wörter 65

Der Titel ist hier behutsam vereinheitlicht, beansprucht also an dieser Stelle keinen kritischen Wert: Die redundante Angabe, um die wievielte Fabel es sich handelt, wurde ausgelassen; das erste Wort jeder Überschrift ist einheitlich groß geschrieben.

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Einleitung

im Kommentar zu jeder Fabel erläutert. So kommt es zwar zu Wiederholungen, aber dem Leser wird nicht eine durchlaufende Lektüre des gesamten Kommentars zugemutet. Einheitlichkeit in der Kommentierung wurde angestrebt, ließ sich aber bei mehr als vierhundert Einzelkommentaren nicht vollständig realisieren. Die von der bisherigen Forschung angebotenen Worterklärungen, Kommentare und Vermutungen zu Vorlagen (insbesondere bei Kurz, Sandvoss, Sanders, Stiefel) sind stets berücksichtigt, werden aber nur im Einzelfall, hauptsächlich bei strittigen Fragen, angeführt. Ebenso beschränken sich die Nachweise aus den konsultierten Wörterbüchern in erster Linie auf strittige Fälle oder schwach belegte Bedeutungen. Die Worterläuterungen sind an drei verschiedenen Ansprüchen ausgerichtet: Zum einen Teil versuchen sie etymologische Verwandtschaften erkennbar zu halten, daneben bieten sie Übersetzungen im engeren Sinne oder, wo nötig, Paraphrasen. Bei der Frage, was kommentierungsbedürftig sei, werden die Ansichten auseinander gehen. Insbesondere die mit dem Mittel- und Frühneuhochdeutschen vertrauten Leser mögen es uns nachsehen, wenn ihnen die Nachweise unnötig reichhaltig erscheinen. Auf sprachgeschichtliche und grammatische Hintergründe sowie auf Begründungen für unsere Übersetzungen oder Paraphrasen konnten wir aus Platzgründen nur ausnahmsweise eingehen. Die Sachkommentare sollen einen Zugang zu Waldis und seinem kulturellen Hintergrund eröffnen; nicht nur das kulturelle Wissen, sondern auch, auf welche lebenspraktischen oder spezialisierten Wissensbestände Waldis Bezug nimmt, soll so erschließbar gemacht werden. Angestrebt wurde dabei eine mittlere Erschließungstiefe, die über kurze Erklärungen hinaus auch die Einbettung von Dingen und Sachverhalten in die Kultur der Frühen Neuzeit andeutet. Verweise auf weiterführende Forschungsliteratur in den Sachkommentaren konnten schon aus Gründen des Umfangs nur sparsam gegeben werden. Negativ-Befunde werden sehr zurückhaltend genannt, außer dort, wo Hinweise im Text – etwa wenn einer Phrase sprichwörtlicher Charakter zugeschrieben wird – sie nahelegen. L i t e r a t u r : Abschließend wird Forschungsliteratur angegeben, sofern sie zum weiteren Verständnis der Fabel beiträgt. Ausführlichere Nachweise bietet Lieb, S. 277–324.

2. Kommentar Titelblatt Esopus … in Reimen gefaßt] Der Name Äsop steht hier metonymisch für die vermeintlich von ihm begründete Gattung der Fabel. Waldis’ Textgrundlage ist eine in der Forschung als Aesopus Dorpii bezeichnete Anthologie lateinischer Prosafabeln (siehe Einleitung, S. 15). Welche der insgesamt über 100 Ausgaben dieser Sammlung Waldis benutzt hat, ist nicht zu rekonstruieren. Jedenfalls trifft er auch aus den ihm verfügbaren Stoffen eine Auswahl (vgl. Lieb, S.  36–42). Waldis arbeitet die Prosafabeln des Aesopus Dorpii in Verse um, während etwa Luther  1530 die Arbeit an Prosafabeln aufnahm und schon Steinhöwel in seinem Äsop (1476) Prosatexte präsentiert hatte. Versfabeln dagegen verfasste etwa gleichzeitig wie Waldis auch Erasmus Alberus. Mit … Hundert Newer Fabeln] Vgl. zu Das Leben Esopi 17f. Der Holzschnitt auf dem Titelblatt ist eine Kopie der Illustration zu Psalm  53 über die gottlosen Toren in der Zürcher Bibel von 1531 (vgl. Heimo Reinitzer, Biblia deutsch. Luthers Bibelübersetzung und ihre Tradition, Hamburg 1983 [Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek  40], Abb.  131 [S.  214], sowie Vögel, S. 214, mit weiteren Hinweisen). Er zeigt eine männliche Figur, die auf einem Steckenpferd reitet und von drei Knaben umringt ist. Bereits die zerrissene, die Beine freilassende Kleidung weist sie als Narr aus. Auch die auffällige Kopfbedeckung, bei der es sich wohl um eine Art Federhut handelt, fügt sich in die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Narrenikonographie. Der Mann hat eine Ratsche oder eine Windklapper unter den linken Arm geklemmt. Die Ratsche konnte in oberdeutschen Gebieten in der Karwoche statt der Glocken zum Gottesdienst rufen; metaphorisch steht sie im Oberdeutschen für einen schwatzhaften Menschen. Ähnlich kann die Windklapper im Hessischen »als vergleich für ein geläufiges mundwerk« (DWb 30, Sp. 309) dienen. Auch das Steckenpferd verweist auf den Typus des Narren; vgl. Murner, Narrenbeschwörung 15. Es ist hier zudem nicht als Stab mit Pferdekopf gestaltet, sondern zeigt einen Kopf mit teuflischen oder möglicherweise menschlichen, jedenfalls verzerrten Zügen. Stäbe mit einem grinsenden Kopf am Ende sind seit dem 14. Jh. als Narrenattribute belegt (vgl. Hadumoth Hanckel, Narrendarstellungen im Spätmittelalter, Diss. Freiburg/Br. 1952, S. 43); vielleicht sollen sie ein Narrenpferd, den »narrenstock als steckenpferd der narren« (DWb 13, Sp. 377) andeuten. Auch dass der Narr seinen Stecken verkehrt herum reitet, entspricht der geläufigen Ikonographie.

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Kommentar zum Titelblatt

Die Figur steht damit in Spannung zur im Titel genannten Fabelautorität Äsop bzw. zum mit ihm verbundenen Textcorpus. Ob so auf den neuartigen Charakter der Fabelbearbeitungen (Gantz New gemacht) oder auf den satirischen Zug v.a. der neuen ›Fabeln‹ hingewiesen werden soll oder ob die Verwendung des Holzschnitts pragmatischen Gründen in der Druckerei geschuldet ist, kann nicht entschieden werden. Unsicher ist auch das Verhältnis des Narren zu den dargestellten Kindern. August Wünsche hat sie im Sinne einer begeisterten Gefolgschaft verstanden, die den (moral)didaktischen Anspruch und Erfolg der Fabeln signalisierten: »Auf dem Titelblatt reitet Esopus in Eile als Narr auf einem Steckenpferde durch die Länder, die eine Hand hat er zum Lehrvortrage erhoben, ihm voraus eilt ein Knabe, während zwei andere ihm folgen« (Die Pflanzenfabel in der mittelalterlichen deutschen Litteratur, in: Zeitschrift für vergleichende Litteraturgeschichte N.F. 11 [1897], S. 373–441, hier S. 399). Ebenso scheint es aber möglich, dass die Knaben den Narren auslachen und vertreiben. Eine solche Interpretation träfe sich mit der Skepsis, mit der Waldis selbst an einer Stelle seine mögliche pädagogische Wirkung als Fabeldichter einschätzt (vgl. III  2,15–18), und mit einer Stelle in Horaz’ De arte poetica über den von Kindern verfolgten überspannten Dichter, an die hier möglicherweise zu denken ist (De arte poetica [= Epistulae II 3], 453–456). Die Drucke E und F (siehe die Abbildungen oben, S.  21f.) verwenden auf dem Titelblatt einen Kupferstich, der einen verwachsenen Mann vor einem Paar auf einer reich gepolsterten Bank zeigt. Dieser Stich stammt aus der Werkstatt des Virgil Solis, der für eine Ausgabe von Äsops Fabeln in der Bearbeitung von Johannes Posthius und Hartmann Schopper zahlreiche Stiche angefertigt hatte (Aesopi Phrygis fabvlae, elegantissimis eiconibvs veras animalium species ad viuum adumbrantes […], Frankfurt 1566). Die Stiche zum Leben Äsops zeigen den Sklaven stets mit der gleichen unförmigen Gestalt und mit übergroßem Kopf. Der Mann auf der Bank ist anhand der Kopfbedeckung als Xanthus (vgl. Das Leben Esopi  175–240) zu identifizieren, der stets mit der gleichen Mütze dargestellt ist. Die Stiche fanden auch in einer noch im gleichen Jahr erschienenen Ausgabe mit zusätzlichen deutschen Versen Verwendung (Aesopi Phrygis fabvlae, elegantissimis iconibvs veras animalium species ad viuum adumbrantes Ioannis Posthij Germeshemij Tetrastichis illustratae. Cvm praefatione et aliqvot epigrammatibus Hartmanni Schopperi […]. Mit Sch ne[n] vnnd kunstreiche[n] Figuren vber alle Fabeln Esopi/ allen Studenten/ Malern/ Goldschmiden/ vnd Bildhauwern/ zu nutz vnd gutem mit fleiß gerissen durch Vergilium Solis […], Frankfurt  1566). Beide Ausgaben erschienen in der Offizin von Georg Raben (Corvinus), Sigismund Feyerabend und Wygand Hahns Erben. Beide Male ist der Stich an die Stelle gesetzt, wo aus dem Leben Äsops berichtet wird, wie Xanthus ihn in sein Haus einführt und der missgestaltete Sklave bei dessen Frau und der weiblichen Dienerschaft Entsetzen auslöst (Bl. 9a bzw. 4b; Waldis erzählt diese Szene nicht; vgl. zu Das Leben Esopi 20). Die leicht erotische Darstellung von Mann und Frau verdankt sich möglicherweise dem Umstand, dass die Frauen in Xanthus’ Haus sich einen attraktiveren Sklaven erhofft hatten. Die frühere Verwendung für das Titelblatt von Waldis’ Esopus (Druck E erschien 1565) könn-

Kommentar zur Vorrede

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te auf das Verlagsprogramm der Druckoffizin hinweisen; der Kupferstich für Schoppers Äsop-Ausgaben wäre demnach bereits angefertigt gewesen und fand zuerst beim früher gesetzten Esopus Verwendung. Ein Motiv für die Auswahl gerade dieses Kupferstichs, abgesehen von einem möglichen Bezug auf einige einschlägige Texte unter den neuen ›Fabeln‹, ließ sich nicht feststellen.

Vorrede Stellenkommentar 1f. Herrn/ Ern Johann Butten … Lyfflande] Johann Butte oder Buthe war seit  1530 Kämmerer und ab  1535 Bürgermeister der Stadt Riga (vgl. Heinrich Julius Böthführ, Die Rigische Rathslinie von 1226 bis 1876 nebst einem Anhang: Verzeichniss der Aeltermänner, Aeltesten und Dockmänner der grossen Gilde in Riga von 1844 bis 1876, 2. Aufl., Riga u.a. 1877, S. 124); als solcher ist er noch für 1557 und 1558 in Urkunden nachweisbar; vgl. Briefe und Urkunden zur Geschichte Livlands in den Jahren 1558–1562, hg. von Friedrich Bienemann, Bd. 1, Riga 1865, S. 18; 61f. – Riga, heute die Hauptstadt Lettlands, war in Spätmittelalter und Früher Neuzeit die Hauptstadt Livlands. 2 g)nstigen] gewogenen. 5 E. E.] Geläufige Abkürzung für ›Euer Ehren‹. 5f. vor etlichen Jaren … anhub] Soweit sich rekonstruieren lässt, ist Waldis seit 1523 in Riga bezeugt; seit 1524 ist er nicht mehr Mönch und damit bei literarischen Vorhaben auf weltliche Gönner angewiesen; er muss schon 1527 eine gute Verbindung zum damaligen Bürgermeister oder zum Rat gehabt haben, als er sein Spiel Vom verlorenen Sohn aufführen konnte; siehe Einleitung, S. 10. Der Beginn seiner Arbeit am Esopus lässt sich nicht genauer eingrenzen. 8 vnderstanden] unternommen. 10 zuschreiben] widmen. 11 meynung] Hier: Bewandtnis. 11f. vielerley vnfelle … leibsgebrechen] Zu Waldis’ Vita siehe Einleitung, S. 10–14. 12 widerstand] Hindernisse. vndernommen] überwältigt; vgl. DWb 24, Sp. 1696f., mit Bezug auf diese Stelle. 13 fehrlichen] gefährlichen. 13f. Kriegshendel vnd Emp runge … werende] Auf welche konkreten Ereignisse Waldis mit inn gantz Deutschen Landen/ nu etliche Jar anspielt, ist kaum sicher einzugrenzen. Denkbar sind die politischen Verwicklungen in Riga nach der Einführung der Reformation 1522, die auch für Waldis selbst verhängnisvoll wurden; vgl. Einleitung, S. 10–13. Zeitlich näher lägen die – weithin beachteten – Auseinandersetzungen zwischen Herzog Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel auf Seiten der (katholischen) Liga und Landgraf Philipp von Hessen sowie Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen auf Seiten des Schmalkaldischen Bundes. Wolfenbüttel wurde 1542 nach kurzer Belagerung durch die schmalkaldische Seite eingenommen. In vier Schmähgedichten auf Heinrich zeigt sich Waldis über Ablauf und Vorgeschichte dieser Streitigkeiten gut informiert; vgl. Waldis, Streitgedichte (dort auch die Einleitung zu den historischen Hintergründen). – In seiner Schrift VRsprung vnd Herkummen der zw lff ersten alten K nig […] von 1543 greift Waldis die allgemeine Unruhe wegen der von den Türken ausgehenden Gefahr auf. 17 schier gar … blieben] fast ganz in den Hintergrund geraten; vgl. DWb 2, Sp. 693, auch mit Be-

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zug auf diese Stelle. 17 Letten] Dreck; vgl. DWb 12, Sp. 792, auch mit Bezug auf diese Stelle. Möglicherweise klingt auch der Fluss Lethe (gr. ›Vergessen‹) aus der griechischen Mythologie an, über den die Gestorbenen in das Totenreich übersetzen; in den Letten gefallen hieße in diesem Sinne ›dem Vergessen anheimgefallen‹. 19 vbersehen] prüfend durchgesehen. – Da die Fabeln des Esopus in der Reihenfolge über weite Strecken genau ihrer lateinischen Vorlage folgen (vgl. Register Nr. 10), ist ihre nachträgliche Anordnung, wie Waldis sie im Folgenden impliziert, ganz unwahrscheinlich. Mit vbersehen/ vnd in diese form vnd ordnung gstellet ist eher die im Drucker- und Verlagswesen geläufige Formel ›übersehen und korrigiert‹ (vgl. DWb 23, Sp. 539) variiert. 20f. die Fabeln Esopi … funden] Waldis differenziert hier zwischen den ›äsopischen‹ Fabeln und den in der erweiterten Fassung angefügten Fabeln der italienischen Humanisten Abstemius, Valla und Rinucius. Siehe Einleitung, S.  15. 21f. in jeglich Buch ein Hundert] In der Frühen Neuzeit ist die Hundert eine beliebte Größe zur Gliederung umfangreicher Textsammlungen, wohl auch, weil sie in der christlichen Zahlensymbolik auf Abgeschlossenheit und Vollendung hinweist; vgl. Jan Mohr, Hundert, in: Metzler Lexikon literarischer Symbole, hg. von Günther Butzer/Joachim Jacob, Stuttgart  2008, S.  166f. 23 sonderlich] eigenes. 27 in andern B)chern … dargethan] Mit dem gleichen Argument verzichtet 1534 Erasmus Alberus in der ersten Ausgabe seines Fabelbuchs auf eine theoretische Erörterung der Fabeldichtung. Mit den bereits vorliegenden Fabeltheorien kann in deutscher Sprache etwa das Vorwort zu Steinhöwels Äsop (S. 5f.) gemeint sein. Luther hatte 1530 an einer Fabelsammlung zu arbeiten begonnen; sie wurde zwar erst  1557 gedruckt, Waldis, der  1541 als Student der Theologie an der Universität in Wittenberg eingeschrieben war, könnte sie und ihre Vorrede aber zur Kenntnis genommen haben. 28 Leser … wol empfinden] Auf die Eigenverantwortung des Lesers weist etwa schon Steinhöwel im Vorwort zu seinem Äsop hin (S.  4f.). Im  16. Jh. wird sie zu einem wichtigen Argument in der Reflexion über die Ambivalenz von parabolischer Rede und Sprache überhaupt; vgl. Vögel, S. 207–223. 28f. nicht den Gelerten … lieben Jugent] Waldis setzt sich von der Tradition humanistischer (lateinischer) Fabeln ab und adressiert seine Sammlung an die Jugend, wie etwa auch Sebastian Brant in seinen Additiones zur Äsop-Ausgabe von 1501 (Brant, Fabeln) und mehrfach Luther in der Vorrede zu seinen (erst 1557 gedruckten) Fabeln. 30 zu dienste vnd f)rderung] zu Nutzen und Förderung. Mit der Formel prodesse et delectare (›nützen und unterhalten‹, in Anlehnung an Horaz, De arte poetica [= Epistulae II  3],  333) ist Literatur in der Frühen Neuzeit stets auch auf eine didaktische Funktion festgelegt, zumal die Fabel mit ihrem explizit lehrhaften Anspruch. 30f. fast an allen enden] Etwa: immer und überall. 32 die zarten keuschen ohren … nicht zu ergern hetten] Dass Waldis zahlreiche schwankhafte Episoden auslässt (vgl. zu Das Leben Esopi  1–20), wird im Leben Esopi mit Kürze begründet (Die ich kurtz halb wil bleiben lossen; V. 242). Die folgenden Texte als für die Jugend geeignet zu erklären und dieser besonders ans Herz zu legen, wird zum topischen Bestandteil von Vorreden in Schwanksammlungen des 16. Jhs.; diese Parallele könnte bereits auf die stoffliche Nähe zu diesen Schwanksamm-

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lungen hindeuten, die sich besonders im vierten Buch zeigt. Vgl. Bärbel Schwitzgebel, Noch nicht genug der Vorrede. Zur Vorrede volkssprachiger Sammlungen von Exempeln, Fabeln, Sprichwörtern und Schwänken des  16. Jahrhunderts, Tübingen 1996 (Frühe Neuzeit 28), bes. S. 80. Andererseits wird die ›zarte Jugend‹ in einigen Fabeln durchaus strapaziert (vgl. Sachregister, etwa der Eintrag ›Sexualität‹), etwa mit der zotigen Pointe in III 100 oder mit IV 93, das einen Stoff bearbeitet, dessen lateinische Fassung zu übersetzen Steinhöwel sich noch geweigert hatte. Vgl. Einleitung, S. 9f. 34 f)r lieb] freundlich. 36 Datum] gegeben zu. Der Abschluss enthält mit Orts-, Tages- und Monatsangabe die in den zeitgenössischen Briefrhetoriken geforderten Angaben. 36f. Allendorff an der Werrha] Von 1544 bis zu seinem Tod 1556 oder 1557 hatte Waldis die Propstei Abterode in der Nähe des hessischen Allendorf inne. Die Reformation wurde in Allendorf auf Anordnung des Landgrafen Philipp I. von Hessen 1527 durch Justus Winther, im benachbarten Sooden durch Johann Kymäus eingeführt. – Bei Allendorf, wahrscheinlich in Wahlhausen, wurde Waldis auch geboren (wohl um  1495). 38 E. E. Weißheit williger] In Briefen wie in Widmungsvorreden geläufiger, formelhafter Schluss. Literatur Lieb, S. 30f.

Das Leben Esopi. Vorlage [Dorpius, Bl. 2a–4b] Aesopi vita brevissime ex maximo Planude. Aesopus genus traxit ex Ammorio oppido Phrygiae cognomento Magnae, sed fortuna fuit servus, verum servitus non potuit animum eius liberum corrumpere. Fuit autem non solum servus, sed et deformissimus omnium suae aetatis hominum. Nam acuto capite fuit, pressis naribus, depresso collo, prominentibus labris, niger, unde et nomen adeptus, ventrosus, valgus et incurvus, et quod erat omnium pessimum, tardiloquentia cum obscura simul et inarticulata voce. Quae omnia servitutem ei parasse videri possunt. Sed cum tali esset tamque deformi corpore, animo tamen fuit natura solertissimo, felicissimoque ad omne commentum. Homo igitur tam deformis ad fodiendum agrum ab hero suo emittitur, quo digressus alacriter operi incumbebat. Cumque eius domino ficus agricola quidam dono dedisset, eas dominus servo cuidam Agathopodi domum ferendas commisit. Qui Agathopus consilium iniit cum servo, ut ipsi ficus illatas devorarent causarenturque postea Aesopum eas furto ablatas comedisse. Hero domum redeunte accusatur Aesopus, parantur flagra, procumbit ad heri pedes miser, dilationem petit, qua impetrata aquam calidam affert, cuius partem ebibit, reliquam propinat conservis. Aesopus praeter aquam nihil evomit, servi una cum humore et ficus in terrram eiciunt. Nudi nebulones flagro misere conciduntur laudato mirifice ingenio Aesopi. Cum sacerdotes Dianae convenissent Aesopum rogassentque, viam ut illis monstraret, quae in urbem ducebat, is prius frugali cena refocillatos in viam dux ipse ducit. Ob quam hospitalitatem sacerdotes precibus orant Dianam, ut ipsa gratiam referat homini tam bene de ipsis merito.

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Quo facto reversus Aesopus in somnum lapsus visus est fortunam astare sibi solventem eius linguam atque fabularum largientem doctrinam. Qua re mirifice laetatus Aesopus expergiscitur, beneficium hoc in hospitalitatis observationem reicit. Non enim amplius loquendo tardus erat, sed lingua soluta expedite loquebatur. Quod cum Zenas quidam agri praefectus intellexisset, timens, ne quando iniquitatis apud dominum ab Aesopo accusaretur, hominem praevenit atque gravissima accusatione in odium domini induxit, adeo, ut eidem praefecto ab hero Aesopus traderetur. Cumque iam in potestate Zenae foret Aesopus, convenit Zenam mercator quispiam rogans, num iumentum aliquod velit divendere. Respondit Zenas iumentorum se potestatem non habere, verum Aesopum monstrat, an hunc velit, adesse quidem. Quem cum vidisset mercator: »Unde haec tibi olla«, inquit, »an ne truncus est, vel homo, ni vocem emitteret, utrem inflatum arbitrarer«, atque indignatus abiit. Aesopus ipsum sequens: »Mane«, inquit. Ille vero conversus: »Abi«, inquit, »sordidissime canis.« At Aesopus ait: »Eme me mercator, non inutile tibi sum futurus mancipium. Nam si tibi domi sunt mali pueri et sine otio flentes, his me praefice paedagogum, omnino eis ero pro larva.« Ridens igitur mercator ad Zenam dicit: »Quanti vas hoc malum vendis?« Ille: »Tribus«, ait, »obolis.« Mercator tres obolos exponens: »Nihil emi«, inquit, »nihil exposui.« Mercator ille, cum Ephesi reliqua vendidisset mancipia, tria remanserunt illi: grammaticus, cantor et Aesopus. Quos cum ille nequiret divendere, Samum petiit atque ibi expositis his tribus, grammatico et cantore egregie ornatis, Aesopo vero in medio sordidissimo stante venit philosophus Xanthus atque hos tres probe contuens mercatoris commentum miratus est, cur nam inter duos bellissimos iuvenes tam sordidum statuisset homuncionem. Xanthus igitur percontatur cantorem, cuias sit. »Capadox sum.« Quid sciret? Respondit: »Omnia.« Quo dicto risit Aesopus. Quaesivit et a grammatico Xanthus cuias esset. Dixit se Lydum esse. Quid facere sciret rogante Xantho: »Omnia«, inquit grammaticus, atque iterum Aesopus risit. Discedente Xantho rogant discipuli, ut Aesopum emat, nam reliquos nimis magno pretio aestimarat mercator. Veniens ad Aesopum Xanthus rogat, unde sit. Nigrum se esse respondit. Ille: »Vero, non hoc volebam«, ait, »sed unde natus sis.« Ait Aesopus: »Ex ventre matris meae.« »Non hoc dico«, Xanthus inquit, »sed in quo loco natus sis.« Aesopus ait matrem non renuntiasse sibi, an in sublimi vel humili loco eum genuerit. Xanthus, quid facere sciat, percunctatur, et ille: »Nihil.« »Quo modo?«, dicit Xanthus. »Quoniam hi duo se omnia nosse professi sunt, mihi vero nihil reliquerunt.« Laudatus est multis modis Aesopus ab scholasticis ob hoc responsum, quoniam nullus sit uspiam inter mortales, cui cognita explorataque sint omnia. Xanthus empturus Aesopum dixit: »Si emero te, an ne es fugiturus?« Cui Aesopus respondit: »Hoc si facere voluero, haudquaquam te utar consultore.« Quae cum maxime placuissent Xantho, sub intulit: »Sed deformis es.« Atque ille respondit: »O philosophe, non faciem, sed mentem oportet inspicere.« Xanthus soluto ab scholasticis precio Aesopum accepit. Inter deambulandum igitur, cum sol esset ardentissimus, Xanthus meiebat nihilominus iter peragens. Id animadvertens Aesopus dixit se confestim fugiturum. Xantho, cur nam id facere vellet, exquirente: »Quoniam«, inquit, »si tu, cum herus sis, naturae non potes morem gerere, quid servo mihi faciendum? Nam si ad ministerium aliquod mitterer, num inter volandum cacare deberem?« Post haec accidit Xanthum die quadam amicos ad convivium invitasse. Quibus rem gratam facturus Aesopo mandat, ut lentem coquat. Qua commode parata et cocta Xanthus eam iubet afferri. Aesopus iussa exequitur. Xanthus lente accepta probatu-

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rus, an ne cocta foret satis, digitis eam attrivit multas adhuc superesse putans. Quas iubens Aesopum afferre, praeter aquam is nihil apportavit. Xantho graviter indignante, cur non lentes apponeret mensae, respondit se veluti iussisset non lentes, sed lentem coxisse. Referuntur sententiae aliquot Aesopi elegantissimae, hae videlicet: Deum ante omnia cole. Regem honora. Bene agentibus ne invide. Linguae continens esto. Mulieri numquam credas secreta. Ne pudeat te semper discere meliora. Fac, quae te non maestificant. Bonum esse non te paeniteat. Aesopus, cum apud Samios ageret, libertate donatus est missusque Croeso regi bellum cum Samiis agenti. Id sua cum prudentia tum urbanitate effecit, ut Samiis placatus rex reconciliaretur. Samii multis honoribus redeuntem Aesopum exceperunt. Qui discedens ex insula orbem peragravit. Cui maximam familiaritatem fuisse memorant cum Lycero rege, a quo statua aurea Aesopo iussa erigi. Deinde peragrata Graecia Delphos pervenit, a quibus nullo affectus honore est, sed ab ipsis post multa salutaria praecepta e rupe praeceps devolutus mortuus est. Cuius mors gravi pestilentia ulta iniusti occisi Aesopi indicium Delphis exhibuit.

Stellenkommentar 1–20 ESopus Leben … zufassen] Der Sklave Äsop soll, aus Phrygien stammend, im 6. Jh. v. Chr. in Samos gelebt haben, um 575 freigekauft und 564 in Delphi ermordet worden sein (zu Einzelheiten vgl. Bengt Holbek, Äsop, in: EM  1, Sp.  882–889; RE  6,2, Sp.  1711–1714). Die Überlieferungen zu seinem Leben wurden etwa zu Beginn unserer Zeitrechnung mit zahlreichen schwankhaften Elementen und Versatzstücken orientalischer Herkunft ausgestaltet; dieser sogenannte Äsoproman wird in der Frühen Neuzeit breit rezipiert, einzelne Episoden finden auch gesondert Eingang in Schwankbücher; vgl. Niklas Holzberg, Vorwort, in: Der Äsop-Roman. Motivgeschichte und Erzählstruktur, hg. von Niklas Holzberg unter Mitarbeit von Andreas Beschorner und Stefan Merkle, Tübingen 1992 (Classica Monacensia 6), S. IX–XV. Wichtiger aber als die Frage, ob Äsop gelebt habe und welche Details seiner Vita nachweisbar seien, ist in der Frühen Neuzeit die Annahme, dass er die Fabel als Mittel, durch fiktive Beispiele zu überzeugen, geschaffen und ihr u.a. die Funktion einer Kritik aus der Sklavenperspektive als Möglichkeit mitgegeben habe. Waldis stellt weder die Existenz eines Sklaven Äsop noch Einzelheiten aus dessen Leben in Frage wie etwa Joachim Camerarius d.Ä. oder gar Luther, der die Existenz eines Sklaven Äsop rundheraus in Zweifel zieht (und vielleicht nie kein Mensch auff Erden Esopus geheissen; WA  50, S.  452; vgl. auch WA Tischreden  3, S.  353, Z.  15–18 [Nr. 3490]). Er grenzt sich aber von anderen Autoren ab, die mit der Lebensbeschreibung Äsops viel wunders treiben (V. 2) – gemeint sein könnten etwa Camerarius und Heinrich Steinhöwel mit ihren ausführlicheren Viten –, und rechtfertigt die Kürze seiner Bearbeitung (auffs k)rtzest zusamen bracht, V.  4; Auffs k)rtzest sein Legend zufassen, V. 20) mit der angestrebten Vollständigkeit seiner Sammlung (V. 8). 5 seind das … meinung war] da ich die Absicht hatte. Der Satz wird nach einem längeren Einschub mit Vers 19 fortgesetzt. 8 So viel … bekommen] Zum Aesopus Dorpii als Waldis’ Textgrundlage vgl. Einleitung, S.  15. 9f. Auch ander … Beschrieben haben] Offenbar ist Waldis der Meinung, dass die ersten  140 Texte des Aesopus Dorpii (dies ist der Umfang der

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Editio princeps; entspricht I 1 bis II 31) die eigentlichen äsopischen Fabeln seien (vgl. auch II 30,1f. und II 31,1–8). Diese Deutung legen auch die Drucke nahe, wenn sie nach Nr. 140 die Angabe Fabvlarvm Aesopi Finis folgen lassen. Mit den ›gelehrten Leuten‹ dürften demnach die italienischen Humanisten Abstemius, Valla und Rinucius gemeint sein, deren Fabeln in die erweiterten Fassungen des Aesopus Dorpii Eingang gefunden haben. 11–14 Jn Schulen … eingef)rt] In den Lateinschulen des 16. Jhs. diente die Lektüre von Fabeln bereits in den ersten Klassen dem Spracherwerb; vgl. Elschenbroich, Bd.  2, S.  41f. Ab Vers  12 (im gmeynen wesen) wird markiert, dass Fabeln auch außerhalb der Schule allgemein bekannt waren. 13 Wie Sprichw rter] Der Vergleich belegt, dass bereits im 16. Jh. eine Analogie zwischen Fabeln und dem vorherrschenden Gebrauch von Sprichwörtern gesehen wurde: Es handelt sich jeweils um auch für die mündliche Kommunikation geeignete verfestigte, wiederverwendbare Texte, die ein konsensfähiges Erfahrungswissen und Handlungsregeln des alltäglichen Zusammenlebens mit allgemeinem Geltungsanspruch formulieren bzw. es erlauben, Situationen auf ein konsensfähiges Orientierungswissen zu beziehen. Dem Wortgebrauch in der Frühen Neuzeit entsprechend verwendet Waldis ›Sprichwort‹ aber auch in einem weiteren Sinne für einen klugen Ausspruch oder ein facete dictum (I 67,27; IV 31,57), für ein Gleichnis (IV 54,35) oder für denjenigen, der (im negativen Sinne) ins Gerede gekommen ist (III 6,10). Vgl. DWb 17, Sp. 64f. 13 Alligirt] zitiert. 14 wie Exempel eingef)rt] wie Exempel angeführt. In Mittelalter und Früher Neuzeit sucht man bei Autoritäten nach Orientierung für das eigene Handeln. Dabei spielt das Anführen von Exempeln, exemplarischen Figuren oder Sachverhalten eine zentrale Rolle, die eine Übersetzung mit ›Beispiel‹ nur unzureichend wiedergeben würde. 17f. Gebraucht … hinan gesetzt] Waldis’ Esopus I 1–III 83 folgt – mit Ausnahme von II 99 und III 61 – dem Aesopus Dorpii in der erweiterten Fassung. Für die folgenden 117 Fabeln (III 86 variiert den Stoff von III  3) sind zum Teil ebenfalls Vorlagen, etwa aus Fabel- und Schwanksammlungen, nachgewiesen, etliche sind aber wohl von Waldis selbst erfunden; siehe Einleitung, S. 15f. Diese Texte sind offenbar mit gmacht und hinan gesetzt gemeint. Gebraucht meint wohl ›als Vorlage verwendet‹; das Wort verweist semantisch zurück auf die wenn auch vagen Quellenangaben, syntaktisch ist es dem gmacht und damit den ›Eigenerfindungen‹ zugeordnet. Innerhalb der Tradition des Fabelerzählens nimmt Waldis damit eine uneindeutige Position ein, die zwischen der Bearbeitung bekannter Fabeln und eigenem Erfinden changiert. 20 Legend] ausführliche Lebensbeschreibung. Waldis konzentriert sich auf den Handlungsrahmen des Äsop-Romans und lässt die zahlreichen Schwänke und Streiche des Sklaven aus. Dadurch zeichnet er ein weniger ambivalentes Bild Äsops, als der Roman es vorgibt und wie es etwa von Joachim Camerarius d.Ä. und in der Folge dann teilweise von Erasmus Alberus aufgenommen wird. Bei Waldis ist Äsop ein Ränken ausgesetzter Sklave, der sich mit seiner Lebensklugheit verschiedener Nachstellungen und Beschuldigungen zu erwehren hat. – Möglicherweise ist mit ›Legende‹ ein Gegensatz zu ›Vita‹ markiert, der auf die Ungesichertheit und Unwahrscheinlichkeit des Überlieferten abzielte. Luther bezeichnet die Heiligenlegenden an einer Stelle als rechte l)genden, erstuncke-

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ne, Teuffelische l)gen und eitel verfurissche abg tterey, mit der man das Christenvolk betrogen habe (Die Lügend von St. Johanne Chrysostomo; WA 50, S. 53, Z.  26). Vgl. zu III  100,142–144. 21 Phrigia] Über Äsops vermeintliche Herkunft sind sich die antiken Quellen nicht einig. Phrygien, eine Region im Landesinneren der heutigen Türkei, war bekannt für seinen Sklavenhandel. 22 Amoria] Amorion, Stadt im antiken Phrygien. 23 leibeygen] Vgl. zu II  18,24–90 sowie II  39,23. 25 vnuerr)ckt] Kurz übersetzt: »unverletzt, d. h. kein Sklave«; dem folgt DWb  24, Sp.  2080. 28 vngeschlacht] ungestalt; zugleich schwingt die Bedeutung ›von unedler Abkunft‹ mit; vgl. DWb 24, Sp. 847. Dass Äsop ein hässlicher Sklave gewesen sei, ist wie auch die weiteren Einzelheiten zu seinem Leben erst relativ spät und unsicher belegt, so dass die Grenzen zwischen literarischer und biographischer Stilisierung nicht klar zu erkennen sind. 32 von einander glefftzen] Wohl: offenstanden; vgl. DWb 7, Sp. 7592, mit nur diesem Beleg. 38 b se sprach/ langsame red] Etwa: misstönendes und stockendes Sprechen. 39 mit heyßer b ser sprach] mit rauher, misstönender Stimme. 43 gem)t] Wesen. 44 schon] schön. 45 erf)ndig] erfinderisch. Selten belegt; vgl. DWb  3, Sp.  814, mit Bezug auf diese Stelle. 46 gedicht] Einfall; vgl. DWb  4, Sp.  2014f. 46 außb)ndig] hervorragend begabt. 47 entst)nd] Etwa: unterkam. Tittmann und DWb  3, Sp.  632, verstehen ›entstehen‹ in der mittelhochdeutschen Bedeutung ›mangeln‹, was aber nicht zum Relativsatz in Vers 48 passt. 48 k)ndt] gekonnt. 49 genos … selten] hatte er nie etwas davon. 50 seinr mißgstalt entgelten] für seine Missgestalt büßen. 52 ehrn] pflügen. 55 daussen] draußen. 60 Agathopodi] Sprechender Name: ›Gutfuß‹, ›gut zu Fuß‹ (gr. ›agathopus‹). 66 wehren] uns verteidigen. 72 besagt] beschuldigt. 82 worffens] erbrachen. 85 nach der that begobt] entsprechend ihrer Tat behandelt. 91 Göttin Diane] Göttin der Jagd. Dea uiarum omnium, montium, nemorum, & uenationis, iuuentutis, uirginitatis, partus […], erat dea Ephesiorum (Alberus, Dictionarium, Bl. zz2b); vgl. zu I 15,7. 102 lan] lassen. 105 Fortunam] die Glücksgöttin. In den antiken Quellen hilft Äsop einer verirrten Priesterin der Isis, die daraufhin ihre Göttin bittet, dem Stummen die Sprache zu verleihen. 109 Ward sich … regen] begann sich große Weisheit in ihm zu regen. Die enge Koppelung von Weisheit und der Kunst die Fabeln aus zu legen (V. 110) ist möglicherweise vor dem Hintergrund der in der Frühen Neuzeit üblichen Unterscheidung zwischen prudentia (Lebensklugheit) und einer nicht unmittelbar anwendungsbezogenen sapientia (Weisheit) zu lesen. Befähigte seine angeborene prudentia Äsop dazu, Listen zu ersinnen (vgl. V. 76; 87), so macht ihn erst göttliche Hilfe zum Begründer der kommunikativen Technik, Sachverhalte im Licht von Fabeln zu interpretieren, wodurch er dann neben die anderen Gewährsmänner antiker Weisheit gerückt wird. Streng ist diese Unterscheidung allerdings nicht durchgehalten; vgl. die Verse 43f. 111f. des gl)cks … zu wegen bracht] Die Formulierung macht deutlich, dass das Glück in Gestalt der Fortuna (V. 105) als handelnde Figur gedacht wird. 112 Das jm … bracht] dass es so etwas an ihm vollbracht hatte. 119 in eim st)ck besagen] irgendeines Vergehens beschuldigen. 121 jm den weg vermachen] ihm (Esopus) diesen Weg (also diese Möglichkeit) verbauen. 123 frommen] anständigen. 129 on geferd] zu-

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fällig. 131 zwar] freilich. 132 auff dis] bis auf dieses. 135 wan] woher. 136 solchem vngefug] einer solchen Missgestalt; vgl. DWb 24, Sp. 674, mit Bezug auf diese Stelle. 137 vergebes] umsonst. 142 schellig] zornig. 143 von stund] sofort. 146 zwar] gewiss. 148 Faßnacht putzen] Fastnachtsmaske. 154 Vas] Fass; vgl. V. 135 (Wasser krug) und 139 (Wasserschlauch). 156 zwar] wirklich. 158 kein verlust/ auch kein gewin] mit dem Geschäft mache ich weder Verlust noch Gewinn. 160 bey jm] bei sich. 161 Epheso] Ephesus, in der Antike eine der bedeutendsten griechischen Städte Kleinasiens, im Westen der heutigen Türkei. 163 jm jr drey vberlauffen] drei von ihnen nicht verkauft; vgl. DWb 23, Sp. 375, mit Bezug auf diese Stelle. 165f. Musicus … Grammaticus] Im Universitätssystem des Mittelalters und noch der Frühen Neuzeit umfasste das Studium die sieben freien Künste (septem artes liberales), die in die sprachbasierten Disziplinen des Triviums (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) und die mathematischen des Quadriviums (Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie) gegliedert waren; dieses propädeutische Studium diente der Vorbereitung auf das Studium der Theologie, des Rechts und der Medizin. Die beiden Mitsklaven vertreten also beide Teilbereiche der in der Artistenfakultät vermittelten artes liberales. Die Grammatik stellte als ars recte dicendi die Basis für Rhetorik und Dialektik dar, die das wirksame Reden bzw. den logischen Umgang mit Sachverhalten in der Sprache lehrten. 167 Samo] Samos, Insel im griechischen Mittelmeer nahe der türkischen Westküste. 168 ern Jarmarck trifft] er auf einen Markt trifft. 174 Des] darüber. 180 vnfletigen] abstoßenden. 181 Cantor] Sänger; gemeint ist der Musicus (V.  165). 182 Cappadoci] Kappadokien, im Altertum Name einer Region im Landesinneren der heutigen Türkei, östlich von Phrygien (vgl. V.  21). 184 ward Esopus lachen] da begann Äsop zu lachen. 186 von Lydo] aus Lydien; im Altertum der Name einer Landschaft an der Mittelmeerküste Kleinasiens in der heutigen Türkei, westlich von Phrygien (vgl. V. 21). Vnder allen so das klein Asia in im begreifft/ ist Lydia das aller fruchtbarest (Münster, Cosmographei, S. 1088). 190 fehr] weit. 192 Nach lassen] zurücklassen. 196 von wan] woher. 199 vernommen] gesehen. 207 thorn] Turm. 210 nichts vberal] überhaupt nichts. 213 han sich vermessen] waren anmaßend. 217 gar eben] genau. 218 ein h fflich antwort geben] eine gewandte Antwort gegeben hatte. 220 thar] wagen könnte. 220 gnug] vollständig. 221f. Denn es lebt … alles kan] Vgl. Die Geschichte des Pfarrers vom Kalenberg, hg. von Viktor Dollmayr, Halle/S. 1906 (Neudrucke deutscher Litteraturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts 212–214), V. 2165f.: Wan nyndert lebt auff erd kain man, | Der alle dinck gantz wissen kan. 226 befragen] besprechen. 232 pruntzet in dem gang] pinkelte im Gehen. 241 sagt man … bossen] erzählt man sich viele ungewöhnliche Possen. 242 kurtz halb] der Kürze halber. 243f. Allein das … Seind wert] allein soviel noch: etliche seiner Sätze sind es wert, […]. 250 dich … massen] dich deiner Zunge maßvoll bedienen; vgl. DWb 12, Sp. 1739. 251f. Was heimlich … nicht vertrawen] Die Aufforderung ist in Mi 7,5 mit einer allgemeinen Mahnung zu Misstrauen gegenüber den Mitmenschen verbunden und gewinnt erst in sprichwörtlichen Wendungen (vgl. TPMA Frau  1462–1470: ›Reserviertheit und Verschwiegenheit gegenüber der

Kommentar zu I 1

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Frau‹) ihren misogynen Zug. 252 Bey deinem leibe] beileibe. 253f. laß dirs sein … alle tage mehr] Sprichwörtliche Aufforderung, im Deutschen schwach belegt; vgl. TPMA lernen 128f.: ›Man hat nie ausgelernt‹. 256 dich stetes jeb] befleißige dich stets. 257 gab er stets vor] trug er immer vor. 263–271 Er ward auch … in grosser ehr] Vgl. auch III 78,33–38. 265f. K nig Creso … in Asia] Siehe zu I  40,38. 270 begobt] beschenkt. 275 von jm] von sich. 276 Gedechtnis] Denkmal. 277 Grecken land] Griechenland. 278 Delphis] Delphi. Der Ort des Apollo-Tempels, in dem die Pythia (Apollinis pf ffin; Alberus, Dictionarium, Bl. yy2a) in verrätselter Form die Ratssprüche Apollos verkündete, gehört zu den bekanntesten Orakelstätten der griechischen Antike. Vgl. III  30,1–4. 279–286 Daselb man … todt] In Waldis’ Darstellung wird Äsop nicht als der Schelm der Roman-Tradition gezeichnet; so bleibt der Mord an ihm unmotiviert. Nach der Vita Aesopi (Kap. 124–142) verspottet Äsop die Delpher und behauptet, sie stammten von Sklaven ab. Aus Rache schmuggeln diese einen goldenen Becher des Tempels in sein Gepäck und verurteilen ihn wegen Tempelraubs. 284 greitzt] angespornt. 285 Gaben … letste brodt] Redensartlich: ›das letzte Brot geben‹; vgl. Röhrich, S.  265. 288 sententz] Urteilsspruch. 291 verschaffts] bewirkt. Literatur Lieb, S. 31, 68f.

I 1 Vom Hanen vnnd Perlen.

DG 249

Vorlage [Dorpius, Nr. 1, Bl. 1a] De Gallo gallinaceo. Gallus gallinaceus, dum verrit stercorarium, offendit gemmam. »Quid«, inquiens, »rem sic nitidam reperio? Si gemmarius reperisset, nihil esset eo laetius, ut qui pretium sciret. Mihi quidem nulli est usui nec magni aestimo, immo equidem omnibus gemmis granum hordei malim.« Morale. Per gemmam artem sapientiamque intellige, per gallum hominem stolidum et voluptarium. Nec stolidi artes liberales amant, cum usum earum nesciant, nec voluptarius, quippe cui una placeat voluptas.

Stellenkommentar 1–11 GOTT … darben lassen] Das Schöpfungsmotiv verklammert die erste mit der letzten Fabel, in der das Ende der Welt und die Wiederkunft Christi herbeigesehnt werden (IV 100,195–213). Andererseits führt die Vergegenwärtigung der Schöpfungsordnung zu Inkohärenzen in der Sinnstruktur der Fabel. So entspricht die Deutung des Hahnes im Morale nicht seiner Darstellung im Erzählteil der Fabel, handelt er doch im Einklang mit dem Willen Gottes (V. 12; dazu Speckenbach, S. 212f.). 1 Weißheit fron] seine herrscherliche Weisheit. 2 schon] auf schöne Weise. 4 hungers halb … erworgt] niemand aus Hunger zugrundegeht.

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Kommentar zu I 2

5 Gibt jedem … gnug] Vgl. Ps  136,25. 6 beding] Bedingung. 6–9 Mit dem beding … erwerben] Vgl. II Thess 3,10; TPMA Arbeit 18–43. 15 on gefehr] zufällig. 17 Des … versehen het] womit er nicht gerechnet hatte. 18 fast] sehr. 21–24 Wenn dich … Goldt] Anders als bei Luther (WA 50, S. 448, Z. 23f.) wohl ohne direkten Bezug auf Mt 13,45f. 25 magst] kannst. 27 zimlich] angemessene. 34 Auch ist … vmbsunst] Als Sprichwort (etwa: ›Die Strafe nützt beim Narren nichts‹) vor Waldis nicht belegt. Ähnlich aber Agricola, Sprichwörter I 34: Bey einem narren richt man nichts aus/ weder mit bitt noch mit drewen (S.  35, Z.  26f.); Brant, Narrenschiff  54,34: Vmb keyn stroff/ ler/ er [der Narr] ettwas gitt. 37f. Das Heilthumb … vngesundt] Vgl. Mt 7,6: JR solt das Heiligthum nicht den Hunden geben/ vnd ewre Perlen solt jr nicht fur die Sew werffen. Die Stelle ist sprichwörtlich geworden: ›Perlen soll man nicht den Schweinen vorwerfen‹; vgl. TPMA Schwein  1.1.; Röhrich, S.  1148. 39f. Der Muscat … Haberstro] Vgl. IV 23,85f. Redensartlich; vgl. Luther, WA Tischreden 4, S. 439, Z. 22f.: Was soll der Kuhe Muscaten, sie frißt wol Haberstroh (Nr. 4703); Rollenhagen, Froschmeuseler II 1,1300; Röhrich, S. 1063. 46 Zu gleichem … geselt] Sprichwörtlich: ›Gleich und gleich gesellt sich gern‹; vgl. TPMA gleich 116–140. Literatur Lieb, S. 28; Klaus Speckenbach, Die Fabel von der Fabel. Zur Überlieferungsgeschichte der Fabel von Hahn und Perle, in: Frühmittelalterliche Studien  12 (1978), S.  178–229, hier S. 212f.

I 2 Von dem Wolff vnd dem Lamb.

DG 632

Vorlage [Dorpius, Nr. 2, Bl. 1af.] De Lupo et Agno. Lupus ad caput fontis bibens videt agnum procul infra bibentem. Accurrit, agnum increpitat, quod turbarit fontem. Trepidare agnus, supplicare, ut parcat innocenti. Se quando longe infra biberit, potum lupi ne potuisse quidem turbare, ne dum voluisse. Lupus contra intonat: »Nihil agis sacrilega, semper obes. Pater, mater omne tuum invisum genus, sedulo mihi adversatur. Tu mihi dabis hodie poenas.« Morale. Vetus dictum est, ut canem caedas, facile inveniri baculum. Potens si libet nocere, facile capit nocendi causam, satis peccavit, qui resistere non potuit.

Stellenkommentar 2 Bronnen] Quelle. 4 niden] unten. 8 f)r dir] deinetwegen. 11 kein gewalt … jeben] mir keine Gewalt antun. 16 meiner vnschuldt gniessen] meiner Unschuld wegen unbehelligt. 25 Meins schadens … erholen] meinen Schaden will ich jetzt begleichen; vgl. DWb 3, Sp. 854. 26 das glach] die Zeche. 30 mag] Gewalt hat. 31 Vngedult] Feindseligkeit, auch: Unrecht. 34 zur antwort nicht statten will] keine Antwort gestatten will. 35f. Wenn man … zur stundt] Sprichwörtlich: ›Wer den Hund schlagen will, findet leicht einen Knüppel‹; vgl.

Kommentar zu I 3

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TPMA Hund  235–242. 37f. Die hundt … wol bezemen] Als Sprichwort vor Waldis so nicht belegt. Es handelt sich wohl auch nicht um eine Variation des vielzitierten Jesus-Worts: ›Das Brot der Kinder soll man nicht den Hunden vorwerfen‹ (Mt 15,26; vgl. TPMA Brot 96–120). Die Formulierung von Waldis ist bei Petri, S. 282, aufgeführt: ›Die Hund nemen den Kindern das Brot / nicht den Alten‹. Falls Petri dies aus Waldis bezieht, entscheidet er mit seiner Formulierung die Zweideutigkeit von Vers 37, indem er das Personalpronomen ›sie‹ (in lassens: ›lassen sie‹) als Subjekt (›die Hunde‹) liest. Subjekt könnten aber auch die alten sein, der Vers besagte dann: ›die Alten lassen sie (die Hunde) ruhig gewähren‹. 39 Weih] Greifvogel; in Fabeltexten Typus des Räubers, der vor allem in Opposition zu friedlichen Vögeln steht. 39f. Der Weih … Rappen fliegen] Vielleicht in Anlehnung an das Sprichwort: ›Den Raben verzeihen und die Tauben verurteilen‹, das allerdings die Vorstellung eines Richterspruchs aufruft und im Deutschen nur einmal, wenn auch zeitnah zu Waldis, nachgewiesen ist (vgl. TPMA Krähe 98). 41f. Vnd wo … aller frist] Sprichwörtlich: ›Über den Zaun steigen, wo er am niedrigsten ist‹; vgl. TPMA Zaun 21–32 sowie 33–35. Vgl. auch II 37,17. Literatur Lieb, S. 24, 35, 84, 91, 95f., 173f.

I 3 Vom Frosch vnnd der Mauß.

DG 167

Vorlage [Dorpius, Nr. 3, Bl. 1b] De Muribus et Ranis. Bellum gerebat mus cum rana. De paludis certabatur imperio. Pugna erat vehemens et anceps. Mus callidus sub herbis latitans ex insidiis ranam adoritur. Rana viribus melior, pectore et insultu valens, aperto Marte hostem lacessit. Hasta utrique erat iuncea. Quo certamine procul viso milvus adproperat, dumque prae studio pugnae neuter sibi cavet, utrumque bellatorem milvus rapit ac laniat. Morale. Itidem evenire solet factiosis civibus, qui accensi libidine dominandi, dum inter se certant fieri magistratus, opes suas plerumque etiam vitam in periculo ponunt.

Stellenkommentar 2 strauß] Streit. 4 vor] für. 8 abbrechen mocht] schaden könnte. 14 Weih] Greifvogel; siehe zu I  2,39. 23 vnuerwindtlichen] nicht zu behebenden. 27f. Zwen Hundt … der dritt] Im Lateinischen sprichwörtlich: Aufert os canibus canis unus sepe duobus (Walther, Nr. 1750); vgl. TPMA Hund 561.

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I 4 Vom Hundt vnd st(ck Fleischs.

Kommentar zu I 4 DG 307

Vorlage [Dorpius, Nr. 4, Bl. 1bf.] De Cane et Umbra. Canis tranans fluvium rictu vehebat carnem. Splendente sole ita ut fit, umbra carnis lucebat in aquis. Quam ille visam avide captans, quod in faucibus erat, perdidit. Itaque tum rei tum spei iactura perculsus primum stupuit, deinde animum recipiens sic elatravit: »Miser, deerat cupiditati tuae modus. Satis superque erat, ni desipuisses. Iam per tuam stultitiam minus nihilo tibi est.« Morale. Monemur hac fabella modestiae, monemur prudentiae. Ut et cupiditati sit modus, ne certa pro incertis amittamus. Astute certe Terentianus ille Sannio: ›Ego‹, inquit, ›spem pretio non emam‹ [Terenz, Adelphoe 219].

Stellenkommentar 3 darffs] brauche es. 3 vmbs gelt nit kaufen] Es ist nicht klar, ob der Hund hier – wie bei Alberus, Fabeln 3,1–4 – als Dieb vorgestellt wird, oder ob er eher durch Glück ein Stück Fleisch bekommt, das er dann beim ›Handel‹ verliert. Vgl. auch IV 55. 10 gappen] das Maul aufsperren, schnappen; vgl. DWb 4, Sp. 1311, mit Bezug auf diese Stelle; entsprechend gaffen (vgl. II 28,50). 17 ichts] etwas. 19f. das vngewiß … das gewisse fahren lan] Vgl. die sprichwörtliche Einsicht: ›Man soll nicht Gewisses für Ungewisses fahrenlassen‹ (TPMA gewiss  1.3., ohne deutsche Belege). 22–24 Ein jeder … schuff] Vgl. Sir 11,20f., I Kor 7,20, sowie zu I  13,55. 23 seim befelh] seiner Aufgabe; vgl. FWB  3, Sp.  460, mit Hinweis auf diese Stelle. 27 fahr] Gefahr. 27f. Jn fahr … Kauffman thut] Ähnlich II 41,29f. 29 eins kleinen genieß] auf einen kleinen Vorteil. 32 das hoffen kaufft vmb gelt] Anspielung auf Vers 3, nach dem lat. Spruch spem pretio non emo (Terenz, Adelphoe 219 [Terence, edited and translated by John Barsby, Bd.  2: Phormio, The Mother-in-Law, The Brothers, London – Cambridge, Mass. 2001, S. 274/275]; vgl. auch Alberus, Fabeln U 5,23f.) sprichwörtlich: ›Für Hoffnung kein Geld ausgeben‹; vgl. TPMA hoffen 127–129. 33f. Man sagt … zum Narren] Sprichwörtlich: ›Hoffnung macht Narren‹; vgl. TPMA hoffen 120– 126. 35f. Besser ein Sperling … auff dem Sandt] Sprichwörtlich (mit zahlreichen Varianten, z.B. auch I 83,18f.): ›Ein Sperling in der Hand ist besser als eine Gans in der Luft‹; vgl. TPMA Sperling 7–16, Röhrich, S. 1496. Literatur Lieb, S. 28, 43f.

Kommentar zu I 5

I 5 Vom Lwen vnd andern Thieren.

45 DG 402

Vorlage [Dorpius, Nr. 5, Bl. 2a] De Leone et quibusdam aliis. Cum ove quibusdamque aliis pepigerat leo venationem fore communem, itur venatum, capitur cervus. Partiuntur singulas singulis partes, tollere ut convenerat incipientibus leo irrugiit: »Una«, inquens, »pars mea est, quia sum dignissimus. Altera item mea est, quia viribus praestantissimus. Porro quia in capiundo cervo plus sudaverim, vendico tertiam. Quartam denique partem ni concesseritis, actum est de amicitia.« Socii hoc audito discedunt vacui et taciti, non ausi mutire contra leonem. Morale. Rara semper fuit fides, apud hoc saeculum rarior est, apud potentes et est et fuit semper rarissima. Quocirca satius est, ut vivas cum pari. Qui enim cum potentiore vivit, necesse habet saepe de suo iure concedere. Cum aequali aequale tibi ius erit.

Stellenkommentar Ü L wen … Thieren] Eine Variante dieses Fabelstoffs in I  73. 1f. MJt einem Bocke … verbindt] Gegenüber Alberus, Fabeln  7,3 und Dorpius, die unter dem Jagdgesellen des Löwen nur das Schaf konkretisieren, führt Waldis ein Tierpersonal an, wie es sich auch schon in Luthers Bearbeitung der Fabel (WA 50, S. 442f.) findet (dort: Rind, Ziege, Schaf). 2 auff ein zeit] einstmals; vgl. DWb 31, Sp. 543. 7 Holtz] Wald. 10 ins gemein] untereinander. 13 mit bhendigkeit ereilen] holten ihn aufgrund ihrer Schnelligkeit ein (Hirsch ist Objekt zu erwischten und zu ereilen). 16 bewilligt] vereinbart. 18 gemach] langsam. 19 billch] rechtmäßig; so auch in Vers 23. 28 Oder solt … massen] oder ihr müsst euch in der Freundschaft mit mir einschränken. 30 zwar] wahrlich. 35 Die trew … zu dieser zeit] Während bei Dorpius die Treue (fides, wie trew im Sinne von Rechtssicherheit) als immer schon gefährdet dargestellt wird, beschränkt sich Waldis auf den Topos der Gegenwartsschelte oder Zeitklage, der das Komplement zur laudatio temporis acti darstellt; zahlreiche Belege für die Universalität des Topos bei Hans Delbrück, Die gute alte Zeit, in: Preußische Jahrbücher  71 (1893), S.  1–28. Vgl. ähnliche Klagen in I  6,34–38; I  7,23–28; I 10,24; I 17,1–6; I 94,36–44; II 27,127; IV 55,16– 22; IV 83,1–4. Ein Tadel der vergangenen Zeiten findet sich in IV 90. 40 Das er … vmbgath] Sprichwörtlich: ›Man halte sich an seinesgleichen‹; vgl. TPMA gleich 182–186. Ähnlich Alberus in seiner Bearbeitung des Fabelstoffs: Drumb sey gewarnet fleissiglich/ | Zu deines gleichen haltu dich (Fabeln 7,57f.). 41 Mit gleichem hastu gleiches recht] Als Sprichwort vor Waldis so nicht belegt. 43 fehrlich] gefährlich. 45 grosse hansen] hohe Herren; vgl. DWb  10, Sp.  456. Siehe auch I  59,37; II  31,184; IV 24,78 (im Singular); IV 45,25. 46 b se] nicht gut. 46 Mit Herrn ist b se Kirschen essen] Sprichwörtlich: ›Weh dem, der mit Herren Kirschen isst‹; vgl. TPMA Herr 423–447; Röhrich, S. 844f. Den gleichen Spruch setzt Luther unter eine Variante seiner Bearbeitung des Fabelstoffs (WA 50, S. 443, Z. 25).

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I 6 Von dem Wolff vnnd Kranche.

Kommentar zu I 6 DG 631

Vorlage [Dorpius, Nr. 6, Bl. 2a] De Lupo et Grue. Lupo voranti ovem forte ossa haesere in gula. Ambit, orat opem, opitulatur nemo. Omnes dictitant tulisse eum pretium voracitatis. Tandem blanditiis multis pluribusque promissis gruem inducit, ut collo longissimo in gulam inserto os infixum eximeret. Petenti autem praemium illusit: »Inepta«, inquit, »abi. Non sat habes, quod vivis, vitam debes mihi. Si libuisset, licuit praemordere collum tuum.« Morale. Tritum est perire quod facis ingrato.

Stellenkommentar Ü Kranche] Kranich. 1–4 DER alt Wolff … bestecken] Eine Anspielung auf diese Stelle findet sich IV 73,37f. 3 bey groben flecken] in großen Stücken; vgl. DWb  3, Sp.  1741. 8 schuldt] Ursache. 17 Des … geniessen lon] dafür will ich dich belohnen. 18 Dauor] dafür. 20 in fraß] ins Maul (vgl. heute vulgär: ›Fresse‹); vgl. DWb 4, Sp. 66. 31 billich] rechtmäßig. 33 vermelt] angezeigt. 35–38 Die jetzt … und triegerey] Lob der vergangenen Zeit (laudatio temporis acti) und Gegenwartsschelte; vgl. zu I 5,35. 41 zuhandt] sogleich. 47 da man … nicht versicht] wenn man es überhaupt nicht erwartet. 49 f)r diesen feyl] gegen diesen Fehler. 49f. Kein besser kraut … gedult mach heyl] Abwandlung verschiedener, bei Franck und Egenolff mehrfach aufgeführter Redensarten; vgl. TPMA dulden  210–215: ›Dulden (Geduld) überwindet Übel und Unglück und heilt Schmerzen und Wunden‹. Zur Geduld als ›Heilmittel‹ vgl. auch die Epimythien in I 8 und I 100. 51 bricht] pflückt. – Tittmann liest ein kontrahiertes ›berichtet‹ und versteht die Stelle als ›mit Geduld versehen ist‹, was in DWb und FWB allerdings nicht belegt ist. Das Pflücken fügt sich in die PflanzenMetaphorik der Passage (kraut, bricht, sticht: das Pflücken mancher Blumen ist mit Schmerzen verbunden). 53 Der Neidthart … rheit] und der Neid ihn sehr quält. Neidhart ist der Inbegriff des Neiders bzw., wie hier, der personifizierte Neid; vgl. Brant, Narrenschiff 53, sowie DWb 13, Sp. 559f. 54 Macht … queit] erlöst die Geduld ihn von allen Unglücksfällen; vgl. DWb 13, Sp. 2379f., auch mit Verweis auf diese Stelle. Literatur Lieb, S. 165.

I 7 Vom Bawrenn vnd der Schlangen.

DG 431

Vorlage [Dorpius, Nr. 7, Bl. 2b] De Rustico et Colubro. Rusticus repertum in nive colubrum frigore prope enectum domum tulit, abiecit ad focum. Coluber ab igni vim virusque recipiens deinde flammam non ferens, omne tu-

Kommentar zu I 8

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gurium sibilando infecit. Accurrit rusticus correpta sude, verbis verberibusque cum eo iniuriam expostulat. Num hanc referat gratiam? Num vitam erepturus sit illi, qui vitam ipsi dederit? Morale. Fit interdum, ut obsint tibi, quibus tu profueris, et male de te mereantur ii, de quibus tu bene sis meritus.

Stellenkommentar Ü Vgl. zu Waldis’ Bearbeitung des Stoffes auch I  26 und IV  99. 5 ers] er sie. 8 auff dawen] auftauen. 9 auff gefroren] aufgetaut; vgl. DWb 1, Sp. 647, mit Bezug auf diese Stelle. 10 macht] Kraft. 12 Beschmeißt] besudelt; vgl. DWb 1, Sp. 1582–1584. 13 darab] darüber. 20 bracht ich dich wider zuforn] machte ich dich wieder beweglich; zuforn von ›zu fahren‹ im Sinne von ›bewegen‹. 23–28 Es gschicht … alle moß] Lob der vergangenen Zeit (laudatio temporis acti) und Gegenwartsschelte; vgl. zu I  5,35. 24 die jhenen] diejenigen. 26 gemein] üblich. 28 moß] Maße. 29 Die Heiden … bedacht] Vgl. IV  62,49–84. 34 disputert] erörtert. 35–38 das man … Heiden thon] Vgl. Mt  5,46f., wo Waldis offensichtlich die Heiden in den Zöllnern repräsentiert sieht: Denn so jr liebet/ die euch lieben/ Was werdet jr fur Lohn haben? Thun nicht das selb auch die Zölner? Vnd so jr euch nur zu ewern Brüdern freundlich thut/ Was thut jr sonderlichs? Thun nicht die Zölner auch also? 39–50 Jch aber … vom Himel regen] Vgl. Mt 5,44f.: Jch aber sage euch/ Liebet ewre Feinde. Segenet die euch fluchen. Thut wol denen die euch hassen. Bittet fur die/ so euch beleidigen vnd verfolgen. Auff das jr Kinder seid ewrs Vaters im Himel/ Denn er lesst seine Sonne auff gehen vber die Bösen vnd vber die Guten/ vnd lesst regenen vber Gerechte vnd Vngerechte. 40 vorgeben] vergeben. 42 jeben] üben. 48 frummen] rechtschaffenen. 51 gschickt] bestrebt. 52f. Als was … auch thon] Vgl. Mt 7,12, die sogenannte Goldene Regel: ALLES NU/ DAS JR WÖLLET / DAS EUCH DIE L EUTE thun sollen/ Das thut jr jnen/ Das ist das Gesetz vnd die Propheten. 54 Die lieb ist des gesetzes Kron] Vgl. Röm 13,10: Die Liebe thut dem Nehesten nichts böses. So ist nu die Liebe des Gesetzes erfüllung. Literatur Elschenbroich, Bd. 2, S. 84f.

I 8 Vom Lwen vnnd Esel.

DG 102

Vorlage [Dorpius, Nr. 8, Bl. 2b] De Apro et Asino. Dum iners asinus irrideret aprum, ille indignans frendebat: »Malum quidem ignavissime fueras meritus, sed etiam si tu poena fueras dignus, tamen ego indignus, qui a te poenas sumam. Irride tutus, impune tibi licet, tutus enim es ob inertiam.« Morale. Demus operam, ut cum indigna nobis audimus aut patimur, ne indigna nobis dicamus aut faciamus. Mali enim et perditi plerumque gaudent, si quispiam bonorum eis

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Kommentar zu I 9

resistat. Magni pendunt haberi se dignos ultione, imitemur equos et magnas bestias, qui oblatrantes caniculos cum contemptu praetereunt.

Stellenkommentar Ü L wen] Ein Löwe statt eines Ebers (aper) auch bei Luther (WA 50, S. 447, Z. 5–14). 1 DER grobe Esel vnbedacht] Versidentisch mit I 12,11. 2 schimpflich] spöttisch. 11f. Vnuernunfft … straffe magst entgohn] Möglicherweise Anspielung auf das Strafrecht; vgl. Sachsenspiegel. Landrecht, hg. von Karl August Eckhardt, zweite neubearbeitete Ausgabe, Göttingen – Berlin – Frankfurt/M. 1955 (Monumenta Germaniae Historica. Fontes juris Germanici antiqui, nova series I 1), III 3: Over rechte doren unde sinnelosen man ne scal men ok nicht richten. 18 geflissen] bestrebt. 23 bey frommen] bei den Rechtschaffenen. 24 wider legen] widersetzen. 25 auß hohem mut] von edler Gesinnung. 31 bube] Schurke. 32 zun vnehrn kommen] zur Schande gereichen. 34 prob] Weise.

I 9 Von der Stadtmauß/ vnd der Veldtmauß.

DG 541

Vorlage [Dorpius, Nr. 9, Bl. 2bf.] De Mure urbano et Mure rustico. Libitum est urbano muri deambulare rus. Vidit hunc mus rusticus, invitat, apparatur, itur cenatum. Depromit rusticus, quicquid posuerat in hiemem, et exhaurit omne penu, ut tanti hospitis expleat lautitiam. Urbanus tamen frontem corrugans ruris damnat inopiam, urbis subinde laudat copiam. Remeans ducit secum in urbem rusticum, ut quae verbis iactitarat, re comprobaret. Ineunt convivium, quod urbanus splendide compararat. Inter epulandum auditur in sera murmur clavis, trepidare illi et fugitare fugitando. Rusticus et insuetus et loci ignarus aegre se tueri. Discedente famulo redit urbanus ad mensam, vocat rusticum, ille vix tandem metu deposito prorepit. Invitantem ad pocula urbanum percunctatur, num hoc periculum crebrum sit? Respondit ille cotidianum esse, oportere contemni. Tum rusticus: »Cotidianum«, inquit, »me hercle istae dapes plus fellis quam mellis sapiunt. Equidem malo cum securitate meam inopiam quam cum tali anxietate istam copiam.« Morale. Divitiae prae se ferunt quidem voluptatem, sed si introspicias, habent pericula et amaritudinem. Eutrapeles quidam fuit, qui, cum inimicis suis quam maxime nocere vellet, divites eos faciebat dictitans ita se eos ulcisci quippe accepturos cum divitiis ingentem sarcinam curarum.

Stellenkommentar 3 h rt was geschah] Die gleiche Form inszenierter Mündlichkeit auch in I 100,4; II 11,34; IV 60,100; vgl. auch II 30,89. 8 Wiert] Gastgeber. 15 Vnd … vnderwegen] und unterließ keine Anstrengung. 16 Das sie … m cht pflegen] um einen solchen Gast bewirten zu können. 18 schimpflich] spöttisch. 20 baß] besser. 22 vberfl)ssig] im Überfluss. 25 daucht … sein] hielt das für gut. 29 s)ller] Speicher. 32 Gew)rtzt/ Gallradt] Gewürztes und Sülze. 36 m cht der Kelner

Kommentar zu I 9

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vbereil] könnte der Kellermeister erwischen. 41 zuhandt] sofort. 52 wo ich bin bider] wenn ich rechtschaffen bin (im Sinne von: ›bei meiner Ehre‹; vgl. I  27,19; I  53,5; IV  94,73; IV  95,196; ferner IV  9,8). 57 Den Silbern … auß] ich trinke den Silberbecher auf dein Wohl aus. Die Wendung verweist auf den Brauch des Zutrinkens, bei dem die Menge, die einer vortrank, nachgetrunken werden musste. Zur Geschichte des Zutrinkens vgl. Schubert, S. 290–293, sowie Michael Schilling, Bildpublizistik der frühen Neuzeit. Aufgaben und Leistungen des illustrierten Flugblatts in Deutschland bis um 1700, Tübingen 1990 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 29), S. 221 (mit weiterer Literatur). Vgl. IV 19,13; IV 31,42; Alberus, Fabeln 34,21–42; Brant, Narrenschiff 16,54f., und  69f. 61 must gwarten sollicher fahr] mit solcher Gefahr rechnen musst; vgl. DWb 6, Sp. 5343, mit Bezug auf diese Stelle. 63 letzen] stören. 64 darff] braucht. 65 Biß] sei. 73f. Vnd werns … Gall] Wie Alberus, Fabeln 8,107–109 (Die k stlich speiß/ als michs ansicht/ | Die ist mit Honig zugericht/ | Vnd inwendig doch voller Galln), greift Waldis das Wortspiel bei Dorpius auf. Zur Tradition siehe Werner Fechter, Galle und Honig. Eine Kontrastformel in der mittelhochdeutschen Literatur, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur  80 (Tübingen  1958), S.  107–142. 80 Mandelk ß] Ein Dessert, das aus Milch, Mandeln, Zucker und einem Verdickungsmittel hergestellt wird; vgl. Krünitz 1, S. 754. Vgl. auch ›Mandelmus‹ in I 27,5 und 14 sowie ›Mandelreis‹ in II  32,12 und IV  90,19. 81 Groß m)he … gelt] Sprichwörtlich: ›Geld erfüllt mit Sorgen und Furcht‹; vgl. TPMA Geld  372–374; Walther, Nr.  6112b und 6116, sowie I 77,51f. 83 schon] schön. 89–92 Sanct Paulus … vmbgeben] Vgl. I Tim 6,9: Denn die da Reich werden wollen/ die fallen in versuchung vnd stricke/ vnd viel törichter vnd schedlicher Lüste/ welche versencken die Menschen ins verderben vnd verdamnis. Vgl. auch Agricola, Sprichwörter II  494: Wer reich will werden/ fellt ins Teüfels strick (S.  269, Z.  12). 94 Ein armer … da her] Sprichwörtlich: ›Armut macht sorgenfrei‹; vgl. TPMA arm 429–432. 95 Der nacket … singt] Sprichwörtlich: Cantabit vacuus coram latrone viator (›Der Nackte singt vor den Räubern‹); vgl. Walther, Nr. 2306, mit vielen Belegen seit Juvenal, und TPMA arm 3.5.2. 97–99 Ein trucken Brodt … hohen Tisch] Die Einsicht ist sprichwörtlich; vgl. etwa TPMA Brot  2.2., TPMA arm  512f. 101 gelben finger lecken] Hinweis auf fein gewürzte oder fettige Speisen (vgl. DWb 5, Sp. 2883f., 2889). Die ›gelbe Suppe‹ steht sprichwörtlich für köstliche und kostspielige Speise; vgl. TPMA Suppe 9–11. Vgl. auch IV 28,41. 103 Zobeln schaub] Zobelpelzmantel. Schaub ist ein weites Oberkleid oder ein Mantel, auch für Männer (vgl. II 46,20; IV 49,65f.; IV 81,70; IV 84,113). 106 Vndersassen] Untertanen. 109f. Wer nicht … kleiner m)he] Sprichwörtlich: ›Wenig Kühe, wenig Mühe‹; vgl. Franck, Sprichwörter, S. 140, Z. 20; TPMA Rind 62f.; vgl. IV 95,265f.

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I 10 Vom Adeler vnd der Kr en.

Kommentar zu I 10 DG 8

Vorlage [Dorpius, Nr. 10, Bl. 3af.] De Aquila et Cornicula. Aquila nacta cocleam non vi aut arte quivit eruere piscem. Accedens cornicula dat consilium. Suadet subvolare et e sublimi cocleam in saxa praecipitare, sic enim fore, ut concha frangatur. Humi manet cornicula, ut praestoletur casum. Praecipitat aquila, frangitur testa, surripitur piscis a cornicula, dolet elusa aquila. Morale. Noli quibusvis habere fidem et consilium, quod ab aliis acceperis, fac inspicias. Multi enim consulti non suis consultoribus, sed sibi consulunt.

Stellenkommentar 2 gewinnen auß] ausnehmen; vgl. FWB 2, Sp. 1065 (mit dieser Stelle als Beleg). 7 Arn] Nebenform zu ›Ar‹ (vgl. das heute veraltete ›Aar‹), die Waldis öfter in der Anrede benutzt; vgl. FWB  2, Sp.  28. – ›Adler‹ ist entstanden aus ›Adel-ar‹, was ›edler Ar‹ bedeutet. Neben der heute gebräuchlichen Bezeichnung (vgl. V. 1) benutzt Waldis auch die älteren Formen ›Adeler‹ (siehe Überschrift), ›Adlar‹ (I 87,18; II 26; II 57; II 76,1; II 85,4; III 7; III 47), oder ›Adelar‹ (I 59,6). Der Adler gilt in der naturkundlichen Literatur des Mittelalters als König der Vögel (vgl. BDN, S. 166, Z. 6f.), siehe auch II 85; III 7,9. 8 zuforn] von vornherein. 16 lauter Beyn] ganz aus Knochen. 19 Weil] während. 19–21 Weil er … gwar] Dreireim statt des üblichen Reimpaarverses kommt bei Waldis gelegentlich am Schluss der Narratio oder am Ende einer Fabel vor, vgl. I 83,11–13; I 91,37–39; II 7,15–17 (nur in Druck A); II 46,45–47; III 94,291–293; IV 6,65–67; IV 95,195–197 (nur in der Fassung von 1543, siehe unten, S. 385); IV 99, 381–383 (nur in der Fassung von 1543, siehe unten, S. 377); am Ende von IV 93 reimen vier Verse. 22f. Ein jeder … glauben geben] Die Warnung vor Leichtgläubigkeit ist sprichwörtlich; vgl. etwa TPMA glauben 137, 187–190, sowie Alberus, Fabeln 37,118b–124. Vgl. auch I 20,21f. und 27f., sowie I 78,15–20 (mit Hinweis auf diese Fabel). 24 glaub] Im Sinne von ›Aufrichtigkeit‹, ›Treue‹ (fides); vgl. zu I 5,35. 29 gahn] gönnt. 30 eigen nutz] Siehe zu IV 100,95.

I 11 Vom Raben vnd Fuchssen.

DG 205

Vorlage [Dorpius, Nr. 11, Bl. 3bf.] De Corvo et Vulpecula. Praedam nactus strepitat in ramis corvus. Videt vulpecula gestientem, accurrit. Corvum inquit plurima salute impertit vulpes: »Saepenumero audieram famam esse mendacem, iam re ipsa experior. Nam ut hac forte iam praetereo, suspiciens te in arbore, advolo culpans famam. Fama enim est te nigriorem pice esse, et video candidiorem nive. Meo sane iudicio cycnos vincis, et hedera formosior alba es. Quod si ut plumis ita et voce excellis, omnium avium equidem te dixerim reginam.« Hac assentatiuncula illectus corvus ad canendum apparat, apparanti vero e rostro excidit caseus, quo correpto vulpecula cachin-

Kommentar zu I 11

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num tollit. Tum demum miserum corvum pudet pigetque sui. Et iactura rei mixta pudore dolet. Morale. Nonnulli sic avidi laudis sunt, ut cum suo probro et damno ament assentatorem. Eiusmodi homunciones praedae sunt parasitis. Quod si vitaveris iactantiam, facile assentatorum pestiferum genus vitaveris. Si tu voles esse Thraso, nusquam deerit Gnatho.

Stellenkommentar 3 hielt … prechtig mit] zeigte er sich sehr stolz. 5 jhenem Berg] Bezeichnungen wie ›auf jenem Berg‹, ohne dass eine Referenz erkennbar ist, d.h. normalerweise gleich zu Beginn der Narratio, finden sich relativ häufig: I  24,3; I  42,1; I  59,2 u.ö.; II 1,2 u.ö.; II 7,2; III 73,8; III 91,3; IV 3,34; IV 20,35; IV 54,5; IV 75,11; IV  95,218. 6 vberzwerg] schräg von der Seite her. 7 Fuchßschwentzt] Redensartlich im Sinne von ›schmeicheln‹; vgl. TPMA Fuchs  170–172; Röhrich, S. 484, sowie Flugblätter I 53, 95, 96, 99, 103, 105, 193; II 12, 18, 84. Vgl. auch III 58,20, und zu IV 8,84. 14 helt der gmeine Man] allgemein gehalten wird. 15 zuher baß] näher heran. 17 ehe] neulich. 20 Bech] Pech. 23 stellt ich glauben dar] glaubte ich; vgl. DWb 7, Sp. 7808. 26 Das jn … angehe] Fluchformel; vgl. Agricola, Sprichwörter I  472: Wenn nun yemandt gefl*chet wirt/ eyn b ß jar soll yhn angehen/ so wirt ym gewünscht/ daß er kein gutte stunde haben soll (S. 371, Z. 11–13). 27 bub] Schurke. 29 Sichtiglich] augenscheinlich. 48 Den spott … schaden han] Redensartlich: ›Den Spott und den Schaden haben‹; vgl. TPMA Spott 13–55, 60–66; Röhrich, S. 1511. 50 jm selber] sich selbst. 56 mit hauffen] scharenweise. 57 Schmieren jms maul] Redensartlich: ›Das Maul schmieren‹ im Sinne von ›schmeicheln‹; vgl. TPMA Mund 270–291; Röhrich, S. 1010. 58 sein geniessen m gen] einen Nutzen von ihm haben können. 59 jn nicht gan] ihnen nicht erlaubt. 61 beweichen] erweichen. 62 Jr Feder … streichen] Sprichwörtlich: ›Federlesen‹ im Sinne von ›schmeicheln‹ (Agricola, Sprichwörter II  110); vgl. TPMA Feder  17–23; Röhrich, S.  425f. Vgl. II  57,20, und IV  75,161. 62 Pflaumen] Flaumfedern. 64 Als ob er … Kamp gestolen] Ließ sich als Redensart nicht nachweisen. 64 Kamp] Kamm. 65 Narrfex] Bislang nur hier bezeugte Variante für ›Narr‹, die möglicherweise die lateinische Wortbildung -fex (z.B. in pontifex) parodiert. 69 an schneiden] zuschneiden (von Textilien). 76 wirdt … mit schaden klug] Von Waldis häufige gebrauchte Redensart: ›mit Schaden klug (gelehrt) werden‹; vgl. das Sprichwort: ›Schaden macht vorsichtig und weise‹; TPMA Schaden 91–106; Röhrich, S. 1294. Literatur Lieb, S. 100.

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I 12 Vom alten Lwen/ Eber/ Esel vnd Stier.

Kommentar zu I 12 DG 377

Vorlage [Dorpius, Nr. 12, Bl. 4a] De Leone senectute confecto. Leo, qui in iuventute complures sua ferocitate fecerat inimicos, in senectute exsolvit poenas. Reddunt talionem bestiae. Dente aper, cornu petit taurus. Imprimis asellus, vetus ignaviae nomen cupiens abolere, verbis et calcibus strenue insultat. Tum gemebundus leo: »Hi, quibus olim nocui, iam vicissim nocent et merito. Sed hi, quibus aliquando profui, iam vicissim non prosunt, immo etiam immerito obsunt. Stultus fui, qui multos fecerim inimicos, stultior, qui falsis amicis confisus fuerim.« Morale. In secundis rebus non efferaris, non sis ferox. Nam si vultum mutarit fortuna, ulciscentur, quos laesisti. Et inter amicos fac habeas discrimen. Sunt enim quidam amici non tui, sed mensae tuae, sed fortunae tuae. Quae quidem fortuna simul ac mutata erit, et illi mutabuntur. Et bene tecum actum erit, si non inimici fuerint. Merito queritur Ovidius [Ovid, Epistulae II 3,25–28]: En ego non paucis quondam munitus amicis, | Dum flavit velis aura secunda meis. | Ut fera nimboso tumuerunt aequora vento, | In mediis lacera puppe relinquor aquis.

Stellenkommentar 1 frecher] verwegener. 4 vngunst] Feindseligkeit. 7 Sewlich] nach Art einer Sau. 11 Der … vnbedacht] Versidentisch mit I  8,1. 12 anfacht] angriff. 16 in sonderheyt] für sich. 18 haben haußgemach] meine Ruhe haben. 21 bin gesyn] gewesen bin. 22 bringen mirs … yn] setzen mir sehr zu. 26 muß] muss ich. 28 steter] ständiger. 29 gehalten] gewacht. 33 Drumb ich … bedacht] das habe ich mir schlecht überlegt. 34 Jn mein gwalt] in der Zeit meiner Herrschaft. 38 glaubens zu jhn gestellt] ihnen vertraut. 41 Jm gl)ck … groß] Als Sprichwort in zahlreichen Ausprägungen belegt; vgl. TPMA Freund 1.4.; TPMA Glück 534–536. 43 wirdt der Freundt probiert] erweist sich der (wahre) Freund. 45 massen] mäßigen. 46 zu viel … lassen] sich nicht zu viel einbilden. 49 Das gl)ck … verwandlen schier] das Glück kann sich schnell wenden. Die Unbeständigkeit des Glücks ist eine in der Frühen Neuzeit stets präsente Gedankenfigur, die auch in zahlreichen sprichwörtlichen und redensartlichen Wendungen ihren Niederschlag gefunden hat; vgl. bei Waldis u.a. I 14,43; I 33,33–38; I 84,40; II  24,30 (siehe auch das Moralia-Register); vgl. auch Alberus, Fabeln  26,83f.; zum Glücksrad (Rad der Fortuna) siehe zu I 33,37. 50 dir] Direkte Anrede des Zuhörers findet sich öfters, z.B. auch in I 26,37; I 77,62; I 78,20; I 79,26; I 84,43; I 89,29; I 94,52; I 100,30; II 6,15; II 14,25; II 46,32; II 59,17; II 80,39; III 28,15; III 45,20; III 62,15; III 73,41; III 94,269; III 95,41; IV 5,90; IV 7,123; IV 67,53; IV  89,47; siehe auch zu I  9,3. 54 das dein] dein Hab und Gut. 59–66 da mich … ans Landt] Vgl. Ovid, Epistulae II 3,25–28. 59 aufftrug] in die Höhe brachte. 66 Zu st)cken] in Stücke gebrochen. 67f. der Freunde … auff ein loth] Sprichwörtlich: ›In der Not gehen viele Freunde auf ein Lot‹; vgl. TPMA Freund 137, 142, 148–152, 155, 159f., 166–169; Not 188–191; Röhrich, S. 976; Sandvoss, S. 41. Ein loth ist eine kleine Gewichtseinheit von wenigen Gramm. Die Wendung ›auf ein Lot gehen‹ ruft die Vorstellung einer Balkenwaage auf,

Kommentar zu I 13

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auf der eine große Anzahl der Beurteilten – hier von Freunden – so leicht, also wertlos ist, dass ein kleines Gewicht sie aufwiegt. Literatur Lieb, S. 35.

I 13 Vom Hundt vnnd Esel.

DG 96

Vorlage [Dorpius, Nr. 13, Bl. 4b] De Cane et Asino. Dum blandiretur canis hero et familiae, herus et familia canem demulcet. Asellus id videns altius gemit, coepit eum pigere suae sortis, inique putat comparatum canem gratum esse cunctis pascique de mensa herili idque otio ludoque consequi. Sese contra portare clitellas caedi, flagello, numquam otiosum esse et cunctis tamen odiosum. Si haec fiant blanditiis, eam artem, quae tam utilis sit, statuit sectari. Igitur quodam tempore redeunti domum hero rem tentaturus procurrit obviam, subsilit, pulsat ungulis. Exclamante hero accurrere servi, et ineptus asellus, qui se urbanum credidit, fuste vapulat. Morale. Non omnia possumus omnes [Vergil, Bucolica 8,63] (ut ait Virgilius in Bucolicis) nec omnes omnia decent, id quisque velit, id tentet, quod possit. Non simus id, quod graece significantius dicitur ὅνος λυρας, id est asinus lyrarum vel lyrae. Sic autem Boetius: asinus ad lyram positus. Repugnante natura irritus est labor. Tu nihil invita facies dicesve Minerva (teste Horatio).

Stellenkommentar 5 pulster] Kissen. 6 theilt jm mit] gab ihm etwas ab. 11 on als gefehr] ganz zufällig. 26 Kn)tteln] Knüppeln. 29f. wer viel … beste Han] Der redensartliche Ausdruck ›Hahn im Korb‹ für denjenigen, der von allen geschätzt und umsorgt wird, ist für die Frühe Neuzeit gelegentlich nachgewiesen; vgl. TPMA Hahn 83–86; Röhrich, S. 620. 35 jn beschritt] stieg er auf ihn. 36 Jka/ Jka] Vgl. IV  48,32: Das Jka lert den Esel kennen. 37 Dappet jn] betatschte ihn ungeschickt. 41 spielen vngestalt] plumpes Spiel. 43 beruff] Bestimmung. 45f. nicht all ding … bestellen kan] Vgl. Vergil, Bucolica 8,63: non omnia possumus omnes. Im deutschen Sprachgebrauch hat sich der Satz nicht als Sprichwort verselbständigt; vgl. TPMA können  1–10b: ›Nicht alle können alles‹; Walther, Nr.  18147; II  87,18. 49–54 Der Esel … gefelt] Die Ermahnung zur Wahrung von Standesgrenzen wird hier unter Verwendung des Topos von der ›verkehrten Welt‹ plausibilisiert (vgl. auch Alberus, Fabeln 34,133–154, 44,47–53 und 61–68, sowie Flugblätter I  57f. u.ö.). 53 verechtlich helt] verachtet. 55 Ein jeder … standt] Vgl. I Kor 7,20: Ein jglicher bleibe in dem ruff/ darinnen er beruffen ist. Sprichwörtlich: ›Jeder bleibe in seinem Stande‹, vgl. TPMA Stand 3. Vgl. I 4,22. Literatur Lieb, S. 85, 91.

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I 14 Vom Lwenn vnnd der Mauß.

Kommentar zu I 14 DG 391

Vorlage [Dorpius, Nr. 14, Bl. 4bf.] De Leone et Mure. Leo aestu cursuque defessus sub umbra fronde super viridi quiescebat. Murum autem grege tergum eius percurrente experrectus unum e multis comprehendit. Supplicat captivus indignum se esse, cui leo irascatur, clamitat reputans ille in nece tantillae bestiolae nihil esse laudis captivum dimittit. Nec vero ita multo post leo forte dum per saltum currit, incidit in plagas. Rugire licet, exire non licet. Rugientem miserabiliter leonem mus audit, vocem agnoscit, repit in cuniculos, laqueorum quaerit nodos, quaesitos invenit, inventos corrodit, leo e plagis evadit. Morale. Haec fabella suadet potentibus clementiam. Etenim ut sunt res humanae instabiles, egent interdum ipsi potentes ope humillimorum. Quare vir prudens, et si potest, timebit vel ulli hominum nocere. Qui autem non timet nocere alteri, valde desipit. Quid ita? Quia etsi iam potentia fretus neminem metuis, forsan olim erit, ut metuas. Constat enim evenisse claris, magnisque regibus, ut vilium homuncionum, vel gratia indiguerint vel iram metuerint.

Stellenkommentar 6 hart] dicht. 7 kracht] knackt, raschelt. 10 behendiglich] flink. 17 ledig] frei. 18 began] erlangen. 22 gestellt] eine Falle gelegt. 27 grim] grimmig. 43 das gl)ck ist wandelbar] Vgl. zu I 12,49. 48 Sollichs] solches. 50 Vngunst] Missgunst. 51 niemandt forcht auß vbermut] aus Hochmut niemanden fürchtet. 53 je] schon immer. 54 Historien] Im 16. Jh. bezeichnet Historien (Prosa-)Erzählungen mit historisierendem Sujet, geschichtsfähigem Personal und didaktischem Anspruch; vgl. Joachim Knape, ›Historie‹ in Mittelalter und früher Neuzeit. Begriffs- und gattungsgeschichtliche Untersuchungen im interdisziplinären Kontext, Baden-Baden 1984 (Saecvla spiritalia 10), bes. S. 238–400; Gert Melville, Historie, in: RLW 2 (2000), S. 49–52. 55 begeben] wandte. 56 der armen … leben] von der Gunst der Armen leben mussten. 58 g)lden] Gulden, Goldmünze unterschiedlicher Provenienz, ursprünglich Bezeichnung für den ›Fiorino d’oro‹; ›roter Gulden‹ (vgl. IV 2,153) heißt er wohl wegen der rötlichen Farbe des Goldes; vgl. Schrötter, S. 245–247. – Siehe zu I 27,19. 59–64 Es lert … nemen] Vgl. Lk 16,9: Vnd ich sage euch auch/ Machet euch Freunde mit dem vngerechten Mammon/ Auff das/ wenn jr nu darbet/ sie euch auffnemen in die ewigen Hütten. Literatur Elschenbroich, Bd. 2, S. 84; Lieb, S. 37.

Kommentar zu I 15

I 15 Vom krancken Weihen.

55 DG 582

Vorlage [Dorpius, Nr. 15, Bl. 5a] De Milvo aegroto. Lecto decumbebat milvus. Iam ferme moriens matrem orat precatum ire deos. Mater respondet nil opis illi sperandum a diis, quorum sacra et aras suis rapinis toties violasset. Morale. Decet venerari superos. Illi enim pios iuvant, impios aversantur. In felicitate neglecti in miseria non exaudient. Quare in secundis rebus sis eorum memor, ut in adversis rebus praesentes sint vocati.

Stellenkommentar Ü Weihen] Greifvogel; siehe zu I 2,39. 3 zu jm sein mutter dar] seine Mutter zu sich her. 7 Götter] In der Welt der äsopischen Fabeln regieren die Götter der Antike. Die unverhüllte Fiktion der Gattung erlaubt es den christlichen Dichtern, ihnen die alte Geltung zu belassen. Waldis übernimmt die Namen der Götter aus seiner Vorlage, mit Ausnahme des Apollo (III 30,1–4) und der Ceres (II 33,3f.) ohne Hinweise auf deren ehemalige religiöse Bedeutung. Besonders auffällig ist dies in der Merkur-Fabel III 72, wo Waldis eine den Hilferuf des Holzhauers motivierende Notiz in der Vorlage (flumen deo Mercurio dicatum) tilgt; Junos Funktion als Göttin der Ehe ist in IV 93 lediglich angedeutet, eine entsprechende Notiz im Aesopus Dorpii lässt Waldis in I 66 beiseite. Weitaus am häufigsten kommt der oberste Gott Jupiter, vnser rechter Gott, wie ihn die Frösche in I 17,27 nennen (vgl. II 1,21), vor. Nur dieser Gestalt verleiht Waldis zumindest in Ansätzen Züge eines himmlischen Herrschers, doch gerade dort, wo der thronende Richtergott aufgerufen ist, wird er auch als hilf- und machtlos gezeigt (II 26). Die Umstellung von der fiktiven Götterwelt in der Narratio auf den einen und wahren christlichen Gott im Morale fällt Waldis offenbar leicht (etwa II 97, III 13). Gleichwohl wird die Grenze nirgends verwischt (vgl. aber I 66; III 13). An zwei Stellen, wo Waldis ohne Bezug auf eine Vorlage Namen von Göttern nennt, sind diese quasi metonymisch (Venus und Bachus für die Liebe und den Wein; I 72,20) beziehungsweise in kritischer Distanz zu verstehen (Abgott Jano; IV  69,50). Mit der Formulierung als was Got mag werden gnennt (IV  99,29) scheint der Drache in der vorletzten Fabel an heidnischen Götzendienst zu erinnern (siehe den Kommentar dort), während am Schluss der Sammlung alle Hoffnung auf den einen Gott gesetzt wird. 7f. Die G tter … mich erretten] Mit einer ähnlichen Formulierung bittet der Wolf I 35,13f. den Fuchs seiner angeblichen Krankheit wegen um Fürbitte. 7 vor] für. 8 erretten] zu erretten. 17f. Nicht heimlich … Altar] Die Satzkonstruktion würde schlüssig, wenn man gschendt mit Kurz und Tittmann als ›dich geschämt‹ verstünde, wofür sich allerdings keine Parallelstelle nachweisen lässt. Die lautgeschichtlich unproblematische Lesart als ›geschändet‹ erklärt weder den folgenden Infinitiv noch die Negationen Nicht – noch. 19 entwicht] entweiht. 20 Davor] dafür. 23f. Der die frommen … nach seinem wort] Vgl. etwa Ps 20,2; Mt 21,22; I Joh 5,14.

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I 16 Vonn der Schwalbenn.

Kommentar zu I 16 DG 522

Vorlage [Dorpius, Nr. 16, Bl. 5b] De Hirundinibus. Cum primum coeptum est seri linum, hirundo suadet aviculis impedire sementem dictitans sibi fieri insidias. Irrident illae, stultam vatem hirundinem vocant. Surgente iam lino et virescente rursus monet evellere sata. Iterum irrident. Maturescit linum, hortatur populari segetem. Cum ne tunc quidem consulentem audirent, hirundo avium coetu relicto hominis sibi conciliat amicitiam. Init cum eo foedus, cohabitat, cantu demulcet. Ceteris avibus e lino fiunt retia et laquei. Morale. Multi nec ipsi consulere sibi norunt nec recte consulentem audiunt. Sed cum in periculis sunt et damnis, tum demum sapere incipiunt et suam damnare socordiam. Tum sat superque consilii est. Hoc, inquiunt, et illud factum oportuit. Sed praestat esse Prometheum quam Epimetheum. Fuere hi fratres, nomina sunt graeca. Alteri consilium ante rem fuit, alteri post rem, quod declarat interpretatio nominum.

Stellenkommentar 1 zu Seen pflag] gewöhnlich säte. 2 Lein] Flachs. 2 Sanct Johannes tag] Der Festtag Johannes des Täufers ist der 24. Juni. 3 witzig] kluge. 4 ein gemein] eine Versammlung. 6 fahen] fangen. 8 her)ber r)cken] einfangen. Zum Vogelfang wurden Netze auf dem Boden ausgelegt, die durch eine Schnur zusammengezogen werden konnten und die Vögel unter sich einschlossen; vgl. zu II 73,2. 13 wacker] wachsam. 14 mit hauffen] in Scharen. 16 hienehst] danach. 24 in guter achtung het] registrierte das sehr genau. 30 des lebens fahr] der Lebensgefahr. 32 beschißnen Propheten] Vgl. Dorpius: stultam vatem; im Sinne des noch heute gebräuchlichen Kraftausdrucks zielt Waldis’ Übersetzung wohl darauf ab, dass nach Meinung der anderen Vögel die Schwalbe sich täusche, also sich selbst ›bescheiße‹; vgl. III 46,24. Müller, S. 200f., führt auch ›beschissen‹ für ›schlecht, betrügerisch‹ auf; in FWB 3, Sp. 1664f., ist nur beschislich mit dieser Bedeutung belegt. 34 Jn dem] währenddessen. 35 knotten] Leinknoten, die Samenkapseln des Leins. 37 fliehen] fliegen. 38 weiß] Gewohnheit. 40 Zul ßlich] eindringlich. 41 Lieben Br)der vnd Schwestern] Die Schwalbe benutzt die typische Eröffnungsformel der Predigt; so wird eine mögliche Auslegung auf das Verhältnis von geistlichem Prediger und Volk nahegelegt (vgl. auch V. 32), die allerdings im Morale nicht aufgenommen wird. 46 on gefehr] unversehens. 47 rauffen] der reife Flachs wird bei der Ernte mit den Händen aus dem Boden gezogen (ausgerauft). 49 gedert] getrocknet. 50 Geschwungen/ Gehechelt] gereinigt und gespalten. 52 vberfahrn] Vgl. zu V. 8. 54 vberruckt] Vgl. zu V. 8. 55 mit grossen rotten] in großen Scharen. 59 geworcht] gewirkt. 63 vor] für. 69–78 Zun leuten … die V gel sorgen] Ätiologische Pointe: Die Fabelhandlung erläutert, wie es zu einem heute noch beobachtbaren Sachverhalt in der Natur, etwa zu Aussehen oder Verhalten von Tieren (hier: die Schwalben bauen ihre Nester an den Häusern der Menschen) gekommen sei. Solche ätiologische Pointen finden sich auch in I  17,73–86; I  34,31f.; I  93,25; III 97,74; IV 56,71–76. 72 Leymen] aus Lehm. 73 jhenem Tach] jenem Dach.

Kommentar zu I 17

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74 haußgemach] Bequemlichkeit; vgl. DWb 10, Sp. 665, mit Verweis auf diese Stelle. 75 Wiert] Gastgeber. 77 worgen] umbringen. 78 Davor laß ich … sorgen] Darum sollen sich die Vögel Sorgen machen; vgl. DWb 16, Sp. 1775f. 79 eir] einer. 80 vorstendig] verständig. 83 widerspiel] Gegenteil. 85 jm selbs] sich selbst. 87 anschlag] Plan. 89 baß] besser. 92 Muß … rheiten] ist hinterher der Betrogene. Die ähnliche Redensart ›jemanden auf den Esel setzen‹ (III 98,14) für ›jemanden betrügen‹ ist bei Luther und Hans Sachs nachgewiesen; vgl. TPMA Esel 407–410; Röhrich, S. 396f. Zum Bedeutungsspektrum dieser Redensart vgl. auch Flugblätter I  77. 93 der rewel] die Reue. 94 vrsach] Gelegenheit. 94 Denn … hinden kal] Nach den sogenannten Disticha Catonis II 26 (hg. von Aemilius Baehrens, in: Poetae Latini minores, hg. von dems., Bd.  3, Leipzig  1881, Nr.  34, S.  225; vgl. Walther, Nr.  10012; Alberus, Fabeln  24,94b) v.a. im mittellateinischen Gebrauch sprichwörtlich, in Luthers Tischreden mehrmals angeführt: Fronte capillata post est occasio calva; vgl. TPMA kahl 9–19: ›Die günstige Gelegenheit trägt an der Stirn Haar und ist am Hinterkopf kahl‹. Die Personifikation der occasio (›Gelegenheit‹) wurde mit Haaren an der Stirn und kahlem Hinterkopf dargestellt; zur Ikonographie vgl. RE 7,1, Sp. 41f.; Emblemata, Sp. 1809–1811; Flugblätter II 29, sowie ausführlich Horst Rüdiger, Göttin Gelegenheit. Gestaltwandel einer Allegorie, in: Arcadia 1 (1966), S. 121–166. Vgl. auch die Redensart: ›Die Gelegenheit beim Schopfe fassen‹ (Röhrich, S. 530f.). 95 fehl lan bussen] Fehler wiedergutmachen.

I 17 Von Frschen vnnd jhrem Knig.

DG 162

Vorlage [Dorpius, Nr. 17, Bl. 5bf.] De Ranis et earum Rege. Gens ranarum, cum esset libera, Iovi supplicabat dari regem. Ridere Iuppiter vota ranarum. Illae tamen iterum atque iterum instare, donec ipsum perpellerent. Deicit ille trabem, ea moles ingenti fragore quassat fluvium, territae silent ranae, regem venerantur. Accedunt pedetentim propius. Tandem abiecto metu insultant et desultant. Iners rex lusui est et contemptui. Lacessunt rursum Iovem, orant regem dari, qui strenuus sit. Dat Iuppiter ciconiam. Is praestrenue perambulans paludem, quicquid ranarum obviam fit, vorat. De huius igitur saevitia ranae frustra questae sunt. Iuppiter non audit, nam et hodie adhuc queruntur. Vesperi enim ciconia cubitum eunte ex antris egressae rauco ululatu murmurant, sed surdo canunt. Vult enim Iuppiter, ut, quae regem clementem sint deprecatae, iam ferant inclementem. Morale. Perinde atque ranis evenire solet plebi, quae, si regem paulo mansuetiorem habet, ignavum, inertem esse causatur, optat aliquando contingere sibi virum. Contra si quando nacta est regem strenuum, huius saevitiam damnat, prioris laudat clementiam. Sive quod semper praesentium nos paenitet sive quod verum est verbum: Nova veteribus non esse potiora.

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Kommentar zu I 18

Stellenkommentar 3 Lachen] Wasserpfützen. 8 Gemein] Versammlung. 14 z)chtig] in Ordnung. 15 ordentlichem] rechtmäßigem. 17 gefaßte Policey] verfasste Ordnung des Gemeinwesens. 18 eir] einer. 20 pf)len] Sümpfen. 26 anfallen den Jupiter] Jupiter um Hilfe bitten; vgl. FWB 1, Sp. 1086, auch mit Bezug auf diese Stelle. 26 Jupiter] Oberster Gott in der Welt der Fabel; summus Deus Gentium, allmechtiger Gott (Alberus, Dictionarium, Bl. yy1a, yy3b). Vgl. zu I 15,7. 35 jre werbe] ihr Anliegen. 41 jr ewers willen geleben] es nach eurem Willen geschehe. 43 block] Baumstamm. 45 vngefug] Heftigkeit. 65f. Der trat her … hosen an] Vgl. die sehr ähnlichen Verse IV 94,157f. 66 zwo Rote hosen] zwei rote Beinkleider. ›Hose‹ bezeichnete ursprünglich eine Art Strumpf, der zunächst nur den Unterschenkel bedeckte und mit Bändern an der ›Bruch‹, einer Kniehose, befestigt war. Mit der Zeit wurden diese Strümpfe länger, und die ›Bruch‹ wurde zur Unterhose, die nurmehr die Schamgegend bedeckte; die ›Hosen‹ wurden dann am Wams befestigt; vgl. IV 69,96 und IV 90,45f. Allerdings scheint Waldis ›Hose‹ gelegentlich auch im Sinne von ›Unterhose‹ zu verwenden; vgl. I 21,30 und I 69,20. 70 Eim jeden … Kappen] Redensartlich: ›eine Kappe kaufen‹ im Sinne von ›hart zusetzen‹; vgl. TPMA Hut 67–72; Röhrich, S. 804. 76 waffen] Schon im Mittelalter häufig belegter Klage- und Hilferuf; vgl. DWb 27, Sp. 292– 296, auch mit Bezug auf diese Stelle. 73–86 Des sich … Tyran] Ätiologische Pointe, vgl. zu I 16,69–78. 86 billich] mit Recht. 97 schleht] schlägt. Literatur Lieb, S. 21–23, 111f., 187.

I 18 Von den Tauben vnd Weihen.

DG 555

Vorlage [Dorpius, Nr. 18, Bl. 6af.] De Columba et Milvis. Columbae olim bellum gessere cum milvo. Quem ut expugnarent, delegerunt regem accipitrem. Ille rex factus hostem agit, non regem. Non segnius ac milvus rapit ac laniat. Paenitet columbas incoepti satius fuisse putantes pati bella milvi quam tyrannidem accipitris. Morale. Neminem suae sortis nimium pigeat. Nil est (teste Flacco) ab omni parte beatum [Horaz, Oden II  16,27f.]. Equidem meam sortem, modo tolerabilis sit, mutari non optem. Multi nova sorte quaesita veterem rursus optarunt. Ita plerique ingenio sumus omnes, nosmet nostri paenitet.

Stellenkommentar Ü Weihen] Greifvogel; siehe zu I  2,39. 6 abbrechen] schaden; vgl. FWB  1, Sp.  25, mit Bezug auf diese Stelle. 7 verliesen] verlieren. 8 kiesen] wählen. 11 verstahn] anführen. 17 einfaltig Taubenn] Vgl. Mt  10,16: simplices sicut columbae, in Luthers Übersetzung: on falsch/ wie die Tauben. Während die simplicitas (einfalt) der Tauben traditionell positiv ausgelegt wird (vgl. Silva

Kommentar zu I 19

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allegoriarum, S.  256f.), lässt der Kontext dieser Fabel auch eine negative Bedeutung (›Torheit‹) zu; vgl. IV 44,3. 22 sich … nicht helt] seiner Aufgabe nicht gerecht wird. 27f. laß sich … Seines beruffs] werde seiner Bestimmung nicht überdrüssig. 28 mit allen trawen] zuverlässig. 34 vngehuncken rheiten] nicht hinkend reiten, im Sinne von: ungehindert vorwärts gehen. 36 Leidlich] erträglich. 38 Jsts nicht … rein] Vgl. das sprichwörtlich gewordene Horaz-Zitat bei Dorpius (Oden II  16,27f.; vgl. Walther, Nr.  16631). 41 sich … vernewen] aus Übermut gerne selbst ihr Leben verändern. 42 am rewel kewen] Die Reue wird hier als Gegenstand konkretisiert, an dem man kauen muss; vgl. DWb 14, Sp. 836, mit Bezug auf diese Stelle. Vgl. II 85,24. 47 verbolgen] zornig, hier: unzufrieden. 50 Liessen … sich entfreien] dem Sperber freie Hand ließen. 50 Sperber] In Vers 10 ein Habicht. In der Tradition dieser Fabel variieren Habicht, Falke, Weihe. 51 anfahst] beginnst. 51f. Was … endt betracht] Sprichwörtlich nach Sir 7,40 (WAs du thust/ so bedencke das ende): ›Man bedenke bei allem das Ende‹; vgl. TPMA Ende 320–327. 53f. Besser du … in gr sserm baden] Sprichwörtlich: ›Ein kleiner Schaden ist besser als ein großer‹; vgl. TPMA Schaden 124, ferner Alberus, Fabeln 17,1 (Marg.).

I 19 Vom Dieb vnd Hundt.

DG 295

Vorlage [Dorpius, Nr. 19, Bl. 6b] De Fure et Cane. Furi aliquando panem (ut sileat) porrigenti respondit canis: »Insidias tuas novi, panem das, quod desinam latrare. Sed ego tuum munus odi, quippe si ego tulero panem, tu ex his tectis cuncta asportabis.« Morale. Cave parvi commodi causa amittas magnum, cave cuivis homini fidem habeas. Sunt enim, qui dolo non tantum benigne dicunt, sed et benigne faciunt.

Stellenkommentar 3 ball] bellte. 12 Denn] als dass. 14 genieß] Vorteil. 17f. nicht … glauben s llen] Sprichwörtlich nach I Joh  4,1: JR LIEBEN/ GLEUBET NICHT EINEM JGLICHEN Geist; vgl. TPMA Geist 22f.: ›Man soll nicht jedem Geist trauen‹, sowie Brant, Narrenschiff 101,33.

I 20 Vom Wolff vnd der Saw.

DG 639

Vorlage [Dorpius, Nr. 20, Bl. 6b] De Lupo et Sucula. Parturiebat sucula, pollicetur lupus se custodem fore foetus. Respondit puerpera lupi obsequio se non egere. Si velit pius haberi, si cupiat gratum facere, longius abeat. Lupi enim officium constare non praesentia, sed absentia.

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Kommentar zu I 21

Morale. Non sunt cuncta credenda cunctis. Multi suam operam pollicentur non tui amore, sed sui, suum quaerentes commodum, non tuum.

Stellenkommentar 2 an sie begeren] sich an sie wenden. 5 halb] wegen. 7 wesen] sein. 8 magst … genesen] glücklich entbunden werden kannst. 18 sein tag] seiner Lebtage. 20 traw] Treue. 23 beut] bietet an. 24 minst] schlechteste. 25 geniß] Nutzen. Zum Eigennutz siehe zu IV  100,95. 27 biß nicht fertig] sei nicht bereit. 27f. zu allen zeiten … Leuten] Siehe zu I 10,22f.

I 21 Von den schwangeren Bergen.

DG 56

Vorlage [Dorpius, Nr. 21, Bl. 7a] De Partu montium. Olim rumor erat parturire montes, homines accurrunt, circumsistunt monstri quippiam non sine pavore expectantes. Pariunt tandem montes, exit mus, tum omnes risu emori. Morale. Hanc fabellam tangit Horatius: Parturiunt montes (inquit) nascetur ridiculus mus [Horaz, De arte poetica (= Epistulae II 3), 139], notat autem iactantiam. Iactabundi enim, cum magna profitentur et ostentant, vix parva faciunt. Quapropter Thrasones illi iure sunt materia ioci et scommatum. Vetat item haec fabella inanes timores. Plerumque enim gravior periculo est periculi metus, immo ridiculum est, quod metuimus.

Stellenkommentar 3 Landtgeschrey] allgemeines Gerücht. 10 bauchet vber dmoß] über die Maßen dickbauchig. 11 erharten] ausharrten. 23 verbl)men] Siehe zu III  29,7. 24 der zehen] zehnerlei Dinge. 26 kommet zu den z)gen] zu einem Kriegszug kommt. 27 Das … gilt] dass es wirklich ernst wird und zur Schlacht kommt. 30 schmeissens] machen sie sich. 30 hosen] Vgl. zu I 17,66. 31–34 Vber die … Mauß gebern] Vgl. Horaz, De arte poetica (= Epistulae II 3), 139. 33 wern] werden. 35 pochen] prahlen.

I 22 Vom altenn Jaghunde.

DG 290

Vorlage [Dorpius, Nr. 22, Bl. 7af.] De Cane Venatico. Canem venaticum, qui iam senuerat, instigat herus, frustra hortatur, tardi sunt pedes, non properat. Prehenderat feram, fera edentulo elabitur. Increpitat herus verbere et verbo. Canis respondet debere sibi iure ignosci, iam senuisse, at iuvenem fuisse strenuum. »Sed ut video«, inquit, »nil placet sine fructu. Iuvenem amasti, senem odisti. Amasti praedabundum, odisti tardum edentulum. Sed si gratus esses, quem olim iuvenem frugis causa dilexisti, senem fructuosae iuventutis gratia diligeres.«

Kommentar zu I 23

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Morale. Recte canis, nam teste Nasone: Nil nisi quod prodest carum est, en detrahe menti spem fructus avidae, nemo petendus erit [Ovid, Epistulae II 3,15f.]. Praeteriti commodi nulla est memoria, futuri autem gratia non magna, praesentis commodi summa. Turpe quidem dictu, sed, si modo vera fatemur, vulgus amicitias utilitate probat [Ovid, Epistulae II 3,7f.].

Stellenkommentar 2 bgund] begann. 4 solt weydlich … setzen] ihn tüchtig angreifen sollte. 5 was er leibes mocht] aus Leibeskräften. 6 seine macht versucht] versuchte, was er konnte. 9 ermannen] überwältigen. 10 warn jm … gspannen] waren aufgrund seines Alters steif; vgl. DWb 5, Sp. 4134, mit Bezug auf diese Stelle. 13 Kn)tteln] Knüppeln. 15 Billich soltst] rechtmäßig müsstest du. 20 fahen] fangen. 21 was … risch] war sehr tüchtig und auch schnell. 26 gemach] ruhiges, behagliches Leben; vgl. DWb  5, Sp.  3129, mit Bezug auf diese Stelle. 27 zu widern mir] gegen mich. 31 geniessen des] Lohn erhalten für das, was. 37 Gemein] Gemeinschaft. 37f. Wer … wenig danck] Sprichwörtlich; vgl. TPMA gemeinsam 33–37: ›Der Allgemeinheit dienen ist undankbar‹. 41 zwar] sicher. 46 Auff jren … gute Pfl ger] Auf ihren Vorteil sind sie wohl bedacht; vgl. DWb  13, Sp.  1748f., mit Bezug auf diese Stelle. 47 Dieweil … m gen] solange sie einen Vorteil von jemandem haben. 48 zimlich] die gebührende. 52 belieben] lieben. 54 Ouidius von Gulmon] Ovid stammte aus Sulmo (heute: Sulmona, Stadt in der Provinz L’Aquila, Italien). 55–58 Wiewol es laut … wolthat messen] Vgl. Ovid, Epistulae II 3,7f. (vgl. auch Alberus, Fabeln 15,47 [Marg.]) und 15f. 57 vergessen] unbedacht. 59 wendt] aufhört; vgl. DWb 28, Sp.  1796, mit Verweis auf diese Stelle. 61 baß] mehr. 62 Nimmt … Graß] Nimmt ihnen den Hafer und schlägt sie tot.

I 23 Von Hasen vnd Frschen.

DG 260

Vorlage [Dorpius, Nr. 23, Bl. 7b] De Leporibus et Ranis. Silva insolito mugiente turbine trepidi lepores rapide occipiunt fugere. Fugientes, cum obsisteret palus, stetere anxii utrimque comprehensi periculis. Quoque maioris esset incitamentum timoris, vident in palude mergi ranas. Tum ex leporibus unus prudentior ceteris ac disertior: »Quid«, inquit, »inaniter timemus? Animo opus est. Corporum quidem agilitas nobis est, sed animus deest. Hoc periculum turbinis non fugiendum, sed est contemnendum.« Morale. Omni in re opus est animo. Iacet virtus sine confidentia. Confidentia enim dux, et regina virtutis est.

Stellenkommentar 2 Wie … findt] Der Vers markiert die Fabel als eine Fiktion und versetzt das Erzähler-Ich in die Rolle eines Fabeldichters, der auf eine reiche Überlieferungs-

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Kommentar zu I 24

und Stofftradition zurückgreifen kann; vgl. auch zu I 45,3. 3 erdont] ertönte. 4 Murt] heulte; vgl. DWb 12, Sp. 2724, mit Bezug auf diese Stelle. 5 Darab] davon. 6 Die zeit] die zu dieser Zeit. 10 zwar] durchaus. 11 verziehen] unschlüssig verharren. 12 Von stundt] sofort. 16 frech vnd vngestalt] heftig und ungestüm; vgl. DWb 24, Sp. 870, mit Bezug auf diese Stelle. 19 Wurden baldt raths] kamen bald überein. 23 s nten] sonnten. 24 baß] weiter. 25 Vngefehrlich auff die Fr sche drungen] zufällig drängten sie sich an die Frösche heran. 26 mit hauffen] in Scharen. 32 erwegen] entschließen. 41 feht] fängt. 42 hilfft … man] Dass dem Tüchtigen geholfen werde, ist schon im klassischen Latein sprichwörtlich: Fortes fortuna adiuvat. In der Neuzeit wird das Konzept des günstigen Schicksals ( fortuna bona) durch die Vorstellung der göttlichen Providenz überlagert; vgl. TPMA helfen 48f., 68–85: ›Wer sich selbst hilft (sich bemüht), dem wird (von Gott) geholfen‹. Waldis steht hier in der antiken Traditionslinie. 45f. Den … Hasen baner auff] derjenige, den in schwieriger Lage sein Handeln reut, der ergreift die Flucht. Redensartlich: ›Das Hasenpanier ergreifen‹; vgl. TPMA Hase  22–25; Röhrich, S.  669, und Franck, Sprichwörter, S. 293, Z. 9. In seiner Streitschrift Hertzog Heinrichs von Braunschweigs klage Liedt lässt Waldis den Herzog sagen: Ich erwischt das Hasen Baner, | Meins bleibens war nicht mehr (Str. 7,6f.; Koldewey, S. 11).

I 24 Vom Zickel vnd dem Wolff.

DG 650

Vorlage [Dorpius, Nr. 24, Bl. 7bf.] De Hoedo et Lupo. Capra cum esset pastum itura, hoedum domi concludit monens aperire nemini, dum redeat ipsa. Lupus, qui id procul audierat, post matris discessum pulsat fores, voce caprisat iubens recludi. Hoedus dolos praesentiens: »Non aperio«, inquit, »nam et si vox caprisat, tamen equidem per rimulas lupum video.« Morale. Obaudire parenti filios ipsis est utile, et iuvenem seni decet auscultare.

Stellenkommentar 3 an jene Heyd] Siehe zu I  11,5. 7 Sich] sieh. 8 Zeuh] zieh. 10 So lang] bis. 12 war vmb den ort] fort war. 26 Nickel] Kurz- und Koseform für Nikolaus, die wohl den Sprecher in die Rolle des Überlegenen setzen soll; vgl. DWb  13, Sp.  733f. 30 darffest] brauchst du. 31 kein senff] nichts, was dir Appetit macht; vgl. DWb 16, Sp. 581, wo diese Stelle aber nicht mit ihrer metaphorischen Bedeutung aufgeführt wird. 31 stippen] eintunken; vgl. DWb  18, Sp.  3178, mit Verweis auf diese Stelle. 32 dippen] eintauchen, hineinfassen; vgl. DWb 21, Sp. 504, mit Verweis auf diese Stelle. 33–38 Wer f)rsichtig … grossem leydt] Waldis verzichtet auf eine Deutung der Fabel im Sinne des vierten Gebots (Ex 20,12), wie sie die Dorpius-Vorlage anbietet; vgl. dagegen Alberus, Fabeln 12,1 (Marg.).

Kommentar zu I 25

I 25 Vom Hirschen vnd Wolff.

63 DG 277

Vorlage [Dorpius, Nr. 25, Bl. 8a] De Cervo et Lupo. Cervus coram lupo ovem ream facit modium tritici debere clamitans. Ovis debiti quidem erat inscia, tamen ob lupi praesentiam spondet se daturam. Dicitur solutioni dies. Dies adest, monet cervus ovem. Illa it infitias. Quod enim promiserit, excusat factum id metu et praesentia lupi. Votum extortum non esse servandum. Morale. Sententia iuris est: vim vi repellere licet. Ex hac fabella nova quaedam nascitur: fraudem fraude refellere licet.

Stellenkommentar 2 besagt] angeklagt. 7 wider statten] zurückerstatten. 8 rathen] die Sache entscheiden. 9 mit rechte dahin halten] durch einen Urteilsspruch dazu anhalten; vgl. DWb 10, Sp. 278. 11 vor recht] vor Gericht. 12 das einfeltig Schaf so schlecht] das redliche, unschuldige Schaf. Beide Adjektive eröffnen ein weites Bedeutungsspektrum und kennzeichnen das Schaf einerseits als schwach und im Rechtsstreit unterlegen, andererseits als im übertragenen Sinne ›einfach‹, als geradlinig und mit forensischer Taktik nicht vertraut (vgl. aber 27f.). Vgl. zu I 18,17. 15 stundt es zu] räumte seine Schuld ein. 17 wo ich mag leben] sofern ich am Leben bleibe. 23 Bub] Schurke. 25 bekant/ vnd zu gestahn] gestanden und eine Schuld eingeräumt habe. 26 des Wolffs] vor dem Wolf. 27f. Zu dem gel bd … geschicht] Erzwungene Zugeständnisse sind nicht bindend; vgl. H. Holzhauer, Geständnis, in: HRG  1, Sp.  1629–1642, hier Sp.  1635. 29f. in gmeynen rechten … widerfechten] Das neuzeitliche Recht setzt den römischen Grundsatz vim vi repellere licet (›Gewalt darf man gewaltsam bekämpfen‹) voraus, ohne ihn zu kodifizieren. Luther führt ihn wiederholt an; in deutscher Übertragung gerinnt die Maxime zur Redensart ›Gewalt mit Gewalt vertreiben‹; vgl. TPMA Gewalt  173–180. 30 widerfechten] zu bekämpfen. 33 entrichtet mancher strauß] mancher Streit entschieden. 34 Ein Nagel … auß] Schon in der griechischen Antike sprichwörtlich, im deutschen Sprachgebrauch allerdings kaum belegt: ›Ein Nagel treibt den andern hinaus‹; vgl. TPMA Nagel 11–41.

I 26 Vom Bawren vnd der Schlangen.

DG 410

Vorlage [Dorpius, Nr. 26, Bl. 8a] De Rustico et Angui. Rusticus quidam nutrierat anguem. Iratus aliquando bestiam petit securi. Evadit illa non sine vulnere. Postea rusticus deveniens ad paupertatem ratus est id infortunii propter anguis iniuriam sibi accidere, igitur supplicat angui, ut redeat. Ille ait ignoscere se, sed redire nolle. Neque enim fore securum, cum rustico tanta sit domi securis. Livorem vulneris desiisse, superesse tamen memoriam.

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Kommentar zu I 27

Morale. Ei, qui semel fidem solvit, iterum habere fidem vix est tutum. Iniuriam quidem donare, id sane misericordiae est, cavere autem sibi et decet et prudentiae est.

Stellenkommentar Ü Vgl. I  7 und IV  99, die mit gleichem Personal eine ähnliche Thematik behandeln. 14 vngedult] Feindseligkeit. 15 graw jm] reute ihn. 18 hinforder] in Zukunft. 18 baß] besser, mehr; hier mit allgemein verstärkendem Sinn. 20 also bleiben lahn] (ungerächt) so stehen lassen. 28 einst] einmal. 29 enturlauben] entlassen. 30 stellt] schenkt. 34 jm] einem (bezogen auf man; V. 33). 36 nit baß] nicht mehr. 37 letzt] verletzt. 38 Sich] sieh. 39 mach … anig] mach dich vom Verräter los. 40 Gifft … Honig] Dass unter dem Honig einer scheinbar angenehmen Sache Gift verborgen sei, ist seit Ovid (Amores I 8,104: Inpia sub dulci melle venena latent; zitiert nach TPMA Honig 117) vor allem im lateinischen und mittellateinischen Sprachgebrauch sprichwörtlich; vgl. TPMA Honig 117–137: ›Unter dem Honig ist Gift verborgen‹; Walther, Nr. 30528. Literatur Elschenbroich, Bd. 2, S. 85.

I 27 Vom Fuchß vnnd Storchen.

DG 212

Vorlage [Dorpius, Nr. 27, Bl. 8b] De Vulpecula et Ciconia. Vulpecula vocarat ciconiam ad cenam. Obsonium in mensam effundit, quod, cum liquidum esset, ciconia frustra rostro tentante vulpecula lingit. Abit elusa avis pudetque pigetque iniuriae. Post plusculum dierum redit, invitat vulpeculam. Vitreum vas situm erat plenum belli obsonii. Quod quidem vas cum esset arti gutturis, vulpeculae obsonium licuit videre et esurire, gustare non licuit. Ciconia rostro facile exhausit. Morale. Risus risum, iocus iocum, dolus dolum, fraus meretur fraudem.

Stellenkommentar 5 Mandelmuß] Vgl. zu I  9,80. 18 dir zalen ich] ich dir heimzahlen. 19 C llnscher gwicht] Gemeint ist die ›Kölnische Gewichtsmark‹, ein überregional gebrauchtes Geldgewicht; vgl. DRW 7, Sp. 1180f., sowie DWb 11, Sp. 1622, mit einem Beleg für den metaphorischen Gebrauch aus der zweiten Hälfte des 17. Jhs. – Das Bild der im 16. Jh. in Umlauf befindlichen Währungen und der jeweiligen Wertrelationen ist unübersichtlich. Ähnlich zersplittert wie im deutschen Reich war das Münzrecht nur in Frankreich und Italien. Es war ursprünglich dem deutschen König vorbehalten; schon im frühen Mittelalter aber erhielten (oder nahmen sich) auch die Kurfürsten, einzelne Landesherren und Bistümer Münzrechte. Entsprechend waren, trotz verstärkter Bemühungen um eine Vereinheitlichung des Münzwesens seit dem frühen  16. Jh., regional sehr verschiedene Münzen im Umlauf und konnten beim Wechsel der landesherrlichen Obrigkeit

Kommentar zu I 27

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neue Münzen eingeführt werden; vgl. Thomas Christmann, Das Bemühen von Kaiser und Reich um die Vereinheitlichung des Münzwesens. Zugleich ein Beitrag zum Rechtsetzungsverfahren im Heiligen Römischen Reich nach dem Westfälischen Frieden, Berlin 1988 (Schriften zur Rechtsgeschichte 41); Flugblätter I 166; IV 68. In der Reichsmünzordnung 1524 (abgedruckt in: Johann Christoph Hirsch, Des Teutschen Reichs Münz-Archiv […], Teil 1, Nürnberg 1756, S. 240– 248) wurden als Reichsmünzen der Reichsguldiner oder Guldengroschen, der Halbgulden, der Ort (ein Viertel Gulden), der Zehner (ein Zehntel Gulden), der Groschen (21 machen einen Gulden) und das ›kleine Gröschlein‹ (ein Viertel Groschen) bestimmt und ihr Edelmetallgehalt anhand des ›Kölnschen Gewichts‹ festgelegt; regional geschlagene Münzen sollten sich an diesen Werten orientieren. Überregional regulierte Wechselkurse konnten aber, wie auch bei den späteren Reichsmünzordnungen 1551 und 1559, längerfristig nicht durchgesetzt werden. Bedeutsam war neben obrigkeitlichen Normierungen im täglichen Umgang mit Geld auch, ob eine Münze gut geprägt oder aber abgegriffen (und damit im Sachwert gemindert) war. Waldis genoss als Sachverständiger in Münzfragen das Vertrauen des Rigaer Rates, für den er ein, möglicherweise auch mehrere Münzgutachten erstellte; vgl. Einleitung, S. 13. Unter den Goldmünzen nennt er bei weitem am häufigsten den Gulden, im deutschen Reichsgebiet die wichtigste Goldmünze, die seit dem 16. Jh. zunehmend vom Dukaten verdrängt wurde. Um neue Silberfunde auszubeuten, wurde dem Gulden seit Ende des 15. Jhs. außerdem eine gleichwertige Silbermünze zur Seite gestellt. Dieser ›Guldengroschen‹ hieß nach seinem Prägeort auch Joachimstaler (konnte aber missverständlicherweise auch ›Gulden‹ genannt werden). Weit verbreitet und im Wert stark schwankend war der silberne Schilling, regional wurden der Schneeberger und der Schreckenberger geschlagen. Waldis nennt daneben auch ausländische Münzen, die französische Krone und den englischen Rosenobel, den ursprünglich flandrischen Stüver und mehrere italienische Silber- (Carlin, Giulio) und Scheidemünzen (Quatrin). Grundsätzlich unterschied man zwischen Währungsgeld und den sogenannten Scheidemünzen. Sie hießen so nach ihrem Zweck, Käufer und Verkäufer ›ohne Bruch‹ voneinander zu scheiden, dienten also als Wechselgeld. Bei ihrem hohen Umlauf mussten Scheidemünzen aus widerstandsfähigem Material gefertigt sein, und der Nennwert musste über ihrem tatsächlichen Sachwert liegen. Diese ökonomische Notwendigkeit wurde lange nicht erkannt; eine verfehlte Scheidemünzenpolitik war wiederholt Ursache für Geldkrisen, darunter am bekanntesten die Kipper- und Wipperzeit 1619–1622. Wichtige Scheidemünzen waren seit dem Mittelalter Pfennige und Heller; sie wurden mit dem Aufkommen des zuverlässigeren Groschens in ihrer Bedeutung zurückgedrängt. Daneben wurde in Österreich und später auch in Süddeutschland der Kreuzer verbreitet, der allerdings kontinuierlich an Wert verlor. Sein vierfacher Wert, der Batzen, war hingegen eine wichtige Scheidemünze. Generell das Viertel einer größeren Münze war der Ort (›ein Viertel‹) wert (z.B. Ortstaler, Ortsgulden). 19 wo ich binn bider] bei meiner Ehre; vgl. zu I 9,52. 35 B)berey] Bosheit. 36 schalckheit] Arglist. 40 sichs … versehen] es nicht erwartet hätte. 43f. Doch was du … jm auch thun] Vgl. Mt 7,12, die sogenannte Goldene Regel; siehe zu I 7,52f.

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Kommentar zu I 28

45f. Denn mit der maß … nicht vergessen] Vgl. Mt 7,2: mit welcherley Mas jr messet/ wird euch gemessen werden. Sprichwörtlich: ›Jeder wird mit demselben Maß gemessen, mit dem er misst‹; vgl. TPMA messen 36–42.

I 28 Vom Wolff vnnd dem Bilde.

DG 633

Vorlage [Dorpius, Nr. 28, Bl. 8b] De Lupo et Capite picto. Lupus in officina sculptoris caput humanum repertum versat, miratur, sentiens (id quod erat) nihil habere sensus. »O pulchrum«, inquit, »caput, est in te artis multum, sed sensus nihil.« Morale. Externa pulchritudo, si assit, grata est. Sin alterutra carendum est, praestat externa quam interna careas. Illa enim sine hac interdum incurrit odium, ut stolidus eo sit odiosior quo formosior.

Stellenkommentar 1 vngefehr] zufällig. 5 heubt gestalt] Haupt gestaltet. 8 gschnitten bildt] Büste. 11 k)nsten zier] Der Kunst im Sinne handwerklichen Könnens wird später kunst im Sinne von Bildung und Wissen (artes liberales) gegenübergestellt (V.  17,  22). 13 an zu nemen] gutzuheißen. 14 Darff] braucht. 15 auß kiesen] wählen. 18 On das … tandt] Sprichwörtlich in verschiedenen Varianten; vgl. TPMA schön 12.2.2 (ohne neuhochdeutsche Belege). 22 zucht] Erziehung. 23 fast wol] sehr gut.

I 29 Vom H her.

DG 470

Vorlage [Dorpius, Nr. 29, Bl. 8bf.] De Graculo. Graculus ornavit se plumis pavonis. Deinde pulchellus sibi visus, fastidito genere suo contulit se ad pavonum genus. Illae tandem intellecta fraude stolidam avem coloribus nudarunt et plagis affecerunt. Horatius hanc fabellam primo epistolarum libro narrat de cornicula. Ait eam olim adornatam collectis, quae avibus exciderant, plumis, post, ubi una quaeque avium suam plumam decerpsit, ridiculam fuisse. Ne, si forte suas repetitum venerit olim grex avium plumas, moveat cornicula risum furtivis nudata coloribus [Horaz, Epistulae I 3,18–20]. Morale. Notat haec figura eos, qui se gerunt aequo sublimius, qui cum his vivunt, qui et ditiores sunt et magis nobiles. Quare saepe inopes fiunt et sunt ludibrio. Probe Iuvenalis monet: E caelo descendit γνῶθι σεαυτóν [Juvenal, Satiren 11,27], hoc est nosse te ipsum.

Stellenkommentar Ü H her] Gegen die Tradition setzt Waldis für den farblos schwarzen Vogel (Rabe, Krähe, Dohle) den bunt gefiederten Häher ein, der als spöttischer Vogel

Kommentar zu I 30

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und Spaßmacher galt (siehe zu IV  38,61), und akzentuiert damit die spielerische Torheit der Handlung. 11 Des wurden innen] das bemerkten. 13 zagen] Wohl eine Nebenform von ›zogen‹. 16 Das … seinem gleich] Sprichwörtlich; siehe zu I 5,40. 19 vbermacht] übertrieben; vgl. Franck, Sprichwörter, S. 121, Z. 31–33: Stateram ne transgrediaris. Vbermachs nit […]. Trit nit über das zil. 22 Plautus in Aulularia] Vgl. Plautus, Aulularia II 2 (V. 226–235) (Komödien, Bd.  1: Amphitruo – Asinaria – Aulularia. Lateinisch und deutsch, hg., übersetzt und kommentiert von Peter Rau, Darmstadt  2008, S.  212/213). 23 sich vermißt] in Vermessenheit beschließt. 23f. Wer … hinden noch] Dazu zahlreiche Sprichwortvarianten; vgl. TPMA steigen. 25 thu sich selbs … kennen] Die antike Maxime ›Erkenne dich selbst‹ ist als Sprichwort weit verbreitet, im deutschen Sprachgebrauch bis ins 16. Jh. aber eher spärlich belegt; vgl. TPMA erkennen 12.1. 27 etlich hohe leut] Bei Dorpius werden Horaz und Juvenal zitiert. 29 vnbescheyden] töricht. 31 Kunst] Können. 31 herprangen] herumprahlen.

I 30 Von der Fliegen vnnd Ameyssen.

DG 150

Vorlage [Dorpius, Nr. 30, Bl. 9af.] De Musca et Formica. Musca altercabatur cum formica. Se nobilem, illam ignobilem, se volitare, illam repere, se versari tectis regum, illam cavernis latere, segetem rodere, aquam bibere, se splendide epulari iactitabat et haec tamen otio nancisci. E regione formica se non ignobilem esse, sed suis natalibus contentam, muscam vagam esse, se stabilem, sapere formicae grana et fluenta, quod muscae pastilli et vina. Atque haec se non segni otio, at strenua opera nancisci. Porro formicam laetam esse et tutam, caram omnibus, exemplar denique laboris. Muscam anxiam cum periculo esse, cunctis infestam, cunctis invisam, exemplar denique segnitiei. Formicam hiemis memorem alimenta reponere, muscam in diem vivere hieme aut esurituram aut certe morituram. Morale. Qui pergit, quae vult dicere, quae non vult, audiet. Musca si bene dixisset, bene audisset. Assentior autem formicae. Videtur enim optabilior vita obscura cum securitate quam cum periculo splendida.

Stellenkommentar 5 hoch her fahr] Anspielung auf die Hoffart; vgl. V. 54: hoch her trab. Zur Tradition des superbia-Diskurses vgl. Wolfgang Hempel, Übermuot diu alte… Der Superbia-Gedanke und seine Rolle in der deutschen Literatur des Mittelalters, Bonn  1970 (Studien zur Germanistik, Anglistik und Komparatistik  1). 6 Erden bar] bloßen Erde. 10 Wagenleiß] Wagenspur. 13 Goldt vnd Silber schon] schönen Gold- und Silbergefäßen. 14 als] alles. 16 widerfechten] bestreiten. 31f. Mein that … auch preißt] Vgl. Prov  6,6–8: GEhe hin zur Emmeissen du Fauler/ sihe jre weise an/ vnd lerne. Ob sie wol keinen Fürsten noch Heubtman noch Herrn hat/ bereit sie doch jr brot im Sommer/ vnd samlet jre speise in der Erndte (vgl. Prov 10,5; 30,25). Die Voraussicht der stets fleißigen Ameise wird

68

Kommentar zu I 31

im Mittelalter durchwegs auf den Menschen gedeutet, der für sein Seelenheil Vorsorge treffen solle; vgl. Schmidtke, S. 238f. Zur Vorsorge treffenden Ameise vgl. auch I 84. 36 Bawr nach B)rger] Bauern und Bürger als Repräsentanten von Land- und Stadtbevölkerung markieren hier die Gesamtheit der menschlichen Gesellschaft. 38 streicht man … auß] verscheucht man dich mit Ruten. 39 helt dich] hält dich für. 41f. Die faulen … zeigstu jn an] In der Auslegungstradition steht die Fliege allerdings nicht für die Faulheit schlechter Menschen; vgl. zu Vers  47. 44 schmacht] verzehrender Hunger. 45 Wer nicht … wort] Wer in seiner Rede nicht maßhalten kann. 47 wol gesungen] gut gesungen, hier also: anständig gesprochen. In der Tradition der Bibelallegorese steht die Fliege u.a. für leere Beredsamkeit; vgl. Silva allegoriarum, S. 705. 48 wer es jr auch baß gelungen] hätte sie auch größeren Erfolg gehabt. 52 schlecht] einfach. 55 Bey grossem gut/ ist hoher mut] Sprichwörtlich, seit dem Mittelalter in verschiedenen Varianten belegt: ›Gut führt zu Hochmut und Übermut‹; vgl. TPMA Gut 131–141. Der Kommentar bei Agricola, Sprichwörter I 51, weist, wie hier Vers 56, bereits auf die negativen Folgen der superbia hin, begründet sie aber kausallogisch aus einer Ereignisabfolge: Denn wo gut ist/ do ist auch m*t. […] Wo m*t ist/ da ist auch hoffart/ auß hoffart wechset krieg/ krieg macht arm*t (S. 41, Z. 30–S. 42, Z. 2). 59f. Selig wirdt … wenig leut] Variation von Ovids bene qui latuit, bene vixit (Tristia III  4,25), das im Mittellateinischen wie im Deutschen statt der älteren epikureischen late biosas-Formel meist als Referenz angeführt wird; vgl. TPMA verbergen 8.1.; Walther, Nr. 1995. Literatur Lieb, S. 87f., 102.

I 31 Vom Frosch vnd dem Ochßen.

DG 168

Vorlage [Dorpius, Nr. 31, Bl. 9b] De Rana et Bove. Rana cupida aequandi bovem se distentebat. Filius hortabatur matrem coepto desistere. Nihil enim esse ranam ad bovem. Illa secundum intumuit, clamitat natus: »Crepes licet mater, bovem numquam vinces.« Tertium autem cum intumuisset, crepuit. Morale. Cuique sua dos est. Hic forma, ille viribus, hic opibus, ille pollet amicis. Unumquemque suo decet esse contentum, valet ille corpore, tu ingenio. Quo circa quisque semet consulat, nec invideat superiori, quod miserum est, nec (quod stultitiae est) certare optet.

Stellenkommentar 3 inn solcher moß] in dem Maße. 5 sich] sieh. 12 gethan] geschafft. 15 andern] zweiten. 16 schier ablangen soll] bald erreichen werde. Die Drucke BCEF haben erlangen. 23 Ein jeder … gab] Vgl. I Kor 7,7: Aber ein jglicher hat seine eigene gabe von Gott/ Einer sonst/ der ander so. 26 frommes] rechtschaffenes,

Kommentar zu I 32

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tüchtiges. 28 freundtschafft] ›Freundschaft‹ kann im älteren Sprachgebrauch auch ›Verwandtschaft‹ heißen; ob an dieser Stelle einflussreiche Freunde oder weitverzweigte Verwandtschaftsverhältnisse als Argument angeführt werden, bleibt unentschieden; vgl. auch I 40,47–50. 29 werckliche] geschickte. 32 geschicket] geeignet. 33 abgunst] Missgunst. 34 kunst] Können. 35 Vermesse … kan] Versidentisch mit I 63,19. 38 zu legen] aufzulehnen. 39 selbs messe] selbst einschätze.

I 32 Vom Pferdt vnnd Lwen.

DG 393

Vorlage [Dorpius, Nr. 32, Bl. 9bf.] De Equo et Leone. Venit ad equum comedendum leo. Carens autem prae senecta viribus meditari coepit artem, medicum se profitetur, verborum ambage equum moratur. Hic dolo dolum, artem opponit arti. Fingit se nuper in loco spinoso pupugisse pedem, orat, ut inspiciens sentem medicus educat. Paret leo, at equus quanta potuit vi calcem leoni impingit et se continuo conicit in pedes. Leo vix tandem ad se rediens ictu enim prope exanimatus fuerat. »Pretium«, inquit, »fero ob stultitiam, et is iure effugit. Dolum enim dolo ultus est.« Morale. Odio digna est simulatio et simulatione capienda. Non est timendus hostis, qui hostem prae se fert, sed qui cum hostis sit, benevolentiam simulat, is demum timendus et odio dignissimus.

Stellenkommentar 4 zu fellen sach] zu erlegen wusste. 5 thete] es erreichen könnte. 6 berette] überrede. 10 gib mir dein gebrechen vor] teile mir dein Gebrechen mit. 14 wist jrkein Buß] irgendein Heilmittel dagegen wüsstest. 18 knebel spieß] Jagdspieß, besonders bei der Schweinejagd verwendet; vgl. DWb 11, Sp. 1379, mit Verweis auch auf diese Stelle, sowie Dalby, S. 214. 20 Darffst] brauchst. 22 enckel] Knöchel. 27 ermannen] aufrichten. 31 hon] haben. 34 gerochen] vergolten. 38 Den selben hat man wol zu fellen] einen solchen niederzustrecken ist einfach. 41 gram/ im hertzen gram] feindselige Gesinnung in seinem bösen Herzen. 43 jn letze] ihm Übles zufüge; vgl. DWb  12, Sp.  802, mit Bezug auf diese Stelle. Literatur Lieb, S. 97.

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I 33 Vom Pferdt vnnd Esel.

Kommentar zu I 33 DG 461

Vorlage [Dorpius, Nr. 33, Bl. 10af.] De Equo et Asino. Equus phaleris sellaque exornatus cum ingenti hinnitu per viam currebat. Currenti autem onustus asellus forte obstabat. Equus ira fremebundus et frena ferox spumantia mandens: »Quid«, inquit, »tarde ignave obsistis equo? Cede, inquam, aut proculco te pedibus.« Asellus contra rudere non ausus cedit tacitus. Equo autem provolanti et cursum intendenti crepat inguen. Tum cursui et ostentui inutilis ornamentis spoliatur, dein carrario venditur. Videt postea cum carro venientem asellus et affatur: »Heus, bone vir, quid istuc ornati est? Ubi aurata sella, bullata cingula? Ubi nitidum frenum? Sic, amice, necesse fuit evenire superbienti.« Morale. Plerique in secundis rebus elati sunt, nec sui memores nec modestiae. Sed quia prosperitate insolescunt, adversitatem incurrunt. Eos, qui felices videntur, monuerim esse cautos. Etenim si rota fortunae circumacta fuerit, sentient miserrimum genus infortunii esse fuisse felicem. Accedet ad cumulum infelicitatis id quoque mali. Contemnentur ab iis, quos ipsi contempsere, et illudent eis ii, quos ipsi risere.

Stellenkommentar 6 durchschniert] durchzogen. 11 fraß] Hier: kaute. 13 solche mores glert] ein solches Verhalten (mores = lat. Sitten, Brauch) gelehrt. ›Mores lehren‹ im Sinne von ›Anstand lehren‹ ist redensartlich; vgl. Röhrich, S. 1050f. 16 jr sechs] sechs Leute. 17 schnorren] zornigen Murren. 18 dorfft auch nit einst] wagte es nicht, auch nur einmal; vgl. DWb  2, Sp.  1729 (zu ›dürfen‹). 19 was es Leibes m cht] aus Leibeskräften. 20 ongefehr verr)cht] Das crepat inguen in der Dorpius-Vorlage ist mehrdeutig. inguen bezeichnet den Leistenbereich und die Schamgegend. Alberus hat entsprechend: Das jhms gem cht zureyß dauon (Fabeln 26,43). Unmotiviert bleibt dabei aber, dass das Pferd sich beim Laufen ohne weiteres (ongefehr) verletzt. Kurz und Tittmann verstehen verr)cht als eine Ableitung von ›röcheln‹, die aber nicht im Sinne von ›verröcheln‹, ›das Leben aushauchen‹ (vgl. DWb 25, Sp. 1016) verwendet sei. Kurz erklärt »verliert den Athem«, Tittmann erläutert ausführlicher, das Pferd habe zu viel Luft eingeschluckt. Da Pferde eingeschluckte Luft tatsächlich nicht von sich geben können, ist das Pferd jedenfalls für repräsentative Zwecke nicht mehr zu gebrauchen. Bei einer Erklärung von verr)cht mit ›ließ ab (vom Laufen)‹ (so DWb 25, Sp. 1020) bleibt die weitere Handlung unmotiviert. 22 die sch ne r)stung] den schönen Putz. 23 verkaufts] verkaufte es (das Pferd). 30 hoffart] Zur Tradition des Hochmut-Diskurses vgl. zu I 30,5. 32 nach ziel nach masse] weder Ziel noch das rechte Maß. 35 erhaben] emporgehoben. 36 zu besorgen haben] müssen sich Sorgen machen. 37 gl)cksradt] Das Rad der Fortuna ist ein schon in der Antike geprägtes Bild für die Wandelbarkeit des Glücks (siehe auch zu I 12,49); im Christentum wird es zum ausführenden Organ des göttlichen Willens umgedeutet. Das sich beständig drehende Rad macht sinnfällig, dass derjenige, der auf dem Rad sitzend nach oben getragen wird, zwangsläufig einen Abstieg erleben muss. Vgl. zur Ikonographie RE 7,1, Sp. 41f.; Emblemata, Sp. 1803–1809;

Kommentar zu I 34

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Flugblätter I 165; II 29, 162, 219, 281, 349; III 161; IV 112. Vgl. auch Röhrich, S. 563 und Alberus, Fabeln 26,83f. – Vgl. I 84,40; III 92,163; IV 8,78; IV 99,452. 38 mit schaden glert] Redensartlich; siehe zu I 11,76. 39 Das gr sser … zurlesen] ein größeres Unglück kann einen nicht treffen. 40 Denn] als. 40 ich bins wol ehe gewesen] Zur Ikonographie des Glücksrads gehören vier Könige, die das wandelbare Glück mit sich reißt. Derjenige auf der Spitze des Rades spricht regno (›ich regiere‹), der auf der linken, aufsteigenden Seite regnabo (›ich werde regieren‹), derjenige auf der rechten Seite regnavi (›ich habe regiert‹) und derjenige an der tiefsten Stelle sum sine regno (›ich regiere nicht‹); vgl. etwa Flugblätter II 219. Auf den Ausspruch des dritten scheint Waldis hier anzuspielen. 42 der andern keins] jedes andere. 43f. Das man … veracht] Im Hintergrund steht die im Deutschen reich belegte Redensart, wonach zum Unglücksfall (vnfall) noch der Spott hinzukomme: ›Den Schaden (Die Schande) und dazu den Spott haben‹; vgl. TPMA Spott 13–55. 48 Wer steht … nicht fall] Der sprichwörtliche Gebrauch (›Wer steht, gebe acht, dass er nicht falle‹) wird meistens auf I Kor 10,12 zurückgeführt: Darumb/ wer sich lesset düncken/ Er stehe/ Mag wol zusehen/ das er nicht falle; vgl. TPMA stehen 1–21.

I 34 Von Vgelen und vierf(ssigen Thiern.

DG 147

Vorlage [Dorpius, Nr. 34, Bl. 10b] De Avibus et Quadrupedibus. Avibus pugna erat cum quadrupedibus. Utrinque spes, utrinque metus, utrinque erat periculum. Vespertilio autem relictis sociis defecit ad hostes. Vincunt aves duce et auspice aquila. Transfugam vero vespertilionem damnant, uti ne ad aves umquam illi sit reditio, uti ne luce umquam sit volatus. Haec causa vespertilioni est, ut non nisi noctu volet. Morale. Qui cum sociis adversitatis et periculi particeps esse renuit, prosperitatis et salutis expers erit.

Stellenkommentar 1 auff eine zeit] einstmals; vgl. DWb 31, Sp. 543. 8 Von andern V geln dr het sich auß] entschlüpfte den anderen Vögeln; vgl. DWb  1, Sp.  845f., auch mit Bezug auf diese Stelle. 13 nemen jr sachen war] kämpfen für ihre Sache. 15 f)rsichtig … den hauffen] führte die Streitmacht vorausschauend an. 18 Der verlorn hauff] ›Verlorener Haufen‹ heißt in der Soldatensprache ein Vortrupp, der beim Sturmangriff geopfert wird; vgl. II 52,38. Der ›gewaltige Haufe‹ (vgl. V.  20) bezeichnet dagegen die Hauptstreitmacht; vgl. DWb  10, Sp.  585, auch mit Bezug auf diese Stelle, und Siegfried Fiedler, Kriegswesen und Kriegführung im Zeitalter der Landsknechte, Koblenz 1985 (Heerwesen der Neuzeit I 2), S. 88f. 20 Setzten zum gwaltigen hauffen ein] fielen über die Hauptstreitmacht her. 24 in die Acht theten] Die Acht wurde bei besonders schweren Verbrechen verhängt, insbesondere wenn diese sich gegen die Gemeinschaft richteten. Sie hatte den Ausschluss aus der Gemeinschaft und vollständige Rechtlosigkeit zur

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Kommentar zu I 35

Folge. 25 hielten sie] hielten sie für. 27 thar] wagte. 28 auffricht Fendlin] tüchtiges Fähnlein (eine Kriegsabteilung). 31f. Wie man … sehen mag] Ätiologische Pointe, vgl. zu I 16,69–78; vgl. auch die Bearbeitung des Stoffs bei Alberus, Fabeln 34,199–212. 35 bleibt bestahn] standhält. 36 frommen] tüchtigen. 39 an die … die heut] den Feinden nicht seine Haut hinhält, im Sinne von: ihnen ausweicht. 43 Wer sich … leßt schrecken] Wen das Kraut (Gemüse) vom Tisch abschreckt. Literatur Lieb, S. 106.

I 35 Vom Wolff vnd Fuchß.

DG 220

Vorlage [Dorpius, Nr. 35, Bl. 10bf.] De Lupo et Vulpe. Lupus cum praedae satis esset, in otio degebat. Accedit vulpecula, sciscitatur otii causam. Sensit lupus insidias fiere suis epulis, simulat morbum esse causam. Orat vulpeculam deprecatum iri deos. Illa dolens dolum non succedere adit pastorem, monet petere latebras lupi hostem enim securum posse inopinato opprimi. Adoritur pastor lupum, mactat. Illa potitur antro et praeda. Sed fuit illi breve sceleris sui gaudium. Nam non ita multo post idem pastor et ipsam capit. Morale. Foeda res invidia est et ipsi interdum autori quoque perniciosa. Flaccus epistolarium primo. Invidus alterius rebus marcescit opimis. Invidia Siculi non invenere tyranni maius tormentum.

Stellenkommentar 5 Aß] ›Aas‹ hat im älteren Sprachgebrauch noch nicht zwangsläufig die Bedeutung des Verwesenden, bezeichnet oft nur das Tieren als Nahrung dienende Fleisch; vgl. DWb 1, Sp. 6. 6 vor vollem fraß] vor übermäßigem Fressen; vgl. DWb 4, Sp. 65, auch mit Bezug auf diese Stelle. 7 auß gespreit] ausgestreckt. 8 gei t] Jagd. 12 on meinen danck] gegen meinen Willen. 13f. W llest … retten] Vgl. I  15,7f. 16 anschlag] Plan. 18 auß treiben] (das Vieh) auf die Weide treiben. 20 Gut newe mehr] gute Neuigkeiten. 22 Leit … Bloch] liegt da ausgestreckt wie ein Holzklotz. 26 Jr F)nff] ihrer fünf (fünf Wölfe). 27 den Wolff vmbringen thet] ließ (seine Hunde) den Wolf umstellen. 31 Als] alles. 36 auff nam] gefangensetzte; vgl. FWB 2, Sp. 576. 41–44 Wer einen Steyn … jn draus hebt] Vgl. Sir 27,28f.: WER DEN STEIN IN DIE HÖHE WIRFFT/ DEM fellet er auff den Kopff/ […]. Wer eine Grube grebt der fellt selbs drein; ähnlich in Prov  26,27; Ps  7,16f. Zu sprichwörtlichem Gebrauch gelangen in der Frühen Neuzeit beide Sätze jeweils für sich; vgl. TPMA Stein 160–166: ›Wer einen Stein über sich wirft, dem fällt er auf den Kopf‹; TPMA Grube  61–73: ›Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein‹; Röhrich, S.  587; vgl. auch II 9,33f. 44 Darff] bedarf. 45 Neidthart vnd vntrew] Neid und Treulosigkeit;

Kommentar zu I 36

73

vgl. zu I  6,53. 45f. das Neidthart … gerhew] Vgl. das Sprichwort: ›Untreue fällt auf den Untreuen zurück‹; vgl. TPMA Untreue  19–48. 46 erst gerhew] zuerst reuen.

I 36 Von einem Hirsch.

DG 272

Vorlage [Dorpius, Nr. 36, Bl. 11a] De Cervo. Cervus in perspicuo fonte se conspicatus probat procera frontis et ramosa cornua, sed tibiarum exilitatem damnat. Forte dum contemplatur, dum iudicat, intervenit venator. Fugit cervus ocior pilis et agente nimbos ocior curo. Insectantur fugientem canes. Sed cum intrasset condensam silvam, implicita sunt ramis cornua. Tum demum tibias laudabat et cornua damnabat, quae fecere, ut praeda esset canibus. Morale. Fugienda petimus, petenda fugimus. Placent, quae officiunt, quae conferunt, displicent. Beatitudinem cupimus, priusque ubi sit intelligamus. Opum excellentiam et honorum celsitudinem quaerimus, in his beatitudinem sitam opinamur, in quibus tamen multum laboris est et doloris. Pulchre id significat Lyricus ille noster: Saepius ventis agitatur ingens pinus et celsae graviore casu decidunt turres feriuntque summos fulgura montes [Horaz, Oden II 10,9–12].

Stellenkommentar 1 Brunnen] Quelle. 5 geschicket] gestaltet. 6 bas denn] besser als. 7 daucht jhn] erschien ihm. 12 rahn] dünn. 13f. sich selb … Contempliert] sich selbst im Brunnen betrachtete und nachsann. 17 on alls gefehr] ganz zufällig. 20 fleuht] fliegt. 21 war jm gach] eilte er. 31 vor] für. 39 sich han erwegen] auf sich genommen haben. 41 r)he] Ruhe. 42 So doch denn] stattdessen. 43 Flaccus] Der heute v.a. mit seinem Familiennamen bekannte römische Dichter Horaz, eigtl. Quintus Horatius Flaccus (65–8 v. Chr.). 44 Saphicon] Gedicht im Versmaß der sapphischen Ode, benannt nach der griechischen Lyrikerin Sappho (um 600 v. Chr.). 45–49 die grossen … Berg] Vgl. Horaz, Oden II 10,9–12. 46 weydlich zannen] heftig zerren; vgl. DWb 31, Sp. 257, mit Verweis auf diese Stelle. 47 Th)rn] Türme. 49 Donder] Donner. 50 schlecht] schlägt. 50 das Zwerg] dem Zwerg. 51 Gmeynlich] gewöhnlich. 51 falln … klimmer] Ein sprichwörtlicher Gebrauch ist in verschiedenen Varianten nachgewiesen: ›Die besten Kletterer fallen‹; vgl. TPMA steigen 15–18, daneben auch TPMA steigen 1.1.–1.4. 52 So ertrincken … schwimmer] Sprichwörtlich: ›Oft ertrinken gerade die guten Schwimmer‹; vgl. TPMA schwimmen  14–18. Der Satz wird häufig mit dem bei Waldis voranstehenden über die guten Kletterer zusammengefasst, u.a. bei Agricola, Sprichwörter I 205, und mehrfach bei Luther. Literatur Lieb, S. 35.

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I 37 Von der Schlangen vnd einer Feilen.

Kommentar zu I 37 DG 436

Vorlage [Dorpius, Nr. 37, Bl. 11af.] De Vipera et Lima. In fabrica offendens limam vipera coepit rodere. Subrisit lima: »Quid«, inquiens, »inepta? Quid agis! Tu tibi ante contriveris dentes, quam me atteras, quae duritiam aeris praemordere soleo.« Morale. Etiam atque etiam vide, qui cum tibi res sit. Si in fortiorem dentes acuis, non illi, sed tibi nocueris.

Stellenkommentar 3 gundt] begann. 9 gar eben] sehr genau. 13 sich gar vnn)tzlich zerrt] quält sich ganz unnötig. 14 Gegm Backofen … auff sperrt] Redensartlich, im Deutschen allerdings nicht häufig belegt: ›Gegen den Backofen den Mund aufsperren, gähnen‹, im Sinne von: ›etwas Unmögliches versuchen‹; vgl. TPMA Ofen 56– 59; Röhrich, S. 129. Vgl. auch II 28,49f.

I 38 Von Wolffen vnd Schaffen.

DG 504

Vorlage [Dorpius, Nr. 38, Bl. 11b] De Lupis et Agnis. Lupis et agnis, quibus natura discordia est, foedus aliquando fuit. Datis utrinque obsidibus lupi suos catulos, oves canum cohortem dedere. Quietis ovibus ac pascentibus lupuli matrum desiderio ululatus edunt. Tum lupi irruentes fidem foedusque solutum clamitant ovesque canum praesidio destitutas laniant. Morale. Inscitia est in foedere, tua praesidia hosti tradas, nam qui hostis fuit, hostis forsan nondum esse desiit. Fortassis et causam coeperit, cur te nudatum praesidiis adoriatur.

Stellenkommentar 7 treg] erschöpft. 8 frieden weg] Wohl: einen friedlichen Weg; Tittmann wählt die Zusammenschreibung: friedenweg. 15 Forder … letzen] in Zukunft sollte keiner den anderen verletzen. 16 Geißel] Geiseln. 21 verstrickt] sichergestellt; vgl. DWb 25, Sp. 1804, mit Verweis auf diese Stelle. 26 scheulten] sich verbargen. In DWb 14, Sp. 2624, nur mit dieser Stelle belegt. 30 grochen] gerächt. 39 vortracht] Vereinbarung; vgl. DWb  26, Sp.  1752f., mit Verweis auf diese Stelle. 41 vbergibt] aufgibt. 42 jebt] übt. 44 genesen] heil davongekommen. 47 vor] für. 49 mit schaden glert] Redensartlich; siehe zu I 11,76. 50 Geschlagen … eignen Schwerdt] Redensartlich: ›Mit dem eigenen Schwert geschlagen werden‹, im Sinne von: ›in seine eigene Falle gehen, gegen sich selbst reden‹; vgl. TPMA Schwert  15–20; Röhrich, S.  1449. Der redensartliche Gebrauch im Mittellateinischen geht auf den biblischen Bericht zurück, wonach David den Goliath mit dessen eigenem Schwert tötet (I Sam  17,51); vgl. auch

Kommentar zu I 39

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Ps 37,15. Die Redensart ist v.a. im Mittelhochdeutschen nachgewiesen, aber auch Luther verwendet sie (WA 6, S. 316, Z. 3f.). Vgl. auch II 9,30.

I 39 Vom Walde vnnd einem Bawren.

DG 48

Vorlage [Dorpius, Nr. 39, Bl. 11b] De Silva et Rustico. Quo tempore etiam arboribus suus sermo erat, venit rusticus in silvam rogans, ut ad securim suam tollere liceat capulum. Annuit silva. Rusticus aptata securi coepit arbores succidere. Tum et quidem sero poenituit silvam suae facilitatis. Doluit se ipsam esse causam sui exitii. Morale. De quo bene merearis vide. Multi fuere, qui accepto beneficio in auctoris abusi sunt perniciem.

Stellenkommentar Ü Walde … Bawren] Vgl. III 77. 1f. als die B ume … Steyne theten] Die Verortung der Fabelhandlung in einer unbestimmten Vorzeit macht den Umstand plausibel, dass sogar die Vertreter der unbelebten Natur sprechen können. Bei Alberus erhält der gleiche Fabelstoff eine ätiologische Wendung und begründet, dass durch das Vergehen des Bauern der Wald seine Sprache verloren habe: Vnd f)r schrecken mit seinem mundt | Nicht ein wort mehr gereden kundt (Fabeln  43,35f.). 6 Helb] Stiel. 9 sschen holtz] Stück Eschenholz. 10 Boltz] Pfeil für die Armbrust. 12 mit Negeln hinder nieten] durch das Umbiegen eingeschlagener Nägel befestigt hatte. 24 billich] zu recht. 25 Vor] als. 26 frommen] tüchtigen. 26 behufen] bedürfen. 28 sie sein han genossen] er ihnen genützt hat. 31 neren] ihren Unterhalt verdienen. Literatur Lieb, S. 102, 106.

I 40 Von gliedern des Menschen vnd dem Bauch.

DG 408

Vorlage [Dorpius, Nr. 40, Bl. 11bf.] De Membris et Ventre. Pes et manus ventrem olim incusarunt, quod ab otioso eo lucra ipsorum vorarentur. Iubent aut laboret aut ali ne petat. Supplicat ille semel et iterum, negant tamen manus alimentum. Exhausto inedia ventre ubi coepere omnes artus deficere, tum manus voluit tandem officiosa esse, verum id sero. Nam venter desuetudine debilis cibum reppulit. Ita cuncti artus dum ventri invident, cum ventre pereunte pereunt. Morale. Perinde atque in membrorum societate est, ita habet se societas humana. Membrum eget membro, amicus eget amico. Quare mutuis operis et mutuis officiis utendum

76

Kommentar zu I 40

est. Neque divitiae neque dignitatum apices hominem satis tuentur. Unicum et summum praesidium complurium amicitia est.

Stellenkommentar 4 schlauch] Fresser. 7 schmeckt] riecht. 11 mit allen trewen] ganz zuverlässig. 23 sich … kert] hörte darauf. 24 sie … lert] sie erfahren mussten. 26 theten … gmach] wurden auch die Glieder träge. 27 vorterb] Verderben. 28 jahen] sagten. 34 zu gut … schafft] zum Wohle des anderen arbeitet. 38 Creso vnd Midi] Kroisos oder Kroesus (letzter König von Lydien, 6. Jh. v. Chr.; vgl. Herodot, Historien I  26–94. Vgl. auch Das Leben Esopi  265f.) galt als einer der reichsten Männer des Altertums. Er wird von Waldis auch in Der verlorene Sohn  561 als Exempelfigur zitiert. Dem phrygischen König Midas verwandelte sich nach Ovid, Metamorphosen 11,85–145, alles, was er berührte, in Gold. Vgl. auch Brant, Narrenschiff 26,5ff. 40 gerathen] entbehren. 42–44 Das wir … wolthat )ben] Vgl. etwa Lev  19,18; Mt  19,19; Gal  5,13f.; ferner Röm  13,8– 10. 47 grosse Freundtschafft] viele Freunde, oder auch: eine weitverzweigte Verwandtschaft; vgl. zu I 31,28. 52 Oberkeit vnd Vndersassen] Obrigkeit und Untertanen. 53 Einander … eingeleibt] einander einverleibt, miteinander eins sein sollen; die Metapher führt Bildebene (vielgliedriger Organismus) und Deutungsebene (gegenseitige Abhängigkeiten aller in der politischen Gemeinschaft) eng. 54 Als] alles. 55 Rathes mute] Ratsentschlüssen. 56 gemein] Gemeinschaft. 58 Als zu frommen] alles zum Vorteil. 62 Das sie … gewert] dass sie dies erhalte. 63f. gschoß … geben soll] Vgl. Röm 13,6f., sowie Luthers Marg. zu Röm  13,6: Sehet wie gut es ist/ schos geben/ vnd gehorchen/ das jr damit helffet die Frumen schützen/ vnd die Bösen straffen/ Darumb lassets euch nicht verdriessen. 63 gschoß] Geldabgabe. 64 Als vngewegert] alles ohne Weigerung. 65 B)rgerlich Policey] Gesamtheit der obrigkeitlichen Instanzen, die das öffentliche Leben regeln, bzw. der das Zusammenleben regelnden Verordnungen. 65f. So bsteht … dabey] Etwa: So kann durch ihren Besitz die Obrigkeit der öffentlichen Ordnung Geltung verschaffen. Kurz erklärt für vorrath »Berathung« (vgl. dazu DWb 26, Sp. 1394) und versteht damit implizit die B)rgerlich Policey im Sinne der Körperschaft. 69f. Sanct Paulus … zun R mern] Bezugspunkt für das Morale ist Röm 13,1–7, Referenzstelle für die Analogie von Organismus und politischer Körperschaft ist dagegen Röm 12,4–6; vgl. Peil, S. 100. Literatur Elschenbroich, Bd. 2, S. 85f., 204f.; Dietmar Peil, Der Streit der Glieder mit dem Magen. Studien zur Überlieferungs- und Deutungsgeschichte der Fabel des Menenius Agrippa von der Antike bis ins 20. Jahrhundert, Frankfurt/M. – Bern – New York 1985 (Mikrokosmos 16), S. 98–101.

Kommentar zu I 41

I 41 Vom Affen vnd Fuchß.

77 DG 174

Vorlage [Dorpius, Nr. 41, Bl. 12a] De Simia et Vulpecula. Simia vulpeculam orat, ut partem caudae sibi donet ad tegendas nates. Illi enim esse oneri, quod sibi foret usui et honori. Respondet illa nihil nimis esse et se malle humum cauda sua verri quam simiae nates tegi. Morale. Sunt, qui egeant, sunt, quibus superet. Nulli tamen divitum id moris est, ut re superflua beet egenos.

Stellenkommentar 11 Kath] Dreck. 13 notturfftig] bedürftig. 14 Darff wol … sein erbarm] ist sehr darauf angewiesen, dass man sich seiner erbarme. 16 das] dass es. 17 kargen] knauserigen. 18 kostfrey] freigebig. 20 buß] lindere.

I 42 Vom Hirsch vnd den Ochßen.

DG 276

Vorlage [Dorpius, Nr. 42, Bl. 12af.] De Cervo et Bobus. Cervus venatorem fugiens coniecit se in stabulum. Boves orat, ut in praesepe latitare liceat. Boves tutum esse negant. Mox enim et dominum et famulum affuturos. Ille securum se esse ait, modo ne ipsi prodant. Intrat famulus, occultum foeno non videt, exit. Gestire cervus et nihil iam timere. Tum unus e bobus et aevo et consilio gravis: »Facile«, inquit, »erat hunc, qui talpa est, fallere, sed ut herum, qui Argus est, lateas, hoc opus, hic labor est.« Mox deinde introgreditur herus. Qui ut servi negligentiam corrigat, cuncta lustrans oculis et praesepe manu tentans cervi deprehendit sub foeno cornua. Inclamat famulos, accurrunt, feram occludunt, capiunt. Morale. In adversis rebus et periculis latebrae difficiles sunt inventu, aut quia miseros, ut coepit, fortuna exagitat, aut quia ipsi metu impediti et inopes consilii semet imprudentia produnt.

Stellenkommentar 1 an jener Heydt] Siehe zu I 11,5. 2 mit gej gt] auf der Jagd; möglich ist auch die Bedeutung ›mit Jagdgefolge‹ (vgl. DWb 5, Sp. 2827f.). 6 H w] Heu. 8 nicht sicher zwar] gewiß nicht sicher. 11 Ob] Wenn. 15 gab den Ochßen f)r] legte den Ochsen (Futter) vor. 23 hast wol zu betriegen] kannst du leicht betrügen. 24 vor zu ligen] vorzulügen. 28 zwar es hat m)he] das wird gewiss schwierig. 36 todtes fahr] Lebensgefahr. 40 versicht] ein Versehen begeht. 41 empfellt] mangelt. 44 entladen] entledigen.

78

I 43 Vom Lwen vnd Fuchß.

Kommentar zu I 43 DG 201

Vorlage [Dorpius, Nr. 43, Bl. 12bf.] De Leone et Vulpecula. Leo aegrotabat, visebant animalia una officium differente vulpecula. Ad hanc legatum mittit leo cum epistola, quae venire admoneat. Gratissimam rem aegroto fore eius unius praesentiam. Nec quicquam periculi fore cur vulpecula metuat, leonem enim primum quidem amicissimum esse vulpeculae, ideoque percupere eius colloquium. Deinde aegrotum esse et decumbere, ut etiam, si id quod non erat velit, nocere tamen non queat. Rescribit vulpecula optare se, ut leo convalescat, idque oraturam superos. Ceterum minime visuram, terreri enim se vestigiis. Quae quidem vestigia cum omnia sint antro leonis adversa et nulla aversa, eam rem indicium esse multum quidem animalium introisse, sed exisse nullum. Horati [Horaz, Epistulae I 1,73–75]: Olim quod vulpes aegroto cauta leoni | respondit, referam: ›Quia me vestigia terrent | omnia te adversum spectantia, nulla retrorsum.‹ Morale. Cave fidem habeas verbis, ni caveris, saepe tibi dabuntur verba. Capienda est coniectura cum ex verbis tum ex factis, et ex his illa sunt iudicanda.

Stellenkommentar Ü L wen … Fuchß] Vgl. auch Figurenkonstellation und Handlungsverlauf in IV  77. 4 dienstlich] hilfsbereit. 10 zukunfft] Kommen. 11 ern] er ihn. 13 Dorfft sich … fehrligkeyt] brauche keine Gefahr zu fürchten. 16 bey jm] bei sich. 17 on als gefehr] ohne jede Gefahr. 20 niergend mit] auf keine Weise; vgl. DWb 13, Sp. 854. 25 sach] Ursache. 26 eigentlich vernommen] sicher erfahren habe. 29 fußstapffen weisens auß] Das sprichwörtliche ›vestigia terrent‹ (Horaz, Epistulae I 1,74; Walther, Nr. 8417, 33255) geht auf die Fabel zurück. Vgl. DG, S. 230. 31 Man m cht … verbinden] Redensartlich: ›jemandem ein Auge zuhalten‹, im Sinne von: ›jemanden betrügen‹; vgl. Röhrich, S. 112. 31 m cht] könnte. 31 dinnen] drinnen. 35 Man gibt … schertzen] man sagt oft etwas in scherzender Weise. ›Auf‹ ist hier wohl modal verwendet: ›im Scherz‹; vgl. FWB 2, Sp. 321, und zur Formel ›Schimpf und Scherz‹ DWb 15, Sp. 168, mit Bezug auf diese Stelle. 38 schlichtig] aufrichtig. 41f. Vnd leßt sich … leyd geschehen] Sprichwörtlich: ›An den Hosen erkennt man, wo das Bein (Knie) gebrochen ist‹; vgl. TPMA Hose 20–25, ohne frühneuhochdeutschen Beleg. Literatur Lieb, S. 201.

Kommentar zu I 44

I 44 Vom Fuchß vnd dem Wysel.

79 DG 216

Vorlage [Dorpius, Nr. 44, Bl. 13af.] De Vulpecula et Mustela. Vulpecula longa inedia tenuis fortem per angustiorem rimam in cameram frumenti repsit. In qua cum probe pasta fuit, dein rursus tentantem egredi distentus impediit venter. Mustela luctantem procul contemplata tandem monet, si exire cupiat, ad cavum macra redeat, quo macra intrarat. Morale. Videas complures in mediocritate laetos esse atque alacres, vacuos curis, expertes animi molestiis. Sin hi divites facti fuerint, videbis eos moestos incedere, numquam frontem porrigere, plenos curis, animi molestiis obrutos. Hanc fabellam sic Horatius canit: Forte per angustam tenuis vulpecula rimam | repserat in cameram frumenti, pastaque rursus | ire foras pleno tendebat corpore frustra. | Cui mustela procul: ›Si vis (ait) effugere istinc, | macra cavum repetas arctum, quem macra subisti.‹

Stellenkommentar 3 noch] nach. 6 kroch er … dreng] zwängte er sich unter großer Anstrengung hinein; vgl. DWb  2, Sp.  1400, auch mit Bezug auf diese Stelle. 9 wust nicht moß] wusste er nicht Maß zu halten. 19 geschloffen] geschlüpft. 22 dich so viel m)he erwegen] soviel Mühe auf dich nehmen. 23 Brodt kasten] Getreidespeicher, Kornkammer; vgl. FWB 4, Sp. 1212. 24 Sanct Niclaus fasten] Ist vielleicht mit Sandvoss, S. 77f., auf den schweizerischen Einsiedler und Mystiker Nikolaus von Flüe (1417–1487), genannt ›Bruder Klaus‹, zu beziehen, der über 20 Jahre gefastet haben soll. ›Bruder Klaus‹, der bereits seinen Zeitgenossen als lebender Heiliger galt, war auch im deutschen Raum weithin bekannt und in den Medien des  15. und  16. Jhs. überaus präsent; vgl. Bruder Klaus. Die ältesten Quellen über den seligen Nikolaus von Flüe, sein Leben und seinen Einfluss, hg. von Robert Durrer, 2 Bde., Sarnen 1917–1921, und P. Rupert Amschwand OSB, Bruder Klaus. Ergänzungsband zum Quellenwerk von Robert Durrer, Obwalden  1987. 25 vor] zuvor. 26 Denn] dann. 26 er] Bezieht sich offenbar auf Sanct Niclaus. 28 kropff] Hier: die Nahrung; vgl. DWb 11, Sp. 2396, mit Verweis auf diese Stelle. 28 ehr] ehe. 30 Der fraß] das Gefressene, oder auch: deine Verfressenheit. 31 messig gut] bescheidener Besitz. 32 baß] besser. 36 gschlagen het der tropff] der Schlag getroffen hätte. Zum medizinhistorischen Hintergrund des Bildes vom ›Tropfen‹ vgl. DWb 22, Sp. 876f.

I 45 Vom Hirsch vnd dem Pferdt.

DG 462

Vorlage [Dorpius, Nr. 45, Bl. 13b] De Equo et Cervo. Equus gerebat bellum cum cervo. Pulsus tandem et pascuis implorabat opem humanam. Redit cum homine, descendit in campum, victus antea iam fit victor. Sed tamen hoste victo et sub iugum misso ipse victor necesse est serviat homini. Equitem fert dorso et frenum ore.

80

Kommentar zu I 46

Morale. Dimicant multi contra paupertatem. Qua per fortunam et industriam victa saepe victoris interit libertas. Domini quidem et victores paupertatis servire incipiunt divitiis, anguntur avaritiae flagris, parsimoniae cohibentur frenis. Nec quaerendi tenent modum nec iusto quidem avaritiae supplicio partis rebus audent uti. Horatius de hac fabella [Horaz, Epistulae I 10,34–41]: Cervus equum pugna melior communibus herbis | pellebat, donec minor in certamine longo | imploravit opes hominis frenumque recepit. | Sed postquam violens victor discessit ab hoste, | non equitem dorso, non frenum reppulit ore. | Sic, qui pauperiem veritus potiore metallis | libertate caret, dominum vehet improbus atque | serviet aeternum, qui parvo nesciet uti.

Stellenkommentar 3 wie man berichtet mich] Während etwa in I 23,2 markiert wird, dass die Fabel einer reichen Überlieferungs- und Stofftradition entnommen wurde, inszeniert das Erzähler-Ich Waldis hier das Geschehen als eines, das ihm mündlich mitgeteilt wurde, ohne damit einen eindeutigen Hinweis auf seine Fiktionalität zu geben. Vgl. auch II 89,1. 4 vertheidingen vor sich] für sich in Anspruch nehmen. 6 noch] nach. 8 zwar nicht fast lieb] wahrlich ganz und gar nicht recht. 14 legt sich … in hatz] begann mit dem Hirsch einen Kampf; vgl. DWb  10, Sp. 560, mit Verweis auf diese Stelle. 15 von stunden] sogleich. 17 hielt … vor sich] erhielt das Pferd für sich. 18 ghaben het] entzündet hatte. 23 sawm] Gurt. 25 Biß] Hohlgebiss (Teil des Zaumzeugs). 28 Solt dich … mich schmiegen] sollst du dich mir billigerweise unterwerfen. 30 bescheyden] berichten. 31–38 die w lln armut fliehen … groß nicht hat] Vgl. Horaz, Epistulae I  10,39–41. 37f. der das klein … nicht hat] Sprichwörtlich: ›Wer das Kleine verschmäht, verliert das Größere‹; vgl. TPMA klein 96–129.

I 46 Von zweien J(nglingen. Vorlage [Dorpius, Nr. 46, Bl. 14a] De duobus Adulescentibus. Adulescentes duo obsonium apud cocum sese empturos simulant. Coco alias res agente carnem alter e canistro surripit, dat socio, ut sub veste occulat. Cocus surreptam sibi carnis partem ut vidit, furti utrumque coepit insimulare, qui abstulerat, per Iovem nihil habere. Is vero, qui habuit, nihil abstulisse identidem deierat. »Ad quos me quidem«, inquit cocus, »fur nunc latet, sed is inspexit, is scit, quem iurastis.« Morale. Si quid peccavimus, id non statim sciunt homines. At deus omnia videt, qui sedet super caelos et intuetur abyssos. Quod si cogitent homines, suppressius prudentiusque peccabitur.

Stellenkommentar 3 ab gegolten] abgekauft. 9 Thets] gab es. 12f. heisch … zu recht] fordere euch beide vor Gericht. 16 jm] sich. 25 der schalck] die Arglist. 26 niergen] nirgendwo. 29 Cherubin] Die Cherubim gehören zu den ranghöchsten unter

Kommentar zu I 47

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den Engeln; seit dem Sündenfall versperren sie als himmlische Wächter den Zugang zum Paradies (vgl. Gen 3,24). 34 zu hertzen brechten] beherzigen würden. 37 massen] mäßigen. 38 vnderwegen lassen] unterlassen. Literatur Lieb, S. 75.

I 47 Vom Hundt vnd Metzler. Vorlage [Dorpius, Nr. 47, Bl. 14af.] De Cane et Lanio. Canis in macello cum lanio carnem abstulisset, in pedes sese continuo quantum potuit coniecit. Lanius iactura rei perculsus primum tacuit. Deinde animum recipiens sic procul acclamitavit: »O furacissime, curre tutus, impune tibi licet, tutus enim es nunc ob celeritatem. Post hac autem cautius mihi observaberis.« Morale. Haec fabula significat plerosque omnes tum demum fieri cautiores, ubi damnum acceperint.

Stellenkommentar Ü Metzler] Metzger. 3 in eim ruck] mit einem Biss, oder: im Nu. 6 etzler] Offensichtlich: Fresser; vgl. DWb  3, Sp.  1189, mit nur diesem Beleg. 9 baß] besser. 12f. Das offt … Witzig] Variante eines Sprichworts; vgl. zu I  11,76. 13 Witzig] klug. Literatur Lieb, S. 75.

I 48 Vom Hundt vnd Schaf.

DG 305

Vorlage [Dorpius, Nr. 48, Bl. 14b] De Cane et Ove. Canis ovem in ius vocat panem ex mutuo debere clamitans. Illa it infitias. Milvus, lupus, vultur accersuntur, rem affirmant, damnatur ovis, damnatam canis rapit ac deglubit. Morale. Falsis testimoniis opprimi quam plurimos, cum nemo nescit, tum haec quam optime docet fabellula.

Stellenkommentar 2 Vor recht angsprochen vmb] vor Gericht angeklagt wegen. 3 geliehen dar] vorgestreckt; von darleihen: ›vorstrecken, ausleihen‹; vgl. FWB  5, Sp.  205. 6 Weihen] Greifvogel; vgl. zu I 2,39. 12 Zerriß/ zerbiß] zerriss es, zerbiss es. 13–15 Von Gott … thete zeugen] Das achte Gebot; vgl. Ex  20,16. 16 jrkein]

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Kommentar zu I 49

irgendeine. 19 vberzeugt] Hier in der alten Bedeutung: ›durch Zeugen überführt‹; vgl. DWb 23, Sp. 674f., auch mit Bezug auf diese Stelle. 20 felschlich vberleugt] Etwa: durch Lügen überwindet; vgl. DWb 23, Sp. 400, mit nur diesem Beleg. 21 vnderbrechen] zu Grunde richten; vgl. DWb 24, Sp. 1510, mit Verweis auf diese Stelle. 22 weydlich] gründlich. 23 an jenem tag] am Jüngsten Gericht.

I 49 Vom Lamb vnd Wolffe.

DG 370

Vorlage [Dorpius, Nr. 49, Bl. 14b] De Agno et Lupo. Agno comitanti caprum lupus fit obviam, rogitat, cur relicta matre olidum potius sequatur hircum, suadetque, ut ad distenta lacte matris ubera redeat, sperans ita fore abductum, ut laniet. Ille vero: »Mater me, o lupe«, inquit, »huic commisit, huic summa cura servandi data est. Parenti potius quam tibi obsequendum, qui me seducere istis dictis postulas, seductum mox percerpere.« Morale. Noli omnibus fidem habere, multi enim, dum aliis videntur velle prodesse, sibi interim consulunt.

Stellenkommentar 4 zerhudelt] zerlumpt, zerfetzt. 13 befolhen] anvertraut. 16 gar erwegen] fest entschlossen habe. 21 Sanct Johans segen] Als Johannissegen oder Johannistrunk wurde schon im Mittelalter ein Abschieds- oder der letzte Trunk bezeichnet; vgl. Lutz Mackensen, Johannisminne, in: HDA 4, Sp. 745–760; Ignaz von Zingerle, Johannissegen und Gertrudenminne. Ein Beitrag zur deutschen Mythologie, Wien 1862. Auf den Brauch und seinen legendarischen Hintergrund nimmt Waldis auch in Das P pstisch Reÿch IV 5 Bezug. Den ›Johannessegen schenken‹, also den Abschiedstrunk darreichen, ist hier ironisch gemeint im Sinne von: ›aus dem Leben verabschieden‹, ›töten‹. Vgl. Sandvoss, S. 59–62, sowie DWb 10, Sp. 2334. 27 eigen nutz] Siehe zu IV 100,95. 28 Als] alles. 29 der schlechte] der Schlichte. 30 r)rt] trifft.

I 50 Vom J(ngling vnd der Katzen.

DG 335

Vorlage [Dorpius, Nr. 50, Bl. 15a] De Adulescente et Cato. Cum adulescens quidam in delitiis amoribusque usurpasset catum, Venerem precibus fatigavit, ut catum in feminam transfiguraret. Commiserescit et audit orantem Venus. Fit metamorphosis, quae adulescenti misere amanti perplacuit, nempe tota succi plenula, tota candidula, tota elegantula. Itur deinde in cubiculum, reditur, luditur. Nec vero ita multo post percupiens experiri dea, numquid catus cum corpore mutasset et mores, per

Kommentar zu I 51

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impluvium immittit musculum. Ibi risu prorsus atque ludo res digna accidit. Conspectam illico bestiolam insequitur muliercula. Venus indignans feminae vultus iterum in catum, cum pedibusque manus cum parvis brachia mutat cruribus, et cauda est mutatis addita membris. Morale. Caelum, non animum mutant, qui trans mare currunt. Nimisque difficile est assueta relinquere. Naturam expellas furca, licet ipsa recurret, inquit Horatius.

Stellenkommentar 2 fratzen] Possen. 7 Venus] Göttin der Liebe. Vgl. zu I  15,7. 12 kurtzweil] Vergnügen. 16 milt] freigebig. 17 schmuckt] schmiegte. 22 Menschen pur] wirklichen Menschen. 23 waren schein] sichtbaren Beweis. 25 Ein lecherlicher boß] eine lächerliche Szene. 32 Ratzen] Ratten. 35 was … worden an] woran sich einer in der Jugend gewöhnt hat; vgl. Lasch/Borchling  1, Sp.  113. 39–41 Ja wenn ein Gans … Gagag] Sprichwörtlich: ›Eine Gans fliegt übers Meer, als Gans kommt sie zurück‹; vgl. TPMA Gans  11–20. 42 Krag] Hals. 48 Katzen … gern] Sprichwörtlich: ›Katzenkinder mausen gern‹, lat.: Cattorum nati sunt mures prendere nati (Walther, Nr. 2487); im Deutschen nur schwach belegt (TPMA Katze 117f.). Vgl. die eng verwandte Fabel II 22 und die Erzählung dort im Morale; ferner III 61.

I 51 Vom Vatter vnnd seinen Snen. Vorlage [Dorpius, Nr. 51, Bl. 15af.] De Patre et Filiis. Complures habebat agricola filios adulescentulos. Inter se discordes fuere, quos pater elaborans trahere ad mutuum amorem. Apposito fasciculo iubet singulos brevi circumdatum funiculo effringere. Imbecilla ne quicquam conatur aetatula. Solvit parens redditque singulis virgulam, quam cum pro suis quisque viriculis facile frangeret. »O«, inquit, »filioli, sic concordes vos vincere poterit nemo. Sed si mutuis volueritis saevire vulneribus atque intestinum agitare bellum, eritis tandem praedae hostibus.« Morale. Docet hic apologus concordia parvas res crescere, discordia magnas dilabi.

Stellenkommentar 7 Henffen strick] Strick aus Hanffasern. 11 verb sen] beschädigen. 24 tegliche erfarnheyt] Siehe zu I  79,34. 25–28 Groß B)rgerlicher … auff gericht] Sprichwörtlich: ›Einigkeit fördert, Zwietracht zerstört‹; vgl. TPMA Einigkeit 8–11; vgl. auch Alberus, Fabeln 45,38a–40.

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I 52 Vom Pferdt vnd Esel.

Kommentar zu I 52 DG 118

Vorlage [Dorpius, Nr. 52, Bl. 15b] De Rustico et Equo. Rusticus equum vacuum asinumque sarcinulis egregie onustum producit ad viam. Defessus asellus equum, sibi onera ut adiutet, orat, si salvum velit. Negat facturum equus. Asellus tandem sarcinae pondere gravatus procumbit, moritur. Herus omne onus, mortui quoque aselli corium, in equi dorsum reclinat. Quibus cum ille deprimeretur: »Me miserum«, inquit, »merito meo sic nunc exerceor, qui dudum laboranti asino opitulari nolui.« Morale. Monemur hac fabula, ut oppressis subveniamus amicis. Ortus nostri (inquit Plato) partem sibi patria vindicat, partem amici.

Stellenkommentar Ü vom Pferdt vnd Esel] Eine weitere Bearbeitung dieses Fabelstoffs in III 31. 1 ledig Pferdt] Gemeint ist: ein Pferd ohne Traglast. 18 D rfft] bräuchte. 21 sie … entsetzen] ihnen in ihrer Not helfen. 22 jhres leydes … ergetzen] ihren erlittenen Schaden ersetzen. 24 vndernimpt] überwältigt; vgl. DWb 24, Sp. 1696f., auch mit Bezug auf diese Stelle. 25 frommen] tüchtigen. 26 m gen] können. 28–30 Wie es … stewr] Vgl. Lk 16,19–25. 30 stewr] Hilfe.

I 53 Vom Kler vnd Bleycher. Vorlage [Dorpius, Nr. 53, Bl. 15bf.] De Carbonario et Fullone. Fullonem invitabat carbonarius, ut secum in unis aedibus habitaret. Fullo: »Non est«, inquit, »mi homo, istuc mihi vel cordi vel utile. Vereor enim magnopere, ne, quae ego eluam, tu reddas tam atra quam carbo est.« Morale. Monemur hoc apologo cum inculpatis ambulare, monemur sceleratorum hominum consortia veluti pestem quandam devitare. Trahunt, inquit Campanus, hominem sodalicia commercia, etiam in mores penetrant, et perinde quisque evadit, ut quibus cum versatur.

Stellenkommentar Ü Bleycher] Tuch-, Leinwandbleicher; vgl. FWB 4, Sp. 591. 2 frommer] tüchtiger. 5 wo ich bin bider] Siehe zu I 9,52. 8 frommen] Nutzen. 9 gebaucht] (in Holzaschenlauge) gewaschen; vgl. FWB  3, Sp.  164f. 11 zu treugen] zum Trocknen; vgl. DWb 22, Sp. 357, mit Bezug auch auf diese Stelle. 17 Der wirdt … gut] Sprichwörtlich in verschiedenen Varianten: ›Der Geselle des Guten wird gut‹; vgl. TPMA Geselle  7.2.2.3. 19f. wenn einer Bech … beschmiert] Vgl. Sir  13,1: WER PECH ANGREIFFT/ DER BESUDELT SICH damit. Sprichwörtlich: ›Wer Pech berührt, trägt Spuren davon‹; vgl. TPMA Pech 37–44.

Kommentar zu I 54

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I 54 Vom Vgler vnnd der Tauben. Vorlage [Dorpius, Nr. 54, Bl. 16a] De Aucupe et Palumbo. It venatum auceps, videt nidulantem procul in altissima arbore palumbum, appropiat, denique insidias molitur, premit forte calcibus anguem. Hic mordere, ille improviso exanimatus malo: »Me miserum«, inquit, »dum alteri insidior, ipse dispereo.« Morale. Significat haec fabula nonnumquam eos suis artibus circumveniri, qui res novas moliuntur.

Stellenkommentar 5 m cht] könnte. 8 on als gefehr] zufällig. 17f. Das … het gestellt] Vgl. Sir 27,29: Wer eine Grube grebt der fellt selbs drein. Wer einem andern stellet/ der fehet sich selbs. Sprichwörtlich: ›Wer andern einen Fallstrick legt, fällt selbst hinein‹; vgl. TPMA Falle 35–39; siehe auch zu I 35,41–44, sowie III 18,36.

I 55 Von einem Trummeter. Vorlage [Dorpius, Nr. 55, Bl. 16af.] De Buccinatore. Buccinator quidam ab hostibus capitur, abducitur. Trepidare ille, supplicare, ut parcant innoxio, se quando nihil unquam armorum praeter unam buccinam gestaverit, hominem ne potuisse quidem occidere, nedum voluisse. Illi contram murmure tum saevo tum verberibus intonant: »Nihil agis scelus, maxime noces, atque nunc hic trucidabare, quod cum, ipse ut fateris, sis rei militaris imperitus, cornu istoc tuo aliorum excitas evibrasque animos.« Morale. Gravissime peccant nonnulli, qui ad mala quique satis pronis principibus, ut inique agant, consulunt atque huiusmodi quaedam ad illorum aures occinunt: »Quid etiam dubitas? An te principem esse oblitus es? An non tibi, quod libeat, licet? Tu legibus maior, in te legirupae nomen cadere haud potest, qui ipsis etiam dominaris legibus, tui nihil possident, quod tuum non sit, tu potes et servare et perdere, tibi fas opibus dignitateque agere, quem visum sit. Fas est, ubi libuerit, adimere, alios alia vel damnant vel commendant, tibi nihil non honestissimum futurum.«

Stellenkommentar Ü Trummeter] Trompeter. 9 geschloffen] geschlüpft. 10 weer/ noch waffen] Zur Doppelformel vgl. DWb 28, Sp. 176–178. 14 jrkein] irgendeinen. 17 Sie schlugen … nach der schwer] sie schlugen heftig auf ihn ein; vgl. DWb  15, Sp. 2561f., auch mit Verweis auf diese Stelle. 19 Billich solt] zu recht sollst du. 25 den hauffen] das Heer. 27 Apologo] Griech. apólogos: (Kurz)Erzählung, lat. apologus; in Mittelalter und früher Neuzeit ein Synonym für fabula (vgl. etwa die lat. Vorlage zu II  31). 33 Vermanens] erinnern sie. 35 Placebo singen] Redensartlich im Sinne von ›schmeicheln‹; vgl. TPMA Placebo 1–13; Röhrich,

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Kommentar zu I 56

S. 1186f. Der Ausdruck geht auf Ps 114,9 (bei Luther Ps 116) zurück: placebo Domino in regione vivorum. 43 Jch wolt … jm beweisen] dem würde ich es zeigen. 47f. Wenn denn … than haben] Redensartlich: ›Wenn der Wagen umfällt oder in der Grube (im Wasser) ist, gibt es viel Geschrei‹; vgl. TPMA Wagen 17–21. 49 Muß … versch)tt] Redensartlich: ›Das Mus verschütten‹, im Sinne von: ›sich falsch verhalten und dadurch unbeliebt machen‹; vgl. TPMA ausschütten 12f.; Röhrich, S.  1061 (ohne Beleg); DWb  12, Sp.  2730, auch mit Bezug auf diese Stelle. 50 All Policeyen] alle das gesellschaftliche Zusammenleben regelnden Verordnungen. 51 Hans Krafft … Veit] ›Bruder Veit‹ ist im  16. Jh. eine geläufige Bezeichnung für einen Landsknecht; vgl. DWb 2, Sp. 419; DWb 25, Sp. 46f. Hans Krafft stellt eine Bildung analog zu vielen weiteren dar, bei denen der Name Hans um einen Zusatz zur Kennzeichnung einer bestimmten typischen Figur ergänzt wird (vgl. DWb 10, Sp. 459–462, mit ähnlichen Beispielen); hier ist also der Kraftprotz gemeint. Vgl. auch III 89,34; IV 6,25. 52 D)rfftig … leidt] bedürftig und schutzlos ist. ›Liegen‹ (leidt, nhd. ›liegt‹) bezeichnet den längeren Aufenthalt dort, wo man nicht beheimatet ist; vgl. DWb 12, Sp. 1008, mit Bezug auf diese Stelle. 54 hangen … den schwantz] Redensartlich; vgl. Röhrich, S. 1431. 55 ruffen Friderichen an] Wohl im Sinne von ›Frieden machen wollen‹ (Liebrecht, S. 498). Möglicherweise auch als sprechender Name für den Typus des friedenstiftenden und -wahrenden Landesherrn zu verstehen. Ob konkret Friedrich III. der Weise, Kurfürst und Herzog von Sachsen (1486–1525), gemeint ist (so Kurz), ist nicht zu entscheiden. Vgl. auch zu IV 3,55. 57 Machen … fried] und solche Burschen zur Ordnung aufrufen. ›Frieden machen‹ wird in DWb nur im Sinne von ›Frieden schließen‹ aufgeführt, der Kontext legt aber eine Lesart im Sinne von ›zum Schweigen bringen‹ nahe; so übersetzen auch Kurz und Tittmann.

I 56 Vom Wolff vnnd Hunde.

DG 625

Vorlage [Dorpius, Nr. 56, Bl. 16bf.] De Lupo et Cane. Lupus cani ante lucem in silva forte fortuna fit obviam. Salutat, adventum gratulatur, denique rogat, quo pacto tam sit nitidus. Cui ille: »Herilis cura hoc efficit, herus me blandientem sibi demulcet, de mensa pascor herili nitidissima, numquam sub dio dormito, tum universae familiae non dici potest quam sim gratus.« »Nae tu«, inquit lupus, »multo es felicissimus, o canis, cui tam benignus et comis contigit herus, quocum o utinam commorari et mihi liceat, nullum me animantium esset uspiam fortunatius.« Canis novi status cupidissimum videns lupum effecturum se pollicetur, ut haereat in parte aliqua apud herum, modo de pristina ferocia aliquid remittere et servitutem servire velit. Stat sententia, lupo libitum est deambulare ad villam, sermones edunt in itinere prorsus iucundissimos. Postea vero quam illuxit, contritum canis collum videns lupus: »Quid sibi vult«, inquit, »o canis, tua istaec prorsus depilata cervix?« »Solebam«, inquit ille, »feroculus notis pariter et ignotis allatrare obmordereque nonnumquam. Id aegre ferens herus crebris me tundebat

Kommentar zu I 57

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verberibus prohibens etiam, ne quem praeter furem lupumque adorirer. Ego sic vapulando victus sum et mitior factus. Hocque genialis saevitiae servavi signum.« Lupus hoc audito: »Ego«, inquit, »heri tui amicitiam tanti non emo. Vale igitur, o canis, cum tua istac servitute, mihi mea potior est libertas.« Morale. Optabilius est in humili casa dominum esse et panem atrum vorare quam in amplissima regia opiparis mensis frui et obnoxium trepidumque agere. Nam libertas sublimi exulat aula, ubi accipienda venit, et mussitanda iniuria est.

Stellenkommentar Ü vom Wolff vnnd Hunde] Eine weitere Bearbeitung dieses Fabelstoffs in II 18. 7 wol gemestet … glatt] wohlgenährt und hast ein schön glänzendes Fell. ›Glatt‹ nennt man ein wohlgenährtes Tier, dessen Haut keine Falten wirft. Waldis überträgt beide Bedeutungsfelder von lat. nitidus (Dorpius): ›wohlgenährt‹ (auch: feyßt) und ›glänzend‹; mit ihnen wird der Hund auch in anderen Fabeln beschrieben: II 18,11; III 63,11; III 93,34; vgl. mit Bezug auf Pferde III 94,276. 12 jrkeim kummer] irgendeinem Schutthaufen. 17 dir … fellt] dein Herr dir gegenüber so freundlich auftritt. 23 gach] eilig. 25 auffs minst] zumindest. 27 massest] enthältst; vgl. DWb 12, Sp. 1738, mit Bezug auf diese Stelle. 32 von stunt] sofort. 36 baß besach] genauer ansah. 38 einen kalen placken] eine kahle Stelle. 40 Ob dirs … gschlagen wer] als ob man sie dir mit Dreschflegeln beigebracht hätte. 43 anf)hr] anfahre, angreife. 45 Nachbawrn] Nachbarn. 49 entwent] entwöhnt. 51 zu thunde pflag] zu tun pflegte. 58 bruder Marcolff] Der Bauer Markolf ist der (meist überlegene) Gegenspieler des weisen Königs Salomo; er verkörpert den Typ des bösartigen Schalks. Siehe zu II  22,38 und  39–52. 60 hewr] heuer. 62 Zu Holtze] in den Wald. 63 geit] gibt. Vgl. Mt 6,26 (Bergpredigt): Sehet die Vogel vnter dem Himel an/ Sie seen nicht/ sie erndten nicht/ sie sammlen nicht in die Schewnen/ Vnd ewer himlischer Vater neeret sie doch. Vgl. auch Ps  136,25. 64 fehrligkeit] Gefahr. 65 eigen] leibeigen; zu Waldis’ Kritik an der Leibeigenschaft siehe auch II 18; II 39. 70 veriahet] ›Verjahen‹ ist in DWb mit der Bedeutung ›bejahen, zugeben‹ belegt; so übersetzt auch Kurz. Dem Kontext nach lässt sich das Präfix ver-, wie im Mittelhochdeutschen, mit negierendem Sinne verstehen; veriahet hieße dann etwa ›leugnet‹, ›vertuscht‹. 77 manchem … tregt] manchem ein großes Unglück einbringt. Literatur Lieb, S. 84, 103.

I 57 Vom Bawren vnnd seinen Hunden.

DG 316

Vorlage [Dorpius, Nr. 57, Bl. 17af.] De Agricola et Canibus. Agricola cum ruri plusculos hiemasset dies, cepit tandem necessariarum rerum penuria laborare. Interficit oves, mox et capellas, postremo boves quoque mactat, ut habeat, quo

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Kommentar zu I 58

inedia paene exhaustum corpusculum sustentet. Id videntes canes salutem fuga quaerere constituunt, sese enim non victuros diutius, quando ne bobus quidem, quorum in opere rustico faciundo utebatur opera, pepercerit herus. Morale. In quam domum mercedis gratia te tradas, vide. Nonnulli humanissimi sunt heri. Multi etenim hodie eo dementiae prolabuntur, ut vel servos infortuito malo et damno libenter mactent.

Stellenkommentar 2 jm] sich. 4 reutten in der Erden] den Boden zu roden. 8 drang] bedrängte. 24 verziehen] uns aufhalten. 25 Denn wenn … meinung han] denn wenn es tatsächlich so ist (dass nämlich der Herr all sein Vieh verzehrt); vgl. DWb 12, Sp. 1939, mit Bezug auf diese Stelle. 26 Vnsers gebeins … daruon] wir kämen nicht heil davon; vgl. DWb 4, Sp. 1662. 29f. Jr diener … Der trew] ihre Diener belohnen sie für zuverlässige Dienste. 32 vngeschickter leut] Nicht eindeutig zu übersetzen; das Adjektiv spricht sowohl intellektuelle (›töricht‹, ›unfähig‹) als auch sittliche Fähigkeiten ab, so dass auch eine – zu verurteilende – Undankbarkeit der leut mitschwingt. 37 Stellen … Leib vnd Gut] sind hinter ihm und seinem Besitz her. 42 ffen] betrügen. 45 straffet Gott zu seiner zeit] Vgl. Dtn 32,35: DJE R ACHE IST MEIN/ JCH WIL VERGELTEN/ Zu seiner zeit sol jr fuss gleitten/ Denn die zeit jres vnglücks ist nahe/ vnd jr künfftiges eilete erzu. Vgl. auch Röm  12,19; Hebr  10,30. 46 Verdienter lohn … schreit] Der Vers lässt einerseits den Mord Kains an Abel anklingen (Gen 4,10: Er aber sprach/ Was hastu gethan? Die stim deines Bruders blut schreiet zu mir von der Erden); daneben wird auf die von Waldis wiederholt angeführte Gedankenfigur angespielt, wonach auf jedes Werk der verdiente Lohn folge. Das Sprichwort ›Wie die Leistung (Handlung), so der Lohn‹ (vgl. TPMA Lohn 98–101) lässt sich auf Hi 34,11, Ps 62,13 und Sir 35,24 zurückführen. Vgl. auch I 65,23f.; II 30,133f.; II 34,21f.; II 64,42; IV 34,45f.

I 58 Vom Fuchß vnd Lwen.

DG 199

Vorlage [Dorpius, Nr. 58, Bl. 17b] De Vulpe et Leone. Vulpecula, quae leonis immanitatem insuetam habebat, semel atque iterum id forte animalis contemplata trepidare et fugitare. Cum iam tertio obtulisset sese obviam leo, tantum abfuit, ut metueret quidquam vulpes, ut confidenter illum adiverit salutaveritque. Morale. Omnes nos consuetudo audaciores facit, vel apud eos, quos antea aspicere vix ausi fuimus.

Stellenkommentar 1 Lawen] Löwen. 3 er] Gemeint ist der junge Fuchs. 4 war jm leyt] befürchtete er. 7 Thet sich … erwegen] entschloss sich zum dritten Mal (ihn anzusehen). 13 kundtschafft] Bekanntschaft. 16 den verwandt] mit denen ver-

Kommentar zu I 59

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traut. 21 sich zu jrm gleichen gsellen] Siehe zu I  1,46. 25–28 Das lobet … Gottes gab] Eine entsprechende Bibelstelle ist nicht belegbar. Leitzmann, S. 298, schlägt vor, die Verse auf die Erzählung von David und Jonathan zu beziehen (vgl. II Sam 1,26); Belege für ein Lob der Freundschaft bieten Sir 6,16 und 25,12, das Wort von der Gottesgabe fällt in Koh 3,13; 5,18; Sir 26,17.

I 59 Vom Fuchß vnd dem Adler.

DG 171

Vorlage [Dorpius, Nr. 59, Bl. 17bf.] De Vulpe et Aquila. Vulpeculae proles foras excurrerat. Ab aquila comprehensa matris fidem implorat. Accurrit illa. Ut captivam prolem dimittat, aquilam rogat. Aquila nactus praedam ad pullos subvolat. Vulpes correpta face, quasi illius munitiones incendio absumptura esset, insequitur eum. Iam arborem conscendisset et ipsa: »Nunc te«, inquit, »tuosque, si potes, tuere.« Trepidans aquila, incendium dum metuit: »Parce«, inquit, »mihi parvisque liberis. Tuum, quicquid habeo, reddidero.« Morale. Per aquilam potentis atque audacis animi homines intellige. Per vulpem pauperculos, quos calumniis premere contumeliisque afficere divitibus aeque studium est. Verum quando: Est sua et formicis ira. Impotentes ii acceptam interdum probe ulciscuntur iniuriam.

Stellenkommentar Ü Vom Fuchß … Adler] Eine weitere Bearbeitung dieses Fabelstoffs in III  7. 2 Vor jenem Berg] Siehe zu I  11,5. 4 h)len] Höhle. 11 herr Arn] Siehe zu I  10,7. 18 schaub] Bund. 28 Herr Reynolt] Gewöhnlich heißt der Fuchs Reinhart. Waldis benutzt an mehreren Stellen Tiernamen, die teilweise aus der mittelalterlichen Tierepik stammen (vgl. auch die aus der Tierepik entlehnten Fuchs-Wolf-Fabeln ab Fabel III  91): Der Fuchs heißt Reynhart (II  21,29; II  27,24; III  27,1; IV  1,137; IV  2,77; IV  7,44; IV  49,19; IV  56,83; IV  73,26; IV 88,12), der Wolf Eisengrimm (IV 1,81; IV 7,67; IV 73,25), der Hahn Henning (IV 2,33). Allerdings scheint Waldis die Nähe zur Tierepik nicht stets zu suchen: Heyntz (IV 1,85) für den Esel und der sprechende Name Bartman (III 27,1) für den Ziegenbock haben dort keine Tradition, Bartolt (ebenfalls für den Ziegenbock) heißt sonst der Storch (vgl. zu III  27,19). 28 thut gemach] haltet ein. 37 grossen Hansen] hohen Herren; vgl. I 5,45. 38 thun verbansen] stoßen; vgl. DWb 25, Sp. 96, anders als Kurz, der erklärt: »eigentlich einscheuern; hier wohl bedrücken«. Tittmann übersetzt: »überwältigen, eigentlich unter Heu und Stroh ersticken«. 40 die armen m)gen erschleichen] den Armen nachstellen können; vgl. Dalby, S. 203. 41 m)gen] bedrückt sein; vgl. DWb 12, Sp. 2634, mit nur diesem Beleg. 46–48 Goliath … eim steyn] Vgl. I Sam 17.

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I 60 Vom Ackerman vnd Storchen.

Kommentar zu I 60 DG 52

Vorlage [Dorpius, Nr. 60, Bl. 18a] De Agricola et Gruibus. Gruibus anseribusque sata depascentibus laqueum praetendit rusticus. Capiuntur grues, capiuntur anseres, capitur et ciconia. Supplicat illa innocentem sese clamitans et nec gruem nec anserem esse, sed avium omnium optimam, quippe quae parenti sedulo semper inservire eundemque senio confectum alere consueverit. Agricola: »Horum«, inquit, »nihil me fugit. Verum cum nocentibus postquam te cepimus, cum his quoque morieris.« Morale. Qui flagitium committit et is, qui impuris se adiungit socium, pari poena plectuntur.

Stellenkommentar 3 m cht] könnte. 6 wacker] wachsam. 9 beschlagen] erwischt; vgl. FWB 3, Sp.  1697. 14 zehend] Schon biblische Abgabe des zehnten Teils des Bodenertrags oder Einkommens; vgl. H.-J. Becker, Zehnt, in: HRG 5, Sp. 1629–1631. 16 leibes fahr] tödlichen Gefahren. 21 on gefehr] zufällig. 27 Trebern] Malzrückstand beim Bierbrauen, Schweinefutter; vgl. DWb 21, Sp. 1570. 27f. Wer sich … S wen] Sprichwörtlich: ›Wer sich unter die Treber mengt, den fressen die Schweine‹; vgl. TPMA Treber 1–5. 29 heler] Komplize des Diebs, Hehler; vgl. DWb 10, Sp. 787. 32 darffst] brauchst du.

I 61 Vom Hanen vnd der Katzen.

DG 248

Vorlage [Dorpius, Nr. 61, Bl. 18af.] De Gallo et Cato. Venit ad gallum comedendum catus. Non satis autem habens ad nocendum causae gallum criminari occipit obstreperam esse avem dictitans, utpote quae voce tam acuta noctu dormientes homines expergefaciat. Ille se innocentem ait, cum sic excitet in opera mortales. Catus contra intonat: »Nihil agis sceleste? Cum matre rem habes, nec sorore abstines.« Id gallus quoque expurgare cum niteretur: »Nec hoc«, inquit perseverantius saeviens catus, »quicquam facis, tu mihi hodie discerperis.« Morale. Vetus dictum esse ait Guilhelmus Goudanus, ut canem caedas, facile inveniri baculum. Malus, si libitum fuerit, quo iure quaque iniuria te praecipitem dabit.

Stellenkommentar 2 legt sich … hatz] begann mit ihm einen Streit; vgl. DWb 10, Sp. 560. 3 wolt sich vnderstahn] hatte sie sich vorgenommen. 14 Leßt dich d)ncken] meinst du etwa, du. 15 zwar] wahrhaftig. 21 vorbaß] vorher noch. 30 ander] zweite. Literatur Lieb, S. 96f.

Kommentar zu I 62

I 62 Vom Schafhirten vnd den Ackerleuten.

91 ATU 1333

Vorlage [Dorpius, Nr. 62, Bl. 18b] De Opilione et Agricolis. Puer editiore pratulo oves pascebat atque per iocum terque quaterque lupum adesse clamitans agricolas undique exciebat. Illi saepius elusi serio auxilium imploranti dum non subveniunt, fiunt oves praeda lupo. Morale. Si mentiri insueverit quispiam, huic si quando verum narrare occoeperit, haud facile habebitur fides. Superiori apologo finitimus est ille apud Horatium de plano scurra iocus [Horaz, Epistulae I 17,58–62]: Nec semel irrisus triviis attollere curat fracto crure planum. Licet illi plurima manet lacrima, per sanctum iuratus dicat Osirim: ›Credite, non ludo; crudeles, tollite claudum.‹ ›Quaere peregrinum‹, vicinia rauca reclamat.

Stellenkommentar 2 pysen] umherlaufen; vgl. FWB  4, Sp.  352. 7 schimpflich] zum Spaß. 18 waffen/ waffen] Schon im Mittelalter häufig belegter Klage- und Hilferuf; vgl. DWb 27, Sp. 292–296, auch mit Bezug auf diese Stelle. 24 Des … entgelten nu] das kannst du jetzt büßen. 25–38 Horatius ein … bhalts alleyn] Vgl. Horaz, Epistulae I 17,58–62. 25 buben] Bösewicht. 27 steltzen] Krücke. 30 innen wardt] durchschaute. 31 on gfehr] zufällig. 39–43 Wer … Warheit brengt] Sprichwörtlich: ›Dem Lügner wird nicht mehr geglaubt (selbst wenn er die Wahrheit sagt)‹; vgl. TPMA lügen 172–180.

I 63 Vom Adler vnnd Rappen.

DG 6

Vorlage [Dorpius, Nr. 63, Bl. 18bf.] De Aquila et Corvo. Rupe editissima in agni tergum devolat aquila. Videns id corvus imitari (velut simius) gestat aquilam. In arietis vellus se demittit, demissus impeditur, impeditus comprehenditur, comprehensus proicitur pueris. Morale. Non aliorum, sed sua se quisque virtute aestimet. Tuo te pede metire, inquit Horatius [vgl. Horaz, Epistulae I 7,98]. Id velis, id tentes, quod possis.

Stellenkommentar 2 zur)ck … Wider] auf den Rücken eines Widders. 4 t)cken] ducken. 11 kurtz verhawen] stutzen. 18 Messe sich … F)ssen] Sprichwörtlich: ›Jeder messe sich mit seinen eigenen Füßen‹; vgl. Horaz, Epistulae I 7,98: metiri se quemque suo modulo ac pede verum est; siehe auch Walther, Nr. 14820, sowie III 60,15; IV 95,323. 19 Vermeß … kan] Versidentisch mit I 31,35. 20 hengt … h neysen an] Wohl redensartlich mit Bezug auf eine Form der Prangerstrafe (vgl. V. 12); vgl. DWb 10, Sp. 1725, nur mit Waldis-Belegen, sowie Röhrich, S. 85f. Zu den historischen Formen des Prangers siehe Ruth Schmidt-Wiegand, Pranger, in: HRG 3, Sp. 1877–1884, bes. 1881f. 21–26 Der Jcarus … zur selben fart] Vgl.

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Kommentar zu I 64

Ovid, Metamorphosen VIII  183–235. Ikarus gilt traditionell als Exempel des Hochmuts; vgl. Flugblätter I 40.

I 64 Vom neidigen Hundt.

DG 301

Vorlage [Dorpius, Nr. 64, Bl. 19a] De Cane invido et Bove. Praesaepio feni pleno decumbebat canis. Venit bos, ut comedat. Ille sese surrigens prohibere. Bos: »Dii te cum tua istac invidentia perdant«, inquit, »qui nec feno vesceris nec eo me vesci sinis.« Morale. Eo sunt ingenio plerique, ut aliis invideant, quod ipsi mentis inopia assequi nequeunt.

Stellenkommentar 7 zannet fast] fletschte sehr die Zähne. 14 wegerstu] verweigerst du. 18 haben sichs … geflissen] worum sie sich auch nicht bemüht haben; vgl. FWB 6, Sp.  461f. 20 Kunst] Können. 21f. So hassens … ins Wasser scheint] Redensartlich: ›Nicht leiden können, dass (einem anderen) die Sonne ins Wasser scheint‹ im Sinne von ›niemandem etwas gönnen‹; vgl. Röhrich, S. 1488, auch mit Bezug auf diese Stelle; TPMA Sonne  185. 23 Etlich han … gdeut] Die folgende Auslegung auf Liebes- und Eheverhältnisse scheint in Variationen verbreitet gewesen zu sein. In der Minnerede Das Herz als Garten der Liebe aus dem  15. Jh. (Tilo Brandis, Mittelhochdeutsche, mittelniederdeutsche und mittelniederländische Minnereden. Verzeichnis der Handschriften und Drucke, München 1968 [Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 25], Nr. 386, V. 485–488) wird der unerfüllt Liebende gewarnt, nicht eifersüchtig zu sein, sonst gleiche er dem Hund, der einem Pferd (einem anderen Liebenden) das Heu (die Freude) missgönne, obwohl er selbst sie nicht haben könne. Bei Eyering, Proverbia, Bd. 2, S. 40f., steht dagegen der Hund für die argwöhnische Frau, die ihrem Mann (dem Ochsen) die Kurzweil (das Heu) nicht gönne, weil sie selbst keine mehr haben wolle. Verallgemeinernd heißt es weiter: Wer nun eim andern nichten gan/| Das er selber nit mag noch kan/| Zu dem sagt man zu aller stund/| Es ist Esopi Krippen hund/| Wil die Ochsen kein Hew lan essen/| Vnd thut doch selber auch keins fressen. Zur Verbreitung des Sprichworts ›Der Hund in der Krippe‹ vgl. TPMA Hund 1113–1121; antike Belege bei Gy. Moravcsik, »Hund in der Krippe«. Zur Geschichte eines griechischen Sprichwortes, in: Acta Antiqua Academiae Scientiarum Hungaricae 12 (1964), S. 77–86. 27 Nach notturfft] der Pflicht nach. 27 den Zehend geben] die Steuerpflicht leisten (vgl. zu I 60,14), hier metaphorisch für ›eheliche Pflicht erfüllen‹ (vgl. V. 30); dazu Luther, WA 12, S. 101, Z. 7–S. 102, Z. 28. 28 gan auch nicht] es auch nicht erlaube. 32 des er nicht gneust] wovon er keinen Nutzen hat.

Kommentar zu I 65

I 65 Von der Kr en vnd dem Schaf.

93 DG 359

Vorlage [Dorpius, Nr. 65, Bl. 19a] De Cornice et Ove. Strepitat in oviculae dorso cornicula. Ovis: »Cani«, inquit, »sic obstreperes, ferres infortunium.« At cornix: »Scio, quibus insultem. Placidis molesta, saevis amica.« Morale. Impotenti et sincero perpetua est cum malis parata certatio. Illiditur solo innocentissimus quisque, nocentis vero praeferocis hominis aures adstrepit nemo.

Stellenkommentar 1 rheyt] ritt. 6 Solt mir … zu gut] würde mir nicht gut bekommen. 7–9 wenn ich … schleg darzu] Entgegen der Logik dieser Fabel scheint sich hier der Hund (anders als bei Dorpius) mit der Krähe zu vergleichen. 11 frumm] Rechtschaffene. 13 Der Schweitzer] Unbekannter Verfasser eines im 16. Jh. öfter erwähnten, nicht überlieferten Gedichts; vgl. z.B. Agricola, Sprichwörter I 52, 66, 303; Alberus, Fabeln, Vorrede, Z. 68. 14 der einfeltig … der schlecht] Hier in positiver Bedeutung: einfeltig im Sinne des simplicitas-Ideals (vgl. zu I 18,17); schlecht im Sinne von ›aufrichtig‹, ›schlicht‹. 18 kr nckest] schwächste. 18 das liecht … tragen] Vielleicht im Sinne von: ›muss die Arbeit tun‹, ›vorausgehen‹. 21– 24 biß Gott … hat] Vgl. Mt 25,31–46. Die Verse 23f. lassen zudem Sir 35,24 anklingen (vnd gebe einem jglichen nach seinen wercken/ vnd lohne jnen/ wie sie es verdienet haben) und verbinden mit der Matthäus-Stelle die allgemeinere Gedankenfigur vom ›verdienten Lohn‹ (siehe zu I 57,46). 26 bochen] Angeberei.

I 66 Vom Pfawen vnd der Nachtigall.

DG 457

Vorlage [Dorpius, Nr. 66, Bl. 19af.] De Pavone et Luscinia. Pavo apud summi Iovis sororem et coniugem Iunonem queritur lusciniam suave cantilare, se ob raucam ravim ab omnibus irrideri. Cui Iuno: »Dos sua a diis cuique. Luscinia cantu, tu plumis longe superas. Unumquemque sua sorte decet esse contentum.« Morale. Quae divi largiuntur, grato sumamus animo neque maiora quaesierimus. Superi temere agunt nihil.

Stellenkommentar 2 Jupiter] Siehe zu I 17,26. 3 schon] schön. 4 straffen] tadeln. 5 geziegelt] wie Ziegel übereinander geschichtet; vgl . DWb 7, Sp. 7049, mit Bezug auf diese Stelle. 6 schwantz … spiegelt] Bezeichnung für den mit Augen wie mit ›Spiegeln‹ versehenen Pfauenschwanz; vgl. DWb 5, Sp. 4151. 7 ziert] geschmückt. 16 Von jr … singen] Vgl. etwa Erk/Böhme, Liederhort, Sachregister s.v. »Nachtigall« (Bd. 3, S. 884). 21 jm] ihm (dem Geschöpf). 22 jm] sich. 23 vergan] missgönnt. 26 Vnd … keinen danck] und verlange nicht danach; vgl. DWb 2, Sp.  727f. 27f. Gott hat … das seine hab] Siehe zu I  31,23. 29f. So viel …

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Kommentar zu I 67

nemen an] soviel einem jedem gegönnt ist, soll er dankbar annehmen. 33 hab … in hut] kümmere sich um seine eigenen Dinge. 38 Calicut] Kalkutta. Münster, Cosmographei, S. 1173–1175, beschreibt Calicut als eine wohlhabende Stadt und berichtet insbesondere von dem dort wachsenden Pfeffer sowie anderen Spezereien. 38 Taproban] Taprobana; sagenhafte Insel in der Antike, die für ihren Reichtum bekannt war, meist mit Sri Lanka (Ceylon) identifiziert, zum Teil auch, z.B. von Münster, Cosmographei, S. 1177f., mit Sumatra; vgl. Stefan Faller, Taprobane im Wandel der Zeit. Das ĝrî-LaĔkâ-Bild in griechischen und lateinischen Quellen zwischen Alexanderzug und Spätantike, Stuttgart  2000 (Geographica Historica 14). Vgl. auch IV 69,59. 41 zu tausent] zum Reichtum. 43–48 Gott hat … niemandt vbergahn] Zugrunde liegt wohl die Vorstellung vom ›Schicksalsbuch‹, in dem Gott das Leben der Menschen aufgeschrieben hat (vgl. Ps 139,16); Nachweise bei Leo Koep, Buch IV (himmlisch), in: Reallexikon für Antike und Christentum 2 (1954), Sp. 725–731, bes. Sp. 726, 728, sowie ders., Das himmlische Buch in Antike und Christentum, Bonn 1952. 48 strich] Feder-, Rechnungsstrich.

I 67 Vom alten Wysel/ vnd den Meusen.

DG 590

Vorlage [Dorpius, Nr. 67, Bl. 19b] De Mustela seniculo et Muribus. Mustela prae senio viribus carens mures iam ita, ut solet, insequi non valebat. Meditari coepit dolum, in farinulae se colliculo illatebrat sic sperans fore, ut citra laborem venetur. Accurrunt mures, et farinam esitare dum cupiunt, ad unum omnes a mustela vorantur. Morale. Ubi viribus quispiam destitutus fuerit, ingenio opus est. Lysander Lacedaemonius subinde dicere solebat, quo non perveniret leonina pellis, vulpinam assuendam esse [vgl. Plutarch, Moralia 190 E 3], quod sic lucidius dixeris: Ubi virtus non satis potest, adhibenda est astutia.

Stellenkommentar 3 zerran die Speiß] wurde ihm die Nahrung knapp. 5 m chte] könnte. 6 dester … fellen] desto besser erjagen könnte. 7 einem Kasten] einer Kornkammer. 9 gmeyniglich] üblicherweise. 11 erschleichen] durch Auflauern erjagen. 16 vorhanden han] vorhaben; vgl. DWb 26, Sp. 1159f., mit Verweis auf diese Stelle. 17 Vnd … nicht kan ertragen] die auszuführen unsere Kräfte nicht reichen. Vnd steht an dieser Stelle, wie im Mittelhochdeutschen möglich, für ein Relativpronomen ein: ›und zwar solche, die‹; vgl. DWb  24, Sp.  423f. 19 Kn)pffen … an das endt] Der Vers verbindet konkreten mit übertragenem Wortsinn und setzt das erst folgende Bild von dem an das Löwenfell geknüpften Fuchsschwanz (V. 27–32) voraus. Der Verstand muss die durch den Löwen symbolisierte Kraft ergänzen: an das endt der Löwenhaut, wo vnser macht (V. 17) nichts mehr ausrichtet, ist die durch den Fuchs symbolisierte Weyßheit anzufügen. 20 Da die macht … wendt] wo Kraft und Stärke am Ende sind; vgl.

Kommentar zu I 68

95

DWb 28, Sp. 1796f. Vgl. auch den Wortgebrauch in I 22,59. 21 verschafft] erreicht. 23 regen oder r)hren] ausrichten. 24 durch witz hinauß f)hren] durch Verstand bewerkstelligen. 25–32 Der groß … leng bestahn] Vgl. Plutarch, Moralia 190 E 3 (Plutarch’s Moralia in fifteen Volumes, Bd. III: 172 A–263 C, with an English Translation by Frank Cole Babbitt, London – Cambridge, Mass. 1968, S. 126). 27 sprichworts weiß] Für den deutschen Sprachgebrauch nicht belegt; vgl. TPMA Fuchs 13–23: ›Wo die Löwenhaut nicht reicht, muss die Fuchshaut dazugenommen werden‹. Die entsprechende Stelle im Dorpius-Morale reiht sich in die neulateinischen Belege ein. – Zum Begriff ›Sprichwort‹ siehe zu Das Leben Esopi 13. 28 diemassen … tragen] das Ausmaß sich als groß herausstellt. 30 denen] dehnen. 32 m g … bestahn] um die ausreichende Länge zu erzielen. 35–38 Ouidius sagt … gnugsam ist] Vgl. Ovid, Epistulae III 4,79: ut desint vires, tamen est laudanda voluntas. 38 gnugsam] ausreichend.

I 68 Vom alten Apffelbaum. Vorlage [Dorpius, Nr. 68, Bl. 19bf.] Apologus ex Mantuano traductus. Rusticus quidam ex malo, quam in proximo habebat, agello sapidissima quotannis legebat poma. Hero lecta donabat urbano, qui illectus incredibili pomorum dulcedine malum tandem ad se transtulit, ea veterrima repente exaruit atque ibi poma pariter et malus periere. Quod cum patrifamilias nunciaretur: »Heu difficile est«, inquit, »annosam transplantare arborem. Satis superque fuerat, si frenos meae novissem imponere cupiditati, fructus ramo decerpere.« Hanc fabulam sic Mantuanus: Rusticus ex malo dulcissima poma legebat. | Unde dare urbano dona solebat hero. | Ast herus illectus frugum dulcedine, malum | transtulit in laribus proxima rura suis. | At quia malus erat senior, translata, repente | aruit, et proles cum genitrice obiit. | »Heu male transfertur senio cum induruit arbor«, | inquit herus, »fuerat capere poma satis.« Morale eiusdem. Qui nimium sapiunt atque inconcessa sequuntur, | desipiunt, cohibet, qui sua vota sapit.

Stellenkommentar 2 des thet er warten] den pflegte er. 3 von selben] von demselben. 3 schon] schön. 8 jm] sich. 17f. schwerlich … frembden raum] Sprichwörtlich: ›Alte Bäume (ver)pflanzen‹; vgl. TPMA Baum 296–307; Röhrich, S. 161. 19 kundt stillen] zu stillen vermocht. 20 Mit … f)llen] und am Anblick der Äpfel erfreut. 25 verleurt] verliert. 28–30 Wie dem … wider sach] Vgl. I  4. 28 geitzigen] (hab)gierigen. 31f. wers klein … zu gut] Variation eines Sprichworts; vgl. zu I 45,37f.

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I 69 Vom Lwen vnd dem Frosch.

Kommentar zu I 69 DG 384

Vorlage [Dorpius, Nr. 69, Bl. 20a] De Leone et Rana. Audire vocem visus leo prosiliit, subsistit non sine trepidatione magni quippiam exspectans. Egreditur tandem aquis ranula. Leo deposito metu appropians bestiolam proculcat pedibus. Morale. Vetat hic apologus inanes timores, ut illa a Guilhelmo Goudano versa fabula de partu montium.

Stellenkommentar 16 mit schaden nicht kan letzen] nicht schädigen kann. 17–22 Man sagt … auff ghaben] Sprichwörtlich im Sinne von ›Wer von Drohungen stirbt, ist mit Verachtung zu begraben‹, allerdings von Waldis besonders scharf formuliert; vgl. TPMA drohen 90–97. 17 vor drawen] vor Drohungen. 19 bleuten] mit Glockengeläut feiern; vgl. IV  46,24–26. 20 Glocken die in Hosen klingen] Entweder bildhaft für die Hoden, oder, dem sonst überlieferten sprichwörtlichen Gebrauch folgend, für Fürze. 20 Hosen] Vgl. zu I 17,66. 21 H w] Heu. Eine Parallelstelle findet sich bei Sachs, Werke 10, S. 32, Z. 35–S. 33, Z. 1 [1558]: Das ich hab offt bey meinen tagen | Ein altes sprichwort hören sagen: | Welcher von trowort sterben wöll, | Denselben man begraben söll | Mit strowischen hinein in die erden. 22 hinder gmach] Hinterzimmer (Bedeutung unklar).

I 70 Von der Ameyssen.

DG 37

Vorlage [Dorpius, Nr. 70, Bl. 20af.] De Formica. Sitiens venit ad fontem, ut biberet, formica. Incidit forte in puteum, opitulatur eminus ex arbore deiecto ramo columba. Ramum conscendens formica servatur. Adest, columbam ut capiat, auceps. Non sinit formica, aucupis pedem arripit mordicus, avolat columba. Morale. Docet haec fabula praeclare meritis referendam esse gratiam.

Stellenkommentar 2 Brunnen] Quelle. 3 sschen] Esche. 5 nach der schwer] heftig; vgl. DWb 15, Sp. 2561f. 6 on als gefehr] ganz unversehens. 8 nestet doben] nistete droben. 12 enthalt] Halt; vgl. DWb 3, Sp. 548f., auch mit Bezug auf diese Stelle. 18 stricken] Schlingen. 20 Jn sch*ch] in den Schuh. 22 Jn dem] währenddessen. 26 lahn] lassen. 27f. Vnd wers … hat] Ein ähnlicher Gedanke wird mit dem abgewandelten Ovid-Zitat im Morale von I 67 formuliert (I 67,35–38). Ob die Verse konkreter auf einen Kerngedanken der lutherischen Rechtfertigungslehre anspielen, wonach der Mensch nur aus Gnade (sola gratia) Erlösung vor Gott finden kann – entscheidend ist dabei nicht sein Handeln, sondern allein der Glaube –, ist nicht zu entscheiden. Vgl. zu IV 69,121f.

Kommentar zu I 71

I 71 Von Vgeln.

97 DG 349

Vorlage [Dorpius, Nr. 71, Bl. 20b] De Avibus. Gens avium cum libere vagaretur, optabat sibi dari regem. Pavo se in primis dignum, qui eligeretur, putabat, quia esset formosissimus. Hoc in regem accepto pica: »O rex«, inquit, »si te imperante aquila nos praestrenue, ut solet, insequi coeperit, quo illam modo abiges? Quo nos pacto servabis?« Morale. In principe non tam forma quam corporis fortitudo spectanda est et prudentia.

Stellenkommentar 3 gmein] Ratsversammlung. 4 schlossen all mit ein] kamen alle zu dem Beschluss. 7 jn fassen ein Regiment] ihnen eine Verfassung geben. 17 Vielleicht] Hier im ursprünglichen Sinne des Kompositums als ›sehr leicht möglich, dass‹ zu lesen. 18 veriehen] anzeigen. 19 ein g)lden st)ck] goldene Kleidung. 21 Derhalb von art] Deshalb der Abstammung nach. 22 Wurd] würde. 22 gekorn] gewählt. 23 Billich] zurecht. 24 Dorfft hinforder keinr sorgen mehr] bräuchte ich mir (oder: bräuchtet ihr euch) in Zukunft keine Sorgen mehr zu machen; syntaktisch nicht eindeutig, dem Kontext nach aber wohl auf den Pfau zu beziehen, der für seine prospektiven Untertanen sorgen könnte (vgl. den folgenden Einwurf der Elster), doch stattdessen nur an sich selbst denkt. 26 zwar] wahrlich. 28 Die Khur … mit] der Versammlung oblag die Wahl. 31 atzel] Elster. 32 anfacht] anfocht. 41 Denn hilfft nicht … schwantz] dann hilft sein mit Augen geschmückter Schwanz nicht; vgl. zu I 66,6. 47 theilt] zweifarbig. Vgl. II  57,9 und I  66,6 (dort die Schwanzfedern des Pfaues) sowie zur Form FWB  5, Sp.  390. 51 stoltzer muth] Stolz. 52 frommen] nützen. 53 frumm gem)te] aufrichtige Gesinnung. Literatur Lieb, S. 97f., 106.

I 72 Vom Krancken vnd dem Artzt. Vorlage [Dorpius, Nr. 72, Bl. 20b] De Aegroto et Medico. Medicus curabat aegrotum, ille tandem moritur. Tum ad cognatos medicus: »Hic«, inquit, »intemperantia periit.« Morale. Bibacitatem et libidinem, nisi quis mature reliquerit, aut numquam perveniet ad senectutem aut per brevem est habiturus senectutem.

Stellenkommentar Ü Krancken … Artzt] Vgl. III  62. 2 hancken] unbeweglich daliegen; vgl. DWb 10, Sp. 455, zu dieser Stelle. 3 kein fleiß nicht spart] ließ nichts unver-

98

Kommentar zu I 73

sucht. 5 seuche] Krankheit. 11 Wo er] hätte er. 16 solln halten rechte maß] Sprichwörtliche Maxime; vgl. TPMA Maß  2. 18 vbermachen] übertreiben. 19 Es sagt … Maro] Das Zitat ließ sich nicht nachweisen. 20 Venus vnd Bacho] Gemeint sind Liebes- und Weingenuss. – Siehe zu I 15,7. 24 dr)ber fehrt] darüber hinausgeht.

I 73 Vom Lwen Esel/ vnnd Fuchßen.

DG 402

Vorlage [Dorpius, Nr. 73, Bl. 20bf.] De Leone at aliis. Leo, asinus, vulpes eunt venatum, capitur ampla venatio, capta partiri iussa. Asino singulas singulis partes ponente irrugiit leo, asinum rapit ac laniat. Postea vulpeculae id dat negotii, quae astutior, cum leoni longe optima posita parte sibi vix minimam particulam reservasset. Rogat leo, a quo sic docta sit. Cui: »Illa huius me«, inquit, »calamitas docuit«, mortuum asinum ostendens. Morale. Felix, quem faciunt aliena pericula cautum.

Stellenkommentar Ü L wen … Fuchßen] Eine Variante dieses Fabelstoffs in I  5. 1 das gei d] die Jagd. 8 Hinden] Hirschkühe. 15 schalck] Bösewicht. 16 balck] Haut. 31 des] sein. 31 vngefug] Missgeschick. 35–40 Wer … in vngl)ck fellt] Variation des bei Dorpius im Morale zitierten lateinischen Sprichworts; vgl. Walther, Nr. 8952, ferner TPMA ander 141–155. 36 leren] lernen. 38 Als das] so dass. 39 witz] Verstand.

I 74 Vom Wider vnd dem Wolffe.

DG 606

Vorlage [Dorpius, Nr. 74, Bl. 21a] De Haedo et Lupo. Fenestra prospectans haedus praetereuntem lupum conviciis incessere audebat. Cui lupus: »Non tu«, ait, »sceleste mihi conviciaris, sed locus.« Morale. Et tempus et locus saepe audaciam addunt homini.

Stellenkommentar 10 deins scheltens massen] in deinem Spott mäßigen. 11f. Ein … zornig ist] Sprichwörtlich: ›Auf seinem eigenen Misthaufen ist der Hahn stark‹; vgl. Franck, Sprichwörter, S. 298, Z. 13f.; Walther, Nr. 10154. 13f. Wenn … niemandt wern] Sprichwörtlich: ›Der Hund ist mutig in seinem vertrauten Bereich‹; vgl. TPMA Hund 87–91.

Kommentar zu I 75

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I 75 Vom Esel.

DG 111

Vorlage [Dorpius, Nr. 75, Bl. 21af.] De Asino. Asinus de hortulani saevitia querens Iovi supplicat alium dari herum. Exaudire Iuppiter vota asini, dat tegularium. Apud quem cum tegulas gravioraque tergo vectaret onera, accessit rursus Iovem. Orat dari, qui mitior sit. Ridere Iuppiter. Ille tamen non destitit instare orare, usque adeo donec perpelleret. Dat ille coriarium. Quem ubi pernovit asellus: »Me miserum«, inquit, »qui, dum nullo sum contentus domino, in eum inciderim, qui nec corio quidem meo, quantum auguror, parcet.« Morale. Semper damnamus, quae praesentia sunt, et nova appetimus, quae (ut dici solet) veteribus non sunt potiora.

Stellenkommentar 3 Jupiter] Siehe zu I  17,26. 8 zurbarmen] zu erbarmen. 11 Ziegelstreicher] Betreiber einer Ziegelei. Das Wort kommt wohl vom ›Glattstreichen‹ des Tons in der Form, bezieht sich aber auf den gesamten Herstellungsvorgang der Ziegelsteine. 14 aber] abermals. 22 borg] nachließe; vgl. FWB 4, Sp. 789, mit Bezug auf diese Stelle. 25 fron] herrlich. 35 zwar] sicher. 39 Schelmen schinder … streufft] Kadaverhäuter, der mir das Fell abzieht. 41 Pfundt] Gewicht- oder Geldmaß; vgl. FWB 4, Sp. 281–287. 45–54 Die Welt … mein eigen] Zahlreiche Sprichwörter zur ›Überbewertung des fremden Gutes‹ in TPMA ander 2.5. Von den hier gegebenen Beispielen ist die ›Milch der Kuh des Nachbarn‹ (V. 51) traditionell (vgl. TPMA Euter, mit lateinischen Belegen; Walther, Nr.  9378). 50 f)ttert sich baß] nährt sich besser, im Sinne von: ›ist besser genährt‹.

I 76 Vom alten Weib/ vnd jren Megden.

ATU 1566A*

Vorlage [Dorpius, Nr. 76, Bl. 21b] De Anu et Ancillis. Anus quaedam domi habebat ancillas complures, quas cotidie, antequam lucesceret, ad galli gallinacei, quem domi alebat, cantum excitabat ad opus. Ancillae cotidiani tandem negotii commotae taedio gallum obtruncant sperantes iam necato illo in medios sese dies dormituras. Sed haec spes miseras frustrata est. Hera enim, ut interemptum gallum rescivit, intempesta deinceps nocte surgere iubet. Morale. Non pauci, gravius malum dum student evitare, in alterum diversum incidunt. Pervulgatum est: Incidit in Scyllam, qui vult vitare Charybdim.

Stellenkommentar 3 Hanen kr t] Hahnenschrei; vgl. DWb 11, Sp. 1975. 4 drat] sogleich. 7 faulen Secke] Bei Luther öfter belegte Umschreibung für den vergänglichen menschlichen Leib (vgl. DWb 14, Sp. 1613, sowie Röhrich, S. 1270). Hier wohl metaphorisch für die Faulheit der Mägde; vgl. IV  16,33. 11 schelmen] Schurken.

100

Kommentar zu I 77

18 den Seyger] die Uhr; vgl. DWb 16, Sp. 197f., auch mit Bezug auf diese Stelle. 24 vorkomen gar] Nebenform von ›verkommen‹: völlig zugrunde gerichtet; vgl. DWb 26, Sp. 1237. 31f. Dem Regen … flut] Bei Luther häufig belegte Redensart: ›Aus dem Regen laufen und ins Wasser fallen‹; vgl. TPMA Regen 161–167, sowie Röhrich, S. 1235f.

I 77 Vom Esel vnd Pferdt.

DG 112

Vorlage [Dorpius, Nr. 77, Bl. 21bf.] De Asino et Equo. Asinus beatum putabat equum, quod pinguis esset et in otio degeret, se vero infelicem dicebat, quod macilentus esset ac strigosus, cotidie ferendis oneribus ab immiti hero exerceretur. Haud multo post ad arma conclamatum est. Tum equus non equitem dorso, non frenum reppulit ore nec telum corpore. Hoc viso asinus magnas diis gratias agebat, quod non equum se, sed asinum fecissent. Morale. Miseri sunt, quos vulgus beatos iudicat, et non pauci beati, qui se miserrimos putant. Sutor crepidarius regem dicit felicem, quem omnium rerum compotem videt, non considerans, in quantas rex sollicitudines distrahatur, dum interim ipse optima cum paupertate cantilet.

Stellenkommentar 7 w ll] Wohlbefinden (hier als Femininum; vgl. DWb 27, Sp. 534). 13 eitelm] ganzem; vgl. DWb  3, Sp.  389. 15 vmbsunst] grundlos. 16 Meins … nicht geniessen laßt] und lässt mir für meinen Dienst keinen Lohn zuteil werden. 17 strauß] Krieg. 18 alarma] Aus ital. all’arme, ›zu den Waffen‹; vgl. FWB 1, Sp. 743f., auch mit Bezug auf diese Stelle. 21 drat] schnell. 22 Sarewat] Rüstung. 27 gewarten sch ß vnd stich] Schüsse und Stiche erwarten. 35 Bin wol … beruff] Der Esel widerlegt damit das Sprichwort: ›Niemand ist mit seinem Schicksal zufrieden‹, für das er in Fabel I 75 noch ein Exempel war; vgl. TPMA Glück 466f., sowie Agricola, Sprichwörter II 167. 45–58 Es kumpt wol … saß] Vgl. Hans-Walter Nörtersheuser, Glückliche Armut, in: EM  5, Sp.  1318–1324. 47 on gefehr] zufällig. 50 gan] gönnt. 51f. das er … deckt] Vgl. zu I 9,81, sowie die bei Franck Thales zugeschriebenen Sprichwörter: Vil gelt vil sorg und Ye reicher/ ye mehr sorg (Sprichwörter, S. 224, Z. 24f.). 57f. Vnd ist … saß] Vgl. das Sprichwort: ›Besser arm und sorglos als reich und bekümmert‹; vgl. TPMA arm 512f. 62 Zeigt dir … klar] Leseranrede; siehe zu I 12,50.

Kommentar zu I 78

I 78 Vom Lwen vnnd der Geyß.

101 DG 386

Vorlage [Dorpius, Nr. 78, Bl. 22a] De Leone et Capra. Edita rupe ambulantem capram forte conspicatus leo monet, ut potius in viride pratum descendat. Capra: »Facerem fortassis«, inquit, »si tu abesses, qui mihi non istud suades, ut ego inde ullam capiam voluptatem, sed ut tu habeas, quod vores famelicus.« Morale. Omnibus ne habeas fidem, quidam enim non tibi, sed sibi consulunt.

Stellenkommentar Ü L wen … Geyß] Eine weitere Bearbeitung dieses Fabelstoffs in II 6. 3 niden ferr] weit unten. 9 fromen] Nutzen. 14 mir … nit h ren] Umschreibung für: mich heute nicht umbringen. 16 glauben stellen] Glauben schenken. 17 jm ist mit] ihm zupass kommt; vgl. DWb 12, Sp. 2324f., auch mit Verweis auf diese Stelle. 20 dich] Leseranrede; siehe zu I 12,50.

I 79 Vom Geyer vnd andern Vgeln.

DG 480

Vorlage [Dorpius, Nr. 79, Bl. 22a] De Vulture aliisque Avibus. Annuum se natalem celebrare assimulat vultur. Aviculas ad cenam invitat, veniunt pleraeque. Omnes venientes magno plausu favoribusque accipit, acceptas laniat vultur. Morale. Non sunt amici omnes, qui blande dicunt aut benigne se facere velle simulant. Latent sub hoc melle venena.

Stellenkommentar 4 jm] sich. 6 gestbot] Gastmahl; vgl. FWB 6, Sp. 153, mit dieser Stelle als frühestem Beleg. 14 laß … den Kalander] Variation des Sprichworts: ›Einem den Text (eine Lektion) lesen‹; vgl. TPMA lesen 37–46. Während sich das – etwa von Luther häufig gebrauchte – Sprichwort auf die geistlichen/klösterlichen oder akademischen lectiones bezieht, ist hier mit dem Kalender eine Buchgattung angesprochen, die in den niederen Schichten weite Verbreitung fand. 22 den Credo leren] Von Sandvoss, S. 29, als Sprichwort angeführt; TPMA verzeichnet keine Belege. Vermutlich im Sinne von: ›bis er ihnen alles glaubt‹. 23 gef)hrt auffs Eiß] Redensartlich im Sinne von: jemanden überlisten; vgl. Röhrich, S. 371, sowie TPMA Eis 34–39. 24 Wirdt … mit schaden weiß] Sprichwörtlich; siehe zu I  11,76. 26 dir] Leseranrede; siehe zu I  12,50. 26 vorlißt] vorträgt. 29 Mit warheit … staffiert] Waldis verkehrt hier das in der Dichtungs- und insbesondere in der Fabeltheorie geläufige Bild von der in Lüge gekleideten Wahrheit. Entsprechend wird in Vers  30 der traditionelle Vergleich der lehrhaften Dichtung mit einer verzuckerten, weil bitteren Arznei umgedeutet. Vgl. Alberus, Fabeln, Vorrede, Z.  10–25. 30 mit Honig … geschmiert] Variante eines Sprichworts; siehe zu I 26,40. 34 ich bins mit schaden glert] Hinweise auf die eigene und die

102

Kommentar zu I 80

allgemeine Erfahrung (vgl. V. 24) finden sich bei Waldis öfter; siehe auch I 51,24; I 92,30; I 93,34; II 27,104; III 50,18; III 94,279; IV 15,50; IV 58,30; IV 75,109; IV 84,99 und 120; IV 98,122 u. ö.

I 80 Von Antugelen vnd Kranchen. Vorlage [Dorpius, Nr. 80, Bl. 22b] De Anseribus. Anseres una cum gruibus agrum vastabant, quibus auditis rustici protinus in illos feruntur. Rusticos conspicatae avolant grues, capiuntur anseres, qui impediti corporis onere subvolare non poterant. Morale. Expugnata ab hostibus urbe facile se subducit inops, at dives servit captus. In bello divitiae magis oneri sunt quam usui.

Stellenkommentar Ü Antu gelen vnd Kranchen] Enten und Kranichen. 2 ließ … saur] verwendete er viel Mühe. 3 dick] oft. 5 flohen] flogen. 8 wardt sein … gwar] bemerkte das der Bauer. 10 Sein gsellschaft] seine Hausgemeinschaft. 12 wacker] wachsam. 14 sichs erwegen] darauf verzichten. 32–34 Jm Euangelisten Mattheo … vbermuth] Vgl. zum Folgenden Jesu Rede über die Endzeit (Mt  24f.). 33 trawen] androhen. 35f. Das Hierusalem … Erden] Vgl. Mt 24,1f. 38 entladen] entledigt. 39f. weh denn … den seugenden] Vgl. Mt 24,19. 42 schweren] reichen. Diesen metaphorischen Wortgebrauch (vgl. DWb 15, Sp. 2555f.) überblendet Waldis in den folgenden Versen mit dem konkreten, zugleich führt er das biblische Bild von den Schwangeren fort (›schwer‹ kann auch ›schwanger‹ bedeuten). 44 Als] wie. 50 fahr] Gefahr. 54 breuchlich oder f)rderlich] nützlich oder förderlich.

I 81 Vom Jupiter vnd dem Affen.

DG 12

Vorlage [Dorpius, Nr. 81, Bl. 22b] De Iove et Simia. Iuppiter scire percupiens, quisnam mortalium scitissimos ederet liberos, convocari iubet quicquid uspiam est animantium. Concurritur ad Iovem undique, aderat iam alituum pecudumque genus, inter quos et simia deformes catulos brachio gestans. Cum advenisset, a risu nemo temperare potuit, quin etiam Iuppiter ipse profuse admodum risit. Ibi continuo Simia ipsa: »Imo«, inquit, »novit et Iuppiter iudex noster, catulos meos magnopere omnes quotquot adsunt praecellere.« Morale. Suum cuique pulchrum, ut est adagium. Et alibi apud Theocritum in eglo [vgl. Theokrit, Eklogen 6,18f.]: Quae minime sunt pulchra, ea pulchra videntur amanti.

Kommentar zu I 82

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Stellenkommentar Ü Jupiter] Siehe zu I 17,26. 2 hab] Schar; vgl. DWb 10, Sp. 45, auch mit Verweis auf diese Stelle. 6 webt] regt sich. 11 gschw)rm] Gewimmel. 12 An Thiern … Gew)rm] Mit der Verszeile wird die Gesamtheit der Fauna genannt. Schon der biblische Schöpfungsbericht teilt das Tierreich ein in Wasserbewohner, Geuogel (Gen 1,20), Thier auff Erden (Gen 1,24) und allerley Gewürm (Gen 1,25). Die Tierkunde der Frühen Neuzeit folgt einer Gliederung bei Aristoteles (Aristotle, Historia animalium in three Volumes, Bd. 1: Books I–III, with an English Translation by A. L. Peck, London – Cambridge, Mass. 1965, S. 6–13 [Historia animalium I, 487 a–b]), in der die Tiere in ähnlicher Weise nach ihren Lebensräumen und -weisen eingeteilt werden, und unterscheidet zwischen vierfüßigen, in der Luft und im Wasser lebenden Tieren; der letzteren Klasse konnten auch Kriechtiere und Insekten zugeschlagen werden. 15 zucht] Nachkommenschaft. 17 Die Aff] die Affenmutter. 19 machen] aufmachen. 29 weiß vor schwartz erkennen] Sprichwörtlich: ›Schwarz und weiß (nicht) auseinanderhalten können‹; vgl. TPMA schwarz 36–40. 32 nem] nähme. 37f. Was an … liebe seuberlich] Vgl. Theokrit, Eklogen  6,18f., lateinisch wiedergegeben bei Dorpius. Dass die Liebe zur objektiven Beurteilung unfähig mache, ist in verschiedenen Sprichwörtern formuliert; vgl. TPMA Liebe 1.6.1.; Röhrich, S. 963f. 37 an jm selber] an sich. 38 seuberlich] schön. 39 kat] Dreck.

I 82 Von der Eychen/ vnnd dem Rhor.

DG 81

Vorlage [Dorpius, Nr. 82, Bl. 23a] De Quercu et Arundine. Fastus olim atque adeo insolentiae plena quercus arundinem aggressa est: »Si nunc«, inquiens, »pectus animosum tibi, procede, agedum ad pugnam, ut noster duarum eventus ostendat, utra viribus praestet.« Arundo quercus cantum, exultationem fortitudinisque agitationem vanam nihil mirata: »Sic«, respondit, »certamen nunc abnuo, nec meae fortis me piget. Nam si in omnem partem mobilis tempestates tamen pervinco sonoras, tu, si semel vasto rex Aeolus antro luctantes emiserit ventos, concides et mihi tum rideberis.« Morale. Declarat haec fabella non eos semper fortissimos esse, qui nulla etiam lacessiti iniuria aliis insultant.

Stellenkommentar Ü Rhor] Schilfrohr. Eine weitere Bearbeitung dieses Fabelstoffs in I  100. 2 außreichen] hinausragen. 7 trotzig] herausfordernd. 10 leg … hatz] beginne einen Kampf mit mir. 13 pracht] Prahlen. 14 gschefftig] wichtig; vgl. DWb 5, Sp. 3823, mit Bezug auf diese Stelle. 15 prall] Prahlen. 20 vorwar … genoß] dir wahrlich nicht ebenbürtig. 22 baß] besser. 24 streichen] nachgeben; vgl. DWb  19, Sp.  1201, auch mit Verweis auf diese Stelle. 25 schleht] schlägt. 30 beduncken lassen] einbilden. 36 entladen] entledigen. 37 gmeinlich] im

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Kommentar zu I 83

Allgemeinen. 40 vndergahn] untergegangen. 42 vnfell … reiten] Unglücksfälle, die ihm zustoßen. 43 bochen] Höhnen.

I 83 Vom Vischer/ vnd kleinen Vischlin.

DG 143

Vorlage [Dorpius, Nr. 83, Bl. 23af.] De Piscatore et Pisciculo. Piscator iacto in aquam hamo cibis illito pisciculum eduxit. Orat obsecratque captivus se minutulum, uti abire sinat et adolescere, ut postea maiore potiatur. Piscator: »Ego«, inquit, »spem pretio non emo, quippe qui eo fuerim ingenio semper, ut quicquid possem, mallem auferre potius in praesentia.« Morale. Haec nos monet fabella, ne certa umquam incertorum spe unguibus amittamus. Quid enim stultius (ut est apud Ciceronem), quam incerta pro certis habere?

Stellenkommentar 1 Ham] Netz. 10 Zwar] wahrlich. 11 gweßt von sollichem sinn] der Ansicht gewesen. 11–13 sinn … hin … gewinn] Dreireim; siehe zu I 10,19–21. 12 vor mir ist] mir vorliegt. 16 Es ist … gegenwertig] Im Lateinischen als sprichwörtlich belegt; vgl. TPMA gewiss 13f.: ›Nur die Gegenwart ist gewiss, die Zukunft ist ungewiss‹; Walther, Nr. 7344; 7795. 18f. Besser … auff dem sandt] Sprichwörtlich; siehe zu I  4,35f. 20f. Es begibt sich … rundt] Als Sprichwort vor allem im Lateinischen belegt: Multa cadunt inter calicem suprema labra; vgl. Walther, Nr. 15371; Varianten: TPMA Mund 120–123, 126, 142. Vgl. Liebrecht, S. 498. 23 Wie vns … lert] Vgl. I 4.

I 84 Vonn der Ameyssen vnd H wschrecken.

DG 35

Vorlage [Dorpius, Nr. 84, Bl. 23b] De Formica et Cicada. Appetente hieme frumentum in areolam ad solem trahebat formica. Videt id cicada, accurrit, rogitat granum. Formica: »Cur non«, inquit, »et tu meo exemplo aestate trahis quodcumque potes atque addis acervo?« Respondet illa sibi id temporis cantando transigi. Ridens formica: »Si«, ait, »aestate cantitare soles, merito nunc esuris.« Morale. Monemur hac fabula, dum adhuc robur corporis adest, quaerere ea, quibus imbecilla sustentetur senectus. Per hiemem senectutem intellige. Per aestatem adulescentiam et florem illum aetatis.

Stellenkommentar 1–6 EJN Ameyß … hungers wern] Vgl. zu I 30,31f. 2 jrn enthalt] ihre Behausung; vgl. DWb 3, Sp. 548, auch mit Verweis auf diese Stelle. 12 Beengsten] ängstigten. 13 wegerstu] verweigerst du. 17 Sanct Jacobs tag] Der Festtag

Kommentar zu I 85

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des Apostels Jakobus des Älteren ist der 25. Juli. 18 zu schneiden pflag] schnitt. 20 d)rffts] müsstest. 26 der kurtzweil pflag] die Zeit vertrieb. 33 werben] arbeiten. 33–38 Des Sommers … tugent] Die Jahreszeiten stehen – wie oft in Literatur und bildender Kunst – für die Phasen des menschlichen Lebens. 36 leit] liegt. 38 K)nsten] Fertigkeiten. 39 farende hab] vergänglicher Besitz. 40 gl)ck … ab] Zur Unbeständigkeit des Glücks vgl. zu I 12,49; zur Vorstellung vom auf- und absteigenden Glücksrad vgl. zu I  33,37. 42 keinen Zoll] keine Abgaben. 43 verhelen] verbergen. 45 Drumb … witzen] darum bemühe dich in der Jugend um Bildung und Verstand.

I 85 Vom Lwen vnd Ochßen.

DG 443

Vorlage [Dorpius, Nr. 85, Bl. 23bf.] De Leone et Tauro. Leonem fugitabat taurus. In hircum incidit, is cornu et caperata minitabatur fronte. Ad quem plenus irae taurus: »Non tua«, inquit, »in rugas contracta frons me territat, sed immanem metuo leonem. Qui nisi tergo haereret meo, iam scires non ita parvam rem esse pugnare cum tauro et nostro sequi de vulnere sanguinem.« Morale. Calamitosis non est addenda calamitas. Sat miser est, qui semel est miser.

Stellenkommentar Ü Vom L wen vnd Ochßen] Eine weitere Bearbeitung dieses Fabelstoffs in I 98. 2 entsetzen] auf die Flucht begeben. 3 gach] eilig. 6 rauher] angriffslustiger. 12 mores ler] Redensartlich; siehe zu I 33,13. 14 Was wer] was das hieße. 15 zumachen] zurichten; die hier deutlich aggressive Konnotation ist in DWb nicht belegt; vgl. DWb  32, Sp.  530. 21 gemein] üblich. 22 Es will … allein] Sprichwörtlich: ›Ein Unglück kommt nicht allein‹; vgl. TPMA Unglück  17–49. 23 felt zuhauffen] zusammenbricht. 24 vberlauffen] angreifen; vgl. DWb  23, Sp. 373, auch mit Verweis auf diese Stelle. 25 So] wenn. 31f. Vnd wer … ersten steyn] Kombination der bekannten Redensart (vgl. TPMA Tür 38–40: ›Vor der eigenen Türe kehren‹; Röhrich, S. 1651) mit dem Jesus-Wort (Joh 8,7): Wer vnter euch on sunde ist/ der werffe den ersten stein auff sie. 34 sicht] aussieht. 36 mag] kann.

I 86 Vom Weibe vnnd dem Wolffe.

DG 647

Vorlage [Dorpius, Nr. 86, Bl. 24a] De Nutrice et Lupo. Nutrix minatur puerum plorantem, ni taceat, dari lupo. Lupus id forte audit, spe cibi manet ad fores. Puer tandem silescit obrepente somno. Regreditur lupus in silvam ieiunus et

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Kommentar zu I 87

inanis. Lupa ubi sit praeda sciscitatur. Gemebundus ille: »Verba«, inquit, »mihi data sunt, puerum plorantem se abicere minabatur nutrix, at fefellit.« Morale. Feminae non est habenda fides.

Stellenkommentar 3 etzen] füttern. 4 schweigen] zum Schweigen bringen; vgl. DWb 15, Sp. 2432f., auch mit Verweis auf diese Stelle. 10 Eins b sen Kindts … vergessen] auf ein unartiges Kind kann ich gut verzichten; vgl. DWb 25, Sp. 420. 11 Jn dem] währenddessen. 17 Drewt] droht. 17 mit der scherffe] Etwa: furchteinflößend; vgl. DWb  14, Sp.  2190, auch mit Verweis auf diese Stelle. 21f. Es macht … zum Narren] Der sprichwörtliche Gebrauch (vgl. TPMA hoffen 120–126: ›Hoffnung macht Narren‹) ist hier auf die konkrete Situation und den Wolf angewandt. 26 nach dem strauche] ins Unterholz. 30 erlesen] erjagt. 36 heint] letzte Nacht. 40 bey jr] bei sich. 44 So leyd … hat] so zuwider ist keiner Mutter ihr Kind. 52 winden] wickeln. 56 jebe] übe. 57f. Man sagt … geworffen findt] Als Mahnung, ungeratene Kinder nicht vorzeitig aufzugeben, sprichwörtlich; vgl. TPMA Kind 435–438: ›Kinder soll man nicht vorzeitig aufgeben‹. Literatur Lieb, S. 73f., 88f., 182.

I 87 Vom Schnecken vnd Adler.

DG 7

Vorlage [Dorpius, Nr. 87, Bl. 24af.] De Testudine et Aquila. Ceperat testudinem taedium reptandi. Si quis eam in coelum tolleret, pollicetur baccas maris rubri. Sustollit eam aquila, poscit premium. Non habentem fodit unguibus. Ita testudo, quae concupiit videre astra, in astris vitam reliquit. Morale. Tua forte sis contentus. Fuere nonnulli, qui, si mansissent humiles, poterant esse tuti, facti sublimes inciderunt pericula.

Stellenkommentar 1f. Schneck … schlichen] Zur Schnecke als Vertreter der ›niedrigen‹, am Boden (humus) lebenden Tiere, die entsprechend zur humilitas verpflichtet sind, siehe Ulla-B. Kuechen, Wechselbeziehungen zwischen allegorischer Naturdeutung und der naturkundlichen Kenntnis von Muschel, Schnecke und Nautilus. Ein Beitrag aus literarischer, naturwissenschaftlicher und kunsthistorischer Sicht, in: Formen und Funktionen der Allegorie. Symposion Wolfenbüttel  1978, hg. von Walter Haug, Stuttgart 1979 (Germanistische Symposien-Berichtsbände 3), S. 478–514 (auch mit Erklärung der Schnecke als Zeichen von Marias Demut, vgl. unten zu den Versen 40–44). 7 rothen Meer] Seit der Antike vermutete man im Orient besonders reiche Edelsteinvorkommen; vgl. Ulrich Engelen, Die Edel-

Kommentar zu I 88

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steine in der deutschen Dichtung des 12. und 13. Jahrhunderts, München 1978 (Münstersche Mittelalter-Schriften  27), S.  46–51. Die genauere Herkunftsangabe ›Rotes Meer‹ macht schon der Dorpius-Text. 10 globest] versprichst. 11 klufft] Offenbar: Kralle. Die Wortbedeutung ist nur hier belegt, vgl. DWb 11, Sp. 1267; Waldis entwickelt wohl ausgehend von ›Kluft‹ im Sinne einer Zange (vgl. ebd., Sp.  1266f.) eine Metapher. 14 abher fellt] herabflog. 15 beim … plan] bei einem Gewässer auf den Boden. 17 mocht] konnte. 18 stundt jm … leben] trachtete ihm nach dem Leben. 19 zerkn)ßt] zerquetschte. 20 geb)ßt] bestraft. 22 vnfall gschehen] Unglück zugestoßen. 25 Als] alles. 26 sich tregt] passt. 28 augen scheinlich] mit eigenen Augen. 38 Magnificat] Mit den Worten Magnificat anima mea Dominum (bei Luther: MEINE SEELE ERHEBT DEN HERRN) beginnt das Lob Gottes, mit dem Maria auf den Gruß Elisabeths antwortet (Lk 1,46–55). 40 hoffart] Pomp; vgl. DWb 10, Sp. 1667. 40–44 Das er … den armen wider] Vgl. Lk 1,52: ER STÖSSET DIE GEWALTIGEN VOM STUEL / VND ERHEBT DIE ELENDEN. 46 darff beweren] zu beweisen braucht. Literatur Lieb, S. 70.

I 88 Von zweien Krebsen.

DG 364

Vorlage [Dorpius, Nr. 88, Bl. 24b] De Cancris matre et filio. Cancrum retrogradum monet mater, antrorsum ut eat. Filius respondet: »Mater«, inquit, »i prae, sequar.« Morale. Nullum reprehenderis vitii, cuius ipse queas reprehendi.

Stellenkommentar 2 hindersich gohn] rückwärts gehen; siehe zu III 97,81f. 5 vor sich weg] vorwärts. 6 sehe] sähe. 8 k)ndt] könnte. 11 feyl] Fehler. 11f. Artzt … wunden heyl] Vgl. Lk 4,23: Vnd er sprach zu jnen/ Jr werdet freilich zu mir sagen dis Sprichwort/ Artzt hilff dir selber. Sprichwörtlich; vgl. TPMA Arzt 129–133: ›Der gute Arzt ist selbst gesund oder heilt sich selbst zuerst‹. Vgl. auch I 91,26f.; IV 33,51f.; Brant, Narrenschiff 21,18; Alberus, Fabeln 19, 171 (Marg.). 13f. Auß … Splitter r)ren] Vgl. Mt 7,5: Du Heuchler/ zeuch am ersten den Balcken aus deinem auge/ Darnach besihe/ wie du den Splitter aus deines Bruders auge ziehest. Sprichwörtlich mit reichen Belegen: ›Den Splitter im Auge des andern sehen, den Balken im eigenen nicht‹; vgl. TPMA Auge 376–400, Balken 3f.; Röhrich, S. 135f., 1509. 14 r)ren] anrühren.

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I 89 Von der Sonnen vnd Nordenwind.

Kommentar zu I 89 DG 532

Vorlage [Dorpius, Nr. 89, Bl. 24b] De Sole et Aquilone. Sol et ventus aquilo certant, uter sit fortior. Conventum est experiri vires in viatorem, ut palmam ferat, qui excusserit manticam. Boreas horrisono nimbo viatorem aggreditur ac ille non desistit amictum gradiendo duplicans. Adsunt vices solis. Qui nimbo paulatim evicto emolitur radios. Incipit viator aestuare, sudare, anhelare. Tandem progredi nequiens captat frigus opacum atque sub frondoso nemore abiecta mantica resedit. Ita soli contigit victoria. Morale. Qui cum certes etiam atque etiam vide. Nam et si tu fortis es, est forsitan alius te fortior. Aut si non fortior, certe callidior, ut consilio suo tuum vincat robur.

Stellenkommentar 1 neidt hoffart] Neid und Hochmut. 15 facht] kämpfte. 16 den Mantel doppelt macht] Der gefütterte Mantel heißt ›doppelter Mantel‹ bzw. pallium duplex; vgl. DWb 2, Sp. 1273; DWb 12, Sp. 1608. Gemeint ist hier vielleicht, dass die Enden des im Wind flatternden Mantels zusammenschlagen, so dass der Mantel scheinbar die doppelte Stärke erhält; oder der Bote schlägt seinen Mantel doppelt, um sich zu schützen. 19 trucken] drücken. Tittmann liest ›trocknen‹, was sich nach unserer Lesart in Vers 20 wiederholen würde. Das folgende Reimwort drucken versteht Tittmann als ›drücken‹. 20 drucken] trocken. 22 dleng] auf die Dauer. 27 schone] schöne. 28 Dem Borea … angwonnen] gegen den Nordwind den Sieg davongetragen. 29 eben] ebenbürtig. 33 bhendigkeit] Schlauheit.

I 90 Vom Esel.

DG 117

Vorlage [Dorpius, Nr. 90, Bl. 25a] De Asino. Asinus venit in silvam, offendit exuvias leonis. Quibus indutus redit in pascua, greges armentaque territat et fugat. Venit, qui perdiderat, quaeritat suum asinum. Asinus viso hero occurrit, imo cum rugitu suo incurrit. At herus prehensis, quae extabant, auriculis: »Alios licet«, inquit, »fallas. Ego te, aselle, mi probe novi.« Morale. Quod non es, nec te esse simules. Non doctum cum sis indoctus, non divitem, non nobile, cum sis pauper et ignobilis, te iactes. Vero enim comperto rideberis.

Stellenkommentar 1 M)ller] Der Besitzer des Esels ist hier – wie des Öfteren in der Überlieferungsgeschichte der Fabel (vgl. Alberus, Fabeln 33; Flugblätter I 41; 41a) – ein Müller, während er bei Dorpius unbestimmt bleibt. 3 Lawen] Löwen. 6 berden] Gebärden. 10 Wolt nicht … singen] Bei der sprichwörtlichen Unverkennbarkeit der Eselsstimme (vgl. TPMA Esel 146–149: ›Die Stimme des Esels ist unverkennbar‹) ein vergebliches Unterfangen. Vgl. II  82,16. 19 von stundt]

Kommentar zu I 90

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sofort. 30 zuhin bas] näher heran. 31 Mißduncken … an der stimm] wegen der Stimme schöpfte er Verdacht. 32 grimm] Wohl als nachgestelltes Adjektiv zu lesen. 35 deinen trutz] deine Drohung. 36 stelst … Faßnacht butz] benimmst dich wie ein Fastnachtsnarr. 37 fliegen] fliehen. 41 spiegelfechten] Vorgaukeln. Zum Hintergrund der Metaphorik vgl. Röhrich, S.  1500. Waldis verwendet sie auch in IV 18,77 und in Der verlorene Sohn 2005–2008. 44 heseln stock] Haselstock. 45 zur k)hr] heftig; vgl. DWb  11, Sp.  2789, mit Bezug auf diese Stelle. 48 prangens] Prahlens. 55f. Griechisch … Caldeisch] Mit Griechisch, Hebräisch (Ebreisch), Lateinisch und Chaldäisch (Caldeisch) sind die vier ehrwürdigen, gelehrten Sprachen der Antike genannt; vgl. Erasmus von Rotterdam, Adagia II  1,1 (Bd.  3, S.  16f.). Ihr Kanon wird hier durch das interpolierte Arabisch gesprengt. 57 gmeynen] einfachen. 59 bey Glerte] zu Gelehrten. 62 Kan nicht … waschen] Wohl: ›kann nicht das Geringste dazu beitragen‹; ein redensartlicher oder sprichwörtlicher Gebrauch der Phrase ist nur bei Wander, Bd. 3, Sp. 225, angezeigt. 63 Der sein] von denen gibt es. 65 Artickel r)ren] Thesen vorbringen. 68 Helts … ans liecht] Die heilig Schrifft als Referenz und Korrektiv erinnert an das lutherische Prinzip sola scriptura, das darauf abzielte, alle theologischen Positionen auf den Bibeltext zurückzuführen. Vgl. auch Vers 76. 71f. Esels Ohren … Thoren] Die sprichwörtliche Identifizierung des Esels anhand seiner Ohren, wie sie hier in der Narratio entfaltet wird, wird oft in Parallele gesetzt zur Entlarvung des Narren, der sich in bestimmten Momenten verrät; vgl. TPMA Esel 15–24: ›Man erkennt den Esel an den Ohren‹; Röhrich, S. 393 und 1113f. Die Eselsohren sind fester Bestandteil der NarrenIkonographie (vgl. etwa die Holzschnitte zu Brants Narrenschiff). 73 Schmeychel haut] In DWb 15, Sp. 978, nur mit diesem Beleg. 76 zerrissen] Hier wohl: gepeinigt. 77 Denn] dann. 81–84 H)t euch … innen] Vgl. Mt  7,15f.: SEhet euch fur/ fur den falschen Propheten/ die in Schafskleidern zu euch komen/ Jnwendig aber sind sie reissende Wolffe/ An jren Früchten solt jr sie erkennen. Die reformatorische Publizistik stellt in Anspielung auf die Matthäus-Stelle romtreue Geistliche häufig als Wölfe dar (vgl. Robert W. Scribner: For the Sake of Simple Folk. Popular Propaganda for the German Reformation, Cambridge u.a. 1981, S. 55f., 76). Vgl. auch IV 1,253–256 sowie III 2,13f. und 17f. Zum sprichwörtlichen Gebrauch vgl. TPMA Schaf  57–62 (›Außen ein Schafskleid, innen ein Wolf‹); Röhrich, S. 1740f. 86 herf)r] hervor. 94 K nn … Glocken schiessen] In Druck B ist die Verstellung der Objekte noch beibehalten, CEF haben Glocken leuten/ B)chssen schiessen. Eine ähnliche Formulierung bei Johann Fischart: Ich denck was mein Großuatter Hacqueleback sagt: B)chssenschiessen, Glocken giessen, Teuffel bannen, Armprost spannen, wer dz nicht wol kan, solls vnderwegen lan: Ich aber sage wers auch wol kan, solls lassen anstahn (Johann Fischarts Geschichtklitterung [Gargantua], hg. von A. Alsleben. Halle/S. 1886 [Neudrucke deutscher Litteraturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts 65–67], S. 331). 95 Vnd was … vmb fehrt] und was es sonst in der Welt gibt. 96 auß gelert] genau gelernt. 98 viel pfennig … Christen] Möglicherweise eine Anspielung auf den Ablasshandel, der einen der zentralen Streitpunkte zwischen romtreuer und lutherischer Geistlichkeit darstellte; vgl. zu II  75,36. 98 pfen-

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Kommentar zu I 91

nig] Geringwertige Scheidemünze im Wert zwischen einem Zwölftel und einem Sechstel Groschen; vgl. Schrötter, S.  506f. Siehe zu I  27,19. 99 den] dann. 100 thut bericht] klärt die Sache auf. 101 bar] offenbar. 103 L wen balck] Löwenhaut.

I 91 Vom Frosch vnd Fuchß.

DG 164

Vorlage [Dorpius, Nr. 91, Bl. 25a] De Rana et Vulpe. Rana egressa paludem in silvis apud feras medicinam profitetur. Ait se nec Hippocrati nec Galeno cedere. Ceteris habentibus fidem illusit vulpes: »An haec«, inquit, »medicinae habebitur perita, cui sic pallet os? Quin curet se ipsam?« Sic illusit vulpes. Est enim ranae os caeruleo colore. Morale. Stultitiae est profiteri, quod nescias, et ridiculum.

Stellenkommentar 6 wißten … k)ndt] wüsstet, was ich kann. 8 Haß] Hase. 9 Schwester] Den Frosch als weiblichen Fabelakteur zu behandeln, legt das grammatische Geschlecht des lateinischen Worts (rana) nahe. 10 zurlangen] zu erlangen. 12 bkennens frey] gestehe es frei. 13 Mompeliers in Franckenreich] Montpellier; Stadt in Südfrankreich mit  1289 gegründeter Universität, die wegen ihrer medizinischen Fakultät großes Ansehen genoss: F)rnemlich aber werden die Artzet vnd Apotecker dieser Statt/ wegen jhrer wolbestellten Vniversitet/ vnder allen andern in Franckreich/ f)r die erfahrnesten vnd besten gehalten (Sebastian Münster, Cosmographia, Das ist: Beschreibung der gantzen Welt […], Nachdruck der Ausgabe Basel  1628, hg. von Karl-Heinz Burmeister, 2 Bde., Lindau o.J., Bd. 1, S. 252; die Ausgabe Basel 1550 enthält diese Angabe noch nicht). 14 Welschlandt zu Paris] Welschlandt bezeichnete das aus deutscher Sicht romanische Ausland, in erster Linie aber Italien; der Vers ist wohl als Aufzählung zu verstehen. Für ihre medizinische Fakultät war etwa die Universität von Padua berühmt, einflussreich war auch die Medizinschule von Salerno. Die Universität von Paris hatte seit der ersten Hälfte des 13. Jhs. eine medizinische Fakultät. 14 dem gleich] ebenfalls. 15 Galenus vnd Hyppocrates] Die antiken Mediziner Galenos von Pergamon (129–199) und Hippokrates aus Kos (5./4. Jh. v. Chr.) galten in der Frühen Neuzeit als die höchsten Autoritäten ihrer Disziplin. 16 sich nie geflissen des] nie darauf ihren Fleiß verwendet. 17 ich … frist] ich heute kann. 21 alle wehe] allen Schmerz. 21 sonder] ohne. 22 entladen] entledigen. 24 jren feyl] ihr Gebrechen. 26 zu forn] zuvor. 26f. Doctor … selbet gsundt] Siehe zu I 88,11f. 29 kelt des Magen] ›Kalter Magen‹ war die Bezeichnung für einen Magenkatarrh, eine Form von Magenschleimhautentzündung. Zugrunde liegt die Vorstellung, dass der Magen die Speisen koche und selbst heiß sei; vgl. etwa BDN, S. 32, Z. 3–5; Flugblätter I 71. 30 Laßt jn … vertragen] lasst ihn erst sein Ge-

Kommentar zu I 92

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brechen heilen. 34 eben k)mpt] zukommt. 35f. zehn … ertregt] zehn Dinge zu tun vornimmt, von denen doch kaum eines in seiner Macht steht. 37–39 belacht … veracht … bedacht] Dreireim; siehe zu I  10,19–21. 39 Wie oben … bedacht] Vgl. etwa I 63 und I 90.

I 92 Vom beissigen Hunde.

DG 306

Vorlage [Dorpius, Nr. 92, Bl. 25af.] De Cane mordaci. Cani subinde homines mordenti, ut sibiquisque caveret, alligavit dominus nolam. Canis ratus virtuti suae tributum decus suos populares despicit. Accedit ad hunc canum aliquis iam aetate atque auctoritate gravis monens eum, ne erret: »Nam ista«, inquit, »nola data est tibi in dedecus, non in decus.« Morale. Gloriosus interdum sibi ducit laudi, quod ipsi est vituperio.

Stellenkommentar 7 auß hohem pracht] aus Hochmut. 14 baß] besser. 16 merck mich eben] gib gut Acht. 23 Es zeuht … ehren] Es rechnet sich mancher zur Ehre an. 24 mag … keren] als Schande anrechnen kann. 25 rhumretigen] Prahler. 26 einr … erwegen] zu einer großen Ehrlosigkeit entschließen. 30 Erfarnheit] Siehe zu I 79,34.

I 93 Vom Camelthier.

DG 329

Vorlage [Dorpius, Nr. 93, Bl. 25b] De Camelo. Camelus sui paenitens querebatur tauros insignes ire geminis cornibus, se inermem obiectum ceteris animalibus. Orat Iovem donari sibi cornua. Ridet Iuppiter stultitiam cameli, nec modo votum negat, verum et auriculas bestiae decurtat. Morale. Sit quisque fortuna contentus sua. Etenim multi fortunam secuti meliorem incurrere peiorem.

Stellenkommentar 6 m cht] könnte. 10 sich … entsetzen] nichts, um sich zu wehren. 11 Jupiter] Siehe zu I  17,26. 25 Auß zorn … die ohren] Ätiologische Pointe; vgl. zu I  16,69–78. 32 fast] sehr. 34 erfarn … gesehen] Siehe zu I  79,34. 36 jm selbst] sich selbst. 37 anschlag] Plan. 38 nach … nach] weder … noch.

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I 94 Von zweien Gesellen/ vnd dem Beren.

Kommentar zu I 94 ATU 179

Vorlage [Dorpius, Nr. 94, Bl. 25b] De duobus Amicis et Urso. Duo amici faciunt iter. Occurrit in itinere ursus. Unus arbore conscensa pericula evitat. Alter, cum spes fugae non esset, collidit se humi. Accedit belua, contrectat iacentem, os explorat et aures. Homine spiritum continente ac motum ursus, qui mortuis parcit, ratus cadaver esse innocuus discedit. Percunctanti postea socio, quidnam bestia dixisset iacenti in aurem, hoc monuisse ait, ne umquam cum illius modi amicis iter faceret. Morale. Rara avis in terris nigroque simillima cycno fides est. Verum amicum res adversae et pericula monstrant.

Stellenkommentar 11 mocht] konnte. 14 Die strebkatz … ziehen] Eine Art ›Seilziehen‹ mit dem Nacken, dargestellt im Titelholzschnitt zu Die Luterisch Strebkatz, Worms 1524. Vgl. DWb  19, Sp.  1081–1083, auch mit Bezug auf diese Stelle; ferner Sandvoss, S.  98. 16 wagenleyß] Wagenspur. 17 Sam] Als. 32 F)rbas] künftig. 33 Ein … schwartzen Schwan] Sprichwörtlich: ›Der weiße Rabe‹ (TPMA Krähe  37–39), ›Ein schwarzer Schwan‹ (TPMA Schwan  10; Walther, Nr.  26260); vgl. Juvenal, Satiren  7,202 und  6,164. 37 Glauben] Hier im Sinne von lat. fides ›Treue‹. 39f. Ein seltzam kraut ... erwarten] man braucht nicht erwarten, dass sein seltenes Kraut in jedermanns Garten wächst. 44f. Gibt gute wort … hin] Anspielung auf den Verrat des Judas (Mt 26,48f.); so in einem Gedicht von Nikolaus Selnecker (1530–1592), in dem es heißt: Judas kus wird auch teglich new: | ›gib gute wort, beweis kein trew, | Lach mich fein an, bald gib mich hin‹ | ist fast der gantzen Welte sinn (Wackernagel, Bd. 4, Nr. 368, S. 273; vgl. Nr. 369). 45 gib mich hin] liefere mich aus. 49f. Man sagt … das Veldt verlorn] Als Sprichwort sonst nicht nachweisbar. 50 das Veldt verlorn] eine Niederlage erlitten; vgl. DWb 3, Sp. 1477f. – Das Bild vom Kampf der Untreue gegen die Treue findet sich auch im Spiegel des Regiments (1515), wo die Untreue sagt: Recht Trew, dy hat den streit verlorn (Johann von Morszheim, Spiegel des Regiments, hg. von Karl Goedeke, Stuttgart 1856 [Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart 37], S. [2], Z. 25; vgl. ebd. S. 1, Z. 8). 51 Die not … leren] Sprichwörtlich: ›Der wahre Freund lässt sich (erst) in der Not prüfen und erkennen‹; vgl. TPMA Freund 527–543. 53 deines leydts ergetzen] dein Leid lindern. 56 rechen] rechnen. 57 ein … trewen meinen] einem treu wären. 60 man vertraw … Gott] Vgl. das erste Gebot des im  16. Jh. verbreiteten Goldenen ABC der Lebensregeln: ALlein auff Gott setz dein vertrawn, | auff Menschen hülff soltu nicht bawn: | Got ist allein der Glauben helt, | sunst ist kein Glaub mehr in der weldt (zitiert nach Wackernagel, Bd. 5, Nr. 516, S. 327); vgl. Flugblätter I 23f. 63 diß fals] in diesem Fall. 65 feyl] fehlerhaft. 66 Glaub mir … theyl] Siehe zu I 79,34. Literatur Elschenbroich, Bd. 2, S. 205.

Kommentar zu I 95

113

I 95 Vom kalen Reuther. Vorlage [Dorpius, Nr. 95, Bl. 25bf.] De Equite calvo. Eques calvus illigarat pileo comam ficticiam. Venit in campum acri spirante borea ac, dum male observat capillatum galerum, subito apparet calvities. Tollit cachinnum corona, nec non et ipse ridet: »Quid novi est«, inquit, »avolare capillos alienos, cum olim defluxerint, qui fuerant mei.« Morale. Belle fecit eques, qui non est indignatus, sed cum ridentibus risit. Socrates vero, cum accepisset in foro alapam, hoc modo respondit: Molestum esse scire homines quando debeant prodire cum galea.

Stellenkommentar 7 rheyt] ritt. 9 on gefehr] zufällig. 12 bar] barhäuptig. 21 Schimpflich] In Heiterkeit. 27 massen] mäßigen. 29–40 Socrates … m cht letzen] Ein frühes lateinisches Zeugnis der Anekdote gibt Seneca, De ira III  11,2: Circumscribenda multis modis ira est; pleraque in lusum iocumque vertantur. Socraten aiunt colapho percussum nihil amplius dixisse quam molestum esse quod nescirent homines quando cum galea prodire deberent (L. Annaeus Seneca, De ira. Über die Wut, lateinisch – deutsch, übersetzt und hg. von Jula Wildberger, Stuttgart 2007). 34 Verantworts] beantwortete es. 40 m cht letzen] verletzen könnte.

I 96 Von zweien Tpffenn.

DG 559

Vorlage [Dorpius, Nr. 96, Bl. 26a] De Duabus Ollis. Duae ollae stetere in ripa, altera erat lutea, altera aerea, utramque tulit vis fluvii. Luteae collisionem metuenti respondet aera, ne quid timeat. Sese enim ne collidantur satis curaturam. Tum altera: »Seu me«, inquit, »tecum, seu te mecum flumen colliserit, cum meo utrumque fiet periculo. Quare certum est a te separari.« Morale. Satius est vivere cum socio pari quam cum potentiori. A potentiori enim potest esse periculum tibi, non illi a te.

Stellenkommentar 1 weren] waren. 2 Ehren] ehern. 4 Erden] irdene. 6 zwar] wahrlich. 9 waltzten] trieben; vgl. DWb 27, Sp. 1411, mit Bezug auf diese Stelle. 11 hab acht vnd massen] gebe acht und hüte mich. Die Doppelformel ist nicht in FWB und in DWb nur mit dieser Stelle belegt; vgl. DWb 12, Sp. 1735. 16 fehrligkeyt] Gefahr. 18 Nicht bessers] gibt es kein besseres Mittel. 19 halt dich … gleichen] Sprichwörtlich; siehe zu I 5,40. 22 vn)berfallen] in Frieden. 24 on des armen fahr] ohne Gefahr für den Armen. 26 Gleich … gleichen sinn] Anklang an sprichwörtliche Wendungen, die allerdings wenig belegt sind: ›Gleichheit för-

114

Kommentar zu I 97

dert Einigkeit‹; vgl. TPMA gleich  213f. Während die Belege in der Mehrzahl vom Negativfall, also der Ungleichheit, ausgehen, erinnert die Waldis-Stelle vor allem an einen Satz bei Hans Sachs (1.6.1533): Gleich und gleich bleibt eins [einig], spricht Hans Sachs (Werke 5, S. 266, V. 10).

I 97 Vom Bawrn vnd dem gl(ck. Vorlage [Dorpius, Nr. 97, Bl. 26af.] De Rustico et Fortuna. Rusticus cum araret, offendebat in sulcis thesaurum. Gratias agit Telluri, quae hunc dedisset. Fortuna videns nihil honoris haberi sibi ita est secum locuta: »Thesauro reperto stolidus mihi non est gratus, at eo ipso thesauro postea amisso, me primam omnium votis et clamore sollicitabit.« Morale. Beneficio accepto grati simus bene de nobis merenti. Ingratitudo enim digna est etiam beneficio, quod iam acceperit, privari.

Stellenkommentar 1 ehrt] pflügt. 3 Wie on gefehr] als zufällig. 3 die forch vmbfellt] der Ackerboden gewendet wird. 7 das Gl)ck] Das Glück tritt hier als handelnde Figur auf, ähnlich wie im Lateinischen fortuna als Glücksgöttin personifiziert wird; vgl. auch III  56. 12 Denn soltstu … hofieren] dann wirst du mir sehr gerne schmeicheln. 15 entpfahen] empfangen. 17 dancknamig] dankbar. 18 thut sich … eigen] schickt sich für die Wohltat. 19 eigent der vndanckbarkeit] ist es der Undankbarkeit gegenüber angemessen.

I 98 Vom Ochssen/ vnnd dem Bocke.

DG 443

Vorlage [Dorpius, Nr. 98, Bl. 26b] De Tauro et Capro. Fugit leonem taurus, venit ad speluncam quaerens latibulum. Intranti occursat cornibus, qui intus erat, caper. Tum his verbis bos emugit: »Tu equidem cornibus tuis meam excipis fugam. Verum si abierit, quem fugio, quantum a viribus tauri distet caper, tum senties.« Morale. Qui nescit miseris esse succurrendum aut certe non nocendum? Quisquis enim a miserorum iniuria non temperaverit, si, ut est fortuna mutabilis, miseris redierit felicitas, nimirum nocuisse miseris, eum poenitebit.

Stellenkommentar Ü Ochssen … Bocke] Eine weitere Bearbeitung dieses Fabelstoffs in I 85. 1 f)r einem L wen floch] floh vor einem Löwen. 6 ein mut gewinnen] Mut fassen; vgl. DWb 12, Sp. 2794. 8 jm] sich. 9 Darab] darüber. 11 nimstu mich ent-

Kommentar zu I 99

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gegen] empfängst du mich. 15 vorhin … versucht] bisher nicht kennengelernt hast. Mitzudenken ist die sinnliche Komponente von ›versuchen‹ im Sinne von ›schmecken‹, ›probieren‹. 18 soll erbarmen] Vgl. Prov 14,31: Aber wer sich des Armen erbarmet/ der ehret Gott. 22 mißgeht/ vnd vngel)ckt] schlecht geht und ihm nichts glückt; vgl. DWb  24, Sp.  1010, auch mit Verweis auf diese Stelle. 23 wider kommen] vorkommen. 25 verdr)cket] unterdrückt.

I 99 Vom Pfawen/ vnd Kranchen.

DG 362

Vorlage [Dorpius, Nr. 100, Bl. 27a] De Pavone et Grue. Pavo et grus una cenant. Pavo se iactat, caudam ostentat, gruem contemnit. Grus fatetur pavonem formosis esse pennis, se tamen, dum vix tectis supervolat pavo, animoso volatu penetrare nubes. Morale. Nemo alterum contempserit. Sua cuique dos, sua cuique est virtus. Qui tua virtute caret, forsan habet, qua careas tu.

Stellenkommentar 3 begund] begann. 7 spiegeleten] Siehe zu I 66,6. 10f. Rock … eim Bawren gleich] Mit dem ›grauen Tuch‹ ist »ein besonders strapazierfähiger, aber einfacher Wollstoff« gemeint (FWB 7, Sp. 319). 31 Niemandt … soll verachten] Sprichwörtlich: ›Man verachte niemanden‹; vgl. TPMA verachten 3. (ohne deutsche Belege). 33f. Es hat … hab] Vgl. zu I 31,23. 40 must geben noch] nachstehen musst; vgl. DWb 13, Sp. 58.

I 100 Vonn der Eychen/ vnd dem Rhor.

DG 81

Vorlage [Dorpius, Nr. 101, Bl. 27a] De Quercu et Arundine. Validiore noto effracta quercus in flumen praecipitat. Dumque fluitat, haeret forte ramis suis in arundine. Miratur arundinem in tanto turbine stare incolumem. Haec respondet cedendo et declinando se esse tutam, inclinare ad notum, ad boream, ad omnem flatum. Nec mirum esse, quod quercus exciderit, quae non cedere, sed resistere concupivit. Morale. Potentiori ne resistas, sed hunc cedendo et ferendo vincas. Quod pulchre docet facundissimus poetarum Vergilius: Nate dea, quo fata trahunt retrahuntque, sequamur; quicquid erit, superanda omnis fortuna ferendo est [Vergil, Aeneis V 709f.].

Stellenkommentar Ü Rhor] Schilfrohr. Eine weitere Bearbeitung dieses Fabelstoffs in I  82. 2 webt] weht. 4 h rt was geschach] Vgl. zu I  9,3. 8 on als gefehr] zufällig. 12 an krefften bloß] kraftlos. 14 entsetzen wol] gut wehren. 19 in

116

Kommentar zu II 1

allem ort] in jede Richtung. 36 m chtest] könntest. 41f. zween harte … selten kleyn] Sprichwörtlich: ›Zwei gleich harte Steine mahlen nicht gut‹; vgl. TPMA Stein 203–213. 45–49 wenn vns … gedult] Vgl. Vergil, Aeneis V 709f. 47 d)ltig] geduldig. 49 Als … gedult] In vielen Varianten sprichwörtlich: ›Geduld ist siegreich und überwindet vieles‹; vgl. TPMA dulden 1.7., bes. 212–215; siehe auch zu I 6,49f.

II 1 Von den Ochssen/ Vnd dem Lwen.

DG 450

Vorlage [Dorpius, Nr. 103, Bl. 27b] De Tauris et Leone. Quatuor fuere tauri, quibus placuit communem ipsorum esse salutem et commune periculum. Videt leo simul pascentes, et si esurit, tamen coniunctos aggredi metuit. Primum dat operam verbis fallacibus segregare, tum segregatos laniat. Morale. Concordia nihil est firmius, discordia etiam fortes reddit imbecilles.

Stellenkommentar 20 zeitung] Nachricht. 21 Jupiter] Siehe zu I 17,26. 21 vnser gmeyner] unser aller. 25 ewiger fried] Einen angeblichen Frieden verkündet mit ähnlicher Absicht auch der Fuchs dem Hahn in IV 2. 27 Bann] Reichsacht; vgl. zu I 34,24. 29 guter massen] in guter Absicht. 37 seins schadens sich zur halen] seinen Mangel zu beheben; vgl. DWb 3, Sp. 854. 39–42 Kleine ding … auff gericht] Sallust, Iugurtha 10,6 (C. Sallustius Crispius: Bellum Iugurthinum, erläutert und mit einer Einleitung versehen von Erich Koestermann, Heidelberg 1971 [Wissenschaftliche Kommentare zu griechischen und lateinischen Schriftstellern], S. 56); vgl. Agricola, Sprichwörter I 314. Siehe zu I 51,25–28. 45–50 Ein dreydratiger Strick … findt] Vgl. Koh 4,12. Literatur Lieb, S. 99.

II 2 Vom Weydeman/ vnd dem Tyger.

DG 323

Vorlage [Dorpius, Nr. 102, Bl. 27af.] De Tigride et Vulpe. Venator iaculis agitabat feras. Tigris iubet omnes feras absistere, sese unam ait bellum confecturam. Pergit venator iaculari, tigris oppido sauciatur. Fugientem e proelio telumque extrahentem percunctatur vulpes, quisnam valentem beluam tam valde vulnerasset. Respondit se auctorem vulneris haud nosse, verum ex vulneris magnitudine capere se coniecturam aliquem fuisse virum. Morale. Fortes plerumque sunt temerarii, et ars vim, ingenium fortitudinem superat.

Kommentar zu II 3

117

Stellenkommentar 7 genißt] Gebüsch; vgl. DWb 5, Sp. 3472, mit Bezug auf diese Stelle. 10 gunden] begannen. 11 hagen] Gebüsch. 17 jr] ihrer. 27 erwegen] mutig; vgl. DWb 3, Sp. 1051. 31 erwegen] erwägen. 33 massen] mäßigen. 36 witz] Verstand. 39 geschicht] Im Sinne von historia verwendet (siehe zu I 14,54).

II 3 Von der Tannen vnnd dem Dornbusch.

DG 550

Vorlage [Dorpius, Nr. 104, Bl. 27bf.] De Abiete et Dumo. Fertur olim abies despicere dumos, iactitat se proceram esse, locari in aedibus, cum velo stare in navibus, dumos autem humiles, viles, nulli usui idoneos. Quorum quidem tale fuit responsum: »Tu sane, abies, tuis gloriare bonis, ut nostris insultes malis. Verum nec tua refers mala, et nostra praeteris bona. Cum tu sonanti detruncare securi, quam velles tum nobis, qui securi sumus, esse te similem.« Morale. Et summae fortunae sua insunt mala et humili fortunae sua bona. Ut nil aliud nunc dicam, haec secura est ac tuta, illa nec extra metum est nec caret periculo. Horatius canit in lyricis: Celsae graviore casu decidunt turres feriuntque summos fulgura montes [Horaz, Oden II 10,10–12].

Stellenkommentar Ü Tannen … Dornbusch] Eine weitere Bearbeitung dieses Fabelstoffs in II 43. 12 Banier] Banner. 21 butzest] preist durch rhetorischen Schmuck (›Putz‹); vgl. II 8,50. 23 fahrligkeyt] Gefahr. 29 zuhandt] sogleich. 30 bindtaxt] Stoß- und Schälaxt; ein Werkzeug des Zimmermanns. Vgl. IV 58,54. 49f. Wenig gericht … baß] Vgl. Horaz, Oden II 16,13f. 53–57 Horatius … Berg] Siehe zu I 36,45–49. Literatur Lieb, S. 87, 102f.

II 4 Von der Wachtel/ vnd jren Jungen.

DG 569

Vorlage [Dorpius, Nr. 106, Bl. 28af.] De Alite et Pullis eius. Ales positos in segete pullos monet, ut dum ipsa abest, diligenter attendant, si fiat sermo de occatione. Redeunti e pastu matri pulli anxii narrant dominum agri operam illam mandasse vicinis. Respondet nihil esse periculi. Item alio die trepidi aiunt rogatos ad metendum esse amicos. Iterum iubet illa, ut sint securi. Tertio ut audivit ipsum dominum cum filio statuisse postero mane cum falce messem intrare: »Iam«, inquit, »tempus est, ut fugiamus. Vicinos et amicos non timui, quia non venturos scivi. Timeo dominum, illi enim res est cordi.«

118

Kommentar zu II 5

Morale. Socordes alienis in rebus plerique sumus. Quod si quod recte curatum velis, alteri ne mandes, sed cures ipse.

Stellenkommentar 9 heimlich schm)cken] verstecken. 12 Ob] wenn. 41 mehr] Nachricht. 46 Freundtschafft] Verwandtschaft. 46 mich anmassen] in Anspruch nehmen. 54 m cht] mache. 58 wacker] wachsam. 71 vnderstahn] vornehmen. 82 nicht … geben] Redensartlich: ›keinen Heller geben‹; vgl. Röhrich, S.  696. Der Heller ist eine Scheidemünze im Wert eines halben Pfennigs und die erste Kupfermünze im deutschen Reichsgebiet. Der Name rührt von den ersten Prägungen in Schwäbisch Hall her; vgl. Schrötter, S. 259–261. Zum Heller als Inbegriff der kleinen und wertlosen Münze vgl. auch Röhrich, S.  696; TPMA Geld 557f., 563f. Siehe zu I 27,19. 83 leg] faul; vgl. FWB 9, Sp. 613, mit Bezug auf diese Stelle. 85 fronen] arbeiten (für andere). 88 wie der Hase steht] Wohl im Sinne von: stets zur Flucht bereit; vgl. TPMA Hase 43–49; Sandvoss, S. 51. Siehe auch zu IV 56,66. 90 abgeht … warmes Bech] Sandvoss, S. 1, vermutet eine sprichwörtliche Redensart; gemeint ist zähflüssiges Pech. 96 ist ein tandt] es geschieht nichts; vgl. FWB  5, Sp.  127f. 98 Des … Pferdt] Sprichwörtlich: ›Des Herren Auge füttert das Pferd‹; vgl. TPMA Herr 253–263. Siehe auch zu III 94,271–280. 99f. wer … bloß] Vgl. etwa TPMA Freund 58–60, 73; Agricola, Sprichwörter I  68. 104–106 frag … redt] Vgl. I  94. 107f. Wer … fellt] Sandvoss, S. 38f., verweist auf Jer 17,5.

II 5 Vom Geitzigen/ vnd Neidigen.

ATU 1331

Vorlage [Dorpius, Nr. 107, Bl. 28b] De Avaro et Invido. Duo homines orabant Iovem, cupidus et invidus. Mittitur a Iove Apollo, per hunc ut eorum votis satis fiat. Dat hic utrique optandi liberam facultatem hac conditione: ut quodcumque petisset alter, id ipsum alter acciperet duplicatum. Haeret diu cupidus, cum nihil putat fore satis. Petit tandem non pauca. Et duplum accipit socius. Porro invidus hoc petit, ut ipse uno privetur oculorum, laetus socium mulctandum esse utroque. Morale. Avaritiam quid possit satiare. Invidia vero dementius est nihil. Quae dummodo noceat alteri, sibimet imprecatur malum.

Stellenkommentar 2 Jupiter] Siehe zu I 17,26. 5 verleihen] gewähren. 7 Apollo] Gott der Weisheit und der Künste. Praesidet rebus gerendis, medicinae inuentor, Deus Poetarum, diuinationis, sapientiae, & cantus (Alberus, Dictionarium, Bl. yy  2a). Vgl. zu I 15,7. 8 bitter] Bittenden; vgl. aber FWB 4, Sp. 500, wo in Bezug auf die vorliegende Stelle nach Kurz die Bedeutung ›sehr‹ angegeben wird; dagegen schon Sandvoss, S.  123; Sanders, S.  192. 15 frommen] Nutzen. Zum Eigennutz siehe zu IV  100,95. 25–28 Vnd w)ntscht … blindt] Bei Hans Sachs

Kommentar zu II 6

119

heißt es: Wie das alt sprichwort sagen thet, Der neid gern nur ein aug het, Auff das sein nechster wer gar blind (zitiert nach TPMA Auge 445). 29 verschulden] vergelten. 39 gast] Feind; vgl. FWB 6, Sp. 148. 40 vergebens] grundlos; vgl. DWb  25, Sp.  390. 45 gmeynen leufft] der allgemeine Lauf des Lebens. 46 Trifft … Herrn] Sprichwörtlich; siehe zu I 35,45f. Literatur Flugblätter I 34, Kommentar.

II 6 Vom Lwen vnd der Geyß.

DG 386

Vorlage [Dorpius, Nr. 108, Bl. 28b] De Leone et Capella. Vidit leo pendere dumosa de rupe capellam. Suadet descendere, ut in campo thymum salicesque carpat. Recusat capella descendere, verba quidem eius haud sane mala, sed mentem esse plenam doli reclamans. Morale. Cogita, quis quod suadeat. Multi suadent utilia non tibi, sed sibi.

Stellenkommentar Ü Vom L wen … Geyß] Eine weitere Bearbeitung dieses Fabelstoffs in I  78. 5 Sommer leyden] sonnigen Bergwiese; vgl. DWb 16, Sp. 1542f. 7 doben] dort oben. 10 baß] besser. 12 meynung] Absicht. 13 frommen] Nutzen.

II 7 Von der Kr en.

DG 360

Vorlage [Dorpius, Nr. 109, Bl. 28bf.] De Cornice et Urna. Sitibunda cornix repperit urnam aquae. Sed erat urna profundior, quam ut posset a cornice aqua contingi. Conatur effundere urnam nec valet. Tum lectos ex harena scrupulos iniectat. Hoc modo aqua levatur, et cornix bibit. Morale. Interdum id, quod non potes efficere vi, efficies prudentia et consilio.

Stellenkommentar 2 jenem Sandt] Siehe zu I 11,5. 4 m chtest] könntest. 8 laß] sammelte. 15– 17 hat … Rath … hat] Dreireim; siehe zu I 10,19–21. In den Drucken BCEF fehlt Vers 17. 17 Fabel] Vgl. I 67.

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II 8 Vom J ger/ vnd Lwen.

Kommentar zu II 8 DG 390

Vorlage [Dorpius, Nr. 110, Bl. 29a] De Leone et Venatore. Litigat leo cum venatore, suam praefert fortitudinem hominis fortitudini. Post longa iurgia venator ducit leonem ad Mausoleum, in quo sculptus erat leo caput deponens in gremium viri. Negat fera id satis esse iudicii. Homines enim sculpere, quod vellent, ait, quod si et leones forent artifices, iam virum sculptum iri sub pedibus leonis. Morale. Quisque quoad potest et dicit et facit, quod suae parti et causae putet prodesse.

Stellenkommentar 1 ON gfehr] Zufällig. 4 Gundten] fingen an. 20 widerspiel] Gegenteil. 24– 27 Wie Samson … L wen gar] Vgl. Jdc  14,5f. 25 Tymnath] Die Lautung der Namensform entspricht in den Drucken EF der Luther-Übersetzung (Thimnath), während die Drucke ABC wohl fälschlich Tymnach haben. 29 magstu] kannst du. 34 Vnder dem menschen] dem Menschen unterlegen. 41 Grichtshendeln … gschicht] Gerichtsverhandlungen ist es üblich. 46 bey den Harn zuf)hren] Redensartlich; vgl. TPMA Haar 74–76; Röhrich, S. 605. 49 hoch auff mutzt] herausstreicht und lobt; vgl. FWB  2, Sp.  563f. 50 butzt] schmückt. 51 jr … thut] sich selbst am besten gefällt. 54 Vnzehlich … zal] Siehe zu IV 95,274f.

II 9 Vom Knaben/ vnnd dem Diebe.

ATU 1525J(2)

Vorlage [Dorpius, Nr. 111, Bl. 29af.] De Puero et Fure. Sedebat puer flens ad puteum. Fur rogat causam flendi. Puer dicit rupto fune incidisse in aquas urnam auri. Homo exuit se, insilit in puteum, quaerit. Vase non invento conscendit atque ibi nec puerum nec suam invenit tunicam. Puer quippe sublata tunica fugerat. Morale. Falluntur interdum, qui fallere solent.

Stellenkommentar 13 Hart f)r] kurz vor. 21 zuhandt] sogleich. 25 verholen] versteckt. 30 Mit … geschlagen] Redensartlich; siehe zu I 38,50. Vgl. auch III 22,18f. 31f. Ein strick … fellt] Sprichwörtlich; siehe zu I 54,17f. 33f. Die grub … selber haben] Sprichwörtlich; siehe zu I 35,41–44. 35 schleht vntrew … Herrn] Sprichwörtlich; siehe zu I 35,45f.

Kommentar zu II 10

II 10 Vom Bawrn vnd dem Stier.

121 DG 51

Vorlage [Dorpius, Nr. 112, Bl. 29b] De Rustico et Iuvenco. Erat rustico iuvencus vinculi omnis iugique impatiens. Homo astutulus bestiae resecat cornua, cornibus enim petebat. Tum iungit non currui, sed aratro, ne, ut solet, herum pulsaret calcibus. Stivam ipse tenet gaudens industria effecisse, ut iam foret tutus et a cornibus et ab ungulis. Sed quid evenit? Taurus subinde resistens spargendo pedibus os caputque rustici opplet harenam. Morale. Sunt nonnulli sic intractabiles, ut nulla queant arte, nullo consilio tractari.

Stellenkommentar 2 vnbendig] wildes. 9 eren] pflügen; vgl. FWB  2, Sp.  66. 10 er jm … kutzel weren] er (der Stier) sich den Übermut hemmen ließ. 14 m)tlin b)ssen] Übermut auslassen. 20 fatzt] ärgert. 23 vnendig] nichtswürdig; vgl. DWb 24, Sp. 465, mit Bezug auf diese Stelle. 24 vnbendig] nicht zu erziehen. 31f. Ein torecht Hundt … Jar] Sprichwörtlich: ›Ein tollwütiger Hund wird nicht alt‹; vgl. TPMA Hund  283–285 (ohne deutsche Belege). 33f. Der Krug … zerbricht] Sprichwörtlich: ›Der Krug geht so lange zum Wasser, bis er zerbricht‹; vgl. TPMA Gefäß 338–348.

II 11 Vom Waldtgott vnd dem Menschen.

ATU 1342

Vorlage [Dorpius, Nr. 113, Bl. 29b] De Satyro et Viatore. Satyrus, qui deus nemorum olim est habitus, viatorem nive obrutum atque algore enectum miseratus ducit in antrum suum, fovet igni. Spirantem autem in manus percunctatur causam. Qui respondens: »Ut calefiant«, inquit. Postea cum accumberent, sufflat viator in polenta. Quod cur faceret interrogatus: »Ut frigescat«, inquit. Tum continuo satyrus viatorem eiciens: »Nolo«, inquit, »in meo sit antro, cui tam diversum est os.« Morale. Cave sit in tuo convictu homo duplici ore, quique in sermone est Proteus.

Stellenkommentar 3 Sarmatia] Sarmatien war der Name für alle Länder östlich der Weichsel. Das europäische Sarmatien reichte bis zum Don und begreiff in jm die Reüssen/ Lithawer/ Moschowyter/ Polender/ vnd Vngeren (Münster, Cosmographei, S. 991). 6 gar selten] nie. 9 Rauh] pelzig. 10 Wie … weyß] Vgl. Is 13,21 (Vulgata): et pilosi saltabunt ibi, in Luthers Übersetzung: vnd Feld geister werden da h)pffen. Konrad von Megenberg erwähnt im Artikel über das Tier Pilos, daz man ez ze latein haiz incubum oder satirum oder faunum (BDN, S. 157, Z. 24f.). 16 Hinde] Hirschkuh. 17 holen Bergen] Berghöhlen. 21f. Satyros … bekennen] Vgl. Alberus, Dictionarium, Bl. zz1b: Satyri, Fauni, Fatui, Panisci, Syluani, Aegipanes, Dij rustici, Semidei, agrestes Dij e terra geniti, monstrosa animalia in Aegypto

122

Kommentar zu II 12

humana specie, sed cornuta, et caprinis pedibus, feldgeyster/ feldteuffel vnnd Cobolden. 22 bekennen] verehren; vgl. FWB 3, Sp. 1084f. 36 m cht] könnte. 50 sich … ergetzen] den Hunger stillen. 62 Kalt … mundt] Redensartlich: ›Kalt und warm aus einem Mund blasen‹, im Sinne von: ›bald so, bald so reden‹; vgl. TPMA kalt  18–35; Röhrich, S.  204. Vgl. Brant, Narrenschiff  18,17f.: Wer t*n will das eym yeden gfalt | Der m*sz han ottem warm vnd kalt. 69–71 Denn … bericht] Vgl. Prov 18,21. 73–76 Wer … beschwert] Prv 13,3 (Vulgata): qui custodit os suum custodit animam suam qui autem inconsideratus est ad loquendum sentiet mala. Vgl. Lutherbibel Prov 13,3, und 21,23; sprichwörtlich: ›Wer seinen Mund hütet, hütet seine Seele (und bewahrt sie vor Angst)‹; vgl. TPMA Mund  48–51. 77 Freydanck] Mittelalterlicher Spruchdichter (um  1220/1230), dessen Werk bis in die frühe Neuzeit gewirkt hat.  1508 erschien in Straßburg unter dem Titel Der Freydanck eine von Sebastian Brant eingerichtete Druckausgabe; eine protestantisch ausgerichtete Umarbeitung erschien zuerst 1538 in Worms. 79–106 Das beste Glied … Schrifft] Mit geringen Abweichungen zitiert nach Agricola, Sprichwörter I 156 (S. 110, Z. 33–111, Z. 26), wo auch der Inhalt der Fabel mitgeteilt wird (S.  112). Vgl. Ralf Georg Bogner, Die Bezähmung der Zunge. Literatur und Disziplinierung der Alltagskommunikation in der frühen Neuzeit, Tübingen 1997 (Frühe Neuzeit 31), bes. S. 33–36. 110 ja … nein] Vgl. Mt 5,37. 111 Schlecht/ vnd einfeltig] aufrichtig und arglos. 112– 114 was wir w llen … preisen] Vgl. Mt 7,12; siehe zu I 7,52f. 114 preisen] halten; vgl. FWB 4, Sp. 1058; DWb 13, Sp. 2095f.; preisen nur bei Waldis in dieser Bedeutung belegt: II  14,20; II  34,19; IV  4,121; IV  19,116; IV  64,47; IV  85,47. 115–118 Auff das … brauch vnd endt] Vgl. Röm 13,8. 116 jeb] übe. Literatur Lieb, S. 114.

II 12 Vom Bawrn/ vnd wilden Schweine.

Tubach 717

Vorlage [Dorpius, Nr. 114, Bl. 30a] De Apro et Rustico. Apro vastanti segetes rusticus praecidit auriculam. Iterum deprehenso praecidit alteram. Et tunc quoque redeuntem capit, captum portat in urbem destinatum lautitiae sui patroni. Secta iam in convivio belua nusquam apparet cor. Excandescente hero et flagitante cocos villicus respondet: »Patrone«, inquit, »non est mirum non apparere cor, nam credo stultum aprum numquam cor habuisse. Nam si cor habuisset, numquam in poenam suam ad meas segetes toties redisset«, sic rusticus. At omnes convivae emori risu cachinnari de stultitia rustici. Morale. Multorum hominum tam est excors vita, ut an cor habeant possis ambigere.

Stellenkommentar 4 abwuscht] abschnitt; vgl. FWB  1, Sp.  503f. 23 hertz] ›Herz‹ schließt hier noch ›Sinn‹ oder ›Verstand‹ mit ein; vgl. auch IV 80,105; zur mittelalterlichen

Kommentar zu II 13

123

Bedeutung siehe Otfrid Ehrismann, Ehre und Mut, Âventiure und Minne. Höfische Wortgeschichten aus dem Mittelalter, München 1995, S. 86–91; vgl. auch DWb 10, Sp. 1219 (mit Bezug auf die Stelle), sowie DWb 4, Sp. 1945f. Das lateinische Wortspiel cor (›Herz‹) / excors (›einfältig‹) bei Dorpius geht im Deutschen verloren. 24 nemen ab] ersehen. 26 wacker] wachsam. 29 massen] mäßigen. 55 Radtßall] Rätsel. Vgl. zu III 92,63. 55–84 Eins mals … Affen] Im Straßburger Rätselbuch behauptet ein Bauer, sein Pferd sei klüger als der Dorfpfarrer, und erklärt: das was gewend in die drenck zu lauffen, vnd so es gesetigt ward ging es allein vngefüert heim, das was dem pfarrer offt vnmüglich, so er sich in des wirtes hauss den wein vberwinden liess musst man in heim füeren (Straßburger Räthselbuch. Die erste zu Straßburg ums Jahr 1505 gedruckte deutsche Räthselsammlung neu hg. von A. F. Butsch, Straßburg 1876, Nr. 297, S. 26f.). Waldis scheint einer Variante des ›Rätsels‹ zu folgen, wie sie ähnlich in Kaufringers Der verklagte Bauer bezeugt ist (Heinrich Kaufringer, Werke, hg. von Paul Sappler, 2 Bde., Tübingen 1972–1974, Bd. 1: Text, S. 22–40, bes. V. 572–652). Waldis’ Vorlage ist nicht auszumachen; vgl. Stiefel, Esopus, S. 493f.; ATU 1621*. 58 baß] besser. 63 Mit vielen vmbstenden] ausführlich. 68 betroffen] ertappt habe; vgl. FWB  3, Sp.  2106, mit späteren Belegen. 76 Kath] Dreck. 78– 82 Zum Esel … wagen] Sprichwörtlich: ›Wo der Esel einmal gefallen ist, da geht er nicht mehr hin‹; vgl. TPMA Esel 247–250. Vgl. III 57,23f. 78 dler] die Lehre. 85–102 Ouidius … fehrligkeit] Vgl. Ovid, Epistulae II 7,9–22. 87 einst … gletzt] einmal vom Haken verletzt. 88 jm stets f)rsetzt] stellt er sich dies immer wieder vor. 102 k)nfftig fehrligkeit] künftige Gefahr. Literatur Lieb, S. 65–68; vgl. DG 281; ATU 52.

II 13 Von der Mauß vnd dem Ochssen.

DG 445

Vorlage [Dorpius, Nr. 115, Bl. 30a] De Tauro et Mure. Mus tauri pedem momorderat fugiens in antrum suum. Taurus vibrat cornua, quaerit hostem, nusquam videt, irridet eum mus: »Quia«, inquit, »robustus es ac vastus, non idcirco quemvis contempseris. Nunc te (et quidem gratis) laesit exiguus mus.« Morale. Tritum est illud verbum, quod significantius nostra te lingua dixerim: Nyeman soll verachten seinen feindt. Latine sic: Nemo suum hostem flocci pendat.

Stellenkommentar 10 mocht] konnte. 11 Des] darüber. 18 letzen] schädigen. 20 trotz das] obwohl; vgl. DWb 22, Sp. 1115. 25f. Ein … tragen] Sprichwörtlich: ›Ein großer Wagen kann von einem kleinen Hindernis (Stein) umgeworfen werden‹; vgl. TPMA Wagen  3–9 (ohne deutsche Belege). Vgl. III  7,37f. 27f. Darumb … scheint] Sprichwörtlich; vgl. TPMA Feind 136f.

124

II 14 Vom Bawrn vnd dem Gott Hercule.

Kommentar zu II 14 Tubach 3646

Vorlage [Dorpius, Nr. 116, Bl. 30b] De Rustico et Hercule. Rustici currus haeret in profundo luto. Non supinus deum Herculem implorat. Intonat vox e coelo: »Inepte«, inquit, »flagella equos et ipse annitere rotis atque tum Herculem vocato, tum enim aderit Hercules vocatus.« Morale. Nil prosunt otiosa vota, quae sane deus non audit. Iuva temet (inquiunt) ipse, tum iuvabit te deus.

Stellenkommentar Ü Gott Hercule] Auch Alberus, Dictionarium, Bl. yy3b, rechnet den antiken Heros Herkules zu den Göttern: monstrorum domitor, Iouis & Alcmenae filius, clauiger Keulenträger dicitur. Vgl. zu I 15,7. 4 kath] Dreck. 17–19 vnderhalt … thut weisen] Vgl. etwa Gen 1,29f.; Gen 9,3; Ps 136,25; Mt 6,26. 20 stetes preisen] stets halten (siehe zu II 11,114). 22 Jm schweyß … geniessen] Vgl. Gen 3,19; IV 55,58. 24 gbraten Tauben … fliehen] Sprichwörtlich: ›Ein gebratenes Huhn fliegt dir (nicht) in den Mund‹; vgl. TPMA fliegen  75,  77–86; vgl. TPMA backen 5, 9–11. Im sprichwörtlichen Gebrauch, etwa bei Luther, wird meist betont, dass nur die eigene Arbeit ernähre. Vgl. auch Röhrich, S. 1602f., Brant, Narrenschiff 57,15–18, und zum Motiv vom Schlaraffenland Flugblätter I 70, 75; II 35; IV 41. 25 Gott gibt … die Khu] Waldis verkehrt hier das Sprichwort ›Gott gibt das Rind, aber nicht an den Hörnern‹ (vgl. TPMA Rind 81–83, 88–96), ohne den Sinn (›Gottes Gaben erfordern eigenes Zutun‹) zu verändern. 30 Weil] solange. 35 zimlich mittel feilen] angemessene Mittel fehlen. 36 vbereilen] überfallen. 39 vertretten] beschützen; vgl. DWb 25, Sp. 1987, auch mit Bezug auf diese Stelle. 43 G ttlichen zusag] Vgl. etwa Joh 16,23. 44 darff] bedarf.

II 15 Vom Antuogel.

DG 229

Vorlage [Dorpius, Nr. 117, Bl. 30b] De Ansere. Fuit anser, qui ponebat ova aurea singulis diebus singula. Dominus, ut subito fiat dives, anserem iugulat sperans intus latere gazam. Sed ansere invento vacuo stupet miser anxieque dehinc suspirat ac plangit et rem et spem perisse. Morale. Moderanda sunt vota. Curandum est, ne vel praeproperi simus vel nimii. Nam et festinantia nocet, et qui plura quam decet quaerit, interdum acquirit nihil.

Stellenkommentar 5 mag] kann. 20 leren] lernen. 21 Apffelbaum … Hundt] Vgl. I 68 (Vom alten Apffelbaum), wo bereits auf I 4 (Vom Hundt vnd st)ck Fleisch) verwiesen wird. 24 den Geitz nicht effen] vom Geiz nicht zum Narren machen. 26 Maß … gut] Sprichwörtlich: ›Maß ist bei allen Dingen gut‹; vgl. TPMA Maß 86–111.

Kommentar zu II 16

II 16 Von der Affen vnd jren Kinden.

125 DG 13

Vorlage [Dorpius, Nr. 119, Bl. 31a] De Simia et duobus eius natis. Simia (ut ferunt) cum peperit gemellos, alterum diligit, alterum negligit. Erat puerpera cum gemellis. Atque cum incidisset terror, vitatura periculum dilectum prehendit ulnis, quem, dum praeceps fugitat, collidit petrae atque enecat, neclectus autem, qui in hirsuto haeserat tergo fugientis, mansit incolumis. Morale. Solet evenire, ut ipsi parentes filio, quem tenere amant, prae nimia indulgentia sint mali occasio et periculi eo, quem minus amarunt, praestante se strenuum ac probum.

Stellenkommentar Ü Affen] Äffin. 2 Bey paren] paarweise. 3 Der] von denen. 4 jeben] erweisen. 7 das] dass sie. 9 f)r sich schm)cken] vorne an sich drücken. 12 vberzwerg] quer. 13 On gfehr] zufällig. 15 vnbeleydigt] unverletzt. 34 gmeynlich] allgemein. 38 Den Jacob … prob] Jakob ist uns hierfür ein Beispiel. Vgl. Gen 25,19ff.

II 17 Vom Ochssen/ vnd dem Kalb.

DG 328

Vorlage [Dorpius, Nr. 120, Bl. 31af.] De Bove et Iuvenco. Bos iam grandis aevo cotidie trahebat aratrum. Iuvencus laboris expers vicinis exultat in pascuis ac tandem insultat fortunae senioris. Iactat se iugi ac vinculi inscium, se liberum, se otiosum, illi attritum esse labore collum. Denique se glabrum ac nitidum, illum esse hirtum ac squalidum. Senior tum quidem nihil contra. Sed brevi post tempore videt hunc insultorem duci ad aras, ac tum hisce verbis affatur: »Quo tua mollis vita pervenit? Securum istud otium rediit ad securim. Iam saltem (ut opinor) potius suades mihi laborem, qui me tuetur, quam otium, quod nunc te traxit ad necem.« Morale. Ad vitam recte gerendam opus est labore et vigilantia. Socors autem et voluptati deditus suarum rerum, quem nolet, sortietur exitum.

Stellenkommentar 5 vngelachssen] ungestüm. 17 an jener Heyd] Siehe zu I 11,5. 19 rauch] struppig, im Gegensatz zu glat (V. 21). 34 verbl)men] Siehe zu III 29,7. 38 zu der arbeit kiesen] die Arbeit wählen. 41–45 Zur arbeit … auffgelegt] Vgl. Gen 3,16–19; dazu Luthers Marginalie: Straffe vnd Creutz vber Heua vnd Adam. 42 zun straffen] zur Strafe. 49 anmassen] annehmen; vgl. FWB  1, Sp.  1328. 53–59 Der Prophet … Herrn] Vgl. Thr 3,27, sowie III 95,53–56. 56 witz] Verstand. 63–66 Virgilius … bey allen] Leitzmann, S.  304, verweist auf Vergil, Georgica 1,145f., das aber »paraphrasiert und verwässert« sei: labor omnia vicit | improbus et duris urgens in rebus egestas (Vergil, Landleben. Catalepton, Bucolica, Georgica, hg. von Johannes und Maria Götte. Vergil-Viten, hg. von Karl Bayer. Lateinisch und deutsch, Zürich 1995, S. 92). 68 wandern … brey-

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Kommentar zu II 18

ten weg] Vgl. Mt 7,13; weit verbreitete Bildlichkeit der zwei Wege, von denen der breite ins Verderben führt (siehe etwa Flugblätter III 97, mit Literatur). Vgl. zu IV 64, 15–24.

II 18 Vom Hundt vnd Lwen.

DG 625

Vorlage [Dorpius, Nr. 121, Bl. 31b] De Cane et Leone. Occurrit canis leoni, iocatur: »Quid tu, miser, exhaustus inedia percurris silvas et devia? Me specta pinguem ac nitidum! Atque haec non labore consequor, sed otio.« Tum leo: »Habes tu quidem tuas epulas, sed habes, stolide, etiam vincula. Tu servus esto, qui servire potes. Equidem sum liber nec servire volo.« Morale. Pulchre respondit leo. Quibuslibet enim rebus potior est libertas.

Stellenkommentar Ü Vom Hundt vnd L wen] Eine weitere Bearbeitung dieses Fabelstoffs in I 56. 7 zerhudelt] zerzaust. 8 kath] Dreck. 11 glat vnd schon] gepflegt und schön; vgl. zu I 56,7. 21 Fuchßschwentzen] Siehe zu I 11,7. 21 augendienst] Im Sinne von: ›handeln, um gesehen zu werden‹; vgl. Agricola, Sprichwörter II  79, sowie Kol 3,22. 24 eigen] leibeigen. 24 eigen … Lifflendich Bawr] Mackensens Diktum, es handle sich hier um den ältesten Beleg »für jenen später so oft zitierten Vers«, lässt sich nicht verifizieren (Lutz Mackensen, Zur deutschen Literatur Altlivlands, Würzburg  1961 [Ostdeutsche Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis 18], S. 82). Vgl. zu Vers 51–54. 26 on gefehr] wie es kommt. 29 die Meuler schmieren] Redensartlich im Sinne von: ›schmeicheln‹; vgl. Röhrich, S. 1010; TPMA Mund 269–291 (›Das Maul schmieren‹). 30 Dasselb … jrren] davon lasse ich mich überhaupt nicht verunsichern; vgl. FWB 8, Sp. 215. 31 iß … Gott gibt] Vgl. Ps 136,25, sowie zu II 14,17–19. 33f. Mein freiheit … leben] Vgl. I 56,66. 35–37 Man lißt … gut] Vgl. Franck, Chronica, Bl. cclxxvjb [erste Zählung]: Von der knechtschafft vnd leibeygenschafft/ waher sy fliesse, wo antike und alttestamentliche Beispiele aufgeführt sind. Vgl. auch Das Leben Esopi 23. 45 Samigeten] Samogitien, Landschaft im Westen des heutigen Litauens, zwischen den preußischen und livländischen Besitzungen des Deutschen Ordens gelegen (vgl. Münster, Cosmographei, S. 1026: Samogetia […] stoßt an Littaw/ Preüssen vnd Lyffland). 45 Reussen] Gemeint ist wohl das Gebiet der heutigen Westukraine (›Rotreußen‹; vgl. Münster, Cosmographei, S.  1028: Es ligt hinder Poland/ vnnd stoßt gegen mittag an die Moldaw vnd Walachey). 48–50 Jn Schweden … hauffen] Finnland stand vom 13. bis 19. Jh. unter schwedischer Herrschaft; vgl. Münster, Cosmographei, S.  985: Weiter solt du mercken das der künig von Schweden/ nach dem er diß land [Finnland] vnder sein kron gebracht/ vil Landu gt in das land gesetzt hat. 50 Rige] Riga; siehe zu Vorrede, Z. 1f. 50 Reuel] Reval (estnisch Tallinn), im 16. Jh. zu Livland gehörig, heute Hauptstadt Estlands. 51–54 Jn Lieflandt … abhewt] Vgl. Münster,

Kommentar zu II 18

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Cosmographei, S.  929: Es ist das gemein ba*werß volck in dissem land fast ein leib eigen volck/ vnnd wirt gar ra*ch vnnd hert gehalten von jren oberherren/ sonderlich von ettlichen Edelleüten vnnd der ordenßherren amptleütenn oder lantknechten. […] Entlaufft inen ein bawr/ wie sie offt hungers/ marter vnnd ellends halbenn th*n m)ssen/ vnnd jn darnach wider überkommen/ ha*wen sie im ein bein ab/ do mitt er inen nit mehre entla*fft. Vgl. zu Vorrede, Z. 1f. Wahrscheinlich wurde hier die Bezeichnung ›Einfuß-Bauern‹ missverstanden, deren Status nicht völlig geklärt ist (womöglich hießen sie so, weil sie nur ›mit einem Fuß‹ Bauern waren und ›mit dem anderen Fuß‹ einem anderen Beruf nachgingen); vgl. Heinrich Bosse, Der livländische Bauer am Ausgang der Ordenszeit (bis  1561), Riga  1933 (Mitteilungen aus der livländischen Geschichte  24, Heft  4), S.  339–350. Auf archivalische Quellen gestützt berichtet Bosse (S. 381–383) von sklavenähnlicher Leibeigenschaft der Drellbauern (bis um die Mitte des  15. Jhs.), die allerdings von den späteren Hörigen zu unterscheiden sind. Das Aufkommen der Einfüßlinge scheint mit der Auflösung der Drellschaft zusammenzuhängen. 53 mit lauffen drewt] Den Leibeigenen war Freizügigkeit untersagt; vgl. Franck, Chronica, Bl. cclxxvjb. [erste Zählung]: leibeygen sein […] heißt gleich wol eygen g)tter haben/ aber seinen leib nitt d rffen verrucken vnder eyn andere herrschaft [vgl. V. 84]/ on seins herren vergunst/ wissen vnd willen. 57 Sarmatiam] Siehe zu II 11,3. Die Drucke EF haben Samariam. 58 Phrygiam] Landschaft in der heutigen Türkei. 59f. Getz … Scythe] Aufzählung von großenteils sagenumwobenen Völkern, welche im Gebiet zwischen dem Baltikum und Kleinasien (vgl. V. 57f.) vermutet wurden. Vers  65 bezieht sich auf diese Völker. 59 Getz] Wohl das Volk der ›Geten‹, das Münster, Cosmographei, S. 1036, mit den Transsylvaniern (Name der Bewohner Siebenbürgens) gleichsetzt (Es haben vor zyten auch die Transsyluanier Geten geheissen) und das an der Nordwestküste des Schwarzen Meeres (im Gebiet des Donaudeltas) angesiedelt sein soll (dazu die Karte, ebd. S.  1038). Die Drucke BCEF haben Gest. 59 Muscabite] Moskowiter. 61f. Hyperborim … Thanaim] Zu den hyperboreeischen Bergen (vgl. Claudius Ptolemäus, Cosmographia, Ulm 1482, Nachdruck mit einer Einführung von R. A. Skelton, Amsterdam 1963, Karte 1) und den Rhipaei Montes schreibt Münster, Cosmographei, S. 1034: Hie ist auch z*mercken das die alten Cosmographen setzen grosse berg gegenn mitnacht [Norden]/ die sie Ripheos vnd Hyperboreos nennen/ die doch vff ertrich nit erfunden [gefunden] werden. Tanais ist der Fluss Don, der aus dem Norden kommend ins Schwarze Meer fließt und die östliche Grenze Europas bildete (vgl. Münster, Cosmographei, S. 49f.). Vgl. ferner die Ausführungen bei Claude Lecouteux, Kleine Beiträge zum ›Herzog Ernst‹, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur  110 (1981), S.  210– 221, hier S.  218–220. 64 An Pontum] bis ans Schwarze Meer. 64 Caspier Meer] Kaspische Meer. 67 zymen] bändigen. 71 Denn] außer. 76 Hystorien] Siehe zu I 14,54. 79f. sie … walten] dass sie niedergehalten würden und sich von ihr beherrschen ließen. 82 on sein danck] unfreiwillig. 84 mag] kann. 85 gburt einerley leut] in der Geburt alle gleich sind. Zum Hintergrund vgl. Bernhard Töpfer, Urzustand und Sündenfall in der mittelalterlichen Ge-

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Kommentar zu II 19

sellschafts- und Staatstheorie, Stuttgart  1999 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 45), bes. Kap. VII »Die Idee der naturrechtlichen Freiheit und die Verwerfung der Leibeigenschaft (11.–14. Jahrhundert)« (S.  261–289); vgl. auch TPMA frei 1–3. 86–90 Jm Gsetz … jre strassen] Lev 25,10: Vnd jr solt das Funffzigst jar heiligen/ vnd solts ein Erlasiar heissen im Lande/ allen die drinnen wonen/ denn es ist ewr Halliar [Jubeljahr]/ Da sol ein jglicher bey euch wider zu seiner Habe/ vnd zu seinem Geschlecht komen; vgl. Arndt Meinhold/ Heribert Smolinsky, Jubeljahr, in: TRE 17, S. 280–285. Auch Franck, Chronica, Bl. cclxxvjb [erste Zählung], bringt im Anschluss an seine Ausführungen über die Herkunft und den Begriff der Leibeigenschaft den Verweis auf diese (hier siebenjährige) jüdische Einrichtung: Ob nun eyn Christ ewig eygen leüt m g haben/ zweifeln vil/ ich laß es andere vrteilen/ vnd gibs jn z*treffen. Es war je den Juden nit z*geben [erlaubt]/ vil weniger vns/ im sibenden jar/ ward ihr ledig jar. Zu den Argumenten gegen die Leibeigenschaft gehört traditionell der Hinweis auf den Brauch des Sabbatjahres (vgl. Töpfer [wie zu V. 85], S. 265). Waldis legitimiert einerseits die Leibeigenschaft als rechtliches Instrument der Sicherung von Herrschaft über vnbendig Leut (V. 65), thematisiert aber auch das göttliche Recht der Freiheit mit Bezug auf das Alte Testament. Dagegen Luther: Auff den dritten Artickel. Es soll keyn leybeygener seyn, weyl uns Christus hat alle befreyet. Was ist das? das heysst Christliche freyheyt gantz fleyschlich machen. Hat nicht Abraham und ander Patriarchen und Propheten auch leybeygen gehabt? […] Drumb ist dieser artickel stracks widder das Euangelion (Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauerschaft in Schwaben [WA 18, S.  326, Z.  31–36]). 86 gebeut] gebietet. 91 Freiheit … kleinot] Sprichwörtlich: ›Freiheit ist von unvergleichlichem und unüberbietbarem Wert‹; vgl. TPMA frei 22–25; vgl. II 72,13. 100 Freiheit … zeitlich gut] Vgl. zu Vers 91. Literatur Elschenbroich, Bd. 2, S. 86f., 205f.

II 19 Von der Schleien/ vnd dem Mrkalb.

DG 159

Vorlage [Dorpius, Nr. 122, Bl. 31b] De Piscibus. Piscis fluvialis vi fluminis correptus est in mare, ubi suam efferens nobilitatem omne marinum genus vilipendebat. Non tulit hoc phoca, sed ait tunc fore iudicium nobilitatis, si cum phoca captus portetur ad forum, se emptum iri a nobilibus, illum autem a plebe. Morale. Multi sic capti sunt libidine gloriae, ut sese ipsi praedicent et iactent, sed laus sui oris non datur homini laudi, at excipitur cum auditorum risu.

Stellenkommentar Ü M rkalb] vitulus marinus; Konrad von Megenberg übersetzt phoca (›Mönchsrobbe‹; vgl. Dorpius) mit merrint (›Seekuh‹; BDN, S. 237, Z. 8). Sanders, S. 192,

Kommentar zu II 20

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erwägt, ob hier ein Thunfisch gemeint sein könnte. 4 Schuhmacher] Wie ›Schuster‹ (V. 10 und 31) verächtlich (Röhrich, S. 1421, mit dieser Fabel als Beleg); in ständischer Perspektive (vgl. V. 11) schon bei Berthold von Regensburg: […] ez wolte etelîcher gerne ein grâve sîn, sô muoz er ein schuohsuter sîn (Vollständige Ausgabe seiner Predigten mit Anmerkungen und Wörterbuch von Franz Pfeiffer, Wien 1862 [Neudruck, mit einem Vorwort von Kurt Ruh, Berlin 1965], Predigt II, hier S. 14, Z. 4f.). Die Schleie wurde in Livland auch »Schusterfisch« genannt; vgl. Versuch einer Naturgeschichte von Livland, entworfen von J. B. Fischer, Leipzig 1778, S. 124. 6 m cht] könnte. 13 haldt] weiter; vgl. DWb 10, Sp. 272. Die Drucke BCEF haben ›bald‹. 20 bekennen f)r] anerkennen als; vgl. FWB 3, Sp. 1084f. 22 was zeihstu dich] was bildest du dir ein; vgl. DWb 31, Sp. 512, auch mit Bezug auf diese Stelle. 25 Boch] rühme dich. 29 Rosen Nobel]  1465 in der Nachfolge des englischen ›Schiffsnobel‹ (Noble) eingeführte Goldmünze im Wert von zehn Schillingen mit einer Rose auf der Schiffswand der Vorderseite und einer von Löwen umgebenen und mit einer Rose belegten Sonne auf der Rückseite, die bis zum 16. Jh. in den Niederlanden nachgeprägt wurde; vgl. Schrötter, S. 573f. Siehe zu I 27,19. 30 Pobel] Pöbel. Vgl. Gesner, Fischbuch, S.  170: Das Fleisch der Schleyen ist sehr schlecht/ ungesund und eines unlieblichen Geschmacks […]. Ist ein Speiß des gemeinen Pöfels/ wiewol etliche M uler solche sehr lieben. Am besten sind sie/ wann sie wol mit Gew)rtz zubereitet werden; Gesner, Historia animalium IV, S. 1181f. 32 Forn] Forellen. 38 Dem … peren] dessen Anspruch sie nicht erfüllen können; vgl. FWB  2, Sp.  2002, auch mit Bezug auf die Stelle. 42 Eygenlobs … stanck] Sprichwörtlich: ›Eigenlob stinkt‹; vgl. TPMA Lob 92–109. 43f. der … haben] Sprichwörtlich: ›Wer einen bösen Nachbarn hat, der lobt sich selbst‹; vgl. TPMA Nachbar 81–83.

II 20 Vom Luchs vnd dem Fuchß.

DG 373

Vorlage Der Aesopus Dorpii versammelt mehrere Fabelstoffe in zweifacher Bearbeitung. Da Waldis die Reihenfolge der Dorpius-Fabeln weitestgehend beibehält und nur selten innerhalb kleiner Bereiche Umstellungen vornimmt (siehe Register Nr. 10), kann in aller Regel seine konkrete lateinische Vorlage eindeutig bestimmt werden. Nur im Falle von II 20 folgen im Aesopus Dorpii zwei mögliche Vorlagen unmittelbar aufeinander; sie werden hier beide wiedergegeben. [Dorpius, Nr. 123, Bl. 32a] De Pardo et Vulpecula. Pardus, cui pictum est etiam tergum, ceteris feris etiam leonibus despectis intumescebat. Accedit ad hunc vulpecula, suadet non superbire dicens illi quidem speciosam esse pellem, sibi vero speciosam esse mentem. Morale. Discrimen est bonorum et ordo. Bona corporis praestant bonis fortunae. Utrisque illis animi bona praeferantur oportet.

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Kommentar zu II 21

[Erasmus, Adagia 481 = Dorpius, Nr. 124, Bl. 32a] De Vulpecula et Pardale. Cum aliquando pardalis vulpem prae se contemneret, quod ipsa pellem haberet omnigenis colorum maculis variegatam, respondit vulpes sibi id decoris in animo esse, quod illi esset in cute. Morale. Neque vero paulo satius est ingenio praeditum esse vafro quam cute versicolore.

Stellenkommentar Ü Luchs] pardus und lynx (Luchs) werden in der naturkundlichen Literatur der Zeit nicht streng auseinandergehalten. Vgl. Gesner, Historia animalium I, S.  770, Z.  51–S.  771, Z.  3; S.  935, Z.  59–63. 1–3 sch ne … gemalt] In der naturkundlichen Literatur wird dies vom pardus gesagt; vgl. II 25,1f. 7 brechtig] hochmütig. 9 erhehen] erhöhen. 21 begifft] begabt; vgl. FWB 3, Sp. 613. 26 verstendig … Leibe] Übersetzung des lat. Sprichworts: Mens sana in corpore sano (Juvenal, Satiren 10,356; Walther, Nr. 14715).

II 21 Vom Fuchß/ vnd der Katzen.

DG 196

Vorlage [Erasmus, Adagia 418 = Dorpius, Nr. 125, Bl. 32af.] De Vulpe et Fele. Cum aliquando vulpes in colloquio, quod illi erat cum fele, iactaret sibi varias esse technas, adeo ut vel peram haberet dolis refertam, feles autem responderet sibi unicam dumtaxat artem esse, cui fideret, si quid esset discriminis. Inter confabulandum repente canum accurrentium tumultus auditur. Ibi feles in arborem altissimam subsiliit, cum vulpes inter im a canum agmine cincta capitur. Morale. Innuit fabula praestabilius esse nonnumquam unicum consilium, modo id sit verum et efficax, quam plures dolos consiliaque frivola.

Stellenkommentar 3 K)nsten] Fähigkeiten. 6 Wetscher] Beutel. 7 jeder sach … eben] jeder Sache angemessen wäre. 10 all fehrligkeyt] jegliche Gefahr. 11 deiner witz] deinem Verstand. 16 jr] ihrer. 20 fahr] Gefahr. 21 sich] sehe. 29 Herr Reynhart] Name des Fuchses in der Tierepik; vgl. zu I  59,28. 32 kieß] wähle. 36 sich … machen] schnell geschehen. 41 warnen] ermahnen. 42 erarnen] erwerben. 47 Der Welt … zusagen] die Welt lässt sich jedoch nicht belehren. 49 Galenus] Galenos von Pergamon, Mediziner der Antike; siehe zu I 91,15. 49 nert] versorgt. 50 Justinianus] Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus, oströmischer Kaiser (527–565), im 16. Jh. vor allem wegen seines Gesetzgebungswerks (Digesta, Codex Iustinianus, Institutiones; erste gedruckte Gesamtausgabe Venedig 1477– 1478) bekannt. Sein Name steht hier – in Entsprechung zu Galen als Autorität der Medizin – für die Jurisprudenz. Zur Wendung hoch her fehrt vgl. zu I 30,5. 52 Non est de pane lucrando] Sprichwörtlich: ›Damit ist kein Brot zu verdienen‹; vgl. Röhrich, S. 263; Walther, Nr. 17619a; Agricola, Sprichwörter I 379: Ich hab

Kommentar zu II 22

131

leyder sorge/ man werd uber zehen jar niemant mer haben/ der eyn knaben künde die Grammatica leren/ denn was yetzung jung gelerte gesellen synd/ die wenden sich zu den studijs/ quaesunt de pane lucrando/ das ist/ zu dem geytze/ Ja werden Ertzte/ Juristen (S. 316, Z. 16–20). 56 Lazarus] Vgl. Lk 16,19–25. 57–60 Es muß … erlangen kaum] Vgl. Lk 2,4–7. 60 mocht] konnte. 67f. gut rtzt … böse Christen] Sprichwörtlich; vgl. TPMA Jurist 1–4; Luther, WA Tischreden 5, S. 307, Z. 41f. (Nr. 5663): Es ist ein alt Sprüchwort: Ein Jurist, ein böser Christ. 69 versprochen] beleidigt. 75–79 dis … n)tz] Ähnlich Brant, Narrenschiff  107,1–8. 81 leigen] liegen. 83 f)r] vor. 84 Der] derer. 85 reissen] zerreißen. 87 aes] Aas. 96 jn … lassen walten] sich ihm anvertrauen.

II 22 Vom Knig/ vnd den Affen.

ATU 217

Vorlage [Erasmus, Adagia 611 = Dorpius, Nr. 126, Bl. 32b] De Rege et Simiis. Rex quidam Aegyptius aliquot simias instituit, ut saltandi rationem perdiscerent. Ut enim nullum animal ad figuram hominis propius accedit, ita nec aliud actus humanos aut melius aut libentius imitatur. Artem itaque saltandi protinus edoctae saltare coeperunt insignibus indutae purpuris ac personatae. Multoque iam tempore maiorem in modum placebat spectaculum, donec e spectatoribus facetus quispiam nuces, quas clanculum in sinu gestabat, in medium abiecit. Ibi statim simiae, simul atque nuces vidissent, oblitae choreae id esse coeperunt, quod antea fuerant, ac repente e saltatricibus in simias redierunt contritisque personis dilaceratis vestibus pro nucibus inter se depugnabant non sine maximo spectatorum risu. Morale. Admonet haec fabula fortunae ornamenta non mutare hominis ingenium.

Stellenkommentar 5 wie man auch lißt] Vgl. BDN: Simia haizt ain aff. daz ist ain tier dem menschen gar geleich nâhent an allen gelidern (S. 158, Z. 20f.). Zahlreiche Belege zur similitudo hominis des Affen aus der naturkundlichen Literatur bei Janson, S. 73–106. 6 einlicher] ähnlicher. 10 ist … gach] danach streben die Affen eifrig. 17 f)r] vor. 18 Gar h flich] nach höfischen Regeln. 21 h flich] feiner. 27 Rappaus] Die Verwendung des Wortes Rappaus (›Tumult‹) bereitet schon vor, was dann erzählt wird: Die Ordnung der dressierten Affen zerbricht; rapuse wird von Luther mehrfach gebraucht im Sinne von ›Beute, Plünderung, Tumult‹; ›in die Rapuse werfen‹ meint ›hinwerfen, wegwerfen‹; vgl. DWb 14, Sp. 123, auch mit Bezug auf diese Stelle; ferner Röhrich, S. 1225. 30 Gunden] fingen an. 37 Leymdecker buch] Nicht nachweisbar. 38 Marcolphus] Schwankfigur aus dem im 15. und 16. Jh. breit überlieferten Dialogus Salomonis et Marcolfi bzw. dessen deutscher Prosaübertragung Salomon und Markolf; zahlreiche Rezeptionszeugnisse bei Sabine Griese, Salomon und Markolf. Ein literarischer Komplex im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Studien zu Überlieferung und Interpretation, Tübingen 1999 (Hermaea N.F. 81), S. 298–343 (ohne die Waldis-Stelle). 39–52 Da Salomon …

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Kommentar zu II 23

fehrt] Siehe Salomon et Marcolfus. Kritischer Text mit Einleitung, Anmerkungen, Übersicht über die Sprüche, Namen- und Wörterverzeichnis hg. von Walter Benary, Heidelberg 1914 (Sammlung mittellateinischer Texte 8), II 8 (S. 30f.); der ›Katzenschwank‹ findet sich auch in den entsprechenden deutschen Ausgaben, etwa in Frag vnd antwort Salomonis vnd marcolfi (Michael Curschmann, Marcolfus deutsch. Mit einem Faksimile des Prosa-Drucks von M. Ayrer [1487], in: Kleinere Erzählformen des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. von Walter Haug und Burghart Wachinger, Tübingen  1993 [Fortuna vitrea  8], S.  151–239, Faksimile Z. 421–431) sowie bei Agricola, Sprichwörter I 131 (dazu Curschmann, S. 233– 235). Vgl. I 50. 44 thet … erwegen] ließ das nicht gelten. 45 ich wils anderst bewern] ich werde beweisen, dass es anders ist. 48 risch] schnell. 52 Natur … fehrt] Sprichwörtlich: ›Natur übertrifft Gewohnheit‹; vgl. TPMA Natur 142, 147f.; vgl. Franck, Sprichwörter, S.  244, Z.  14f.: CONSUETUDINEM SUPERAT NATURA. Natur geht f)r. 53 bossen] Spaß. 54 beschlossen] gelehrt; vgl. FWB 3, Sp. 1715. 55 geit] gibt. 56 treit] trägt (oder: treibt). 57 dringen] abbringen. 58 mit … fahr] unter Lebensgefahr. 59f. Was die Natur … Elb noch Rhein] Die Wendung: ›waschen weder Elbe noch Rhein ab‹ (Variante einer Redensart; vgl. DWb  14, Sp. 854f.), wird bei Waldis in verschiedenen Varianten gebraucht; vgl. III 99,66; IV 6,66f., sowie auch IV 40,28–30.

II 23 Von zweien Vischern/ vnnd Mercurio. Vorlage [Erasmus, Adagia 87 = Dorpius, Nr. 128, Bl. 33a] De Piscatoribus. Piscatores aliquot iacto reti testudines eduxerunt. Eas cum essent inter sese partiti neque sufficerent omnibus comedendis, Mercurium forte accedentem invitarunt ad convivium. At is intelligens se neutiquam humanitatis gratia vocari, sed ut eos fastidito cibo sublevaret, recusavit iussitque, ut ipsi suas testudines ederent, quas cepissent. Morale. Nonnulli, postea quam inconsulte quippiam adorti sunt, aliorum implorant auxilium, quos suo negotio admisceant.

Stellenkommentar 6 Mercurius] Götterbote. Mercurius, filius Iouis & Maiae, deus furum, mercaturae & facundiae, deorum nuncius (Alberus, Dictionarium, Bl. yy4b); vgl. zu I  15,7. 17 vnbsunnen all zu gach] unbesonnen und allzu eilig. 22 m g] könnte. 23 gelegt ein blossen] Ursprünglich aus der Fechtersprache: (sich) eine Blöße geben, allgemein: ›Ansehen verlieren‹. Zu Belegen (auch diese Stelle) siehe DWb  2, Sp.  147. 25 abgericht] abgewiesen; vgl. FWB  1, Sp.  293f. 27 gekromet ein] eingebrockt; vgl. DWb 3, Sp. 219, mit Bezug auf diese Stelle. 27f. Was … auß eß allein] Sprichwörtlich; vgl. TPMA essen 322, 327, 332–343. 29f. was … auch selb abspint] Sprichwörtlich; vgl. TPMA spinnen 4f. Die Affinität zum vorausgehenden Sprichwort bezeugt Franck, Sprichwörter, S.  331, Z. 1–7.

Kommentar zu II 24

II 24 Von zweien Gesellen/ vnnd dem Esel.

133 DG 107

Vorlage [Erasmus, Adagia 630 = Dorpius, Nr. 127, Bl. 33a] De Asino et Viatoribus. Duo quidam, cum in desertis locis asinum quempiam forte fortuna nacti essent, contendere inter se coeperunt, uter eorum uti suum domum abduceret. Nam utrique pariter a fortuna videbatur obiectus. Hac interim de re illis invicem altercantibus asinus sese subduxit, ac neuter eo potitus est. Morale. Quidam a praesentibus commodis, quibus ob inscitiam uti nesciunt, excidunt.

Stellenkommentar 11 begundten] anfingen. 17 Damit … b)ssen] womit er seinen Kummer vertreiben könnte. 23f. dem andern … m cht han] dem anderen gönnt, was sie gemeinsam haben könnten. 27 scharren vnd schaben] Formelhaft im Sinne von ›zusammenraffen‹; vgl. DWb 14, Sp. 2217f. 28 Des Sacks … haben] Redensartlich im Sinne von ›fest und sicher haben‹; vgl. Röhrich, S. 1774, hier wohl mit dem Akzent ›alles haben wollen‹. 30 kert sich … vmb] Siehe zu I 12,49. 32 kein] einen. 34 mir nit/ dir nit] Ein früher Beleg für die redensartliche Wendung ›Mir nichts, dir nichts‹ (Röhrich, S.  1094), hier im Sinne von ›wenn ich nichts habe, sollst du auch nichts haben‹.

II 25 Von den Affen/ vnd dem Parden.

vgl. ATU 56A*

Vorlage [Erasmus, Adagia 1366 = Dorpius, Nr. 131, Bl. 34a] De Simiis et Pardale. In Maurisia simiarum ingens copia. Pardalis autem animal est natura simiis infestissimum, quas tamen viribus assequi non potest nimirum illis in summas arbores subvolantibus. His itaque dolis in eas utitur. Sternit se supinam sub ramis ac porrectis cruribus emori fingit sese. Gaudent eo spectaculo simiae considentes in arbore, deinde, ubi iam mortuam arbitrantur, unam aliquam emittunt exploraturam, num vero mortuus sit hostis. Illa cautim ac pedetentim accedens ubi nullum vitae videt argumentum, pardale nimirum modis omnibus cadaver imitante demum audet etiam conscendere. Quod simul ac reliquae simiae conspexerint, iam deposito omni metu descendunt et pardalim omnia ferentem circumsultant. Postremo conculcant insultantes ludibrii causa, donec sentiens illas iam saltando defatigatas de repente reviviscens aliam dentibus, aliam unguibus corripit, delaniat ac devorat. Morale. Hostem simulantem vires deficere summopere fugiendum esse.

Stellenkommentar 1f. Parde … scheckecht] Vgl. BDN, S. 156: Pardus haizt ain pard. daz ist ain tier manigvirbig sam daz pantier […], wann ez hât vil fleck an seiner haut, der ist ainr weiz, der ander swarz, der dritt rôt, der vierd gel (Z. 12–15). 14 Leit] liegt. 32 vberzwerg] quer hinüber. 38 w)scht] bewegt sich plötzlich. 41f. nit … allen Geystern glauben] Siehe zu I 19,17f.

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II 26 Vom Kefer/ vnd Adlar.

Kommentar zu II 26 DG 4

Vorlage [Erasmus, Adagia 2601 = Dorpius, Nr. 130, Bl. 33b] De Scarabeo et Aquila. Scarabeus aliquando spretus ab aquila coepit de vindicta quoquo pacto sumenda cogitare. Pervestigavit, ubi nam aquila nidum collocasset, adrepsit scarabeus et ova simili dolo deiecit. Aquila, cum saepius domicilium commutasset neque quicquam proficeret, Iovem patronum adiit, exponit calamitatem suam. Is iubet, ut suo in gremio ponat ova, vel istic in tuto futura. Et huc per vestis lacinias sinusque prorepsit pertinax scarabeus haud quaquam sentiente Iove. Deinde ubi ova commoveri Iuppiter neque satis animadvertit unde, territus rei novitate excusso gremio in terram deiecit. Morale. Monet haec fabula neminem quantumvis pusillum contemnendum esse.

Stellenkommentar Ü Adlar] Siehe zu I 10,7. 3 starck] steif; vgl. FWB 11, Sp. 93, auch mit Bezug auf diese Stelle. 21 Jupiter] Siehe zu I  17,26. 22 mein … herr] In der antiken Mythologie wird der Adler Zeus bzw. Jupiter zugeordnet. 26 mag] kann. 35 gern] Schoß; vgl. FWB 6, Sp. 963, sowie III 38,12. 38 lassens … bezemen] werden sie deine Eier unangetastet lassen; vgl. FWB 3, Sp. 2317f. 57 zu trachten] bestrebt sein sollen. 58 Den … verachten] Vgl. II 13,22. 60 vndersteht] unternimmt. 64 Des … entladen] von dem er sich kaum befreien kann. 67– 82 Der groß … erl st] Vgl. I Sam  17,4–54. 84 wenig] kleinen. 89f. Sanct Paulus … außgebreit] Vgl. II Kor 12,10; auf diese Stelle verweist Luthers Marginalie zu Hebr 11,32ff., wo auch an Davids Sieg gegen Goliath erinnert wird; vgl. ferner I Kor 15,43.

II 27 Von der Ewelen vnd andern Vgeln.

DG 131

Vorlage [Angelo Poliziano = Dorpius, Nr. 134, Bl. 36af.] Fabella ex Lamia Politiani desumpta. Aves olim prope universae noctuam adierunt rogaruntque eam, ne post hac in aedium cavis nidificaret, sed in arborum potius ramis atque inter frondes, ibi enim vernari suavius. Quin eidem quercum modo enatam pusyllam tenellamque adhuc ostendebant, in qua scilicet molliter (ut aiebant) et sidere ipsa aliquando noctua et suum sibi construere nidum posset. At illa facturam se negavit. Quin invicem consilium dedit his, ne arbusculae illi se crederent, laturam enim quandoque esse viscum, pestem videlicet avium. Contempsere illae (ut sunt leve genus et volaticum) sapientis unius noctuae consilium. Iam quercus adoleverat, iam patula, iam frondosa erat. Ecce ibi aves illae omnes gregatim ramis involitant, lasciviunt, subsultant, colludunt, cantillant. Interea quercus ea viscum protulerat, atque id homines animadverterant, implicite ergo repente ibi omnes pariter misellae, ac frustra eas sera poenitentia subiit, quod salubre illud consilium sprevissent. Atque hoc esse aiunt, cur nunc aves omnes, ubiubi noctuam viderint, frequentes eam quasi salutant, deducunt, sectantur, circumsidunt, circumvolitant. Etenim consilii illius memores admirantur eam

Kommentar zu II 27

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nunc ut sapientem stipantque densa caterva, ut videlicet ab ea sapere aliquando discant. Sed opinor frustra, immo vero etiam interdum cum magno ipsarum malo. Nam veteres illae noctuae re vera sapientes erant. Nunc multae noctuae sunt, quae noctuarum quidem plumas habent et oculos et rostrum, sapientiam vero non habent. Morale. Bene monentis consilia ne spernas, haec fabula docet.

Stellenkommentar 7–46 Ein jedes … singen] Die Bekleidung höfischer Ämter durch – teils den Anforderungen entsprechende, teils diese negierende – Tiere ist ein traditionelles Motiv in der Tierepik. Vgl. auch Alberus, Fabeln 34,133–154. 15 Schultheis] Ortsvorsteher. 15 saß das recht] saß zu Gericht, war Richter. Versidentisch mit IV  94,19. 17 der Schaf … warten] hütete aufmerksam die Schafe. 17f. Der Wolff … Garten] Vgl. das Sprichwort ›Den Bock zum Gärtner machen‹; TPMA Bock 25–27; Röhrich, S. 226f. 24 Reynhart] Name des Fuchses in der Tierepik, vgl. zu I 59,28. 25 Der Aff … springen] Vgl. II 22. 26 Metten] Lat. matutina, frühmorgendlicher Gottesdienst. 27 septem horas] Die sieben Gebetszeiten der römischen Kirche (Laudes [Matutin], Prim, Terz, Sext, Non, Vesper, Komplet). 27 für Mittage] Der Esel muss die Gebetszeiten, die gewöhnlich über den ganzen Tag und die Nacht verteilt sind, bereits ›vor dem Mittag‹ beten. 31 bekelcken] mit Kalkfarbe streichen; vgl. FWB 3, Sp. 1072, mit nur diesem Beleg. 34 Truschel] Drossel. 42 Wydhopff] Der Wiedehopf ist nach Konrad von Megenberg ein unreiner Vogel: er nistet in unrainikait und verunraint auch sein aigen nest (BDN, S. 228, Z. 1f.). Zur Zuschreibung von Unreinheit kam es offenbar, weil der Wiedehopf ein tatsächlich übelriechendes Sekret absondern kann. 43 Spanier] Kornkäfer; DWb 16, Sp. 1884. 46 Discant] Seit dem 15. Jh. im Deutschen geläufiger Ausdruck für eine zweite Stimme, die über dem Cantus firmus (Melodie) gesungen wurde. 73 l)stig] schöne. 79 rauch] rauh. 81 Leim ruhten] Die Leimrute ist eine Vogelfalle: In mancherlei wise werden vogel mit lyme gefangen. Ein wise, das man cleyne gertlyn smiret mit lime (zitiert nach Dalby, S. 137). 84 Schweydler] Jagdtasche. 104 erfarnheit] Verweis auf die allgemeine und eigene Erfahrung (vgl. auch V. 114, 120 und 124); siehe zu I 79,34. 109 m gen] können. 112 mit fahr jrs eigen leben] unter Lebensgefahr. 128 gringen] unbedeutenden. 130 wenn sie sein dorffen] wenn sie Rat brauchen. 131 rewel] Reue. 135–138 Der rath … hat eingef)hrt] Vgl. zu III 62,14. 137f. Als der Regen … eingef)hrt] Variante der Redensart ›Kommen wie der Hagel in die Stoppeln‹, im Sinne von: ›zu spät kommen‹; vgl. TPMA Hagel 8–10. 137 st)pffel] Stoppeln (des abgeernteten Feldes). Literatur Lieb, S. 86f.

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II 28 Von der Tannen/ vnnd dem Krbs.

Kommentar zu II 28 DG 369

Vorlage [Petrus Crinitus = Dorpius, Nr. 135, Bl. 36bf.] Apologus ex secundo libro Petri Criniti de honesta disciplina desumptus. Sata est olim cucurbita iuxta arborem pinum, quae grandis admodum et ramis patulis extabat. Cucurbita vero cum multis pluviis atque caeli temperamento crevisset, lascivire incipit et ramulos audacius porrigere. Iam serpebat in pinum, iam surgere, iam ramos et frondes involvere audebat ampliora folia, candentes flores, praegrandia poma et virescentia ostentans. Itaque tanto fastu atque insolentia intumuit, ut pinum arborem ausa sit aggredi, et: »Vides«, inquit, »ut te supero, ut amplis foliis, ut virore praesto et iamiam ad cacumen prosurgo.« Tum pinus, quae senili prudentia et robore pollebat, nihil mirata est cucurbitae insolentis audaciam, sed ita ad eam respondit: »Ego hic multas hyemes, calores, aestus variasque calamitates pervici et adhuc integra consisto. Tu ad primos rigores minus audaciae habebis, cum et folia concident et viror omnis aberit.« Morale. Secundis rebus non esse superbiendum.

Stellenkommentar Ü K rbs] Kürbis. Der schnellwachsende, aber kurzlebige Kürbis gilt als Zeichen des kurzen Ruhms oder Glücks; vgl. Alciatus, Emblematum Libellus 68: In momentaneam felicitatem/ Von kurtzwirigem gluck: Es wuechß bey einer Feychten hoch | Ein Curbis gar in kurtzer zeyt | So vast, das er sy vberkroch, | Acht sich des gar stoltz vnd gmeyd, | Als wer sein gleich nit nah vnd weyt: | Sagt im die Feycht, nun harr vnd peyt, | Schier kumbt des kalten windter schneyd, | Nimbt dier allen deinn stoltz vnd freyd (S. 155). 8 fleschen] Gemeint ist der Flaschenkürbis; vgl. Jacobus Theodorus [Tabernaemontanus], Neuw Kreuterbuch (1588–1591): die andern sein breitlecht flaschenkürbs genennet, dieweil man flaschen daraus machen kann (zitiert nach DWb 3, Sp. 1727). 10 an zu zannen] Hier: anzugreifen. 16 getucht] getaugt. 19 laffen] Gecken. 38 nit eins hellers wert] Früher Beleg für die Redensart (vgl. Röhrich, S. 696); vgl. auch Waldis, Der verlorene Sohn 227: nicht eyns pennigs werdt. Siehe zu II 4,82. 40 zeuhstu … die Pfeiffen] Redensartlich: ›die Pfeifen in den Sack ziehen‹, im Sinne von ›kleinlaut werden‹; vgl. WA 7, S. 421, Z. 13f.; weitere Lutherbelege DWb 13, Sp. 1642f., sowie (mit Belegen aus dem  17. Jh.) Röhrich, S.  1161. 44 pochen] Prahlen. 45–47 Die hoffart … leuten] Vgl. Sir  25,3f. 49f. weites maul … gaffen] Sprichwörtlich; siehe zu I 37,14. 53f. Wo hoffart … hindern an] Sprichwörtlich: ›Am Hochmut der Armen wischt sich der Teufel den Arsch‹; vgl. TPMA arm 719f.

Kommentar zu II 29

II 29 Von Wolffen vnd dem Rappen.

137 DG 481

Vorlage [Johannes Antonius Campanus = Dorpius, Nr. 136, Bl. 37a] Fabella de Corvo et Lupis. Ex Ioanne Antonio Campano desumpta. Corvus lupos per ardua montium iuga comitatur, partem sibi praedae fieri postulat, qui eos secutus nullo tempore destituisset sociusque fuisset. Repulsus deinde a lupis, tamquam non eos, sed praedam cibumque secutus nec minus luporum, si occiderentur, quam ceterorum animalium exta fuisset voraturus. Morale. Non quid agamus semper inspiciendum est, sed quo sumus animo, cum agimus.

Stellenkommentar 5 zu holtze gach] schnell in den Wald. 22 eigen nutz] Siehe zu IV  100,95. 31 meinung] Absicht. 36 schlechte] Schlichte, hier: Gutgläubige. 41–44 Momus … in seim hertzen gschehe] Vgl. Lukian, Hermotimos oder Lohnt es sich, Philosophie zu studieren?, hg., übersetzt und erläutert von Peter von Möllendorff, Darmstadt 2000 (Texte zur Forschung 74), Kap. 20 (S. 46f., mit Verweis auf Babrios, Fabel 59). 45 destebaß] umso besser.

II 30 Vom Arione/ vnd dem Delphin.

Tubach 1726

Vorlage [Aulus Gellius, Noctes Atticae 16,19 = Dorpius, Nr. 139, Bl. 37b–38b] De Arione et Delphino fabula elegantissima ex libro XVI Gellii. Vetus et nobilis Ario cantator fidibus fuit. Is loco et oppido Methymnaeus, terra atque insula omni Lesbius fuit. Eum Arionem rex Corinthi Periander amicum amatumque habuit artis gratia. Is inde a rege proficiscitur terras inclutas Siciliam atque Italiam visere. Ubi eo venit, auresque omnium mentesque in utriusque terrae urbibus demulsit, in quaestibus istic et voluptatibus amoribusque hominum fuit. Is tum postea grandi pecunia et re bona multa copiosus Corinthum instituit redire. Navem igitur et nautas ut notiores amicioresque sibi Corinthios delegit. Sed eo Corinthios homine accepto navique in altum provecta praedae pecuniaeque cupidos coepisse consilium de necando Arione. Tum illum ibi pernicie intellecta pecuniam ceteraque sua, ut haberent, dedisse, vitam modo sibi ut parcerent, oravisse. Nautas precum eius harum commiseritum esse illatenus, ut ei necem adferre per vim suis manibus temperarent, sed imperavisse, ut iam statim coram desiliret praeceps in mare. Homo, inquit, ibi territus spe omni vitae perdita id unum postea oravit, ut, priusquam mortem oppeteret, induere permitterent sua sibi indumenta et fides capere et canere carmen casus illius sui consolabile. Feros et immanes navitas prolubium tamen audiendi subiit. Quod oraverat, impetrat. Atque ibi mox de more cinctus, amictus, ornatus stansque in summae puppis foro carmen, quod orthium dicitur, voce sublatissima cantavit. Ad postrema cantus cum fidibus ornatuque omni, sicut stabat canebatque, eiecit sese procul in profundum. Nautae haudquaquam dubitantes, quin perisset, cursum, quem face-

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Kommentar zu II 30

re coeperant, tenuerunt. Sed novum et mirum et pium facinus contigit. Delphinum repente inter undas adnavisse et dorso super fluctus edito vectavisse incolumique cum corpore et ornatu Taenarum in terram Laconicam devexisse. Tum Arionem prorsus ex eo loco Corinthum petivisse talemque Periandro regi, qualis delphino vectus fuerat, sese obtulisse eique rem, sicut acciderat, narravisse. Regem istaec parum credidisse, Arionem, quasi falleret, custodiri iussisse. Nautas requisitos ablegato Arione dissimulanter interrogasse, ecquid audivissent in his locis, unde venissent, super Arionem. Eos dixisse hominem, cum inde irent, in terra Italia fuisse eumque illic bene agitare et studiis delectationibusque urbium florere atque in gratia pecuniaque magna fortunatum esse. Tum inter haec eorum verba Arionem cum fidibus et indumentis, cum quibus se in salum eiaculaverat, extitisse. Nautas stupefactos convictosque ire infitias non quisse. Morale. Documento est haec fabula, plus aliquando inveniri in brutis animalibus clementiae quam in his hominibus, qui praeter opes nihil habent pensi, praeter figuram nihil humanitatis.

Stellenkommentar 1 AVlus Gellius] Römischer Autor,  2. Jh. n. Chr. 2 Noctibus Atticis] Noctes Atticae 16,19 (A. Gellii Noctes Atticae, recognovit brevique adnotatione critica instruxit P. K. Marshall, Bd. II. 2., verbesserte Aufl., Oxford 1990, S. 497–499). 4 schon] schön. 16 M cht] könnte. 28 begobt] belohnt. 33 widerfahrt] Rückfahrt. 38 machten reit] machten sich zum Aufbruch bereit; vgl. DWb 14, Sp. 765, mit Bezug auf die Stelle. 40 boßleut] Matrosen; vgl. FWB 4, Sp. 837, mit Bezug auf die Stelle. 48 baß] besser. 74 bord] Rand; vgl. FWB 4, Sp. 784. 79 hofiert] auf höfische Weise musizierte. 86 b)lgen] Wogen. 88 auff hetzten] hissten; vgl. DWb  10, Sp.  1579f., mit Bezug auf die Stelle. 91 gschicht] Mit der Wortwahl wird das Folgende als – wenn auch kaum glaublicher (doch leichtlich zu glauben nicht, V.  92) – Tatsachenbericht ausgewiesen und von der parabolischen Rede der Esopus-Fabeln abgehoben; vgl. zu III  92,171–174. 95 gefrißt] behalten. 103 wath] Kleidung. 133f. musten … lohn] Siehe zu I 57,46. 137 frechen] unbändigen. 140 schimpff vnd schertz] Siehe zu I 43,35. 151–158 bey den Hunden … zuh rn] Vgl. Lk 16,19–21. 156 brossem] Brotkrümel. 156 wegern thet] verweigerte. 159–172 Drumb … mir selb gethan] Vgl. Mt 25,31–46 162 Jrs … nit anmessen] sich nicht um die Not des Nächsten kümmern; vgl. FWB 1, Sp. 1331, mit Bezug auf die Stelle.. 174f. Das er … von jm han] Vgl. Mt 7,12; siehe zu I 7,52f. Literatur Lieb, S. 72f.

Kommentar zu II 31

II 31 Von der Spinnen vnd Podagra.

139 DG 137

Vorlage [Nikolaus Gerbelius = Dorpius, Nr. 140, Bl. 39a–40a] Nicolai Gerbelii Phorcensis apologus lepidissimus de Aranea et Podagra. Aranea paululum a texendo opere quietior animi relaxandi gratia commodum deambulabat. Huic se obviam praebuit podagra, tametsi passibus ambiguis admodum aegre illam assequeretur. Eius diei itinere utcumque emenso non longe aberant ab oppidulo, cui regionis eius incolae Tyche nomen indiderant. Utrique consilium fuit conditionis suae hospitem pervestigare. Aranea non maximopere data opera in opulenti cuiusdam civis aedes divertit. Inibi quaqua versum telas suas praepandebat praetendebatque retia. Aderant illico, nescio qui trygodaemones, qui textrinam illius demoliebantur. Momentaneum itaque erat ipsius, quo etiamnum cumque se verteret, aedificium. Nusquam etenim scopariorum oculatas scopas poterat effugere. Misera plane, quae in tanta rerum omnium affluentia sola egebat proturbaturque. Podagra vero mendicabuli instar vix tandem egestosi cuiuspiam tuguriolum impetrarat. In id loci cum decubuisset, nihil non experiebatur miseriarum. Apponebatur cenaturienti panis cibarius, aridis vix faucibus hianti hydropoterium. Iamque diurno itinere lassescenti torus ligneus nullis frondibus nullo gramine, sed praetenuibus paleis insternebatur. Atqui dicere non est huius instituti, quam convenerint male membris mollibus, cuticulae (ut ita dixerim) holosericae, stragula tam dura tam barbari villi. Oriente igitur vix tandem illo augusto sidere, quod exaudit, quod intuetur omnia, convenere rursum aranea simul et podagra. Prior aranea praeteritae noctis molestias, tot locorum commutationes denarrat nunc heri exprobrans mundiciem, nunc nimiam scopariorum observantiam. Podagra contra de hospitis sui egestate compluria comminiscitur. Nec otium habet admonstrare araneae lividas vibices, quas adamantina fulcra tenellae cuticulae impresserant. Consilium ineunt araneam deinceps pauperum tuguria, podagram vero divitum aulas debere subingredi. In hanc aranea pedibus, podagra animis vadit sententiam. Verumtamen tenebris iamiam increscentibus urbi cuipiam sese approximant. Podagra instituti non immemor pedetentim se in numosi cuiusdam domum illatebravit. Qua commodum ab hero conspecta dii boni qua benevolentia, qua humanitate, quibus nominibus excipitur. Supponuntur substruunturque olorinae culcitrae, toralia perdicum subalaribus plumis referta. Taceo vinum dulce, vinum nigrum, Lesbium, Surrentinum. Taceo ficedulas, phasianos atque eas aviculas, quae binis superbiunt cordibus. In summa: Nihil deliciarum, nihil voluptatum non exhauriebat. Aranea pauperis casam ingressa telas orditur, quaqua vorsum parietes interpatent, retia suspendit. Orbiculari operi manibus pedibusque incumbit. Reficit abrupta, perficit intercepta, et, ut dicam breviter, vacua dominatur in aula. Nullas insidias, nullius formidat insultus. Immo vero etiam iam scopis superior omnibus. Non multo post podagra araneam convenit, delitias suas, felicitatem, fortunas ampliter exornat. Aranea miris laudibus extollit imperium suum aedificandi texendique libertatem. Placuit tandem haec utrisque sententia, quorsum cumque proficiscerentur podagram in divitum domos, araneam in pauperum tuguria debere divertere. Morale. Apologus hic, tametsi ad usus varios accommodari queat, id tamen inprimis declarat alium alio loco fortunatiorem esse, praeterea morborum domicilium esse divitum aulas, ad ultimum nusquam libertatem maiorem quam ubi divitiarum minus.

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Kommentar zu II 31

Stellenkommentar Ü Podagra] Gicht. 1 GErbellius] Nikolaus Gerbelius (1485–1560); Lutheraner, Humanist; seit Ende  1515 in Straßburg, wo er später eine Professur für Geschichte innehatte (vgl. Elschenbroich, Bd. 2, S. 248). 1–3 Fabel … Esopus hat gemacht] Elschenbroich, Bd. 2, S. 248, nimmt an, dass Gerbelius die Fabel für die Ausgabe Straßburg  1516 verfasste. Zur Diskussion über den Quellenwert der Notiz bezüglich der Entstehung von Waldis’ Esopus siehe Lieb, S. 41f. Vgl. auch zu Das Leben Esopi 9f. 13 m cht] könnte. 17 zu beiden seiten] Wohl: schwankend (entsprechend passibus ambiguis bei Gerbelius; vgl. Elschenbroich, Bd. 1, S. 247, Worterklärungen). 18 gesellschafft w llest beiten] warte auf einen Reisegefährten (vgl. V. 82). 25 so jm f)r kem] der ihm begegne. 29 on gefehr] zufällig. 40 vrlaub] Erlaubnis. 55 K)pfferling] Kupferkrug; vgl. DWb 11, Sp. 2765, mit Bezug auf diese Stelle. 57 kranck] schwach. 58 b sem] schlechtem. 63 mit Mey/ oder Blumen bsteckt] mit Grün oder Blumen geschmückt; vgl. FWB 3, Sp. 1942, sowie DWb 12, Sp. 1474. 64 Tepten] Zierdecken; vgl. FWB 5, Sp. 162f. 77 andt] Leid; vgl. FWB 1, Sp. 1017, mit Bezug auf diese Stelle. 92 segen] bekreuzigen. 94 harten Steyn erbarmen] Redensartlich: ›Es möchte einen Stein erbarmen‹; vgl. TPMA Stein 102–109; Röhrich, S. 1542. 111 Welchs … thon] was es durch mein Tun allerdings nicht ist (Kurz, Worterklärungen zur Fabel, sowie DWb 21, Sp. 456, übersetzen dagegen: »was doch nicht meine Sache ist«). 112 sein nimmermehr gewon] mich daran niemals gewöhnen. 145 Phasen] Fasane; vgl. DWb  13, Sp.  1826, mit Bezug auf diese Stelle. 147 Wein Cors/ Trebian/ s)ß Malmasier] Wein von Korsika, Trebbiano, Malvasier (siehe zu IV 30,10); vgl. Waldis, Der verlorene Sohn 621–624, wo der Wirt auf Nachfrage nach gutem Wein u.a. Wyn amabile van Cursica, | Eynn Malmasy van Candia, | Eynn Muscatell van monte Flascon, | Vnd van Florentz eynn Trebiann anbietet. 154 Denn] außer. 158 sp)len] Vgl. DWb  17, Sp.  222, mit Bezug auf diese Stelle: »den Faden auf die Spule laufen lassen«. Das handwerkliche Vokabular unterstützt die Anthropomorphisierung der Spinne. 163 rundecht] rautenförmig; vgl. Leitzmann, S.  295, ohne Beleg. 164 schieb] Unklar, möglicherweise: schief. 166 jrrt] störte. 173 frumen] Nutzen. 176 verbl)met] Siehe zu III  29,7. 182 zukummen] zukünftigen. 184 hansen] Herren; vgl. I 5,45. 185 Wer allenthalb … dingen] es wäre überall dort nach ihrem Geschmack. 198 Biß das … vergahn] für immer. Vgl. Luther: bis die grawen r cke vergehen (WA 30/2, S. 42, Z. 19); weitere Belege siehe FWB 7, Sp. 319–323. Mit den ›grauen Röcken‹ sind Mönche gemeint. Siehe zu III 90,55. 199 Apologon] Fabel; siehe zu I 55,27. 200 Der … l)stig vnd schon] Das in Parenthese formulierte Urteil gesteht der Narratio der Fabel in bemerkenswert direkter Weise eine Autonomie zu, die nicht im Widerspruch zu ihrer gleich mehrfachen Auslegung gesehen wird. 205 Kranckheyt] Hier als Plural aufzufassen. 213 Gelt … Gottes gab] Vgl. I  66,43–48. 221 worgen] würgen. 222 Der Hundt … sorgen] Als Sprichwort (›Der Hund braucht nicht für seine Schuhe sorgen‹) nicht nachweisbar; zitiert bei Sandvoss, S. 56. Bei Agricola, Sprichwörter I 408, lässt sich zumindest das Motiv nachweisen (S. 334, Z. 2): Laß eynen hundt sorgen/ der bedarff vieer schuch. Auch der Kon-

Kommentar zu II 32

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text (›um wie viel weniger sollen wir uns um die Lebensbedürfnisse sorgen‹) ist ähnlich. Literatur Elschenbroich, Bd. 2, S. 248f.; Lieb, S. 41f.

II 32 Von der Mauß.

DG 421

Vorlage [Abstemius, Nr. 1 = Dorpius, Nr. 141, Bl. 44a] De Mure in cista nato. Mus in cista natus omnem fere ibi duxerat aetatem nucibus pastus, quae in ea servari solebant. Dum autem circa oras cistae ludens decidisset quaereretque ascensum, reperit epulas lautissime paratas, quas cum gustare coepisset: »Quam stultus«, inquit, »hactenus fui, qui toto in terrarum orbe nihil melius cistula mea esse credebam. Ecce quam suavioribus vescor hic cibis.« Haec fabula indicat non patriam diligendam, si ignobilis sit, ut alia non adeamus loca, cum alibi beatiores esse possimus.

Stellenkommentar 8 on gefehr] zufällig. 10 mucht] könnte. 12 Mandelreiß] Mit Mandeln verfeinerter Milchreis war seit dem Mittelalter eine verbreitete Süßspeise; vgl. Schubert, S.  164. Mandelreis wird auch erwähnt in IV  90,19; vgl. auch zu I  9,80. 16 baß] besser. 23 Als/ das] so dass; vgl. FWB 1, Sp. 851, mit Bezug auf diese Stelle (so schon Kurz, Bd. 1, S. 215); möglicherweise in temporaler Bedeutung (vgl. FWb 1, Sp. 847f.). 29–40 Man sagt … kum ich auch heim] Das Beispiel vom Schwaben im Elsass ist sonst nicht belegt; zum Rhein in Sprichwörtern und Redensarten TPMA Rhein; DWb 14, Sp. 854f.

II 33 Vom Bawren/ vnd seinem wuntsch. Vorlage [Abstemius, Nr. 2 = Dorpius, Nr. 142, Bl. 44a] De Rustico impetrante, ut triticum absque aristis nasceretur. Impetraverat a Cerere rusticus quidam, ut triticum absque aristis nasceretur, ne metentium triturantiumque manus laederet. Quod ubi inaruit, a minutis avibus depastum est. Tum rusticus: »Quam digna«, inquit, »patior, qui parva commoditatis causa emolumenta quam maxima perdidi.« Fabula indicat parva incommoda maiori utilitate pensanda.

142

Kommentar zu II 34

Stellenkommentar 3 Ceres] Siehe zu I 15,7. 8 fein schlecht] glatt; vgl. DWb 15, Sp. 522, mit Bezug auf diese Stelle. 12 dhend zerbrechen] die Hände aufreißen. 13 da es zeitig wardt] als das Korn reif wurde. 29 frummen] Nutzen. 34 Gottes werck … lassen] Vgl. II  65,27–32. 37 fahr schon] sei bedacht; auch als Abschiedsformel (im Sinne von lat. vale) gebräuchlich; vgl. DWb 3, Sp. 1253, sowie II 86,19; III  16,10; III  92,93; IV  8,19; IV  81,93; IV  99,407. 37f. Schuhster … nit gan] Vgl. das lat. Sprichwort Ne sutor ultra crepidam (TPMA Schuster 3–7; Walther, Nr.  16126a), deutsch: ›Schuster bleib bei deinem Leisten‹. Vgl. auch Röhrich, S. 956, 1421f., sowie DWb 15, Sp. 2079, mit Bezug auf diese Stelle.

II 34 Vom Habich vnnd der Tauben.

DG 234

Vorlage [Abstemius, Nr. 3 = Dorpius, Nr. 143, Bl. 44b] De Accipitre Columbam insequente. Cum accipiter columbam praecipiti insequeretur volatu, villam quandam ingressus a rustico captus est, quem blande, ut se dimitteret, obsecrabat: »Non enim te laesi«, dicens. Cui rusticus: »Nec haec«, respondit, »te laeserat.« Fabula indicat merito puniri, qui innocentes laedere conantur.

Stellenkommentar 1–6 EJn Habich … behangen] Vgl. II  38,15–18. 5 Vogelleim] Klebstoff, mit dem Ruten bestrichen wurden, um kleinere Vögel zu fangen; vgl. zu II 27,81. 13 durchecht] verfolgt; vgl. DWb  2, Sp.  1578–1581, auch mit Bezug auf diese Stelle (Sp. 1580). 19 an … preisen] an Tyrannei halten; preisen nur bei Waldis in dieser Bedeutung belegt; vgl. zu II 11,114. 21f. Recht ists … entpfahen lohn] Siehe zu I 57,46. 23f. der … am schwerdt vmbkumpt] Vgl. Mt  26,52; sprichwörtlich (vgl. TPMA Schwert 57–89).

II 35 Von der Spinnen/ vnd Schwalben.

DG 539

Vorlage [Abstemius, Nr. 4 = Dorpius, Nr. 144, Bl. 44b] De Aranea et Hirundine. Aranea in hirundinem excandescens, quae muscas, qui suus est cibus, capiebat, retia in foribus, per quas volitare solebat, ut eam caperet, suspenderat. Hirundo vero advolans retia cum textrice per aera portabat. Tunc aranea in aere pendens et se iamiam perituram intelligens: »Quam iuste haec patior«, dicebat, »quae minima volatilia magno labore vix capiens credidi tam magnas aves posse comprehendere.« Hac admonemur fabula, ne viribus maiora aggrediamur.

Kommentar zu II 36

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Stellenkommentar 17 zwar billich] ganz zu recht. 20 Noch vnderstehe] dennoch wage. 24 m gen gan] gehen können. 25 vergessen] unbedacht. 29–32 wer … ligen lasse] Sprichwörtlich: ›Wer einen schweren Stein nicht heben kann, soll ihn liegen lassen‹; vgl. Agricola, Sprichwörter I 284; mehrfach auch bei Luther belegt (vgl. TPMA heben 6). 32 selb ander] zu zweit. 33f. Es soll … sein eygen decke] Eine Auslegung der Redensart ›Sich nach der Decke strecken‹ (vgl. TPMA strecken 17–35, mit Anm. 1) im Sinne von: ›seinen Verhältnissen entsprechend leben‹; vgl. Röhrich, S.  309. 35f. Flaccus … zugeben] Vgl. Horaz, Epistulae II 1,258f.: nec meus audet | rem temptare pudor quam vires ferre recusent (»drum wagt meine Ehrfurcht nicht, ein Werk zu versuchen, für das die Kräfte mir fehlen«); auch zitiert TPMA Anfang 201 zum Sprichwort: ›Was man nicht beenden kann, beginne man nicht‹. Leitzmann, S. 301, vermutet eine Anspielung auf Horaz, De arte poetica (= Epistuale II 3), 140. 37–42 Vnd wer … rathen das] Vgl. Lk 14,28–30. 39 gb w] Gebäude.

II 36 Von einem Bawren. Vorlage [Abstemius, Nr. 5 = Dorpius, Nr. 145, Bl. 44bf.] De Rustico amnem transituro. Rusticus torrentem transiturus, qui forte imbribus excreverat, quaerebat vadum. Et cum primum eam fluminis partem tentasset, quae quietior placidiorque videbatur, reperit eam altiorem, quam animo erat opinatus. Rursus ibi breviorem tutioremque adinvenit, ubi maiori aquarum strepitu fluvius decurrebat. Tunc secum: »Quam tutius«, inquit, »clamosis aquis quam quietis et silentibus vitam nostram credere possumus.« Hac admonemur fabula, ut minus verbosos et minaces quam quietos extimescamus.

Stellenkommentar 3 m cht] könnte. 6 hosen] Siehe zu I  17,66. 9 einsetzen] hineingehen. 10 frumb] Hier wohl: ungefährlich; vgl. DWb  4, Sp.  242f. 11 fast] schnell. 25 b lcken] brüllen; vgl. FWB 4, Sp. 752; DWb 2, Sp. 231, beide mit Bezug auf diese Stelle. 25f. Die K)he … nit melcken] Vgl. das Sprichwort: ›Eine Kuh, die oft brüllt, gibt wenig Milch‹; Bos mugiens multum dat lactis ab ubere parvum (TPMA Rind 191, 193; Walther, Nr. 2154). 27 bocher] Angeber. 28 Bellende Hundt … nicht] Sprichwörtlich; vgl. TPMA Hund 355–358. 30 Still wasser … grunde] Sprichwörtlich: ›Stille Wasser gründen tief‹; vgl. TPMA Wasser 42–50.

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II 37 Vonn der Tauben/ vnnd Atzeln.

Kommentar zu II 37 DG 552

Vorlage [Abstemius, Nr. 6 = Dorpius, Nr. 146, Bl. 45a] De Columba et Pica. Columba interrogata a pica, quid eam induceret, ut in eodem semper loco nidificaret, cum eius pulli inde sibi semper surriperentur: »Simplicitas«, respondit. Haec indicat fabula facile esse viros probos saepe decipi.

Stellenkommentar Ü Atzeln] Elster. 8 Frumbkeit/ einfalt] Ehrlichkeit und Schlichtheit. 11 Ben)ckt] getäuscht. 13 zerrissen] Wohl: ›gerissen‹; vgl. DWb  31, Sp.  742, mit Bezug auf diese Stelle. 14 verantworten] Wohl: ›verteidigen‹ (nämlich den schwetzern gegenüber); vgl. DWb 25, Sp. 80. 16 Der Simeon … tragen] Vgl. Mt  27,32; ein sprichwörtlicher Gebrauch, wie ihn Vers  15 nahelegt, ließ sich nicht nachweisen. 17 Des nidrigen Zauns … nicht] Sprichwörtlich: ›Man steigt immer über den niedrigen Zaun (die niedrigste Stelle eines Zauns)‹; vgl. TPMA Zaun  31f. und  33–35. 18 Der krenckest … Liecht] Ein sprichwörtlicher Gebrauch ließ sich nicht nachweisen. 18 krenckest] Schwächste.

II 38 Vom Habich vnd Gutzgauch.

DG 238

Vorlage [Abstemius, Nr. 7 = Dorpius, Nr. 147, Bl. 45a] De Cuculo et Accipitre. Irrisus ab accipitre cuculus, quod cum sibi et corpore par et colore non absimilis esset, prae angustia animi potius vermibus terrenis quam suavibus aliarum avium carnibus vesceretur, vidit paucis post diebus accipitrem a rustico, cuius columbas insectabatur, captum ad metum ceterorum ex alta turre pendere. Cui Cuculus: »Quam melius tibi«, inquit, »amice, fuisset vermes venari quam alienas aves impetere.« Haec fabula indicat eorum vitam tutiorem esse et magis probandam, qui suis rebus sine periculo contenti sunt, quam illorum, qui aliena appetentes adeunt magna vitae discrimina.

Stellenkommentar Ü Gutzgauch] Kuckuck; vgl. Vers 20: Guckgauch. 13 kath] Dreck. 15–18 Nit lang darnach … stangen] Zum Fangen des Habichts durch den Bauern vgl. auch II  34,1–6. 19 zum scheutzel] als Scheusal, als Vogelscheuche; vgl. auch IV  7,100, und DWb  14, Sp.  2627, mit Bezug auf diese Stelle. 26 gnesch wil schlege haben] Sprichwörtlich: ›Wer nascht, will Schläge haben‹; vgl. TPMA naschen 4–14. 29 jrem bruff] ihrer Aufgabe. 36 bleibt schabab] bleibt arm und verachtet. Redensartlich: ›Schabab bleiben‹ im Sinne von ›abgewiesen, ausgestoßen, verhöhnt werden‹, auch ›ruiniert, am Ende sein‹; vgl. Röhrich, S. 1289–1293. Literatur Lieb, S. 101.

Kommentar zu II 39

II 39 Vom Esel/ vnnd dem Rinde.

145 DG 120

Vorlage [Abstemius, Nr. 8 = Dorpius, Nr. 148, Bl. 45b] De Asino et Vitulo. Asinus et vitulus in eodem pascentes prato sonitu campanae hostilem exercitum adventare praesenserant. Tum vitulus: »Fugiamus hinc, o sodalis«, inquit, »ne hostes nos captivos abducant.« Cui asinus: »Fuge tu«, inquit, »quem hostes occidere et esse consueverunt. Asini nihil interest, cui ubique eadem ferendi oneris est proposita conditio.« Haec fabula servos admonet, ne dominos magnopere mutare formident, modo prioribus deteriores futuri non sint.

Stellenkommentar 12 tantzen … Pfeiffen] Redensartlich im Sinne von ›gehorchen‹; vgl. TPMA tanzen  73–98; Röhrich, S.  1161f. 20 geb wo ich sey] wo immer ich sei. 23 eygen Knechte] Leibeigene. Vgl. die Argumentation über die Leibeigenschaft in II 18.

II 40 Vom Fuchß/ vnd den Frawen.

DG 182

Vorlage [Abstemius, Nr. 9 = Dorpius, Nr. 149, Bl. 45b] De Vulpe et Mulieribus gallinam edentibus. Vulpes iuxta villam quandam transiens conspexit catervam mulierum plurimas gallinas opipare assatas alto silentio comedentem. Ad quas conversa: »Qui clamores«, inquit, »et canum latratus contra me essent, si ego facerem, quod vos facitis.« Cui respondens quaedam anus: »Pessima animalium«, inquit, »nos, quae nostra sunt, comedimus, tu vero aliena furaris.« Haec fabula nos admonet, ne putemus nobis in aliena licere, quod propriis dominis licet.

Stellenkommentar 31f. Gottes gebot … frembdes gut] Das zehnte Gebot; vgl. Ex 20,17.

II 41 Vonn feyßten vnd magern Caponen.

DG 333

Vorlage [Abstemius, Nr. 10 = Dorpius, Nr. 150, Bl. 45bf.] De Caponibus pinguibus et macro. Vir quidam complures capones in eodem ornithobosco inclusos largo nutricaverat cibo, qui pingues effecti sunt omnes praeter unum, quem ut macilentum irridebant fratres. Dominus nobiles hospites lauto et sumptuoso accepturus convivio imperat coquo, ut ex his interimat coquatque, quos pinguiores invenerit. Hoc audientes corpulenti sese afflictabant dicentes: »Quanto praestitisset nos macilentos esse.« Haec fabula in pauperum solamen conficta est, quorum vita tutior quam divitum.

146

Kommentar zu II 42

Stellenkommentar Ü Caponen] Masthähnen. 18 Vergebt] überbrachte. 25f. Die Fabel ist … zu gut gemacht] Vgl. die ähnliche Konstellation der Handlungsträger in II  43, wo der verspottete krumme Baum nicht gefällt wird; die Analogie ist in der lateinischen Vorlage deutlicher betont (vgl. Lieb, S.  75). 28 d rffen] brauchen. 29 werben] gewinnen. 35–37 Jm Euangelio … gef rdert viel] Vgl. Lk  12,48: Der es aber nicht weis/ hat doch gethan/ das der streiche werd ist/ wird wenig streiche leiden. Denn welchem viel gegeben ist/ bey dem wird man viel suchen/ Vnd welchem viel befolhen ist/ von dem wird man viel foddern. Literatur Lieb, S. 75.

II 42 Vom balcken/ vnd den Ochssen.

DG 49

Vorlage [Abstemius, Nr. 11 = Dorpius, Nr. 151, Bl. 46a] De Trabe et Bobus eam trahentibus. Trabs ulmea de bobus conquerebatur dicens: »Ingrati, ego multo tempore meis vos frondibus alui, vos vero me nutricem vestram per saxa et luta trahitis.« Cui boves: »Gemitus suspiriaque nostra et stimulus, quo pungimur, te docere possunt, quod te trahamus inviti.« Ignovit trabs. Haec nos docet fabula, ne in eos excandescamus, qui non sua sponte nos laedunt.

Stellenkommentar 6 kath] Dreck. 8 mich … geniessen] mir keine Erleichterung dafür zugesteht. 14 vngern] gegen unseren eigenen Willen. 18 letzen] schädigen.

II 43 Vonn schnen vnd vngestalten B umen.

DG 550

Vorlage [Abstemius, Nr. 12 = Dorpius, Nr. 152, Bl. 46af.] De Arboribus pulchris et deformibus. Arbores complures in eodem creverant loco procerae, rectae enodesque, praeter unam humilem, parvam nodosamque, quam ut deformem pusillamque ceterae ludibrio habere solitae erant. Aedificaturus domum loci dominus iubet omnes excidi praeter eam, quae brevitate et deformitate sua aedificium indecorum redditura videbatur. Ceteris excisis deformis haec secum dicebat: »De te non amplius querar, natura, quod me turpem genueris, cum formosis tam magna videbam imminere discrimina.« Haec fabula nos admonet, ne doleamus nos natos esse deformes, cum multis formositas saepe nocuerit.

Kommentar zu II 44

147

Stellenkommentar Ü sch nen … B umen] Eine weitere Bearbeitung dieses Fabelstoffs in II  3. 5 rauch] rauh. 27f. Meinr … bhalten] Vgl. zu II 41,25f. 33f. jr sch ne gstalt … alt] Die Zwillingsformel ›grau und alt‹ (hier in Opposition zu ›schön und jung‹) ist seit dem Mittelalter belegt (vgl. DWb 8, Sp. 2091f.); vgl. auch I Sam 12,2. Literatur Lieb, S. 75.

II 44 Vom Schwan vnnd dem Storchen.

DG 525

Vorlage [Abstemius, Nr. 13 = Dorpius, Nr. 153, Bl. 46b] De Cycno in morte canente comprehenso a Ciconia. Cycnus moriens interrogabatur a ciconia, cur in morte, quam cetera animalia adeo exhorrent, multo suaviores quam in omni vita emitteret sonos, cum potius maestus esse deberet. Cui cycnus: »Quia«, inquit, »neque cibi quaerendi cura amplius cruciabor neque aucupum laqueos extimescam.« Haec fabula nos admonet, ne mortem formidemus, qua omnes vitae praesentis miseriae praeciduntur.

Stellenkommentar 1 PLinius schreibt] Bei Plinius (Naturalis historia X 32,63) wird der Gesang des sterbenden Schwans flebilis (kläglich) genannt, statt wie hier ›lieblich‹ (V.  4); allerdings wird der Schwanengesang in der griechischen und römischen Antike vorwiegend als schön bezeichnet (vgl. RE 2A,1, Sp. 785–787). So kennt ihn auch die frühneuzeitliche Emblematik (vgl. Alciatus, Emblematum Libellus  107). 20 Drumb … bin] Platon (Phaidon, 84 E–85 A) lässt Sokrates vermuten, dass der sterbende Schwan aus Vorfreude auf die himmlischen Freuden singe (Platon, Werke in acht Bänden griechisch und deutsch, Bd. 3: Phaidon. Das Gastmahl. Kratylos, bearbeitet von Dietrich Kurz. Griechischer Text von Léon Robin und Louis Méndier, deutsche Übersetzung von Friedrich Schleiermacher. Dritte, unveränderte Aufl., Darmstadt  1990, S.  94–97). 23 allen vnfall dannen reumt] alles Unglück fortschafft.

148

Kommentar zu II 45

II 45 Von einer Frawen/ die jren sterbenden Mann beweynet. ATU 1350 Vorlage [Abstemius, Nr. 14 = Dorpius, Nr. 154, Bl. 46bf.] De Muliere virum morientem flente et Patre eam consolante. Mulierem adhuc iuvenem, cuius vir animam agebat, parens consolabatur dicens: »Ne te afflictes, ne tantopere filia. Alium enim virum tibi inveni isto longe formosiorem, qui prioris desiderium facile mitigabit.« At mulier doloris impatiens, ut quae maritum ardenti amore persequebatur, non modo verba parentis non admittebat, sed intempestivam alterius mariti mentionem accusabat. At ubi maritum defunctum videt, inter lacrimas et luctus parentem interrogat, an adsit iuvenis ille, quem sibi in virum dare velle se dixerat. Fabula indicat, quam cito defunctorum maritorum amor ex uxorum animo excidere soleat.

Stellenkommentar 6 fast] sehr. 8 den het … in guter acht] den hatte die Frau hochgeschätzt. 17 gewehnen] gewöhnen. 18 darffst] brauchst. 24 zwar] fürwahr. 37 wo mich der Schuh jetzt dr)ckt] Redensartlich: ›Der Schuh drückt‹; vgl. TPMA Schuh  71–94; Röhrich, S.  1408f. 40 meynen mit all trawen] lieben in aller Treue. 43 zuwaschen] zu schwätzen. 44–47 Jst gleich/ als wenn … ein new] Der Vergleich lässt den Ausdruck ›alte Tasche‹ für ›altes, nichtsnutziges Weib‹ bzw. ›Klatschweib‹ (vgl. DWb 21, Sp. 149; Röhrich, S. 1601) anklingen. In diesem Sinne würde das Sujet, in dem der Verlust eines Menschen nicht betrauert wird, in umgekehrter Konstellation wiederholt. Vgl. auch II 46 mit der (Geld-) Tasche, auf die die Hure es abgesehen hat. 46 on all gefahr] ganz zufällig. 63–78 Dauon … all zuuiel entfahrn] Die rhetorische Geste dessen, der seine Erfahrung und sein Wissen zurückhält (›ich könnte noch viel davon erzählen …‹), wird hier ironisch verknüpft mit der Tradition des Dichters, der auf die Gunst und Huld der Frauen angewiesen ist. 64 sie] Gemeint sind die Frauen insgesamt. 74 Jrs gfallens] willentlich.

II 46 Vom Weibe/ die jhres Bulen abzug beweynet. Vorlage [Abstemius, Nr. 15 = Dorpius, Nr. 155, Bl. 47a] De Muliere amatoris discessum flente. Mulier impudica amatorem suum abeuntem, quem omnibus fere rebus spoliaverat, multis lacrimis prosequebatur. Interrogante autem eam vicina, cur ita inconsolabiliter fleret: »Non discessum eius«, inquit, »sed pallium, quod ei reliqui, fleo.« Fabula indicat non amatores, sed eorum bona a meretricibus amari.

Stellenkommentar 1 geylen] fröhlichen (hier wohl schon mit pejorativer Bedeutung). 2f. het … vermischt] hatte intimen Kontakt mit einem jungen Mann. 4 jm schier alles abgewischt] ihn schnell um seinen gesamten Besitz gebracht; vgl. DWb 1, Sp. 154,

Kommentar zu II 47

149

und FWB 1, Sp. 503f., beide mit Bezug auf diese Stelle. Vgl. II 12,4. 6 sonder W rme kraut] ohne Wurmkraut. Als Ursache für viele Krankheiten vermutete man Würmer, die den Körper von innen schädigen, so dass ›Wurm‹ sich zum Synonym für verschiedene Krankheiten entwickeln konnte; vgl. DWb 30, Sp. 2243–2248. ›Wurmkraut‹ war in der Frühen Neuzeit ein Sammelbegriff für wurmtreibende Mittel; hier wird der Ausdruck im weiteren Sinne von ›Abführmittel‹ metaphorisch verwendet. 7 Bad vnd hitz] Das ›Bad‹ führt die Metaphorik der ›Wurmkur‹ fort. ›Bad vnd hitz‹ ist nicht nur sexuell konnotiert, sondern impliziert auch eine negative Bewertung: ›einem das Bad richten‹ und ähnliche Ausdrücke meinen, auch in Verbindung mit dem Stichwort ›Hitze‹, dass der Betreffende hereingelegt wird (vgl. DWb  1, Sp.  1069f.). 8 der Seckel spitz] der Geldbeutel spitz (also leer). 12 Jr gspiele] ihre Vertraute. 12 was massen] warum. 20 schauben] Kleid. 24 endt] Anfang. 31 han] verhalten. 36– 38 auff der seiten … verlangen] Vgl. Waldis, Der verlorene Sohn 687f., wo Elße sagt: Nha d)sser syden my vorlanghet, | Jck meyn de, dar de tassche hanget. 41 schleht sie … Graß] Redensartlich: ›ins Gras schlagen‹, im Sinne von ›achtlos beiseite setzen, vernachlässigen‹ (ursprünglich – wie in IV 99,185 – von untauglichen Pferden, die man auf die Weide trieb, statt ihnen Hafer zu geben); vgl. DWb 8, Sp. 1926. 45–47 trab … schabab … auff vnd ab] Dreireim; siehe zu I 10,19–21. 45 f)r)ber trab] Etwa: dann hast du bei mir nichts mehr zu suchen. 46 der ist schabab] den will ich nicht mehr haben. Vgl. zu II 38,36.

II 47 Vonn der Fliegenn.

DG 149

Vorlage [Abstemius, Nr. 16 = Dorpius, Nr. 156, Bl. 47af.] De Musca, quae quadrigis insidens pulverem se excitasse dicebat. Quadrigae in stadio currebant, quibus musca insidebat. Maximo autem pulvere tum equorum pedem pulsu, tum rotarum volutatione exorto dicebat musca: »Quam magnam vim pulveris excitavi.« Haec fabella ad eos spectat, qui cum ignavi sint, alienam tamen gloriam suis magnificis verbis in se transferre conantur.

Stellenkommentar 2 weydlich] ordentlich. 6 liegen] lügen. 15f. Der Roßdreck … schwam] Vgl. IV 48.

150

II 48 Vom Ael vnd der Schlangen.

Kommentar zu II 48 DG 1

Vorlage [Abstemius, Nr.  17 = Dorpius, Nr.  157, Bl.  47b] De Anguilla conquerente, quod magis quam Serpens infestaretur. Anguilla interrogabat serpentem, quare, cum similes essent atque cognati, homines tamen se potius quam illum insequerentur. Cui serpens: »Quia rarus«, inquit, »me laedit impune.« Fabula indicat minus laedi solere, qui sese ulciscuntur.

Stellenkommentar 16 stahl im Sack] ein Messer in der (Hosen-)Tasche. 17 freuentlich letzen] böswillig schädigen. 19f. Zwey messer … in der scheydt] Sprichwörtlich: ›Messer verhindert Zusammenstoß‹; vgl. TPMA Messer 13; TPMA Schwert 42–46: ›Ein Schwert hält das andere in der Scheide‹.

II 49 Vom Esel/ Affen/ vnd Maulwerff.

DG 100

Vorlage [Abstemius, Nr. 18 = Dorpius, Nr. 158, Bl. 47b] De Asino, Simia et Talpa. Conquerenti asino, quod cornibus careret, simiae vero, quod cauda deesset: »Tacete«, inquit talpa, »cum me oculis captam esse videatis.« Haec fabula ad eos pertinet, qui non sunt sua sorte contenti. Qui, si aliorum infortunia considerarent, aequiori animo tolerarent sua.

Stellenkommentar 6 fehlt … schwantz] Diese Vorstellung geht auf den Physiologus zurück (vgl. Henkel, S.  177). 9 jehen] sagen. 12 n)tzen vorrath] nützlichen Vorrat. 16 Gesicht] Hier in der alten Bedeutung ›Sehvermögen‹. 20 meins Gsichts beraubt] In der mittelalterlichen Naturkunde gilt der Maulwurf als blind; vgl. etwa BDN, S. 160, Z. 21f.: Talpa haizt ain scher oder ain maulwerf. daz ist ain klain tierl und ist plint und swarz, und ausführlich Gesner, Tierbuch, S. 258. Vgl. auch III 79,1. 24 bruffung] Art, Stand (vgl. V. 31f.). 27f. Dieselben … gaffen] Vgl. II 22, 8–10. 31 gar ant] ganz unwohl. 36 rewel] Reue. 38 m gen] können. 41f. Drumb … bruffung bleib] Vgl. Sir  11,20f.; I Kor  7,20. 45 geheit] plagt. 49–52 Ein jeden dunckt … seine geit] Vgl. Ovid, Ars amatoria I 349f. Sprichwörtlich: ›Die Saat des Nachbarn wächst besser‹; vgl. TPMA säen 175– 179, sowie: ›Die Kuh des Nachbarn gibt mehr Milch‹; vgl. TPMA Euter  2–4; Walther, Nr. 9378. Die Ovid-Verse zitiert in anderem Kontext auch Alberus, Fabeln 30,136 d–e.

Kommentar zu II 50

151

II 50 Von Schiffleuten/ welche in nten die Heiligen anrieffen. Vorlage [Abstemius, Nr. 19 = Dorpius, Nr. 159, Bl. 47bf.] De Nautis sanctorum auxilium implorantibus. Nauta quidam in mari subita et atra tempestate deprehensus ceteris eius sociis diversorum auxilium implorantibus: »Nescitis«, inquit, »quid petatis, ante enim quam sancti isti ad eum pro nostra liberatione se conferant, hac imminente procella obruemur. Ad deum igitur confugiendum censeo, qui absque alterius adminiculo a tantis malis nos poterit liberare.« Invocato igitur dei omnipotentis auxilio illico procella cessavit. Fabula indicat, ubi potentioris auxilium haberi potest, ad imbecilliores non fugiendum.

Stellenkommentar 7 ers] er das Schiff. 9–15 Als sie … thet kennen] Vgl. III 51,33–62, wo in Seenot geratene Reisende ebenfalls, wie hier Vers  12, den hl. Nikolaus anflehen. 9 wagen] Wogen. 11 Sanct Barbarn] Die heilige Barbara, eine der Vierzehn Nothelfer(innen), gehört zu den beliebtesten Heiligen der Frühen Neuzeit; sie war der Beistand der Sterbenden und wurde u.a. auch gegen Unwetter angerufen. 12 Sanct Niclas] Der hl. Nikolaus von Myra war Patron der Schiffer, weil er der Legende nach drei Pilger aus Seenot errettete, und wird gelegentlich zu den Vierzehn Nothelfern gezählt; vgl. Alberus, Fabeln 23,17f.: Sanct Niclaus an Neptunus stat | Das Wasserampt versehen hat. Vgl. auch III 51,41. 12 Sanct Kilian] Warum der hl. Kilian, iroschottischer Missionar im ostfränkischen Gebiet um Würzburg im 7. Jh., hier erwähnt wird, ist unklar. 13 Sanct Adolff] Der hl. Adolf, ein Zisterzienser des 13. Jhs., war Domherr in Köln und Bischof von Osnabrück. Er wurde erst 1651 heiliggesprochen. Dass er ein großer Seefahrer (Sehefahrn) gewesen sei, ist wohl ironisch; vielleicht bereiten die beiden ›unpassenden‹ Heiligen Kilian und Adolf schon die folgende Kritik an Heiligenanrufungen vor. 14 Sanct Clementen] Der heilige Clemens von Rom (Papst 88–97) wurde der Legende nach von Kaiser Trajan mit einem Anker am Hals im Meer ertränkt; er wird in Seenot angefleht. 23 Sie habens denn] es sei denn, sie haben sie. 26 vmb uns ergangen] um uns geschehen. 27 M)gen] wir können. 30 ist lauter tandt] ist wertlos. 35 entpfahn] aufnehmen. 36 im lan] sich lassen. 41 Dis gspr ch] diese Rede (des Kapitäns; vgl. DWb 5, Sp. 4162, mit Bezug auf diese Stelle). 42 widerchristen] Antichristen. Nach einer schon biblischen Vorstellung wird in der Endzeit ein falscher Messias auftreten, zuletzt aber von Christus vernichtet werden. Seitdem Luther  1520 den Antichrist mit dem Papsttum identifizierte, schmähten sich katholische und protestantische Seite in den konfessionellen Auseinandersetzungen der Frühen Neuzeit gegenseitig als Antichrist; vgl. Ingvild Richardsen-Friedrich, Antichrist-Polemik in der Zeit der Reformation und der Glaubenskämpfe bis Anfang des  17. Jahrhunderts. Argumentation, Form und Funktion, Frankfurt/M. u.a. 2003 (Europäische Hochschulschriften I  1855); Flugblätter II  1,  5,  7,  11,  13,  17,  19,  39– 42, 61, 62, 74, 81, 86, 112, 165, 200, 203, 266, 268, 298, 301. 46 stracks] im selben Augenblick. 50 Jn keinen weg] in keiner Weise. 52 f)r Gott vortret-

152

Kommentar zu II 51

ten] vor Gott vertreten. 57–60 Denn Gott … gewalt gegeben] Vgl. Eph 1,20f. 61 auff der h he … Thabor] Vgl. Mt 17,1–9. 62f. Befahl er … geben solt] Vgl. Mt 17,5: Da er noch also redete/ sihe/ da vberschattet sie eine liechte Wolcken. Vnd sihe/ eine stimme aus der wolcken sprach/ DIS IST MEIN LIEBER SON/ AN WELCHEM ICH WOLGEFALLEN HABE/ DEN SOLT JR HÖREN. 64–66 Drumb … biß an der Welt endt] Vgl. Mt  28,20. 69 tollen] unverständigen. 70 mit Todten Beyn w lln segen] mit toten Knochen segnen wollen. Kritik am Reliquienkult, der mit der Heiligenverehrung eng verbunden ist. 75–78 Er ist … sicher vorm ewigen Todt] Vgl. Mt 7,24 und Luthers Marginalie: Hie foddert Christus auch den glauben/ Denn wo nicht glaube ist/ thut man die Gebot nicht […]. Literatur Lieb, S. 75–77.

II 51 Vonn Vischen/ die auß der Pfannen sprungen. Vorlage [Abstemius, Nr. 20 = Dorpius, Nr. 160, Bl. 48a] De Piscibus e sartagine in prunas desilientibus. Pisces adhuc vivi in sartagine ferventi oleo coquebantur, quorum unus: »Fugiamus hinc, fratres«, inquit, »ne pereamus.« Tunc omnes pariter e sartagine exilientes in ardentes prunas deciderunt. Maiori igitur dolore affecti damnabant consilium, quod coeperant, dicentes: »Quanto atrociori nunc morte perimus.« Haec nos admonet fabula, ut ita praesentia vitemus pericula, ne incidamus in graviora.

Stellenkommentar 8 zannen] beißen, reizen; vgl. DWb 31, Sp. 257, mit Bezug auf diese Stelle. Das Wort wird sonst intransitiv verwendet im Sinne von ›den Mund weit aufsperren‹, vgl. ebd., Sp.  256f. 11 fast] sehr. 12 rath] Beschluss. 20 Ein klein … eim gr ssern stellen] ein kleines Unglück durch ein größeres ersetzen. 23f. Wer offt dem Regen … thut ersauffen] Sprichwörtlich: ›Aus dem Regen laufen und ins Wasser fallen‹; vgl. TPMA Regen 160–167; Röhrich, S. 1235f. Ähnlich bereits in I 76,31f. 25f. Wer die Caribd … in die Cill] Die Gefahr zwischen zwei gleich großen Bedrohungen (›zwischen Skylla und Charybdis‹) nach Homer wird im Lateinischen sprichwörtlich; vgl. TPMA Skylla 1–4; Walther, Nr. 12190. Die lateinische Version findet sich im Morale der Barlandus-Fabel De Anu et Ancillis (siehe zu I 76) und bei Alberus, Fabeln 17,15 Marg. Vgl. auch Röhrich, S. 1453f. Literatur Lieb, S. 75–77.

Kommentar zu II 52

II 52 Vonn Thierenn/ Vgelen/ vnd Vischen.

153 DG 142

Vorlage [Abstemius, Nr. 21 = Dorpius, Nr. 161, Bl. 48af.] De Quadrupedibus societatem adversus aves cum Piscibus ineuntibus. Quadrupedes, cum bellum sibi ab avibus esset indictum, cum piscibus foedus inierunt, ut eorum auxilio se ab avium furore tuerentur. Cum autem optata exspectarent auxilia, pisces negant per terram ad eos accedere posse. Haec nos admonet fabula, ne eos nobis socios faciamus, qui, cum opus sit, nobis adesse non possint.

Stellenkommentar 4 jn absagten] ihnen den Frieden aufkündigten. 25 sich als guts versehen] nur mit Gutem rechnen. 33 heuffig] in Haufen. 35 Wagenburg] ringförmig aufgestellte Wagen zur Verteidigung. 38 den verlornen hauffen] Siehe zu I 34,18. 42 risch] flink. 49 Dorfften … begeben nicht] sie trauten sich nicht, die Wagenburg zu verlassen. 53 letzen] anzugreifen. 54 keinem trost m gen entsetzen] mit keiner Hilfe dich befreien können. Literatur Lieb, S. 75–77, 106.

II 53 Vom kargen Legaten/ vnnd den Spielleuten. Vorlage [Abstemius, Nr. 22 = Dorpius, Nr. 162, Bl. 48b] De Legato avaro Tubicines decipiente. Quidam avarus pro patria legatus in aliam urbem profectus erat, cui tubicines praesto affuerunt, ut illius aures tubarum clangore, loculos autem suos pecunia implerent. Quibus ille renuntiari iubet, non esse nunc locum cantibus, se in summo luctu et maerore constitutum, matrem enim suam obiisse. Tubicines autem spe frustrati et maesti abeunt. Amicus quidam legati audiens luctum ad eum visendum consolandumque accedit interrogatque, quamdiu mater eius obiisset. »Quadraginta iam anni sunt«, inquit. Tunc amicus intellecta legati stropha in risum effusus est. Haec fabula ad avaros facit, qui omni arte student conservare pecuniam.

Stellenkommentar Ü kargen] geizigen. 13 zeitung] Nachricht. 38 jr … geniessen] niemand einen Nutzen von ihnen hat. 39 Zu werben] um Gewinn zu machen; vgl. DWb  29, Sp. 171, auch mit Bezug auf diese Stelle. 40 m gen] können.

154

Kommentar zu II 54

II 54 Von einem Cardinal/ vnd seinem Freunde. Vorlage [Abstemius, Nr. 23 = Dorpius, Nr. 163, Bl. 48bf.] De Viro, qui ad Cardinalem nuper creatum gratulandi gratia accessit. Vir quidam facetus admodum et urbanus audiens amicum suum ad cardinalatus dignitatem assumptum ad eum gratulandi gratia accessit, qui honore tumidus amicum veterem agnoscere dissimulans quisnam esset interrogabat. Cui ille, ut erat ad iocos promotus: »Miseresco«, inquit, »tibi ceterisque, qui ad huiusmodi honores perveniunt. Quamprimum enim dignitates eiusmodi estis assecuti, visum auditumque et ceteros sensus ita amittitis, ut pristinos amicos amplius non cognoscatis.« Haec fabula eos notat, qui in altum sublati veteres despiciunt amicitias.

Stellenkommentar 10 statt] Status, Stand. 17 Singor] signor, ital. »Herr«. 18 verwor] fürwahr. 22 Zuhandt] sogleich. 30 vergeht … sehn vnd h ren] Redensartlich: ›dass einem Hören und Sehen vergeht‹; vgl. Röhrich, S.  737f. 33 vndernemen] überwältigen. 35 gschicht] Vgl. zu II  30,91.  37–88 Man lißt … geben hat] Dieses Exemplum ist schon im Mittelalter vielfach belegt, vgl. Tubach  3420; der Bischof heißt dort jedoch nicht Albertus Magnus, sondern Maurice von Sully (Bischof von Paris  1160–1196 und Sohn einer armen Bäuerin). Eine ähnliche Anekdote erzählt Joachim Westphal vom Magdeburger Erzbischof Ludolf von Kroppenstedt (Teufelbücher in Auswahl, hg. von Ria Stambaugh, Bd. 3: Joachim Westphal, Hoffartsteufel [1565], Berlin – New York 1973, S. 356, Z. 32–S. 358, Z. 7). – Albertus Magnus (um 1200–1280), Theologe und Naturwissenschaftler, war  1260–1262 Bischof von Regensburg. Die Legende hebt seine allen Prunk verachtende Demut hervor, auch um zu begründen, dass er auf sein Bischofsamt verzichtete (vgl. Legenda Beati Alberti Magni. Auctore Rudolpho de Novimagio. Hg. von Heribert Chr. Scheeben. Köln 1928, bes. II 3 De nimia eius humilitate in episcopali, S. 45–48). 39 Laugingen] Lauingen. 42 nicht war Edel gborn] Vgl. Vers  70f. – Tatsächlich stammte Albertus Magnus aus einer ritterbürtigen oder Ministerialenfamilie. 59 zeren] Tränen. 61 baß] besser. 72 kley] Kleie. 74 L)ndschem thuch] ›Londoner Tuch‹, ein besonders feiner Stoff; vgl. Krünitz 80, S. 300. 77 h ß] Alemannisch: Gewand (vgl. V. 39). 86 einfeltigem gm)t] einfacher und ehrlicher Gesinnung. 87 Zehen gbot] Vgl. Ex 20,12 (das vierte Gebot).

Kommentar zu II 55

155

II 55 Wie ein J(ngling einen alten Mann belacht. Vorlage [Abstemius, Nr. 24 = Dorpius, Nr. 164, Bl. 49a] De Iuvene Senis curvitatem ridente. Iuvenis quidam conspicatus senem in arcus tensi similitudinem curvum interrogavit, an sibi arcum vellet vendere. Cui ille: »Et quid«, inquit, »est tibi opus pecuniam amittere? Si enim ad meam perveneris aetatem, absque pecunia arcum tibi natura concedet.« Haec fabula indicat minime irridenda vitia senilis aetatis, quam nemo vivendo effugere potest.

Stellenkommentar 3 feyhl] Fehler. 6 helts] steht der Fehler. 15 halt in] behalte. 16 frummen] Nutzen. 22 zu eim spotuogel machen] Redensartlich: ›Einen zum Spottvogel machen‹; vgl. Röhrich, S. 1512, mit Verweis auf diese Stelle. Vgl. auch Brant, Narrenschiff 42. 25 Ohn der] außer derjenige, der.

II 56 Von einem vnuorsichtigen Alten. Vorlage [Abstemius, Nr. 25 = Dorpius, Nr. 165, Bl. 49a] De Sene Puellam in uxorem accipiente. Vir quidam imprudens exacto septuagesimo vitae anno puellam duxerat in uxorem, qui ad id tempus in caelibatu permansisset. Cui, cum debitum solvere non posset, dicere solebat: »Quam male vitam meam disposui. Iuveni enim mihi uxor deerat, nunc autem senex desum uxori.« Haec fabula innuit omnia suo tempore peragenda.

Stellenkommentar Ü vnuorsichtigen] nicht vorausschauenden. 7 die pflicht geleisten] mit ihr schlafen; vgl. zu I 64,27. 12 notturfft] Hier: sexuelles Bedürfnis. 15f. Ein jedes ding … zu rechter zeit] Vgl. Koh 3,1: EJN JGLICHS HAT SEINE ZEIT; sprichwörtlich: ›Alles hat seine Zeit‹; vgl. TPMA Zeit  350–371 und  473–493; Agricola, Sprichwörter I 394. Vgl. III 49,21, und III 71,17f. 15 bscheidt] Hier: Zustand; vgl. FWB 3, Sp. 1636.

II 57 Vom Adlar vnd der Atzeln.

DG 88

Vorlage [Abstemius, Nr. 26 = Dorpius, Nr. 166, Bl. 49b] De Aquila et Pica. Pica aquilam rogabat, ut se inter suos familiares et domesticos acciperet, quando id meretur cum corporis pulchritudine, tum ad mandata peragenda linguae volubilitate. Cui

156

Kommentar zu II 58

aquila: »Hoc facerem«, respondit, »ni vererer, ne quae intram tegulam fiunt, tua loquacitate cuncta efferres.« Haec fabula monet linguaces et garrulos domi non habendos.

Stellenkommentar Ü Atzeln] Elster. 2 nemt … rat] nehmt mich unter Eure Ratgeber auf. 3 einschreiben lassen] verbindlich aufnehmen. 6 verschulden] vergelten. 9 gtheylten Federn] Gemeint ist die Schwarz-Weiß-Färbung der Elster. 10 Hofes zier] Die Situierung der Fabel verweist damit auf eine Kritik am Hofleben. 11– 14 Binn auch … wachssen lassen] Die Geschwätzigkeit der Elster ist sprichwörtlich; vgl. Röhrich, S. 382; Flugblätter I 32, 117. 14 F)rm maul … wachssen lassen] Redensartlich: ›Kein Spinnengewebe vor dem Maul (wachsen) lassen‹; vgl. TPMA Spinne 50f.; Röhrich, S. 1506; die Redensart findet sich auch in der Luther zugeschriebenen Sprichwörtersammlung (WA 51, S. 648, Nr. 87, und S. 661, Nr. 470). 16 het mich … zu befehrn] müsste aber befürchten. 19 Ohrenbl ser] Redensartlich für Schmeichler; vgl. TPMA Ohr  66–72; Röhrich, S.  1116. 20 Pflaumstreicher vnd Federl ser] Beides Ausdrücke für Schmeichler; vgl. zu I 11,62. Literatur Lieb, S. 97.

II 58 Vom Bawren vnd einer Mauß.

DG 420

Vorlage [Abstemius, Nr. 28 = Dorpius, Nr. 168, Bl. 49bf.] De Rustico et Mure. Rusticus quidam erat admodum pauper, sed adeo facetus, ut ne calamitatis quidem tempore nativi leporis oblivisceretur. Is, cum villam suam casu igne iniecto ita ardentem videret, ut aliquo modo ignem extinguere posse diffideret, maestus spectabat incendium. Interim cernit murem quendam, qui villa egressus periculum quam ocissime fugiebat. Oblitus damnorum rusticus cucurrit et murem corripiens illum in medium iecit incendium dicens: »Ingratum animal, tempore felicitatis mecum habitasti, nunc qua fortuna mutata est, villam meam deseruisti.« Fabula indicat eos non esse veros amicos, qui arridente fortuna a latere tuo non discedunt, turbata autem praecipiti abeunt cursu.

Stellenkommentar 5 bossen] Späße. 12 gschloffen] geschlüpft. 16 Weils] während es. 17 im vngehewr] im Unglücksfall. 19 gibt vns vnderscheydt] lehrt uns zu unterscheiden. 22 wenns an ein treffen geht] wenn es zum Kampf kommt. 25 bider] tüchtiger.

Kommentar zu II 59

II 59 Vom Krametuogel/ vnd der Schwalben.

157 DG 361

Vorlage [Abstemius, Nr. 27 = Dorpius, Nr. 167, Bl. 49b] De Turdo amicitiam cum Hirundine ineunte. Gloriabatur turdus se amicitiam contraxisse cum hirundine. Cui mater: »Stultus es, fili«, inquit, »si credis cum ea posse convivere, cum uterque vestrum diversa soleat appetere loca. Tu enim frigidis, illa tepidis delectatur locis.« Hac monemur fabula, ne eos nobis faciamus amicos, quorum vita a nostra dissentit.

Stellenkommentar Ü Krametuogel] Krammetvogel; ältere Bezeichnung für die Wacholderdrossel, im weiteren Sinne für verschiedene Drosselarten: Germani turdum pilarem appellant Krametuogel, uel (ut alij scribunt) Krameßuogel/ Kranwituogel, nostri Reckolteruogel: alij Wachholteruogel/ Wecholterziemer. nam Ziemer nomen commune turdorum est (Gesner, Historia animalium III, S. 720, Z. 53–56; Vogelbuch, Teil 2, S. 25); schon in der Antike ein beliebter Speisevogel (vgl. z.B. Horaz, Epistulae I 15,41). 2 jm] sich. 3 kuntschafft] freundschaftlichen Umgangs. 20 Des sitten … stellen] dessen Sitten und Lebenswandel sich von deinen unterscheiden. 24 Denn … ziehen gleich] Ein sprichwörtlicher Gebrauch (›Zwei Ochsen ziehen gleichmäßig an einem Joch‹) im deutschen Sprachraum ist nicht nachgewiesen (vgl. TPMA Rind 156–160), wohl aber der Umkehrschluss; vgl. TPMA Rind 161–171: ›Ungleiche (Drei) Ochsen ziehen den Wagen (Pflug) nicht gut‹.

II 60 Von einem Kleusener. Vorlage [Abstemius, Nr. 29 = Dorpius, Nr. 169, Bl. 50af.] De Eremita virgine aegrotante. Insitum est a natura omni animantium generi, ut rei venereae libidine incitentur, a qua si qui homines, qui corvo albo rariores sunt, se abstinere volunt, saepe in graves morbos incidere solent. Quidam igitur eremita ab ipsa adolescentia ita titillationes carnis evicerat, ut usque ad quintum et vigesimum aetatis annum virgo permaneret. Cum autem in eam aetatem gravissime aegrotare coepisset, medici nullum aliud salutis eius remedium se invenire dicebant, nisi ut cum aliqua muliere coiret. Diu eremita recusavit, mori se potius velle dicens, quam virginitatem, rem tam praeclaram, et deo maxime gratam amittere. Assueti enim virtutibus, aegre illas discedere a se patiuntur. Victus tandem precibus et cupiditate vitae, qua nihil homini sanae mentis dulcius est, adductae sibi mulieris infusus gremio placidum petivit per membra soporem. Experrectus autem vehementer angebatur et tantam vim lacrimarum effundebat, ut omnes, qui aderant, illius miserentur. Quisque igitur cum solari et, ut bono animo esset, hortari, quoniam deus clememtissimus pater ei ignosceret, quia non voluptatis, sed recuperandae sanitatis causa opus tale patrasset: »At ego«, inquit, »istud non fleo, sed quod tantam dulcedinem citius expertus non sum.«

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Kommentar zu II 61

Haec indicat fabula humanam naturam adeo peccatorum illecebris delectari, ut vitiorum voluptatem facile virtutum amaritudini anteponant.

Stellenkommentar Ü Kleusener] Eremit. 2 Wies … angethan] wie es mit der Natur beschaffen ist. 14 Daselben … selten Ostern] Etwa: da gab es wenig zu feiern. Ein sprichwörtlicher Gebrauch ist nicht überliefert; in der Frühen Neuzeit wird aber gelegentlich Ostern der vorangehenden Fastenzeit gegenübergestellt; vgl. TPMA fasten 27–30: ›Nach dem Fasten kommt Ostern‹, und dazu Vers 74. 15 zimt] beherrschte, bezwang. Das gleiche Wort auch in II 18,67. 22 Seins Vatters vngl)ck] Umschreibung für den Geschlechtstrieb. Eine ähnliche Metapher verwendet Oswald von Wolkenstein (Lied 33,12): meins vatters teuchte (Die Lieder Oswalds von Wolkenstein. Unter Mitwirkung von Walter Weiß und Notburga Wolf hg. von Karl Kurt Klein. Musikanhang Walter Salmen. 3., neubearbeitete und erweiterte Auflage von Hans Moser, Norbert Richard Wolf und Notburga Wolf. Tübingen 1987 [Altdeutsche Textbibliothek  55], S.  116). 29 Brauchten … hetten erfarn] und alles aufwenden, was sie in Erfahrung gebracht hatten. 31 den geyl] die Geilheit; in der Frühen Neuzeit auch als medizinischer Ausdruck gebräuchlich, vgl. Max Höfler, Deutsches Krankheitsnamen-Buch. Reprografischer Nachdruck der Ausgabe München 1899, Hildesheim 1970, S. 186f. 32 diesen feyhl] dieses Gebrechen. 36 baß] besser. 38 kieß] wählte. 49 z her] Tränen. 51 So mildt/ als ob es wer geharmbt] so reichlich, als ob es mit Urin begossen wäre (harmen: ›urinieren‹). 58 Metten glesen] Umschreibung für den Geschlechtsverkehr, die vereinzelt noch im 17. Jh. nachgewiesen ist; vgl. DWb 12, Sp. 2147. 67 floren] blühen. 69f. Rappen … auf sich laden] Sprichwörtlich: ›Der Rabe wird nicht weiß, wie sehr man ihn auch badet (wäscht)‹; vgl. TPMA Krähe 16–23; vgl. auch II 22,59f. 73 art … art] Sprichwörtlich: ›Die Natur kann man nicht aufgeben‹; vgl. TPMA Natur 26–42.

II 61 Vom reichen Mann vnd seinem Knechte. Vorlage [Abstemius, Nr. 30 = Dorpius, Nr. 170, Bl. 50b] De Divite quodam et Servo. Vir erat dives servum habens tardi ingenii, quem regem stultorum solebant nuncupare. Ille his verbis saepius irritatus statuit hero par referre. Semel enim in herum conversus: »Utinam«, inquit, »rex stultorum essem, in toto enim terrarum orbe nullum meo latius esset imperium, et tu quoque meo subesses imperio.« Fabula indicat omnia plena esse stultorum.

Stellenkommentar 2 einfeltig … schlecht] einfältig und von sehr schlichtem Verstand. – Die bei Waldis sonst meist positiv gebrauchten Attribute bekommen hier eine negative Bedeutung. 3 vnendig] ungeschickt. 5 vngeschl nig] eifrig; vgl. DWb 24,

Kommentar zu II 62

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Sp. 850, mit Bezug auf diese Stelle. Der Sinn ist hier wohl, dass der Herr sich ereiferte. Die Drucke BCEF haben vngeschl mig. 10 zwar einst widergelten] auf jeden Fall einmal heimzahlen. 11 jn … anzant] in dieser Weise oft die Zähne gegen ihn fletschte. 22 Vnd selber … nem] Redensartlich: ›Sich an der (eigenen) Nase fassen (nehmen)‹; vgl. TPMA Nase 98–109; Röhrich, S. 1083. 24 ker f)r deiner Th)r] Redensartlich: ›(Erst) vor der eigenen Tür kehren‹; vgl. TPMA Tür 38–40; Röhrich, S. 1651. 26 Kappen] Narrenkappe. Dass ein Narr alle anderen für ebenfalls dumm hält, ist sprichwörtlich; vgl. TPMA Narr  283–286. 28 biß vberd Ohren] Redensartlich; vgl. Röhrich, S. 1113.

II 62 Von einer Witwen/ eins Manns begirig. Vorlage [Abstemius, Nr. 31 = Dorpius, Nr. 171, Bl. 50bf.] De Vidua virum petente. Vidua quaedam dives a vicina petebat, ut maritum sibi repeteret, quem non coitus gratia, qui ingratus admodum sibi erat, sed ne bona sua dilapidarentur, exoptare se dicebat. Mulier sagax et viduae versutitias intelligens se inquisituram pollicetur. Paucis post diebus viduam conveniens: »Reperi«, inquit, »tibi virum ex animi tui sententia. Est enim vir prudens et ad res gerendas natus et genitalibus caret, quae tibi cordi non sunt.« Cui vidua: »Abi hinc«, inquit, »in malam rem cum isto mari tuo tam lepido, et si enim coitus appetens non sum, volo tamen habeat, quod nos reconciliet, si quando coeperimus esse discordes.« Haec fabula indicat nullum matrimonium felix, si clavus defuerit, qui virum et mulierem arctissime constringit.

Stellenkommentar 5 darff] brauche. 7 mir zu dem THVN sey gach] es mich drängte, ›es‹ zu tun. Die Großschreibung (so in allen Drucken) deutet auf eine Umschreibung für den Geschlechtsverkehr hin. Vgl. auch Vers  27f. 19 fletig] ordentlich. 22 bider] anständig; hier ironisch verwendet. 33f. schnort … gegen mort] Die formelhafte Verbindung ›schnurren und murren‹ im Sinne von ›sich unwillig äußern‹ wird hier auf beide Konfliktpartner bezogen. 35 Fr)ndt] Freund; Umschreibung für den Penis. 39 der freuden Nagel] Umschreibung für den Penis; vgl. IV 33,5. 40 das vnder Gagel] die Hoden. Literatur Lieb, S. 54f.

160

Kommentar zu II 63

II 63 Von den Stadt vnd Dorffhunden. Vorlage [Abstemius, Nr. 32 = Dorpius, Nr. 172, Bl. 51a] De Canibus urbanis villaticum insequentibus. Canes complures urbani quendam villaticum praecipiti insequebantur cursu, quam diu ille fugit nec repugnare ausus est. At ubi in sequentes conversus substitit et dentes ipse quoque ostendere coepit, omnes pariter substiterunt, nec aliquis urbanorum illi propinquare audebat. Tunc imperator exercitus, qui ibi aderat, ad suos conversus milites: »Commilitones«, inquit, »hoc spectaculum nos admonet, ne fugiamus, cum praesentiora fugientibus quam repugnantibus videamus imminere pericula.«

Stellenkommentar 1 ein ebner stoß] eine ziemlich große Meute. 8 beharren] innehalten. 9 bestahn] stillstehen. 11 ongefehrlich] zufällig. 12–20 Er sprach … sagt] Die Moral wird hier von einer Figur der erzählten Welt gegeben; vgl. zu IV 21,207– 214; IV 95,269; IV  99,485–506. 12 Knechten wehrlich] wehrhaften Landsknechten. wehrlich kann allerdings auch bereits Teil der wörtlichen Rede sein: ›Wahrlich, … ‹. 13 spiel] Schauspiel. 19f. wer da fleuht … sagt)] Sprichwörtlich: ›Wenn einer flieht, gibt’s viele, die ihn jagen‹; vgl. TPMA fliehen 77–96; vgl. auch TPMA Hund 886.

II 64 Vom altenn Weibe/ vnnd dem Teuffel.

Pauli 84

Vorlage [Abstemius, Nr. 33 = Dorpius, Nr. 173, Bl. 51af.] De Anu Daemonem accusante. Volunt homines ut plurimum, quando sua culpa aliquid sibi acciderit adversi, in fortunam vel in daemonem culpam conferre, ut se crimine exuant, adeo omnes sibi indulgent. Hoc daemon aegre ferens, cum videret anum quandam arborem ascendentem, ex qua illam ruituram et in se culpam collaturam praeviderat, accitis testibus dixit: »Videte anum illam absque meo consilio arborem ascendentem, unde eam casuram esse prospicio. Estote mihi testes me ei non suasisse, ut soleata illuc ascenderet.« Mox anus cecidit, et cum interrogaretur, cur soleata arborem ascendisset: »Daemon«, inquit, »me impulit.« Tunc daemon adductis testibus probavit id ab anu absque suo factum esse consilio. Fabula indicat homines minime venia dignos, qui, cum libere peccent, fortunam vel daemonem accusant.

Stellenkommentar 2 gmeynlich gsinnt] im Allgemeinen folgende Haltung haben. 3 f)rnemen] Vorhaben. 5f. Das sie … zu legen] dass sie dies (das Misslingen ihrer Pläne und Handlungen) üblicherweise dem ungünstigen Schicksal oder dem Teufel zuschreiben. 12 ein groß gef ll] einen schweren Sturz. 14 Das] dass sie. 16 zeuges leute] Leute als Zeugen. 29 einr solchen that erwigst] zu einer sol-

Kommentar zu II 65

161

chen Tat entschließt. 35 Zwar … hat] Wahrlich, niemand hat etwas dagegen einzuwenden. 36 Zentsch)ldigen] zu entschuldigen. 38 das gl)ck zuuervnhulden] die Gewogenheit des Glücks bestreiten; vgl. DWb 25, Sp. 2034, mit Bezug auf diese Stelle. 40 wider billigkeit] gegen die Angemessenheit. 42 Ein … seinen lohn] Siehe zu I 57,46.

II 65 Von der Schnecken/ vnd den Frschen.

DG 518

Vorlage [Abstemius, Nr. 34 = Dorpius, Nr. 174, Bl. 51b] De Testudine et Ranis. Testudo conspicata ranas, quae eodem stagno pascebantur, adeo leves agilesque, ut facile quolibet prosilirent et longissime saltarent, naturam accusabat, quod se tardum animal et maximo impeditum onere procreasset, ut neque facile se movere posset et magna assidue mole premeretur. At ubi vidit ranas anguillarum escam fieri et cuiuscumque vel levissimo ictui obnoxias, aliquantulum recreata dicebat: »Quanto melius est onus, quo ad omnes ictus munita sum ferre, quam tot mortis subire discrimina.« Haec fabula indicat, ne aegre feramus dona naturae, quae maiori nobis commodo saepe sunt, quam nos intelligere valeamus.

Stellenkommentar 3 fliessen] schwimmen. 5 Strafft die Natur] machte der Natur Vorwürfe. 13 keichen] keuchen. 16 gund sich] begann sich zu. 19 verhel] versteckten. 20 Ael] Aale. 23 zuhandt] sogleich. 27–32 Was vns … kan verstahn] Vers 30 ist als Parenthese zu lesen. 30 weiß ob allen] weiß mehr als alle.

II 66 Von der Ratzen/ vnnd einer Eychen.

DG 486

Vorlage [Abstemius, Nr. 35 = Dorpius, Nr. 175, Bl. 51bf.] De Gliribus Quercum eruere volentibus. Glires quercum arborem glandiferam dentibus eruere destinaverant, quo paratiorem haberent cibum, ne victus gratia toties ascendere et descendere cogerentur. Sed quidam ex eis, qui aetate et usu rerum ac prudentia ceteros longe anteibat, eos absterruit dicens: »Si nutricem nostram nunc interficiemus, quis futuris annis nobis ac posteris nostris alimenta praebebit?« Fabula haec monet virum prudentem debere non modo praesentia intueri, verum etiam futura longe prospicere.

Stellenkommentar Ü Ratzen] Ratte. 4 reychen] erlangen. 7 jn] den Baum. 9 darffen] brauchen. 18 laß das Jar … kumm] lassen das Jahr dann vergehen. 26 gegen vor augen sicht] gegenwärtig vor Augen hat.

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Kommentar zu II 67

II 67 Vom Hundt/ vnd seinem Herrn.

DG 300

Vorlage [Abstemius, Nr. 36 = Dorpius, Nr. 176, Bl. 52a] De Cane et Hero. Canem quidam habens, quo magis ab illo diligeretur, semper cum suis pascebat manibus ligatumque solvebat. Ligari autem et verberari iubebat a servo, ut beneficia a se, maleficia autem a servo in illum viderentur esse collata. Aegre autem ferens canis se assidue ligari verberarique aufugit. Et cum increparetur a domino ut ingratus et tantorum beneficiorum immemor, qui se fugisset, a quo semper dilectus pastusque fuisset, ligatus autem verberatusque numquam, respondit: »Quod servus tuo iussu facit, a te factum puto.« Haec fabula indicat eos malefactores habendos, qui maleficiorum causa fuere.

Stellenkommentar 7 fahen] fangen. 14 balck] Bauch. 16 gewundt] verwundet. 22 macht er durch gestochen werck] schmiedet er heimlich Ränke; vgl. DWb  2, Sp.  1691. 23f. Wie jener … die Braut] Das Prügeln der widerspenstigen Ehefrau ist ein in der Schwankliteratur der Frühen Neuzeit verbreitetes Motiv. Die Stelle spielt möglicherweise auf eine Gruppe von Fastnachtspielen an, in denen die Widerspenstige ›kuriert‹ wird, indem sie geprügelt und danach in eine eingesalzene Pferdehaut eingenäht wird. Nach drei Tagen – und weiteren Prügeln – gelobt die Frau Besserung; vgl. Ein Sch ne Spil, wo men b se frouwens fr m maken kan (in: Mittelniederdeutsche Fastnachtspiele. Mit Einleitung und Anmerkungen hg. von W. Seelmann, Norden – Leipzig 1885 [Drucke des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 1], S. 1–20; vgl. auch den Kommentar S. XII–XXVI).

II 68 Von Vgeln vnd Kefern.

DG 566

Vorlage [Abstemius, Nr. 37 = Dorpius, Nr. 177, Bl. 52af.] De Avibus Scarabeos timentibus. Magnus timor aves incesserat, ne scarabei arcu pilari eas occiderent, a quibus magnam pilarum vim in sterquilinio summo labore fabricatam audierunt. Tunc passer: »Nolite«, inquit, »expavescere. Quomodo enim pilas in nos per aera volantes iacere potuerunt, cum eas per terram magno molimine vix trahant.« Haec fabula admonet, ne hostium opes extimescamus, quibus deesse videmus ingenium.

Stellenkommentar 12 Geb/ wen noch] Etwa: ›wer weiß, wen‹; vgl. DWb  4, Sp.  1709f. Gefahr. 22 entzeuht … muth] entzieht ihm Gott den Verstand.

14 fahr]

Kommentar zu II 69

II 69 Vom Beren/ vnd den Bynen.

163 DG 42

Vorlage [Abstemius, Nr. 38 = Dorpius, Nr. 178, Bl. 52b] De Urso et Apibus. Ursus ictus ab ape tanta ira percitus est, ut alvearia, in quibus apes mellificaverant, tota unguibus discerperet. Tunc apes universae, cum domos suas dirui, cibaria auferri, filios necari viderent, facto impetu aculeis ursum invadentes pene necavere. Qui ex earum manibus vix elapsus secum dicebat: »Quanto melius erat apis unius aculeum tolerare, quam tot in me hostes mea iracundia concitare.« Haec fabula innuit longe melius interdum esse iniuriam unius sustinere, quam dum unum punire volumus, multos nobis inimicos comparare.

Stellenkommentar 1 besach] untersuchte. Vgl. zum Motiv des Bären am Bienenkorb Emblemata, Sp.  445f. 2 floh zu] flog hinzu. 3 Er wardt zornig] Der Bär wird hier, wie öfter in Literatur und bildender Kunst des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, mit dem Laster des Zorns in Verbindung gebracht; vgl. etwa Schmidtke, S. 247f.; Flugblätter I 82. 18 den spot … han] Redensartlich; siehe zu I 11,48. 22 Jm selb] sich selbst. 23f. Denn … vberman] denn wer kein Auge zudrücken kann, taugt nicht zum Herrscher. Sprichwörtlich: ›Der Herr darf es nicht zu genau nehmen‹; vgl. TPMA Herr 186–199. Im 16. Jh. vor allem als lateinische Sentenz bekannt, die meist Kaiser Sigismund (1433–1437), daneben auch Kaiser Friedrich III. (1452–1493) zugeschrieben wurde: Imperare nescit, qui nescit dissimulare (vgl. Alberus, Fabeln, Vorrede, Z. 63–65 mit Kommentar; dazu Kipf, S. 485). Luther stellt in seiner Auslegung des 101. Psalms mit Verweis auf das Sprichwort die Besonnenheit des Herrschers dem schädlichen Jähzorn gegenüber: Wer nicht ubersehen oder uber h ren kan, der kan nicht regirn; WA 51, S. 207, Z. 15–18 (vgl. auch WA 20, S. 98, Z. 1 und 14).

II 70 Von einem Reuter/ vnd seinem Pferdt.

DG 491

Vorlage [Abstemius, Nr. 40 = Dorpius, Nr. 180, Bl. 53a] De Milite et Equo. Miles equum habens optimum emit alium nequaquam illi bonitate parem, quem multo diligentius quam priorem nutricabat. Tunc priori sic ait: »Cur me dominus quam te impensius curat, cum tibi neque pulchritudine neque robore neque velocitate comparandus sim?« Cui ille: »Est haec«, inquit, »hominum natura, ut semper in novos hospites benigniores sint.« Haec fabula indicat hominum amentiam, qui nova, etiam si deteriora sint, solent veteribus anteponere.

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Kommentar zu II 71

Stellenkommentar 3 Gorren] Gaul. 4 Baren] Futtertrog. 5 pflag jm baß] versorgte ihn besser. 11 prangen] prächtigem Aussehen. 12 Jch k nt … Wasser langen] Redensartlich: ›Jemandem das Wasser nicht reichen (können)‹; vgl. Röhrich, S.  1699f.; DWb 27, Sp. 2324f. 22 wirdt der Th)r gefeyhlt] wird die Tür verfehlt; redensartlich im Sinne von ›keinen Erfolg haben‹, ›eine Sache verfehlen‹; vgl. TPMA Tür 30–33. 23f. Kein … schein] Variation des Sprichworts: ›Der Schein trügt‹; vgl. TPMA Schein 13–17. 24 außwendig gleissen] äußerer schöner Schein.

II 71 Von der Saw vnnd einem Stawber.

DG 499

Vorlage [Abstemius, Nr. 41 = Dorpius, Nr. 181, Bl. 53a] De Sue et Cane. Sus irridebat canem odorisequum, qui domino murmure et cauda adularetur, a quo artem aucupatoriam multis verberibus auriumque vellicationibus fuerat instructus. Cui canis: »Nescis«, inquit, »insane, nescis, quae ex verberibus illis sim consecutus. Per ea enim suavissimis perdicum coturnicumque carnibus vescor.« Haec fabula nos monet, ne iniquo feramus animo praeceptorum verbera, quae multorum bonorum causa esse consuevere.

Stellenkommentar Ü Stawber] Jagdhund. 1f. EJn alte Saw … einen Stawber] Der Handlungsaufbau der Fabel entspricht demjenigen von II 18, wo der Hund allerdings als Negativexempel der Unfreiheit dem Löwen gegenübergestellt wird; vgl. auch II 72. 5 zu zwahen] den Kopf zu waschen. 6 fahen] fangen. 13 Winckelw)rst] Kot. 17 Sperhn] Stare. 23f. leßt sich … tugent] Sprichwörtlich: ›Jugend mit Zucht und Tugend bringt ein gutes Alter‹; vgl. TPMA jung 136–155.

II 72 Vom Knaben vnnd einem Stiglitz.

DG 348

Vorlage [Abstemius, Nr. 43 = Dorpius, Nr. 183, Bl. 53b] De Carduele et Puero. Carduelis avis interrogata a puero, a quo in deliciis habita et suavibus et largis cibis nutrita fuerat, cur cavea egressa regredi nollet: »Ut meo«, inquit, »me arbitratu, non tuo pascere possim«. Haec fabula indicat vitae libertatem cunctis deliciis anteponendam.

Stellenkommentar 2 Keuit] Käfig. 13 Die freiheit … kleynat] Sprichwörtlich; siehe zu II  18,91. 15 verliesen] verlieren. 16 kiesen] wählen.

Kommentar zu II 73

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II 73 Vom Weydtman vnd einem Sperling. Vorlage [Abstemius, Nr. 39 = Dorpius, Nr. 179, Bl. 52bf.] De Aucupe et Fringilla. Auceps tetenderat volucribus retia largamque illis in area effunderat escam, poscentes tamen aves non capiebat, quia sibi videbantur paucae, quibus pastis ac avolantibus aliae pastum adveniunt. Quas quoque propter paucitatem capere neglexit, hoc per totum diem ordine servato ac aliis advenientibus, aliis abeuntibus, illo semper maiorem praedam exspectante tandem advesperascere coeperit. Tunc auceps amissa spe multas capiendi, cum iam tempus esset quiescendi, attrahens retia unam tantum fringillam, quae infelix in area remanserat, cepit. Haec fabula indicat, qui omnia comprehendere volunt, saepe pauca vix capere posse.

Stellenkommentar 2 Garn vnd H)tten] Klappnetze und Hütte. Der Vogelherd (vgl. V. 5: herdt) bestand aus zwei parallel auf dem Boden liegenden Netzen, die durch eine Schnur zusammengezogen werden konnten und die Vögel unter sich einschlossen. Der Vogelsteller verbarg sich in einer getarnten Hütte, die fest gebaut oder tragbar sein konnte, und überwachte den Fangplatz; vgl. Sigrid Schwenk, Zur Terminologie des Vogelfangs im Deutschen. Eine sprachliche Untersuchung auf Grund der deutschen didaktischen Literatur des 14. bis 19. Jahrhunderts, Diss. Marburg  1967, S.  191–288. 3 Zohe] zog. 3 zustellen] Vogelnetze auszulegen. 4 fellen] fangen. 5 Richt zu ein herdt/ mit Gersten etzt] bereitete einen Fangplatz vor (vgl. zu V. 2) und lockte sie (die Vögel) mit Gerstenkörnern. 9 on gefehr] ungefähr. 21 Des … m gen schemen] für die (oder: wofür) er sich doch hätte schämen müssen. 24 Der selbig … vberzohen] über dem wurde da das Netz zusammengezogen. 25 Schweydler] Jagdtasche. 26 kleckt] nützt. 27 ichts] etwas. 28 alles nichts] gar nichts. 29 Die] Diejenigen, die sich. 30 viel gedancken vberkomen] viele Einfälle haben; vgl. DWb 23, Sp. 345–347.

II 74 Vom Balcken vnd den Ochssen.

DG 50

Vorlage [Abstemius, Nr. 42 = Dorpius, Nr. 182, Bl. 53af.] De Trabe Boum pigritiam increpante. Trabs, quae curru vehebatur, boves ut lentulos increpabat dicens: »Currite pigri, onus enim leve portatis.« Cui boves: »Irrides nos«, responderunt, »ignara, quae te poena maneat. Onus hoc nos cito deponemus. Tuum autem tu, quo abrumparis, sustinere cogeris.« Indoluit trabs nec amplius boves cum vitiis lacessere ausa est. Haec fabula quemlibet monet, ne alium insultet calamitatibus, cum ipse possit maioribus subiacere.

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Kommentar zu II 75

Stellenkommentar 4 Zu solcher last … vier] Gemeint ist: sind wirklich vier von euch für diese Last nötig? 6 Achssen] Die Drucke EF haben Achsseln. 9 außfegen] schmähen; vgl. FWB 2, Sp. 991, mit nur diesem Beleg. 13 dich hindern … krawen] Redensartlich: ›sich hinter den Ohren kratzen‹, im Sinne von: ›ratlos oder in Verlegenheit sein‹; vgl. TPMA kratzen 65–67 sowie DWb 11, Sp. 2077 und 2086. 20 Das Wasser … geht] Sprichwörtlich: ›Das Wasser geht über die Körbe‹; vielfach bei Luther bezeugt (vgl. TPMA Wasser 320–327). Vgl. auch Röhrich, S.  1701f., mit fragwürdiger Herleitung (vgl. WA  51, S.  702). 22 trotten] Bedrängnis; vgl. DWb 22, Sp. 1076, mit Bezug auf diese Stelle. 24 vnser nehste leit] unser Nächster liegt. 27f. schrey niemandt … gesprungen] Sprichwörtlich; seit dem 15. Jh. spärlich belegt: ›Hew‹ minime dicas, nisi transieris prius aquas. ›Sage keineswegs juhe, wenn du zuvor die Wasser nicht überquert hast‹ (TPMA Wasser 336); vgl. auch Walther, Nr. 10737.

II 75 Vom Bischoff vnd einem Lotterbuben.

Pauli 344

Vorlage [Abstemius, Nr. 44 = Dorpius, Nr. 184, Bl. 53bf.] De Scurra et Episcopo. Scurra quidam Kalendis Ianuarii ad episcopum quendam divitem quidem, sed avarum, accedens numisma aureum strenae nomine petiit. Antistes insanire hominem dixit, qui crederet tantam pecuniam sibi in strenam dari. Tunc Scurra numum argenteum efflagitare coepit. Sed cum ille hoc quoque nimium sibi videri diceret, aereum quadrantem, ut saltem sibi traderet, orabat. Sed cum ne hunc quoque posset ab episcopo extorquere: »Reverende«, inquit, »pater, saltem benedictione tua me pro strena imperti.« Tunc episcopus: »Flecte«, inquit, »genua, fili, ut te benedicam.« »At ego«, inquit scurra, »benedictionem istam tuam tam vilem nolo. Si enim numum aereum valeret, eam mihi numquam profecto concederes.« Haec fabula contra eos episcopos et sacerdotes conficta est, qui divitias et opes plures faciunt quam cuncta ecclesiae sacra atque mysteria.

Stellenkommentar 1 Lotterbub] Vagabund. 2 Sein Bengel] seinen Stock; vgl. zu IV  4,22. 4 g)lden] Goldmünze; siehe zu I  14,58. 4 zum newen Jar] Der Brauch, zum Neuen Jahr Geschenke zu erbitten, die sowohl dem Gebenden als auch dem Beschenkten Glück bringen sollten, ist seit dem Spätmittelalter vielfach belegt (vgl. Holtorf, bes. S. 199f. zu dieser Stelle). 5 karger] geiziger. 6 Freiet] Landstreicher. 7 hab den Ritten] Fluchformel; gemeint ist der Ritte oder Ritten, das ›kalte Fieber‹. Vgl. Röhrich, S. 1247; Agricola, Sprichwörter I 478; mit zahlreichen Belegen DWb 14, Sp. 1051–1053. Ähnliche Verwünschungen auch in III 89,27; III 98,60; IV 43,25; IV 46,33; IV 59,35; vgl. IV 70,51. 10 Ob] wenn. 11 Batzen] Seit dem Ende des 15. Jhs. im oberdeutschen Raum häufig geprägte Münze von sehr unterschiedlichem Wert; ursprünglich eine Vier-Kreuzer-Münze von

Kommentar zu II 76

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hoher Anpassungsfähigkeit an die Markterfordernisse (geschlagen wurden auch Halb- und Viertelbatzen). Schon 1523 unterschied man in Nürnberg je nach der Güte zehn Wertklassen; vgl. Schrötter, S. 63f. Mit der Reichsmünzordnung 1524 wurde versucht, alle in Umlauf befindlichen Batzen in ihrem Wert zu bestimmen; mit der Münzordnung 1559 wurde er ersetzt. Siehe zu I 27,19. 15 mag] kann. 16 Pfenning] Geringwertige Münze; siehe zu I 90,98. 20 Denn] außer. 24 d rfft jn zwar] braucht ihn sicher. 27 weydlich] ordentlich. 29 Carlin] Eine im 13. Jh. in Neapel, später auch in anderen italienischen Münzstätten geprägte Gold-, seit dem 14. Jh. Silbermünze von etwa drei Gramm Gewicht; vgl. Schrötter, S. 93. Siehe zu I 27,19. 35 mit dem Bann gefatzt] mit dem Kirchenbann (Exkommunikation) verhöhnten; die gleiche Formulierung in IV 69,208. 36 Ablaß] Nachlass zeitlicher Sündenstrafen im Fegefeuer durch den (auch käuflichen) Erwerb eines Anteils vom ›Schatz der guten Werke‹ Christi und der Heiligen (Thesaurus meritorum). Zugrunde liegt – vereinfachend gesagt – die Vorstellung, dass die Heiligen mehr gute Werke geleistet haben, als es zum Gewinn des Seelenheils nötig ist, und dass dieser Überschuss von der Kirche an die Gläubigen verteilt werden kann. Siehe auch zu IV  4,81. 36 als] alles. 43 michs erwegen] mich entschlossen. 43–48 F)r mein person … verlassen] Vgl. Einleitung, S. 9.

II 76 Von der Wydhopffen.

DG 587

Vorlage [Abstemius, Nr. 45 = Dorpius, Nr. 185, Bl. 54a] De Upupa indigne honorata. Invitatae fere omnes aves ad aquilae nuptias indigne ferebant upupam ceteris praeferri, quia corona insignis esset et versicoloribus pennis ornata, cum semper inter stercora et sordes solita esset volutari. Haec fabula stultitiam eorum arguit, qui in hominibus honorandis potius vestitum nitorem praestantiamque formae quam virtutes moresque soleant attendere.

Stellenkommentar 6 stad] Stand. 8f. trug … gstalt] Vgl. BDN, S. 228, Z. 2–4: ez ist ain schoener vogel und hât ainen vedreinen kamp auf dem haupt, den füert er sam ainen gekroenten helm. 11 stinckend Wydehopff] Siehe zu II 27,42. 13 kath] Dreck. 17 prangen] glänzendes Auftreten. 17 prachten] Prahlerei; vgl. FWB  4, Sp. 894, mit Bezug auf diese Stelle.

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Kommentar zu II 77

II 77 Vom Pfaffen vnd den Biern. Vorlage [Abstemius, Nr. 46 = Dorpius, Nr. 186, Bl. 54af.] De Sacerdote et Piris. Sacerdos quidam gulosus extra patriam ad nuptias proficiscens, ad quas fuerat invitatus, reperit in itinere pirorum acervum, quorum ne unum quidem attigit, quamvis magna affectus fame, quin potius ea ludibrio habens lotio conspersit. Indignabatur animi huiusmodi cibos sibi in itinere offerri, qui ad lautas accedebat epulas. Sed cum in itinere torrentem quendam ita imbribus auctum offendisset, ut sine vitae periculo eum transire non posset, domum redire constituit. Revertens autem ieiunus tanta est oppressus fame, ut nisi pira illa, quae urina consperserat, comesset, cum aliud non inveniret, extingueretur. Haec fabula monet nihil esse contemnendum, cum nihil sit tam vile et abiectum, quod aliquando usui esse non possit.

Stellenkommentar 11 bseicht] ›bepinkelte‹. 15 zum essen war jm gach] er wollte bald etwas essen. 20 vbergab] aufgab. 22 one fahr] ohne Gefahr. 23 on seinen danck] unfreiwillig. 31f. Die alten Schuh … newes par] Sprichwörtlich: ›Man soll die alten Schuhe nicht wegwerfen, bevor man neue hat‹; vgl. TPMA Schuh 41f.

II 78 Vonn der Saw/ vnnd einem Pferdt.

DG 500

Vorlage [Abstemius, Nr. 48 = Dorpius, Nr. 188, Bl. 54bf.] De Porco et Equo. Porcus conspiciens equum bellatorem, qui cataphractus ad pugnam prodibat: »Stulte«, inquit, »quo properas, in pugna enim fortasse morieris.« Cui equus: »At tibi inter lutum sordesque impinguato quamvis nihil dignum laude gesseris, cultellus adimet vitam, mortem vero meam comitabitur gloria.« Haec fabula innuit honestius esse rebus praeclare gestis occumbere quam vitam turpiter actam protrahere.

Stellenkommentar 2 welig] mutig; vgl. DWb 27, Sp. 573, auch mit Bezug auf diese Stelle. Die Drucke BCEF haben weilig. 2 freudig] kühn, wild; vgl. DWb 4, Sp. 102f. und 158f.; III 94,276; III 97,48; IV 99,167. 4 Barsen] schützende Decke unter dem eigentlichen Rossharnisch; vgl. FWB 3, Sp. 25. 9 bracht] Ruhm. 10 vngeschlacht] Rohling. 13 kat] Dreck. Literatur Lieb, S. 103.

Kommentar zu II 79

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II 79 Vom Cartheuser vnd Landtsknecht. Vorlage [Abstemius, Nr. 50 = Dorpius, Nr. 190, Bl. 55b] De Eremita et Milite. Eremita quidam vir sanctissimae vitae militem hortabatur, ut relicta saeculi militia, quam absque dei offensa et animae discrimine pauci exercent, tandem se corporis traderet quieti et animae consuleret saluti. Cui miles: »Faciam«, inquit, »quod mones, pater. Enim verum est, quod hoc tempore milites neque stipendia exigere valeant, licet exigua sint, neque praedari possint.« Fabula significat multos vitiis renuntiare, quia illa amplius exercere non possunt.

Stellenkommentar 7 zerhudelt] zerzaust. 9 Ohm] Oheim, Onkel. 13 Buben] zum Schurken. 14 vben] ausüben. 21 Gartten] marodierend und bettelnd durchs Land ziehen; vgl. FWB 6, Sp. 130f., auch mit Bezug auf diese Stelle. 21 Mausen] Stehlen; vgl. DWb 12, Sp. 1827f., auch mit Bezug auf diese Stelle. 25 schlechte] leichte. 28 schreiben] anerkennen. 30 verhelen] Eigentlich: verbergen. Der Sinn ist unklar; Tittmann erklärt: »den Dienst versagen«. 32 auff Teutsch] Redensartlich im Sinne von: ›deutlich gesagt‹; vgl. Brant, Narrenschiff 83,21; Röhrich, S. 316f. 32 Galgen rew] falsche Reue. Vgl. Luther (WA  1, S.  99, Z.  8–10): duplex est contritio seu poenitentia interior, una scilicet ficta quae vocatur vulgo GalgenReue, quod facile videtur in iis, qui statim recidivant et saepius ita ruunt; ferner DWb 4, Sp. 1177. 39 darff wol] hat wohl nötig.

II 80 Vom Witwer vnd Witwen. Vorlage [Abstemius, Nr. 51 = Dorpius, Nr. 191, Bl. 55bf.] De Viro et Uxore et bigamis. Vir quidam defuncta uxore, quam valde dilexerat, duxit alteram et ipsam viduam, quae assidue ei prioris mariti virtutes fortiaque facinora obiciebat. Cui, ut par referret, ipse quoque defunctae uxoris mores probatissimos pudicitiamque insignem referebat. Quadam autem die viro irata pauperi eleemosynam petenti partem caponis, quem in cenam utrisque coxerat, dedit dicens: »Do tibi hoc pro anima prioris viri.« Quod audiens maritus accersito paupere reliquum caponis dedit dicens: »Et ego quoque do tibi hoc pro anima uxoris meae defunctae.« Sic illi, dum alter alteri nocere cupiunt, quid cenarent, tamen non habuerunt. Haec fabula monet non esse contra eos pugnandum, qui se possint optime vindicare.

Stellenkommentar 2 Der Teuffel … Mutter] Gemeint ist: so kam ein Böser zu einer ebenso Bösen. Zur Vorstellung von der Mutter/Großmutter des Teufels siehe Röhrich, S. 1619f., mit Literatur. Vgl. auch die Belege TPMA Teufel  1.19. 12f. All malzeit … kopff] Gemeint ist wohl: bei jeder Mahlzeit stellte sie als erstes den Trinkbe-

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Kommentar zu II 81

cher (kopff) ihres Mannes auf den Tisch. 16 anhin geigen] weiterreden; vgl. FWB 6, Sp. 616, mit Bezug auf diese Stelle. 17 feyßten Capaun] fettes Masthähnchen. 25 weydlich] ordentlich. 30 bider] rechtschaffen. 32 heint] heute Nacht. 32 rhew] Ruhe; vgl. DWb 10, Sp. 888, auch mit Bezug auf diese Stelle. 36 feyhl] Mangel. 40 Jn] gegen. 41f. Wer einen Steyn … eygen Hauß] Vgl. Sir 28,28: WEr den Stein in die höhe wirfft/ dem fellet er auff den kopff; sprichwörtlich (vgl. TPMA Stein 160–166). 43 F)r dem starcken … kr)mmen] Röhrich, S. 896, zitiert das im 16. Jh. belegte Sprichwort: ›Man muss sich krümmen, wenn man durch die Welt kommen will‹ (vgl. ebd., S.  1714, Abb.). Vgl. auch lat. Maiori concede (TPMA nachgeben  5; ferner Walther, Nr.  14287). 44 B ß] schlecht. 44 gegen das Wasser schwimmen] Vgl. Sir 4,31: strebe nicht wider den strom. Redensartlich; vgl. Röhrich, S. 1450 und 1578, sowie TPMA Strom 75–77. 45 Fall … straff] hindere den Mächtigen nicht an der Ausübung der Strafe. 46 nicht gegen Back fen gaff] Sprichwörtlich; siehe zu I 37,14.

II 81 Vom Wachß.

DG 575

Vorlage [Abstemius, Nr. 54 = Dorpius, Nr. 194, Bl. 56b] De Cera duritiem appetente. Cera ingemiscebat se mollem et cuicumque lenissimo ictu penetrabilem procreatam. Videns autem lateres ex luto multo se molliori factos in tantam duritiem ignis calore pervenisse, ut multa perdurarent saecula, se iecit in ignem, ut eandem duritiem consequeretur. Sed statim igne liquefacta consumpta est. Hac admonemur fabula, ne appetamus, quod est nobis natura denegatum.

Stellenkommentar 12 Wacken] harten Steine; vgl. DWb 27, Sp. 205, mit Bezug auf diese Stelle, sowie III 68,6. Möglicherweise sind hier auch kleine Brote gemeint, die hart ausgebacken wurden, um eine möglichst lange Haltbarkeit zu erreichen; vgl. Schubert, S. 84, 88 u.ö.

II 82 Vom Esel/ vnd Lotterbuben.

DG 106

Vorlage [Abstemius, Nr. 56 = Dorpius, Nr. 196, Bl. 57af.] De Asino et Scurra. Asinus indigne ferens scurram quendam honorari et pulchris vestibus amiciri, quia magnos ventris edebat sonos, ad magistratus accessit petens, ne se minus quam scurram honorari vellent, et cum magistratus admirantes eum interrogarent, cur se ita honore dignum duceret, inquit: »Quia maiores quam scurra crepitus ventris emitto eosque absque foetore.« Haec fabula eos arguit, qui in rebus levissimis suas pecunias profundunt.

Kommentar zu II 83

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Stellenkommentar 5 h)bsch] vornehme. 7 f)r den Rath] vor die Ratsversammlung. 10 Baß wirdig] viel würdiger. 13 schnorcken/ fartzen] schnarchen (wohl auch im Sinne von: grunzen) und furzen. 14 Gumpen … schnartzen] springen und furzen. 16 F)nff … singen] Dem Esel wird grundsätzlich jedes Musikverständnis abgesprochen; vgl. Heimo Reinitzer, Asinus ad tibiam. Zur Ikonographie einer Hamburger Grabplatte, in: Vestigia Bibliae  2 (1980), S.  89–125. Vgl. auch I  90,10. 17 Kan baß] kann ich besser. 18 Destbilicher] desto rechtmäßiger. 20 jrn f)rwitz b)ssen] ihre Neugier befriedigen. 22 kost vnd pracht] Aufwand und Gepränge.

II 83 Vom Brunnen/ vnnd seinem außfluß.

DG 40

Vorlage [Abstemius, Nr. 57 = Dorpius, Nr. 197, Bl. 57b] De Amne suum Fontem conviciis lacessente. Amnis quidam suum conviciis fontem lacessebat ut inertem, quod immobilis staret nec ullos haberet pisces, se autem plurimum commendabat, quod optimos crearet pisces et per valles blando murmure serperet. Indignatus fons in amnem velut ingratum undas repressit. Tunc amnis et piscibus et dulci sono privatus evanuit. Haec fabula eos notat, qui bona, quae agunt, sibi arrogant, non deo attribuunt, a quo largo fonte nostra bona procedunt.

Stellenkommentar Ü Brunnen] Quelle. 5 letzen] angreifen. 12 jr fudrung han] ihre Nahrung finden. 17 zustundt] sogleich. 19 frommer] Anständiger. 21f. Die alten … schatten] Sprichwörtlich: ›Einen Baum, der Schatten gibt, soll man ehren‹; vgl. TPMA Baum 200–216.

II 84 Vom bsen Buben/ vnnd dem Teuffel. Vorlage [Abstemius, Nr. 58 = Dorpius, Nr. 198, Bl. 57bf.] De Viro maligno et Daemone. Vir malignus cum plurima perpetrasset scelera et saepius captus et carcere conclusus at artissima et pervigili custodia teneretur, daemonis auxilium implorabat, qui saepenumero illi affuit et e multis eum periculis liberavit. Tandem iterum deprehenso et solitum auxilium imploranti daemon magnum calceorum pertusorum fascem super humeros habens apparuit dicens: »Amice, amplius tibi auxilio esse non possum, tot enim loca pro te liberando hactenus peragravi, ut hos omnes calceos contriverim. Nulla mihi superest pecunia, qua alios valeam comparare. Quare pereundum est tibi.« Haec admonet fabula, ne existimemus nostra semper impunita fore peccata.

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Kommentar zu II 85

Stellenkommentar 3 trost] Hilfe. 5 Welchs … erst verhieß] wie ihm der Teufel zu Anfang versprochen hatte. Der Teufel gilt häufig als zuverlässiger Vertragspartner; vgl. Renate Zelger, Teufelsverträge. Märchen, Sage, Schwank, Legende im Spiegel der Rechtsgeschichte, Frankfurt/M. u.a. 1996 (Rechtshistorische Reihe 149), S. 104– 118. 8 ziel] Im Sinne von: das, was kommen musste. 12 Stock] Gefangenenstock; ein schwerer Holzblock, der aus zwei zusammengeschlossenen Hälften bestand; zwischen ihnen wurden Füße und Hände, seltener der Hals des Gefangenen eingeschlossen. 24 Halt doch] doch meine ich. 24 hoffen] Die Drucke CE haben Hoffart, F hat Hoffnung. 24 vmbsust] umsonst. 25 genglin] Gang (zum Galgen o.ä.). 28 gerawen] reuen; syntaktisch bezogen auf thut (V.  27). 32 sein gemeyn … Hellen] zur Gemeinschaft in der Hölle gehört.

II 85 Von Vgeln vnd jrem Knige.

DG 350

Vorlage [Abstemius, Nr. 59 = Dorpius, Nr. 199, Bl. 58a] De Avibus plures reges eligere volentibus. Aves consultabant de pluribus regibus eligendis, cum aquila tantos volucrum greges sola regere non posset, fecissentque voto satis, nisi cornicis monitu a tali consilio destitissent, quae, cum causam rogaretur, cur non plures reges duceret eligendos: »Quia difficilius«, inquit, »plures quam unus saccus implentur.« Haec fabula docet longe melius ab uno quam a multis principibus gubernari.

Stellenkommentar 3 Kiesen] zu wählen. 3 K nig] Der Adler ist in der Tierepik der König der Vögel; vgl. III 7,9 sowie zu I 10,7. 14 desselben gleben] danach leben. 16 mag] hinein kann. 17 Jr habt viel baß] ihr solltet viel besser. 19 Herrn vnd M)ntz] Siehe zu I 27,19. 20 verliesen] verlieren; gemeint ist: vor der Wahl eines neuen Herrn muss das Rechtsverhältnis zum alten aufgekündigt werden. 21 machens nit auß] Etwa: das führt zu keinem Erfolg. 22 Dient nit … hauß] Sprichwörtlich: ›Zwei Narren in einem Haus sind zuviel‹; vgl. TPMA Narr 918–921. Dient nit ist hier wohl im Sinne von ›es taugt nichts‹ verwendet; vgl. DWb 2, Sp. 1107f. 23 sich … vernewen] seine Lebensumstände oft verändern will. 24 am Rewel kewen] bereuen; vgl. zu I  18,42. 25–30 Die Fliegen … beissen sehr] Vgl. IV 52, 23–32. 28 geflohen] geflogen. 30 Die magern … sehr] Sprichwörtlich: ›Die Mücke beißt schlimm, wenn sie Hunger hat‹; vgl. TPMA Mücke 6–8; ferner TPMA Fliege 18–29.

Kommentar zu II 86

II 86 Wie ein Fraw f(r jhren Mann sterben wolt.

173 ATU 1354

Vorlage [Abstemius, Nr. 60 = Dorpius, Nr. 200, Bl. 58a] De Muliere, quae pro viro se mori velle dicebat. Matrona quaedam admodum pudica et viri amantissima aegre ferebat maritum adversa valetudine detineri. Lamentabatur, ingemiscebat et, ut suum in virum amorem testaretur, rogabat mortem, ut, si maritum sibi esset ereptura, se potius quam illum vellet occidere. Inter haec verba mortem cernit horribili aspectu venientem, cuius timore perterrita et iam sui voti poenitens: »Non sum ego«, inquit, »quem petis. Iacet ibi in lecto, quem occisura venisti.« Haec fabula indicat neminem esse adeo amantem amici, qui non malit sibi bene esse quam alteri.

Stellenkommentar 8 außkiesen] wählen. 16 gundt] begann. 18 an meinen Reyen] in meinen Reigen (Anspielung auf den Totentanz). 19 fahr schon] sei nicht so eilig; siehe zu II 33,37. 30 m cht ersparn] retten könnte. 31f. Schwerdt … den Todt magst meiden] Vgl. III 34,15f. 40 zwar] sicher. 41f. Niemandt liebt … nehsten] Das Sprichwort: ›Jeder ist sich selbst der Nächste‹ (TPMA nah 3.1.) erscheint hier verschränkt mit der biblischen Forderung: ›Liebe deinen Nächsten wie dich selbst‹ (Mt 19,19 u.ö.).

II 87 Von einem J(nglinge. Vorlage [Abstemius, Nr. 61 = Dorpius, Nr. 201, Bl. 58b] De Adolescente in funere matris canente. Vir quidam defunctam uxorem, quae ad sepulcrum efferebatur, lacrimis et fletibus prosequebatur. Filius vero eius canebat, qui, cum a patre increparetur, ut amens et insanus, qui in matris funere cantaret, cum una secum moestus esse et flere deberet, inquit: »Pater mi, si sacerdotes, ut canerent, conduxisti, cur mihi irasceris gratis concinenti?« Cui pater: »Non tuum«, inquit, »et sacerdotum est idem officium.« Fabula indicat non omnia omnibus esse decora.

Stellenkommentar 8 Er] der Sohn. 12 Mag] Hier: darf. 14 andern bfehl] anderes Amt; vgl. FWB  3, Sp.  460, mit Hinweis auf diese Stelle. 18 Alls … wol gethan] Vgl. I 13,45f. 19 bleib … standt] Siehe I 4,22–24 und zu I 13,55. 20 das ers sey bekandt] dass er damit vertraut sei.

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Kommentar zu II 88

II 88 Wie ein Mann sein Weib zu h(ten gab. Vorlage [Abstemius, Nr. 62 = Dorpius, Nr. 202, Bl. 58bf.] De Viro zelotypo, qui uxorem dederat custodiendam. Vir zelotypus, uxorem quam parum pudice vivere compererat, cuidam amico, cui plurimum fidebat, dederat custodiendam ingentem pollicitus pecuniam, si eam ita diligenter observaret, ut nullo modo coniugalem violaret copulam. At ille, ubi aliquot dies expertus custodiam hanc nimis difficilem et ingenium suum versutia mulieris vinci comperisset, ad maritum accedens dixit se amplius nolle hanc tam duram gerere provinciam, quandoquidem ne Argus quidem, qui totus oculeus fuit, mulierem invitam posset custodire. Addidit praeterea, si necesse sit, malle se anno integro saccum plenum pulicibus cotidie in pratum deferre solutoque sacco eos inter herbas pascere vespereque facto omnes domum reducere quam una die impudicam mulierem servare. Haec fabula indicat nullos custodes esse ita diligentes, qui impudicas mulieres valeant custodire.

Stellenkommentar 2 Die … genaw] auf die musste er sehr gut aufpassen. 4 den Hundt … hincken lassen] Redensartlich im Sinne von ›falsch, unzuverlässig sein‹; vgl. Röhrich, S. 760. 12 Des globt] dafür versprach. 23 Argo] Argus, hundertäugiger Wächter der Io (vgl. Ovid, Metamorphosen I 622–723). 26 k)tzel] Kitzel, sexuelles Verlangen; vgl. III 6,3; III 83,3; IV 93,16. 27 wolt] er wolle. 27–34 wolt lieber … bewaren] Der Vergleich ist sprichwörtlich; vgl. TPMA Frau 733–738; Röhrich, S. 461f. (mit Hinweis auf diese Stelle); Flugblätter I 97f. mit Literatur. 28 flor] Flöhe. 33 fahren] Gefahren. 35–40 Wer … Hopffen] Euling, S. 381, sieht in diesen Versen eine Verbindung zur Priamel-Tradition (›Frauenhüten‹). Vgl. zu IV 93,44–204. 35 Zigel … w schen] Redensartlich: ›einen Ziegel waschen‹; eine Variante der Redensart ›einen Mohren weiß waschen wollen‹ (vgl. zu IV 95,177), im Sinne von ›etwas Unmögliches versuchen‹. Vgl. auch die Belege zur ›Ziegelwäsche‹ in TPMA Frau 679, 690, 693, 697, 699f.; Franck, Sprichwörter, S. 22, Z. 12f., sowie den Holzschnitt zu Brant, Narrenschiff 32. 36 lere stroh … dreschen] Redensartlich im Sinne von ›eine vergebliche Arbeit verrichten‹; vgl. Röhrich, S. 1575f., sowie TPMA Stroh 149–153. 38 vnkeuschen Frawen h)ten] Franck, Sprichwörter, S. 53f., zählt das Weiber h)ten (S. 54, Z. 5) zu den Beispielen für Vergebne arbeyt (S. 53, Z. 26). 40 verleußt … Maltz vnd Hopffen] Redensartlich im Sinne von ›es ist alle Mühe vergeblich‹; vgl. Röhrich, S. 736f., mit Hinweis auf diese Stelle.

Kommentar zu II 89

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II 89 Vom Krancken/ vnd den Artzten. Vorlage [Abstemius, Nr. 63 = Dorpius, Nr. 203, Bl. 59a] De Viro clisteria recusante. Vir quidam natione Germanus dives admodum aegrotabat, ad quem curandum plures accesserant medici (ad mel enim catervatim convolant muscae), quorum unus inter cetera dicebat opus esse clysteribus, si vellet convalescere. Quod cum vir huiuscemodi insuetus medicinae audiret, furore percitus medicos domo eici iubet dicens eos esse insanos, quia cum caput sibi doleret, podici vellent mederi. Haec fabula innuit omnia etiam salutaria insuetis et inexpertis aspera et obfutura videri.

Stellenkommentar 1 wie man brichtet mich] Siehe zu I 45,3. 5f. Als wo … mit hauffen] Sprichwörtlich: ›Honig zieht die Fliegen und Mücken an‹; vgl. TPMA  48–57. 7 Harm] Urin. Die sogenannte Harnschau war eine wichtige Methode medizinischer Diagnose; vgl. Friedrich von Zglinicki, Die Uroskopie in der bildenden Kunst. Eine kunst- und medizinhistorische Untersuchung über die Harnschau […], Darmstadt  1982. 10 Clystier] Einlauf. 11f. Auff das … hundert pfundt] Unklare Syntax. Kurz und Sanders, S.  193f., ordnen Vers  12 der Rede des Arztes zu: ›Eher (Er) lässt es (die Krankheit) nicht nach, (ich wette) um 100 Pfund‹. Auf die ärztliche Behandlung ist der hohe Geldbetrag wohl nicht zu beziehen (›wir setzen ein Klistier für 100 Pfund, eher lässt die Krankheit nicht nach‹). Vers 12 ist auch als Erzählerrede lesbar: ›er (der Arzt, der auf einer falschen Behandlung besteht) unterlässt es auch für 100 Pfund nicht‹ (so Sandvoss, S. 142f.); ein entsprechender Gebrauch von ›nachlassen‹ (vgl. DWb 13, Sp. 85) auch in IV 85,7. 15 mit zorn bewagen] von Zorn bewegt. 22 sich dazu begeben] sich damit abgegeben. 23 andt] weh. 24 Blatern] Blasen.

II 90 Vom kranckenn Esel.

DG 125

Vorlage [Abstemius, Nr. 64 = Dorpius, Nr. 204, Bl. 59a] De Asino aegrotante et Lupis visitantibus. Asinus aegrotabat, famaque exierat eum cito moriturum. Ad eum igitur visendum cum lupi canesque venissent peterentque a filio, quomodo pater eius se haberet, ille per ostii rimulam respondit: »Melius quam velletis.« Haec indicat fabula, quod multi fingunt moleste ferre mortem aliorum, quos tamen cupiunt celeriter interire.

Stellenkommentar 7 Der v ll] das Eselfohlen. 9 sich baß zutregt] ist besser. 10 leicht] wahrscheinlich. 13f. Aue … Graue] Auf den lat. Gruß Ave wird hier im Wortspiel lat. gravis, -e mit der Bedeutung ›unfreundlich, verdrossen, unangenehm‹ gereimt. 15 Schaff] Wassergefäß, Zuber. 15f. K ntens … sencken] Der Sinn

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Kommentar zu II 91

ist wohl: ›wenn sie ihm ohne Umstände schaden könnten, würden sie das auf direktem Wege tun‹. 17f. Hilfft aber nicht … Esel sterben] Etwa: ›Das tägliche Prügeln der Hunde verhindert nicht, dass die Esel sterben‹.

II 91 Vonn dem Nußbaum.

DG 438

Vorlage [Abstemius, Nr.  65 = Dorpius, Nr.  205, Bl.  59b] Quod Nuci, asino et Mulieri prosunt verbera. Mulier quaedam interrogabat nucem secus viam natam, quae a praetereunte populo saxis impetebatur, quare esset ita amens, ut quo pluribus maioribusque verberibus caederetur, eo plures praestantioresque fructus procrearet. Cui iuglans: »Es ne«, inquit, »proverbii immemor ita dicentis? Nux, asinus, mulier simili sunt lege ligati. | Haec tria nil recte faciunt, si verbera cessent.« Haec fabula innuit saepe homines propriis iaculis se solere confodere.

Stellenkommentar 12 solchen muth] solche Absicht. 17–19 Man sagt … nimmer gut] Vgl. ein Priamel von Hans Rosenplüt: Ein orglock und ein wollenpogen | Und ein pose kinder ungezogen | Und eins herten dürren stockvisch leip | Und ein nußpaum und ein pöß weip | Und ein alter esel, der seck sol tragen: | Die sieben tun nichts ungeslagen (zitiert nach Euling, S. 564). Die letzten drei Verse sind im Spanischen als sprichwörtlich belegt; vgl. TPMA Esel  221. 28 Der wirdt bericht] dem wird Auskunft gegeben. 31 feyhl] Fehler. 35f. Mit dem Schwerdt … Maultatschen] Das ›Schwert in der Waffel‹ ist eine Metapher für die Zunge im Mund, mit der Böses gesagt wird; vgl. TPMA Mund 84f.: ›Böses Maul ist schärfer als ein Schwert‹ und TPMA Zunge 7.6. Die ›Scheide‹ meint die Lippen, in denen das ›Schwert‹ steckt und die zur Strafe für die Scharfzüngigkeit einen Schlag (ein Maultatschen) versetzt bekommen.

II 92 Von der Mauß vnd einer Katzen.

DG 422

Vorlage [Abstemius, Nr. 67 = Dorpius, Nr. 207, Bl. 60a] De Mure, quae cum Fele amicitiam contrahere volebat. Mures complures in cavo parietis commorantes contemplabantur felem, quae in tabulato capite demisso et tristi vultu recumbebat. Tunc unus ex eis: »Hoc animal«, inquit, »benignum admodum et mite vide. Vultu enim ipso sanctimoniam quandam praefert, volo ipsum alloqui et cum eo indissolubilem nectere amicitiam.« Quae cum dixisset et propius accessisset, a fele captus et dilaceratus est. Tunc ceteri haec videntes secum dicebant: »Non est profecto, non est vultui temere credendum.«

Kommentar zu II 93

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Haec fabula innuit non ex vultu, sed ex operibus homines iudicandos, cum sub ovili pelle saepe atroces lupi delitescant.

Stellenkommentar 9 gespan] Gesellen. 11 gsicht] Blick. 15 kundtschafft] Bekanntschaft. 20 jahen] sagten. 25f. Vndern Schafskleidern … Wolffe] Redensartlich; siehe zu I 90,81–84. Literatur Lieb, S. 63f.

II 93 Vom m(den Esel.

DG 95

Vorlage [Abstemius, Nr. 66 = Dorpius, Nr. 206, Bl. 59bf.] De Asino laborum finem non inveniente. Asinus hiberno tempore plurimum angebatur, quod nimio afficeretur frigore et durum palearum haberet victum. Quare vernam temperiem et teneras herbas optabat. Sed cum ver advenisset cogereturque a domino, qui figulus erat, argillam in aream et ligna in fornacem indeque lateres, imbrices, tegulas ad diversa loca deferre pertaesus veris, in quo tot labores tolerabat, aestatem omnibus votis expetebat, ut dominus messe impeditus eum quiescere pateretur. Sed tunc quoque, cum messes in aream et inde domum triticum ferre compelleretur nec quieti locus sibi esset, autumnum saltem laborum finem fore sperabat. Sed ubi ne tunc quoque malorum terminum adesse cernebat, cum cotidie vinum, poma, ligna portanda essent, rursus hiemis nives et glaciem efflagitabat, ut tunc saltem aliqua sibi requies a tantis laboribus concederetur. Haec fabula indicat nulla esse praesentis vitae tempora, quae non perpetuis sint subiecta laboribus.

Stellenkommentar 5 Glentz] Frühling. 7 baß] besser. 9 vngeschleun] eifrig; vgl. DWb 24, Sp. 850, mit Bezug auf diese Stelle. 10 in Ziegel schewn] in die Ziegelei. 14 Ern] Ernte. 37 leben … steter kampff] Vgl. Hi 7,1. Sprichwörtlich: ›Das Leben ist ein Kampf‹; vgl. TPMA Leben 1.2.2.1. (ohne neuhochdeutsche Belege). 38 Nach … ein dampff] Der Wechsel von schönem und schlechtem Wetter ist sprichwörtlich; vgl. TPMA Wetter, TPMA Sonne 11.1. 38 dampff] Dunst, Nebel. 40 durch die finger sehen] Redensartlich im Sinne von: ›nachsichtig sein‹; häufig auch von Gott gesagt (Agricola, Sprichwörter II 130: Also sagt man auch von Gott/ er sihet yetz durch die finger/ er sihet ain weile z*/ Aber endtlich wirt ers auff ain mal alles zalen; S. 91, Z. 2–4). Vgl. TPMA Finger 44–86; Röhrich, S. 444; Brant, Narrenschiff 33 (Bild und Mottovers); Flugblätter I 54; Alberus, Fabeln 11,235. Vgl. auch III 93,150; IV 45,20f.; IV 71,24; IV 95,134. 42 sein Reich zukumm] Die zweite Bitte des Vaterunsers (Mt 6,10).

178

II 94 Vom Esel/ vnd seinem Herrn.

Kommentar zu II 94 DG 110

Vorlage [Abstemius, Nr. 68 = Dorpius, Nr. 208, Bl. 60af.] De Asino, qui hero ingrato servierat. Asinus, qui viro cuidam ingrato multos annos inoffenso pede servierat, semel ut fit, dum sarcina pressus esset, gravi et salebrosa incedit via, sub onere cediderat. Tunc dominus implacabilis multis verberis surgere compellebat pigrum animal et ignavum nuncupans. At ille miser inter verbera haec secum dicebat: »Infelix ego, quam ingratum sortitus sum herum. Nam quamvis ei multo tempore sine offensa servierim, tamen non hoc unum delictum tot meis pristinis beneficiis compensat.« Haec fabula in eos conficta est, qui beneficiorum sibi collocatorum immemores etiam minimam benefactoris sui in se offensam atroci poena prosequuntur.

Stellenkommentar 7 on als gefehr] unabsichtlich. 13 nicht geniessen] keinen Nutzen davon haben. 18 Verlorn … vndanckbarn thut] Sprichwörtlich: ›Alles ist verloren, was man dem Undankbaren erweist‹; vgl. TPMA Undankbarkeit 1–4; wiederholt in Vers 19f. 22 gut mit gutem … vergelten] Im Kontext des Sprichworts ›Gleiches mit Gleichem vergelten‹ (TPMA gleich 253–257) ist auch die Forderung ›Man soll Gutes mit Gutem vergelten‹ bezeugt (vgl. TPMA gut 856). Vgl. II 96,9f., und II 98,30. 23 vberw)gst] Etwa: überhäufst. Vermutlich liegt der Formulierung der Gedanke an die Balkenwaage zugrunde, so dass man umschreiben könnte: man gibt mehr, als man als Gegenleistung erwartet. Vgl. lat. rependere (siehe Vorlage zu II 96, Morale).

II 95 Vom Wolff vnnd dem Tharant.

DG 645

Vorlage [Abstemius, Nr. 69 = Dorpius, Nr. 209, Bl. 60b] De Lupo suadente Histrici, ut tela deponeret. Lupus esuriens in histricem intenderat animum, quem tamen, quia sagittis undique munitus erat, invadere non audebat. Excogitata autem eum perdendi astutia illi suadere coepit, ne pauco tempore tantum telorum onus tergore portaret, quandoquidem ne aliquid sagittarii, nisi cum proelii tempus instaret, portarent. Cui histrix adversus lupum inquit: »Semper proeliandi tempus esse credendum est.« Haec fabula innuit virum sapientem oportere adversus inimicorum et hostium fraudes semper esse munitum.

Stellenkommentar Ü Tharant] Stachelschwein; diese Wortbedeutung ist nur hier und bei Conrad Gesner bezeugt, der für das Tier neben Dornschwein auch die Namen Stachelschwein/ Meerschwein/ Taran/ und Procopick [!] kennt (Tierbuch, S. 68; Historia animalium I, S. 633, Z. 16–19: Aliqui hystricem Germanice taran uocitant,

Kommentar zu II 96

179

nescio qua origine: aliqui dornschschweyn, hoc est porcum spinosum […]: alij stachelschweyn appellant). Gewöhnlich bezeichnete ›Tarant‹ die um das süditalienische Tarent verbreiteten Taranteln, daneben auch Skorpione; vgl. DWb 21, Sp. 144. 3f. Lang spitzig Federn … in Silber gfaßt] Das Stachelschwein, das seine Stacheln der Naturkunde zufolge ›verschießen‹ kann (vgl. Historia animalium I, S. 631, Z. 59f.: spinas sagittales (missiles), u.ö.), galt als Exempel für Wehrhaftigkeit gegenüber nahen wie weiter entfernten Feinden (cominus et eminus); vgl. Emblemata, Sp. 485f. Eingang in den mundus symbolicus der Frühen Neuzeit fand das Stachelschwein mit einer Imprese des Hauses Orléans im späten  14. Jh., die vor allem unter König Ludwig XII. eine zentrale Rolle bei der herrscherlichen Selbstdarstellung spielte. Dargestellt wurde es auf Einrichtungs- und Repräsentationsgegenständen sowie auf Silbermünzen. 1498 wurde in Paris eine mehrere Meter lange Automate in Gestalt eines Stachelschweins mit goldenen und silbernen Stacheln konstruiert; vgl. Nicole Hochner, Louis XII and the porcupine: transformations of a royal emblem, in: Renaissance Studies 15,1 (2001), S. 17–36. Gesner kennt die Stacheln als Schmuck auf den Hüten von Pilgern und als Instrument zum Scheiteln der Haare (Tierbuch, S. 68f.; Historia animalium I, S. 634, Z. 30). 5 Wahlen] Italiener. 5 Spineta] Als Tier nicht nachgewiesen; das Wort bezeichnet ein dorniges Dickicht sowie, schon im 16. Jh., das Spinett. Gesner nennt als italienischen Namen porco spinoso (Tierbuch, S. 68; Historia animalium I, S. 633, Z. 6), im Französischen ist porc espic mehrfach belegt (vgl. ebd.). 9 zannen] Zähnefletschen. 14 destbaß beregen] umso besser bewegen. 21f. in des friedens zeit … streit] Als Sprichwort nur spärlich, mit Bezug auf das Hauptwerk des spätantiken Militärtheoretikers Vegetius Renatus (Epitoma rei militaris), überliefert; vgl. TPMA Friede 58–60: ›Im Frieden und zur Wahrung des Friedens zum Krieg rüsten‹. Die Variation in Vers 24 geht in dem Argument auf, stets auf eine Wendung der Verhältnisse gefasst zu sein. 23 vnfall] Unglück. 25f. Der ist … schicken kann] Die gleiche Sentenz IV 7,127f. Literatur Lieb, S. 71.

II 96 Von der Mauß vnd dem Weihen.

DG 426

Vorlage [Abstemius, Nr. 70 = Dorpius, Nr. 210, Bl. 60bf.] De Mure liberante Milvum. Mus conspicatus milvum laqueo aucupis implicitum misertus est avis, quamvis sibi inimicae, abrosisque dente vinculis evolandi viam fecit. Milvus tanti immemor beneficii, ubi se solutum vidit, murem nil tale suspicantem corripiens unguibus et rostro laceravit. Fabula indicat malignos viros huiusmodi gratias suis benefactoribus solere rependere.

Kommentar zu II 97

180

Stellenkommentar 9f. Ein b ses hertz … belohnen] Vgl. II 94,21f., und II 98,30. 12 fristen] verschonen. 13 Hans] haben sie. 19f. Welchs vns verheyssen … Fußschemel] Vgl. Ps 110 (109 Vulgata),1.

II 97 Vom Jupiter vnnd der Schnecken.

DG 521

Vorlage [Abstemius, Nr. 71 = Dorpius, Nr. 211, Bl. 61a] De Cochlea petente ab Iove, ut suam domum secum ferre posset. Cum Iuppiter ab exordio mundi singulis animalibus munera, quae petissent, elargiretur, cochlea ab eo petiit, ut domum suam posset circumferre. Interrogata ab Iove, quare tale ab eo munus exposceret, quod illi grave et molestum futurum erat: »Malo«, inquit, »tam grave onus perpetuo ferre quam, cum mihi libuerit, malum vicinum non posse vitare.« Fabula indicat malorum vicinitatem omni incommodo fugiendam.

Stellenkommentar Ü Jupiter] Siehe zu I 17,26.

18 Das du magst] so dass du kannst.

Literatur Lieb, S. 37.

II 98 Vom Jgel/ vnnd der Schlangen.

DG 321

Vorlage [Abstemius, Nr. 72 = Dorpius, Nr. 212, Bl. 61af.] De Erinacio Viperam hospitem eiciente. Erinacius hiemem adventare praesentiens blande viperam rogavit, ut in propria illius caverna adversus vim frigoris locum sibi concederet. Quod cum illa fecisset, erinacius huc illuc se provolvens spinarum acumine viperam pungebat et vehementi dolore torquebat. Illa male secum actum videns, quando erinacium suscepit hospitio, blandis eum verbis, ut exiret, orabat, quandoquidem locus ambobus esset angustus. Cui erinacius: »Exeat«, inquit, »qui hic manere non potest.« Quare vipera sentiens sibi locum ibi non esse illi cessit hospitio. Fabula indicat eos in consortia non admittendos, qui nos possunt eicere.

Stellenkommentar 8 dinnen] darinnen. 14 solt han] sollst du haben. 17 vberzwer] quer. 21 schmeichen] schmeicheln, gut zureden. 27 graw] gereute. 30 gut … vergolten] Vgl. II  94,21f., und II  96,10. 34 Ein b ser … außtreibt] Im deutschen Sprachgebiet sprichwörtlich: ›Wehe den Gästen, die einen Schalk zum Wirt haben (und umgekehrt)‹; vgl. TPMA Wirt 34–37.

Kommentar zu II 99

II 99 Vom Kalen/ vnnd der Fliegen.

181 DG 152

Vorlage Diese Fabel sowie III 61 sind die einzigen Fabeln im ersten Teil des Esopus (I 1– III 83), die keine Vorlage im Aesopus Dorpii haben. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 3 weydlich] heftig. 5 heyloß] abscheulich. 12 Verlorn] Ergänze: ist. 13 mein selber] mich selbst. 22 B ß ists/ wider den Stachel streben] Die schon im Mittelalter sprichwörtliche Redensart ›Wider den Stachel löcken‹ (vgl. Röhrich, S. 1522f.; TPMA Stachel 4–69: ›Gegen den Stachel löcken [ist schwer, schlecht und töricht]‹) hängt vor allem von Act 9,5 der Vulgata ab; Luther übersetzt: Es wird dir schweer werden wider den Stachel lecken.

II 100 Von einem alten vnkeuschen Mann. Vorlage [Abstemius, Nr. 74 = Dorpius, Nr. 214, Bl. 61bf.] De Sene ob impotentiam libidinem carnis relinquente. Vir quidam sanctitate praeditus singulari senem quendam admonebat, ut tandem vitium libidinis dimitteret, cui vehementer insuderat. Cui senex: »Obtemperabo«, inquit, »pater sancte, sanctissimis optimisque admonitionibus tuis. Nam usum Veneris admodum mihi obesse sentio, et virga amplius non arrigitur.« Fabula indicat multos non amore virtutis et dei, sed timore poenae et impotentia consuetis vitiis solere desistere.

Stellenkommentar 5 fehl] Fehler, auch leiblicher Mangel. Durch die Wortwahl erhält das Laster des Alten eine Konnotation als Krankheit, die deutlicher als in der lateinischen Vorlage die gesamte Narratio hindurch mitklingt. 7 geschwinde sucht] Metapher für den Sexualtrieb; vgl. DWb  20, Sp.  874, mit Bezug auf diese Stelle. ›Sucht‹ bezeichnet bis zum 17. Jh. häufig eine ansteckende Krankheit. 10 Pflaster] Heilmittel; impliziert ist hier eine Frau, die die sexuelle Begierde des Alten stillen kann. 15 massen] zu enthalten; vgl. DWb  12, Sp.  1738 (vgl. auch V. 20). 18 Leichnam] Im 16. Jh. Körper (des lebenden Menschen). Das voranstehende Argument vom heyl (V. 17) legt zugleich seine Konnotation als sterblicher Leib (im Gegensatz zum Seelenheil) nahe. 19 billich ablaß] ich werde zu Recht davon ablassen. 24 in r)cken grad] im Rückgrat. 25 den Henger gflucht] Doppeldeutig: ›zum Henker wünschen‹ (so in den Drucken BCEF vereindeutigt: Hencker), wobei der Henker eine Umschreibung für den Teufel darstellt; vgl. DWb  10, Sp.  991–993. Die folgende Metapher Stender (V.  27) legt zusätzlich nahe, dass Henger das nicht mehr erigierbare Glied bezeichnet (vgl.

182

Kommentar zu III 1

Lieb, S. 52f.). 48 Wuchertst selber gern] würdest selbst gern Wucher treiben. 51f. Das du nit hast … zu Wuchern kummen] In der Frühen Neuzeit sprichwörtlich (u.a. Franck, Sprichwörter, S. 309, Z. 28f.); vgl. TPMA Wucher 10–12: ›Ohne Eigenkapital ist Wuchern nicht möglich‹. 53f. Man sagt … gelts behuben] Ein sprichwörtlicher Gebrauch ist nicht nachgewiesen; vgl. aber im Französischen (TPMA Wucher 13): ›Il n’est pas usurier qui veult‹ (›Es ist nicht Wucherer, wer will‹). 54 behuben] bedürfen. Hier wohl in der Bedeutung von ›danach streben‹ zu verstehen. Literatur Lieb, S. 49–53, 57–61.

III 1 Vom Poeten vnd Bawren. Vorlage [Abstemius, Nr. 75 = Dorpius, Nr. 215, Bl. 62a] De Agricola et Poeta. Agricola quidam ad poetam accedens, cuius agros colebat, cum eum inter libros solum offendisset, interrogavit eum, quo pacto ita solus vivere posset. Cui ille: »Solus«, inquit, »tantum esse coepi, postquam te huc contulisti.« Haec indicat fabula eruditos viros, qui doctissimorum virorum turba continue stipantur, tunc solos esse, cum inter illiteratos homines fuerint.

Stellenkommentar 1 glerter Mann/ ein Poet] Im Hintergrund steht wohl das bereits antike, im Humanismus aufgegriffene Konzept vom poeta doctus, der die Techniken beherrscht, das umfassende Wissen, über das er als Gelehrter verfügt, wirksam und gültig darzustellen. 3 Sommer gmach] Sommerlaube. 4 lesen/ dichten/ schreiben] Im Literatursystem der Frühen Neuzeit geht die eigene Lektüre von Autoritäten häufig mit dem Festhalten von Zitaten und Notizen einher, die in Arbeits- bzw. loci communes-Heften festgehalten werden und das Material für eigenes dichten bereitstellen. 5 On gfehr] zufällig. 5 nein] herein. 9–12 Ein glerter Mann … zum andern] Das Morale nimmt Bezug auf das Ideal des einsamen, in Muße lebenden Gelehrten, der mit seinen Büchern Gespräche führt. Vgl. zu dieser Gedankenfigur den Kommentar zu Francesco Petrarca, De vita solitaria, Buch I, kritische Textausgabe und ideengeschichtlicher Kommentar von K. A. E. Enenkel, Leiden u.a.  1990 (Publications romanes de l’université de Leyde 24/ Leidse romanistische reeks van de Rijksuniversiteit te Leiden 24), bes. S. 387f., 506–516. 10 in den B)chern Conuersiert] mit den Büchern ins Gespräch tritt. 11 vmbher wandern] Die zentrale Bedeutung des Lesens beim Erwerb von Weltwissen wird in Bildwerken häufig durch einen neben Büchern abgebildeten Globus symbolisiert; vgl. Fritz Nies, Bahn und Bett und Blütenduft. Eine Reise durch die Welt der Leserbilder, Darmstadt 1991, S. 48f., 51 und Anm. 141.

Kommentar zu III 2

III 2 Vom Wolffe inn der Schafshaut.

183 DG 642

Vorlage [Abstemius, Nr. 76 = Dorpius, Nr. 216, Bl. 62a] De Lupo ovis pelle induto, qui gregem devorabat. Lupus ovis pelle indutus ovium se immiscuit gregi cotidieque aliquam ex eis occidebat. Quod cum pastor animadvertisset, illum in altissima arbore suspendit. Interrogantibus autem ceteris pastoribus, cur ovem suspendisset, aiebat: »Pellis quidem, ut videtis, est ovis, opera autem erant lupi.« Haec indicat fabula homines non ex habitu, sed ex operibus iudicandos, quoniam multi sub vestimentis ovium supina faciunt opera.

Stellenkommentar 1 ein Schafes balck] ein Schafsfell. 2 schluff] schlüpfte. 8 zelgen] Ast. 10 jahen] sagten. 12 auffgehon] aufgehängt. 13f. Schafspeltz … that] Vgl. Jesu Warnung vor den falschen Propheten in der Bergpredigt (siehe zu I 90,81–84); was dort Metapher ist, wird in der Fabel wörtlich umgesetzt (vgl. zu V.  17f.). 14 war] war er. 15 oben gsagt] Vgl. II  76 und II  92. 16 betrogen sein] Anklang an Luthers Fabeldefinition betriegen zur Warheit und zu jrem nutz (WA 50, S. 453, Z. 21); vgl. Alberus, Fabeln, Vorrede, Z. 19f. (mit Kommentar). 17 wirs] wir sie. Mit dem Hinweis auf die Vergeblichkeit, diejenigen zu warnen, die sich vom Schein betrügen lassen wollen, relativiert Waldis auf ungewöhnliche Weise das didaktische Selbstverständnis der Fabel. Ob er mit dem ›wir‹ sich und andere Fabeldichter meint oder sich mit seinen (elitären) Lesern zu einer Gruppe zusammenschließen will, bleibt unklar (vgl. Lieb, S. 63f.). 17f. Wolffen … stecken] Sprichwörtlich: ›Außen ein Schafskleid, innen ein Wolf‹; vgl. TPMA Schaf 39–62; Mt 7,15. Literatur Lieb, S. 63f., 93f.

III 3 Vom Stier vnd Wider.

DG 544

Vorlage [Abstemius, Nr. 79 = Dorpius, Nr. 219, Bl. 63a] De Ariete cum Tauro pugnante. Aries quidam inter lanigeros greges erat tanta cornuum et capitis firmitate, ut ceteros arietes statim facileque superaret. Quare cum nullum amplius arietem inveniret, qui occursanti sibi auderet obsistere, crebris elatus victoriis taurum ausus ad certamen provocare. Sed primo congressu, cum in taurinam frontem arietasset, tam atroci ictu repercussus est, ut fere moriens haec diceret: »Stultus ego, quid egi, cur tam potentem adversarium ausus sum lacessere, cui me imparem creavit natura.« Fabula indicat cum potentioribus non esse decertandum.

184

Kommentar zu III 4

Stellenkommentar Ü Vom Stier vnd Wider] Vgl. III 86. 3 sich … an jn reiben] keiner mehr wagte, mit ihm zu kämpfen. 5 macht sich an ein Stier] nahm er sich einen Stier vor. 11 straffen] zu besiegen und zu unterwerfen; vgl. DWb 19, Sp. 711. 13 schlahen] schlagen. 13–15 Wiltu … deins gleichen] Dass man sich nicht mit Stärkeren messen solle, ist in verschiedenen Varianten sprichwörtlich; vgl. TPMA Kampf 1.6.1.

III 4 Vom Vatter/ vnnd seinem Son. Vorlage [Abstemius, Nr. 77 = Dorpius, Nr. 217, Bl. 62b] De Patre Filium ad virtutes frustra hortante. Pater quidam filium vitiis deditum multis hortabatur veris, ut derelicta vitiorum via virtutibus invigilaret, quae ei laudem et decus erant pariturae. Cui filius: »Frustra«, inquit, »pater, ad haec facienda hortaris. Multos enim praedicatores, ut aiunt, audivi, qui longe te melius ad virtutem hortabantur viam, numquam tamen admonitionibus obsecutus sum.« Fabula indicat viros malignae naturae nullius hortatu a vitiis velle desistere.

Stellenkommentar 6 Auffs letst] schließlich. 7 vmbsust] umsonst. 8 engsten] Hier wohl: plagen. 10 baß denn] besser als. 11 auß zu streichen] auszuführen. 15 solt] könnte. 15f. Ein Steyn … schmeidig machen] Bildlogisch ist der Vers 15 auf Vers 12 (erweichen) bezogen. Zum Bild des Steinerweichens vgl. TPMA Stein 1.4.5.; Röhrich, S. 1542. 17 ist beklieben] sich festgesetzt hat.

III 5 Vom vntrewen Hunde.

DG 302

Vorlage [Abstemius, Nr. 78 = Dorpius, Nr. 218, Bl. 62bf.] De Cane oves Domini sui occidente, a quo suspensus est. Pastor quidam cani oves suas dederat custodiendas optimis illum pascens cibis. At ille saepe aliquam ovem occidebat. Quod cum pastor animadvertisset, canem capiens eum volebat occidere. Cui canis: »Quid me«, inquit, »perdere cupis? Sum unus ex domesticis tuis, interfice potius lupum, qui continue tuo insidiatur ovili.« »Immo«, inquit pastor, »te quam lupum morte dignum magis puto. Ille enim palam se meum hostem profitetur. Tu vero sub amicitiae specie cotidie meum imminuis gregem.« Haec innuit fabula longe magis puniendos, qui sub amicitiae specie nos laedunt, quam qui aperte se nostros inimicos profitentur.

Kommentar zu III 6

185

Stellenkommentar 1 hieß strom] der hieß Stromer. Die Verwendung von strom im Sinne von ›Vagabund‹ ist nur aus jüngerer Zeit, ›Stromer‹ auch aus älterer Zeit belegt; vgl. DWb 20, Sp. 46, 59; strom als Hundename auch in IV 94,62. 2 hielt er … gantz fromb] hielt er für gut erzogen und völlig zuverlässig; vgl. FWB  7, Sp.  974f. 3 glauben] Vertrauen. 14 sterben am d)rren ast] Hängen ist die übliche Strafe für Diebe; wo in Ermangelung eines Galgens ein Ast verwendet wird, ist vorgeschrieben, dass er dürr bzw. unbelaubt sei; vgl. D. Marschall, Hängen, in: HRG 1, Sp. 1989f. Zur zeitgenössischen Rechtsprechung bei Diebstahl vgl. Gerichtsordnung (Carolina), Art.  157–175. 15 woltst mich geniessen lassen] gestehe mir dafür einen Vorteil zu. 17 dauor] stattdessen. 20 feindtlich ab gesagt] die Freundschaft aufgekündigt. 23f. Solch pflegt man … zuhangen] Auf Verrat stand, neben anderen Strafen, auch das Hängen; vgl. W. Schild, Verrat, in: HRG 5, Sp. 793–795. Als Strafverschärfung war bei gemeinsamen Hinrichtungen das Höherhängen üblich; vgl. D. Marschall (wie zu V. 14). 25 scheint] einen guten Eindruck macht. 28 zwifach straff] Bezieht sich auf das verschärfte Hängen Hoch vber alle Dieb.

III 6 Von einer Witwen/ vnd einem gr(nen Esel. Vorlage [Abstemius, Nr. 80 = Dorpius, Nr. 220, Bl. 63af.] De Vidua et Asino viridi. Vidua quaedam caelibatum exosa nubere cupiebat, sed non audebat verita vulgi irrisiones, qui maledictis eas solet incessere, quae ad secundas transeunt nuptias. Sed commater eius, quam contemnendae essent populi voces, hac arte monstravit. Iussit enim asinum album, quem vidua habebat, viridi colore depingi et per omnes urbis vicos circumduci. Quod dum fieret, tanta admiratio ab initio omnes invaserat, ut non solum pueri, verum etiam senes hac re insolita moti asinum animi gratia concomitarentur. Deinde cum huiusmodi animal cotidie per urbem duceretur, desierunt admirari. »Itidem«, inquit ad viduam commater, »eveniet tibi. Si enim virum acceperis, per aliquot dies eris fabula vulgi, deinde hic sermo conticescet.« Haec fabula indicat nullam rem esse tanta dignam admiratione, quae diuturnitate temporis non desinat esse miraculum.

Stellenkommentar 1 wol betagt] Siehe zu Vers  10. 3 k)tzel] Kitzel. 4 fleischbeyhl … wunden] Metaphern für die Genitalien von Mann und Frau (vgl. III 100,157–164, IV 71,14: ›Wunde‹; IV 40,48: ›Fleischgabel‹). Obwohl die Paradoxie der gewählten Bildlichkeit Distanz des Erzählers signalisiert, wird in für die Gattung ungewöhnlich deutlicher Weise sexuelles Verlangen thematisiert, ohne dass es missbilligt würde. 8 Mich so behelffen] auskommen. 10 gmeynes sprichwort] Negativ konnotiert im Sinne von: ›allgemeines Stadtgespräch‹ (vgl. zu Das Leben Esopi 13 und DWb 17, Sp. 64); möglicherweise auch mit konkretem Bezug auf ein Sprich-

186

Kommentar zu III 7

wort: Der kitzel ist der alten vettel noch nit vergangen (Franck, Sprichwörter, S.  373, Z.  28); Lascivum pectus non debet habere senectus, Et contemptibilis solet esse libido senilis (TPMA alt 301; Walther, Nr. 13489). Vgl. zu IV 8,85f. 12 Ob] wenn. 15 fahl] grau. 26 erlegen] beendet. 28 ansich] ansehe. Literatur Lieb, S. 55f.

III 7 Vom Adlar/ vnd K(niglin.

DG 171

Vorlage [Abstemius, Nr. 81 = Dorpius, Nr. 221, Bl. 63bf.] De Aquila filios Cuniculi rapiente. Aquila in altissima arbore nidulata catulos cuniculi, qui longe inde pascebantur, in escam pullorum suorum rapuerat. Quam cuniculus blandis orabat verbis, ut suos sibi filios restituere dignaretur. At illa eum ut pusillum, et terrestre animal et ad sibi nocendum impotens, arbitrata eos in conspectu matris unguibus dilacerare et pullis suis epulandos apponere non dubitavit. Tunc cuniculus filiorum morte commotus hanc iniuriam minime impunitam abire permisit. Arborem enim, quae nidum sustinebat, radicitus effodit. Quae levi impulsu ventorum procidens pullos aquilae adhuc implumes et involucres in humum deiecit, qui a feris depasti magnum doloris solacium cuniculo praebuerunt. Haec indicat fabula neminem potentia sua fretum imbecilliores despicere, cum aliquando infirmiores potentiorum iniurias ulciscantur.

Stellenkommentar Ü K)niglin] Kaninchen. Eine weitere Bearbeitung dieses Fabelstoffs in I  59. 3 baldt] Entweder als nachgestelltes Adjektiv bezogen auf K)niglin in der Bedeutung ›beherzt‹ (FWB 2, Sp. 1736f.) oder in räumlichem Verständnis bezogen auf das nachfolgende vberzwerg: ›gleich schräg gegenüber‹; zur räumlichen Semantik von frnhd. baldt siehe DWb 1, Sp. 1083. 4 im holen Berg] in einer Höhle. 8 wandt … best] hielt es für das Beste (mit dem Adler zu reden). 9 Herr K nig] Vgl. II  85 und zu I  10,7. 9 bider] rechtschaffen. 18 Gundt] begann. 26 schmutz] Bissen; vgl. DWb 15, Sp. 1136, nur mit Waldis-Belegen. 27 Arn] Adler. Das Kaninchen negiert hier den im Namen des Adlers bezeichneten Adel. Siehe zu I 10,7. 27 ewr bochen] euren Trotz; vgl. Vers 11. 30 zu gut] zugute. 31 Vnd leit … an der stercken] und das Glück bleibt nicht immer auf der Seite der Stärke. Dies wird gegen das Sprichwort ›Dem Starken helfen Gott und das Glück‹ gesagt; vgl. TPMA stark 15–19. 33f. Kleiner leut … verlorn] noch nie wurde eine große Schlacht der kleinen Leute wegen verloren. 35f. Dauid … Goliath] Vgl. I Sam 17,42–51. 37f. Ein kleiner Steyn … ertragen] Sprichwörtlich (siehe zu II 13,25f.). Es ist auch ein kleiner Stein, der Goliath (V. 35f.) zu Boden wirft. Vgl. II 26,67–76.

Kommentar zu III 8

III 8 Von einem Hecht.

187 DG 265

Vorlage [Abstemius, Nr. 82 = Dorpius, Nr. 222, Bl. 64a] De Lupo pisce fluvii maris regnum affectante. Lupus piscis erat in amne quodam, qui pulchritudine, magnitudine ac robore ceteros eiusdem fluminis pisces excedebat. Unde cuncti eum admirabantur et tamquam regem praecipuo prosequebantur honore. Quare in superbiam elatus maiorem principatum coepit appetere. Relicto igitur amne, in quo multos annos regnaverat, ingressus est mare, ut eius regnum sibi vindicaret. Sed offendens delphinum mirae magnitudinis, qui in illo regnabat, ita ab illo insectatus est, ut aufugiens vix amnis ostium ingrederetur. Unde amplius non est ausus exire. Haec fabula nos admonet, ut rebus nostris contenti ea non appetamus, quae nostris viribus sunt longe maiora.

Stellenkommentar 7 Vnderstund sich] unternahm es. 11 zubieten] zu befehlen. 19–21 Wer seine F)ß … frost] Zugrunde liegt das sprichwörtliche ›Sich nach der Decke strecken‹ (ähnlich TPMA strecken 19, 39, 42); siehe zu II 35,33f. 20 kleydern] Hier wohl nicht als Bekleidung, sondern als Bedeckung aufzufassen; vgl. DWb  11, Sp. 1070. 23–26 Ouidius sagt … Meer begeben] Vgl. Ovid, Tristia II,329f.: non ideo debet pelago se credere, siqua | audet in exiguo ludere cumba lacu. Dieselbe Stelle paraphrasiert Waldis in III 86,45–48.

III 9 Vom Schaf/ vnd seinem Hirten.

DG 502

Vorlage [Abstemius, Nr. 83 = Dorpius, Nr. 223, Bl. 64af.] De Ove Pastori conviciante. Ovis conviciabatur pastori, quod non contentus lacte, quod in usum suum filiorumque ab ea mulgebat, insuper illam vellere denudaret. Tunc pastor iratus filium eius trahebat ad mortem. »Ecquid«, inquit ovis, »peius mihi facere potes.« »Ut te«, inquit pastor, »occidam et lupis canibusque proiciam devorandam.« Siluit ovis maiora adhuc mala formidans. Haec fabula indicat non debere homines in deum excandescere, si divitias, si filios ipsis permittat auferri, cum etiam maiora et viventibus et mortuis possit inferri supplicia.

Stellenkommentar 8 w)rgt … Lamb] tötete sogleich dessen Lamm. Gemeint ist offenbar das Lamm des sich beklagenden Schafes; daher wurde gegen alle Drucke dasselbig in desselbig geändert. 9 solchs … ansehen] ich das selbst mitansehen musste. 22 Krebs noch R)ckst)ck] Brust- und Rückenteil der Rüstung; vgl. DWb  14, Sp. 1365, mit Bezug auf diese Stelle. Zum Krebs siehe auch Andreas Wang, Der ›Miles Christianus‹ im 16. und 17. Jahrhundert und seine mittelalterliche Tradi-

188

Kommentar zu III 10

tion. Ein Beitrag zum Verhältnis von sprachlicher und graphischer Bildlichkeit, Bern – Frankfurt/M. 1975 (Mikrokosmos 1), S. 52f.; Flugblätter III 104.

III 10 Vom Fuhrman vnd seinem Wagen.

DG 227

Vorlage [Abstemius, Nr. 84 = Dorpius, Nr. 224, Bl. 64b] De Auriga et Rota currus stridente. Auriga interrogabat currum, quare rota, quae erat deterior, strideret, cum ceterae idem non facerent. Cui currus: »Aegroti«, inquit, »semper morosi et queruli esse consueverunt.« Haec indicat fabula mala solere homines ad querimoniam semper impellere.

Stellenkommentar 8 kr chtzen/ sehnen/ kreisten/ ancken] stöhnen, jammern, ächzen, wimmern. Eine genaue Übersetzung ist schwierig: kr chtzen und kreisten scheinen Synonyme zu sein (vgl. DWb 11, Sp. 2348f., 2162); sehnen ist im Mittelhochdeutschen im Kontext des Liebesschmerzes, der Liebeskrankheit und -klage gebräuchlich (vgl. DWb 16, Sp. 151, zu dieser Stelle); ancken ist in der Bedeutung ›klagen‹ sonst nicht belegt (vgl. FWB 1, Sp. 1253, sowie DWb 1, Sp. 379). 9 etzen] speisen.

III 11 Vom reichenn Mann/ vnnd seinen Freunden.

ATU 893

Vorlage [Abstemius, Nr. 85 = Dorpius, Nr. 225, Bl. 64bf.] De Viro Amicos experiri volente. Vir quidam dives admodum et liberalis magnam habebat amicorum copiam, quos ad cenam saepissime invitabat, ad quam libentissime accedebant. Volens ante experiri, an in laboribus et periculis sibi fideles essent, omnes pariter convocavit dicens obortos sibi inimicos, ad quos perdendos ire statuerat. Quare correptis armis secum irent, ut illatas sibi ulciscerentur iniurias. Tunc omnes praeter duos sese excusare coeperunt. Ceteris igitur repudiatis illos tantum duos in amicorum numero habuit, quos deinde singulari amore prosecutus est. Haec indicat fabula adversam fortunam amicitiae experimentum esse quam optimum.

Stellenkommentar 2 mildt] freigebig. 2 rhumrettig] Hier wohl in der Bedeutung ›sich Ruhm erwerbend‹; vgl. DWb 14, Sp. 1453f. 3f. denn wo … nach maß] Sprichwörtlich: ›Wo ein Aas ist, sind viele Vögel‹; vgl. TPMA Aas 1–19. Dem Bibelwort (Hi 39,30) folgend sind die Vögel im Mittellateinischen meist als Adler, in der deutschen volkssprachlichen Tradition als Geier spezifiziert. 10 verlon] verlassen. 11 letzen] schädigen. 14 deichte] zuverlässige; das Wort mit der Grundbedeutung ›dicht‹ ist in DWb 2, Sp. 909, nur mit Waldis-Stellen belegt; vgl. III 94,159 und  165. 22 abladen] loswerden. 23 hab ich … gesetzt] habe ich mir fest

Kommentar zu III 12

189

vorgenommen. 26 blutig stundt] blutiges Aufeinandertreffen. Eine feststehende Phrase ließ sich nicht nachweisen. 31 Ab solchen … erlagen] von diesen Worten waren sie sehr betroffen. 35 abrede] Ausrede. 42 An euch … feyhl] Euch habe ich als unzuverlässig erlebt. 44 Visch biß auff den grad] Sprichwörtlich: ›Fisch bis auf die Gräte‹; vgl. TPMA Fisch 132–140. 47–50 Es ist … feste Brucken] Sprichwörtlich; vgl. TPMA Freund 1000, 1006–1008. 49 Jm b sen gr)cht] wenn man in Verruf geraten ist.

III 12 Vom Fuchß vnd Hasenn.

DG 188

Vorlage [Abstemius, Nr. 86 = Dorpius, Nr. 226, Bl. 65a] De Vulpe carnem Leporis Cani laudante. Vulpes, cum fugaretur a cane et iamiam esset capienda nec ullam aliam evadendi viam invenire se posse cognosceret: »Quid me«, inquit, »o canis, perdere cupis, cuius caro tibi usui esse non potest? Cape potius leporem illum« – non procul enim lepus aberat –, »cuius carnem suavissimam mortales esse commemorant.« Canis igitur motus consilio vulpis omissa vulpe leporem insecutus est, quem tamen ob incredibilem eius velocitatem capere non potuit. Paucis post diebus lepus conveniens vulpem vehementer eam accusabat, verba enim eius audiverat, quod se cani demonstrasset. Cui vulpes: »Quid me accusas, lepus, quae te tantopere laudavi? Quid diceres, si te vituperassem?« Haec indicat fabula multos mortales sub laudationis specie aliis perniciem machinari.

Stellenkommentar 7 vn ß] ungenießbar. 9 Dein lust … b)ß] stille dein Verlangen lieber am Hasen. 11 leit] hockt. 14 fluchs] flugs. 18 ein vntrewen Nachbawr] einen hinterlistigen Nachbarn. 20 dein bests geredt] nur das Beste über dich gesagt. 23 sch l angienen] scheel ansehen; vgl. FWB 1, Sp. 1177, auch mit Verweis auf diese Stelle. 25 F)chssisch] heuchlerisch. Literatur Lieb, S. 47.

III 13 Vom Jupiter/ Hasen vnd Fuchß.

DG 189

Vorlage [Abstemius, Nr. 87 = Dorpius, Nr. 227, Bl. 65b] De Lepore calliditatem et Vulpe celeritatem a Iove petentibus. Lepus et vulpes a Iove petebant, haec, ut calliditati suae pedum celeritatem, ille, ut velocitati suae calliditatem adiungeret. Quibus Iuppiter ita respondit: »Ab origine mundi e sinu nostro liberalissimo singulis animantibus sua munera sumus elargiti. Uni autem omnia dedisse aliorum fuisset iniuria.«

190

Kommentar zu III 14

Haec innuit fabula deum singulis sua munera ita esse aequali lance largitum, quisque esse debeat sua sorte contentus.

Stellenkommentar Ü Jupiter] Siehe zu I 17,26. 2 F)rn] vor. 5 spitzig] scharfsinnig; vgl. DWb 16, Sp. 2631, auch mit Verweis auf diese Stelle. 6 witzig] schlau. 8 dem f)rwitz] der Begierde nach Neuem. 12 Jedem … geben] Vgl. I Kor 7,7. 14 Daran laß jm … gn)gen] Vgl. II Kor 12,9. 17f. Gott hat … an keinem feyhlt] Vgl. I Kor 1,7. 20 Als] alles.

III 14 Von einem vngeschlachten Pferdt. Vorlage [Abstemius, Nr. 88 = Dorpius, Nr. 228, Bl. 65b] De Equo inculto, sed veloci, et ceteris eum irridentibus. Equi complures ad circensens ludos fuerant adducti pulcherrimis phaleris ornati, praeter unum, quem ceteri ut incultum et ad huiusmodi certamen ineptum irridebant nec umquam victorem futurum opinabantur. Sed ubi currendi tempus advenit et dato tuba signo cuncti e carceribus exsiliere, tum demum innotuit, quando hic paulo ante irrisus ceteros velocitate superaret. Omnibus enim aliis post se longo intervallo relictis palmam assecutus est. Fabula indicat non ex habitu, sed ex virtute homines iudicandos.

Stellenkommentar 1 Roßteuscher] Pferdehändler. 5 butzen vnd bestecken] herausputzen und schmücken. 9 Rauch] struppig. 15f. Ein arm … trewen rath] Anklang an ein lateinisches Sprichwort; vgl. Walther,  27110a: Sepe etiam est olitor valde opportuna loquutus. Vgl. TPMA Rat 6.2.: ›Auch Schwache und Geringe können guten Rat geben‹ (ohne deutsche Belege); Alberus, Fabeln 28,17f., sowie auch IV 79,40. 17f. Es kumpt … Groschen findt] Als Sprichwort nicht belegt (Petri, S. 375, zitiert wohl aus Waldis). Vgl. auch TPMA schwarz 41–50. Literatur Lieb, S. 70.

III 15 Vom Bawren/ vnnd seinem Ochssen. Vorlage [Abstemius, Nr. 89 = Dorpius, Nr. 229, Bl. 65bf.] De Rustico per vocem Haedi ad iurisconsultum admisso. Rusticus quidam gravi lite implicitus ad quendam iurisconsultum accesserat, ut eo patrono sese explicaret. At ille aliis negotiis impeditus renuntiari iubet, se non posse

Kommentar zu III 16

191

nunc illi vacare. Quare abiret alias rediturus. Rusticus, qui huic ut veteri fidoque amico plurimum fidebat, pluries rediens numquam admissus est. Tandem haedum adhuc lactentem et pinguem secum deferens ante aedes iuris periti stabat et haedum vellicans illum balare cogebat. Ianitor, qui ex praecepto heri dona portantes statim admittere solebat, audita haedi voce ianuam illico aperiens hominem introire iubet. Tunc rusticus ad haedum conversus: »Gratias«, inquit, »ago, haedule mi, qui tam faciles mihi has effecisti fores.« Fabula indicat nullas res tam duras difficilesque esse, quas munera non aperiant.

Stellenkommentar 2 Ließ jm … werden sawr] der arbeitete sein Leben lang hart. 4 ein sach] einen Rechtsstreit. 6 Das er … raths geleben] um sich von ihm beraten zu lassen. 7 f)rs] vors. 7 Doctors] Das Studium der Rechte wurde mit dem Erwerb des Doktorgrades abgeschlossen. Vgl. zu Das Leben Esopi 165f. 11 da macht an leit] bei denen es um wichtige Dinge geht. 15 zu gut] zum Vorteil. 16 von der studt] vom Pfosten (an dem er angebunden war); vgl. DWb 20, Sp. 257, mit Verweis auf diese Stelle. 19 b lcken] muhen. 25 billich ists] es ist recht. 27 verdrossen] verdrießlich. 30 ehr … gschweiget] vormals die Götter beschwichtigt. Waldis verweist hier auf den heidnisch-antiken Götterkult.

III 16 Vom J(ngling vnnd einem Wolffe.

ATU 165B*

Vorlage In mehreren Details, so der geplanten Ehe mit zwei Frauen und der Rolle des warnenden Vaters, steht Waldis Bebels Fazetie III 15 näher als der entsprechenden Fabel im Aesopus Dorpii (vgl. Lieb, S. 54f.). [Abstemius, Nr. 90 = Dorpius, Nr. 230, Bl. 66af.] De Adulescente ex coitu infirmo et Lupo. Adulescens quidam uxorem duxerat et ipsam quoque adulescentulam formosam admodum et libidinosam. Cuius effrenae libidini dum satisfacere cupit, ita lumbos exhausit, ut paucis diebus macilentus fieret et mortuo magis quam vivo similis videretur. Non ingredi, non stare, non aliquod opus facere poterat, ut senex quidam apricatione gaudebat. Dum ergo in aprico stans loco calore solis sese calefaceret, accidit, ut venatores, qui lupum fuerant insectati, illac iter haberent. Quos cum adulescens interrogaret, cur lupum non ceperant: »Ob incredibilem«, inquiunt, »illius velocitatem illum assequi non potuimus.« Tunc ait adulescens: »Uxorem profecto hic lupus habere non debet. Si enim uxori iunctus esset, numquam tanta pedum pernicitate polleret.« Haec indicat fabula neminem esse adeo robustum et fortem, quem nimius Veneris usus non infirmum et debilem reddat.

Stellenkommentar 7 Erzeigt … sachen] seid angemessen behilflich in diesen Angelegenheiten. 10 fahr … schon] sei nicht so eilig in dieser Sache; vgl. zu II 86,19. 15 Das … nicht macht] das kannst du bei der Frau nicht. 21 f)rwitz] Hier: Begierde; vgl.

192

Kommentar zu III 17

DWb 4, Sp. 941f., u.a. mit dem Hinweis auf Luthers Übersetzung von lat. libido (Vulgata: Idt  10,4; Tb  3,18). 35 das Muß kan kochen] Wohl bildhaft im Sinne von ›jemanden dominieren‹. Vgl. die Redensart ›es einem kochen‹ (IV 5,62; IV 98,65). 39 Herodias vnd Jesabell] Herodias (vgl. Mt 14,3f.) und Isebel (vgl. I Reg 16,28–33; Apk 2,20–23) gleichen sich als Königinnen darin, dass es ihnen gelingt, einen Feind ihrer Ehemänner, nämlich Johannes den Täufer bzw. Nabot, durch listiges Handeln töten zu lassen. Literatur Lieb, S. 54f.

III 17 Vom altenn Mann/ vnd J(ngling. Vorlage [Abstemius, Nr. 91 = Dorpius, Nr. 231, Bl. 66bf.] De Sene Iuvenem poma sibi surripientem satis deiciente. Senex quidam iuvenem sibi poma surripientem blandis orabat verbis, ut ex arbore descenderet nec res suas vellet auferre. Sed cum incassum verba funderet iuvene eius aetatem ac verba contemnente: »Non in verbis tantum«, inquit, »verum etiam in herbis audio esse virtutem.« Herbas igitur vellere et in illum iacere coepit. Quod iuvenis conspicatus in vehementem risum effusus est et senem delirare arbitrabatur, qui crederet eum ex arbore herbis posse depellere. Tunc senex omnia experiri cupiens: »Quando«, inquit, »verborum et herbarum vires adversus raptorem mearum rerum nullae sunt, lapidibus agam, in quibus quoque dicunt esse virtutem.« Lapidesque, quibus gremium impleverat, in iuvenem iaciens illum descendere et abire coegit. Haec fabula indicat omnia prius sapienti tentanda quam ad armorum confugiatur auxilium.

Stellenkommentar 2 thet er … warten] sah er nach den Äpfeln. 8 Solt nicht … gut begern] Gemeint ist das zehnte Gebot; vgl. Ex 20,17. 10 f)r] vor. 11 an mir nicht gschafft] bei mir nichts erreicht. 21f. offt geh rt … Steyne krafft solln haben] Wie den Kräutern wurden auch den Edelsteinen schon in der Antike vielfältige medizinische, magische und spirituelle Eigenschaften und Wirkungen (virtutes) zugeschrieben. Das im Mittelalter sprichwörtliche Wissen von den Kräften der Worte, Kräuter und Steine (vgl. TPMA Kraft 7–18) wird in der Fabel narrativ konkretisiert, wobei das lateinische Wortspiel (virtus/vis) im Deutschen verlorengeht. 23 facht … an] attackierte ihn heftig mit Steinen.

Kommentar zu III 18

III 18 Von der Nachtigal/ vnd dem Sperber.

193 DG 435

Vorlage [Abstemius, Nr. 92 = Dorpius, Nr. 232, Bl. 67a] De Luscinia cantum Accipitri pro vita pollicente. Luscinia ab accipitre famelico comprehensa, cum se ab eo devorandam intelligeret, blande eum rogabat, ut se dimitteret, pollicita pro tanto beneficio ingentem mercedem sese relaturam. Cum autem accipiter eam interrogaret, quid gratiae sibi referre posset: »Aures«, inquit, »tuas mellifluis cantibus demulcebo.« »At ego«, inquit accipiter, »malo mihi ventrem demulceas. Sine tuis enim cantibus vivere, sine cibo vero non possum.« Haec fabula innuit utilia iucundis anteponenda.

Stellenkommentar 8 Jr schon] sie verschonen. 15 sach] mitansehen musste. 16 Ein … hertz durchstach] Anspielung auf die lateinische Mariensequenz Stabat mater dolorosa, die seit dem  15. Jh. zahlreiche volkssprachliche Bearbeitungen erfahren hatte. Eine wörtlich übereinstimmende Fassung ist nicht nachweisbar; vgl. Andreas Kraß, Stabat mater dolorosa. Lateinische Überlieferung und volkssprachliche Übertragungen im deutschen Mittelalter, München 1998. 18 Leim rhuten] Vgl. zu II 27,81. 21 bestrickt] gefangen. 23f. Wer hat gef)hrt … end gegeben] Sprichwörtlich, vor allem mit französischen Belegen: ›Übles Leben, übles Ende‹; vgl. TPMA Leben 300f., daneben auch II Kor 11,15. 27 Bilch] recht. 28 im Psalm] Vgl. Ps 58,7–11, sowie Ps 107,42. 29 ders] der den. 36 Selb bleiben … behengen] Vgl. das Sprichwort: ›Wer andern einen Galgen baut, kommt selber dran‹; vgl. TPMA hängen 80–82. Vgl. auch zu I 35,41–44; I 54,17f. Literatur Lieb, S. 39.

III 19 Vom Lwen/ vnnd der Saw.

DG 394

Vorlage [Abstemius, Nr. 93 = Dorpius, Nr. 233, Bl. 67a] De Leone Porcum sibi socium eligente. Leo cum socios asciscere sibi vellet multaque animalia sese illi adiungere optarent idque precibus et votis exposcerent, ceteris spretis cum porco solum societatem voluit inire. Rogatus autem causam respondit: »Quia hoc animal adeo fidum est, ut amicos et socios suos in nullo quantumvis magno discrimine umquam relinquat.« Haec fabula docet eorum amicitiam appetendam, qui adversitatis tempore a praestando auxilio non referunt pedem.

Stellenkommentar 2 kiesen] wählen. 8 erfunden] festgestellt. 9 traw] treu. 15 Seinr zusag … vermessen] seine Zusage nicht zu hoch veranschlagen. 16 viel Saltz … gessen]

194

Kommentar zu III 20

Redensartlich: ›Mit einem viele Scheffel Salz essen‹; vgl. TPMA Salz  42–49; Röhrich, S. 1277.

III 20 Vonn der M(cken/ vnd einer Bynen.

DG 434

Vorlage [Abstemius, Nr. 94 = Dorpius, Nr. 234, Bl. 67af.] De Culice cibum et hospitium ab Ape petente. Culex hiberno tempore, cum et fame et frigore se periturum coniceret, ad apium accessit alvearia ab eis cibum et hospitium petens. Quae si ab eis fuisset consecutus, promittebat filios earum se artem musicam edocturum. Tunc quaedam apis: »At ego«, inquit, »artem meam malo liberi mei discant, quae res a famis et frigoris periculo eximere poterit.« Fabula nos admonet, ut liberos nostros his artibus erudiamus, quae eos ab inopia valeant vindicare.

Stellenkommentar 2 F)rn] vor einen. 11 Elteruatters] Großvaters. 12 Ernen] Ernte. 15 K)nst] Der Plural bezeichnet hier wohl weniger die akademischen artes liberales, zu denen die Musik gehörte, als die musischen Künste; in diesem Sinn vereindeutigt Petri, der die Waldis-Verse zu kennen scheint: Die Music vnd Seitenspiel sind gut/ | Wen man sie m ssig brauchen thut. | Vnd doch darneben lehrnt ein Kunst/ | Die ein ernehrt mit Ehr vnd Gunst (S. [289]). Luther bezieht das Sprichwort Kunst gehet noch brod (WA 51, S. 661, Z. 31, Nr.  480; vgl. TPMA können 161f.) in der Fabel Vom Han und Perlin freilich allgemein auf die Wissenschaften (WA 50, S. 440, Z. 13). 16 messig brauchen thut] maßvoll gebraucht. 17 Kunst] Vers  11 lässt an das Handwerk denken, von dem es bei Agricola, Sprichwörter I  406, heißt: wer eyn gemeyn handtwerck kan/ und treibets mit fleiß/ den neret es/ es sey so gering als es wolle (S. 332, Z. 20–22).

III 21 Vom Esel/ vnd Hasenn.

DG 109

Vorlage [Abstemius, Nr. 95 = Dorpius, Nr. 235, Bl. 67b] De Asino tubicine et Lepore tabellario. Leo rex quadrupedum adversus volucres pugnaturus suorum acies instruebat. Interrogatus autem ab urso, quid ei asini inertia aut leporis timiditas ad victoriam conferre possent, quos ubi inter ceteros milites adesse cernebat, respondit: »Asinus tubae suae clangore milites ad pugnam concitabit. Lepus vero ob pedum celeritatem tabellarii fungetur officio.« Fabula significat neminem adeo contemptibilem, qui aliqua re nobis prodesse non possit.

Kommentar zu III 22

195

Stellenkommentar 15f. Es ist kein deckel … auff ein ding] Variation des Sprichworts: ›Zu jedem Gefäß gehört, findet sich und passt der entsprechende Deckel‹; vgl. TPMA Gefäß 44–55. 17 verschwern] meiden; vgl. DWb 25, Sp. 1231–1233.

III 22 Von den Sperbern/ vnd Tauben.

DG 534

Vorlage [Abstemius, Nr. 96 = Dorpius, Nr. 236, Bl. 67bf.] De Accipitribus inter se inimicis, quos Columbae pacaverant. Accipitres invicem inimici cotidie decertabant suisque odiis occupati alias aves minime infestabant. Columbae eorum vicem dolentes eos missis legatis composuere. Sed illi, ubi inter se amici effecti sunt, ceteras aves imbecilliores et maxime columbas vexare et occidere non desinebant. Tunc secum columbae: »Quam utilior accipitrum discordia quam concordia nobis erat.« Haec monet fabula malorum inter se civium odia alenda potius quam extinguenda, ut dum inter se digladiantur, viros bonos quiete vivere permittant.

Stellenkommentar 1 schnader] Geschwätz; vgl. DWb  15, Sp.  1194, mit Bezug auf diese Stelle. 3 vbergeben] gereizt; vgl. DWb 23, Sp. 256, mit Bezug auf diese Stelle. 8 beklauben] besprechen; vgl. FWB 3, Sp. 1121, mit Bezug auf diese Stelle. 10 im weg der freundtschafft] freundlich. 11 stillen] befrieden. 18f. Wir han … Wunden] Redensartlich; siehe zu I 38,50. 20 Zu … rhuten gbunden] Im Sinne des Sprichworts: ›Mit der eigenen Rute geschlagen werden‹; vgl. TPMA Rute 121, 151.

III 23 Von einer jungenn Frawen. Vorlage [Abstemius, Nr.  97 = Dorpius, Nr.  237, Bl.  68a] De Muliere ignem in Mariti domum ferente. Vir quidam prudens uxorem ducebat. Interrogatus autem ab amicis, quid sibi vellet facula illa, quam nova nupta accensam a paterna domo effert rursusque mariti domum ingressura accendit et introfert: »Significat«, inquit, »me hodie ignem e soceri mei aedibus ablatum in domum meam inferre.« Fabula significat saepenumero mulieres ignem quendam esse, qui mariti bona comburit.

196

Kommentar zu III 24

Stellenkommentar 9 verf)gen] herbeischaffen; vgl. DWb 25, Sp. 357, mit Bezug auf diese Stelle. 10 m g das Fewr vergn)gen] das Feuer weiter unterhalten kann. 13 Sparwar] Sparsamkeit, eigentlich: die Ware der Sparsamkeit; vgl. DWb 16, Sp. 1958, mit nur diesem Beleg. 13 thewr] selten. 15f. Was Vatter … Fraw verzehrn] Vgl. Bebel, Fazetien II 34; die Verschwendungssucht der Frau ist sprichwörtlich (vgl. TPMA Frau 1.15.1., ohne deutsche Belege).

III 24 Von einem Landtpfleger. Vorlage [Abstemius, Nr. 98 = Dorpius, Nr. 238, Bl. 68af.] De Praetore repetundarum damnato. Praetor, qui provinciam, cui praefuerat, expilaverat, repetundarum accusatus fuerat. Cumque aegre ablata restitueret, dicebat quidam e provincialibus: »Hic noster praetor mulieres imitatur, quae foetus concipientes mira voluptate afficiuntur, cum autem eos emittunt, incredibili dolore torquentur.« Fabula significat aliena non esse surripienda, ne illa deponere coacti maerore conficiamur.

Stellenkommentar 5 Die schetzt er sehr] von denen forderte er sehr hohe Abgaben. Die Bedeutung des Verbs oszilliert zwischen ›rechtmäßig besteuern‹ und ›ausplündern‹; vgl. FWB 3, Sp. 1608–1610, sowie III 92,89; IV 47,22, u.ö. 7 frembden Mann] Gemeint sind die, die nicht betroffen sind. 10 bestrickt] verpflichtete. 12 wider seinen danck] gegen seinen Willen. 19 Der Haubtman … frawen weiß] dem Hauptmann geht es wie den Frauen. 23 wider zelen] zurückzahlen. 30 an dem halß weh thut] Gemeint ist das Hängen als Strafe des Diebes; vgl. zu III 5,14.

III 25 Vom altenn Mann/ vnnd dem Todt.

ATU 335

Vorlage [Abstemius, Nr. 99 = Dorpius, Nr. 239, Bl. 68b] De Sene Mortem differe volente. Senex quidam mortem, quae eum e vita raptura advenerat, rogabat, ut paululum differat, dum testamentum conderet et cetera ad tantum iter necessaria praepararet. Cui mors: »Cur non«, inquit, »hactenus praeparasti totiens a me admonitus?« Et cum ille eam numquam a se visam amplius diceret: »Cum«, inquit, »non aequales tuos modo, quorum nulli fere iam restant, verum etiam iuvenes, pueros, infantes cotidie rapiebam, non te admonebam mortalitatis tuae? Cum oculos hebescere, auditum minui ceterosque sensus in dies deficere, corpus ingravescere sentiebas, nonne tibi me propinquam esse dicebam? Et te admonitum negas? Quare ulterius differendum non est.« Haec fabula indicat ita vivendum, quasi mortem semper adesse cernamus.

Kommentar zu III 26

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Stellenkommentar 6 laß mich ein weil bezemen] gib mir etwas Zeit. 7 m g] könnte. 13 f)r] vor. 20 vber traben] vorüberziehen; vgl. DWb 23, Sp. 597. 22 Mumschantz] Kluge, S. 636f., erklärt nach Röhrich, S. 1058, der nach DWb 12, Sp. 2664f. (auch mit Bezug auf diese Stelle), erklärt: »Das Wort ›Mummenschanz‹ setzt sich zusammen aus spätmhd. ›mumman‹ und ›schanz‹. Mumman war vom 14. bis 16. Jh. ein beliebtes Glücksspiel mit Würfeln; einen Glückswurf nannte man Schanz (fem.). Zur Fastnachtszeit gingen herumziehende maskierte Gruppen in die einzelnen Häuser, forderten die Anwesenden stumm zu einem Mummenschanzspiel auf und zogen weiter.« 23 dieselb zu halten] Wohl: mitzuspielen. 24 der Mag erkalten] der Magen kalt geworden. Vgl. zu I 91,29. 25 Gsicht] Sehvermögen. 27 Leichnam] Körper; vgl. II 100,18. 28 zeuhst] kommst du. 34 feyg] Möglicherweise schwingt hier die mittelhochdeutsche Bedeutung ›dem Tod verfallen‹ noch mit. 35 laß jm zu fr)he bedunken] glaube, es sei zu früh für den Tod. 36 Des Weinkauffs … all getrunken] Gemeint ist der gemeinsame Trunk der Parteien und Zeugen als rechtskräftiger Abschluss eines Vertrags; vgl. Mattias Gerhard Fischer, Weinkauf, in: HRG 5, Sp. 1234f. Vgl. Brant, Narrenschiff 85,17f., wo für die Unumgehbarkeit des Todes das gleiche Bild verwendet wird: Der wynkouff ist gedruncken schon | Wir m gen nit dem kouff abston. 39 gerben] rüsten. 44 F)r … kein Kraut] Anspielung auf das Sprichwort: ›Gegen den Tod gibt es kein Kraut und Heilmittel‹; vgl. TPMA Tod 344–351.

III 26 Vom Geitzigen/ vnd seinem Geltsack.

DG 231

Vorlage [Abstemius, Nr. 100 = Dorpius, Nr. 240, Bl. 68bf.] De Viro avaro sacculum nummorum alloquente. Vir quidam avarus, qui ingentem aureorum acervum male partum relicturus moriebatur, interrogabat sacculum nummorum, quem morienti sibi iusserat afferri, quibus voluptatem esset allaturus. Cui sacculus: »Heredibus«, inquit, »tuis, qui nummos a te tanto sudore quaesitos in scortis et conviviis profundent, et daemonibus, qui animam tuam aeternis suppliciis mancipabunt.« Haec indicat fabula stultissimum esse in his laborare, quae aliis gaudium, nobis autem sint allatura tormentum.

Stellenkommentar 6 f)r] vor. 8 g)lden] Vgl. zu I 27,19. 14 brumb] Kehle; vgl. FWB 4, Sp. 1266, mit nur diesem Beleg; ein zweiter Beleg in DWb  2, Sp.  427 (vom Jahr  1585). 16f. Vnd deine Seel … Teuffel gsandt] Das Bild bezieht sich ironisch auf den Brauch, zum Jahresanfang Geschenke zu verteilen (vgl. zu II 75,4); vgl. WA 16, S. 321, Z. 27–29, weitere Beispiele bei Holtorf, S. 192f. 17 Mit Meyen bsteckt] mit Blumen oder Grün geschmückt. Vgl. II 31,63. Vgl. auch Grimmelshausen, Simplicissimus, S. 217, Z. 9f.: einen solchen Ketzer mit Buxbaum bestecken/ und

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Kommentar zu III 27

dem Plutone zum Neuen Jahr schencken. 18 Ewig werd … gebrandt] Die Höllenstrafe ist nicht die Folge des Reichtums, sondern der Sünde (vgl. V. 5); ähnlich Brant, Narrenschiff 3,17f.: Mancher mit sunden g*t gewynt/ Dar vmb er jn der hellen brynt. 20 Historien] Der Begriff verspricht hier die Darstellung von Fakten und steht damit gegen die Lüge der Fabelerzählung; vgl. zu I 14,54. 21– 25 Die Ameyssen … bwaren] Goldgrabende, indische Ameisen erwähnt schon Herodot; dem lateinischen Mittelalter wird dieses Wissen etwa durch Isidor von Sevilla vermittelt; auch Münster, Cosmographei, S. 1166, berichtet von diesen Ameisen. Vgl. Thomas Reimer, Kleiner als Hunde, aber größer als Füchse. Die Goldameisen des Herodot. Ein antikes Märchen und sein Hintergrund, Münster 2005. 22 fesen] Spelzen (harte Hülsen des Getreidekorns). 25 Selb brauchens] selbst gebrauchen sie es. 28 niemandt … geben] Hier ist die Redensart: ›keinen Heller geben‹ (vgl. Röhrich, S. 696f. im Sinne von: ›für nichts wert erachten‹) noch im eigentlichen Sinn gebraucht. Zum Heller vgl. zu II 4,82. 30 wie die Henn … sitzen] Redensartlich im Sinne von: ›nichts hergeben wollen‹; vgl. Röhrich, S. 1484.

III 27 Vom Fuchß/ vnd Steinbock.

DG 176

Vorlage [Valla, Nr. 1 = Dorpius, Nr. 241, Bl. 70af.] De Vulpe et Capro. Vulpes et caper sitibundi in puteum descenderunt, in quo, cum perbibissent, circumspicienti reditum capro vulpes ait: »Bono animo esto, caper, excogitavi namque, quo pacto uterque reduces simus, siquidem tu eriges te rectum prioribus pedibus at parietem admotis cornuaque adducto ad pectus mento reclinabis, et ego per terga cornuaque tua transiliens et extra puteum evadens te istinc postea educam.« Cuius consilio fidem habenti capro atque, ut illa iubebat, obtemperanti ipsa e puteo prosiliit. Ac deinde prae gaudio in margine putei gestiebat exultabatque nihil de hirco curam habens. Ceterum cum ab hirco ut fidifraga incusaretur, respondit: »Enimvero, hirce, si tantum essent tibi sensus in mente, quantum est setarum in mento, non prius in puteum descendisses, quam de reditu exploratum habuisses.« Haec fabula innuit virum prudentem debere finem explorare, antequam ad rem peragendam veniat.

Stellenkommentar 1 REynhart] Name des Fuchses in der Tierepik, vgl. zu I  59,28. 1 Bartman] ›Person mit vollem Bart‹; vgl. FWB 3, Sp. 51f. Dem Zusatz von den Ziegen nach ist der Fabelakteur entgegen der Überschrift ein Ziegenbock (wie bei Dorpius: caper). Steinbock wird nur auf die im Gebirge lebende Tierart angewandt; vgl. DWb 18, Sp. 2050f., und FWB 11, Sp. 299f. 2 Pf)tzen] Hier: Brunnen. 7 one trawren] ohne Sorgen. 9 zweigen] Hörnern; Tittmann interpretiert die Form als Dativ von ›zwei‹ und versteht, mit Verweis auf die Dorpius-Vorlage, unter den zweigen die zwei Vorderbeine. DWb 32, Sp. 1041, verweist auf die Bedeutung

Kommentar zu III 28

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›Geweih‹, belegt die Bedeutung ›Hörner‹ aber nur mit dieser Stelle. 16 spolen] Leitersprossen. 18 fehrligkeyt] Gefahr. 19 Herr Bartholt] Der sprechende Name ist, wie auch Bartman, in DWb 1, Sp. 1145, nur mit dieser Stelle belegt. Bartolt heißt im Reinke de vos und im Froschmeuseler der Storch. 19 strauß] Kampf. 20 nauß] hinaus. 26 b)rsten] Borsten. 27 fahr nicht angenomen] Gefahr nicht auf dich genommen. 30 f)r hat] vorhat. 31f. So kumpt … gern fort] Anklang an sprichwörtliche Wendungen; vgl. TPMA Anfang 119–123: ›Guter Anfang hat gutes Ende‹. 32 anschleg gehn gern fort] Pläne haben oft Erfolg. Literatur Lieb, S. 49f., Anm. 148.

III 28 Von etlichen Hanen/ vnd einer Spree.

DG 243

Vorlage [Valla, Nr. 3 = Dorpius, Nr. 243, Bl. 70bf.] De Gallo et Perdice. Gallos quidam domi suae cum haberet, mercatus est perdicem eamque alendam et in societatem gallorum dedit una cum illis saginandam, eamque galli pro se quisque mordicabant abigebantque. Perdix autem apud se afflictabatur existimans ideo talia inferri si a gallis, quod suum ab illorum genere alienum esset. Ubi vero non ita post aspexit illos inter se pugnantes mutuoque percutientes, recreata a moerore inquit: »Equidem post hoc non afflictabor amplius videns eos inter se dimicantes.« Haec fabula innuit virum prudentem debere aequo animo ferre contumelias ab alienigenis illatas, quos videns ne a domesticorum quidem iniuria abstinere.

Stellenkommentar Ü Spree] Star. 7 durchechten] quälen. 9 sich … wurden beissen] begannen die Hähne sich zu bepicken. 12 sich] sehe. 18 Zerbrochen t pff … findt] Sprichwörtlich: ›Überall gibt es zerbrochene Gefäße‹; vgl. TPMA Gefäß 261– 264 (ohne frühneuhochdeutsche Belege).

III 29 Von einem rhumretigen Menschen. Vorlage [Valla, Nr. 6 = Dorpius, Nr. 246, Bl. 71b] De Viro iactabundo. Vir quidam aliquamdiu peregrinatus cum iterum domum reversus fuisset, cum multa alia in diversis a se viriliter gesta iactabundus praedicabat, tum vero id maxime, quod Rhodi omnes in certamine saliendi superasset, eiusdem rei Rhodios, qui affuerunt, testes esse. Ad quem unus assistentium respondens inquit: »O homo, si verum istuc est, quod loqueris, quid tibi opus est testibus? Ecce hic Rhodus, ecce hic certamen saliendi.« Haec fabula innuit, quod ubi rerum testimonia adsunt, nihil opus est verbis.

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Kommentar zu III 30

Stellenkommentar Ü rhumretigen] prahlerischen. 1 zoh] zog. 4 weydlich liegen mocht] ausgiebig lügen könnte. 7 verbl)mt] Das Verb bl)men (›preisen, schmücken‹) kann schon im Mittelalter die Ausgestaltung der Rede durch rhetorische Stilmittel ( flores rhetorici) bezeichnen (vgl. FWB  4, Sp.  656f.); vgl. I  21,23; II  17,34; II  31,176; IV 24,76. Mitzudenken ist hier wohl, dass auf diese Weise die Wahrheit auch verhüllt werden kann (so auch in V. 28); vgl. DWb 25, Sp. 146. 9 heymut] Heimat. 11 Denn wer … da er nicht gwesen] Etwa: Denn wer kann Aussagen über einen Ort, wo er nie war, Lügen strafen? 13 hat einr … wol macht] Gemeint ist: wo niemand den Wahrheitsgehalt des Gesagten kontrollieren kann, behält der Lügner die Machtposition im Gespräch. 14 vor] vorher. 15 degenheyt] Heldenhaftigkeit. 19 Roduß] Rhodos. In der antiken Fabel fordert ein Prahlhans die Umstehenden auf, seine sportlichen Erfolge auf Rhodos, besonders im Weitsprung, zu bezeugen; die sprichwörtlich (vgl. Walther, Nr. 10908) gewordene Antwort lautet: Hic Rhodus, hic salta. Waldis gibt der Antwort eine ganz andere Wendung (V. 25f.), im Morale wird aber das semantische Feld um Laufen und Springen aufgegriffen. 20 Weit vberauß] bei weitem zuvor. 21 Rodiser] Leute von Rhodos. 22 als f)r beweiser] als Zeugen. 26 leugen] bestreiten. 28–32 verbl)men … zweien beynen] Lockere Syntax; Die Warheyt ist Subjekt eines Gedankens, der mit Vers 29 beginnt, kann aber auch noch als Objekt auf verbl)men (vgl. V. 7) bezogen sein. 29 getrutzt] angegriffen. 33 Auff einem Beyn … hinckt] Anklang an das bekannte Sprichwort, für das TPMA keine deutschsprachigen Belege bietet; vgl. TPMA lügen 135–140: ›Lügen haben kurze (keine) Beine (sind lahm)‹. 34 eygen lob stinckt] Sprichwörtlich; siehe zu II 19,42. Literatur Lieb, S. 70, 121.

III 30 Vom Apollo vnnd einem Buben. Vorlage [Valla, Nr. 7 = Dorpius, Nr. 247, Bl. 71bf.] De Viro Apollinem tentante. Vir quidam facinorosus Delphos se contulit Apollinem tentaturus habensque passerculum sub pallio, quem pugno tenebat. Et accedens ad tripodas interrogabat deum dicens: »Quod habeo in dextra, vivit anne mortuum est?« Prolaturus passerculum vivum, si illum mortuum respondisset, occidisset eum statim sub pallio clam, priusquam proferret. At deus subdolam calliditatem hominis intelligens dixit: »O consultor, utrum mavis facere penes te – nam arbitrium est – facito, et sive vivum, sive mortuum, quod in manibus habes, proferto.« Haec fabula innuit mentem divinam nihil neque latere neque fallere.

Stellenkommentar Ü Apollo] Siehe zu II  5,7. 4 Zu Delphis] Siehe zu Das Leben Esopi 278. 15 seins hertzen gir] seine Absicht. 17 han] hinnehmen; vgl. DWb  10, Sp.

Kommentar zu III 31

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57f. 20 man nicht schertzen soll mit Gott] Vgl. Gal 6,7: Jrret euch nicht/ Gott lesst sich nicht spotten. Sprichwörtlich: ›Mit Gott lässt sich nicht Spott treiben (scherzen)‹; vgl. TPMA Gott 104–107. 22 wirdst] würdest.

III 31 Vom Pferdt/ vnd Esel.

DG 118

Vorlage [Valla, Nr. 9 = Dorpius, Nr. 249, Bl. 72af.] De Equo et Asino. Vir quidam habebat equum et asinum. In itinere autem faciendo inquit asinus equo: »Si me salvum vis, releva a me partem oneris mei.« Equo illius verbis non obsequente asinus sub onere cadens moritur. Tunc dominus iumentorum omnes, quas portabat asinus, sarcinas simulque corium, quod a mortuo exuerat, equo imponit, quo onere depressus equus et gemens cum clamore inquit: »Vae mihi iumentorum infelicissimo, quid mihi misero male evenit. Nam recusans partem nunc totum onus porto, insuper et illius corium.« Haec fabula innuit maiores debere in laboribus participes esse minoribus, ut utrique incolumes sint.

Stellenkommentar Ü Vom Pferdt/ vnd Esel] Eine weitere Bearbeitung dieses Fabelstoffs in I 52. 9 An meiner krafft … verzagen] hinsichtlich meiner Kräfte verzweifeln. 18 Vngl)ck kompt … mir] Sprichwörtlich: ›Ein Unglück kommt nicht allein‹; vgl. TPMA Unglück  14–49. 22 vom todt genesen] am Leben geblieben. 26 Das er … allein] Vgl. Gal 6,2: Einer trage des andern Last/ so werdet jr das gesetz Christi erfüllen. 28 Machen … arbeit leicht] Sprichwörtlich: ›Viele Hände arbeiten leichter und schneller‹; vgl. TPMA Hand 38–40.

III 32 Von einer Frawen/ vnd einer Hennen.

Pauli 53

Vorlage [Valla, Nr. 15 = Dorpius, Nr. 255, Bl. 73b] De Muliere et Gallina. Mulier quaedam vidua habebat gallinam cotidie singula ova parientem. Sperans autem pro singulis bina ova parituram, si plus tribuisset escarum, opipare educabat. Gallina vero pinguior effecta ne unum quidem ovum parturire poterat. Haec fabula innuit, quod homines propter luxum et copiam rerum marcescentes ab instituto retardantur.

Stellenkommentar 5 baß] besser. 8 drengen] stopfen. 11–14 Wenn einer … tugent gut] Statt vor Habsucht (vgl. auch Rinucius, Nr. 79 = Dorpius, Bl. 87a: De Muliere et Gallina; Camerarius, Fabulae, Bl. 46a [Nr. 24]; Alberus, Fabeln 4) warnt Waldis hier vor den Folgen der Völlerei. 13f. Drumb ist … tugent gut] Anklang an sprichwört-

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Kommentar zu III 33

liche Wendungen; vgl. TPMA Gut 127f.: ›Gut lässt keine Demut aufkommen‹, sowie 131–141: ›Gut führt zu Hochmut und Übermut‹. Vgl. zu I 30,55.

III 33 Vom Mann/ den ein Hundt gebissen. Vorlage [Valla, Nr. 16 = Dorpius, Nr. 256, Bl. 74a] De Homine, quem Canis momorderat. Admorsus a cane quidam circumibat singulos corrogans curatione. Nactusque quendam, qui cognita mali qualitate inquit: »Si tu quidem, homo, convalescere vis, sume crustulam panis madefactam in sanguine vulneris. Porrige cani, qui te momordit, comedendam.« Cui ille deridens inquit: »Ego, mehercle, si istuc fecero, dignus sum, qui ab omnibus huius urbis canibus mordear.« Haec fabula innuit improbos homines, cum maxima beneficia acceperint, tum maxime ad maleficia animari.

Stellenkommentar 5 darffst] brauchst. 7–10 nim … schmertzen setzt] Dieses Rezept konnte nicht nachgewiesen werden, es ist aber nicht zwangsläufig als Parodie oder purer Unsinn zu lesen. Hinter dem Vorschlag steckt die in der Frühen Neuzeit weitverbreitete Sympathie-Vorstellung, wonach alle natürlichen Dinge sich gegenseitig anziehen oder abstoßen (›Antipathie‹) und sich in ihrer Wirksamkeit beeinflussen. Daraus entwickelte sich eine Medizin, die nach dem Prinzip ›Gleiches mit Gleichem‹ (similia similibus) aus der äußeren Form von Pflanzen auf deren Heilkräfte und Anwendungsgebiete schloss und dabei auch von der Möglichkeit von Fernwirkung, ähnlich wie hier geschildert, ausging. Vgl. mit zahlreichen Beispielen Wolf-Dieter Müller-Jahncke, Magie als Wissenschaft im frühen 16. Jahrhundert. Die Beziehungen zwischen Magie, Medizin und Pharmazie im Werk des Agrippa von Nettesheim (1486–1535), Diss. masch. Marburg 1973. Daneben kannte auch der Volksglaube verschiedene Möglichkeiten, Krankheiten auf Hunde zu übertragen, unter anderem durch das Verfüttern präparierter Brotstücke; vgl. Hermann Güntert, Hund, in: HDA  4, Sp.  470–490, hier Sp.  472 und  478. 9 geletzt] verletzt. 12 baß] besser. 13 Wer] ich wäre. 16–18 Das man … gschrieben haben] Vgl. II 94.

III 34 Von dem Biber.

DG 57

Vorlage [Valla, Nr. 22 = Dorpius, Nr. 262, Bl. 75af.] De Castore virilia sibi amputante. Castor praeter ceteros quadrupedes in aqua durare dicitur eiusque genitalia ad artem medicam sane utilia esse. Tunc, ubi videt se ab indignantibus hominibus captum iri (non

Kommentar zu III 35

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enim ignorat, quamobrem indagetur), ipse sibi genitalia praecidit eaque ad insequentes proiciens hoc modo incolumis evadit. Haec fabula innuit huius exemplo prudentes debere pro adipiscenda salute nullam rationem habere fortunarum.

Stellenkommentar 1–6 DEr Biber … in Apotecken feyhl] Die Heilkraft der Biberhoden ist in der naturkundlichen Literatur des Mittelalters häufig bezeugt. Vgl. etwa BDN, S. 127, Z. 3–7: Castor ze latein haizt ze däutsch ain piber und spricht Aristoteles, daz des pibers mannesgezeuglein haiz castorium, daz haizt ze däutsch pibergail. […] daz pibergail ist ze vil erznei guot. Vgl. Alberus, Fabeln 40,45–50. 2 wasserfl)ssig] im Wasser lebend. 4 F)r Pestilentz … Venin] gegen Seuchen und jegliches Gift. 6 hats … feyhl] verkauft es in Apotheken. 9 mocht] konnte. 10–12 Schnidt dhoden … wardt] Vgl. BDN, S. 127, Z. 18–21: daz tier hât die art, wenne ez der jäger jagt, sô peizt ez im selber sein gailn auz und laezt die ligen, wan ez waent, daz man ez niht jage danne durch der gailn willen. Weitere Belege bei Henkel, S. 189f.; Emblemata, Sp. 460f. 11f. so hart … wardt] wegen der Hoden so sehr bedrängt wurde. 13 Bruder] Metaphorisch für Hoden; vgl. DWb 2, Sp. 420, zu dieser Stelle. 15f. Schwerdt/ Fewr … mag meiden] Sehr ähnlich II 86,31f.

III 35 Vom Meerschwein/ vnd dem S len.

DG 139

Vorlage [Valla, Nr. 23 = Dorpius, Nr. 263, Bl. 75b] De Thynno et Delphino. Thynnus, cum delphinum insequeretur praecipiti cursu et iamiam capiendus esset, in anfractum quendam se intrusit, delphinusque ad alterum similem impetu ipso illisus est. Ad quem thynnus respiciens iamque exspirantem videns inquit: »Iam mihi mors non est molesta videns eum, qui mihi causa mortis est, mecum morientem.« Haec fabula innuit aequo animo ferre homines calamitates, cum eos, propter quos in calamitate sunt, calamitosos aspiciunt.

Stellenkommentar Ü Meerschwein] Vgl. BDN, S. 256, Z. 18: Porcus marinus haizt ain merswein und ist ein visch. Ü S len] Seehund; vgl. Schiller/Lübben 4, S. 15, 179. 5 wagen] Woge. 7 anhin] dahin.

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Kommentar zu III 36

III 36 Von einem Warsager. Vorlage [Valla, Nr. 25 = Dorpius, Nr. 265, Bl. 76a] De Vate quodam. Vaticinator quidam in foro sedens sermocinabatur, cum quidam sibi praesto fuit crepidamque denuntiat fores domus eius refractas esse omniaque direpta, quae in domo fuissent. Ad quem nuntium vaticinator gemens properansque cursu se domum recipiebat. Quem currentem quidam intuens: »O tu«, inquit, »qua aliena negotia te divinaturum promittis, certe tua non divinasti.« Haec fabula ad eos spectat, qui res suas non recte administrantes alienas, quae nihil ad eos pertinent, providere et consulere conantur.

Stellenkommentar 2f. Thet … Wie] der behauptete von sich, dass. 7 Zuhandt] plötzlich. 11– 14 kanstu … gwarnt] Die Satzkonstruktion ist brüchig. Gemeint ist: Der Wahrsager kann seine angeblichen Fähigkeiten für sich selbst nicht nutzen (erarnt). 16 thut wie im Brand] handelt so, wie wenn im Brandfall. 16–18 wie im Brand … verseumen] Sprichwörtlich: ›Fremdes Feuer löschen und das eigene Haus verbrennen lassen‹; vgl. TPMA löschen  9f. sowie Brant, Narrenschiff, Motto zu Kap. 58: Wer leschen will eyns andern für | Vnd brennen loßt syn eygen schür | Der ist g*t vff der narren lür.

III 37 Vom Vgler vnd einer Droscheln.

DG 77

Vorlage [Valla, Nr. 28 = Dorpius, Nr. 268, Bl. 76bf.] De Aucupe et Merula. Auceps tetenderat volucribus retia. Quod eminus intuens merula percontabatur hominem, quid negotii ageret. Ille respondit se condere urbem, abiitque longius et sese abdidit. Merula vero illius verbis fidem habens et accedens ad escam iuxta retia appositam capta est accurrenteque aucupe inquit: »O homo, si tu quidem talem urbem condis, haud multos iuvenes habebis incolas.« Haec fabula innuit eo maxime modo rem privatam et rem publicam destrui, cum praesides saevitiam exercent.

Stellenkommentar 4 H)tten vnd Kloben] Fachbegriffe aus der Vogeljagd; vgl. zu II  73,2 (Hütte). Zum ›Kloben‹, einer Klemmfalle, erklärt Johann Geiler von Kaysersberg (1517): es ist ein gespaltener stecken, da gat ein schnuor durch und sitzen die vögel daruff, so zücht er dann die schnuor und erwischet etwan ein vögelein bei den fetichen oder bei dem köpflin, etwann bei dem clewelin. Ausführlich zur Klobenjagd Deutsche Jagdtraktate des  15. und  16. Jahrhunderts, eingeleitet und hg. von Kurt Lindner, 2 Teile, Berlin 1959 (Quellen und Studien zur Geschichte der Jagd  5/6), Teil  1, S.  27–43 (das Zitat S.  31). 9 bekleben] Hier wohl nicht

Kommentar zu III 38

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in der Bedeutung ›an etw. kleben‹ (FWB 3, Sp. 1122, auch mit Bezug auf diese Stelle), was an den Vogelfang mit der Leimrute oder -stange erinnert, sondern im Sinne von ›festgehalten werden‹. 13 gmeyne best] für die Allgemeinheit Beste. 16 das Muß versch)t] Redensartlich; siehe zu I 55,49.

III 38 Vom Boten vnnd einer Taschen. Vorlage [Valla, Nr. 29 = Dorpius, Nr. 269, Bl. 77a] De Viatore et Pera inventa. Viator longum ingressus iter vovit, si quid invenisset, eius dimidium Iovi se oblaturum. Inventa autem postea in itinere pera palmularum amigdalarumque plena comedit omnes palmulas amigdalasque, sed harum nucleos, illarum putamina et cortices ad aram quandam obtulit inquiens: »Habes, Iuppiter, quid tibi voveram. Quid enim inveni, eius interiora et exteriora tibi offero.« Haec fabula innuit avarum propter pecuniae cupiditatem etiam diis moliri fallacias.

Stellenkommentar 1 jm het f)r genon] sich vorgenommen hatte. 4 von stundt] sogleich. 6 Jupiters] Siehe zu I  17,26. 7 Zuhandt] gleich danach. 8 naschen] Wohl: nach Essen suchen; in dieser Bedeutung sonst nicht nachgewiesen. 9 eitel] nur; vgl. DWb  3, Sp.  387f. 12 gern] Schoß; Gewandtasche (vgl. II  26,35). 17 all … hauffen hegt] alle zusammen aufbewahrte. 23 verzweiuelt] verabscheuungswürdiger; vgl. DWb  25, Sp.  2691f. 26 Solts wol … weg nemen] Gemeint ist wohl: der würde sogar etwas vom Heiligen Kreuz wegnehmen.

III 39 Vom vngezohenen Kindt/ vnnd seiner Mutter.

ATU 838

Vorlage [Valla, Nr. 30 = Dorpius, Nr. 270, Bl. 77af.] De Puero et Matre. Puer quidam in schola condiscipulo furatus tabellam alphabetariam attulit matri suae, a qua non castigatus cotidie magis furabatur. Procedente autem tempore coepit furari maiora. Tandem a magistratu deprehensus ducebatur ad supplicium. Matre vero sequente ac vociferante rogavit ille satellites, ut paulisper cum ea ad aurem loqui permitterent. Quibus permittentibus et matre festinabunda aurem ad os filii admovente ille auriculam matris dentibus evellit. Et cum mater ceterique increparent, non modo ut furem, sed in parentem suam impium, inquit: »Haec mihi, ut perderer, causa exstitit. Si enim me tabellam alphabetariam furatum increpuisset sive castigasset, nequaquam ad ulteriora progressus nec ad supplicium ducerer.« Haec fabula innuit, quod, qui inter initia peccandi nec coercentur, ad graviora flagitia evadunt.

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Kommentar zu III 40

Stellenkommentar 4 b)chlin … haben] Gemeint sind wohl ABC-Bücher und Fibeln; einige Beispiele bei Brüggemann, Register. 6 vbersehen] durchgehen lassen. 7 Baret] Barett. 12 Nam … nicht ab] hörte er nicht auf zu stehlen. 16 an Galgen zhangen] Vgl. zu III 5,14. 27 zustundt] sogleich. 29 Das sie … pfleg] um seinen Willen zu erfüllen. 33 verzweiuelt Bub] elender Schurke; vgl. III 38,23. 34 Wer wert … betrub] hätte eine härtere Strafe verdient; vgl. Vers 40. 35 schlechter] einfacher. 36 nat)rlich lieb] Vgl. Luther: Nu seynd dreyerley liebe, falsche, naturliche, eeliche. […] Naturliche liebe ist zwischen vatter und kind, bruder und schwester, frund und schweger, und der gleychen (WA 2, S. 167, Z. 25–29). Luther warnt davor, aus Liebe zu den Kindern auf deren strenge Erziehung zu verzichten: Aber die falsche natur liebe vorblendet die elternn, das sie das fleysch yhrer kinder mehr achten, dan die seelen (ebd., S.  170, Z.  19f.). 39 Welch Gott … geboten het] Das vierte Gebot (Ex 20,12): DV SOLT DEINEN VATER VND DEINE MUTTER EHREN/ AUFF DAS DU LANG LEBEST IM L ANDE / DAS DIR DER HERR DEIN GOTT GIBT ; vgl. Dtn 5,16 und Lev 19,3. 45 Virgas] Lat.: Ruten(schläge). Vgl. das Sprichwort: ›Jugend muss Zucht haben‹ (TPMA jung 3.5., ohne frühneuhochdeutsche Belege). 46 D rfft] müsste sie/ich. 52 sein gesetze] Siehe zu Vers 39. 54 jn amptes halben gan] ihnen ihrer Aufgabe gemäß gönnt. 55–58 Die straff … Salomon] Vgl. Prov 13,24, und 23,13f., dazu Luthers Marginalie: Steupestu jn [den Knaben]/ so darff jn der Hencker nicht steupen/ Es mus doch gesteupet sein/ Thuts der Vater nicht/ So thuts Meister Hans/ da wird nicht anders aus/ Niemand ist jm je entlauffen/ denn es ist Gottes gericht. 57 weil] solange. 62 Weiche rtzt … wunden] Übertragung des lat. Sprichworts: Vulnus olens mitis medicus facit (Walther, Nr. 34215); vgl. TPMA Arzt 2.8. (ohne deutsche Belege).

III 40 Vom J(ngling/ vnd einem Lwen.

ATU 934

Vorlage [Valla, Nr. 32 = Dorpius, Nr. 272, Bl. 77bf.] De Filio cuiusdam senis et Leone. Filium senior quidam habebat unicum generosi animi et venaticorum canum amatorem. Hunc per quietem viderat a leone trucidari. Territus, ne forte somnium hoc aliquando sequeretur eventus, exstruxit domum quandam quam politissimam et laquearibus ac fenestris amoenissimam illuc inducens filium. Assiduus illi custos inhaerebat. Depinxerat enim ea in domo ad oblectationem filii omne animalium genus, in quibus et leonem. Adulescens haec inspiciens eo amplius molestiae contrahebat. Quadam autem vice propius stans leoni inquit: »O truculentissima fera, propter te et propter inane somnium patris mei in hac domo asservor velut in carcere. Quid tibi faciam?« Et haec dicens manum parieti incussit oculum leonis eruere volens et in clavo, qui illic latebat, offendit. Qua ex percussione manus emarcuit succrevitque sanies et febris subsecuta est. Brevique tempore adulescens est mortuus. Ita leo adulescentem occidit nihil adiuvante patris sophismate. Haec fabula innuit, quae ventura sunt, devitare posse neminem.

Kommentar zu III 41

207

Stellenkommentar 9 f)r] vor. 13 weißlich vernem] richtig verstehe. 14 vnderkem] verhindere. 15 ern … sach] er sah, dass der Sohn einen Hang zur Jagd hatte. 17 gfiert] viereckig; vgl. FWB 6, Sp. 455. 18 allem vorrath] jeglicher Ausstattung. 20 schon] schöne. 38 schwur] sich stark entzündete. 42 list] Plan. 44 gewehrt] abgewehrt. 46 On jn … ein Har] Sprichwörtlich: ›Ohne Gottes Willen fällt kein Haar vom Kopf‹; vgl. Mt 10,30; Lk 21,18; TPMA Haar 38f.

III 41 Vom Fuchß/ one Schwantz.

DG 211

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 8 = Dorpius, Nr. 281, Bl. 81b] De Vulpe sine cauda. Vulpes, ut e laqueo evaderet, abscissa cauda cum e pudore vitam sibi mortem putaret, excogitavit alias dolo inducere vulpes, ut sub communis commodi specie sibi singulae caudam abscinderent et sic suum dedecus levaret. Itaque ad unum vulpibus congregatis suadet, ut caudam sibi abscindant, disserens caudam non modo dedecori vulpibus esse, sed oneri gravi atque inepto. E vulpibus una ei facete respondit: »Heus, soror, si res ista tibi soli conducit, cum non itidem aliis consulere haud est aequum.« Haec fabula ad eos spectat, qui sub caritatis specie suum commodum consulendo prospiciunt.

Stellenkommentar 6 hinden wie ein Luchß] Luchse haben einen Stummelschwanz. In II 20 ist der Luchs ausdrücklich ein prächtiges Tier; vgl. auch III 43. 7 fundt] List. 11 magen] Verwandte. 14 Nachzoten] hinterherschleifen. 14 wie die gippen frentzen] Unklar: Zierfransen an Jacken? gippe ist eine geläufige Nebenform von ›Joppe‹; vgl. FWB 8, Sp. 389f. ›Franse‹ ist in DWb 3, Sp. 60, nur mit der Form Franze belegt. Die Drucke BCEF haben fentzen (›Aufschneider, Nichtsnutze‹; vgl. DWb  1320f.). 16 Ziehen … fliegen her] Nass gewordene Fliegen sind in verschiedenen Redensarten der Inbegriff von Schwerfälligkeit; vgl. Röhrich, S. 460. 18 fehrligkeit] Gefahr. 25 gering] leicht. 28 machen] mach ihn. 29f. Wenn eine … andern allen] Sprichwörtlich: ›Wenn eine Kuh dreckig ist, will sie die andern auch dreckig sehen‹; vgl. TPMA Dreck  108f. (ohne deutsche Belege). 29 kath] Dreck. 31f. Wer kommen ist … genoß] Vgl. III 35,17–20. 33f. die Fabel … den Schnecken] Vgl. II 23. Literatur Lieb, S. 98.

208

III 42 Vom Fuchß vnd dem Dornbusch.

Kommentar zu III 42 DG 177

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 10 = Dorpius, Nr. 283, Bl. 82a] De Vulpe et Rubo. Vulpes cum saepem quandam ascenderet, ut periculum vitaret, quod sibi imminere videbat, rubum manibus comprehendit atque volam sentibus perfodit et, cum graviter saucia foret, gemens inquit ad rubum: »Ut me iuvares, cum ad te confugerim, tu deterius me perdidisti.« Cui rubus: »Errasti, vulpes«, ait, »quae pari dolo me capere putasti, quo cetera capere consuevisti.« Fabula significat, quod stultum est implorare auxilium ab illis, quibus a natura datum est obesse potius quam aliis prodesse.

Stellenkommentar 6 hincken wardt] zu hinken begann. 8f. Weil ich … Zu dir] während ich von dir nur Gutes erwarte. 14 baß] besser. 14 Mores glert] Redensartlich; siehe zu I 33,13. 18 Der Dornbusch keine Feigen hat] Die sprichwörtliche Wendung (vgl. TPMA Dorn 34–49: ›Dornbüsche bringen keine Feigen‹) geht auf Mt 7,16 und Lk 6,44 zurück. 20 b ser Vogel/ b ses Ey] Sprichwörtlich: ›Wie das Ei (der Vogel), so der Vogel (das Ei)‹; vgl. TPMA Ei 78–89 und die genaue Entsprechung bei Egenolff (ebd., Nr. 89).

III 43 Vom Fuchß/ vnnd dem Luchs.

DG 198

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 11 = Dorpius, Nr. 284, Bl. 82a] De Vulpe et Crocodilo. Vulpes et crocodilus de nobilitate contendebant, cum crocodilus multa pro se adduceret ac supra modum se iactaret de splendore progenitorium suorum. Vulpes ei surridens ait: »Heus, amice, et si hoc tu quidem non dixeris, ex tuo corio clare apparet, quod multis iam annis tuorum splendore fuisti denudatus.« Fabula significat, quod homines mendaces res ipsa potissimum refellit.

Stellenkommentar Ü Luchs] Bei Dorpius ein Krokodil, ebenso bei Camerarius, Fabulae, Bl. 41b [Nr.  9], wo das Tier als besonders hässlich beschrieben wird. Zum Luchs als schönem Tier vgl. II 20,1–6. 6 belg] Haut. 6 Futer] Mantelfutter. 8 vmb wallen] umherziehen. 11 alten] Vorfahren. 15 bilch] zu Recht. 20 dein Eltern] von deinen Vorfahren. 22 sein haut sey ab gezohen] Das Schinden war eine besonders grausame Form der Folter und des Strafvollzugs; vgl. Ruth Schmidt-Wiegand, Schinder, in: HRG  4, Sp.  1409f. 24 Sich duncken lest] meint. 25 K)rßner] Kürschner. 26 jr viel] viele von ihnen. 30 glauben stellen] Glauben schenken. 31 liegen] lügen. 32 vbermacht] übertrieben. 33 ein vberzeugt] einen überführt. 34 erleugt] erlogen hat.

Kommentar zu III 44

III 44 Vom Fuchß/ vnd dem J ger.

209 DG 621

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 12 = Dorpius, Nr. 285, Bl. 82af.] De Vulpe et Venatoribus. Vulpes venatores effugiens ac per avia currendo iam defessa hominem casu reperit lignarium, quem rogat, ut se quoquo loco abscondat. Ille tectorium sibi ostendit. Vulpes illud ingrediens in angulo quodam se abscondit. Adsunt venatores, lignarium, si vulpem viderit, rogant. Lignarius verbis quidem se vidisse negat, manu vero, ubi vulpes latebat, locum ostendit. Verum enim venatores re haud percepta statim abeunt, vulpes, ut illos abisse prospicit, tectorio egrediens tacite recedit. Lignarius vulpem criminatur, quod cum salvam fecerit, nihil sibi gratiarum agat. Tunc vulpes se convertens illi facete ait: »Heus, amice, si manum, opera ac mores verbo similes habuisses, meritas tibi persolverem gratias.« Fabula significat, quod homo nequam et si bona pollicetur, mala tamen et improba praestat.

Stellenkommentar 4 on gefehr] zufällig. 10 nach dem Fuchß … so gach] er wollte den Fuchs unbedingt erwischen. 11 vernomen] gesehen. 13 sein] von ihm. 13 trawen] Bekräftigungsformel: wirklich. 14 Wo] wenn. 14 verh)t] verborgen. 17 mercket] verstand. 26 nit einst] nicht ein einziges Mal. 26 Deo gratias] Dank sei Gott. gratias ist zur allgemeinen Dankesformel erstarrt; vgl. DWb 8, Sp. 2053f. 28 frommer] rechtschaffener. 31 glauben] Treue. 34 Gleißnerey] Heuchelei. 35 Wirfft jm … in Garten] Sprichwörtlich: ›Einem einen Stein in den Garten werfen‹, im Sinne von: ›Jemandem Schaden zufügen‹; vgl. TPMA Stein 237–239; Röhrich, S. 1540. 39f. das jm … das Helb] dass man den Stiel in seiner Hand nicht sähe. 41f. Das sein … hinden kratzen] Sprichwörtlich: ›Vorne lecken, hinten kratzen‹; vgl. TPMA lecken 21–44; Röhrich, S. 824 und S. 945f.

III 45 Vom hltzen Abgott.

ATU 1643

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 15 = Dorpius, Nr. 288, Bl. 83a] De Homine et ligneo Deo. Homo quidam deum ligneum domi habens eum oravit, ut boni quippiam sibi tribueret, sed quanto magis orabat, eo res domi angustior erat. Demum ille concitus ira deum cruribus capit et caput parieti percutit. Illi excisso igitur capite multum auri exiliit, quod homo colligens ait: »Perversus nimium es atque perfidus, qui, dum in honore te habui, nihil equidem profuisti, percussus vero ac verberatus boni plurimum contulisti.« Fabula significat, quod homo nequam, si quando prodest, id efficit vi coactus.

Stellenkommentar 5 da wardt nit auß] da wurde nichts draus. 7 Bildt] Standbild. 8 t)gen] taugen. 18 on seinen danck] gegen seinen Willen. 20 Frag den Nußbaum] Vgl. II 91.

210

III 46 Wie ein Hundt ward zu Gast geladen.

Kommentar zu III 46 DG 298

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 16 = Dorpius, Nr. 289, Bl. 83af.] De Cane ad cenam vocato. Vir quidam cum cenam opiparem parasset, amicum quendam domum vocavit, eius quoque canis canem alterius ad cenam invitavit. Is domum ingressus, cum tantum dapium videt apparatum, laetus secum ipse ait: »Hodie porro ita me explebo, quod die crastino comedere non indigebo.« Hisque dictis motu caudae applaudit. Coquus vero eum conspiciens tacitus per caudam capit atque illum saepius rotans per fenestram proicit. Ille attonitus humo assurgens dum clamando aufugit, ceteri canes sibi occurrunt atque rogitant, quam opipare cenaverit. At ille languens ait: »Ita potu ac dapibus me explevi, quod, cum exiverim, viam non vidi.« Fabula significat, quod, quibus rebus qui doliturus est, rebus illis laetari non debet.

Stellenkommentar 12 fast] ausgiebig. 13 on als gefahr] ganz zufällig. 17 kath] Dreck. 24 beschissen] Hier mit doppeltem Sinn: ›verdreckt‹ und – wie noch heute vulgär – ›betrogen‹. 26 Schleht … mit hauffen] schlägt ihm jeder noch mehr Dreck obenauf, im Sinne von: ›verhöhnt ihn jedermann‹; vgl. DWb  2, Sp.  1355, zu dieser Stelle. 27f. Wer schaden … den spot] Sprichwörtlich; siehe zu I 11,48. 27 den vnfall] das Unglück. 28 darff] braucht. Literatur Lieb, S. 45f.

III 47 Von einem Mann/ vnd dem Adlar.

DG 409

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 17 = Dorpius, Nr. 290, Bl. 83b] De Aquila et Homine. Aquilam homo quidam cum cepisset, pennis alarum sibi evulsis inter gallinas morari dimisit. Eam deinde quidam mercatus pennis alas denuo munit, tum aquila volans leporem capit fertque illum benefactori suo. Quam rem conspiciens vulpes homini ait: »Noli hanc aquilam sicuti prius hospitio habere, ne ceu leporem te aeque venetur.« Tum homo aquilae item pennas evulsit. Fabula significat, quod benefacientes sunt quidem remunerandi, improbi vero omni studio vitandi.

Stellenkommentar 3 mit jm] mit sich. 14 Flohe] flog. 14 von stundt] sogleich. 19 feht] fängt. 24 auff lupffen] aufschwingen. 26 b ß zutrieb] Böses zufügte. 30 der massen helt] sich so verhält. 32 ers zu wandlen hat] er eine Gegenleistung zu erbringen hat; vgl. DWb  27, Sp.  1637, mit Verweis auf diese Stelle. 33 schmecht] schmäht. 33f. h hnt … seim Knecht] In einem bei Egenolff und in mehreren

Kommentar zu III 48

211

Varianten bei Agricola aufgeführten Sprichwort (vgl. TPMA Krämer 26–30, 32) beleidigt der Henker seinen Knecht als besonders verlogen; möglicherweise spielt die Stelle darauf an. 35–38 Man sagt … der Welt danck] Sprichwörtlich: ›Fremden Kindern (Hunden) Gutes tun, wird mit Undank vergolten‹; vgl. TPMA Kind 526–530 sowie auch TPMA Hund 852. Das bekannte Sprichwort, wonach Undank der Welt Lohn sei (vgl. Röhrich, S. 1660), wird in TPMA nur mit einem Luther-Zitat (WA 50, S. 458, Z. 33f.) belegt: Die Welt lohnet nicht anders denn mit Undank, wie man spricht (vgl. TPMA Undank 10). Vgl. IV 99.

III 48 Vom altenn Weingartner.

ATU 910E

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 18 = Dorpius, Nr. 291, Bl. 83bf.] De Viro agricola. Homo quidam agricolator existens, cum finem vitae sibi adesse cognosceret cuperetque filios in agrorum cultu fieri peritos, eos vocavit atque inquit: »Filii, ego e vita discedo, bona mea in vinea consita sunt omnia.« Illi post patris obitum putantes in vinea thesaurum reperire assumptis ligonibus, marris ac bidentibus vineam funditus effodiunt nullumque thesaurum inveniunt. Verum enim vinea cum probe effossa foret, longe post solito fructus produxit atque illos divites fecit. Fabula significat, quod labor assiduus thesaurum parit.

Stellenkommentar 2 warten] erwarten. 9 gunden] begannen. 10 nit] nichts. 13 von zeit vnd stunden] von da an; vgl. DWb 20, Sp. 493–497. 15 hentz] Kerl; Abkürzung von ›Heinz‹ im Sinne eines Allerweltsnamens; vgl. DWb 10, Sp. 889, mit Verweis auf diese Stelle. Vgl. auch IV 1,85. 16 sich stets … den Glentz] Etwa: der sich stets einen faulen Lenz macht; vgl. DWb 7, Sp. 8333f., und DWb 12, Sp. 752f., beide mit Verweis auf diese Stelle. Die gleiche Phrase auch in IV  37,27, und IV 58,39. 18f. ein gebroten … offen maul] Sprichwörtlich; siehe zu II 14,24. 25 im schweyß seins angsichts] Vgl. Gen 3,19. Literatur Lieb, S. 61–63, 98.

III 49 Vom Pfeiffer der vischen gieng. Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 21 = Dorpius, Nr. 294, Bl. 84af.] De Piscatore quodam. Piscator quidam piscandi inexpertus tibiis ac rete assumptis iuxta maris litus accedit atque saxo quodam superexistens in primis tubicinare coepit putans cantu se pisces facile esse capturum. Verum cantu cum nullum consequeretur effectum, depositis tibiis rete

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Kommentar zu III 50

in mare demittit ac pisces cepit perplures. Sed cum ex rete pisces extraheret atque eos saltantes perspiceret, non insulse ait: »O improba animalia, dum ad tibiam cecini, saltare noluistis. Nunc, quia canere cesso, saltus datis assiduos.« Fabula significat, quod omnia probe fiunt, quae fiunt tempore suo.

Stellenkommentar 12 zwerch] quer. 14 eben] ziemlich großen. 15 Zohs] zog sie. 20 faht] fangt. 21 jede zeit hat jre zeit] Der sprichwörtliche Gebrauch geht auf Koh 3,1 zurück; vgl. zu II 56,15f. Zusammen mit dem Folgevers gelesen, klingt hier auch Koh 9,11 an. 22 geit] gibt. Literatur Lieb, S. 75–77.

III 50 Von zweien Vischern. Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 22 = Dorpius, Nr. 295, Bl. 84b] De Piscatoribus quibusdam. Piscatores piscatum profecti diuque piscando defessi, fame praeterea ac moerore, quod nihil cepissent, confecti, cum abire decernunt, ecce piscis quidam alium fugiens se insequentem in naviculam saltat. Illum piscatores supra modum laeti comprehendunt ac in urbem reversi grandi pretio vendunt. Fabula significat, quod frequentius fortuna id exhibet, quod ars efficere non potest.

Stellenkommentar 7 on gefehr] zufällig. 9 neidisch] heftig; vgl. DWb 13, Sp. 563, mit Bezug auf diese Stelle. 13 kompt vns wol zu steur] kommt uns sehr zugute; vgl. DWb 18, Sp.  2589. 14 zu Marck] zum Markt. 18 Erfarnheyt] Siehe zu I  79,34. 19– 22 Die Schrifft … der Samuel] Vgl. I Sam 9f. Saul war von seinem Vater ausgeschickt worden, entlaufene Eselinnen (hier Maultiere, V. 20: Maulen) zu suchen, und traf auf Samuel, der ihn zum König salbte. Literatur Lieb, S. 75–77.

III 51 Vom armen krancken Mann.

ATU 778

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 23 = Dorpius, Nr. 296, Bl. 84bf.] De Viro inope et infirmo. Homo quidam pauper cum aegrotaret, deis vovit, quod, si eo morbo liberaretur, boves centum immolaret. Quod dei experiri volentes sanitatem illi facile reddunt. Liber igitur

Kommentar zu III 52

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a morbo, cum boves, quia pauper, non haberet, ossa boum centum collegit eaque super altari deponens lepide inquit: »Ecce quod vovi, votum vobis nunc persolvo.« At dii illum ulcisci volentes in somnis sibi assistunt atque inquiunt: »Ad maris litus pergito, ibi enim in loco semoto auri talenta centum reperies.« Ille expergefactus somnii memor dum pergit ad litus, incidit in latrones. Captus itaque eos rogabat, ut se missum facerent, quoniam mille talenta auri persolveret eis. Fabula significat, quod homo mendax deos et homines pariter contemnit.

Stellenkommentar 2 Jupiter] Siehe zu I 17,26. 3 fahr] Gefahr. 5 schon] schön. 8 vermag sie nit] kann sie sich nicht leisten. 14 beyn] Knochen. 18 widerbracht] zurückgegeben. 24 Schnaphan] Straßenräuber. 24 her getraben] herbeigelaufen. 25 mucht] konnte. 34 Das] was. 35–62 Wie der Holender … kaum ein strundt] Mögliche Vorlagen zu dieser Geschichte bei Pauli 304; Camerarius, Fabulae, Bl. 43b [Nr.  15]; dort ist die Fabel wie bei Waldis an diejenige vom armen Kranken angefügt. Vgl. auch Bebel, Fazetien II 41; ATU 778. 36 Crauel] Handelsschiff. 38 der zage Wurm] die Angst. Zum Bildhintergrund der Metapher vgl. DWb 30, Sp.  2248–2252; Röhrich, S.  1747–1749. 41 Sanct Niclaus] Siehe zu II  50,12. 43 frist] verschone. 45 die schonfahr Mast] wie der Hauptmast. 49 verkall] Wohl: ›verschwatze‹; vgl. DWb 25, Sp. 614f., mit nur diesem Beleg. 50 mall] töricht. 51f. last Wachs … schippunt Flachs] Die Gewichtseinheiten für Seefrachten ›Last‹ und ›Schiffspfund‹ (der Druck F hat schiff pfunt) betragen – regional wie historisch variierend – zwei bis drei Tonnen bzw. etwa drei Zentner. 53 Magen] Verwandten. 54 S lln wir … nit ertragen] werden wir solche Unkosten nicht tragen können. 58 dingen] verhandeln. 62 strundt] Dreck. Literatur Lieb, S. 61, 75–77; Stiefel, Esopus, S. 494f.

III 52 Von dreien Vischern. Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 25 = Dorpius, Nr. 298, Bl. 85af.] De Piscatoribus quibusdam. Piscatores quidam e mari rete trahebant. Quod cum grave esse sentirent, laetitia gestiunt putantes multos pisces habere irretitos. Sed ut rete in terram traxerunt, pisces quidem paucos, saxum vero ingens reti inesse cum perspiciunt, longe tristantur. Quidam ex illis natu iam grandis non inurbane sociis inquit: »Animis estote quietis, quippe laetitiae soror est maestitia, oportet enim casus prospicere futuros illosque, ut levius quis ferat, persuadere sibi esse eventuros.« Fabula significat, quod qui reminiscitur sortis humanae, in adversis minime frangitur.

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Kommentar zu III 53

Stellenkommentar 5 zohens] zogen sie. 7 Destmehr … beziehen] über desto mehr (Fische) wollten sie so die Netze ziehen; vgl. DWb 1, Sp. 1799, und FWB 3, Sp. 2328, beide mit Bezug auf diese Stelle. 10 lenden] an Land gehen. 17 zuhandt] sofort. 21 laßts … erwinden] lasst es an nichts mangeln; vgl. DWb 3, Sp. 1066f. 24 Vnfall … zuher machen] Im Sinne von: zuerst kommt das Unglück (doch dann wird Glück folgen). Die Abfolge beider ist hier umgekehrt, vgl. Vers 22: es ist noch gl)ck dahinden. 25 bewegen] verunsichern. 26 scheint die Sonn … regen] Sprichwörtlich: ›Nach dem Regen scheint die Sonne (heller und wärmer)‹; vgl. TPMA Regen 32–38. Vgl. II 93,38. 28 sein gethan] beschaffen sind. 29f. Das gl)ck … treyt] Dass Glück und Unglück einander ablösen, ist sprichwörtlich; vgl. TPMA Unglück 123: ›Nach Unglück kommt Glück und umgekehrt‹; TPMA Glück  9.4.,  9.5. 30 treyt] trägt. 31 f)rsichtigkeit] Voraussicht. 35 bilch] zu Recht. 36 gl)ck vnd vngl)ck tragen] Vor allem bei den Neostoikern eine allgemeine Lebensmaxime. Ein sprichwörtlicher Gebrauch ist aus der Antike überliefert, im Deutschen dagegen kaum belegt; vgl. TPMA Glück 639–649: ›Man ertrage das Schicksal und überwinde es‹. Literatur Lieb, S. 75–77.

III 53 Vom alten Mann der den Todt fordert.

ATU 845

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 28 = Dorpius, Nr. 301, Bl. 86a] De Sene Mortem vocante. Senex quidam lignorum fascem super humeros ex nemore portans, cum longa via defessus esset, fasce humi deposito mortem vocavit. Ecce mors advenit causamque, quamobrem se vocaverit, rogat. Tunc senex: »Ut hunc lignorum fascem super humeros mihi imponeres«, ait. Fabula significat, quod quisquis vitae cupidior est licet milibus subiciatur periculis, mortem tamen semper devitat.

Stellenkommentar 4 An eine Wyd … gfaßt] mit einer Weidengerte zusammengebunden. 8 reyn] Rain, ein Streifen unbebautes Land, hier: Wegrand. 17 Das … gar ergeben] Wohl: dass ich darunter kraftlos niedergesunken bin. Diese Bedeutung ist allerdings nur im Mittelhochdeutschen und dort schwach belegt; vgl. Lexer  1, Sp. 628. 21 jm] sich.

Kommentar zu III 54

III 54 Von einer Frawen/ vnd dem Artzte.

215 ATU 1456*

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 29 = Dorpius, Nr. 302, Bl. 86af.] De Muliere et Medico. Mulier anus cum ophthalmiam pateretur, medicum ad se curandum accersit certum pretium sibi dare promittens, si eo morbo curaretur. Si vero non liberaretur, nihil ei debere pacta esse. Medicus vero, quotiens illam ibat curatum, totiens quippiam e domo clam exportabat. Mulier igitur ophthalmia curata, cum nihil suarum rerum domi esse prospiceret, medico mercedem pactam petenti solvere denegat. Quamobrem vocata in iudicium pactum quidem non denegat, sed se curatam ophthalmia esse id vero pernegat aiens: »Cum caeca eram, domum multa supellectile refertam videbam, nunc, cum video, ut medicus ait, nihil rerum domi esse prospicio.« Fabula significat, quod homines avaritiae dediti sibimet saepius contradicunt.

Stellenkommentar 1 Gsicht] Sehsinn. 3 kriegt] rief. 14 sie vor gerichte steygert] FWB  11, Sp. 271, erklärt ›steigern‹ mit ›vorladen‹, jedoch mit nur diesem Beleg. Eine andere Lesart ist: ›erhöhte vor Gericht seine Forderungen an sie‹; vgl. DWb  18, Sp. 1932f., mit Verweis auf diese Stelle. 21 Gestund … in keinen weg] das gestand sie ihm in keiner Weise zu. 28 Jn jrem … behangen] Vgl. Ps 9,16.

III 55 Von zweien Feinden. Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 36 = Dorpius, Nr. 309, Bl. 88a] De duobus Inimicis. Duo quidam gladiatorio animo inter se inimicitias habentes una in navi navigabant. Et cum alter eodem in loco stare cum altero non pateretur, unus in puppi, alter in prora consedit. Orta autem tempestate, cum navis periclitaretur, qui in prora sedebat, rogat navis gubernatorem, quae pars navis submergi prius deberet. Et cum gubernator puppim dixisset, ait ille: »Mors mihi modo molesta minime est, si inimicum meum prius mori perspicio.« Fabula significat, quod inimicus, ut inimicum perdat, seipsum perdere saepius eligit.

Stellenkommentar 3 zamen] zusammen. 5 f)r Casteel] Bug. Kastelle sind Aufbauten am Bug und Heck von großen Schiffen; vgl. Krünitz 7, S. 716. 7 webt] weht. 10 vbergeben] aufgegeben. 12 kriegt erst die fahr] ist zuerst in Gefahr. 14 hats kein feyhl] ist alles in Ordnung. 15 sich] sehe. 16 begeben mich] mich in den Tod ergeben. 20 der pein ein Gsellen] Ironischer Anklang an den sprichwörtlichen Trost, den geteiltes Leid bedeutet; vgl. TPMA Geselle 6.4.2.2.; TPMA gemeinsam 3.1.; TPMA Trost 4.

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Kommentar zu III 56

III 56 Vom Knaben vnd dem gl(ck. Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 39 = Dorpius, Nr. 312, Bl. 88b] De Puero et Fortuna. Cum puer quidam iuxta puteum dormiret, Fortuna illuc accedens illum excitavit inquiens: »Surge et hinc ocius abi, quippe in puteum si caderes, non tuam inscitiam, sed me, Fortunam, omnes accusarent.« Fabula significat, quod frequens pericula culpa nostra incurrimus, deinde abs re Fortunam accusamus.

Stellenkommentar 1 DAs gl)ck] Fortuna; siehe zu I 97,7. 2 pf)tzen] Brunnen. 4 on gefehr] zufällig. 5 vnhuldt] Vorwürfe; vgl. DWb 24, Sp. 1073, mit Verweis auf diese Stelle. 6 Sprechen] Man spräche. 7–10 Wenn wir … dem vngl)ck an] Vgl. II 64,35–38. 8 vnlust] Kummer.

III 57 Von Meusen vnd der Katzen.

DG 407

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 40 = Dorpius, Nr. 313, Bl. 88bf.] De Muribus et Cato. Domo quapiam quod perplures forent mures, catus praesentiens illuc accessit atque nunc unum, nunc alium capiens complures interimendo comedit. Verum mures, cum se in diem consumi perciperent, ad unum coacti inquiunt secum de cetero inferius non esse descendendum, »si nolumus perditum iri omnes, sed hic superius manendum, quo catus ascendere non potest«. At catus consilio murum percepto simulans se mortuum esse posterioribus pedibus se ad palum suspendit, qui fixus parieti erat. E muribus quispiam deorsum acute prospiciens, ut catum esse cognovit, haud infacete ait: »Heus, amice, et si te follem esse certo scirem, deorsum minime descenderem.« Fabula significat, quod vir prudens, semel si fallitur, fictis et simulatis hominibus non amplius fidit.

Stellenkommentar 4 zamen auff ein mal] einstmals zusammen. 6 Riethen] beratschlagten. 8 enthalten] aufhalten. 10 fatzen] Hier: quälen. 16 liebe Basen] Ironisch, etwa wie heute: ›mein lieber Freund‹. ›Base‹ bezeichnet nicht nur die Schwester des Vaters, sondern überhaupt weibliche Verwandte gleich welchen Grades. 21 f)rwitz] vorwitzig. 23f. Wo der Esel … nit wider] Sprichwörtlich; siehe zu II 12,78–82. 26 andern] zweiten.

Kommentar zu III 58

III 58 Vom Affen vnnd Fuchß.

217 DG 18

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 41 = Dorpius, Nr. 314, Bl. 89af.] De Simia et Vulpe. Apud brutorum animalium concilium sima ita apposite saltavit, quod omnium fere consensu rex statim fuit creatus. At vulpes invidens ei, ubi viderat carnes laqueo in fovea sitas, illuc simiam ut duxit, inquit ad eam: »Hic thesaurus absconditus est, qui ex lege spectat ad reges, quare, cum tuus ex lege sit, tute ipse capias illum.« Simia vulpis suasu illuc temere accedens, ut se captam laqueo sensit, vulpem acriter accusat, quae dolose deceperat. Ei vulpes haud illepide ait: »Heu stulta, quae cum fortuna te extulisset, dominari ceteris iam te putabas dignam.« Fabula significat, quod, qui temere quippiam aggreditur, temere in adversa incidit ac vulgo ridiculus fit.

Stellenkommentar 1 Reichßtag] Reichstage waren Versammlungen der Kurfürsten, Fürsten und Vertreter der Reichsstädte, die neben dem Kaiser die oberste Institution im Alten Reich bildeten. Sie entschieden über alle wichtigen innen- und außenpolitischen Fragen und besaßen legislative Funktionen. 3 Rang] wand sich. 3 f)r] vor. 5 h flich] hofmäßig fein. 7 rieffs auff ein ort] rief alle zusammen. 10 leit] liegt. 12 baß ins holtz] weiter in den Wald. 13 Hag] Hecke. 14 gestellet stricke] Fallen ausgelegt. 17 nein geschloffen] hineingeschlüpft. 20 deinen Fuchßschwentzen] deinem Schmeicheln. Redensartlich; siehe zu I 11,7. 22 Eh denn] bevor. 23 fliehen] fliegen. 23f. fliehen hin … gewachssen] Sprichwörtlich: ›Ohne Federn (Flügel) fliegen‹; vgl. TPMA fliegen  55–68; Luther (WA XXVI, S. 543, Z. 30): Sie w llen fliegen, ehr denn die feddern yhn gewachssen sind […]. Der Sinn der Ortsangabe hin in Sachssen ist unklar. 26 auß macht] erhebt. 27 beth ren] zum Narren machen. 28 Vnd muß … h ren] Redensartlich; siehe zu I 11,48.

III 59 Vom Schmidt/ vnnd seinem Hundt. Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 47 = Dorpius, Nr. 320, Bl. 90bf.] De Fabro et Cane. Faber quidam catulum habebat, qui, dum ipse ferrum cuderet, continue dormiebat. Cum vero manducabat, canis statim surgebat et, quae sub mensa erant deiecta, ceu ossa et alia huiusmodi, sine mora corrodebat. Quam rem animadvertens faber ait ad canem: »Heus, miser, quid faciam nescio, qui dum ferrum cudo, continue dormis et segnitia teneris. Rursus, cum dentes moveo, statim surgis et cauda mihi applaudes.« Fabula significat, quod socordes et somnolenti, qui ex aliorum vivunt laboribus, gravi censura sunt coercendi.

218

Kommentar zu III 60

Stellenkommentar 4 fraß] Vielfraß. 6 Balg] Bauch. 7 Als] alles. 18 Sich … zur narung stellen] sich, wie es sich gehört, den Lebensunterhalt erwerben. Vgl. DWb 18, Sp. 2248, mit nur diesem Beleg. 19 etzt] füttert.

III 60 Vonn einem Maul.

DG 411

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 48 = Dorpius, Nr. 321, Bl. 91a] De Mula quadam. Mula quaedam nimio hordeo pinguis effecta nimia pinguedine lasciviebat secum inquiens: »Pater mihi equus fuit, qui cursu celerrimus erat, et ego ei per omnia sum similis.« Parum post contigit, quod oportuit mulam quantum potuit currere, sed cum cursu cessavit: »Heu me miseram«, inquit, »quae equi filiam me esse putabam. At nunc memini asinum mihi patrem fuisse.« Fabula significat, quod stulti in prosperis se ipsos dediscunt, sed in adversis suos persaepe recognoscunt errores.

Stellenkommentar Ü Maul] Maultier. 2 duncken l ßt] einbildete. 5f. solt … lahn] sollte ich es mir nicht erlauben, für mich die gleichen Ehren zu beanspruchen. 7 rieff in hauffen] rief sie zusammen. 13f. Wer … zwen oder drey] Sprichwörtlich; vgl. TPMA Nachbar 146–156: ›Wer wissen möchte, wer er ist, frage seine Nachbarn‹. 15 Vnd meß … f)ssen] Sprichwörtlich; siehe zu I 63,18. 16 den kutzel b)ssen] den Übermut stillen; ähnlich in IV 93,16.

III 61 Vom Dieb/ vnd der Sonnen.

DG 285

Vorlage Diese Fabel sowie II 99 sind die einzigen Fabeln im ersten Teil des Esopus (I 1– III 83), die keine Vorlage im Aesopus Dorpii haben. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 2 junge Metzen] junges Mädchen. 3 also fort] sogleich. 5 das] dass sie. 10– 34 die Sonn wolt … habt jr dauon] Die Fabel von der Hochzeit der Sonne erzählt auch Pauli  498. 14 zeln] erzielen. 17 Jupiter] Siehe zu I  17,26. 24 geb ich gar gewonnen] gebe ich mich ganz geschlagen. 25 wurd] würde. 27 f)rhin] bisher schon. 30 drucken] quälen. 38 Katzen Kinder mausen gern] Sprichwörtlich; siehe zu I 50,48. 39 zu frommen] zugute. 41 zuuertreugen] zu vertrocknen. 43f. Vergebens ists … in Waldt] Sprichwörtlich: ›Holz in den Wald tragen‹, im Mittellateinischen reich, im Deutschen nur schwach belegt; vgl.

Kommentar zu III 62

219

TPMA Holz 6–22; Röhrich, S. 732. 45 mit l will leschen Fewr] Sprichwörtlich: ›Mit Öl das Feuer löschen‹, im Deutschen nur mit Franck, Sprichwörter, S. 59, Z. 15, belegt; vgl. TPMA Öl 19–25; Röhrich, S. 1119. 47 Den Wolff … hetzen] Redensartlich: ›Den Wolf auf die Schafe hetzen‹; vgl. Röhrich, S. 1740. 47 darff] braucht. 48 in den Beltz die Leuß nit setzen] Sprichwörtlich: ›Läuse in den Pelz setzen‹; vgl. TPMA Laus 18–30; Röhrich, S. 935f. Literatur Lieb, S. 117.

III 62 Vonn einem Artzt. Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 50 = Dorpius, Nr. 323, Bl. 91af.] De Medico quodam. Medicus quidam, cum, quem curaret, aegrotum eum mori contigerit, efferentibus funus aiebat: »Vir iste, si se vino abstinuisset et clysteriis usus fuisset, eum mori non contigisset.« Ex his, qui aderant, quispiam medico haud infacete ait: »Heus, medice, ista consilia, cum prodesse quibant, dicenda fuerunt, non nunc, cum nihil valeant prodesse.« Fabula significat, quod, ubi haud prodest consilium, id eo tempore dare est sane amicum deludere.

Stellenkommentar Ü Artzt] Vgl. I 72. 1 Artzen] behandeln. 2 fartzen] Furzen. 7 Clystier] Einlauf. 9 Fr)nden] Freunden. 13 gt gt] getaugt. 14 B ß rath … geschicht] Vgl. II  27,135–138. Im Französischen und Italienischen als sprichwörtlich belegt: ›Rat nach der Tat kommt zu spät (ist töricht)‹; vgl. TPMA Rat 349f., 360. 16 eben] passend.

III 63 Vom Hundt/ vnnd Wolffe.

DG 311

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 55 = Dorpius, Nr. 328, Bl. 92b] De Cane et Lupo. Canis cum ante aulam dormiret, lupus superveniens eum statim cepit. Et cum ipsum occidere vellet, canis ne eum occideret rogavit inquiens: »Here mi lupe, nunc me occidere noli, nam, ut vides, tenuis sum, gracilis et macilentus. Sed herus meus nuptias in proximo facturus est, ubi, si parum me exspectas, ego opipare manducans atque pinguior factus ero tibi utilior.« Lupus his verbis fidem habens canem dimisit. Paucos post dies lupus accedens cum canem domi dormientem reperit, stans ante aulam canem rogat, ut sibi promissa praestet. Ei canis haud rustice inquit: »Heus, lupe, si ante aulam de cetero me reperis, haud amplius nuptias exspectes.« Fabula significat, quod sapiens, cum periculum vitat, ab illo postea continue cavet.

220

Kommentar zu III 64

Stellenkommentar 1 FVr] Vor. 5 vergessen] unbedacht. 11 glat] Hier: ohne Falten, also wohlgenährt. Zur Phrase glat vnd feyßt siehe zu I  56,7. 12 mich ewers willn geleyst] eurem Willen Folge leisten. 18 bider] anständig. 21 Suller] Speicher. 24 vernimpst] siehst. 26 darffstu] brauchst du. 27 vnfall] Unglück. 28– 30 An einem ort … th)r] Vgl. das Sprichwort ›Schaden macht vorsichtig und weise‹; vgl. TPMA Schaden 91–106. Literatur Lieb, S. 84, 99.

III 64 Vom Lwen/ vnd Ochssen.

DG 392

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 60 = Dorpius, Nr. 333, Bl. 93b] De Leone et Tauro. Leo ingentem taurum per insidias sequens cum prope accessit, eum vocavit ad cenam inquiens: »Amice, ovem occidi, hodie mecum, si placet, cenabis.« Taurus leoni morem gerens, ut discubuerunt, cum multos lebetes nec non magnos et plures obeliscos paratos conspiceret et ovem ibi nullam adesse, e vestigio abiit. Quem leo abeuntem perspiciens, cur abiret, rogavit. Ei taurus haud inurbane respondit: »Non de nihilo equidem abeo, cum instrumenta non ad ovem, sed ad taurum coquendum videam esse parata.« Fabula significat, quod homines prudentes minime latent improborum artes.

Stellenkommentar 6 heint] heute abend. 8 vernam] sah. 9 Denn das] nur dass. 17f. Jm Kessel … Ochssen briet] in dem Kessel könnte ich leicht vier Hammel kochen und an dem Spieß einen Ochsen braten. 19 witzig] klug. Literatur Lieb, S. 98.

III 65 Vom Lwen/ vnd dem Bawrn.

DG 378

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr.  62 = Dorpius, Nr.  335, Bl.  94af.] De Leone cuiusdam Rustici filiam amante. Leo cuiusdam rustici filiam amabat. Illam cum habere cuperet, patrem virginis rogavit, ut sibi nubere ipsam assentiret. Ei rusticus ait nullo pacto modo se assensurum, quod filia bestiae nubat. Cum illum leo torve aspiceret ac dentibus frenderet, rusticus mutato consilio ait se cupere ei filiam nubere, modo dentes et ungulas prius caedat evellatque, quoniam virgo illis rebus longe terretur. Leo id postquam prae nimio amore fecit rusticum audiens

Kommentar zu III 66

221

filiam sibi dari postulat. At rusticus, leonem cum ungulis et dentibus perspicit inertem, arrepto fuste illum frequens pulsando persequitur. Fabula significat, quod qui inimicis se committit, de facili perit.

Stellenkommentar 2 sich gegen jm ermant] fasste er ihm gegenüber Mut. 12 zwillen than] zuliebe tun. 18 jm] sich. 25 ein Hochzeit machen] ›Hochzeit‹ als Metapher für Kampfhandlungen ist im frühen 16. Jh. belegt; vgl. DWb 10, Sp. 1641f. Literatur Lieb, S. 85f.

III 66 Von einer Lwin vnnd dem Fuchß.

DG 403

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 63 = Dorpius, Nr. 336, Bl. 94b] De Leaena et Vulpe. Leaena cum a vulpe saepius exprobraretur, quod quolibet partu unum dumtaxat pareret catulum, ait: »Unum sane, at pol leonem.« Fabula significat, quod pulchritudo haud in copia rerum, sed in virtute consistit.

Stellenkommentar 5 schon] schön. 7 gantz] zur Gänze. 8 baß] mehr. 9f. ein kleine Muscatnuß … R)ben s)ß] Im Bild der Muskatnuss als exotischem, kostbarem Gewürz, das – im Gegensatz zur Rübe – über Heilkräfte verfügt (vgl. BDN, S. 371f.), werden die Tugenden des Löwenjungen gegen den zahlreichen, aber nur äußerlich prächtigen Nachwuchs des Fuchses ausgespielt. Siehe auch zu I 1,39f. 11f. Man pflegt zu sagen … Gaul] Nicht in TPMA aufgeführt, möglicherweise aber eine den Sinn umkehrende Anspielung auf Sprichwörtliches; vgl. Schwäbisches Wörterbuch, auf Grund der von Adelbert von Keller begonnenen Sammlungen und mit Unterstützung des württembergischen Staates bearbeitet von Herrmann Fischer, zweiter Band, Tübingen 1908, Sp. 986: »Gross und f[aul] gibt au en Gaul; E grosser Gaul Ist au oft f[aul].« Vgl. auch Hans Sachs: Der pfaff war fro, beschawt den gaul, | War groß und starck, doch träg und faul (Werke 17, S. 425, Z. 1f.).

III 67 Von zweien Hanenn.

DG 241

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 66 = Dorpius, Nr. 339, Bl. 95af.] De duobus Gallis intra se certantibus. Duo galli intra se ruri certabant. Qui gallinarum prior dux erat, cum ab altero superatus esset, prae verecundia se abscondit. Alter vero victoria elatus domus tectum statim super-

222

Kommentar zu III 68

volans vehementi alarum plausu cantuque significat se rivalem suum pugnando superasse et de adversario ferre tropheum. Dum haec et huiusmodi iactabundus voce crocitat, ecce aquila cibi indiga ex alto devolans gallum unguibus rapit ac pullis suis in alimoniam contulit. Quam rem qui victus fuerat gallus prospiciens ceu ex hoste triumphans in publicum venit ac solus gallinis libere potitur. Fabula significat, quod qui prosperis nimium fidit, in adversa saepius praeceps incidit.

Stellenkommentar 1 zamen] gegeneinander. 2 dempffen] besiegen. 5 floch] floh. 6 in die Nesseln verkroch] Redensartlich im Sinne von ›vor Scham versinken mögen‹; vgl. Röhrich, S. 1088. 8 floh] flog. 18 gestellt] bereitet.

III 68 Vom Rehekalb/ vnnd seinem Vatter.

DG 282

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 69 = Dorpius, Nr. 342, Bl. 96a] De Vitulo et Cerva. Vitulus cervae aliquando ait: »Cum magnitudine sis maior canibus et pedum celeritate cursu velocior et ad pugnam longe cornibus munitior, cuius rei gratia, mater, tantopere canes reformidas?« Ei cerva inquit surridens: »Quoniam, fili, licet, quae dicis, omnia possideam, canum latratum ferre non possum, sed prae timore fugam statim arripio.« Fabula significat, quod, qui natura timidi sunt, apud eos, ut audeant, nulla valet hortatio.

Stellenkommentar 3 Achssen] Achseln. 6 Wacken] Steine. 7 grader] schneller. 9 F)r jn] vor ihnen. 12 hon] habe. 14 zuschwellen] anschwellen. 15 macht] Kraft. 16 Denn] dann.

III 69 Vom Jupiter/ vnnd einer Bynen.

DG 59

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 70 = Dorpius, Nr. 343, Bl. 96af.] De Ape et Iove. Apis, quae cerae mater existit, quondam accedens, ut diis sacra faceret, Iovi domum obtulit mellis. Qua oblatione Iuppiter laetus iussit sibi concedi, quicquid ipsa praecaretur. Apis igitur rogans ait: »Illustrissime deus deorum, ancillae tuae concedere velis, ut quicumque ad alveare pro rapiendo melle accesserit, is simul ac pupugero eum, continuo moriatur.« Qua rogatione Iuppiter diu ambiguus, quoniam genus mortalium longe amabat, demum api ait: »Satis sit tibi, quod quicumque alveare pro rapiendo melle accesserit, si eum pupugeris et in punctura stimulum dimiseris, continuo ipsa moriaris tibique vita sit ipse stimulus.« Fabula significat, quod inimicis quandoque mala precamur, quae in nos saepius vertuntur.

Kommentar zu III 70

223

Stellenkommentar Ü Jupiter] Siehe zu I 17,26. 15 Angel] Stachel. 21 fellt … Spieß] Redensartlich: ›in den eigenen Spieß fallen‹; vgl. Röhrich, S.  1503. 22 schaden/ spot] Sprichwörtlich; siehe zu I 11,48.

III 70 Vonn einer Fliegen.

DG 153

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 71 = Dorpius, Nr. 344, Bl. 96b] De Musca. Musca, quae in ollam carnium deciderat, cum se in brodio suffocari sensit, secum ipsa ait: »Ecce tantum bibi, tantum comedi, tantum me lavi, quod iure satura mori possum.« Fabula significat, quod prudentis est id potenti animo ferre, quod vitari minime potest.

Stellenkommentar 4 mocht] konnte. 7 schlauch] Behältnis. 11f. Das leydt … ank)mpt] das Leid, das man […], trifft einen umso weniger.

III 71 Vom jungen Gesellen/ vnd einer Schwalben. Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 72 = Dorpius, Nr. 345, Bl. 96b] De Adulescente quodam et Hirundine. Adulescens luxuriosus, cum bona patris consumpsisset solaque vestis ei remansisset, visa ante tempus hirundine aestatem iam adesse existimans ipsam quoque vendidit vestem. Sed hieme denuo orta cum immenso cruciaretur frigore, visa rursum hirundine, quae et ipsa frigore obibat, ait: »O pessima avis, quae me et te pariter perdidisti.« Fabula significat, quod, quae suo tempore non fiunt, ea diu stare nequeunt.

Stellenkommentar 5 On gfehr] zufällig. 5 vernomen] wahrgenommen. 15 Ein eynig Schwalb … Sommer] Sprichwörtlich: ›Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling (Mai, Sommer)‹; vgl. TPMA Schwalbe 18–20, 27–31; Röhrich, S. 1426–1428. 16 Ein bissen Brodt … den kummer] Umkehrung des Sprichworts, wonach man mit Brot keinen Hunger zu leiden habe; vgl. Agricola, Sprichwörter I 517 ([…] und wie man sagt/ Wer brot hatt/ der stirbt nit hungers […]; S. 395, Z. 21f.) und 707 ([…] Wer brot hat/ erhungert nicht […]; S. 509, Z. 17). 17f. Ein jeglich ding … zeit] Sprichwörtlich; siehe zu II 56,15f. 17 bescheidt] Ordnung.

224

III 72 Von einem Holtzhawer.

Kommentar zu III 72 ATU 729

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 74 = Dorpius, Nr. 347, Bl. 97af.] De Lignatore quodam. Lignator quidam dum iuxta flumen deo Mercurio dicatum ligna caederet, securis casu decidit in flumen. Multo igitur maerore comprehensus iuxta fluminis ripam gemens consedebat. Mercurius misericordia motus lignario apparuit suique fletus causam rogavit. Quam simul ac didicit, securim auream deferens, utrum, quam perdiderat, illa esset, rogavit, at eam pauper suam esse negavit. Secundo Mercurius alteram detulit argenteam. Quam cum pauper ille suam quoque esse denegaret, postremo Mercurius ligneam sustulit. Illam suam esse cum pauper assentiret, Mercurius cognoscens illum esse hominem verum iustumque omnes sibi dono dedit. Accedens igitur ad socios lignarius, quod sibi acciderat, aperit. Unus ex sociis id experiri volens, cum ad flumen accessisset, securim in aquam deicit, deinde flens in ripa consedit. Cuius Mercurius fletus causam doctus securim auream afferens, si, quam perdiderat, illa esset, rogavit. Quam cum suam esse assereret, Mercurius cognita eius impudentia ac mendacio nec auream nec suam quoque tradidit. Fabula significat, quod quanto deus propitior est probis, eo improbis existit infestior.

Stellenkommentar 3 Biel] Axtblatt. 3 Helb] Stiel. 6 Mercurium] Siehe zu II 23,6. Merkur wird auch die Macht zugeschrieben, Wohlstand verleihen zu können. 7 ernehrn] retten. 19 from] rechtschaffen. 20 Silbern mit dem Gulden] das silberne und das goldene. 24 grein] klagte. 31 freuelich liegen] frevelhaft lügen. 34 werdt] zuteil werde. 36 jm selber ind Eysen traben] Das Bild bezieht sich auf die Hufeisen des Pferdes oder die Spur, die sie hinterlassen; gewöhnlich für: ›verfolgen‹ (vgl. DWb 3, Sp. 366, auch mit Bezug auf diese Stelle). Hier wohl im Sinne von: ›sich selber in die Quere kommen‹; vgl. auch zu IV 81,65. 37 schlechten] Geradlinigen, Ehrlichen.

III 73 Vom Fuchß/ vnd einem Byernbaum.

DG 214

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 85 = Dorpius, Nr. 358, Bl. 100a] De Vulpe quadam. Vulpes cum racemos uvarum plenos iam ac maturescentes prospiceret, cupida de illis manducare omnem viam machinata est, qua illos comprehendere posset. Sed cum omnem viam frustra tentasset nec desiderio suo satisfacere quivisset, maestitiam vertens in gaudium ait: »Racemi illi adhuc nimium sunt acerbi.« Fabula significat, quod prudentis est fingere se ea nolle, quae consequi non posse cognoscit.

Stellenkommentar 1 on als gefehr] ganz zufällig. 4 Tennen] Dreschplatz in der Scheune. 10 schon] schön. 18 f)rhin] kurz zuvor. 26 jr nit wil] will sie nicht. 29 vn-

Kommentar zu III 74

225

geziber] Etwa: Unkraut; vgl. DWb 24, Sp. 945f., mit Verweis auf diese Stelle. 31 gundt] anfinge. 32 M cht ich jn letzen] könnte ich ihn (den Baum) beschädigen. 37 mit alln geberden] mit all ihrem Tun. 38 m gen werden] zuteil werden können. 39 das sich des massen] sich dessen zu enthalten. 42 dein dancken] deine Gedanken. Literatur Lieb, S. 195; Stiefel, Esopus, S. 490–492.

III 74 Vonn einem Knaben/ vnnd dem Scorpion.

DG 347

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 86 = Dorpius, Nr. 359, Bl. 100a] De Puero et Scorpione. Puer quidam ruri venabatur locustas, et cum scorpionem capere vellet, scorpio simplicitate eius cognita ait ei: »Heus, puer, dege in pace ac manum abstine, si non vis totus perire.« Fabula significat, quod, qui utramque partem cogitat, is, quae sequi et quae vitare debeat, probe tenet.

Stellenkommentar 7 Wurm] Der Gebrauch des Wortes für Insekten und Gliedertiere ist üblich. In der Naturkunde der Frühen Neuzeit gelten nicht nur Reptilien und Amphibien, sondern auch Insekten als ›Würmer‹; Konrad von Megenberg behandelt den Skorpion unter den Schlangen (vgl. BDN, S. 282f.). 12 fehrligkeyt] Gefahr. 16 von beiden theilen] von beiden Seiten. 17 f)rsichtigkeyt] Voraussicht.

III 75 Vom Weydtman/ vnnd einer Wachteln.

DG 488

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 87 = Dorpius, Nr. 360, Bl. 100af.] De Venatore et Perdice. Venator quidam cum, quam ceperat, perdicem occidere vellet, perdix gemens huiusmodi verba fecit ad eum: »Heus, perdicum auceps, si me missam feceris ac vitam donaveris, alias perplures conducam tibi perdices.« Ei auceps apposite respondit: »Nunc eo magis occidi dignam iudico, quod amicos per insidias perdere polliceris.« Fabula significat, quod, qui sibi caros perdere dolo quaerit, is praeceps in pericula incidit.

Stellenkommentar 1 den Wachteln pfeifft] Bei der Wachteljagd wird mit speziellen Pfeifen der Ruf des Weibchens imitiert, um die Männchen anzulocken; vgl. DWb 27, Sp. 180f. 6 fahen] fangen. 7 mit hauffen] in großer Menge. 8 schmieren] Wohl metaphorisch für ›essen‹; vgl. DWb 15, Sp. 1083. 10 vbergeben] Etwa: unverschämt; vgl. DWb 23, Sp. 256. 14 fellen] zur Strecke bringen.

226

III 76 Vom Hasen vnd der Schnecken.

Kommentar zu III 76 DG 256

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 88 = Dorpius, Nr. 361, Bl. 100b] De Lepore et Testudine. Testudo, cum eius pedes lepus derideret, surridens inquit ad eum: »Si periculum in cursu feceris, quod quam tu velocior sim, liquido cognosces.« Cui lepus ait: »Te profecto fugit, quid mei valeant pedes, sed iudicem eligamus, qui cursum et terminum nobis definiat.« Igitur eligunt vulpem brutorum omnium sagacissimam. Quae ut locum et cursus terminum constituit, testudo omni segnitie ac neglegentia semota iter arripiens haud quievit, donec ad terminum pervenit. Lepus vero pedibus fidens, ubi paululum quievit, somno excitatus quantum pedes valuerunt ad terminum cucurrit, ibique cum testudinem quiescentem reperit, se cum rubore fatetur a testudine superatum. Fabula significat, quod studio et diligentia, non corporis viribus, res vel maximae conficiuntur.

Stellenkommentar 1 arme] schwache. 3 Soltest] müsstest du. 7 Des … versehen het] was ich nicht erwartet habe. 11f. So sol man sehn … vermag] Das Wettrennen von Hase und Schnecke (oder auch Schildkröte) ist sprichwörtlich; vgl. TPMA Hase  28–33; Walther, Nr. 4415, 14404, 22449, 31400d. 17 darffst nit eil] brauchst du dich nicht zu eilen. 24 hets … angewonnen] hatte sie den Hasen besiegt. 28 mussen] Muße. 28 Man sagt … fern] Vgl. Agricola, Sprichwörter I 86: Mit guter mussen/ gehet man auch ferne (S. 67, Z. 12). Vgl. das Sprichwort ›Eile mit Weile‹ (TPMA Eile 164–170).

III 77 Von der Weiden/ vnd einer Axt.

DG 54

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 89 = Dorpius, Nr. 362, Bl. 100bf.] De Salice et Securi. Securis cum salicem caederet, ex ea ipsa cuneos fecit, quibus salicem facilius scinderet. Quam rem praesentiens salix gemens eiulansque ait: »Non tantum de securi queror, quae hominum manibus me scindit, quantum de cuneis, qui fiunt ex corpore meo.« Fabula significat, quod in adversis non veri amici infestiores amicis quam inimici saepius reddunt.

Stellenkommentar Ü Von der Weiden … Axt] Vgl. I 39. 14 Feinde thun verdrieß] Feinde Ärger bereiten. Erwartbar wäre hier »Freunde«; entsprechend ändert Tittmann gegen alle Drucke.

Kommentar zu III 78

III 78 Von zweien B umen.

227 DG 38

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 92 = Dorpius, Nr. 365, Bl. 101b] De Punica et Malo arboribus. Punica et malus arbores de pulchritudine contendebant. Cum diu inter se variis et acerbis contentionibus certassent, rubus ex proximo saepe huiusmodi contentiones accipiens accessit ad eas atque inquit: »Satis iam satis certatum inter vos est. Quiescite admodum et contentionibus finem imponite.« Fabula significat, quod minores maiorum lites saepenumero componunt.

Stellenkommentar 1 FVr … rein] Vor einem Zaun an einem Wiesenrain. 5 kriegten] zankten. 7 daucht … best] hielt sich für den besten. 9 Jrs Adels … Krieg] um ihren Adel ging der Streit. 12 kieff] Zank. 15 m cht] könnte. 18 reumen] aufgeben. 20 zamen] einander. 20 Magen] Verwandte. 22 hemmen] behindern. 32 sprechen zu freden] Die Formulierung ist ungewöhnlich, wohl: ›befrieden‹. 33 Esopus der vngeschlacht] Vgl. zu Das Leben Esopi 28–40. 33–38 Wie Esopus … lob erlangt] Vgl. Das Leben Esopi 261–271.

III 79 Von zweien Maulwerffen.

DG 415

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 93 = Dorpius, Nr. 366, Bl. 101bf.] De Talpa et Matre. Talpa caecum natura animal est. Haec aliquando matri ait: »Ingentem sentio odorem.« Parum post cursum ait: »Excelsam aspicio fornacem.« Tertio item ait: »Malleorum sonitus audio fabriles.« Ei mater comiter ait: »Heus, filia, tu, uti percipio, non solum oculis, sed naso et auribus orba existis.« Fabula significat, quod homines iactabundi, cum magna profitentur, tunc vel maxime in minimis redarguuntur.

Stellenkommentar 1 Maulwerff blindt] Vgl. zu II 49,20. 3 zamen] zusammen. 7 gschmack vom Broten] Bratenduft. 12 fast] sehr. 20 Gesicht] Sehsinn. 21 ruhmretig] prahlerisch. 22 wunderthetig] als wunders wie geschäftig. 23 F hrt oben auß … anst ßt] Sprichwörtlich: ›Obenhinaus (wollen führt zu nichts)‹; vgl. TPMA oben 2–9. Vgl. auch DWb 13, Sp. 1070, mit Bezug auf diese Stelle. 23 nergn] nirgends. 25 von jm selber gicht] von sich selbst spricht. 29 sich liegens will vnderstahn] lügen will. 29f. Wer … gedechtnus han] Sprichwörtlich: ›Lügner müssen ein gutes Gedächtnis haben‹; vgl. TPMA lügen 148–150.

228

III 80 Von der Wespen/ vnnd Wachteln.

Kommentar zu III 80 DG 584

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 94 = Dorpius, Nr. 367, Bl. 102a] De Vespis, Perdicibus et Agricola. Vespae semel et perdices siti concitae cum simul convenissent, ad rusticum quendam tendunt potum ab eo petentes atque pollicentes, quod sibi pro aqua largas referrent gratias. Quippe perdices vineam sibi eo fodere promittunt, quod plenos vites producent racemos, vespae vero se vineam circuendo custodire ac fures inde amovere large offerunt. Quibus agricola inquit: »Duos habeo boves, qui, cum nihil promittant, eandem hanc operam nihil minus praestant. Itaque satius est mihi illis quam vobis aquam exhibere.« Fabula significat non esse illis subveniendum, qui nauci et inutiles sunt.

Stellenkommentar 1 gro] grau. Die Bezeichnung der Tiere nach ihrem Federkleid (weiße, bunte, graue Wachtel) ist geläufig; vgl. DWb  27, Sp.  173. 2 Auß flohen] ausflogen. 5f. solcher … Das] damit. 10 bas] besser. 11 Hornus] Hornisse. Die zeitgenössische Naturkunde unterscheidet zwar zwischen Wespe und Hornisse, jedoch werden beide Tiere öfters zusammen aufgeführt und etwa den nützlichen Bienen gegenübergestellt (so Hornisse und Biene in III 85); vgl. BDN, S. 291 und 294. Vereinzelt können die Bedeutungen auch ineinander übergehen; vgl. DWb  29, Sp.  607f. 11 fliehen] fliegen. 15 glaubt] gelobt. 17 leugt] lügt. 17 nicht geleyßt] es nicht leistet. 21 losen bossen] nichtsnutzigem Unsinn. 23 sich … seiten] Redensartlich: ›Sich auf die faule Seite legen‹; vgl. Röhrich, S. 1463, mit Belegen aus dem späten 17. Jh. 25 anschlag feyhlt] Vorhaben fehlschlägt. 26 Vnd nit … mit getheylt] Elliptisch: und dass man nie etwas mit ihm teilt.

III 81 Vom Jupiter vnd der Schlangen.

DG 511

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 95 = Dorpius, Nr. 368, Bl. 102af.] De Iove. Cum Iuppiter nuptias celebraret, cuncta animalia sibi munera obtulerunt, quaeque pro viribus suis. Verum enim serpens rosam legit illamque ore tenens Iovi obtulit. At Iuppiter, ut eum aspexit, palam inquit: »Ab omnibus dona libenter equidem accipio, verum a serpente id haudquaquam facio.« Fabula significat, quod improborum munera non esse sine dolis quivis prudens sibi persuadere debet.

Stellenkommentar Ü Jupiter] Siehe zu I 17,26. 4 ein sch ne rosen] Im christlichen Horizont stellt die Rose ein Mariensymbol dar. Diese Konnotation schwingt hier möglicherweise mit und verstärkt den Kontrast zur b sen Schlange (V. 8). 10 darffs wol … gar eben] muss man sehr genau darauf achten. 11 schalck darinn verborgen]

Kommentar zu III 82

229

Redensartlich: ›Darin ist der Schalk verborgen‹, im Sinne von ›dahinter steckt ein übler Betrug‹; vgl. DWb 14, Sp. 2073. 12 fromen darffst] Anständigen brauchst.

III 82 Von einem Floch.

DG 158

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 97 = Dorpius, Nr. 370, Bl. 102b] De Pulice. Pulex cum quendam morsu aliquando stimulasset captusque rogaretur, quisnam esset, qui membra sibi depasceret, ait se ex eo animalium genere esse, quibus a natura datum esset, ut eo pacto vitam vivant, nec eum occidere velit, cum multum mali facere ipse sibi nequeat. At homo ille surridens inquit ad eum: »Eo magis meis necaberis manibus, quoniam nec multum nec parum abs re quempiam laedere licet.« Fabula significat, quod malorum licet parum vel multum delinquant misereri haud oportet.

Stellenkommentar 4 on schuldt] grundlos. 7 wo sies vberkommen] wo immer sie an sie herankommen. 10 rupffen] In der übertragenen Bedeutung ›jemanden um sein Gut erleichtern‹ weist das Verb auf das Morale voraus. 11 wilt nit ablan] du willst wohl nicht davon ablassen. 12 zethon] anzurichten. 14 Zwey H rner … abstossen] Unklar; Kurz versteht die H rner als Finger, mit denen man aber kaum einen Flohkopf abtrennen könnte. Ob an die Fingernägel zu denken ist, kann nur vermutet werden; ein entsprechender Wortgebrauch ist nicht belegt.

III 83 Vom Mann/ vnd zweien Frawen.

ATU 1394

Vorlage [Rinucius Aretinus, Nr. 100 = Dorpius, Nr. 373, Bl. 103af.] De Viro et Uxoribus. Tempus erat veris, quo quidem in delitiis educatus, cum nec iuvenis nec senex esset, semicanus enim erat capillos, duas simul duxit uxores, unam quidem natu grandem, alteram vero iuniorem. Cum omnes eandem habitarent domum, uxor anus, ut virum in amorem suum totum pelliceret, cotidie viro caput pertractans nigros sibi evellebat capillos. Pari studio iunior, ut ab anus consuetudine illum amoveret, albos evellit capillos. Postremo ita illum depilarunt, quod calvum atque ridiculum non sine summo opprobrio virum reddiderunt. Fabula significat, quod nulla melior salus senibus existit quam feminis carere et maxime iunioribus, nisi penitus obrui se velint.

Stellenkommentar 1 Glentz] Frühlingsbeginn. 3 Des geyls vnd kutzels] der Geilheit und Wollust. 8 den Gorren schier abgeiagt] den Gaul beinahe völlig erschöpft. Das Bild hat

230

Kommentar zu III 84

eine sexuelle Konnotation, vereinzelt kann ›Gorre‹ auch einen Deckhengst bezeichnen; vgl. DWb  9, Sp.  1164; FWB  7, Sp.  688f., und zur Sexualmetapher ›reiten‹ Röhrich, S. 1242, sowie Müller, S. 119–121. Eine ähnliche Metapher in IV 81,11f. 10 stoß vnd sprung] Metaphern für den Beischlaf. 13 Zohe] zog. 20 verstellen] verunstalten. 24 Fehrlich] gefährlich. 25f. Kan er … walten] Die Lebensweisheit, dass man nur seinesgleichen heiraten solle, ist sprichwörtlich; vgl. TPMA Ehe 3.1.

III 84 Vom Pferd vnd einer Fliegen.

DG 414

Vorlage Der Stoff dieser Fabel ist bereits in der Antike bekannt. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 1 Jm Karren zohe] Vor den Karren gespannt, zog. 5 flohe] flog. 6 weydlich] heftig. 10 zwar es] wirklich, es. 11 bochen] Prahlen. 11 letzt] verletzt. 15 jm] sich. 17 frummen] Tüchtigen. 20 m)tlin an jm k)len] Redensartlich: ›Den Mut (Das Mütlein) kühlen‹; vgl. TPMA Mut  11–14; Röhrich, S.  1063. 21 t cht] taugte. 22 jm das handtwasser br cht] ihm das Wasser (zum Händewaschen) bringen dürfte. Zur Redensart ›jemandem das Wasser reichen‹ siehe zu II 70,12. 23f. Wer ligt … jederman] Sprichwörtlich: ›Über den, der (unten) liegt, laufen alle hin, und keiner hilft ihm auf‹; vgl. TPMA liegen 4–11. Literatur Stiefel, Quellen, S. 277f.

III 85 Vonn dem Horn(sch/ vnd einer Bynen. Vorlage Eine Vorlage für diese Fabel ist nicht bekannt. DG 287 verzeichnet nur die Waldis-Fabel. Stellenkommentar Ü Horn)sch] Hornisse. 4 murst] brummst. 9 suchst] Ergänze: nicht. 12 triegerey] Betrügerei. 13 Stellst] stiehlst. 13f. Stellst … gsamlet haben] Vgl. Alberus, Fabeln  33,133–137, und zu III  80,11; zur Bildtradition vgl. Peil, S.  251–269. 16 niergen] nirgends. 17 r)chtig] berühmt. 18 frumb/ vnd z)chtig] rechtschaffen und wohlerzogen. 20 leymen wend] Lehmwände. 21 Muhm] Tante. 23 der frommen] der Anständige. 25 verr)cht] verrucht. 27 sich … fleißt] nicht nach Tugend strebt. 30 billich] es recht. 32 in die Wag]

Kommentar zu III 86

231

aufs Spiel. 33–38 Sorostrates … gantz Griechen Landt] Nach der Überlieferung steckte Herostratos im Jahr 356 v. Chr. den Tempel der Artemis (römisch: Diana; vgl. zu Das Leben Esopi 91) in Ephesos, eines der ›Sieben Weltwunder‹, in Brand. Die literarischen und epigraphischen Zeugnisse über das Artemision sind abgedruckt in: Forschungen in Ephesos, veröffentlicht vom Österreichischen Archaeologischen Institute, Bd.  1, Wien  1906, S.  237–282. 40 gdechtnus] Andenken bei der Nachwelt. Nach der Überlieferung sollen die Epheser beschlossen haben, den Namen des Herostratos zu verschweigen. Die Verschreibung Sorostrates (V. 33) könnte darauf Bezug nehmen (vgl. auch Pauli 636; dort ohne Namensnennung).

III 86 Vom Ochssen/ vnd einem Wider.

DG 544

Vorlage Waldis bearbeitet hier offenbar dieselbe Abstemius-Fabel wie in III 3. Stellenkommentar 3 b ser tropff] verkommener Geselle. 6 logen] lagen. Die Form ist nur hier belegt und scheint dem Reim geschuldet zu sein; vgl. DWb 12, Sp. 1000. 11 sich … auff mutzt] pries er sich über die Maßen; FWB 2, Sp. 565, erklärt: ›sich trotzig verhalten‹ (mit nur diesem Beleg). 12 trutzt] vertraute. 15 widern selben] gegen diesen. 19 sich bald … rieb] bald Streit beim Ochsen suchte. 21 bey jm] bei sich. 28 Sein Ghirn jm … floß] Vgl. III 3,8. 32 Farren] Stier. 35f. Wer nit … erst zuhoch] Etwa: Wer seine Angelegenheiten nicht mit Verstand betreibt, mischt sich anfangs in Angelegenheiten ein, die für ihn zu hoch sind. 38 den spot … kriegt] Redensartlich; siehe zu I  11,48. 39 Ob] wenn. 40 erwegen] entschließen. 42 dir den geyl eintreiben] Etwa: Spott über dich bringen; vgl. DWb  3, Sp.  328f., mit Verweis auf diese Stelle. 45–48 Ein schiflin klein … begeben] Siehe zu III 8,23–26. Literatur Stiefel, Quellen, S. 278.

III 87 Von einem Haubtman/ vnd seinem Caplan. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 1–6 ALs Franciscus … die schlacht gewan] Franz I. von Frankreich (reg. 1515– 1547) siegte in der Schlacht bei Marignano (13./14. Sept. 1515) über die Schwei-

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Kommentar zu III 88

zer, die seit 1512 faktisch die Herrschaft über das Herzogtum Mailand innehatten. 8 weit … nachlauffen] Siehe zu Vers 68–72. 9 Schorb] Wohl ein ›sprechender‹ Name: Krätze, Räude; vgl. DWb 15, Sp. 1575f. 10 Korb] Kurz vermutet: »Kerl?, Lump?«; Tittmann erklärt: »die Bezeichnung hängt wol mit ›Schandkorb‹, einer Art Käfich, zusammen, in welchem Uebelthäter ins Wasser getaucht wurden? Den Namen ›Körbe‹ gab man auch z. B. in Nürnberg den bei Anfertigung des Meisterstücks durchgefallenen Handwerkern, Korbbrüdern. Also wäre die Bedeutung: untauglicher, ungeschickter Mensch«; vgl. dazu Flugblätter I 37, Kommentar. 12 boß] Kerl. Von Waldis mehrfach verwendet; vgl. IV  6,15; IV  45,7, sowie DWb 2, Sp. 267, mit Bezug auf die Stellen. 15 bestaubt] betrunken; vgl. FWB 3, Sp. 1994. 21–26 wie der Schiffman … Landtsknecht seine schmarren] Vgl. Properz, Elegiae II 1,43f.: navita de ventis, de tauris narrat arator, | enumerat miles vulnera, pastor ovis (Properz – Tibull, Liebeselegien. Carmina. Lateinisch – deutsch, neu hg. und übersetzt von Georg Luck, Zürich – Düsseldorf 1996, S. 56); sprichwörtlich (Walther, Nr. 15961). 25 Farren] Stiere. 26 schmarren] Narben; vgl. DWb 15, Sp. 942f. 27f. Ein jeder … vmbgaht] Im Sinne des Sprichworts Eyn yglicher lobet das seine (Agricola, Sprichwörter I 248; vgl. Walther, Nr. 14837). 30 bericht mich einer sach] erkläre mir eines. 33 thut] Ergänze: uns. 35 Hellen] Hölle. 40 schleht] schlägt. 42 in Nobis hauß] Höllenwirtshaus, Hölle. Vgl. DWb  13, Sp.  862–864; Röhrich, S.  1098; ATU  804B*. Die Etymologie ist unklar (Kluge, S. 654). Vgl. IV 65,55f. 48 balgen] raufen. 48 bochen] plündern. 53 zureissen] zu schmerzen. 57–66 Wiewol das kriegen … gmeyne noth] Ähnlich Luther, insbesondere in seiner Schrift Ob kriegsleutte auch ynn seligem stande seyn k)nden (WA 19, S. 623–662). Vgl. Heinz-Horst Schrey, Krieg IV, in: TRE 20, S. 28–55, hier S. 38. 60 f)r] vor. 62 verriert] vergossen; vgl. DWb 25, Sp. 1000. 63 f)rn gmeynen nutz] zum Nutzen der Allgemeinheit. 67 nit baldt] nicht; vgl. FWB 2, Sp. 1742f. 68–72 Wie jetzt … fahr] Vgl. Luther (WA 19, S. 660, Z. 5–15): Daraus folgt, das die Landsknechte, so ynn landen yrre lauffen und krieg suchen, so sie doch wol erbeiten und handtwerck treiben mochten, bis sie gefoddert wurden, und f)r faulheit odder aus rohem, wildem gem)te die zeit also verlieren, nicht wol dran mugen sein mit Got; […] Wenn si aber sich zur erbeit odder handwercken begeben und verdieneten yhr brod, wie Got allen menschen gebotten und auffgelegt hat, bis das der landf)rst auffgeb te f)r sich selbs odder eym andern zuzihen erleubete und begerde: So m chten sie mit gutem gewissen sich erheben. 68 in gmeyn] gemeinsam, oder auch: allgemein. 68 Knecht] Hier ist wohl der ›Fußsoldat‹ (Landsknecht) im Unterschied zum Reiter gemeint. 70 jrn bruff] ihren Beruf. 72 fahr] Gefahr.

III 88 Vom l(genhafften J(ngling.

ATU 1920J

Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist nicht neu. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen (vgl. Ranke, S. 263; Lieb, S. 119, Anm. 301).

Kommentar zu III 89

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Stellenkommentar 1 SJch zu versuchen] Um Erfahrungen zu sammeln. 9 mancher handen] mancherlei Dingen. 11 Von wunder] Sonderbares. 13 im Sund] in der Bucht. 17 gunt] begann. 25 selbander] zu zweit. 29 vber … weil] nach einiger Zeit. 31 schwenck] (komische) Geschichten. 38f. ich … Hundes halb] ich muss immer noch an den Hund denken. 40 j rig] einjähriges. 44 verhalten] vorenthalten. 45 schwang] Schwank; vgl. Vers  31. 54 liegen] lügen. 55 dr yßt] drehst. 56 fidern] Federn verleihen, d.h. die Lüge so formulieren, dass sie als glaubwürdig erscheint (gleichsam fliegen kann); vgl. Murner, Von dem großen Lutherischen Narren, hg. von Paul Merker. Straßburg 1918 (Kritische Gesamtausgaben Elsässischer Schriftsteller des Mittelalters und der Reformationszeit. Thomas Murners Deutsche Schriften  9): Vnd künnen vnsere lügen fidern, | Schleiffen, gletten vnd ballieren [polieren], | Die gr sten lügen wol glosieren, | Das niemans solichs mercken kan, | Darumb wir al zeit war w ln han (V. 2260– 2264 mit Kommentar S.  395f.); überhaupt bildlich für ›lügen‹ (vgl. Lexer  3, Sp.  336; Dietz, S.  664; Murner, Narrenbeschwörung  6,50). 57–59 Wer sich auffs singen … außschreien] Vgl. das Sprichwort: ›Das Lied zu hoch anfangen‹; TPMA Lied 40, TPMA singen 115. 66 verjahet] bestätigte. 76 fedmen] einfädeln; vgl. DWb 3, Sp. 1230f. Literatur Lieb, S. 114f., 118–122; Kurt Ranke, Die Lügenbrücke [zuerst 1972], in: ders., Die Welt der Einfachen Formen. Studien zur Motiv-, Wort- und Quellenkunde, Berlin – New York 1978, S. 261–269, hier S. 262f.

III 89 Vonn einem Hunde.

DG 296

Vorlage Der Stoff dieser Fabel ist nicht neu. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Vgl. aber zu Vers 1. Stellenkommentar 1 MJr ward … kundt] Dass Waldis angibt, die Geschichte habe er aus Straßburg, könnte damit zusammenhängen, dass Johannes Pauli, bei dem sie erstmals belegt ist (Pauli 425), in Straßburg (und Umgebung) wirkte und die ersten Drucke von Schimpf und Ernst in Straßburg erschienen. 3 mit fug vnd vngefug] auf angemessene und unangemessene Weise; vgl. auch DWb 24, Sp. 675, mit Bezug auf diese Stelle. 6 darff] braucht. 11 Kuttelflecken] Innereien. 15 gundt … fassen] nahm den Korb ins Maul. 17 jn anzannten] gegen ihn die Zähne fletschten. 21 jr war … ebner stoß] sie waren übrigens ziemlich viele. 23 dleng nit kunt ernehrn] auf die Dauer nicht retten konnte. 25 ein groß ged ß] großen Lärm. 26 weydlich … kr ß] heftig um das Gekröse. 27 es will den riten han] Fluchformel; vgl. zu II 75,7. 30 sehrer … kein] mehr als

234

Kommentar zu III 90

alle anderen. 32 Biderman] rechtschaffener Mann. 34 Hans marter … Veit] Im  16. Jh. geläufige (Spott-)Namen für den Landsknecht; vgl. auch I  55,51. Weitere Belege in DWb  12, Sp.  1682f., und DWb  25, Sp.  46f. 36 nemlich] gleichermaßen. 36 mausen] stehlen; vgl. II 79,21. 38 vberlauffen] übrigbleiben. 39 baß] besser. 40 Denn das] als dass. 42 Jm wirdt … nit] andernfalls bekommt er nichts.

III 90 Von dreien Mnchen.

ATU 1339D

Vorlage Der Stoff ist seit dem 15. Jh. bekannt. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 2 wie die Narrn beschorn] Der kahlgeschorene Kopf ist ein Zeichen der Narren, das verschiedene Sprichwörter voraussetzen; vgl. TPMA Narr  13.6; weitere Nachweise in DWb  14, Sp.  2572f. 3 qual] Wohl: Krankheit. In dieser Bedeutung sonst nicht belegt; vgl. DWb  13, Sp.  2299, mit Verweis auf diese Stelle. 8 Seelmeß] Seelenmessen werden zur Verkürzung der Zeit, die die Seele eines Verstorbenen im Fegefeuer verbringen muss, gelesen. 8 ghaben] gehoben. 9 fast] sehr. 15 ergetzt] getröstet. 17 ein warm gem)ß] ein warmer Brei. 27 geit] Gier. 32 manch schalck] viele Bösewichte. 33 hub an vnd gren] fing an zu weinen. 41 jm] sich. 49–52 Vnd ist das … erzeygt] Vgl. Gen  6,5 und  8,21. 55 grawen Rock] Gemeint ist die Ordenstracht der Franziskaner; vgl. IV 69,1: EJn grawer M nch ein Obseruant. Vgl. auch IV 21,153; IV  65,18; IV  69,91. 56 schalck … haut] Redensartlich: ›In der Schalkshaut stecken (Mit einer Schalkshaut überzogen sein)‹; vgl. TPMA Schurke  78–85; Röhrich, S. 1299. 57 vertreiben] zubringen. 58f. Das Vnkraut … so leb] Vgl. Mt  13,29f., und zum redensartlichen Gebrauch Röhrich, S.  1713. 62 was … gewuchert hat] Vgl. Mt 25,14–30; Lk 19,11–28. Zum redensartlichen Gebrauch siehe Röhrich, S. 1177. 62 gewuchert] an Ertrag eingebracht. Literatur Arthur Ludwig Stiefel, Der Schwank von den drei Mönchen, die sich den Mund verbrannten, in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 13 (1903), S. 88–90.

III 91 Vom Wolffe/ vnd Fuchsse.

DG 224

Vorlage Der Stoff stammt aus der mittelalterlichen Tierepik. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen.

Kommentar zu III 92

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Stellenkommentar 3 jenem holtz] jenem Wald; siehe zu I 11,5. 10 b)ssen] stillen. 11f. Wie jens mal … Speck] Waldis erzählt in der sonst nicht überlieferten Fabel IV 49, wie Fuchs und Wolf ebenfalls im Winter gemeinsam ein Stück Speck fressen, das einem Fuhrmann vom Wagen gefallen war. Damit ist auch auf IV 73 verwiesen und die vorliegende Fabel narrativ mit den Fabeln von Wolf und Fuchs im vierten Buch verbunden (vgl. zu IV 77). 15 halt] ich glaube. 16 Gar wol … guter Weyd] guten Jagderfolg gehabt. 17 zwar nit] sicherlich nicht. 18 baß] besser. 21 m chtst fahn] fangen könntest. 29 vertrawen] anvertrauen. 31 pflag zu schepffen] zu schöpfen pflegte. 32 wol kr pffen] satt fressen. 37 zhand die Visch mit hauffen] sogleich in großer Zahl die Fische. 45 darff keinr forcht] brauchen uns nicht zu fürchten. 51f. Biß ich … den vollen Bauch] Anspielung auf IV 49,10–16. 57 hauffet] haufenweise. 60 beit] warte. 67 liegen] lügen. 68 betriegen] betrügen. 71 F)r] vor. 72 in] gegen. 73 in Credo schreiben] Glauben schenken. Literatur Lieb, S. 161–166, 189–197, 205f.; Stiefel, Quellen, S. 278.

III 92 Wie ein Sewhirt zum Apte wirdt.

ATU 922

Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist in Europa seit dem 13. Jh. bekannt. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar Ü Sewhirt] Schweinehirt. 1 VOr zeiten … hub an] Impliziert ist eine »vor dieser Vorzeit« liegende »bessere Zeit« (Lieb, S. 108, Anm. 274); Ovid, Metamorphosen I 128–131, weist die Habsucht (amor sceleratus habendi) dem letzten, eisernen Zeitalter zu. 3 fliß] befleißigte. 5 finantz] Geldgeschäft. Wie sonst im 16. Jh. auch hier mit negativer Konnotation; vgl. DWb 3, Sp. 1693f. 8 anmassen] annehmen. 9–14 Wer … jagt jn auß] Vgl. Ovid, Ars amatoria II 279f.: Ipse licet venias Musis comitatus, Homere, | Si nihil attuleris, ibis, Homere, foras (»Magst du auch selber, Homer, in Begleitung der Musen erscheinen, | Bringst du dann aber nichts mit, weist man, Homer, dir die Tür«). Sprichwörtlich: ›Wenn Homer nichts mitbringt, muss auch er wieder gehen‹; vgl. Walther, Nr. 12837; TPMA bringen 4. 14 blieb schabab] er würde abgewiesen bleiben. Redensartlich; siehe zu II 38,36. 15f. von … leut gewesen] Vgl. etwa Camerarius, Fabulae: Quibus etiam temporibus multi sapientissimi viri floruerunt, e quibus potissimum septem a posteritate nominatim celebratos legimus. Ea tempestate ingenii bonitas et sapientiae usus non de exquisita verborum compositione et orationis cura aestimabatur, sed potius de dictorum gravitate et significantia, quibus praecipua utilitas inesset quaeque doctrinam complecterentur, qua homines meliores

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Kommentar zu III 92

fierent (Bl.  1a). Nach Camerarius Alberus: Es hat zur selben zeit viel weiser leut gegeben/ vnd in sonderheit sindt hoch berh)mpt gewest die sieben weisen auß Grecia/ nemlich/ Solon/ Bias/ Thales/ Pittacus/ Periander/ Chilo/ Cleobulus (Fabeln, ›Leben Äsops‹, Z. 2–5). 17 Kunst] Wohl: Bildung; vgl. Vers 177. 17 thet walten] Geltung hatte. 18 Noch] dennoch. 28 stieß … handt] Phraseologisch im Sinne von: ›geschah ein Unglück‹; vgl. FWB 11, Sp. 606. 31 schrabt] kratzte. Ein seltener literarischer Beleg für das Wort; vgl. DWb  15, Sp.  1615. 34 langt er an] bat er. 35 wegert] weigerte. 36 feyhl] Mangel. 37 Hoch allegiert] trug eindringlich vor. 38 erbot] bereit erklärte. 45–52 Erstlich sag … das gl)ck] Zu Tradition und Verbreitung dieser Rätselfragen siehe Walter Anderson, Kaiser und Abt. Die Geschichte eines Schwanks, Helsinki 1923 (FF Communications 42); zur Stelle Heike Bismark, Rätselbücher. Entstehung und Entwicklung eines frühneuzeitlichen Buchtyps im deutschsprachigen Raum. Mit einer Bibliographie der Rätselbücher bis 1800, Tübingen 2007 (Frühe Neuzeit 122), S. 185–187. 45 on arge list] ehrlich. 47 gut rundt] klar und einfach; vgl. DWb 14, Sp. 1502f. 49 k)ffen] Fässer. 54 sust] sonst. 55 grosser Prelatur] ein hohes Amt bekleidete. 60 bed sen] verwirren; vgl. FWB 3, Sp. 420, mit diesem Beleg. 63 radtzol] Rätsel. Allerdings sind die dem Abt gestellten Fragen gattungstheoretisch vom ›Rätsel‹ zu unterscheiden; vgl. Tomas Tomasek, Das deutsche Rätsel im Mittelalter, Tübingen 1994 (Hermaea N.F. 69), S. 88f. (zu dieser Stelle). 66f. Wust … suchen rath] er konnte sich in dieser Sache auch nicht an seine Brüder wenden und Rat suchen; vgl. FWB 3, Sp. 845f. 70 Zu … kein Helb] Umkehrung der Redensart: ›Der Axt einen Stiel finden‹, im Sinne von: ›eine Handhabe gegen jemanden finden‹; vgl. Röhrich, S. 125, mit jüngeren Belegen. 72 On gfehr] zufällig. 75 wie jr pflegen] wie ihr sonst zu sein pflegt. 82 Magistri nostri] Von den Humanisten verspotteter Ehrentitel der Theologen; vgl. Alberus, Fabeln 40,117–147, sowie Reinhard Hahn, Huttens Anteil an den ›Epistolae obscurorum virorum‹, in: Ulrich von Hutten 1488–1988. Akten des Internationalen Ulrich-von-Hutten-Symposions  15.–17. Juli  1988 in Schlüchtern, hg. von Stephan Füssel, München 1989 (Pirckheimer-Jahrbuch 4 [1988]), S. 79–111, hier S. 94f. 84 Posten] Boten; vgl. FWB 4, Sp. 846, auch mit Bezug auf diese Stelle. 88 Werden … l cher zeng] Bildlich im Sinne von: ›habe ich keinen Ausweg mehr‹; vgl. DWb  12, Sp.  1095, und  15, Sp.  845, sowie Röhrich, S. 969. 89 Beschetzt] Siehe zu III 24,5. 89 Thaler] Siehe zu IV 99,530. 90 statt] Status, Stand. 92 stieß … an die Mauren] Redensartlich: ›den Kopf an die Mauer stoßen‹, im Sinne von: ›etwas Aussichtsloses zum eigenen Schaden durchsetzen wollen‹; vgl. Röhrich, S.  869, sowie TPMA Mauer  18.2.; TPMA Haupt 8.5. 93 damit fahr schon] nicht so eilig; siehe zu II 33,37. 97 verrucht] gedankenlos. 99 der demut euch erwegen] euch herablassen. 101f. Es sein … wort versch)t] Etwa: ›wenn ich nicht raten würde, wären wohl alle Worte zuvor umsonst gewesen‹. 109 euch … vnderwinden] ein Geringes auf euch nehmen. 111 Mich … verkapt] Der Abt soll dem Hirten sein Ordensgewand überlassen; vgl. Vers  119. 114 er … segen] Als Parenthese: er sollte sich bekreuzigen (vor Verwunderung); vgl. DWb 16, Sp. 119, auch mit Bezug auf diese Stelle. 115 solt leicht] ich würde sicher. 119 Kappen] ›Kappe‹ meint die

Kommentar zu III 92

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Mönchskutte, die eine Kapuze hat. 119 blatten] Tonsur. 128 in dem jetzunder] alsbald darin. 141 Ein kleine tagreyß] In einigen Fassungen mit der Berufung auf Lk 23,43; vgl. Anderson (wie zu V. 45–52), S. 119, Anm. 3. 142 Mit gmeynem spruch] mit einer allgemein bekannten Aussage. Frage und Antwort sind auch im Straßburger Rätselbuch [1510/1511] überliefert; zitiert bei Bismark (wie zu V. 45–52), S. 187, Anm. 906. 142 bewer] beweise. 143–146 Da Christus … war er dort] Diese Version der Himmelfahrt Christi scheint mehrere Bibelstellen zusammenzuziehen. Vgl. Mt 28,20; Mk 16,19; Lk 24,50f.; Act 1,9. 149 darff] braucht. 150 ebner] ausreichend weiter; vgl. DWb  3, Sp.  7. Möglicherweise ist gemeint: ein ins Meer geworfener Stein sinkt bis zum Grund; vgl. Anderson (wie zu V. 45–52), S. 131, Anm. 2. 159 Necht … Sewen traben] gestern Nacht musste ich den Schweinen hinterherlaufen. 163 kurtz] schnell. 163 das gl)ckrad vmbwendt] Siehe zu I 33,37 und 40. 171–174 Weil … Fabeln schreib] Vgl. die traditionelle Unterscheidung von historia, argumentum und fabula bei Steinhöwel: Hystorie synt ware beschechene ding. Argumenta synt die, ob sie nit beschechen sind, so ist doch müglich, daz sie beschehen […]. Fabel sint die, die nicht beschehen synt noch müglich sind ze beschechen, wann sy synt wider die natur (S. 6; vgl. Klaus Grubmüller, Fabel2, in: RLW 1 [1997], S. 555–558, hier S. 555f.). Waldis stellt der Fiktion (gedicht) den Tatsachenbericht (geschicht) gegenüber und gebraucht hier den Begriff ›Fabel‹ im Sinne von argumentum, wobei der mit der Gattung verbundene Anspruch der Lehrhaftigkeit erhalten wird (V.  175f.). Vgl. auch zu II  30,91, und zu I  14,54. 184 jr gebur] dem, was ihr gebührt. 186 schreibfeder Keyserin bleiben] So auch Luther: Die schreibfedder mus Keyserin bleiben odder Gott wird uns ein anders sehen lassen (WA 30,2, S. 132, Z. 19f.). 191 die leng nit wern] auf Dauer nicht bestehen. 194 an armut kewen] arm sind; vgl. am rewel kewen in I 18,42. 195 ergetzt] entschädigt. 199 Zu N)rmberg] Der erste Teil von Georg Forsters Liederbuch Frische Teutsche Liedlein, in dem das folgende Lied (V. 201–224) gedruckt ist (Nr. 120), erschien 1539 bei Johannes Petreius in Nürnberg (Georg Forsters Frische Teutsche Liedlein in fünf Teilen. Abdruck nach den ersten Ausgaben 1539, 1540, 1549, 1556 mit den Abweichungen der späteren Drucke, hg. von M. Elizabeth Marriage, Halle/S. 1903 [Neudrucke deutscher Literaturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts 203–206]). Forster, der nach einer musikalischen Ausbildung in Heidelberg in Ingolstadt und Wittenberg Medizin studiert hatte (Promotion 1544 in Tübingen), lebte von 1548 bis zu seinem Tod (1568) als Arzt in Nürnberg. 207 wolfeyl macht/ all ding veracht] Umkehrung des Sprichworts: ›Was teuer ist, gilt mehr‹; vgl. TPMA teuer 16f. 209 beit] warte. 212 schantz] Gelegenheit. 213 schlecht] einfach. 217 kot] Dreck. 219 fug] Fügung. 223 wolfeyhl] billig. Literatur Lieb, S. 106–110, bes. S. 108f.

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III 93 Vom Wolffe/ vnd hungerigen Hunde.

Kommentar zu III 93 DG 627

Vorlage Der Stoff dieser Fabel ist nicht neu. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 5 wunder karg] sehr geizig. 9 eim die bissen zeln in Mundt] Redensartlich im Sinne von: ›nichts zu essen gönnen‹; vgl. Röhrich, S.  1059. 11 onmecht] schwach; vgl. DWb 13, Sp. 1223, mit nur diesem Beleg. 13 F)r] vor. 24 Wer gnug] Die Bedeutung der Konstruktion ist unklar; Kurz erläutert: »Es scheint beinahe, wie wenn du […]«. Ein entsprechender Wortgebrauch ist nicht nachgewiesen. 26 vngefell] Krankheit. 27 m gert] auszehrt; vgl. DWb  12, Sp. 1445, frühneuhochdeutsch nur mit dieser Stelle belegt. 27 verseucht] krank macht; DWb 25, Sp. 1298, mit Verweis auf diese Stelle. 28 entzeuht] entzieht. 33 baß] besser. 34 glat frech vnd feyßt] ohne Falten, kühn und wohlgenährt; vgl. zu I 56,7. Ähnliche Reihungen in Vers 130 und III 94,276. 39 gach] eilig. 49 nachmals feyßter speiß] in Zukunft besser füttere. In Mittelalter und Früher Neuzeit gilt allgemein das fette Essen als gutes Essen. 56 treg] schwach. 69 zu stundt] sogleich. 73 auff kr pffen] Wohl: den Kropf anfüllen; vgl. DWb 1, Sp. 679, und FWB 2, Sp. 511, jeweils mit nur diesem Beleg. 79 gem)ß] Brei. 91 thust] tun sollst. 94 on gefehrd] Etwa: einfach so. 95 in aller moß] ganz maßvoll. 107 Bestetigt … bracht in brauch] wiederholt und geht in Gewohnheit über. 111 das mol] dieses Mal. 116 f)rbaß] in Zukunft. 117 ichts laßt gebrechen] es an irgendetwas mangeln lasst. 118 rechen] strafen. 122 mans jm so eng solt spannen] man ihn so kurz halten sollte. 126 zumol] einmal. 142 loß gescholten] losgesprochen; vgl. DWb 12, Sp. 1170, mit nur diesem Beleg. 143 es hat kein fug] es ist nicht recht. 150 durch die finger sehen] Redensartlich; siehe zu II 93,40. 159 barschafft] Hier: Vorräte; vgl. FWB 3, Sp. 23. 173 tocht] taugt. 174 denn] außer. 191 zerbert] durchgeprügelt. 192 schry zeter] Schmerzensruf, in der Rechtssprache ursprünglich ein Klage- und Anklageruf; vgl. DWb  31, Sp.  808f.; vgl. auch Röhrich, S.  1769f. 200 abbricht] schadet. 201 Entzeuht] entzieht. 205 wegert] verweigert. 209 Machen auß einem schaden zwen] Sprichwörtlich: ›Aus einem Schaden zwei machen‹; vgl. TPMA Schaden  22–27. 212 schinden/ schaben/ kargen] zusammenscharren, raffen, geizen. 217–221 Jacob dient Laban … zehen mal verwandelt] Vgl. Gen  31,41. 218 zwar] wahrhaftig. 221 verwandelt] geändert. 223 schickt … des fugs] fügte Gott die Sache so. 227 jm] sich. 230 Bekummen … gnieß] einen angemessenen Ertrag erhalten kann. 233 schmitz] schadet. Das Bedeutungsspektrum des Verbs reicht von ›schlagen‹ bis ›beschmieren‹. 234 bey dem stul darnider sitz] neben den Stuhl zu sitzen kommt; Variation der Redensart ›zwischen zwei Stühlen sitzen‹, hier im Sinne von ›keine von zwei Möglichkeiten wahrnehmen‹; vgl. DWb 20, Sp. 333; die gleiche Phrase in Waldis’ Streitgedicht Der Wilde Man von Wolffenbuttel, Vers 44: Auffs letst sitzt nebem st*l darnider (Koldewey, S. 28). Vgl. auch TPMA Stuhl 47–50: ›Zwischen zwei Stühlen

Kommentar zu III 94

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sitzen (und hinunterfallen)‹; Röhrich, S. 1581f. 237 voller sauß] Schwelgerei; vgl. zu III 94,29. 239 fahr] Gefahr. 244 Jst nit … zu sagen] davon kann man nicht genug erzählen; vgl. DWb 16, Sp. 1084–1089. Der Vers ist als Parenthese in die Satzkonstruktion eingeschoben. 247–249 Wie der Poet … vnd darinn verblent] Ein Zitat konnte nicht nachgewiesen werden. 252 rewel bad] Bad der Reue; vgl. DWb  144, Sp.  836, mit nur diesem Beleg für die Metapher, sowie TPMA Reue 59 und 63 mit mittelhochdeutschen Belegen. 253f. Wenn den Esel … ein Beyn zerbricht] Kombination von Sprichwörtlichem und Redensartlichem; vgl. TPMA Esel 376–385: ›Der Esel tanzt auf dem Eis‹; Röhrich, S. 371, sowie TPMA Futter 7: ›Das Futter sticht dich‹; Röhrich, S. 617; Waldis, Der verlorene Sohn 365. Literatur Lieb, S. 163.

III 94 Von zweien Br(dern.

ATU 910N

Vorlage Die Version von Waldis ist der früheste Beleg für diesen Stoff. Stellenkommentar 8 Setzten … zu gleiche] ließen sich beide dort in gleicher Weise häuslich nieder. 11 f)rbaß] weiter. 13 stellt … nach] kümmerte sich um seinen Lebensunterhalt. 20 wacker] tüchtig. 21 als] alles. 22 an keinem nicht erwinden] es an nichts fehlen. 25 f)rbaß] Hier: im Laufe der Zeit. 28 lag im luder] kümmerte sich nur um sein Wohlleben. luder bedeutet jägersprachlich eigentlich die Lockspeise und wird seit dem Mittelalter metaphorisch für ›Verlockung‹ und ›Völlerei‹ verwendet; vgl. DWb 12, Sp. 1233f. 29 im sauß] in Schwelgerei; redensartlich, vgl. Röhrich, S.  1289. 40 Das alle … kurtz] Kurz versteht die Phrase metaphorisch: »daß nichts mehr langte« (Nesteln sind Schnürbänder); dem folgt DWb  13, Sp.  626, mit nur diesem Beleg. Die gleiche Phrase in IV  15,22. 44 Seckel] Geldbeutel. 45 gund er fast] begann er ernsthaft. 47f. dem schaden | Vorkommen] den Schaden verhindern. 51 narung] Hier: Besitz. 56 segen] segnen. 60 Zu mir versihst] von mir erwartest. 62 lassen vnderwegen] unterlassen. 65–69 F)nffzehn hundert … besser werden] Papst Alexander VI. (1492–1503) erklärte das Jahr  1500 zum Jubeljahr (›goldenes Jahr‹), an dem, wie in den Jubeljahren zuvor (seit 1450 im Abstand von 25 Jahren) und bis heute, besonderer Ablass zu erlangen war; vgl. IV 1,1–8 mit ähnlichen Formulierungen (ward abgesundert, g)lden Jar, viel Leut, nach Roma). Zum alttestamentlichen Hintergrund siehe zu II 18,86–90. Eine metaphorische Verwendung im Sinne einer Friedenszeit für alle Tiere findet sich in IV 2,134. 70 Des flissens … berden] darum bemühten sie sich in jeder Weise. 72 Heylthumb] Reliquien, hier im kollektiven Singular. 76 endtlich] endgültiges.

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Kommentar zu III 94

84 frummen] Der Doppelsinn des Wortes (›tüchtig‹, ›fromm‹) lässt sich auf die Entwicklung der weiteren Handlung beziehen. 89 S ller] Speicher. 98 Reuerentz] Ehrfurcht. 101 Zustundt] sogleich. 104 War Gott … im Schiff] Redensartlich; vgl. Agricola, Sprichwörter I 29. 107 als hauffet] alles in Mengen. 118 glimpff] guter Ruf. 122 zwar verhalten nit] wirklich nicht vorenthalten. 150 knetten] stampfend durchgeknetet. 151 nein] hinein. 153 auff der b)n] auf dem Dachboden. 159 vngedeicht] undicht; vgl. Vers  165 sowie zu III 11,14. 164 zum enkel tieff] knöcheltief. 167 eytelkeyt] Leere; vgl. DWb 3, Sp. 390, in der konkreten Bedeutung mit nur diesem Beleg. 167 Dunnen] Tonnen. 168 Haubtreyff] Hauptreif, der äußerste Reif einer Tonne. 173 rauch] struppig. 178 straubicht] struppig. 191 zerr)lt] Wohl: niedergewalzt. Das Wort ist nicht nachgewiesen. Schon das mögliche Grundverb ›rullen‹ ist unsicher belegt, vgl. DWb 14, Sp. 1476. Kurz übersetzt: »zerstampft«. 192 Sewen] Schweinen. 193 Potstem] Weiden- oder Pappelsetzlinge ohne Wurzeln; vgl. DWb 13, Sp. 2039. 193 pfroffen] Setzlinge. 195 sich hettn Wassers halb erquickt] das Wasser überstanden hatten. 202 zerschleifft] verwüstet. 210 baß] besser. 217 hielt] hielt er an. 218 schlecht] richtig. 225 war vberfl)ssig] im Überfluss hatte. 242 than] getan, hier: geliehen. 247 Geht alles … schwangk] geht alles seinen richtigen Gang. 250 fron] herrlich. 255f. Encian … het fallen lan] Als ›Enzian‹ wurde weißer Hundekot bezeichnet, der seit der Antike als heilkräftig galt; vgl. Krünitz  26, S.  452; DWb  10, Sp.  1933. 264 auß … verlassen] aus den Augen lassen. 268 Das sprichwort … Man] Sprichwörtlich: ›Selbst ist der Mann‹; vgl. TPMA Mann  12–14. 269 werden zwagen] gewaschen und gekämmt werden. 270 Mustun] musst du ihn. 271–280 Ein K nig einst … das Pferdt] Vgl. Xenophon, Oikonomikos 12,20 (Xenophon, Ökonomische Schriften, griechisch und deutsch von Gert Audring, Berlin 1992 [Schriften und Quellen der Alten Welt 38], S. 91). 276 feyßt/ glat] wohlgenährt und von glattem Fell (im Gegensatz zu rauch, V.  173, und straubicht, V.  178); vgl. zu I 56,7. 276 freudig] kühn, wild; vgl. zu II 78,2. 279 erfarnheyt hat gelert] Vgl. zu I  79,34. 280 Des … Pferdt] Sprichwörtlich; siehe zu II  4,98. 282 Helb] Stiel. 285–290 Aristoteles … in Acker legt] Zu den Fußspuren des Herrn wie noch einmal zu den Augen des Herrn (auch dermassen brichtet des) vgl. die pseudo-aristotelische Schrift Oikonomika I 6 (Aristoteles, Oikonomika. Schriften zu Hauswirtschaft und Finanzwesen, übersetzt und erläutert von Renate Zoepffel, Berlin  2006 [Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung, hg. von Hellmut Flashar 10,2], S. 19) . 291–293 Das heyßt … auß gericht] Dreireim; siehe zu I 10,19–21. Literatur Lieb, S. 123–129.

Kommentar zu III 95

III 95 Von einem alten/ vnd einem newen Wagen.

241 DG 576

Vorlage [Camerarius, Fabulae, Bl. 176a (Nr. 406)] De Plaustro recenti et vetere. Plaustrum recens stridentibus rotis fertur obviam quondam factum alteri, quod et vetustius et cuius rotae deteriores essent. Hoc igitur illud interrogat, quid queratur aut quae res ad ista ipsum lamenta adigat. Cui recens et stridulum plaustrum: »Cur tu obsecro tanto«, inquit, »silentio inveheris et raros etiam gemitus edis sub oneribus?« »Sentio enim«, inquit, »hoc dolorem et ferenda intelligo, quae imposita mihi sunt. Itaque ferre quam deplorare malo.« Docet fabula clamores et vociferationes non fere a vanitate et incogitantia abesse, ut dicunt Franci cachinnos sonantes in ore nasci. Etiam docet, quantum in laboribus perferendis exercitati novitiis et rudibus praestent.

Stellenkommentar 2 kein] eine. 4 eben] ziemlich. 7 knirrt] knarrt. 8 Weber bogen] Gemeint ist wohl ein ›Wollbogen‹, ein Werkzeug der Weber zur Reinigung der Wolle und zum Verfilzen des gewebten Tuchs; vgl. DWb 27, Sp. 2658, mit Bezug auf diese Stelle; dazu DWb 30, Sp. 1316f. 14 verschaben] abgenutzt. 26 bist trechtig] trägst. 33 gesetzt zur buß] als Buße auferlegt. 36 schellig] wütend. 37 vngekeicht] ohne zu keuchen. 42 jm] sich. 48 Das scharpff … scharten] Das Scharfe bekommt zuerst Scharten. Vgl. das Sprichwort: ›Was allzu scharf ist, wird gerne schartig‹ (TPMA scharf 2 mit wenigen Belegen); Agricola, Sprichwörter I 235, erläutert das Sprichwort im Sinne von: wer sich zuviel Arbeit auferlegt, geht daran zugrunde. 49 Ein gmeyner schad … wagen] Vgl. das variantenreiche Sprichwort: ›Gemeinsames Unglück ist leichter zu ertragen‹; vgl. TPMA gemeinsam 3.1. 51 Schwer tragen … not] Variierende Sprichwörter verzeichnet TPMA Not 1.7: ›Not lehrt viele Dinge und Künste‹. 52 Die gwonheyt … hot] Sprichwörtlich: ›Gewohnheit hilft Anstrengung und Schmerz aushalten‹; vgl. TPMA Gewohnheit 198. 53–55 Gut ists … des Herren joch] Vgl. Thr 3,27: Es ist köstlich ding einem Man/ das er das Joch in seiner Jugent trage. 57 Lawr] Vinum secundarium (Alberus, Dictionarium, Bl. Nn 2b), ein minderwertiger, aus mit Wasser aufgegossenem Trester gewonnener Wein; vgl. Krünitz 65, S. 829f. Literatur Stiefel, Quellen, S. 252–254.

III 96 Wie einer seinem Freunde gelt zu behalten gab.

ATU 1592

Vorlage [Camerarius, Fabulae, Bl. 144b (Nr. 385)] Depositum aes. Deposuerat mercator apud hospitem suum magnum pondus aeris. Venit aliquando et repetit. Ille mures erosisse dicit. »Quid? Mures?«, inquit mercator, homo intelligens. »Dii

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Kommentar zu III 96

boni, quid narras? Numquam audivi illos hoc cibo uti, sed bene habet, quod tu evasisti voracitatem ipsorum.« Placebat hospiti commentum suum, quo tam facile imposuisset mercatori. Sed dum discedit mercator, puerum perquam scitum filium hospitis sui ante aedes discurrentem absque custode abducit ad alium suum hospitem. Postero die offert se conspectui veteris hospitis, qui apud illum conqueri et deplorare amissionem filii sui. Tum mercator: »Ego heri«, inquit, »non procul ab aedibus tuis puerum vidi raptum a corvo auferri.« »A corvo«, exclamat ille, »puerum tantum? Quis tam validus corvus esse potuit?« Ibi mercator: »Qua in terra«, inquit, »mures aes erodunt, in ea verisimile est reperiri corvos, qui pueros rapiant.« At hospes se suis artibus petitum sentiens pollicetur se pretium aeris persoluturum rogatque mercatorem, puerum sibi ut restituat. Fabula subiicit proverbii sententiam: Clavum clavo pelli oportere.

Stellenkommentar 4 dicken Groschen/ groben Talern] Groschen, Münze im Wert zwischen  6 und 12 Pfennigen. Zum Taler siehe zu IV 99,530. Siehe auch zu I 27,19. 6–8 zu trewer handt … auff guten glauben] Die Formel ›auf Treu und Glauben‹ ist redensartlich; vgl. Röhrich, S. 1638f.; zum rechtshistorischen Hintergrund A. Erler, Treu und Glauben, in: HRG 5, Sp. 317–320. 9 vrlaub] Abschied. 13 hie ist … gesehen] das sieht nicht gut aus. 17 Das] Damit es. 18 gefretzt] gefressen. 21 vertragen] fortgetragen. 22 Pfennig] Geringwertige Münze; siehe zu I  90,98. 24 denn eitel] außer. 35 schweig] schwieg er. 37 gefatzt] genarrt; vgl. DWb  3, Sp.  1363–1365, auch mit Bezug auf diese Stelle. 49 eynig] einziges. 52 Abk)ndigen] bekannt geben; vgl. FWB  1, Sp.  199, auch mit Bezug auf diese Stelle. 55 Nechten] gestern nacht. 57 Floh daussen] flog draußen. 60 ertr)g] tragen könnte. 61 vierdthalb j rig] dreieinhalb Jahre alt. 62 vberschwerig] zu schwer. 66 zuknatzen] Wohl eine ältere Form von knatschen im Sinne von ›schmatzend zerkauen‹; vgl. DWb 11, Sp. 1362 und 1360. 67 schart] Splitter. 70 mit gleicher … zalt] Redensartlich; vgl. Röhrich, S. 1061; ältere Belege TPMA Geld 549–552. 73 huben … auff] verrechneten beides; vgl. FWB 2, Sp.  483. 74 in gleichem kauff] zum gleichen Preis; vgl. FWB  8, Sp.  709f. 76 Finantzet] betrügt; vgl. III 92,5. 76 als] alles. 79f. Brengs jm … gemessen auß] Sprichwörtlich; siehe zu I  27,45f. 82 Mit faulen … zu werffen] um mit üblen Worten auszuteilen. Die Formel ›faule Fratzen‹ findet sich öfter bei Luther (vgl. Dietz, S. 698). 83 mans jn verhebt] man ihm gegenüber zurückhaltend ist. 84 Mit Negeln … außgrebt] Sprichwörtlich; siehe zu I 25,34. 85 wirdt … mit list] Redensartlich: ›List gegen List‹; vgl. TPMA List 45–47. 86 Ein Fuchß … frist] Bildlich im Sinne von: Der Betrüger betrügt den Betrüger. Literatur Stiefel, Quellen, S. 254–257.

Kommentar zu III 97

III 97 Vonn einer Bonen.

243 ATU 295; DG 66

Vorlage Die Version von Waldis ist der früheste Beleg für dieses Märchen. Stellenkommentar 1 Aw] ›Au‹ ist ein häufiger Flur- und Ortsname, der keine Rückschlüsse auf einen konkreten Ort erlaubt. 3 zamen] zusammen. 5 war sein fro] war seinetwegen guter Dinge. 9 On gfehr/ vnd das] zufällig, und zwar so, dass. 14 Von wannen] woher. 24 Muß] Brei. 25 dermassen] in gleicher Weise. 37 in einem sin] einträchtig. 43 mich des erwegen] mich dazu entschließen. 44 Zwergs] quer. 48 daucht sich freudig] hielt sich für kühn; vgl. zu II 78,2. 53 hart] sehr. 54 brennen ward] begann zu brennen. 55 Zuhandt] sofort. 59 griß] Sand. 62 jrs leibs verschonen] ihr Leben retten. 63 Flecken] Flicken. 65 frummer] rechtschaffener. 68 bolohnen] belohnen; möglicherweise eine klangmalerische Annäherung an den Fabelakteur. Die Form der Vorsilbe begegnet allerdings häufiger in livländischem Niederdeutsch; vgl. das Schreiben des Rates von Riga vom 11.11.1523 an Luther mit vier entsprechenden Verbformen (abgedruckt in: Gotthard von Hansen, Die Kirchen und ehemaligen Klöster Revals, 3. vermehrte Auflage, Reval 1885, Nachdruck Hannover-Döhren 1973, S.  208–210; bei Luther, WA Briefe  3, S.  192–194 [Nr.  684], sind zwei dieser Formen mit ›bo-‹, zwei mit ›be-‹ gedruckt). – BCEF haben belohnen. 69 verpletzen] flicken. 74 Denselben … noch] Zum ätiologischen Schluss der Narratio vgl. Lieb; vgl. auch zu I  16,69–78. 76 tolle] dumme. 77 anschlegen] Vorhaben. 79f. Weils … ende bracht] Sprichwörtlich: ›Schlechter Anfang hat schlechtes Ende‹; vgl. TPMA Anfang 145–148. 81f. Man sagt … Krebsgang] Auch in IV 80,133f., weist Waldis die Sentenz als Sprichwort aus, das aber sonst nicht nachgewiesen ist. Dem Bild vom Krebsgang liegt die Vorstellung zugrunde, der Krebs laufe rückwärts. Vgl. BDN, S. 248, Z. 21–23; TPMA Krebs 1.–3.; Röhrich, S. 885f.; Flugblätter I 56; 57; 168; II 191. 81 vnweißlich] törichter. 82 gemeynlich] gewöhnlich. Literatur Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, neu bearbeitet von Johannes Bolte und Georg Polívka, 5 Bde., Leipzig 1913–1932, Nr. 18; Lieb, S. 111; Ludger Lieb, Strohhalm, Kohle und Bohne, in: EM 12, Sp. 1394–1398.

III 98 Vonn einem Schneider/ vnd seinem Weibe.

ATU 1698G/N

Vorlage Andere literarische Versionen dieses Erzähltyps sind bisher nicht bekannt; vgl. Jurjen van der Kooi, Schwerhörig, Schwerhörigkeit, in: EM 12, Sp. 411–418.

244

Kommentar zu III 98

Stellenkommentar 1 wunder w)st gesind] sehr unflätiges Volk. 2 loses] sittenloses. 4 außreuten] ausrotten. 5 must … der beschwerd] müsste sich wegen der Mühe Sorgen machen. 7 Als etlich sein] denn viele gibt es. 9 frommen] Nutzen. 11 gemeyn] üblich. 12 das redlin treiben] die Sache so treiben. Die Metapher geht auf das Vorantreiben eines Reifens, etwa im Kinderspiel, zurück; vgl. Röhrich, S. 1221; DWb  14, Sp.  52, mit diesem Beleg. Die von Kurz (»die Zunge gehen lassen«) und Tittmann (»stets schwatzen«) vorgeschlagene Erklärung lässt sich nicht durch Belege stützen. 14 auff den Esel setzen] Redensartlich; siehe zu I 16,92. 16 Der mol] einmal. 18 fast] hart. 19 frumb] tüchtig. 20 schlecht] gerade. Zum Gegensatz von schlecht und krum vgl. Röhrich, S. 1362. 22 L)stig] Das Bedeutungsspektrum reicht von ›hübsch‹ bis ›wollüstig‹. 23 vnbendig] mutwilliger. 24 knorrig/ wetterwendig] störrisch und sprunghaft. 25 stets sich fliß] bemühte sie sich stets. 26 abriß] losriss; vgl. DWb 1, Sp. 88, mit diesem Beleg. 28 m cht] könnte. 31 Groschen] Geringwertige Münze; siehe zu III 96,4. 33 bider] rechtschaffen. 37 vertrug] durchgehen ließ. 39 in mich reib] Übertragen: schlucke; vgl. DWb 14, Sp. 564, auch mit diesem Beleg. 42 Eins … wertig] ich erwarte einen Eisenwarenhändler. 48 Bestehe … f)rn] ich gelte sonst nicht als. 49 Schreckenberger] Kursächsische Silbermünze, geprägt seit 1498 im heutigen Annaberg; vgl. Schrötter, S. 607f. In der Reichsmünzordnung 1524 wurde er mit einem Siebtel Gulden oder drei Groschen angesetzt; siehe zu I  27,19. 50 zum N)remberger] Seit dem Mittelalter dominierten Nürnberger Händler den Markt für Eisen- und Kurzwaren; vgl. Käthe Dettling, Der Metallhandel Nürnbergs im 16. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 27 (1928), S. 97–241. Dass der Herkunftsname metonymisch das Gewerbe bezeichnen konnte, wie Kurz zu dieser Stelle vermutet (Bd. 2, Anmerkungen, S. 143), konnte nicht nachgewiesen werden. 51 gegem Becken] gegenüber vom Bäcker. 54 Schmer] Fett. 55 halber schellig] einigermaßen zornig. 56 vngesellig] Wohl: unfähig, mich verständlich auszudrücken. 60 Sprech schier] ich würde beinahe sagen. 60 der Jarrit … an] Fluchformel. ›Jahrritte‹ für ein Fieber (›Ritte‹), das ein ganzes Jahr lang anhalten soll, ist nur in vergleichbaren Flüchen belegt; vgl. DWb 10, Sp. 2247f. Vgl. zu II 75,7. 62 bas] besser. 66 vbersehen] nachsehen. 73–75 zur Metten … vor tag] Die Mette (lat. matutina) ist die erste der den klösterlichen Tag gliedernden Gebetszeiten. Sie wird ursprünglich nachts gehalten, die Frühmesse um fünf oder sechs Uhr morgens. Der Tag wird gerechnet von sechs Uhr morgens an. Im  16. Jh. können ›Mette‹ und ›Frühmesse‹ synonym verwendet werden, hier aber scheint die Mette als nächtlicher Gottesdienst gedacht zu sein. 76 sie da … pflag] sie dort gewöhnlich feierte. 78 acht] denke. 82 magst] kannst. 82 vnsern Herrgott sehen] Vielleicht Anspielung auf die Elevation, bei der – nach katholischem wie nach protestantischem Ritus – die konsekrierte Hostie und der Weinkelch emporgehoben werden. Die Ansicht des in Gestalt der Hostie realpräsenten Leibs Christi bot einen Ersatz für die Kommunion (Augenkommunion). Es könnte aber auch ein Kruzifixus gemeint sein. 85 war jr gach] eilte sie. 90 vernam] sah. 94 schon deiner ehr] nimm Rücksicht auf deine Ehre. 95 Ein solch torheyt …

Kommentar zu III 99

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zu handen] unterlasse eine solche Dummheit. 113–115 die fr)hmeß … vnderweisen] Im Hintergrund bei dieser Engführung von konkret und übertragen gemeinter ›Frühmesse‹ steht die Sexualmetapher ›die Mette lesen‹; vgl. zu II 60,58. 115 Studenten] In der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Novellistik ist der Student – neben dem Pfaffen – der Prototyp des Verführers; vgl. Rolf Wilhelm Brednich, Studenten, in: EM 12, Sp. 1426–1430, hier Sp. 1427; Hanns Fischer, Studien zur deutschen Märendichtung,  2., durchgesehene und erweiterte Aufl. besorgt von Johannes Janota, Tübingen 1983, S. 121f. Traditionelle Rollen nehmen auch die Studenten in IV 27 und IV 66 ein. 118 stroffen] strafen. 119 vppig] unzüchtiges. 121 der ehren gantz erwegen] von ehrbarem Verhalten ganz abkehren. 123 achtens vber ein] halten es für ein und dasselbe. 127 schlagen … windt] Der redensartliche Gebrauch (vgl. TPMA Wind  121–132; Röhrich, S. 1731f.) geht zurück auf Mal 1,13. 130 sein tag] seinen Lebtag. 134 queel] Qual.

III 99 Vonn zweien vngleichen Br(dern. Vorlage Eine Vorlage für diese Erzählung ist nicht bekannt. Stellenkommentar 2 gekorn in Rath] in den Rat gewählt. 7 erleydt] leidig. 12 morgen mol] Frühstück. 13 Vmbs Zeigers zwey] um zwei Uhr. 21 Welch gmeynen nutz … belangen] die das Gemeinwohl betreffen. 23 entricht] besorgt. 30 legst im luder] dich sündhafter Schlemmerei hingäbest; vgl. zu III 94,28. 32 stellen] trachten. 35 sich an gute tage fleißt] Wohl: auf müßige Tage aus ist. Die Konstruktion mit an ist sonst nicht belegt; vgl. DWb  3, Sp.  1765–1767. 36 der geneußt] diese genießt. 38 ein Epicurisch leben] Die Lehre Epikurs, nach der das letzte Ziel des Menschen im individuellen Glück besteht, ist in der Frühen Neuzeit massiver Kritik ausgesetzt. Als Epicurisch gilt oft, wie hier, ein verantwortungsloses Genussleben. Luther, der sich wiederholt gegen den Epikureismus vor allem des Erasmus von Rotterdam wendet, setzt die Lehre mit Atheismus gleich; vgl. WA 38, S. 480, Z. 10; WA 47, S. 623, Z. 35. Vgl. im weiteren auch Flugblätter III 96 und zu Luthers Verhältnis zu Epikur Gottfried Maron, Martin Luther und Epikur. Ein Beitrag zum Verständnis des alten Luther, Hamburg 1988 (Berichte aus den Sitzungen der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften e.V., Hamburg 6,1). 41 zu rechen wie die Schwein] unter die Schweine zu rechnen. Die Korrelation von Epikureismus und Schweinen (siehe auch V. 71f.) hat ihren Ursprung bei Horaz, Epistulae I 4,16. Unter anderen greift Luther sie in seinem Spottgedicht Sarcasmus in Epicurum auf; vgl. die Übertragung durch Aurifaber: Wer auff gut sewisch leben wil | Wie Epicurus steckt das zil […] Sauf/ fris/ spey/ scheis/ bis vol vnd tol/ | Gleich wie ein saw/ pfleg dein nur wol (V. 1–10; zitiert nach Maron [wie zu V. 38], S. 65). 44 stellt] strebt. 47 tugent fron] tugend-

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Kommentar zu III 100

haften Dienst. 53 lustig] Hier wohl: angenehm, mit der Konnotation von ›rührig‹; vgl. DWb 12, Sp. 1340–1342. 58 Viel gnad … geben hot] größere Gaben als anderen verliehen hat. 66 nicht abwescht … Rhein] Redensartlich; siehe zu II  22,59f. 71f. gleich den Sewen … zweymal kewen] Vgl. zu Vers  41. In die allegorische Ausdeutung des Schweins in christlicher Tradition geht gerade die Eigenschaft des Tiers ein, nicht wiederzukäuen (nach Lev 11,7); vgl. Silva allegoriarum, S. 967.

III 100 Wie ein Barfusser Mnch Predigt. Vorlage Der Kern dieser Erzählung, das Zwiegespräch zwischen Prediger und Zuhörer, ist nicht neu (vgl. Bebel II  81, De quodam minore). Ob Waldis diese Vorlage benutzte, ist allerdings unklar. Stellenkommentar Ü Barfusser M nch] Die sogenannten Barfüßer bilden keinen eigenständigen Orden, sondern finden sich als asketische Gruppen bei mehreren Ordensgemeinschaften, insbesondere bei den strengeren Observanzen der Bettelmönche. In der Frühen Neuzeit konnte das Wort auch lediglich die Zugehörigkeit zu einem Bettelorden, hier zu den Franziskanern, bezeichnen. 2 Papisten] Abfällige Bezeichnung für die Altgläubigen (›Katholiken‹), die den Papst anerkennen. In II 50,41f., werden sie als widerchristen diffamiert; vgl. zu II 50,42. 4f. mit der heilgen … f)rbitt] mit der Verehrung der Heiligen und ihrer Fürbitte. Die Verehrung der Heiligen als Fürsprecher der Menschen vor Gott war einer der zentralen Kritikpunkte der Reformatoren an der römischen Kirche; vgl. etwa Luther (WA 50, S. 210, Z. 2–8): ANruffung der Heiligen ist auch der End Christischen Misbreuche einer […]. Jst auch nicht geboten, noch geraten, hat auch kein Exempel der schrifft, Und habens alles tausent mal besser an Christo; vgl. auch Alberus, Fabeln 23. Waldis verurteilt insbesondere die kirchlichen Einkünfte, die mit der Heiligenverehrung verbunden waren (vgl. V.  6 und  67–72). 5 gefatzt] verhöhnt. 6 Dmit … abschatzt] und uns damit das sauer Verdiente fast völlig abgenötigt haben. 7f. Jeglicher Orden … Meerwunder] Gemeint sind die ›ordenseigenen‹ Heiligen. Der Begriff Meerwunder diffamiert diese, indem er Bilder fabulöser (See)Ungeheuer evoziert. 10 Jn solchem Korb … Hanen] Redensartlich; siehe zu I  13,29f. 11 Obseruantzen] Gruppierung innerhalb des Franziskanerordens (seit der 2. Hälfte des 14. Jh.), deren Ziel es war, die Regel des Franziskus strikt zu beachten (lat. observare) und in Einfachheit und Armut zu leben. Aus den sogenannten Observanten wurde auf dem Generalkapitel 1517 in Rom der Franziskanerorden durch Papst Leo X. neu konstituiert und von den anderen franziskanischen Gemeinschaften, den Konventualen (Minoriten) und Kapuzinern, getrennt; vgl. auch IV 4,9f. 12–15 jren Frantzen … geschrieben] Franziskus von Assisi (1181/1182–1226), Ordensgründer der Franziskaner, be-

Kommentar zu III 100

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graben unter der Doppelkirche San Francesco (vgl. V. 105–114). Er wurde 1228 von Papst Gregor IX. (1227–1241) in Assisi heiliggesprochen und damit in die Reihe (den Canon; V. 15) der Heiligen aufgenommen. 14 ward erhaben] heiliggesprochen wurde. 17 Capitel] Mönchsversammlung (ursprünglich im sogenannten Kapitelsaal), auch auf höherer Ebene der Ordenshierarchie (z.B. ›Generalkapitel‹). 20 einst] Wohl: einig; die Form ist in DWb nicht belegt. Kurz und Tittmann vereindeutigen zu eins. 21 Jn welchem Chor] Die Himmelschöre ergeben sich aus der Hierarchisierung der Heiligen (z.B. Apostel, Kirchenväter, Märtyrer, Unschuldige, Jungfrauen); vgl. Peter Dinzelbacher, Klassen und Hierarchien im Jenseits, in: Soziale Ordnungen im Selbstverständnis des Mittelalters, Bd. 1, hg. von Albert Zimmermann, Berlin – New York 1979 (Miscellanea mediaevalia 12), S. 20–40. Welchen Himmelschor der Heilige Franziskus innehatte, wurde in der zeitgenössischen Theologie heftig diskutiert; vgl. auch IV 4,38–49. 23 jrrig] unschlüssig. 25 auff seinen tag]  4. Oktober, Fest des hl. Franziskus (Tag des Begräbnisses). 27 thet … Sermon] hielt eine sehr kämpferische Predigt. 28–34 Er hub … entst)ndt] In Bebels Fazetie De quodam minore führt der Prediger dies weiter aus: ›Francisce, ubi vis sedere? Apud virgines?‹ Respondit sibi ipsi: ›Non.‹ Ultra: ›Francisce, ubi vis sedere? Apud confessores?‹ ›Non.‹ Ultra: ›Francisce, ubi vis sedere? Apud martyres?‹ ›Non.‹ Ultra atque sic deinceps de choro ad chorum ducens […] (Bebel, Fazetien II  81, S.  144). 29 hielt … also Her] stellte Franziskus als so heilig dar; vgl. DWb 10, Sp. 790. 31 hoch ghaben zuletzen] hoch emporgehoben; zuletzen (›zuletzt‹) ist wohl auf den folgenden Hauptsatz zu beziehen. 33 sein … f)ndt] den ihm angemessenen Platz fände. 34 nichts … entst)ndt] nichts an Ehre einbüßte. 37 fast] viel. 37 het vmb geschwermt] Neben der Bedeutung ›herumschwirren, phantasieren‹ könnte hier auch eine Anspielung auf die Schwärmer vorliegen. Die Predigt des Franziskaners würde so deren – aus der Sicht der Reformatoren – ketzerischen Überzeugungen gleichgesetzt. Mit ›Schwärmer‹ wurden die Anhänger außerkirchlicher Glaubensbewegungen bezeichnet, von denen die Lutheraner sich wegen theologischer, vor allem aber politischer Differenzen vehement abzugrenzen versuchten. Luther selbst verwendet ›Schwärmer‹ als einen Kampfbegriff, mit dem er gegen Karlstadts bildst)rmen, sacrament st)rtzen und tauffe hyndern (WA  15, S.  393, Z.  20) Position bezieht. Erasmus Alberus zählt u.a. Thomas Müntzer, Huldreich Zwingli und die Wiedertäufer zu den Schwärmern und wirft ihnen vor: wo schwermer haußhalten/ da richten sie nichts g*ts auß/ vnd machen eyn leichtfertig b ß volck/ achten keyner oberkeyt […] verlassen sich vff den tollen auffrurischen popel/ vff das ignobile vulgus/ vnd fürn die Hern/ wie eyn metzger eyn kalb an eym seil/ vnd sind voll müntzers vnd auffrurs (Eyn g*t b*ch von der Ehe was die Ehe sei/ was sie g*ts mit sich bringe/ Wie eyn weib geschickt sein soll/ die eyner zu der Ehe nehmen will/ wie alt/ waß sie dem Mann zubringen solle/ Vom kosten vnnd gebreng der hochzeit/ Von dreien Tugenden des weibs/ Von der kleydung vnd schmück des weibs Wie mann Kinder ziehen solle. weiland zu Latin gemacht durch den Wolgelerten Franciscum Barbarum/ Rahthern zu Venedig/ Nun aber verdeutscht durch Erasmum Alberum, Hagenau 1536, Bl. H3a). In seinem Dictionarium erläutert er (Bl. Ee3a): Fanaticus,

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Kommentar zu III 100

ein schwermer. Vgl. auch Alberus, Fabeln 16,132. 38 f)r … geschermt] vor den Blinden genug herumgefuchtelt. 43 gegen jm] ihm gegenüber. 51 Zur forderung … orden] wie es sein heiliger Orden forderte. 55 geschw)rm] Gewimmel. 59 baldt] beinahe. 62f. auff huben … grewl] so manches Schreckensbild errichteten. 67 namen kein Gelt] Die Franziskaner gehören wie die Dominikaner, Karmeliten und Augustiner-Eremiten zu den sogenannten Bettelorden (vgl. V. 82), die Anfang des 13. Jhs. aus der Armutsbewegung entstanden. Vorwürfe, die Franziskaner hätten unter dem Schein der Armut Reichtümer angehäuft, waren weit verbreitet; vgl. auch IV 4,56–60. 71 bey … hundert] zu tausenden und zu hunderten. 75 jr Gebew] ihre Bauwerke. 83 Jm Welschlandt] in Italien; vgl. zu I 91,14. 85f. eim K nig … kein schand] Der Vergleich weist die franziskanischen Klöster als weltliche Prunkbauten aus. In Vers 93 wird der Vorwurf verschärft, indem das Kloster zu Assisi mit den Reichtümern eines orientalischen Herrschers (einem T)rckischen Keyser) in Verbindung gebracht wird und dadurch eine Konnotation des Widerchristlichen erhält; als Inbegriff exotischen Reichtums dient das T)rkisch Keyserthumb auch in Alberus, Fabeln 13,85–88. 88 Der ich … hab] Autobiographischer Einschub (vgl. Einleitung, S. 14), ebenso in Vers  104 und  114. 89 Closter zu Asseis] Bei der Kirche San Francesco in Assisi wurde im 13. Jh. der sogenannte Sacro Convento erbaut, der erst in der zweiten Hälfte des  15. Jhs. unter Papst Sixtus IV. (1471–1484) seine heutigen Ausmaße erhielt und das organisatorische und geistliche Zentrum des Franziskanerordens bildete. Die Beschreibung (V. 89–114) scheint nicht übertrieben angesichts der Größe dieses Klosters, in das auch eine Papstresidenz integriert war. Vgl. zur folgenden Beschreibung der Anlagen Beda Kleinschmidt O. F. M., Die Basilika San Francesco in Assisi, 3 Bde., Berlin 1915–1928. 90 auß der weiß] außerordentlich. 93 T)rckischen Keyser] Vgl. zu Vers  85f. und zu IV  75,60. 96 m cht] könnte. 97 Reuenter] Refektorium, Speisesaal der Mönche. Das Refektorium des Sacro Convento misst in der Länge  57,9 Meter. 98f. man … schiessen] wie man mit Stahlbogen schießen könnte. Der Stahlbogen ist eine im 15. Jh. vor allem in Italien gebräuchliche Sonderform des mittelalterlichen Handbogens. 99 gsundert] eingeteilt. 103 steynen Gwelb] steinernen Gewölben. 105 Zwo … ob einander] Die Basilika San Francesco gliedert sich in eine Ober- und eine Unterkirche. 107f. Gepflastert … Pauiment] Der Boden der Oberkirche war mit heute nicht mehr vorhandenen farbigen Keramikkacheln ausgelegt. 108 Pauiment] Bodenbelag. 109 zwar] wahrhaftig. 110 dreifach gst)le oben im Chor] Das reich verzierte Chorgestühl in Chor und Querschiff der Oberkirche von San Francesco wurde  1501 von Domenico da San Severino (um  1445–1502) vollendet. Es ist allerdings nicht drei-, sondern zweireihig. 116 vmb ein grings] für wenig Geld. 117 rechen] aufrechnen. 120 grosse Visch] Zum redensartlichen Gebrauch vgl. Röhrich, S. 449–451. 128 rent] einbringt. 134 erhaben] erhoben. 135 in die gantze Welt eingeben] Wohl: ihnen die ganze Welt überlassen. Eine andere Übersetzung lässt der belegte Gebrauch von ›eingeben‹ nicht zu (vgl. DWb 3, Sp. 184), auch wenn Waldis für den Dativ Plural in aller Regel jn schreibt (so hier noch V.  133). 138–140 Nach seinem todt … sein] Franziskus empfing die Stigmata im Jahr  1224; dies ist der erste

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überlieferte Fall einer Stigmatisierung. Im frühen Franziskus-Schrifttum galt sie als letzter Ausweis der Gleichförmigkeit mit Christus (conformitas Christi), die er durch sein Leben in Armut erreicht habe. Bei einer Stigmatisierung treten Rötungen oder offene Wunden an den fünf Körperstellen auf, an denen auch Christus bei der Kreuzigung verletzt wurde: an Händen und Füßen sowie an der Seite. Die Meinung der Reformatoren gibt wohl Erasmus Alberus wieder, wenn er in seiner Vorrede zu Der Barfuser M)nche Eulenspiegel schreibt: Wenn Franciscus die Funff Wunden empfangen hette/ so were es gewislich ein Teuffels gespenst gewest/ Aber da fur halt ichs eigentlich/ […] das die M)nche s lchs nach Francisci Tod erticht haben/ jren Orden zu commendiren [beliebt zu machen] (Bl. *[2]iijv). 142–144 jre eygne Schrifft … Confirmitatum nennen] In Vers 142 liegt wohl die Ellipse einer flektierten Verbform (›tut‹), in Vers 143 die Ellipse eines neuen Subjekts (›und sie […] bekennen‹) vor. Mit Buch ist der zwischen 1385 und 1390 verfasste und 1510 in Mailand erstmals im Druck erschienene Liber conformitatum des Bartholomäus von Pisa (gest. 1401) gemeint. In diesem Werk sind die Legenden um Franziskus gesammelt, durch die seine Gleichförmigkeit mit Christus bewiesen werden soll. Die Stigmatisierung spielt dabei eine besondere Rolle; sie wird auch im Titelbild des Erstdruckes gezeigt. Waldis ändert conformitatum (von lat. conformitas) in Confirmitatum (vielleicht hergeleitet von dem ungebräuchlichen lat. confirmitas, ›Bestärkung‹, auch: ›Halsstarrigkeit‹). Luther äußert sich in seiner Vorrede zu Alberus, Der Barfuser M)nche Eulenspiegel, Bl. *[1]ijr, so zu diesem Werk: Denn ich solch gedruckt Buch, liber Conformitatum genennet, (darin solchs alles stehet, zusamen gefasset aus der grossen L)genden [Legende: ›Lebensbeschreibung‹, hier polemisch verfremdet] S.  Francisci und andern mehr b)chern) noch heutiges tages hab vnd behalte auff vnser nachkomen, Auff das, ob sich die Papisten nach dieser zeit putzen und schm)cken wolten, Als hetten sie nie kein wasser betr)bt, […] Das man dagegen jnen fur die Nasen halte solche jre stinckende grewel […]. [Bl. *[1]iijr:] Denn das Buch ist bey den Barfussern fur das Euangelium gehalten und haben der Christenheit furgeblewet Franciscum an Christi stat (zitiert nach WA  53, S.  408, Z. 7–S. 409, Z. 19). 153–156 Katharin von Seenen … wunden het] Die hl. Katharina von Siena (um 1347–1380) gehörte dem Laienorden ›Brüder und Schwestern von der Buße des hl. Dominikus‹ an. Sie wurde der Biographie des Dominikaners Raimund von Capua zufolge  1375 in Pisa stigmatisiert. 154 peenen] Peinigungen. 155 sich drein begeben thet] sich darein ergab. 159f. Die mittelst … letst] Siehe zu III 6,4. 164 viel ein ander feyhl] ein ganz anderer Makel. 166 schweigen] schweigen lassen. Literatur Kipf, S. 491f.; Lieb, S. 142–150; Stiefel, Esopus, S. 490.

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IV 1 Vom Wolffe/ Fuchß/ vnd Esel.

Kommentar zu IV 1 DG 558

Vorlage Der Stoff dieser Fabel (auch: ›Tierbeichte‹ genannt) ist seit dem Mittelalter bekannt. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 1–8 DA man schrieb … auß geschrieben hat] Siehe zu III 94,65–69. 2 abgesundert] herausgehoben. 7 Ablaß] Siehe zu II  75,36. 9 g)ldene Pfort] Das Jubeljahr wird an Weihnachten mit der Öffnung der vermauerten ›Porta aurea‹ (heute am Petersdom) begonnen. 11 Rom … haubt der Welt] Verdeutschung von caput mundi, dem traditionellen Bild für die in der Frühen Neuzeit allgemein akzeptierte geistliche und weltliche Vorrangstellung Roms als Sitz des Papstes und Hauptstadt des alten römischen Weltreichs. 12 daf)r helt] für richtig hält. 16 alln gewalt] Anspielung auf die vom Papst beanspruchte weltliche und geistliche Herrschaft, in ironischer Brechung des Deus omnipotens. 20 Auff das … baß] damit es ihren Seelen besser gehe. 24 andechtig stellen] Die Formulierung kann sowohl im Sinne einer ernsten Absicht als auch als Vortäuschung einer Absicht verstanden werden; vgl. FWB 11, Sp. 343f. 25 Einst heben an] einmal anfangen. 33 Ob] dass. 36 reit] reisefertig. 39 Schwabach] Die angedeutete Route (Nürnberg, das südwestlich von Nürnberg gelegene Schwabach, Augsburg, Landsberg) entspricht zeitgenössischen Rompilgerwegen. In dem im Jahr 1500 gedruckten Erfurter Itinerar ist Schwabach als erste Station nach Nürnberg genannt; in der wohl rechtzeitig zum Jubeljahr 1500 erschienenen Rompilgerkarte des Nürnbergers Erhard Etzlaub ist Schwabach nicht eingetragen. Vgl. Nine Miedema, Erhard Etzlaubs Karten. Ein Beitrag zur Geschichte der mittelalterlichen Kartographie und des Einblattdrucks, in: Gutenberg-Jahrbuch 71 (1996), S. 99–125, bes. S. 123. 50 zeuh] ziehe. 52 bitfahrt] Wallfahrt. 53 Gumpet] sprang auf. 56 Lechveldt] Lechfeld, Ebene südlich von Augsburg zwischen Lech und Wertach. 57 Landtsburg] Landsberg/Lech. 59 Welsch] Hier: lateinisch. 60 Curtesanen] Die sogenannten Kurtisanen werden in den Streitschriften der Reformatoren als Günstlinge der päpstlichen Kurie dargestellt und insbesondere für Pfründenwirtschaft sowie Missstände in der Seelsorge verantwortlich gemacht. Vgl. etwa Der curtisan und pfründenfreßer (Schade, Satiren, Bd. 1, S. 7–12) und Waldis, Das P pstisch Reÿch II 5 über die Kurtisanen (ebd., S. 186–191). Vgl. auch IV 83 Ü. 61 vmb Prebenden litigirn] um Pfründe streiten. 62 Rota] Sacra Romana Rota, oberster Gerichtshof der päpstlichen Kurie. 62 Agirn] Prozesse führen. 80 keiner] einer. 81 Eisengrimm] Name des Wolfes in der Tierepik; vgl. zu I 59,28. 83 michs … erwegen] ich muss mich auch dazu entschließen; vgl. DWb 3, Sp. 1049f. 85 Heyntz] Zwar wird ›Heinz‹ gelegentlich auch als Tiername, jedoch nicht für den Esel benutzt. Wahrscheinlich ist mit dem Namen hier – ähnlich wie in III 48,15 – Einfachheit, Faulheit oder Dummheit konnotiert. Vgl. zu I  59,28. 90 m)chten] könnten. 94 Zerung] Proviant. 95 gundt … spitz] leert sich allmählich. Zur Bildlichkeit vgl. II 46,8. 103f. Die Glerten … f)rwitz sey] Heiligenverehrung, Ablass und mit-

Kommentar zu IV 1

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hin die Wallfahrt sind frühe und konstante Themen humanistisch-reformatorischer Publizistik gegen die Papstkirche. In seiner Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation (1520) fordert Luther, das man die walfarten gen Rom abethet (WA 6, S. 437, Z. 1), erkennt aber auch die Verwurzelung der Wallfahrt in der religiösen Praxis und empfiehlt die Überzeugung jedes Einzelnen. So soll derjenige, der eine Wallfahrt geloben oder unternehmen will, im evangelischen Glauben belehrt und von der Fahrt abgehalten werden: Wo ersz aber ausz furwitz thet, land unnd stedt zubesehenn, mag man yhm seynen willen lassenn. Hat ersz aber in der kranckheit gelobet, das man die selben gelubd vorpiette, vorspreche unnd die gottis gebot dagegen empor hebe, das er hynfurt yhm benugenn lasse an dem gelubd in der tauffe geschehen, gottis gebot zu halten. Doch mag man yhm auff das mal, sein gewissen zustillenn, sein nerrisch gelubd lassen auszrichtenn (ebd., S. 438, Z. 6–11). Vgl. Siegfried Bräuer, Wallfahrt in reformationsgeschichtlicher Perspektive. Forschungsgeschichte und Desiderata, in: Wallfahrt und Reformation – Pout’ a reformace. Zur Veränderung religiöser Praxis in Deutschland und Böhmen in den Umbrüchen der Frühen Neuzeit, hg. von Jan Hrdina, Hartmut Kühne und Thomas T. Müller, Frankfurt/M. u.a. 2007 (Europäische Wallfahrtsstudien 3), S. 29–62, bes. S. 40–46. 104 ein lauter f)rwitz] eine reine Vermessenheit. 105 Sanct Jacob] Der Jakobsweg ins westspanische Santiago de Compostela war wegen des dort vermuteten Grabes des hl. Jakob im Mittelalter einer der meistbegangenen Pilgerwege; vgl. auch IV 3,88. Die Etappen des Wegs werden bereits im Liber sancti Jacobi aus dem 12. Jh. beschrieben; 1495 erschien der sehr erfolgreiche Pilgerführer von Hermann Künig, der den Weg aus den deutschen Gebieten beschrieb; vgl. Klaus Herbers/ Robert Plötz, Die Straß zu Sankt Jakob. Der älteste deutsche Pilgerführer nach Compostela, Ostfildern 2004. 106 vor … kaufft] für sein Geld die Reue kauft; gemeint ist der Ablass-Handel. 110f. Vor diesem Steyn … im Vatican] Die folgende Imagination römischer Bauten (V. 110–132) spielt auf die im 15. und 16. Jh. gut bezeugte ›Pilgerfahrt im Geist‹ an, die es den Gläubigen ermöglichte, Wallfahrten spiritualiter zu unternehmen, das heißt, die Gnadenorte in der Heimat zu imaginieren und die damit verbundenen Ablässe zu erlangen; vgl. Nine Robijntje Miedema, Rompilgerführer in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Die ›Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae‹ (deutsch/niederländisch). Edition und Kommentar, Tübingen 2003 (Frühe Neuzeit 72), S. 398–462; zu Waldis’ satirischer Absicht Lieb, S. 159f. 112 Trepp Sanct Lateran] Die Treppe vor S. Giovanni in Laterano ist der Legende nach jene, auf der Christus zu Pilatus geführt wurde. Zu den Ablässen siehe Nine Robijntje Miedema, Die römischen Kirchen im Spätmittelalter nach den ›Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae‹, Tübingen 2001 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 97), S. 161– 236, bes. S. 173–175, 217–231. 113 Pfeiler Adriani] Münster, Cosmographei, verzeichnet im Plan der Stadt Rom eine Adriani seül (S. 182f.); gemeint ist wohl die Trajanssäule. 114 Termi Diocletiani] Die berühmten Bäder des römischen Kaisers Diokletian (um 245–um 313), der im 16. Jh. auch als grausamer Christenverfolger berüchtigt war. 115 Belle videre] Privatvilla von Papst Innozenz VIII. (1484–1492), die später mit den vatikanischen Anlagen verbunden wurde.

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Noch 1550 ist sie bei Münster (Cosmographei, S. 183) als selbständiges, schlossähnliches Gebäude dargestellt. Vgl. David R. Coffin, Pope Innocent VIII and the Villa Belvedere, in: Studies in Late Medieval and Renaissance Painting in Honor of Millard Meiss, hg. von Irving Lavin und John Plummer,  2 Bde., New York 1977, Bd. 1, S. 88–97. 116 Engelburg] Das zur Festung umgebaute Mausoleum Kaiser Hadrians: Adriani gros werck/ ietzunt Engelburg (Münster, Cosmographei, S. 181). 117 Agon Tyber] Gemeint ist wohl ein Rennplatz. Tittmann erklärt: »das tiberinische Feld zwischen dem Marsfelde und dem Tiber«. 117 Campoflor] Campo dei Fiori (›Blumenfeld‹). Der im 15. Jh. angelegte Platz war von Kardinalspalästen umgeben. 118 Maria Rotunda] Das Pantheon, ein Rundbau aus dem 1. Jh. v. Chr., wurde im 7. Jh. zur Kirche S. Mariae ad Martyres geweiht und erhielt den Namen Maria Rotunda. Vgl. Miedema (wie zu V. 112), S. 663–671. 118 Maior] Die Kirche S. Maria Maggiore, eine der sieben Hauptkirchen Roms. Vgl. Miedema (wie zu V.  112), S. 259–295. 119 steinen Pferdt in Monte Caual] Gemeint sind die ›Rossbändiger‹, zwei Reitergruppen aus Marmor vor dem Quirinal, der deshalb auch Monte Cavallo (›Rossberg‹) genannt wurde. 120 arcus Triumphal] Triumphbögen. 121 Ponte Sixti] Die Brücke über den Tiber wurde 1475 unter Papst Sixtus IV. (1471–1484) erneuert. Die Sixt brugke ist eine der vier Brücken, die Münster (Cosmographei, S. 182f.) in der Stadtansicht von Rom abbildet. Bei dieser Brücke steht auch die Kirche S. Sisto Vecchio. Vgl. Miedema (wie zu V. 112), S. 782–785. 122 Carmiterium Calixti] Nach Papst Calixtus I. (217–222) benannte Katakombe (lat. coemeterium ›Ruhestätte‹). Vgl. Miedema (wie zu V. 112), S. 419–422. 123 Sanct Alex] Die Kirche Ss. Bonifacio e Alessio. Vgl. Miedema (wie zu V. 112), S. 448–453. 123 die steynen Sonnen] Nicht nachweisbar. 124 Sanct Paul … Brunnen] Bei der Kirche S.  Paolo alle Tre Fontane soll Paulus enthauptet worden sein. Vgl. Miedema (wie zu V. 112), S. 535–539. 125 ehren Pferdt] Gemeint ist wohl die Reiterstatue des Marc Aurel. 126 Arnum … Tybrim] Gemeint sind offenbar Flussgötterstatuen. Berühmt waren Tibris und Nil (vgl. Norberto Gramaccini, Mirabilia. Das Nachleben antiker Statuen vor der Renaissance, Mainz  1996, S. 63f. mit Abb. 22 und 23); zur Arno-Statue siehe Ruth Rubinstein, The Statue of the River God Tigris or Arno, in: Il Cortile delle Statue. Der Statuenhof des Belvedere im Vatikan. Akten des internationalen Kongresses zu Ehren von Richard Krautheimer, Rom  21.–23. Oktober  1992, hg. von Matthias Winner, Bernard Andreae und Carlo Pietrangeli, Mainz 1998, S. 275–285, bes. S. 281, 283, Abb.  1. 127 Morphorium … Pasquill] ›Marforio‹ heißt die Marmorskulptur eines liegenden Flussgottes, heute im Kapitolinischen Museum (Abb. bei Rubinstein [wie zu V. 126], S. 278f.). Pasquill meint den heute ›Pasquino‹ genannten Torso an der Piazza Pasquino, an dem anonyme Spott- und Schmähschriften (›Pasquillen‹) öffentlich angeschlagen wurden (und werden). 137 Reynhart] Name des Fuchses in der Tierepik; vgl. zu I 59,28. 147f. Der Zickel … vnderstehn allein] an junge Ziegen und Schweine wagte ich mich alleine. 153f. Der G nß … entflohen] Vgl. IV 87. 155f. hab … Meins lebens] musste ich oft mein Leben aufgeben; vgl. DWb 3, Sp. 1051, auch mit Bezug auf diese Stelle. 165– 174 Doch will ich … so bkumpt dirs wol] Anspielung auf die Fabel vom ›rückfäl-

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ligen Wolf‹ (IV 3; DG 600); vgl. Alberus, Fabeln 19,75–119. 169 hart dabey] direkt daneben. 181 zwar] sicherlich. 186 Capun] Masthahn. 191 Bey mir … soll] an mir selbst kann ich ja erkennen. 213 verkert] zum Schaden ausgelegt. 214 bert] geschlagen. 219 m cht vielleicht] hätte leicht sein können. 221 der Absolutz entborn] die Absolution verloren. 228 Casum] Wohl Anspielung auf die Casus conscientiae, eine Art Beichtspiegel oder Beichtsumme. 230 Den … verstanden] von einem solchen Fall habe ich nie gehört. 231 Penitenciarius] Pönitenziar, ein vom Bischof (hier vom Papst als dem Bischof von Rom) zur Absolution in Reservatfällen (vgl. zu V. 272) bevollmächtigter Beichtvater. Vgl. IV 14,44. 232 gnugsam] eine ausreichende. 237 Drecket vnd Dreckental] Verballhornung von Decret und Decretale (Sammlung päpstlicher Verordnungen). 238 Clementin] Decretsammlung von Papst Clemens V. (1305–1314). 239 Glosen … Summen] Glossen sind lexikonartige Handbücher zur Erklärung theologischer Begriffe. Summen werden systematisierende Zusammenfassungen der Theologie (summae theologicae) genannt. 241 schwer … vbersagen] hartes Urteil über ihn sprechen. 242 seine] Die Drucke BC haben meine. 244 verth)mt] verdammt. 253f. Der Herr spricht … in Schafsheuten] Siehe zu I 90,81–84. 258 verliegen] belügen. 262 Zwen Hundt … des Hasen todt] Sprichwörtlich: ›Viele Hunde sind des Hasen Tod‹; vgl. TPMA Hund  904–912. 268 Pferdt einander schaben] Sprichwörtlich: ›Ein Maultier kratzt das andere‹ (lat.: Mutuum muli scabunt); vgl. TPMA Maultier 1–11; Alberus, Fabeln 11,152 Marg., und Alberus, Der Barfuser M)nche Eulenspiegel, Bl. C1b (Nr.  70); vgl. auch IV  57 sowie IV  94,312. 269 Strich mit dem Fuchßschwantz] Bei Luther wie hier öfter als Bild für eine milde Strafe (vgl. TPMA Fuchs 173–180). Vgl. dagegen zu I 11,7, und zu IV 8,84. 271 Mocht leicht] es konnte leicht sein. 272 Casus Reseruat] Lat.: Sonderfall, dessen Entscheidung einer höheren Instanz vorbehalten ist. Vgl. IV 14,23–28. Luther steht dem Reservationswesen seiner Zeit skeptisch gegenüber: Das sie [Papst und Bischöfe] aber yhn furbehalten ettlich casus zu absolviren, macht nit yhr sacrament grosser adder besser, sondern ist gleych, als wen sie yemant die meß, die tauff adder der gleychen auß ursach furbehilten, da mit der tauff und meß widder zu noch abgeht (Eyn Sermon von dem Sacrament der Puß; WA 2, S. 717, Z. 2–5). 273 Bann] Ausschluss aus der Gemeinschaft der Gläubigen, verbunden mit dem Verlust des Seelenheils. 275 Tantzen … Pfiffen] Redensartlich im Sinne von ›gehorchen‹; siehe zu II  39,12. 276 Mit … ergriffen] Variation der Fischfang-Bildlichkeit nach Mt 4,19 (vgl. V. 281); das Bild konnte auch gegen die Protestanten gewendet werden (vgl. Flugblätter II 169, mit Literatur). 280 f)rbas] weiterhin. 282 vberfahrn] fangen. Literatur Kipf, S. 492f.; Lieb, S. 150–160, 166–170.

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IV 2 Vom Fuchß/ vnd dem Hanen.

Kommentar zu IV 2 DG 183

Vorlage Der Stoff dieser Fabel ist seit dem Mittelalter bekannt. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 4 eygen nutz] Siehe zu IV 100,95. 4 f)r liegen] vorzulügen. 5 ereigt] gezeigt. 10 Zohe] zog er. 12 Vngefehrlich] ungefähr. 12 Armbrustsch)ß] Schussweite einer Armbrust; vgl. FWB 2, Sp. 128. 14 absehen] sehen. 19 jmmer] nur. 20 einst] einmal. 22 gundt] begann. 26 Auff k)nfftig … gwin] Versidentisch mit IV  3,32. 28 on als gefehr] ganz zufällig. 33 botz] Ausruf (»potz«); vgl. FWB 4, Sp. 882. 33 Ohm] Onkel. 33 Henning] Name des Hahns in der Tierepik; vgl. zu I 59,28. 34 alten Pfenning] Der Wert alter Münzen wird hier im Sinne des ›Lobs der alten Zeit‹ höher als der neuen Geldes eingeschätzt. Zum Pfennig siehe zu I  90,98. 40 auß … gspunnen] Gemeint ist: ›erfunden‹. Die Herkunft des Ausdrucks ist unklar; vgl. auch Sandvoss, S.  85, mit einem allgemeinen Hinweis auf die heidnisch-kultische Bedeutung von Pferdeköpfen (ebenso DWb 14, Sp. 1266, wo die Waldis-Stelle zitiert ist). 43f. Ernstlich … Gebot] Gott will, dass es genau eingehalten wird, dass wir es beachten wie die Zehn Gebote. 47 Mit Brieff vnd Sigel] Eigentlich: ›beurkundet und beglaubigt‹; vgl. Th. Frenz, Urkunde (rechtlich), in: HRG 5, Sp. 574–576. Vgl. auch Röhrich, S. 257f. 50 mer] Nachrichten. 53 Halt] meine. 54 F)r] vor. 57 baß] weiter. 62–66 Jn diesem Jar … zusamen bracht] Das von Papst Paul III. (1534– 1549) für das Jahr 1537 vorgesehene Konzil in Mantua fand nicht statt. Erst 1545 kam ein Konzil in Trient zustande. Dass der Fuchs vorgibt, über das Konzil in Mantua einen Faktenbericht zu liefern, lässt den Leser erkennen, dass es sich um eine Lügenrede handelt. 65 gmeyn Concilj] allgemeines Konzil. Die Forderung der Protestanten nach einem allgemeinen Konzil, an dem Vertreter des Schmalkaldischen Bundes gleichberechtigt teilnehmen sollten, wurde nie verwirklicht. 65 betracht] einberufen; vgl. FWB  3, Sp.  2092. 69 ander Herrn Legaten] Abgeordnete anderer Herrn. 71 Commissari] Stellvertreter hoher (kirchlicher) Amtsträger. 71 Oratorn] Redner. 75f. Ratum … Jrrefragabiliter] Lat. bestätigt, beschlossen, fest und unverbrüchlich. 77 Reynhart] Name des Fuchses in der Tierepik; vgl. zu I 59,28. 81f. Jr gebt … Anten] Anspielung auf die Fabel vom Fuchs, der den Hühnern predigt (vgl. DG  616). Das Motiv geht zurück auf Mt 7,15, wo vor den falschen Propheten gewarnt wird (vgl. zu I  90,81–84). Vgl. auch Illustrierte Flugblätter aus den Jahrhunderten der Reformation und der Glaubenskämpfe, hg. von Wolfgang Harms, bearbeitet von Beate Rattay, Coburg 1983, S. 260f. (mit weiterer Literatur); TPMA Fuchs 147– 149. 85 Sophistry] Sophisterei. In den Streitschriften der Reformation häufig gebrauchter, auf die antike Philosophie zurückgehender Begriff für als willkürlich erachtete Theologie (und Rhetorik) der Papstkirche. Vgl. die Vermischung von auf die Bibel gestützten Argumenten und Halbwahrheiten, die der Fuchs im Folgenden ausbreitet. 86 Schul zu Pauy] Universität von Pavia. 91 Decer-

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niert] entschieden. 92 Confirmiert] bestätigt. 93–96 Nach dem … vermessen] Vgl. Gen 1,29f.: Jch hab euch gegeben allerley Kraut/ das sich besamet auff der gantzen Erden/ vnd allerley fruchtbare Bewme/ vnd Bewme die sich besamen/ zu ewr Speise/ vnd aller Thiere auff Erden/ vnd allen Vogeln vnter dem Himel/ vnd allem Gewürm das das Leben hat auff Erden/ das sie allerley grün Kraut essen. 96 dorfft … vermessen] niemand durfte das wagen. 97–99 Biß das … erlaubet hat] Vgl. Gen 9,3: Alles was sich reget vnd lebet/ das sey ewre Speise/ wie das grüne Kraut/ hab ichs euch alles gegeben. 100 vnrath] Schaden. 102 darauß vrsach genomen] haben dies als Grund genommen. 104 zucht] Erziehung. 108–110 Nun muß … vertragen] Der Satz ist syntaktisch brüchig. Wohl liegt – wie auch in Vers 142f. – eine elliptische Satzkonstruktion vor, so dass nach tagen (V. 109) zu ergänzen ist: ›geschehen, dass‹. 108–120 Nun muß … hunger b)ssen] Der Fuchs bezieht sich hier auf die mittelalterliche Auffassung, dass dem Jüngsten Tag eine Friedenszeit vorausgehe, und verknüpft diese mit der in Jes 11,6f. und 65,25 beschriebenen Friedenszeit unter der Herrschaft des Messias. Vgl. Vers  160. 110 vertragen] ausgesöhnt. 113–120 Drumb … hunger b)ssen] Ähnlich verkündet der Löwe eine Friedenszeit in II  1,19–32. 113 on allen hel] ganz öffentlich. 120 b)ssen] stillen. 123 der halben] deswegen. 124–126 Denn … lebendig blieben] Vgl. Gen  7,21–23. 127 verschafft] angeordnet. 130 begifftet] ausgestattet. 131 Muniert] befestigt. 133 Mag billich] kann zu Recht. 133 zwar] sicherlich. 134 g)lden Jubel jar] Vgl. zu III 94,65– 69. 137 Receß] rechtsverbindliches Schlussdokument. 138 zu Franckfurdt in der Meß] in Frankfurt zur Zeit der Messe. Die Frankfurter Messe, die jährlich in der Fastenzeit und im Herbst stattfand, war seit dem späten Mittelalter die bedeutendste Messe im deutschen Reichsgebiet; vgl. Michael Rothmann, Die Frankfurter Messen im Mittelalter, Stuttgart 1998 (Frankfurter historische Abhandlungen 40). Vgl. IV 65,3. 139 R mer] Name für das Frankfurter Rathaus. Hier wurden gewöhnlich keine kirchlichen Erlasse angeschlagen. 141 Kammer botten] Beamte. 142 Des ich] davon habe ich. 142 Copey] Abschrift. 146 jm] sich. 150 D rfft] braucht. 153 g)lden roth] Goldmünze; siehe zu I  14,58. 172 frumb] rechtschaffen. 175 ferr] fern. 181 ob] wenn. 184 das gewissen spielen] sicher gehen; vgl. DWb 16, Sp. 2386. 186 zeitung] Nachricht. 188 auff zu jagen] aufzuscheuchen (um Beute zu machen); vgl. Dalby, S.  246. 191 gegen] im Gegenzug. 193 Zu dem … versicht] von dem man es gar nicht erwartet. 195 Wer einen … letzen] wer einem Betrüger durch kluge Gegenlist beikommen will. Literatur Stiefel, Quellen, S. 278.

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IV 3 Vom hungerigen Wolffe.

Kommentar zu IV 3 DG 600

Vorlage Eine Vorlage für diese Fabel ist nicht bekannt. Jedoch besteht Ähnlichkeit zu einer breit überlieferten Fabel, in der der Wolf nach seiner Rettung ein Schwein für einen Fisch erklärt und frisst. Stellenkommentar 4 wie er pflag] wie er es zu tun pflegte. 12 baß] besser. 15 vrlaub] Erlaubnis. 16 grechnet vor ein raub] als Raub angerechnet. 19 gunst] Ansehen. 21 wes mich hin f)rder halten] Wohl: woran ich mich in Zukunft halten soll. 23 Als] wie. 25 art schlecht nicht von art] Sprichwörtlich; siehe zu II  60,73. Zur Redewendung ›Aus der Art schlagen‹ vgl. Röhrich, S.  106. 26 Wem der Kopff … Bart] wer einen Kopf hat, muss sich auch den Bart scheren. 27 Da mags vmbsehn] Wohl: da kann es aussehen wie es will. Waldis legt die (sonst nicht belegte) Formulierung mehrfach dem Wolf in den Mund, vgl. IV  7,114; IV 73,75. 28 Jß mit/ hang mit] Sprichwörtlicher Gebrauch ist in TPMA nicht belegt. DWb 10, Sp. 441, nennt nur die heute bekannte Variante ›mitgefangen, mitgehangen‹. 28 biß] sei. 31 Holtz] Gehölz. 32 Auff k)nfftig … gwin] Versidentisch mit IV 2,26. 34 jener] Siehe zu I 11,5. 44 darauß … werden] dabei ein großer Aufwand entstehen. 47 vberquer] Hier wohl: ›kopfüber‹ oder ›der Länge nach‹; der Wortgebrauch ist so nicht belegt. 49 d rfft … sagen] hätte es dir besser vorher sagen sollen. 50 Wer … viel wagen] Sprichwörtlich: ›Um zu gewinnen, muss man etwas wagen und einsetzen‹; vgl. TPMA wagen  17f. 55 zu Sanct Frumholt mich geloben] Wohl metaphorisch für: fromm werden. Die Phrase ist sonst nur belegt in Waldis’ Streitschrift Wie der Lycaon von Wolffenbuttel itz newlich in einen Mensch vorwandelt ist, V. 126 (Koldewey, S. 20). 57–61 Jch wolt … verschwern] Zum Fleischverzicht vgl. auch IV  1,165–174, sowie IV  2,93–123. 61 verschwern] abschwören. 62 mich … des kummers nehrn] mich mein Lebtag ärmlich ernähren. 63 Carthauß] Klause. 66 Des wolt … erwegen] dazu wollte ich mich auch entschließen. 68 on als gefehr] ganz zufällig. 71 ins raume] ins Freie. 75f. Der Luther sagt … Visipatenten] Häufiger als Visipatenten ist ›Visimatenten‹ (›listige Ausflüchte‹) belegt; vgl. DWb 26, Sp. 374f. Die Herkunft beider Wörter und ihr Verhältnis zueinander sind nicht geklärt; Röhrich, S. 453, führt Visipatenten auf Offizierspatente (visae patentes) zurück, Sandvoss, S.  132f., auf Empfehlungsschreiben generell, die ungerechtfertigt großen Eindruck machen. Bei Luther konnten beide Wörter nicht nachgewiesen werden. 79 haussen] wüten; vgl. DWb  10, Sp.  659f., mit diesem Beleg. 83f. Ja die … aller letsten] Vgl. Mt 19,30. 88 von Sanct Jacob] Zum Jakobsweg siehe zu IV  1,105. 92 effen] täuschen. Sprichwörtlich: ›Gott kann man nicht belügen (betrügen)‹, vgl. TPMA Gott 108d–112 und TPMA lügen 278–284, überwiegend mit mittelhochdeutschen Belegen. 93 globen zu viel guten wercken] geloben, viele gute Werke vollbringen zu wollen; vgl. DWb 5, Sp.  3047. 94 dunckel] Verblendung. 95 feyhl] Fehler. 99 schleht] schlägt. 101 Wandern … wegen] Möglicherweise eine Verquickung von Ps  23,4 und

Kommentar zu IV 4

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Ps  35,6 bzw. Ps  73,18; der schlüpfrige Weg ist der unsichere, auf dem man – auch im übertragenen Sinne – zu Fall kommen kann. 102 alten schalck auß fegen] Die Phrase spielt wohl auf die christliche Vorstellung vom ›alten Adam‹ an, d.h. auf das sündige Erbe, das der Mensch in sich überwinden muss. Das Bild geht zurück auf das Paulus-Wort vom ›alten Menschen‹ (Röm 6,6; Eph 4,22; Kol 3,9); vgl. zu IV 24,46. 104 fristen] retten. 107 Sing nit … Cras] Sprichwörtlich: ››Morgen, morgen‹ ist der Ruf der Krähe‹; vgl. TPMA morgen 95–97; Brant, Narrenschiff 31 (Holschnitt, Motto und V. 7); ausführlich Uwe Ruberg, Signifikative Vogelrufe: Ain rapp singt all zeit ›cras cras cras‹, in: Naturkunde und allegorische Naturdeutung vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit, hg. von Wolfgang Harms und Heimo Reinitzer, Frankfurt/M.  1981 (Mikrokosmos  7), S. 183–204. 111f. der zehen angeloben … zugeben haben] zehn Dinge geloben, von denen sie nicht eines einlösen. 113 gemeyne wesen] allgemeine Beschaffenheit. 115–118 Cacademon … vt antea fuit] Lat.: Der Teufel erkrankte, da wollte er Mönch werden; doch als er schließlich wieder genas, blieb er, wie er vorher war. Sprichwörtlich: ›Wenn der Teufel gesund ist, kehrt er zu seiner alten Art zurück‹; vgl. TPMA Teufel 100–103, deutsche Übersetzungen ebd. 104–106. Literatur Lieb, S. 162, 165, 205f.

IV 4 Vom Gardian/ vnd einem Lotterbuben. Vorlage Eine Vorlage für diese Erzählung ist nicht bekannt. Allerdings scheinen hier zwei Erzählungen, die bei Pauli unmittelbar aufeinander folgen, kontaminiert zu sein: ›Der Student aus dem Paradies (Paris)‹ (ATU 1540; Pauli 463) und ›Alle Mönche sind in der Hölle‹ (ATU 1738; Pauli 464). Stellenkommentar Ü Vom Gardian/ vnd einem Lotterbuben] Vom Guardian und einem Spielmann. ›Guardian‹ ist die Bezeichnung für den Oberen eines franziskanischen Konvents; vgl. hierzu und zu den folgenden Details aus der Ordensgeschichte Heribert Holzapfel, Handbuch der Geschichte des Franziskanerordens, Freiburg/Br. u.a.  1909. 3 ein Burger hieß der strauß] Möglicherweise ist der Reformator Jakob Strauß (um  1480/1485 in Basel–gegen  1533) gemeint, der  1516 in Freiburg/Br. Philosophie lehrte und in Theologie promoviert wurde. 5 Vniuersitet] Die Freiburger Universität wurde  1457 gegründet. 7 Johanniter] Angehörige des 1099 in Jerusalem entstandenen Johanniter-Ordens, der sich bereits im 13. Jh. zu einem Ritterorden ausgebildet hatte. 7 Thumbherrn] Domherren, Angehörige eines Domkapitels. 8 Augustiner/ vnd Predigern] Gemeint sind Augustiner-Eremiten und Dominikaner (Prediger), die beiden wichtigsten spätmittelalterlichen Bettelorden neben den Franziskanern, die mit diesen um den Einfluss

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in den Städten konkurrierten (vgl. V. 9f.). 10 erst warn Reformiert] Gemeint ist wohl die Ordensreform von 1517, vgl. zu III 100,11. 11 Pater Beraldus Gardian] Ein Guardian namens Beraldus (oder Berard) aus dem Kloster St. Martin, dem einzigen Konvent der Franziskaner in Freiburg/Br., konnte nicht nachgewiesen werden. 13 hoch auff br)sten] heftig prahlen; vgl. DWb 1, Sp. 631, mit diesem Beleg. 14 Macht das die leut] das kam daher, dass es die Leute. 15f. Das Euangeli … jetzt offenbar] Durch Luthers Übersetzung wurde der Bibeltext auch den des Lateins Unkundigen direkt zugänglich. Der Jahresangabe 1523 nach (vgl. V. 64f.) wäre hier auf die Übertragung des Neuen Testaments (1522 erschienen) angespielt. 20 ein Freiet nein] ein Gaukler herein. 22 Lotterholtz] Holz, das die Gaukler bei ihren Sprüchen in der Hand hielten; vgl. II 75,1f., und DWb 12, Sp. 1213, auch mit diesem Beleg. 27 Fritz] Allerweltsname mit pejorativer Bedeutung, hier als Anrede verwendet; vgl. auch IV 90,63. 27 wann] von wo. 28 deinen Bengel vberzwer] deinen Knüppel quer. 29f. von Paris … auß dem Paradis] Zu Parallelen, möglichen Vorlagen und zur Interpretation dieses Missverständnisses durch den Franziskaner vgl. Lieb, S.  131f. 31 Aleph/ Beth vnd Gimel] Die ersten drei Buchstaben des hebräischen Alphabets bezeichnen in der Gaunersprache die Zahlen von eins bis drei; vgl. Friedrich Ludwig Adolf von Grolman, Wörterbuch der in Teutschland üblichen Spitzbuben-Sprache, in zwei Bänden, die Gauner- und Zigeuner-Sprache enthaltend […], Bd.  1, Gießen  1822. Eine weitergehende Bedeutung der Phrase ist nicht belegt. 34 wunders] Wunderliches. 37 Als] alles. 40 Franciscum vnsern Vatter seligen] Siehe zu III 100,12–15. 41 welchen Chor] Siehe zu III 100,21. 46 mit seinen F)nff wunden] Die Stigmatisationsmale; vgl. zu III 100,138–140. 49 spielt im Bret] Brettspiele spielt. Zu einer ganz analogen Passage in einer ansonsten abweichenden Version des Schwankstoffs vom ›Mann aus dem Paradies‹ vgl. Lieb, S. 132, Anm. 327. 57 hauffet ob einander] haufenweise übereinander. 59 Raspeln] scharren zusammen. 64–72 Jch hab … Capitel General] 1523 fand im nordspanischen Burgos ein Generalkapitel (Capitel General, V.  72; vgl. zu III  100,17) des Franziskanerordens statt; zu dessen Ablauf vgl. Francisco Víctor Sánchez Gil OFM, El ›Calendarium Romanum‹ del capítulo general OFM de Burgos de 1523. Notas y edición, in: Archivum franciscanum historicum 98 (2005), S. 717–767, hier S. 721–726, sowie Michael Angelus à Neapoli, Chronologia historico-legalis seraphici ordinis fratrum minorum Sancti Patris Francisci. Bd. 1, Neapel 1650, S. 252–254. 71 Prouintzen] Bereits 1217 teilte Franziskus die christlichen Länder zu Missionstätigkeiten in Ordensprovinzen ein, die sich allmählich zu Verwaltungseinheiten verfestigten. 73 Als sie daselb] wie sie dort. 74 Minister] ›Minister generalis‹ war der Titel des Oberhaupts über den gesamten Orden (Ordensgeneral). 74 kiesen] wählen. 75–77 Frater Franciscum Angelis … Blutshalb gewandt] Francisco (de Angelis) Quiñones (um 1475–1540) war mütterlicherseits weitläufig mit Karl V. verwandt (die Drucke EF haben verwandt). Er wurde 1523 auf dem Generalkapitel von Burgos zum Generalminister des Franziskanerordens gewählt; vgl. J. Ignacio Tellechea Idígoras und F. Víctor Sánchez Gil, Testamento del cardenal Quiñones protector de la orden franciscana (OFM) y gobernador de Veroli († 1540), in:

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Archivum franciscanum historicum  96 (2003), S.  129–159, hier S.  134–137. 77–79 beim Bapst verschaff … Luterisch Ketzerey] er solle beim Papst einen allgemeinen Erlass und ein hartes Vorgehen gegen die Lutherische Ketzerei bewirken. Der Vorwurf, Roms gegenreformatorische Maßnahmen gingen auf Quiñones’ Initiative zurück, konnte nicht verifiziert werden. Die Bannandrohungsbulle gegen Luther Exsurge Domine und die tatsächliche Bannbulle Decet Romanum Pontificem wurden bereits von Papst Leo X. am  15.6.1520 bzw. 3.1.1521 erlassen; dem folgte auf dem Reichstag zu Worms das Wormser Edikt (8.5.1521; abgedruckt in: Quellen zur Reformation  1517–1555, hg. von Ruth Kastner, Darmstadt 1994 [Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 16], S. 50–60), wodurch Luther und seine Anhänger mit der Reichsacht belegt und alle lutherischen Schriften zur Vernichtung freigegeben wurden.  1523 aber war bereits Clemens VII. Papst. Unklar bleibt bei Waldis auch, ob Quiñones’ Wahl oder seine angeblichen gegenreformatorischen Aktivitäten mit seinen Verwandtschaftsverhältnissen begründet werden. Belegt ist, dass Quiñones nach seiner Zeit als Ordensgeneral zwischen Kaiser und Papst zu vermitteln hatte; vgl. Juan Meseguer Fernández O.F.M., Breves de Clemente VII en favor de la provincia de S. Pedro in Montorio y de su confesor Juan Antonio Tomas de Locarno OFM, in: Archivum franciscanum historicum 44 (1951), S. 161–190, hier S. 165f. 81 Ablaß] Hier sind Ablassprivilegien gemeint, d.h. das Recht, gegen Gelder Ablass (vgl. zu II 75,36) zu spenden. Sie wurden von der Kirche verliehen und stellten dem Begünstigten erhebliche finanzielle Mittel bereit. 81 Jndulgentz] Die lateinische Entsprechung zu ›Ablass‹; ein kirchenrechtlicher Unterschied besteht nicht. 82 Reuerentz] Ehrerbietung. 83 General] Ordensgeneral; Waldis’ Differenzierung zwischen Minister (V.  74) und General hat keine ordenspolitische Relevanz. 84f. zu eim Cardinal … h chsten Prelaten] Da der Papst seine Unterstützung für politische Legationen benötigte, wurde Quiñones (auf eigenen Wunsch)  1527 seines Amtes enthoben und dann  1528 zum Kardinal ernannt; vgl. Tellechea Idígoras und Sánchez Gil (wie zu V.  75–77). ›Prälat‹ (Inhaber höchster Weisungsbefugnisse in der Ordensstruktur) ist hier wohl als Ergänzung zu verstehen. 86 Ducaten] Der Dukat war eine zunächst in Südosteuropa und im Orient weit verbreitete Goldmünze, die seit dem  16. Jh. den Gulden in ganz Europa verdrängte. Ihren Namen hat sie wohl vom letzten Wort (ducatus) ihrer ursprünglichen Inschrift; siehe zu I  27,19. 88 Christopherus … von Ara Celi] Christophorus Numai da Forlí (Foroliuio) wurde 1517 – nur knapp einen Monat nach seiner Wahl zum Ordensgeneral der franziskanischen Observanten – zum Kardinal ernannt. Gerüchten zufolge habe er den Papst mit 30.000 Dukaten bestochen (vgl. Paola Zambelli, Pico, la Cabala e l’Osservanza francescana. Un inedito commento alle ›Tesi‹ di Pico scampato al Sacco di Roma, in: Archivio storico Italiano 152 [1994], S. 735–766, hier S. 746), andere Quellen sprechen von 80.000 Dukaten; vgl. Das Chronikon des Konrad Pellikan, hg. von Bernhard Riggenbach, Basel 1877, S. 74. – S. Maria in Aracoeli, die Hauptkirche der Franziskaner in Rom, war zugleich Sitz des Ordensgenerals. 90 gesungen Eli] Die Wendung dürfte zurückgehen auf eines der letzten Worte Christi am Kreuz

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(Mt 27,46: ELI / ELI / L AMA ASABTHANI? DAS IST/ MEIN GOTT/ MEIN GOTT/ WARUMB HASTU MICH VERLASSEN?) und soviel heißen wie ›sterben‹, ›aufgeben‹. Vgl. Luther, Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und Sakrament: Wolan ich will den propheten hiemit auch Eli singen und heyligen abent [etwa: ›Feierabend‹] geben (WA 18, S. 211, Z. 1f.). – Numai da Forlí starb am 23.3.1528 an den Folgen von Misshandlungen durch Landsknechte beim Sacco di Roma; vgl. Zambelli (wie zu V. 88), S. 748–751. 91 Auff das] Der Nebensatz schließt an Vers  85 an. 93 wie mich … ansicht] wie mir jetzt die Sache vorkommt. 94 Wirdt er … hingericht] wird er (wohl: der Orden; so auch DWb 10, Sp. 1465) in nächster Zeit auch zugrunde gerichtet. 96 Basiliscus] Mischwesen mit Schlangenleib und dem Oberkörper eines Hahns; Atem und Blick des Basilisken galten als tödlich. 97 baß] besser. 98 Sein Schaf … bracht] Unklar, vielleicht: brachte seine Schafe in Gedanken wieder zusammen, ging seine Schafe in Gedanken noch einmal durch. 99f. nit weiß … schier eins] von zweien kommt mir nicht eines weiß vor. Wohl mit Bezug auf die Schafe (V. 98) und in Anspielung an das Wort vom ›schwarzen Schaf‹ gesprochen. 101 Jch het … vermessen] ich habe mich zu sehr einer vermessenen Einschätzung hingegeben. 103 drey hundert Jar] Franziskus starb 1226. 105f. Jn all der zeit … kommen] Vgl. Alberus, Der Barfuser M)nche Eulenspiegel, Bl. O iijvf. (Nr.  411): Dort berichtet ein aus dem Paradies Zurückkehrender, dass von 5.000 Franziskanern nur einer ins Paradies und drei immerhin ins Fegefeuer gelangt seien. 110 schieben solche Kegel] Wohl metaphorisch: ein solches Spiel spielen. 111 digniteten] (kirchlichen) Würden. 112 Mit breiten roten H)ten] Der Kardinalshut oder Galero ist ein flacher, roter Hut mit breiter Krempe und seitlich je fünfzehn Quasten. 112 prachten] protzen. 113 geitz] Habgier. 115f. Drumb m)ssens … fahrn] Anspielung auf ein Sprichwort, wonach Mönche nie alleine gehen; vgl. TPMA Mönch 59f. und IV 69,27f. 115 bey parn] paarweise. 119 Damit sein vorwitz trieben ein] Wohl: damit war sein Fürwitz in die Schranken gewiesen. Die syntaktische Konstruktion ist unklar. Zu ›eintreiben‹ vgl. DWb 3, Sp. 328. Semantisch scheint das Alinea-Zeichen erst vor den Folgevers zu gehören. 121 preisen] halten; vgl. zu II  11,114. 124 f)r] vor. 125 bedauben] verblenden. 127 als] alles. 131 auß vermessenheyt] Indem Waldis Franziskus’ Taten mit vermessenheyt begründet, macht er ihn der superbia verdächtig. 141 mit vnbescheidenheyt] in Unverständigkeit. Literatur Lieb, S. 129–136, 169.

IV 5 Vonn einem Waldtbruder. Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist nicht neu (vgl. Agricola, Sprichwörter I 717). Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen.

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Stellenkommentar 1–10 MAn lißt … in die Wildtnus gab] Während der Christenverfolgungen im 3. Jh. zogen sich die ersten christlichen Mönche in die Wüsten Ägyptens und des Nahen Ostens zurück und führten ein Leben in Askese. Die Beschreibungen der Leben und die Aussprüche dieser ›Altväter‹ überliefert ein im Umfang schwankendes Sammelwerk unter dem vulgärlateinischen Titel Vitas Patrum. Prosaübertragungen in die Volkssprachen seit dem 14. Jh. erlebten zahlreiche Auflagen. Welche Fassung Waldis kannte, ist nicht zu bestimmen. 1 vor dreyzehn hundert Jaren] Den frühneuzeitlichen Prosa-Vitas zufolge wurde der erste Altvater, der heilige Paulus, um  250 n. Chr. zum Einsiedler; vgl. Der heilgen Altuaterleben Nüw getruckt wie sie ir Heiliges leben volbracht haben. In der ein de was wunderzeichen sie gewircket haben/ auch ire sprüch vnd beyspil so sie vns menschen geben haben z* einer vnderweisung vnd g*ten ler, Straßburg  1516, Bl.  6ra: IN der zyt da Decius der keiser z* Rom [249–251 n. Chr.] reichßnet [regierte] vnd Valerianus [253–260]/ da was die durchechtung also groß vber die heiligen cristenheit/ das sant Cornelius der heilig bapst [251–253]/ vnd sant Ciprianus der heilig bischoff von Carthago [seit  248; starb  258 als Märtyrer] ir heiliges bl*t auch vergussen durch den namen vnsers herren Jesu cristi […]. 5 f)rnehmsten] herausragendsten. 6f. Bracht der Teuffel … Tyranney] Gemeint sind die Christenverfolgungen. In Der heilgen Altuaterleben (wie zu V. 1) werden sie dem Betreiben des Teufels zugeschrieben: […] da gedacht der tüffel das in bescheh lange marter/ ob sie von dem glauben wichen/ oder abtretten […] (Bl. 6r a). 8 Ketzerey] Gemeint sind die Häresiebewegungen des 2. bis 5. Jhs., etwa Gnostizismus oder Arianismus. 12 ein sondern Orden] Vgl. Der heilgen Altuaterleben (wie zu V. 1), Bl. 5v b: […] wann es sein dreierhand münch. Einerlei die in cl stern vnder der regel gehorsam seind. Die andern die sich von der welt in die wüste hond gezogen vnd einig in einer zellen seind. Die dritten heissen Anachorite das seind dy die in den welden seind vnd kein zell haben/ wann das sie vnder den beumen ligt vnd vnder den stauden ir wonung haben/ vnd krut vnd wurtzeln ir speiß ist. Dise dreierhand lüt heissen al münich […]. 14 jn] sich. 15 jr eygen dancken] ihre eigene Vorstellung. 17 seltzam wesen] seltsames Handeln. 18 in Vitis Patrum] Siehe zu Vers 1–10. 19 viel wunder ding] Wohl Anspielung auf die legendarischen Berichte in den Vitas Patrum über Wunderheilungen, wunderbare Speisung durch Vögel oder jahrzehntelanges Fasten. Die Straßburger Ausgabe Der heilgen Altuaterleben (wie zu V. 1) hat eine eigene Abteilung Hie fahent an die wunderzeichen vnd byspil von den heiligen altvettern die sie gewirckt hond […] (Bl. 103r a). 23 jm] bei sich. 26 Sein … jm] seine Pläne schlugen fehl. 27 jm] sich. 28 Daucht … widerspinnig] alle Dinge schienen ihm gegen den Strich zu gehen; die sonst nicht belegte Form (sonst: ›widerspännisch‹, ›widerspänniglich‹; vgl. DWb  29, Sp.  1224) ist wohl dem Reim geschuldet. 30 geben] begeben. 50 außbrach] hervortrieb; vgl. DWb 1, Sp. 835, mit nur diesem Beleg. 57 On all gefehr] ganz zufällig. 62 ich … soll] dir werde ich es zeigen. Redensartlich; vgl. DWb 11, Sp. 1557, mit diesem Beleg. 63 zwar] wahrlich. 70 massen] mäßigen. 72 Dorfft] bräuchte. 75 baß] besser. 82 gemeynen] übrigen. 87f. Mit Cerimon … zusundern] Mit

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Kommentar zu IV 6

›Zeremonie‹ (Cerimon) werden zwar auch die rituellen Handlungen beim Gottesdienst bezeichnet, hier aber dürfte die negative Konnotation einer willkürlichen Inszenierung überwiegen. Ebenso wiederholt zusundern wohl nicht nur den Gedanken der Weltabkehr (vgl. V.  82), sondern lässt auch ›sich herausheben‹ mitschwingen. 89 Es … nicht] darauf kommt es aber nicht an. 91 Halt … Landt] Vgl. Ps 37,3. 94 geit] gibt. 96 hingericht] in Ordnung gebracht; vgl. DWb 10, Sp. 1465, mit diesem Beleg. 99f. Werd erst … splitter] Sprichwörtlich; siehe zu I 88,13f. Der schon bei Luther belegte Ausdruck ›an jemandem zum Ritter werden‹ meint etwa: sich als tüchtig erweisen; vgl. DWb  14, Sp.  1054f. 102 schlecht] richtig.

IV 6 Von einem verwundten Landtsknecht. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 1f. ZVr zeit … Venetian] Kaiser Maximilian I. (1493–1519) kämpfte 1508–1509 zuerst alleine und erfolglos, dann in der Liga von Cambrai (gegr.  10.12.1508) an der Seite Frankreichs, Spaniens und weiterer europäischer Mächte gegen die Republik Venedig. In der ersten Phase des Krieges gegen die Liga verlor Venedig beinahe alle Herrschaftsbereiche auf dem Festland, die es während einer hundertjährigen Expansionspolitik erobert hatte, konnte dann aber wichtige Städte wieder zurückgewinnen. 4 Foriaul] Friaul. 7 wildes Kindt] ungezogene Söhne (vgl. V. 10). 8 gemeynlich] häufig. 9 zamen] zusammen. 10 Vatter Mutter … w llen] Möglicherweise Anspielung auf das vierte Gebot (siehe zu III 39,39). 13f. den schwartzen T)rck … von Offenburg] Ein Landsknecht dieses Namens konnte nicht nachgewiesen werden. 15 wunder nassen bossen] Etwa: unglaublichen Trunkenbold; vgl. DWb 13, S. 422f. Vgl. auch zu III 87,12. 16 sturm] Sturmangriff. 20 Kesten baum] Kastanienbaum. 22 auß geschloffen] ausgeschlafen. 24 Het … gepflagen] hatte solches sein Lebtag nicht oft getan. 25 Hans] Siehe zu I  55,51. 32 zwar] wirklich. 42 verr)chten] sorglosen. 43f. Wie einr … beschert] Sprichwörtlich: ›Dem Leben entspricht der Tod‹; vgl. TPMA Leben  255f., sowie TPMA Leben  4.1.2. 45 hack] Haken. 45f. Man sagt … Erden] Sprichwörtlich: ›Früh krümmt sich, was ein Haken werden will‹; vgl. TPMA Haken  21–24. 46 bey der Erden] zur Erde nieder. 47 vbergeben] übermütig. 53 Leit] liegt. 53 bschicken] einrichten. 55 das weiß am zweg] das Weiße am Nagel (der die Schießscheibe in der Mitte befestigt). 61 Das] dass sie. 63 betagt] alt wird. 63–65 Denn die weiß … Wein] Vgl. Horaz, Epistulae I 2,69f. Sprichwörtlich: ›Das Fass schmeckt nach dem ersten Wein‹; vgl. TPMA Gefäß 185–192. 65–67 Wein … ein … Rhein] Dreireim; siehe zu I 10,19–21. 66f. Was in der jugent … Rhein] Redensartlich; siehe zu II 22,59f.

Kommentar zu IV 7

IV 7 Vom Fuchß/ vnd Affen.

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Vorlage Die Fabel besitzt keine breite literarische Tradition. Waldis sehr nahe steht eine Episode im Reinke de vos (V. 5855–6096). Strukturell und inhaltlich ähnlich ist auch IV 75. Stellenkommentar Ü Die Fabel wurde bereits  1543 zusammen mit der Historien von zweyen Mewssen gedruckt (Abdruck siehe unten, S. 389–392). 2 newe mer] Neuigkeiten. 3 Aff] Affenmutter. 5 halten Sechswochen] Gemeint ist die Wiedereinführung der Wöchnerin in die Kirchengemeinde 40 Tage nach der Niederkunft, mit Kirchgang und anschließender Bewirtung. 6 Guattern] Gevattern; gemeint sind die Taufpaten des Affenkinds. 8 Caponen] Masthähne. 14–16 kein Braten … ein wenig treufft] Variation eines nur bei Luther belegten Sprichworts: Es mus ein mager brate sein dar nichts von ab tropfen (WA 51, S. 653, Nr. 238); vgl. auch TPMA Braten 3. und 4. 15 schilling] Geringwertige, im 16. Jh. weit verbreitete Silbermünze; vgl. Schrötter, S. 597–602. Siehe zu I 27,19. 16 treufft] (Fett) herabtropft. Mageres Fleisch galt in Mittelalter und Früher Neuzeit als minderwertig; vgl. auch zu III 93,49. 21 Mumm] Muhme (Tante). 23 necht] gestern. 33 zwar] wirklich. 37 leben sie die zeit] bleiben sie am Leben. 39 des Himmels laufft] den Stand der Gestirne. 40 zeychen] Sternzeichen. 43 zur selben fahrt] darüber. 44 Reynhart] Name des Fuchses in der Tierepik; siehe zu I 59,28. 49–51 Wie da der Esel … noch straffen] Vielleicht eine Anspielung auf eine andere Fabel, die aber ins Leere läuft; ein Fabelstoff mit den genannten Akteuren konnte nicht nachgewiesen werden. 50 nit einst … kommen] nicht ein einziges Mal zu mir gekommen sind. 52f. dem alten Affen … Heydelberg] Der ›Affe von Heidelberg‹ (im Druck von 1543 nicht erwähnt) war eine steinerne Brückenfigur, deren Nachbildung noch heute an der ›Alten Brücke‹ in Heidelberg zu sehen ist. Bei Brant, Narrenschiff 60,23f., wird er mit Selbstgefälligkeit und Eitelkeit in Zusammenhang gebracht. Vgl. Janson, S. 210; Sandvoss, S.  116f. 53 her br cht] Speisen heranbringe. 54 Ohmen] Onkel (vgl. V.  21). 55 Galret] Sülze. 58 Er] der Fuchs. 58 geb/ das vergelten muß] geb ist wohl zu verstehen als eine aus der Verkürzung von ›Gott gebe‹ (vgl. auch V. 64) entwickelte Partikel. Der genaue Sinn der Phrase ist aber unklar; in DWb 4, Sp. 1708– 1710, wird sie als ein ›Vergelt’s Gott‹ verstanden. 59 auß milder gab] freigebig. 61 balck] Bauch. 63 vrlaub] Abschied. 64 Geb] Formelhaft für: Gott gebe. 65 Zohe] zog. 67 Eisengrimm] Name des Wolfes in der Tierepik; siehe zu I 59,28. 69 am guten ort gewesen] Wohl: gerade am rechten Ort gewesen. Bei Luther findet sich die Formulierung die sach […], die zu der tzeyt an eynem gutten ort war (WA 7, Z. 38–S. 8, Z. 1), offenbar im Sinne von ›sich in einem guten Zustand befand‹. 74 begabt] beschenkt. 79 dar] dorthin. 79 m cht] könnte. 84 weydlich] tüchtig. 90 zamen] zusammen. 91 nein] herein. 94 vor] für. 95 on gfehr] unversehens. 100 Zum scheutzel] als Vogelscheuche. 101 Vor … vngefellig] widerwärtiger als alle Tiere. 102 schellig] wütend. 103–106 The-

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Kommentar zu IV 8

ten sich … zerrissen] Eine ähnliche Formulierung der vergleichbaren Situation findet sich in IV 75,103–106. 103 Theten … ermannen] griffen den Wolf an. 104 jn … zannen] fletschten wild die Zähne gegen ihn. 105 zubissen] zerbissen. 110 Des … versehen nicht] das hatte ich nicht erwartet. 111 den Mantel … gehenckt] Redensartlich: ›Den Mantel (Hut) nach dem Wind hängen, kehren‹; vgl. TPMA Wind 182–224; Röhrich, S. 997f.; Alberus, Fabeln 23,153. 112 baß geschenckt] besser eingeschenkt. 114 mags vmb sehen] Wohl: mag es aussehen wie es will. Vgl. IV 3,27; IV 73,75. 117–134 Bey … rechenschafft geben] Im Vergleich zum Druck von  1543 (siehe unten, S.  389–392) ist das Morale gekürzt. 118 frummen] anständigen. 123 angezeygt] derjenige bezeichnet, der. 124 Den Steyn … tregt] Redensartlich: ›Auf beiden Achseln tragen‹; vgl. TPMA Schulter 5–21; Röhrich, S. 1416. Agricola, Sprichwörter II 112, erläutert: Den Baum auf baiden achseln tragen. Ist untrew und falsch sein/ h ren wider wertige sachen/ unnd aim yeden beyfal geben/ billichen ains yeden sache/ unnd hencken die leütte in ainander (S. 82, Z. 6–9). Vgl. IV 75,151. 125 Zu gleich … vnd wenden] Vgl. Agricola, Sprichwörter II 84: Schleiffen und wenden. | Das ist liegen/ triegen/ und verschlahen […] Dann schleiffen und wenden/ wil für sich ain yetlichs/ ainen aignen menchen han/ Zum schleiffen geh rn zw* hende/ Deßgleichen zum wenden (S. 70, Z. 21–26). 127f. Den nennt man … kan] Eine ähnliche Sentenz II 95,25f. 130 scherpffest] Schärfste. 132 helt … Th)r] steht ihm bevor. 133f. Wie einr … geben] Vgl. Röm 14,12. Literatur Lieb, S. 161–163, 165, 188f., 191, 198; Mohr, S. 62f.

IV 8 Vom Wolffe/ vnnd Fuchß.

DG 223

Vorlage Der Stoff (›Das Brunnenabenteuer‹) ist weit verbreitet. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 3 Sp t auff den abent] Die für die Gattung ungewöhnliche Angabe der Tageszeit (auch V. 25, 27, 50), in der die Handlung spielt, ist hier notwendig, um das Geschehen plausibel zu machen (V. 39ff.). 5 sawr ansach] böse ansah. 7 offt vnd dick] sehr oft. 8 Fuchßschwentzen] betrügerischen Schmeicheln; siehe zu I 11,7. 12 auff dem Zaun … weisen] Bildhaft für: ›auf einen unsicheren Lohn verweisen‹. Als Redensart nicht belegt; wohl abgeleitet vom Sprichtwort ›Ein Sperling in der Hand ist besser als eine Gans auf dem Dach‹ (vgl. TPMA Sperling 8–16). Vgl. WA  11, S.  46, Z.  4f.: man spricht ›es ist ein sperling besser in der hand den ein ganß auff dem zaun‹. Röhrich zitiert die Redensart ›Einem die Vögel auf dem Dache weisen‹ (S. 1680), führt jedoch ebenso wie Wander (Bd. 4, Sp. 1668) keine Belege an. 14–18 Brengst mich … nie vergessen hab] Anspielung auf

Kommentar zu IV 8

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IV 7,71–108. Mit dem Rückverweis wird die folgende List des Fuchses in für die Tradition untypischer Weise (vgl. DG 223) motiviert. Zugleich wird zwischen beiden Fabeln ein narrativer Zusammenhang hergestellt, der die Identität einzelner Tiere in unterschiedlichen Handlungszusammenhängen suggeriert. 17 weydlich kerten ab] übel mitspielten. 19 fahr schon] beruhige dich; siehe zu II  33,37. 22 Man jagt … all tag] Variation eines Sprichworts; vgl. TPMA jagen 9–14a: ›Es ist alle Tage Jagdtag (, aber nicht immer Fangtag)‹. 24 all … ergetzen] jeden Schaden vergüten. 28 greiß] grau. 34 Dabey … gedencken] und dafür denkt Ihr demnächst freundlich an mich. 38 zamen] zusammen. 42 f)rlieg] etwas vorlüge. 46 m chtst … des] könntest du ihn nur bekommen. 50 kauff] Handel. 55 Am Keß … nit han] ich kann den Käse allein nicht festhalten. 57 g)lt] kostet. 57 Carlin] Italienische Münze; vgl. zu II  75,29. 69 mir … geh rn] jetzt darin auf mich hören. 74 jn vberwug] übertraf ihn an Gewicht. 76 kumpst … auff das Stro] Redensartlich im Sinne von: ›von einer unangenehmen Situation in eine noch unangenehmere geraten‹; vgl. Röhrich, S. 1006f. 78 So geht … auff vnd nider] Versidentisch mit IV 57,62. Die von Waldis oft thematisierte Unbeständigkeit des Glücks (zum Bild des Glücksrads vgl. zu I 33,37 und 40) ist hier in den Brunneneimern verbildlicht, deren Auf- und Abstieg sich gegenseitig bedingen. Im Reinke de vos stellt der Fuchs im selben Kontext ebenfalls fest: Alzus gheyt de werlt vp vnde nedder (V.  5804). 79 sch)tt] schüttelte. 81f. Schaw h)t … Luchs] Vgl. Von Reinicken Fuchs IV 2: Sehet Reincken F*chß/ | Jr seid f)rwar ein arger L*chß (Von Reinicken Fuchs. Frankfurt 1544, Faksimileausgabe mit einer Einführung von Hubertus Menke, Heidelberg 1981, Bl. cv b). 81–92 Schaw h)t … vnbeschissen] Das Morale ist unter der Überschrift Ding vor den man sich h)ten soll abgedruckt in Julius Zincgrefs Teutsche Apophthegmata das ist Der Teutschen Scharfsinnige Kluge Sprüche, Bd.  4: Auß allerhand Schrifften/ B)chern/ mittheilung anderer Leute/ t glichen Zumerckungen vnd anh rungen zusammen getragen Durch Joh. Leonhardvm Weidnervm, Amsterdam  1655, S. 347 (unter der Quellenangabe Allerley Reymen der Alten). 82 F)r den] vor denen. 83 Tummerheintz] In DWb mit ›Dummkopf‹ erklärt (DWb 2, Sp. 1519, mit Bezug auf diese Stelle), was aber zum Kontext nicht passt, denn der ›Dummerheinz‹ tritt hier ja als Betrüger auf. Möglicherweise ist er als Inbegriff der Narrheit zu verstehen, der andere zu Narren macht. 84 Verkaufft die Brillen vnd Fuchßschwentz] Sprichwörtlich im Sinne von: ›Lügen für Wahrheiten ausgeben, heucheln‹; vgl. Röhrich, S. 260 und 484, zum Fuchsschwanz siehe zu I 11,7. Zur Brille als Zeichen von Narrheit bzw. Betrügerei vgl. Flugblätter I 44a, 54, 59, 83,  116f., 169f.; II 296. Ein Flugblatt um 1546 (Flugblätter der Reformation und des Bauernkrieges. 50 Blätter aus der Sammlung des Schloßmuseums Gotha, hg. von Hermann Meuche, Katalog von Ingeburg Neumeister, Leipzig 1976, B 47, dazu den Kommentar, Bd. 1, S. 109) zeigt einen Fuchsschwanz- und Brillenverkäufer mit einem Text von Hans Sachs (Der fuechschwenz-kram, in: Sachs, Werke 22, S. 346–348). Der Krämer spricht dort: Fail hab ich fuechschwenz und guet prillen, | Darmit man mag die layen stillen, | Das man sie mit den prillen laich [betrüge] | Und pstreichs mit den fuechschwenzen waich (Z. 5–8). 85f. nit vnbeschmitzet … Kessel reibt] Sprichwörtlich; vgl. TPMA Gefäß 459–464: ›Wenn man sich an

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Kommentar zu IV 9

(alten und schwarzen) Kesseln reibt, wird man dreckig‹. Franck, Sprichwörter, S. 373, Z. 30, stellt das Sprichwort unter dem lateinischen Lemma ANUS BACHATUR. A NUS HIRCISAT (ebd., Z. 25) in den Kontext des (sexuell gierigen) Alters. Vgl. zu III  6,10. 85 vnbeschmitzet] unbeschmutzt. 87–92 Von roten F)chssen … vnbeschissen] Man findet selten jemanden, der – so sehr er sich auch bemüht – von roten Füchsen […] davonkommt, ohne betrogen/beschmutzt worden zu sein. Aufzählungen, die sich mit dieser teilweise überschneiden, sind in einem mittellateinischen (TPMA Nonne 1: Lingua vaginalis, infans et amor monialis Ac ovum molle defoedant quemlibet orbe) und einem niederländischen Sprichwort (TPMA Nonne  9: Nonnen minne, beghinen tonghe, Morwe eyere, kinder jonghe, Dese viere sekerlike Besciten meneghen op eertrike) belegt. 88 Vetteln vngestalt] Abfällig: hässliche Weiber. Literatur Lieb, S. 161–163, 165, 169, 176, 189, 196–198.

IV 9 Wie einn Bawer zur Beicht gieng. Vorlage Eine Vorlage für diese Erzählung ist nicht bekannt. Auf den gleichen Wortwitz, wie ihn der Bauer vorbringt, steuert bei anderer Figurenkonstellation Bebels Fazetie II 115 (De alio [sacerdote]) zu. Stellenkommentar 3 Absoluieren] von seinen Sünden lossprechen. 4 Wolt … beleren] wollte dazu den Rat des Bischofs einholen. 6 Dispensation] Dispensation ist im katholischen Kirchenrecht die Freisprechung von einem kirchlichem Gesetz; hier könnte eher die Dispensationsgewalt (die ausdrücklich verliehen werden muss) gemeint sein: Nach der Argumentation des Bauern habe der Pastor diese aus Rom erhalten und sei damit nicht mehr an die Abwägungen des ihm vorgesetzten Bischoff gebunden. Eine Verwendung des Wortes im Sinne von ›Ablassbrief‹, wie sie hier Sinn ergeben würde, ist nicht belegt. 8 wo … fromb] bei meiner Ehre; vgl. die von Waldis häufiger gebrauchte Formel ›wo ich bin bider‹ (siehe zu I 9,52). 10 Ein halb … Oues] 30 gute Schafe (vgl. V. 13); die Mengenangabe ›Schock‹ entspricht  60 Stück. 17 Meyer] Verwalter. 19 begabt] beschenkt. 25 nicht Oua/ sondern Oues] nicht Eier (von lat. ovum: ›Ei‹), sondern Schafe (von lat. ovis: ›Schaf‹). 27f. inter ves … magna] zwischen ves und va besteht kein großer Unterschied. Der Wortwitz ist nicht singulär; vgl. Stiefel, Esopus, S.  492. 32 Schmer] Fett. 33f. Mit der maß … vergessen] Siehe zu I 27,45f. Literatur Kipf, S. 494; Stiefel, Esopus, S. 492.

Kommentar zu IV 10

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IV 10 Vonn einem Edelman. Vorlage Eine Vorlage für diese Erzählung ist nicht bekannt. Stellenkommentar 1–5 JM zwey … Hessen] Die Stadt Neuss wurde vom 29.7.1474 bis zum 5.6.1475 (nicht aber 1472) von Karl dem Kühnen, Herzog von Burgund, belagert, den der Kölner Erzbischof Ruprecht von der Pfalz zum Erbvogt der Kölner Stiftslande bestellt hatte. Der vom Domkapitel des Stifts Neuss zum Stiftsverweser berufene Hermann von Hessen verteidigte die Stadt gegen die zahlenmäßig weit überlegenen Belagerer, bis ein Entsatzheer unter Führung Kaiser Friedrichs III. anrückte. 4 stundt] trachtete. 5 Erhielts] bewahrte es. 6 das mal] damals. 9–11 wie man sagt … hauffen kleyn] Sprichwörtlicher Gebrauch ist nur mit einer PetrarcaStelle belegt; vgl. TPMA Haufen 8: Nullus tantus est acervus, qui non assidue detrahendo decrescrere et in nihilum verti queat. 12 vor] für. 17 gundt … fellen] tötete diese Kuh schließlich. 19 vertußt] vertuscht. 27 zwar] freilich; ebenso in Vers 31. 29 der hunger … schwerdt] Sprichwörtlich: ›Hunger ist ein scharfes Schwert‹, im Frühneuhochdeutschen nur bei Franck belegt; vgl. TPMA Hunger 27. 31 was] war. 32 andt] weh. 38 h flich] geschickt. 40 notturfft] Notlage. 47 den kummer b)ß] der Sorge abhelfe. 48 Der hunger … s)ß] Sprichwörtlich: ›Hunger macht auch rohe Bohnen süß‹; vgl. TPMA Hunger 159f.

IV 11 Wie ein junge Fraw beichtet. Vorlage Der Stoff ist nicht neu (vgl. Stiefel und Kipf), eine bestimmte Vorlage ließ sich jedoch nicht nachweisen. Stellenkommentar 5 Denn] dann. 6 tasten] Gemeint ist wohl: sich vorwärts tasten. Kurz erklärt daher »gehen«; dem folgt DWb 21, Sp. 156, mit Bezug auf diese Stelle. 8 vielleicht] etwa auch. 17 Verkapt … verstellt] mit einer Kapuze bedeckt und vermummt. Die drei Verben sind weitgehend synonym gebraucht. 19 prickt] sticht. 20 das wer] dass es wäre. 24 Mum/ Mum] Als typischer Brummlaut von Schreckgestalten belegt; vgl. DWb  12, Sp.  2660. 31f. Frawen list … ist] Vgl. Sachs, Werke 6, S. 126, Z. 28: Grundtloß so ist der frawen list; zur Frauenlist zahlreiche Sprichwörter in TPMA. 35–40 Von den Eltern … lert] Vgl. Prov 19,14. Sprichwörtlich: ›Die (gute, treue und kluge) Frau ist eine Gabe Gottes (an den Mann)‹; vgl. TPMA Frau 862–870. Agricola, Sprichwörter I 36, paraphrasiert das Bibelwort ähnlich wie Waldis und führt als Marginalie Prov 31,10 an (abgewandelt): Probam mulierem quis inveniet? Ea praestat gemmis (S. 36, zu Z. 20f.). 37 frommes] anständiges. 38 vor] für.

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Kommentar zu IV 12

Literatur Kipf, S. 493f.; Stiefel, Esopus, S. 488.

IV 12 Vom Landtsknecht/ vnd einer Kuh.

Tubach 1304

Vorlage Agricola, Sprichwörter II  483. Der Predigtschriftsteller Johannes Herolt führt die Geschichte als Exempel in seinem Sermon  104 De his qui acquirunt res iniustas auf, in dem für gewaltsamen Raub die schlimmsten Höllenqualen angedroht werden (Sermones discipuli de tempore et sanctis, Köln 1510, Bl. S 1v b). Stellenkommentar 5 zuschawen] umherblicken. 10 schlug fest zu] vernagelte fest den Zugang. 12 Auff guten berat] Uneindeutig: ›auf gut Glück‹ oder ›um gute Beute zu machen‹; vgl. FWB 3, Sp. 1339f. 13 Begundt … zu hausen] begann, die Frau zu misshandeln; vgl. DWb  10, Sp.  660, mit diesem Beleg. 14 mausen] stehlen; vgl. zu II 79,21. 16 Jm kurtzen kasten lange Spieß] Röhrich, S. 1503f., kennt die Redensart ›einen (langen) Spieß haben‹ für ›(viel) Geld besitzen‹, nennt aber keine Belege. Sanders, S. 191, impliziert, dass die Spieß metonymisch für großzügig ausgemessene Tuchwaren stehen könnten. Nach DWb  16, Sp.  2441 (mit Bezug auf diese Stelle), seien echte Spieße gemeint, die möglicherweise nur einen Vorwand zur Suche lieferten. In jedem Fall signalisiert die Opposition ›kurz‹ – ›lang‹, dass der Landsknecht dort sucht, wo nichts zu holen ist. 18 auff gereumt] beiseite geschafft. 20 zohs] zog sie. 22 greyn] weinte. 26 fudrung] Unterhalt. 32 Gschlagen wardt] erschlagen wurde. 35f. wardt losiert … jm] wurde bei ihm einquartiert. 36 Mores lert] Redensartlich; siehe zu I  33,13. 44 eynige] einzige. 48 Des Teuffels nam] in Teufels Namen. 49 on schuldt] ohne Grund. Literatur Ernst Martens, Entstehungsgeschichte von Burkard Waldis Esop, Göttingen 1907, S. 79.

IV 13 Vom Schiffman/ vnd einem Diebe. Vorlage [Camerarius, Fabulae, Appendix, Bl. 11af. (Nr. 328)] Tempestas in mari. Orta in mari tempestate atroce omnibusque aliis metu trepidantibus unus inter illos solus omnium nullam dare significationem timoris ac potius magnam prae se ferre confidentiam. Cui alius quidam: »Quaenam reste«, inquit, »aut spes, tam securum in maximo discrimine praestare potest?« Tum hic: »Nihil enim periculi est«, inquit. »Nihilne«, inquit

Kommentar zu IV 14

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alter, »iam paene fracta navi?« »Mihi quidem«, inquit ille, »cuius corpus non piscibus, sed avibus pabulum praebere debet.« Fabula docet divinitus reservari ad sua supplicia malos.

Stellenkommentar 1–3 da ich zu L)beck war … zufahrn] Lübeck war bis ins 17. Jh. hinein die führende Stadt der deutschen Hanse; wichtige Station im Lübecker Ost-West-Handel war das ebenfalls zur Hanse gehörige livländische Riga. Vgl. grundlegend Walther Vogel, Geschichte der deutschen Seeschiffahrt, Berlin  1915 (Nachdruck Berlin – New York  1973). 5 b sen] beschwerlichen. 7 Bedinget … Crauel] mietete mich auf einem Handelsschiff ein; vgl. FWB 3, Sp. 417, mit diesem Beleg. 11 gmeynen] allgemein bekannten. 11–14 im gmeynen sprichwort … wider drauß] Als Sprichwort sonst nicht nachgewiesen. 13 manchen … zu hauß] Gemeint ist wohl gegen die Grammatik: manchem ehrbaren Mann ins Haus. 19 drewet] bedrohte. 22 Sibilit] Wohl: Schiffspfeife (aus lat. sibilus ›Pfiff‹, ›Pfeifen‹); vgl. DWb 16, Sp. 709, mit nur diesem Beleg. 28 abnemen] den Umständen entnehmen. 29 erlegen] erschöpft. 30 des lebens vns erwegen] mit dem Leben abgeschlossen. 32 horcht] gehorchte. 34 ein on als gefehr] ganz zufällig einen. 35 vbergeben] übermütigen. 41 bist vor ein Han] Redensartlich: ›ein Hahn sein‹ im Sinne von ›ein Kerl sein‹, ›frech, unerschrocken sein‹; vgl. DWb 10, Sp. 163. 47–52 Denn ich … nit anderst gelert] Zum Hängen als Diebesstrafe vgl. zu III  5,14. 51f. ernehrt … Dieberey] mit Dieberei ernährt. 54 Wer hangen … nicht] Sprichwörtlich: ›Wer am Galgen hängen soll, kann nicht ertrinken‹; vgl. TPMA ertrinken 10–14. 55 so jrn datum setzen] danach trachten; vgl. FWB 5, Sp. 266. 56 jr Messer wetzen] Redensartlich im Sinne von ›Vorbereitungen treffen‹; vgl. Röhrich, S. 1025. 57 zwifach Riemen schneiden] Röhrich (S.  1244, mit nur diesem Beleg) führt eine Redensart ›Riemen schneiden‹ im Sinne von ›einen Vorteil ziehen‹ an; das zweifache Zerschneiden von Leder zu Riemen (bei dem die einzelnen Riemen zu dünn und damit unbrauchbar zu werden drohen) habe als strafbar gegolten. Zum Bild vgl. auch IV 35,26. 61f. Auff … Ablaß auß] Zu Ablasstagen wurden Märkte eingerichtet; vgl. FWB 1, Sp. 207 und 217. Literatur Stiefel, Quellen, S. 257f.

IV 14 Vom Schultheis/ vnd seinem Pfarrhern.

ATU 1804

Vorlage Eine Vorlage für diese Fabel ist nicht bekannt. Erzählungen mit ähnlicher Struktur und Pointe sind jedoch bereits aus dem Mittelalter überliefert.

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Kommentar zu IV 15

Stellenkommentar Ü Schultheis] Gemeindevorsteher. 1 Lichtenaw] Wahrscheinlich Lichtenau in Ostpreußen, heute Lechowo (Polen). 3 seins … begert] Vgl. das zehnte Gebot (Ex 20,17). 4 er … gewert] ihm sein Begehren nicht erfüllt wurde. 5 rawet] reute. 6–8 Zur zeit … zur Beicht] Seit dem vierten Laterankonzil (1215) ist das Beichtgebot, wonach mindestens einmal im Jahr die Beichte abzulegen sei, mit der Osterkommunion verbunden (›Osterbeichte‹). 7 einweicht] weiht. 9 Niclaus vom Sturm] Ein Geistlicher dieses Namens konnte nicht ermittelt werden. 14 zuletst] Die Beichtliteratur des Mittelalters ist zunächst nach den sieben Hauptsünden gegliedert (bei der die Wollust an letzter Stelle stand), ab dem 14. Jh. setzt sich eine Strukturierung nach den zehn Geboten durch; vgl. auch Luthers Ein kurtz underweysung, wie man beichten sol: Tzum achten, wenn man beichten wil, so sol man bald allein die tzehen gebot gottes fur sich nehmen unnd sagen, wie man dawider gesundigt hab […] (WA 2, S. 60, Z. 31f.); dabei führt Luther das neunte und zehnte Gebot allerdings nicht mehr gesondert auf (vgl. ebd., S. 64). 20 seinem Leib] ihm (dem Nächsten). 23 Casus Reseruat] Siehe zu IV 1,272. 24 potestat] Macht (von lat. potestas). 25 Heilsperg] Heilsberg in Ostpreußen, heute: Lidzbark WarmiĔski (Polen), bis 1772 Sitz der Bischöfe von Ermland, etwa 20 km von Lichtenau entfernt. Druck B hat Heidlburg, CEF haben Heidlberg. 28 mit dir Dispensiert] wird dir Dispens erteilt. Dispens ist kirchenrechtlich die Entbindung von einer Verpflichtung wie etwa Bußübungen; hier unscharf von Absolution getrennt. 32 sprech] spräche. 32 han vor sachen] für Angelegenheiten haben. 39 brechen] Fehlern. 43 lesten] letztens. Die Drucke BCEF haben letsten. 44 Penitentiar] Siehe zu IV 1,231. 48 loßt] bezahlt. 49 desselben wol ergetzen] dafür schadlos halten. 52 Palmetag] Palmsonntag. 53 thun ein essen] ein Essen ausrichten. 54 die Fasten] die Fastenzeit über. 55 Das] damit sie. 63 gern] Rockzipfel. 68 Kellerin] Haushälterin. 70 jr Messer wetz] Redensartlich; siehe zu IV 13,56. 76 wie er mocht das best] so gut er konnte. 82 bider] ehrenhaft. 88 gebußt] gestillt. 96 Darunder] dabei. Literatur Kipf, S. 489; Lieb, S. 212.

IV 15 Von einem K(rschener. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 3 Diern] Mädchen. 7 jr armut … bewart] Jahre lang sparsam gelebt haben. 10 Der Sparer … haben] Sprichwörtlich: ›Auf jemanden, der spart, folgt jemand, der ausgibt‹; vgl. TPMA sparen 47–65. 11 vberkam] übernahm. 12 f)r

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nam] führte. 14 wildtnus] Etwa: verwilderte Sitten. 19 frummen] tüchtigen. 22 alle Nesteln wurden kurtz] Wohl: alles wurde knapp; vgl. zu III 94,40. 26 im besten wolt vertragen] im Guten aufnehmen wollt. 27 machen auß] Etwa: erfolgreich zu Ende führen. 33 f)rbas baß] künftig besser. 34 daheym ewr haußgemach] habt es zu Hause bequem. 38 im sauß] in Schwelgerei; redensartlich, vgl. Röhrich, S.  1289. 43 solt] dürfte. 44 auffs Beth kem von dem Stro] Die Verbesserung der persönlichen Verhältnisse wird sprichwörtlich in den Gegensatz von Strohsack und Bett als Schlafstellen gefasst; vgl. TPMA Bett 43– 45: ›Adieu, Strohsack, ich bin zu einem Bett gekommen‹. 45 als] so. 46 das gut zum Buben] der Besitz zum Schurken. 48 Denn das] als das, das. 50 Auß erfarung red ich] Vgl. zu I  79,34. 51 g)lden] Goldmünze; siehe zu I  14,58. 51 werbt] (selbst) erwirbt. 54 Biderman] anständiger Mann. 56 Des gniessen … Kindt] davon haben die Nachkommen selten etwas. 57 Wormkraut] wurmtreibende Mittel; vgl. zu II 46,6. 57 quidt] los. 58 Male quesit/ male perdit] Sprichwörtlich: ›Übler und ungerechter Gewinn geht übel dahin‹; vgl. TPMA Gewinn 116, 121f., 148.

IV 16 Vom alten Landtsknecht/ vnnd seiner Braut. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 1 Speir] Speyer. 4 b sen Wurm] Metapher für das schlechthin Böse und Feindliche; zum Hintergrund des Bildes vgl. DWb 30, Sp. 2234f.; Röhrich, S. 1747– 1749. 6 betr)bt] geplagt. 7 Diern] Mädchen. 8 Den Schwantz … zogen] war oft gerade noch davongekommen. Eine obszöne Konnotation ist vor allem im Hinblick auf Vers 7 und die nachfolgenden Zweideutigkeiten (z.B. V. 50f.) auch hier wahrscheinlich. 10 Bey] etwa. 10 g)lden] Goldmünze; siehe zu I 14,58. 10 zamen gschlagen] aufgehäuft; vgl. IV 20,3. 11 Von kleinem … versucht] von Kindheit an viele Erfahrungen gesammelt. 12 tucht] taugte. 18 greyn] weinte. 24 fehrlich] gefährlich. 26 desselben baldt gewon] bald daran gewöhnt sein. 33 faulen Secken] Wohl ein doppeldeutiges Bild: Gemeint sein kann unrechtmäßig erworbener Besitz. Die schon im Mittelhochdeutschen geläufige abwertende Bezeichnung ›Sack‹ für ›übles Frauenzimmer‹ (vgl. DWb 14, Sp. 1616) erlaubt daneben Assoziationen mit sündhaftem Treiben (vgl. V. 34: vnder mancher decken); in ähnlichem Sinne verwendet Waldis die Phrase auch in I 76,7. 36 glegt] Etwa: angelegt, angebaut. 39 beim Liecht besehen] Redensartlich; vgl. Röhrich, S. 962. 40–43 Eim Metzger … betrogen ist] Gemeint ist: Selbst der erfahrene Metzger kann sich einmal über die Qualität des von ihm erworbenen Viehs täuschen. 43 dem gleich] auf gleiche Weise. 46 Sein Brodt … beckt] Redensartlich; vgl. Röhrich, S. 1110, ohne Belege. 51 graßt … Wiesen] Sexuell konnotierte Redensart; vgl. TPMA Wiese 71; Röhrich, S. 1728. 52 an

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gleicher M)ntz verliesen] im gleichen Maße verlieren. 53–62 Wie jenem alten Mann … han] Zu Darstellungen des Hahnreis vgl. Flugblätter I 97, 98, 107, 111. 57 kundts nit keren] konnte sie nicht verjagen.

IV 17 Vom Cardinal vnd einem Dorffpfaffen. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Vgl. aber ATU  1804E (»Confession in Advance«). Stellenkommentar 1–5 CAmpegius der Cardinal … Legation] Lorenzo Campeggio (1474–1539), seit 1517 Kardinal, war als päpstlicher Gesandter in Deutschland und England tätig. Er begleitete u.a. Kaiser Karl V. zum Reichstag von  1530 in Augsburg. 7–10 Zu N)rmberg … Religion] Campeggio bemühte sich intensiv um eine Reform der Kirche. Auf dem Reichstag in Nürnberg 1524 forderte er (erfolglos) die Durchsetzung des Wormser Edikts, im gleichen Jahr legte er auf dem Bischofskonvent in Regensburg 35 Artikel zur Besserung der Sitten beim deutschen Klerus vor. Schon im 18. Jh. glaubte man, dieser Stelle ein Detail zu Waldis’ Biographie entnehmen zu können (vgl. Einleitung, S.  11–13): Der in Quellen als Mitglied einer Rigaer Gesandtschaft nach Rom genannte ›Bruder Borchard‹ – man unterstellte: Waldis – habe von Rom aus Campeggio nach Nürnberg begleitet. Dafür gibt es aber keine Quellenbelege. Und ob Waldis auf den Nürnberger Reichstag von 1524 anspielt, ist keineswegs sicher: Nimmt man die Angaben im Fabeltext ernst, müsste Zehen Jar (V.  29) zuvor in Augsburg ein Reichstag (V.  33f.) unter Keyser Maximilian (V.  31) stattgefunden haben. Chronologisch kommen diejenigen von 1510, 1517 und 1518 in Frage. Aber die Teilnahme Campeggios an diesen Ereignissen oder an einem Nürnberger Treffen zehn Jahre darauf konnte nicht nachgewiesen werden. Freilich ist nicht sicher, ob Waldis in seinen Fabeln überhaupt den Anspruch erhebt, chronologisch exakte Angaben zu machen. 8 handlen gund] zu diskutieren begann. 11 on als gefehr] ganz unversehens. 12f. viel besser … Ehefrawen hetten] Zur Debatte über den Zölibat im frühen 16. Jh. vgl. August Franzen, Zölibat und Priesterehe in der Auseinandersetzung der Reformationszeit und der katholischen Reform des 16. Jahrhunderts, Münster  1969 (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 29). Die protestantische Position zum Priesterzölibat markieren Luthers Predigten zu Gen 1 von 1523/1524 (WA 14, S. 112, Z. 36–38): Kein greulicher ding ist nie auffgericht den [als] COELIBATUS […] bißher haben wirs nit dorffen predigen, wir armen narren. 14 wurd] würde. 15 Zohe an] führte an. 16 wardt lachen] begann zu lachen. 17 Wahlen] Italiener. 19 Edlen Teutschen] Der Stolz auf deutsche Tugenden wird seit dem Hohen Mittelalter vor allem in der Abgrenzung zu Franzosen und Italienern (den Welschen) literarisch immer wieder propagiert; vgl. Winfried Schulze, Die Entstehung des nationalen

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Vorurteils. Zur Kultur der Wahrnehmung fremder Nationen in der europäischen Frühen Neuzeit, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht  46 (1995), S. 642–665. An einer Rekonstruktion der ruhmreichen Vergangenheit der Deutschen hatte sich auch Waldis mit seiner Schrift VRsprung vnd Herkummen der zw lff ersten alten K nig […] (1543) beteiligt. 21 Ebriacken] Trunkenbolde, von lat. ebrius; schon Agricola, Sprichwörter I 79 (S. 63, Z. 14) und 156 (S. 113, Z. 34) kennt die Wortbildung; Thomas Murner verwendet inebriack (vgl. Friedrich Eckel, Der Fremdwortschatz Thomas Murners. Ein Beitrag zur Wortgeschichte des frühen 16. Jahrhunderts. Mit einer vollständigen Murner-Bibliographie, Göppingen 1978 [Göppinger Arbeiten zur Germanistik 210], S. 99, mit weiterer Literatur); öfter dann im 19. Jh. 25 das maul verbrennen] Redensartlich; Röhrich, S. 1008, gibt die hier allerdings unpassende Erklärung ›sich durch Worte schaden‹. 27 Hub zuuerzelen … bossen] fing an, eine amüsante Geschichte zu erzählen. 31 Keyser Maximilian] Maximilian I. (1508–1519), deutscher Kaiser. 32 lan] lassen. 33f. Reichßtag … Augspurg] Zum Begriff ›Reichstag‹ siehe zu III 58,1. Am Rande des Reichstags 1518, dem letzten unter Kaiser Maximilian I., fand die Vernehmung Luthers durch den Kardinallegaten Thomas Cajetan statt. Es könnten aber auch andere Reichstage gemeint sein; vgl. zu Vers 7–10. 34 lag] sein Quartier genommen hatte. 36 Sanct Vlrich … Aptey] Die Benediktinerabtei von St. Ulrich und Afra war eines der bedeutendsten Klöster Augsburgs; ihre Nähe zu Kaiser und Reich zeigte sich u.a. seit  1487 durch wiederholte Reichstagsladungen; vgl. Wilhelm Liebhart, Die Benediktinerabteien St. Ulrich und Afra (Augsburg) und Irsee im Ringen um Landeshoheit und Reichsunmittelbarkeit, in: Suevia Sacra. Zur Geschichte der ostschwäbischen Reichsstifte im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, hg. von Wilhelm Liebhart und Ulrich Faust, Stuttgart 2001 (Augsburger Beiträge zur Landesgeschichte Bayerisch-Schwabens  8), S.  133–142.  1513 wurde ihr Abt von Johannes Schrott wegen schlechter Wirtschaftung und Umgang mit Frauen vom Bischof suspendiert; vgl. Wilhelm Liebhart, Die Reichsabtei Sankt Ulrich und Afra zu Augsburg. Studien zu Besitz und Herrschaft (1006–1803), München 1982 (Historischer Atlas von Bayern II 2), S. 161. 38 recreirt] erholte. 39 Cantzler Doctor Waldtkirch] Gemeint ist Balthasar Merklin (um 1479–1531), geboren in Waldkirch im Schwarzwald, der bei seiner Adelung den Namen seiner Vaterstadt als Adelsprädikat wählte (einige Quellen nennen ihn Balthasar von Waldkirch). Der Doktor beider Rechte bekleidete zahlreiche kirchliche und weltliche Ämter und wurde 1527 unter Karl V. Reichsvizekanzler; vgl. J. Hartmann, Merklin, in: Allgemeine Deutsche Biographie. Nachdruck der ersten Auflage von  1885, Bd. 21, Berlin 1970, S. 445f. Es war nicht ungewöhnlich, dass man Titel, die jemand erhielt, im Nachhinein auch für die Zeit vor ihrer Verleihung verwendete. Die unklaren Zeitangaben zur Handlung (vgl. zu V. 7–10) werden mit der Titelnennung also nicht zusätzlich problematisch. 40 werb] Auftrag. 41 on gefehr] zufällig. 43 Gezohen] mit Manieren. 45 Reuerentz] die höfliche Ehrenbezeugung (durch Verneigen). 52 Vngefehrlich] unversehens. 54 bloß] arm. 59 Jrregularitet] unrechtmäßige Geburt. Allgemein bezeichnet der Begriff ein kanonisches Hindernis, geistliche Weihen zu empfangen oder in ein Kloster ein-

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Kommentar zu IV 17

zutreten; vgl. Franz Gillmann, Zur Geschichte des Gebrauchs der Ausdrücke ›irregularis‹ und ›irregularitas‹, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht  91 (1911), S. 49–86. Uneheliche waren auch von den meisten handwerklichen Berufen ausgeschlossen. Wollten sie nicht von Almosen leben, konnten sie nur als Tagelöhner arbeiten oder ›unehrliche‹ Berufe ergreifen. Die Lage der Nachkommen von Priestern war grundsätzlich die gleiche, auch wenn bereits im Spätmittelalter die öffentliche Taufe und das Aufziehen von illegitimen Nachkommen keine Seltenheit war. Kirchenrechtliche Bestimmungen verhinderten vor allem die Weitergabe von geistlichen Pfründen an ›Priesterkinder‹; vgl. Bernhard Schimmelfennig, Zölibat und Lage der ›Priestersöhne‹ vom 11. bis 14. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 227 (1978), S. 1–44. 63 Ehebrieff] Zu diesem Dispens vgl. Ludwig Schmugge, Kirche, Kinder, Karrieren. Päpstliche Dispense von der unehelichen Geburt im Spätmittelalter, Zürich 1995. 63 das sie dorffen] das haben sie nötig. 71 es ist versehen] dafür ist gesorgt. 72 f)rbas] in Zukunft. 74 solch leben … schreib] erkläre diese Lebensweise zur Sünde. 76 sie anderst nern vmb halt] behalte sie aus keinem anderen Grund, oder: verschaffe ihr aus keinem anderen Grund Unterhalt; vgl. DWb 23, Sp. 933, mit diesem Beleg. 79 Secretari] Schreiber. 80 ger] Wunsch. 92 der freiheit auch geniessen] auch einen Vorteil von dieser Freiheit haben. 93 einfalt] Einfaltspinsel. 96 des Pfaffen anig] den Pfaffen los. Die Drucke BCEF haben einig statt anig. 97 Gschicht] Die Wortwahl betont, dass es sich um einen Tatsachenbericht handle, so wie das Erzähler-Ich auch das Gespräch mit Campeggio eingangs als eigenes Erleben darstellt (vgl. V. 7); vgl. zu III 92,171–174. 98 Dispensieren] Siehe zu IV  14,28. Das Dispenswesen der katholischen Kirche brachte im Spätmittelalter mit der Pönitentiarie einen umfangreichen Behördenapparat zur Bearbeitung der eingereichten Bittgesuche hervor. 99 Ablaß] Siehe zu II  75,36. 101 Welch] Syntaktisch wohl auf sie (V.  98) zu beziehen. 101 G ttliche Ehe] Die Ehe gilt mit Mt 19,6 als von Gott gestiftet; sie wird als Zeichen für die Verbundenheit von Christus und der Gemeinde verstanden: Sacrament oder mysterium/ heisset Geheimnis oder ein verborgen ding/ das doch von aussen seine bedeutung hat. Also ist Christus vnd seine Gemeine ein Geheimnis/ ein gros heilig verborgen ding/ das man gleuben vnd nicht sehen kan. Es wird aber durch man vnd weib als durch sein eusserlich zeichen bedeut (Eph  5,32, Marg.). 102 Schwerdt vnd Fewr] Geläufige Doppelformel; vgl. DWb 15, Sp. 2579. Auch in der Rechtssprache verwendet, vgl. DRW 3, Sp. 522. 103 als] alles (gemeint ist wohl die Gesamtheit der Priester). 105 sein lachen] es lachend durchgehen lassen. 107 Wunder das] es ist ein Wunder, dass es. 109 helschen Fewr] Höllenfeuer. 111 Sodoma] Sodom wurde wegen der Sündhaftigkeit ihrer Bewohner von Gott vernichtet; vgl. Gen 18f. Dass der Zölibat die Sittenlosigkeit bei den Geistlichen verstärkt habe, findet sich auch bei Agricola, Sprichwörter I  320: […] dieweil der Bapst die keüscheyt auff die pfaffen und Münche geschlagen hatt/ ist darauß erfolget ein solcher jamer/ daß niemand vor yhnen/ was weiber gewesen/ sicher sein künden/ oder wo es nicht so g*t worden/ ist Zodomey darauß kommen/ wie denn der unehre Gottes solche schande folgen m*ß wie sant Paul z* den R mern sagt (S. 277, Z. 15–21). 111 treglicher] er-

Kommentar zu IV 18

träglicher. 113 B)berey] Hier: Unzucht; vgl. FWB 4, Sp. 1306f. frey] darauf achte jeder sorgfältig.

275

114 Des …

IV 18 Vom M(nch/ vnd einem Wiert. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 1 schwanck] unterhaltsame Geschichte. 2 der selbig Cardinal] Siehe IV  17. 3 Obseruant] Franziskaner; vgl. zu III  100,11. 4 Zohe] zog. 6 durch Gott] um Gottes willen. 8 zerf)llen] zu vollbringen. 14 ewr hendt] von der Arbeit eurer Hände. 19 der Almosen geleben] von Almosen leben. 23–32 wie die Aposteln … sorgen mag] Vgl. Mt 6,19–34. 37 alln jrn berden] ihrem ganzen Verhalten. 39 mit aller notturfft] mit allem Nötigen. 46 zusamen thaten] packten alles zusammen. 47 Gunten] begannen. 47 Wecken] ›Weck‹ bezeichnete in der Frühen Neuzeit nicht stets, aber überwiegend ein feineres Brotgebäck aus Weizenmehl, das nicht zur Alltagskost zählte; vgl. DWb 27, Sp. 2788f. 50 bey drithalber Moß] etwa zweieinhalb Maß. Das Hohlmaß für Flüssigkeiten ›Maß‹ beträgt meist entweder ca. 0,9 oder aber 1,8–2,0 Liter; vgl. Alberti, S. 325f. 60 krencken] beeinträchtigen. 61 enthaben] enthoben. 63 eben] gelegen. 66 vor ein tandt] für einen Unsinn. 68 jr s)nden deckel sein] ihre Sünden rechtfertigen; vgl. DWb 20, Sp. 1144, mit Bezug auf diese Stelle. 69 lenckens … sachen] legen sie (die Bibel) nur nach ihren Bedürfnissen aus. 70 ein w chssen Nasen machen] Redensartlich im Sinne von: ›drehen und wenden wie man möchte‹; vgl. DWb 27, Sp. 130f., mit Bezug auf diese Stelle. Vgl. auch IV 75,158, sowie mit Bezug auf die Theologie Murner, Narrenbeschwörung 3,5 und 63, und mit Bezug auf das Recht Brant, Narrenschiff 71,9–11. 71 Als] alles. 73 Welchs st)ck … ist mit] welche Bibelstelle aber nicht zu ihrem Handeln passt. 76 Wie der Han … Kolen] Sprichwörtlich: ›Über glühende Kohlen laufen wie der Hahn‹; vgl. TPMA Kohle 22–24; Röhrich, S. 865. 77 machen vns ein Spiegelfechten] gaukeln uns etwas vor; vgl. zu I 90,41. 78f. Wenn aber Christus … Schaffen] Vgl. Mt 25,32. 79 Die B ck … Schaffen] Bild für die Scheidung der Erlösten und der Verdammten beim Jüngsten Gericht; vgl. Lucidarius III 49 (Der deutsche ›Lucidarius‹, Bd. 1. Kritischer Text nach den Handschriften, hg. von Dagmar Gottschall und Georg Steer, Tübingen 1994 [Texte und Textgeschichte 35], S. 138). 81 lan] lassen. 82 han] haben.

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IV 19 Vom Schultheis/ vnd seinem Weibe.

Kommentar zu IV 19 ATU 1373A

Vorlage Wenn das im Handlungskern sehr ähnliche Meisterlied von Hans Sachs: Die pewrin mit dem air im schmalcz (Sämtliche Fabeln und Schwänke von Hans Sachs. Bd. 4: Die Fabeln und Schwänke in den Meistergesängen, hg. von Edmund Goetze und Carl Drescher, Halle/S. 1903, S. 208f., Nr. 372 [14.4.1547]) die Vorlage sein soll, müsste man annehmen, dass Waldis diesen Stoff noch kurz vor Drucklegung kennenlernte und bearbeitete. Eine frühere Fassung ist nicht bekannt. Stellenkommentar Ü Schultheis] Ortsvorsteher. 1 Dameraw] Damerau in Ostpreußen, heute Dąbrowa ChełmiĔska (Polen), etwa  60 km südöstlich von Königsberg (Kaliningrad, Russland) gelegen. 4 trawrt biß ins dritte Jar] Eine einjährige bzw. neunmonatige Trauerzeit (annus luctus) wird im römischen Recht nur Frauen abverlangt, damit bei einer neuen Verbindung kein Zweifel über den Vater eventuellen Nachwuchses besteht. 7 Bey jm … saß] ein reicher Dorfwirt wohnte in seiner Nähe. 8 Heynrich vom langen Graß] Ein Wirt des Namens konnte nicht nachgewiesen werden; vgl. Lieb, S. 212. 9f. vmb die moß … groß] von ungefähr 20 Jahren und normaler Größe. Eine ganz ähnliche Beschreibung in IV 32,3f. 11 protzel] Kröte; Scheltwort, in der weiblichen Form (sonst ›Brotz, Protz‹) für junges Mädchen; vgl. DWb 2, Sp. 407 (mit diesem Beleg); DWb 13, Sp. 2177. 13 Sprach stets/ mir zu] Zum Brauch des Zutrinkens siehe zu I 9,57. 13 wie einem Sachssen] Von der Trinkfreudigkeit der Sachsen berichtet Sebastian Franck: […] aber solche biersauffer seind es/ das man yn in kanten etwan nit gn*g mag z*tragen/ setzen z* zeytten ein Melckgelten [Melkfass] auff den tisch voll biers/ darein ein schüsseln/ wer durst hat der trinck/ ja sy sauffen einander darauß z*. Diß bier ist seer g*t/ kein k* solt sein so vil trincken/ als diser sew eine/ schier vngleublich z*sagen/ trincken tag vnd nacht biß sy voll vnd wider n)chtern werden. Der im sauffen yhr aller meyster ist/ der hat nit allein lob/ sunder lon vnd ein krantz daruon/ wer nit mit saufft/ der pack sich (Weltb*ch: spiegel vnd bildtniß des gantzen erdbodens, Tübingen 1534, Bl. 58v). 17 hielts] hielt sie für. 17 frumb] ehrenhaft. 19 vnendtlich] faul. 20 vor] vorher. 20 auffrichtig] aufrecht. 21 schault] verbarg sie sich. 24 sich f)rher macht] kam hervor. 25 kropffet] stopfte. 27 im sauß] in Schwelgerei; redensartlich, vgl. Röhrich, S.  1289. 30 kranckheyt] Schwäche. 31 vier Schock] Nach dem alten Zahlwort ›Schock‹ für  60 Stück (vgl. IV  9) wurden auch die jeweils gängigen Kleinmünzen gerechnet; vgl. Schrötter, S. 606, sowie DWb 15, Sp. 1433, auch mit diesem Beleg. 32 kreisten/ kr)chtzen/ kruncken] jammern, ächzen, stöhnen. Vgl. zu III  10,8. 35 K)lewasser] In medizinischer Anwendung auch in IV 40,26; vgl. DWb 11, Sp. 2572, mit nur diesem Beleg. 41 vbermacht] übertrieb. 42 jm] sich. 46 K nsperg] Königsberg, heute Kaliningrad (Russland). 53 Krapff] Wohl: Stücke; vgl. DWb 11, Sp. 2062, mit nur diesem Beleg. 58 nahet] nahe. 62 schlehst] schlägst. 64 Die Katz … Magen] Nach Röhrich (ohne Belege) redensartlich beim Anblick einer guten Mahlzeit (S. 989),

Kommentar zu IV 19

277

oder über jemanden, der gut gegessen hat (S. 819): ›Die Katze nimmt dir heute nicht den Magen‹. 67 Den Speck … durchkreyscht] Wohl: briet den Speck in der Butter scharf an; vgl. DWb 2, Sp. 1635, mit nur diesem Beleg. 71 st uffen] Bechern; wohl gleichbedeutend mit ›Stübchen‹, einer Maßeinheit von – regional unterschiedlich – drei bis fünf Litern; vgl. Alberti, S. 330, sowie DWb 17, Sp. 1172, mit diesem Beleg. 72 Dantzker Bier] Das weithin bekannte Danziger Bier galt als besonders stark: Dantzker Beer öss stärker als der Osse [Ochsen] veer (zitiert nach: Robert Helwig, Bauern- und Bürgerbier. Brauen und Trinken zwischen Weichsel und Memel in tausend Jahren, in: Jahrbuch  1965, hg. von der Gesellschaft für die Geschichte und Bibliographie des Brauwesens, S. 9–159, hier S.  97). 76 zwen schillings Wecken] Brot für zwei Schillinge, oder: zwei Schillingwecken. Das sehr selten belegte Wort ist möglicherweise analog zum ›Pfennigweck‹ verwendet, einem Brot vom Gegenwert eines Pfennigs, das auch anstelle von Wechselgeld verwendet werden konnte (vgl. DWb  13, Sp.  1671). Zum Wecken siehe zu IV  18,47, zum Schilling siehe zu IV  7,15. 78 Jngber] Ingwer, das »Leibgewürz des Mittelalters« (Schubert, S. 163). 80 h rt] gehört. 82 halben spann] Spanne, Längenmaß von etwa 22–28 cm (von Daumenspitze bis zur Spitze des Mittelfingers oder kleinen Fingers). 88 Der Magen … verkalt] Siehe zu I 91,29. 94 erlesen] eingesammelt. 95 Diern] Magd. 96 auff sie zu warten] ihr aufzuwarten. 97 num] hinüber. 100 Man kan … zu sehen] man kann nicht vorsichtig genug sein. 103 seich] Harn. Zur Harnschau siehe zu II 89,7. 106 bey kaltem Holtz] Gemeint ist der Knüppel; das Bild setzt die Vorstellung vom funktionierenden warmen Magen (vgl. V. 88) voraus. 107 feyhl] Schaden. 110 b)ssen] heilen. 112 Mit vngebrennter schen reiben] Die gleiche Metapher für eine ›Behandlung‹ mit dem Holzknüppel in IV 74,81; ähnliche ›Rezepte‹ IV 74,80–83; IV 81,110; Flugblätter I 80. Denkbar ist dabei ein medizinischer Hintergrund: Hippokrates (vgl. Wolfgang Schneider, Lexikon zur Arzneimittelgeschichte. Sachwörterbuch zur Geschichte der pharmazeutischen Botanik, Chemie, Mineralogie, Pharmakologie, Zoologie, Bd.  5,2: Pflanzliche Drogen D–O, Frankfurt/M.  1974, S.  96) und Plinius (Naturalis Historia XXIII 63,124) kennen die Lauge aus der Asche des Feigenbaums als Mittel zum Einreiben gegen verschiedene Krankheiten. 116 gepreißt] Wohl: gehalten; vgl. zu II 11,114. 117 bas] besser. 118 kleiner gpfiffen] feiner (also auch: leiser) gepfiffen; wohl metaphorisch für: ›wäre ich zurückhaltender gewesen‹. 120 das] dass sie. 121 denen] dehnen; führt die Metapher vom ziehen (V. 119) der Kinder fort. 123f. Man sagt … die jungen] Als sprichwörtlich (»Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen«) notiert in Ida von Düringsfeld/Otto von Reinsberg-Düringsfeld, Sprichwörter der germanischen und romanischen Sprachen vergleichend zusammengestellt, Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1872. 2 Bde., Hildesheim – New York 1973 (Volkskundliche Quellen 7), Bd. 1, S. 34; in TPMA nur mit einem Beleg aus dem 13. Jh. nachgewiesen (TPMA singen 98). Vgl. auch Abraham a Sancta Clara, Mala gallina, malum ovum, Das ist: Wie die Alten sungen/ so zwitzern die Jungen. Im Zweyten Centi-folio Hundert Ausb)ndiger Närrinnen […] In hundert sch nen Kupffern moralisch vorgestellt, Wien 1713. 128 Dauon ich … schreiben] Waldis’ erste Ehe mit Barbara Schulte aus Kö-

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Kommentar zu IV 20

nigsberg verlief ausweislich mehrerer Briefe (wiedergegeben bei Milchsack, S. 20–28) unglücklich; vgl. auch Vers 158; Einleitung, S. 10f. 133 daussen leit] draußen liegt. 139 Metten] Nacht- bzw. Frühgottesdienst; vgl. zu III 98,73–75. Hier schwingt auch die freiere Bedeutung von ›Lärm, Getöse‹ mit; vgl. DWb 12, Sp. 2147f. 140 neun lange Lection] lectio (lat. ›Lesung‹) heißt der beim Gottesdienst zu lesende Abschnitt aus der Bibel und anderen Schriften. 141 Laudes] ›Morgenlob‹ (von lat. laudes, ›Lobgesang‹), das erste der sieben über den Tag verteilten Stundengebete, gleichbedeutend mit ›Mette‹; vgl. zu II 27,27. 141 Litaney] In der Liturgie Bittgesang, bei dem auf jede Anrufung Gottes oder der Heiligen die Gemeinde formelhaft antwortet; schon früh metaphorisch für Zechlieder verwendet; vgl. DWb 12, Sp. 1071. 142 wert] währt. 143 Miserere] Der nach seinem Anfang in der Vulgata (Miserere mei Deus; Ps 50,1) so benannte Bußpsalm tritt in der Liturgie häufig auf. Unter anderem wird er im Kloster in der Danksagung nach der Hauptmahlzeit gesprochen und eröffnet die LaudesGebete in der Septuagesimalzeit. 145 leiden] ertragen. 146 Sanct Job] Hiob, alttestamentarische Exempelfigur des Dulders. 147 Preuschen] preußischen. 158 Des ich … erfahren han] Vgl. zu V. 128. Literatur Lieb, S. 212.

IV 20 Vom Juden/ vnd einem Trucksessenn.

ATU 960

Vorlage Eine bestimmte Vorlage für diesen schon vor Waldis bekannten Erzählstoff ließ sich nicht nachweisen. Die von Waldis im Morale angefügten Erzählungen ›Hekuba‹ und ›Die Kraniche des Ibykos‹ (ATU  960A) sind demselben Erzähltyp zuzuordnen; vgl. zu Vers 69–136 und 140–158. Stellenkommentar Ü Trucksessenn] Der Truchsess war ursprünglich der Hofmann, der die Aufsicht über die Festtafel und die Bedienung der Speisenden führt; hier in weiterer Bedeutung als Hofbeamter verwendet. 2 such] Habsucht. 2 auffsatz] Zinswucher. 3 zusamen gschlagen] (Reichtümer) aufgehäuft. 7 auff ein zeit] eines Tages. 8–11 sicher gleit … beschencken] Die Sicherung von Reisenden, vor allem von Kaufleuten, gegen Gewalttätigkeiten und Überfälle war königliche bzw. landesherrliche Hoheitsaufgabe. Sie wurde gegen Geleitsgelder gewährt und konnte im Prinzip eingeklagt werden, war also enger in den Rechtsgebrauch eingebunden, als das hier anklingt (beschencken; vgl. auch gnaden, V. 12); vgl. B. Koehler, Geleit, in: HRG 1, Sp. 1481–1489. 9 gund ein sichern zug] eine sichere Reise ermöglichte. 25 bas] weiter. 33 gar selten] niemals. 34 Krametuogel] Siehe zu II 59 Ü. 35 jener] Siehe zu I 11,5. 37 war die red vor mehr] galt die Rede als leeres Geschwätz. 38 nach der schwer] heftig.

Kommentar zu IV 21

279

41 zohe] zog. 43 Jartag] Geburtstag. 44 pflag] bereitete. 47 on als gefehr] ganz zufällig. 52 von jm selber] von sich aus. 53 gunt] begann. 59 Gottes gbot] Gemeint sind die zehn Gebote. 60 Wir solln … begeren] Das zehnte Gebot; vgl. Ex 20,17. 61f. Jeder soll … Seckel zeren] Vgl. II Thess 3,10: so jemand nicht wil erbeiten/ der sol auch nicht essen. 64 Das wir … todten] Das fünfte Gebot; vgl. Ex  20,13. 64 kein] irgendeinen. 65f. Wer Menschen … werden] Vgl. Gen 9,6. 69–136 Ein sch n Exempel … gebrochen] Vgl. Euripides, Hekabe; die Tragödie ist das gesamte Mittelalter hindurch sehr beliebt. Für die Rezeption in der Frühen Neuzeit sind die ab 1503 in Venedig bei Aldus Manutius gedruckten griechischen Ausgaben maßgebend; vgl. Kjeld Matthiesen, Studien zur Textüberlieferung der Hekabe des Euripides, Heidelberg  1974 (Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften N.F.  2,  52). Erasmus von Rotterdam veröffentlicht 1524 in Basel eine Ausgabe mit lateinischer Übersetzung. 82 obs Reich entst)ndt] wenn auch das Reich untergehen sollte. 84 das Reich erheben] die Herrschaft übernehmen. 90 mocht] konnte. 92 Grecken] Griechen. 93 fahrt] Wohl: Landungsplatz. Das Wort ist allerdings nur in der Form ›Fahr‹ belegt; vgl. DWb 3, Sp. 1244. 112 sich auch … erwegen] sich zu der Schandtat entschlossen. 115f. schicket … solcher gstalt] ließ dem Polymestor eine Nachricht des Inhalts übermitteln. 120 zeygen einen griff] ein Geheimnis verraten. 140–158 Von dem Poeten Jbicus … rach] Ibykos: Lyriker des 6. Jhs. v. Chr.; die Legende von der Überführung seiner Mörder ist seit der römischen Kaiserzeit verbreitet (vgl. RE 9,1, Sp. 817); in der Frühen Neuzeit war sie über Plutarch zu rezipieren. 142 Kranchen] Kraniche. 143 vberflohen] überflogen. 144 zeilicht] in geordneter Reihe. 154 on gefehr] etwa folgendermaßen. 155 glecher] Gelächter. 157 sagt das nach] machte es bekannt. 158 Der missethat … rach] Im Kern sprichwörtlich; vgl. Hans Sachs: Wie das alt sprichwort hat gesprochen Es pleib kain vbel vngerochen (zitiert nach TPMA Rache 135). 158 billich rach] zurecht die Strafe; billich lässt sich auch als Attribut lesen (›angemessene Strafe‹).

IV 21 Von zweien Landtsknechten/ vnd einem Dorffpfaffen.

Pauli 707

Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist nicht neu. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 5 seltzam] ungewöhnlich. 5 Knaben] Kerlen. 15 Bonum mane] Lat. Grußformel: ›Guten Morgen‹. 16 Semper sane] Etwa: ›Gesund bleiben‹. 17 wo denckt jr hin] wohin wollt ihr? 19 theylt vns mit] gebt uns etwas. 22 Ists sach] sollte es sein. 27 gebs] gäbe es. 28 darff] brauche. 29 Franciscanen han kein Gelt] Die vierte Regel des hl. Franziskus von Assisi bestimmt: »Ich gebiete allen Brüdern streng, auf keine Weise Münzen oder Geld anzu-

280

Kommentar zu IV 21

nehmen, weder selbst noch durch eine Mittelsperson. Doch für die Bedürfnisse der Kranken und die Bekleidung der anderen Brüder sollen einzig die Minister und Kustoden mit Hilfe geistlicher Freunde gewissenhaft Sorge tragen nach Maßgabe der Orte und Zeiten und kalten Gegenden, wie sie sehen werden, daß es der Not abhelfe; immer aber mit dem Vorbehalt, daß sie, wie gesagt, nicht Münzen oder Geld annehmen« (Franziskus von Assisi, Bullierte Regel, S. 168). 30 innen helt] vorschreibt. 31 vorbas] weiter. 34 bey jn] zu ihm. 35f. Bona dies … Semper quies] Etwa: ›Guten Tag‹ … ›und einen friedlichen‹. 40 hab n tig zu schaffe] habe zu tun; auch mit sexueller Konnotation; vgl. I 61,15–17; IV  66,237–239. 43 durch Gott] um Gottes willen. 43 Groschen] Geringwertige Münze; siehe zu III  96,4. 50 Freundtschafft] Verwandtschaft, auch: Liebschaft; vgl. DWb  4, Sp.  168. 51 dar] dorthin. 61 Pater Noster] Vaterunser. 61 bek ren] anflehen; vgl. FWB 3, Sp. 1144, auch mit Bezug auf diese Stelle. Das Wort kann auch »(Gott) versuchen, herausfordern« bedeuten (ebd.). 67 strauch] Gebüsch, wohl im Sinne von ›freie Natur‹, dort, wo es niemand hört und sieht. 69 ein weile … verziehen] er zögerte. 73 Batzen] Münze von sehr unterschiedlichem Wert; siehe zu II 75,11. 75 Nach … joch] Eilig griff er nach seinem Geldbeutel; vgl. FWB 8, Sp. 249. 90 Buchsack] Gemeint ist wohl ein Beutelbuch, häufig ein Gebetsbrevier für den wandernden Mönch. »Um einen bequemen Transport zu ermöglichen, wurde das Leder des Deckelbezugs an der unteren Kante des Buchblocks verlängert und mit einem Knoten und Ring versehen, so daß man das Buch kopfüber am Gürtel befestigen konnte« (Bettina Wagner zu Katalog-Nr. 16, in: Außen-Ansichten. Bucheinbände aus 1000 Jahren aus den Beständen der Bayerischen Staatsbibliothek München, Ausstellung und Katalogredaktion: Bettina Wagner, Wiesbaden 2006, S. 40, mit Abbildung und Literatur). 91 Gardian] Oberster eines Franziskaner-Klosters (siehe zu IV 4 Ü), hier metaphorisch für ›Bettelsack‹; vgl. FWB 6, Sp. 113, mit nur diesem Beleg. 93 Gundt] gönnte. 94 g)lden] Goldmünzen; siehe zu I 14,58. 103 mocht] konnte. 115 Schreckenberger] Kursächsische Silbermünze; siehe zu III  98,49. 116 Schneberger] Seit  1496 im kursächsischen Schneeberg geprägte Silbermünze; vgl. Schrötter, S. 757. Siehe zu I 27,19. 117 eitel] reines. 136 vertr stet] gerettet; vgl. DWb 25, Sp. 2008, auch mit Bezug auf die Stelle. 138 Eymbeksch Bier] Eine beliebte, helle Biersorte mit hohem Hopfenanteil; im  16. Jh. als leichtes Sommerbier empfohlen. Luther soll anlässlich seiner Hochzeit vom Wittenberger Rat ein Fass dieses teuren Bieres erhalten haben. Vgl. Wilhelm Feise, Das Brauwesen der Stadt Eimbeck, Berlin 1928 (Beiträge zur Entwicklung des Braugewerbes in den städtischen Gemeinwesen  1), bes. S. 19–48, 183. 146 außhin wischen] entwischen. 147 Schultheis] Dorfvorsteher. 153 grawer M nch] Franziskaner; vgl. zu III 90,55. 160 jnd] ihnen die. 167 ers sagen thar] er es zu sagen wagt. 168 Auff vns liegen] über uns Lügen zu verbreiten. 182 Pfennig] Geringwertige Münze; siehe zu I 90,98. 183 Gar vnbillch] völlig zu unrecht. 185 ort vnd end] Anfang bis Ende. 189 der sach all vmbstendt] nach dem genauen Hergang der Angelegenheit. 198 schimpffen] spaßen. 204 Helb] Axtstiel. 207–214 Ein ander mal … m cht ersparen] Der durch das Alinea-Zeichen abgesetzte Teil der Rede des Schultheiß lässt

Kommentar zu IV 22

sich als Morale verstehen. Vgl. zu II 63,12–20, und IV 99,485–506. besser.

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207 bas]

Literatur Kipf, S. 490.

IV 22 Wie ein Mnch K ße bettelt. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 1 thet … ein kern] ging in ein Dorf. 2 Terminiern] für ein Kloster Almosen sammeln. 3 l ß] sammle; vgl. Vers  14. 4 Ein Schock] sechzig; vgl. zu IV 9,10. 6 offt gewesen f)r] schon oft davor gestanden. 9 an gefehr] nämlich. 16 weydlich] gehörig. 16 rhuten] Der Singular deutet an, dass der Mönch ›Rute‹ im Sinne von mittellateinisch virga (›Rute‹, ›Penis‹) verstehen wird. 17 vertrag] erlaube; vgl. DWb  25, Sp.  1932f. 20 frey] tüchtig. 23 nab] herunter. 24 Nach] noch. 26 schalckheyt] Arglist. 27 gundt] begann. 28 Z lt Heuser] zählte die Häuser ab, im Sinne von: ließ kein Haus aus; vgl. DWb  31, Sp.  49, auch mit Bezug auf diese Stelle. 28 ließ … stehn] beachtete die Scheunen nicht. 32 Kn)ttel] Knüppel. 36 bey sie] zu ihr. 39 Prior] Oberster eines Klosters nach dem Abt. 40 zwir] zweimal. 46 het … Gest] Zu ergänzen ist wohl: weil man solche Gäste sonst gar nicht ins Haus lassen würde. 47f. M nche … one schaden] Im Sinne des bei Luther bezeugten Sprichworts: Wiltu rein behalten dein haus, So lasse Pfaffen und M)nche draus (WA 38, S. 220, Z. 26f.). Dieser und ein weiterer, Waldis näher stehender Beleg TPMA Pfaffe 53f.

IV 23 Vom G rtner vnd einem Artzte. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 4 Ader] Oder. 4 Elbinck] Im  16. Jh. Siedlung nördlich von Breslau (heute Wrocław, Polen), heute der Stadtteil Ołbin. Nach der Karte von Barthel Weiner und Sohn (1562) gelangte man durch das ›Neue Tor‹ über die Oder zum Elbing; siehe Halina Okólska und Krystyna Szykuła, Breslau auf alten Plänen  1562– 1946, Übersetzung: Jerzy Pasieka, Wrocław 2003, Nr. 1. 9 Wasser bsehen] Gemeint ist die Harnschau; siehe zu II 89,7. 12 lon] lassen. 15 Vngrisch g)lden] Der ungarische Gulden oder Dukat wurde seit 1325 geschlagen und fand ab 1527

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Kommentar zu IV 24

in allen Staaten des römisch-deutschen Königs Ferdinand I. (darunter Böhmen, wozu Breslau gehörte) als einzige Goldmünze Verwendung; vgl. Schrötter, S.  167f. Siehe zu I  27,19. 16 versch)lden] vergelten. 19 Es sey denn] wenn es so ist. 25 Der] von denen. 37 fiant pillen Septem] es sollen sieben Pillen bereitet werden. 39 Es solln … H)nlin] Der Bauer leitet den deutschen Plural pillen von lat. pullus (Hühnchen) statt von lat. pilula (Pille) her. 41 dorffen] brauchen. 48 Schweinitzer Bier] Ein dunkles Gerstenbier. Seit 1332 ist die Breslauer Einfuhr von Schweidnitzer Bier in steigenden Mengen bezeugt. Vgl. Walter Bunke, Das Brauwesen der Stadt Schweidnitz. Breslau 1935 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte 35), bes. S. 142–149. 68 mich leicht] mir vielleicht. 70 baß] besser. 71 purgatz] Einlauf. 77 mag] (essen) kann. 85f. Was soll der Kuh … s)ß] Sprichwörtlich; siehe zu I  1,39f. 94 gesehen] angesehen. 96 bey … stellen] zu den Gelehrten rechnen. 102 vmbewendt] herumdrehte. 103 etwan] einst. 105 Zwir geworffen] Der Sinn ist unklar; gemeint ist vielleicht: zweimal getroffen (für diese Bedeutung von geworffen wenige Belege DWb 29, Sp. 301). Das Ganze scheint einer Kampfmetaphorik zu folgen. 105 Donat] Aelius Donatus (um 310–380 n. Chr.); röm. Grammatiker, Verfasser einer noch im 16. Jh. vielbenutzten, zweiteiligen Schulgrammatik (minor für Anfänger, maior für Fortgeschrittene), die kurz ›Donat‹ genannt wurde. Vgl. Susanne Barth, Donatus minor, in: Brüggemann, Sp.  301–321. 106 het sein sat] hatte ihn satt; früher Beleg für die Redensart (vgl. DWb 14, Sp. 1815f.). 109 Liber Generationis] Möglicherweise eine Anspielung auf Luthers Spott über die Kritiker seiner Bibelübersetzung im Sendbrief vom Dolmetschen: Die jhenigen die noch nye haben recht reden können, schweige denn dolmetschen, die sind allzumal meine meister, und ich mus yhr aller junger sein. Und wenn ich sie hette sollen fragen, wie man die ersten zwey wort Matthei 1. ›Liber Generationis‹ solte verdeutschen, so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (WA 30,2, S. 633, Z. 33–S. 634, Z. 1). 110 Ouis] Lat.: Schaf.

IV 24 Vonn einer Rmischen Rheyse. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 3 bider] fromm. 4 Trug Zwibeln … wider] Vgl. Luther: Wer gehn Rohm kam und brachte geldt, der krieget vergebung der sunden. Jch, als ein narre, truge auch zwiebeln gehn Rohm und brachte knobloch wieder (WA  47, S.  392, Z. 9–11). Sprichwörtlich: ›Zwiebeln (Knoblauch) wegtragen, Knoblauch (Zwiebeln) zurückbringen‹; vgl. TPMA Zwiebel 1–5. 7 darff mans] dem braucht man es. 8f. Zu Rom … b ß gewissen] Vgl. die Erläuterung zum Sprichwort ›Wer zum ersten Mal nach Rom geht, sucht einen Schelm, beim zweiten Mal findet er ihn, und beim dritten Mal bringt er ihn nach Hause‹ (TPMA Rom  15) bei

Kommentar zu IV 24

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Agricola, Sprichwörter I 719: Unnd man bringt dreyerley von Rom/ eynen b sen magen/ eyn b ß gewissen unnd eyn leren seckel (S. 529, Z. 12–14). 11 Teutsche Hauß] Gemeint ist wohl das Haus des Deutschen Ordens, damals neben dem Palazzo Farnese am Campo dei Fiori (V. 26); vgl. Kurt Forstreuter, Der Deutsche Orden am Mittelmeer, Bonn 1967 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens  2), S.  180–183. 12 Patron] Leiter. 13 außher gahn] heraus. 15 begund] begann. 18 gunten … machen] machten uns näher bekannt. 20 von Haustein] In anderen Ausgaben Houstein (B), Honstein (CEF). Mittler, Nachwort, S. 15, Anm., hält Honstein für die richtige Lesart. Demnach ist ein Angehöriger der hessischen Adelsfamilie von Boyneburg-Hohenstein gemeint; vgl. J. S. Ersch/J. G. Gruber, Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste I 12 (1824), S. 174–176, bes. S. 175. Dagegen zieht Buchenau die der Familie Waldis benachbarten Herren von Hanstein oder von Hohenstein in Betracht (S. 9, Anm. 8). Kurz (Bd. 2, Anmerkungen, S. 159) schließt sich Mittler, Milchsack (S. 14) schließt sich Buchenau an. Vgl. auch Arbusow, Aktion, S. 62–64. 22 zwar] wirklich. 26 Campoflor] Vgl. zu IV  1,117. 27 Zeygers acht] acht Uhr. 28 On gfehr] zufällig. 30 Achaci von der trenck] Achatius von der Trenck (gest. 1551), 1517 als Domherr von Frauenburg (Sitz des Bischofs im Ermland) bezeugt, 1545 zum Domdechanten bestellt; 1523 Aufenthalt in Rom (vgl. Altpreußische Biographie, hg. von Christian Krollmann, fortgesetzt von Kurt Forstreuter und Fritz Gause, Bd. 2, Marburg/L. 1967, S. 740f.). 1525 soll er im Auftrag des Regenten des Ordenslandes Preußen Grundstücke des Deutschen Ordens in Rom verkaufen. Beauftragt werden auch der Generalprokurator in Rom, Georg Busch (1521–1525), und ein Theoderich Redhis (Dietrich von Reden?, Generalprokurator Herbst  1525–1529); vgl. Urcundenbuch zur Reformationsgeschichte des Herzogthums Preußen, hg. von Paul Tschackert, 3 Bde., Leipzig 1890 (Publikationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven 43/44/45), Nachdruck Osnabrück 1965, Bd. 2, S. 103, Nr. 303. 32 Cursa] Wein aus Korsika. Möglicherweise eine Anspielung auf Waldis, Der verlorene Sohn, wo ein Hurenwirt u.a. Wyn amabile van Cursica (V. 621) anbietet. Derselbe Wirt beklagt sich an anderer Stelle, dass ihm Luther das Geschäft – insbesondere mit den Mönchen – verdorben habe (V. 462–509). 35 Bon profatz missier] Kauderwelsch. Kurz erklärt: »Buon prò Le faccia, messer = wohl bekomms, mein Herr«; Tittmann übersetzt: »Prosit, (proficiat) ihr Herren!«; Berger (Lied-, Spruch- und Fabeldichtung im Dienste der Reformation, unter Mitwirkung von G. Pfannmüller bearbeitet von Arnold E. Berger, Leipzig 1938 [Deutsche Literatur, Reihe Reformation 4]), S. 305, kommentiert: »Entstellt aus ›buon profizio, messires‹, ›Wohl bekomm’s, gnädige Herren!‹«. 36 M chtn] könnten. 36 Juli] Giulio (Silbergroschen), geprägt von Papst Julius II. (1503–1513). Der Name ging auf alle späteren päpstlichen Groschen über. Siehe zu I 27,19. 37 Companey] Gesellschaft. 40 bescheyden] bestellt. 46 alte Adam … regen] Redensartlich; vgl. Röhrich, S. 66; TPMA Adam 18f. Gemeint ist der sündhafte Mensch: Der alt Adam ist nit anders, dan das wir in uns finden, bosze neygung tzu tzorn, hasz, unkeuscheit, geytz, ere, hoffart, und des gleychen, dan sulche bose duck und stuck seind uns von Adam auff geerbet und angeboren von mutter leybe

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Kommentar zu IV 24

(Luther, WA 2, S. 100, Z. 35–38). Vgl. Röm 6,6; dazu Luthers Vorrede (Lutherbibel, S. 2263f.) sowie Waldis, Der verlorene Sohn 1668, mit Bezug auf Eph 4. 47 Vnd sahe … bossen] Ähnlich erinnert sich Luther an seinen Romaufenthalt: Vidi ego Romae tanquam sanctos adoratos quosdam Cardinales, qui consuetudine mulierum fuerunt contenti. Non igitur ibi occulte nec privatim, sed publice infanda flagitia committuntur, exemplo et authoritate principum et totius civitatis (WA 43, S. 57, Z. 9–12); vgl. Heinrich Böhmer, Luthers Romfahrt, Leipzig 1914, S. 142–147. 47 der groben bossen] an derben Späßen. 67f. Das eim … s)nd] Vgl. Agricola (wie zu V.  8f.): Z* Rom ist keyn gr ssere sünde/ denn arme sein/ und kein gelt haben (S. 529, Z. 11f.). 73 Papisten] Siehe zu III 100,2. 74 m cht … vergeben] könnte man damit vergiften. 75 Noch] dennoch. 76 verbl)men] Siehe zu III 29,7. 77 Parasell] Gemeint ist Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus (1493–1541), Arzt und Naturkundiger.  78 grosser Hans] Siehe zu I 5,45. Das Attribut ›großer‹ für Paracelsus ist spätestens seit der zweiten Hälfte des 16. Jhs. dokumentiert, z.B. im Explicit des Paracelsischen Traktats De septem punctis idolatriae cristianae [entstanden wohl 1525] (in: Paracelsus, Theologische und religionsphilosophische Schriften, hg. von Kurt Goldammer, Bd. 3: Dogmatische und polemische Einzelschriften, Stuttgart 1986, S. 57), einer äußerst rabiaten Polemik wider die römische Kirche. – Für diesen und die folgenden Hinweise danken wir Prof. Joachim Telle. 81–90 Vnd sprach ... quatrin] Die Passage stellt ein (in der Paracelsusforschung unbeachtet gebliebenes) Frühzeugnis für die Verketzerung Hohenheims dar, die nach Selbstzeugnissen zu Lebzeiten des Paracelsus einsetzte, dann in Äußerungen von Heinrich Bullinger, Konrad Gessner oder auch Johannes Oporinus sich niederschlug und schließlich in Thomas Erastus’ De medicina nova Philippi Paracelsi (Bde. 1-4, Basel 1571/73) einen gewissen Höhepunkt erreichte. Eine Rolle spielte dabei auch der Vorwurf, der ›blasphemische‹ Paracelsus habe die ›Auferstehung des Fleisches‹ geleugnet, eine auch von Waldis dem Paracelsus beigelegte Lehre (vgl. V. 85). Für den Angriff auf den Klerus (vgl. V. 84) bieten Hohenheims Attacken auf die ›großen Lügen‹ und ›Betrügereien‹ der ›Teufelsdiener‹, nämlich der Kleriker, manche Similien, etwa im Traktat De septem punctis idolatriae cristianae (siehe zu V. 78). Hingegen dürfte die Angabe, Paracelsus habe die Existenz von Himmel und Hölle als Erfindungen verlogener Geistlicher abgetan, nicht zutreffen. Zu erwägen ist eher, dass Waldis einen protestantischen Radikaldissidenten oder einen Pseudoparacelsus kolportierte, von dem die Hohenheimsche Kritik am Kirchenwesen noch verschärft worden ist. Jedenfalls war im antiparacelsistischen Lager seit den 1560er Jahren die Rede vom ›Atheisten‹ Paracelsus nicht ungewöhnlich, etwa bei Theodor Zwinger (Corpus Paracelsisticum, Bd. 2, hg. von Wilhelm Kühlmann und Joachim Telle, Tübingen 2004 [Frühe Neuzeit 89], Nr. 82, hier S. 779, Z. 23), der von vielen Paracelsischen Theologica wusste, in denen sich ein ›offener Atheismus‹ offenbart habe. 81 sindt] seit. 84 Vexirn] quälen. 86 Wenn] mit dem. 90 quatrin] Italienische Silber- oder Kupfermünze des 14.–17. Jhs. von geringem Wert. Weit verbreitet waren die päpstlichen Quattrini. Die Drucke CEF haben quartin. Siehe zu I 27,19. 92 Je neher ... Christ] Auch von Paracelsus (in De septem punctis idolatriae cristianae [siehe zu V. 78],

Kommentar zu IV 25

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S. 56, und von Luther als Sprichwort zitiert: Yhe neher Rom, yhe erger Christen (WA 6, S. 437, Z. 6f.); weitere Belege TPMA Rom 49–54.

IV 25 Vom Bawren/ vnd einer Geyß. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 2 verholen] verborgen. 6 jr Herr … verzagt] glaubte ihr Besitzer nicht mehr daran, sie zurückzuerhalten. 23 nit] So in allen Drucken. Erwartbar wäre ›mit‹ (›damit möge er sich zufriedengeben‹); allerdings schreibt Waldis ›damit‹ in vergleichbaren Fällen nie getrennt. Für ein Verständnis als Parenthese (›und damit will er sich nicht zufriedengeben‹) ist ein entsprechender Sprachgebrauch (Da für ›damit‹) nicht belegt. 25 m g] könnte. 29 Dauor … walgen] darüber soll niemand verdrießlich sein; vgl. DWb 27, Sp. 1233. 30 Hilfft … vor den Galgen] Sprichwörtlich: ›Nichts schützt einen vor dem Galgen‹; vgl. TPMA hängen 4–11.

IV 26 Vom Bawren vnd Affen. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 1 Thumbpfaff] Domgeistlicher. 3 Die] Vgl. zu II 16 Ü. 3 ein rock … st)cken] ein buntes Flickenkleid. 7 viel wunders] viele Späße. 10 kein] einen. 22 Als wenn … Blindt] Redensartlich im Sinne von: ›nichts davon verstehen‹; TPMA blind 216–220; Röhrich, S. 415f.

IV 27 Vom Studenten/ vnd einem Mser.

ATU 1420A

Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist im Mittelalter in verschiedenen Varianten belegt. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar Ü M ser] Mörser. Das Wort ist in dieser Schreibung auch sonst belegt (vgl. DWb 12, Sp. 2592) und hat im 16. Jh. keine zusätzliche obszöne Konnotation, wie Kipf, S. 498, Anm. 529, erwägt. 2 ein hohe Schulen hat] Die Universität

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Kommentar zu IV 28

Ingolstadt, gegründet 1472, wurde seit 1800 nach Landshut verlegt, wo sie 1802 den Namen Ludwig-Maximilians-Universität erhielt. 1826 ordnete König Ludwig I. die Verlegung nach München an. 7 g)lden] Goldmünze; siehe zu I 14,58. 9 stopffen] verhindern. 12 bulen] lieben, werben. 16 Beim alten Weib] Die ›Alte‹ als Kupplerin (V. 23) ist topisch. Vgl. z.B. Flugblätter I 97, 101. 32 trollet sich nauß] machte sich davon. 44 mirs h nt] es mich kränkte; vgl. DWb 10, Sp. 1726, auch mit Bezug auf diese Stelle. 44 letzen] verletzen. 47 on gefehr] aufs Geratewohl. 51 stell ich … handt] übergebe ich euch. 59 bossen] Spielchen. 60 stossen] zerkleinern; hier freilich doppeldeutig gebraucht. 64 schafft sein willn] setzt seinen Willen durch. Literatur Kipf, S. 496–498; Stiefel, Esopus, S. 495.

IV 28 Vonn einem gelben Schleyer. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 2 kauffhauß] Gemeint ist wohl das Kaufhaus in der Kämmerergasse, das 1521 als öffentliche Herberge bezeugt ist. Vgl. Fritz Reuter, Worms um  1521, in: Der Reichstag zu Worms von  1521. Reichspolitik und Luthersache, hg. von dems. u.a., Worms  1971, S.  13–58, hier S.  40. 7 feir] Feiertag. 8 Speir] Speyer. 13 Zuhandt] schnell. 14 Schleyer lad] Wäschekommode. 20 bey meinen trawen] auf mein Wort. 26 weiben] heiraten. 28 sondern] besonderen. 30 baß] besser. 32 m cht] könnte. 38 mach ich … tugent] Sprichwörtlich: ›Man mache aus der Not eine Tugend‹; vgl. TPMA Not 227–238; Röhrich, S. 1099. 40f. Vnd muß … gelbe Suppen machen] Vgl. [Johannes Pauli,] Des hochwirdigen doctor Keiserspergs narenschiff […] vß latin in tütsch bracht […], Straßburg  1520, zum  4. Kapitel von Brants Narrenschiff (Von nuwen funden): ann ein ful fleisch macht man ein gelle brüe/ man macht kein gellen pheffer an ein frisch fleisch/ aber an br semlin die gesteren überbeliben/ die alten wiber mit den gellen schleyeren sehen heruß/ als ein gereüchet stück fleisch vß einer gelen brüe (Bl. XXVIIIb). Vgl. auch zu I 9,101. 43 von stunden] sogleich. 44 ein h flich] eine feine. 45 Was … nit fast schon] Wenn etwas an sich oder an einem selbst unvollkommen ist. 52 darff zwar keinen] braucht wirklich keinen. 52 Krantz außhencken] Gemeint sind Kränze, die zum Zeichen des Weinausschanks an den Häusern angebracht wurden (sogenannte Kranzwirtschaften). Vgl. Richard Andree, Der grüne Wirtshauskranz, in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 17 (1907), S. 195–200, bes. S. 196. 56 Denn] als. 58 es] Gemeint ist ein Kleid, das angelegt (angethan) wird. 59 flittern] Putz, Schmuck.

Kommentar zu IV 29

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IV 29 Vonn einem Fuhrman/ vnd seinem Weibe. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 4 Fuder] Als Weinmaß etwa 900–1000 Liter, dann verallgemeinert die Ladung, die ein Wagen aufnehmen kann; vgl. Alberti, S. 320f. 5 geschwinden] heftigen. 12 gereit] bereits. 20 tropff] armer Kerl. 28 Kn)tteln] Knüppeln. 28 Mores lern] Redensartlich; siehe zu I 33,13. 29 fromme] anständige. 33 vor] für. 34 Weil jm auch Gott die ehre gan] Theologisch wurde die Überordnung des Mannes mit seinem Rang als zuerst Geschaffenem, dem die Frau als Gefährtin zugeordnet ist (nach Gen 2,18), und mit dem durch die Frau verursachten Sündenfall begründet; vgl. Marianne Heimbach-Steins / Ernst Haag, Mann u. Frau, in: Lexikon für Theologie und Kirche 6 (1997), Sp. 1275–1280. 34 gan] gönnt.

IV 30 Von einer Nonnen. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt; vgl. aber IV 40. Stellenkommentar 8 versorgt dieweil das hauß] sich in der Zwischenzeit um den Haushalt kümmere. 10 Maluasier] Der in Napoli di Malvasia angebaute Wein galt in Deutschland bis ins 17. Jh. hinein als der beste Wein und erreichte Spitzenpreise; vgl. Schubert, S.  202. Vgl. II  31,147. 13 der arm ist krum] Gemeint ist: von Geschenken; redensartlich, vgl. Röhrich, S.  100. 15 heurig] aus heutiger Zeit. 16 All Geystlichen … geirig] In dieser Allgemeinheit als Sprichwort nicht zu fassen. 16 gaben geirig] begierig auf Gaben. Der Reim ›heurig-geirig‹ auch IV  53,29f. 21 gund] begann. 25 greynen] weinen. 35 On] abgesehen von dem. 40–42 nem ein … tag] Ein ähnlicher Vergleich mit den gleichen Zahlen IV  67,51f. 43 Was sie … ich nicht] Ähnlich ironisch beginnt das Morale IV 40,45f. 44–48 Allein das … vermehren] Vgl. Gen 1,27f., und etwa Luthers Predigten über die Stelle (WA 14, S. 111, Z. 34–S. 112, Z. 26; WA 24, S. 51–57). 47 beren] zeugen. 53 das har abschneidt] Anspielung auf die Tonsur als klerikales Standesattribut. 58 schutzt] aufstaut.

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IV 31 Vonn einem trunckenen Pfaffen.

Kommentar zu IV 31 ATU 1836

Vorlage Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Neben Pauli 729 (1538), der die Geschichte deutlich anders erzählt, ist Waldis einer der frühesten Belege für diesen Stoff. Stellenkommentar 2 lecherlicher boß] lachhafte Geschichte. 12 An Metten … Fr)meß dacht] dachte weder an Mette noch an Frühmesse; vgl. zu III 98,73–75. 23–25 beten … Vatter vnser] Das Vaterunser gehört zu den Vorbereitungsgebeten vor jedem Stundengebet. 27 Da wusch er sich] Die Handwaschungen zu Beginn und während des liturgischen Ablaufs werden theologisch u.a. auf I Tim 2,8 zurückgeführt: volo ergo viros orare in omni loco levantes puras manus; vgl. Suntrup, S. 350–355. 29 Canon] Canon missae, der Hauptteil der Messe mit Wandlung und Kommunion. 30 Memori] Gemeint ist das Fürbittgebet für Lebende und Verstorbene, das nach der Wandlung folgt und mit Memoria oder Memento beginnt. 40 deste baß] umso mehr. 42 es gilt dir] Formelhafte Wendung beim Zutrinken; siehe zu I 9,57. 44 das Buch] Das Missale (Messbuch) enthält alle für die Messe nötigen Gebete, Lesungen und weiteren Texte sowie die für die Messfeier zu beachtenden Regeln. 45 Per omnia secla] Elliptisch für: ›sprach das per omnia saecula (saeculorum)‹ (›von Ewigkeit zu Ewigkeit‹), den letzten Vers aus dem Schlussgebet des Messkanons. 46 Dominus vobiscum] ›Der Herr sei mit euch!‹; in der lateinischen Liturgie der Gruß des Priesters an die Gemeinde (hier: nach Abschluss der Kommunion). 47 Jte missa est] Entlassformel der lateinischen Liturgie. Die Bedeutung ist bereits im Mittelalter nicht unstrittig (mögliche Übersetzungen: ›geht, die Versammlung ist aufgehoben‹ oder ›gehet hin, es ist Aussendung‹). Die Formel lautet in der deutschen Messe: ›Gehet hin in Frieden‹. 51 gar gemeyn] allgemein verbreitet ist. 51 Papisten] Siehe zu III 100,2. 55–64 Noch w llen sies … versenckt] Waldis wendet sich gegen das römische Verständnis der Eucharistiefeier, wonach mit den Einsetzungsworten Gott in Brot und Wein realpräsent sei; die lutherische Theologie versteht das Abendmahl dagegen als Erinnerungsritus und sieht Gott in Brot und Wein lediglich repräsentiert. Der Witz des gmeyne[n] P fel[s] setzt das römische Konzept voraus. 57 das alt sprichwort] Siehe zu Das Leben Esopi 13. 60 der gmeyne P fel sprach] die Leute sagten.

IV 32 Vonn einem Schmidt/ vnd seinem Son.

ATU 1543A

Vorlage Ähnliche Erzählungen von nur geträumtem Handel sind bereits im Mittelalter bekannt. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen.

Kommentar zu IV 33

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Stellenkommentar 1 ZV Fryburg … Brißgow leit] Der gleiche Fabelanfang in IV 4. 1 leit] liegt. 3f. war eben … moß] von normaler Größe und ungefähr 18 Jahren. Eine ganz ähnliche Beschreibung in IV  19,9f. 8 g)lden] Goldmünze; siehe zu I  14,58. 10 abher] herunter. 12 auß zu verkauffen beut] bot er zum Verkauf an. 13 beschritten] bestiegen. 14 Bedrabt] Unklar; Kurz erläutert: »im Trab probirt« (so auch FWB  3, Sp.  2088, mit nur diesem Beleg), Tittmann erläutert: »im Trab geritten«. Denkbar wäre vielleicht auch ›betastet‹ (vgl. den einzigen Wortbeleg DWb  1, Sp.  1705). Die Drucke EF haben Bedacht. 16 Weinkauff] Siehe zu III  25,36. 20 Rangen Wein] Wein, der am Rangen bei Thann im Elsass angebaut wurde; vgl. DWb 14, Sp. 97. 36 lose m r] leichtfertiges Gerede; Kurz’ Übersetzung »schlimme, böse Geschichten« passt nicht zum ersten Halbvers. 37 heint] heute Nacht. 40 sechs grosser Meil] Schon im Mittelalter unterschied man zwischen deutscher (›großer‹) und welscher (›kleiner‹) Meile; die große Meile beträgt etwa 7,5 km. Die Luftlinie zwischen Freiburg/Br. und Basel beträgt knapp  60 km. 42 bossen] Gaukelspiel. 44 dancken leßt vorliegen] Gedanken lässt er sich vorlügen. 45 dunckel gar verstellen] Ansicht völlig verzerren. 46–84 Wir lesen … mit den F)ssen] Der Erzählstoff, dass ein Kleriker träumt, er werde zum Bischof gewählt, und nach dem Erwachen entsprechende (unsinnige) Vorbereitungen trifft, ist bereits im Mittelalter belegt; vgl. Anecdotes historiques, légendes et apologues, tirés du recueil inédit d’Étienne de Bourbon, dominicain du XIIIe siècle, hg. von A. Lecoy de La Marche, Paris 1877, S. 224f., Nr. 268; Tubach, Nr. 1784 (»Dream of being bishop«). Woher Waldis den Stoff kennt, ist unklar. 50 einr Prelatur] einem hohen Kirchenamt. 52 Prior] Oberster eines Klosters nach dem Abt. 52 Apt] Klosteroberer. 59 sich wider eygt] wiederholte sich. 63 kamen die m r] kam die Nachricht. 78 vergn)gen] ersetzen. 80 sich mit … sterckt] rief er sein Gesinde zur Unterstützung.

IV 33 Von einer armen Nonnen. Vorlage Der Stoff dieser Fabel wird schon von Boccaccio (Decamerone IX,2) erzählt; eine Vermittlung über Steinhöwel ist nicht auszuschließen. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Vgl. auch zu Vers 44. Wenn das im Handlungskern sehr ähnliche Meisterlied von Hans Sachs: Die epthesin mit der pr)ech (Sämtliche Fabeln und Schwänke von Hans Sachs, Bd. 4: Die Fabeln und Schwänke in den Meistergesängen, hg. von Edmund Goetze und Carl Drescher, Halle/S. 1903, S. 38f., Nr. 263 [30.1.1546]) die Vorlage sein soll, müsste man annehmen, dass Waldis diesen Stoff noch kurz vor Drucklegung kennenlernte und bearbeitete. Stellenkommentar 3 Sich all … vor gesehen] allzu schlecht achtgegeben. 5 mit eim stumpffen Nagel gstochen] Geläufige Metapher für den Koitus; vgl. Müller, S. 84f.; Röh-

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Kommentar zu IV 34

rich, S.  1073. 6 viertzig Wochen] Anspielung auf die ungefähre Dauer einer Schwangerschaft. 11 lan] lassen. 15 Metten] Nachtgebet; vgl. zu III  98,73– 75. 16 Capitelhauß] Versammlungs- und Beratungsraum eines Konvents, heute: Kapitelsaal. 18 nam … f)r] ließ die arme Nonne zum Verhör vor sich treten. 21 Est culpa mea] Lat.: es ist meine Schuld. 23 ad Carceres] in die Kerkerzelle. 33 stripffen] Riemen. 34 spanne] Etwa  22–28 cm; vgl. zu IV  19,82. 34 zipffen] Zipfel. 37 on als gefahr] ganz zufällig. 38 Bropst] Vorsteher eines Dom- oder Stiftskapitels; kirchlicher Vorgesetzter; vgl. IV  40,41. 40 Bruch] Unterhose; vgl. zu I 17,66. 42 gehe hin … leben] Die Aufforderungen erinnern an die Worte Jesu, die er an die Ehebrecherin (Joh 8,11) richtet. 43 Weyß mich … rechen] Gemeint ist wohl: für die Entlarvung. ›Rächen‹ im Sinne von ›strafen‹ (wie es die Äbtissin vorhatte) ist in reflexiver Verwendung nicht belegt; vgl. DWb  14, Sp.  25f. 44 Es lebt … gebrechen] Sprichwörtlich: ›Alle Menschen sündigen (haben Fehler)‹, vgl. TPMA Sünde 50–64. Bei Agricola, Sprichwörter I  743, ist die Geschichte als Exemplum für das Sprichwort Wir seind alle gebrechlich (S. 551, Z. 2) aufgeführt. 45 denckt] beabsichtigt. 47 Ein newen B sen] Anspielung auf das Sprichwort ›Neue Besen kehren gut‹ (vgl. TPMA Besen 15–23). 48 Vnd machs … erst rein] Redensartlich: ›Vor der eigenen Türe kehren‹; vgl. TPMA Tür 38–40; Röhrich, S. 1651. 51f. Artzt … eygen wunden heyl] Sprichwörtlich; siehe zu I 88,11f., wo Waldis eine sehr ähnliche Formulierung gebraucht. 51 nim das Glaß … feyhl] Anspielung auf die Harnschau; vgl. zu II 89,7.

IV 34 Vom Wolffe vnd Fuchsse. Vorlage Eine Vorlage für diese Erzählung ist nicht bekannt. DG 608 verzeichnet nur die Waldis-Fabel. Stellenkommentar Ü Vom Wolffe vnd Fuchsse] Vgl. III  43. 11 gundt] begann. 11 weydlich] tüchtig; die Grundbedeutung ›jagdgemäß‹ schwingt mit. 12 ans beide solten setzen] ihnen beiden nachsetzen sollten. 17 straus] Auseinandersetzung. 18 K)rßner] Kürschner. 20 des stegreiffs nehrt] Redensartlich für ›vom Straßenraub lebt‹; vgl. Röhrich, S. 1532; DWb 17, Sp. 1389f. Die Metapher konnte auch das Jagdverhalten von Raubtieren wie Fuchs und Wolf bezeichnen (vgl. ebd.). 23 eben lang ansteht] ziemlich lange sich verzögert. 24–26 Der Krug … st)cken] Sprichwörtlich; siehe zu II 10,33f. 27–29 Man sagt … Galgen] Vgl. Agricola, Sprichwörter I  318: Eyn dieb ist nyrgent besser denn am galgen (S.  275, Z.  26). Als Sprichwort sonst nicht belegt. 29 gfehr] Gefahr. 35 gschied] gescheit. 38 vnderm arm … tragen] Gemeint ist: als Pelz oder als Tasche. 43 Werck] Gemeint ist wohl Pelzwerk allgemein; vgl. Schiller/ Lübben 5, S. 683. Kurz (»Würger? Wolf?«) und Tittmann (»norwegische Wöl-

Kommentar zu IV 35

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fe«) leiten die Form von ›Warg‹ (ursprünglich ›Unhold‹) her; Sandvoss, S. 141, schlägt die Lesart ›Wreck‹ (niederdeutsch für ›Reh‹; bei Schiller/Lübben nicht nachgewiesen) vor. 43 lasten] Wohl: Wiesel; vgl. Schiller/Lübben 2, S. 631f.; Sandvoss, S. 141f.; Sanders, S. 198. Tittmann schlägt die Lesart latsen vor und verweist auf eine »Art russischer Bären« (vgl. dazu auch DWb 12, Sp. 278: ›Latsche‹). 43 vielfraß] In der Frühen Neuzeit waren verschiedene Vielfraß-Arten mit kostbarem Pelz bekannt; nach Gesner ein Name für die Hyäne: Pinicianus grammaticus nostri seculi, hyenae nomen Germanicum finxit, grabthier, quod circa sepulchra uersetur: ego vilfraß interpretarer: quoniam uel gulo est, uel omnino congener ei fera, ut iam supra in Gulonis historia dixi (Historia animalium I, S. 624, Z. 57–60; Tierbuch, S. 358f.). 45f. Entpfeht … gearbeit hat] Siehe zu I 57,46. Literatur Lieb, S. 170, 173.

IV 35 Vom Jungen Gesellen/ vnd einem Wiert. Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist nicht neu (vgl. Bebel, Fazetien I  60). Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 1 zohe] zog. 4 halb maß] Siehe zu IV  18,50. 10 seycht] pinkelte. 15 leit] liegt. 16 zur mit] zur Miete. 18 thet sich erwegen] entschloss sich. 26 Auß frembder haut … schneidt] Sprichwörtlich: ›Aus fremder Haut schneidet man breite (lange) Riemen‹; vgl. TPMA Haut 83–88. Vgl. umgekehrt IV 13,57 zu Lederriemen, bei denen unzulässig am Material gespart wird. Bei Franck, Sprichwörter, S. 334, Z. 22f., sind dieses und das folgende Sprichwort unter der Rubrik De alieno ludere corio (ebd., Z.  19) gemeinsam aufgeführt. 27f. Jns andern Ohr … Filtzhut wer] Sprichwörtlich: ›In ein fremdes Ohr schneidet man wie in einen Filzhut‹; vgl. TPMA Ohr 151–154. Literatur Kipf, S. 495; Stiefel, Esopus, S. 490.

IV 36 Wie einn Gesell Beichtet.

ATU 1804**

Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt; ATU verzeichnet keine literarischen Belege, sondern nur Versionen aus mündlicher Überlieferung des 20. Jhs.

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Kommentar zu IV 37

Stellenkommentar 1 VOr zeiten] Bei Waldis ist die Vorzeit häufig negativ konnotiert; vgl. Lieb, S. 107f. 3f. Beicht … Karwoch] Siehe zu IV 14,6–8. 8 bawten] stärkten; vgl. FWB  3, Sp.  190, mit diesem Beleg. 9 grossem zag] großer Angst. 10 Also gieng hin … tag] über Jahre so zur Beichte hinging. 11 Sacrament] Bußsakrament. 12 Veracht] nicht hielt. 13 stach] bestach. 18 stellen] Siehe zu IV 1,24. 21 Presentz] Präsent. Die Wortform ist schwach belegt; vgl. FWB 4, Sp.  943. 22 b ß Sententz] bösen Urteilsspruch. 23 wirdt … auß vbel erger] Redensartlich im Sinne von ›wird die Sache noch schlimmer‹, von Luther häufig verwendet und als Sprichwort angeführt (vgl. WA 8, S. 680, Z. 21f., sowie DWb 23, Sp. 25). 24 Schreckenberger] Kursächsische Silbermünze; siehe zu III 98,49. 26 Ablaß] Siehe zu II 75,36. 29 Creutzer] Ursprünglich österreichische Kleinmünze von geringem Edelmetallgehalt, aber auch im süddeutschen Raum weit verbreitet und im 16. Jh. dort nachgeprägt; vgl. Schrötter, S. 324f. In der Reichsmünzordnung 1524 wurde er mit einem Drittel Groschen angesetzt; vgl. zu I 27,19. 32 Bub] Spitzbube. 39–42 G ttlich schrifft … geschrieben] In der Abwandlung der traditionellen Formel vom ›Wort Gottes‹ (vgl. V. 33) mag sich nicht nur die frühneuzeitliche Schriftkultur, sondern auch das lutherische sola scriptura-Prinzip widerspiegeln. Zugleich rücken in ihr Luthers Schriften näher an die Verkündigung der christlichen Lehre heran. 42 das … geschrieben] hätte Luther nicht geschrieben. Literatur Lieb, S. 107f.

IV 37 Von einem faulen Weibe. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 6 grisch] lebhaft; vgl. DWb 5, Sp. 3714, mit diesem Beleg. 7 fast] sehr. 9 Gedacht] sie dachte. 21 Wer gerne Tantzt … Pfeiffen] Sprichwörtlich: ›Wenn einer gerne tanzt, ist ihm leicht zu pfeifen‹; vgl. TPMA tanzen 47–54. 22f. Wer gerne Jagt … ein Wildt] Sprichwörtlich, im Deutschen nur bei Franck und dort in knapperer Form belegt (›Jage, dann fängst du‹; vgl. Franck, Sprichwörter, S. 47, Z. 7 und 24; S. 76, Z. 34); vgl. TPMA jagen 5–7: ›Wer (einen Hasen, Hirsch, Vogel) jagt, der fängt (einen)‹. Näher steht Waldis französischen Varianten des 12.–15. Jhs. (vgl. ebd. 1–4). 24 vorwitz] Begierde. 27 das sich … stechen] sich einen faulen Lenz zu machen; vgl. zu III 48,16. 28 von eim Zaune brechen] Redensartlich; vgl. Murner, Narrenbeschwörung  15; TPMA Zaun  46–56; Röhrich, S. 1760.

Kommentar zu IV 38

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IV 38 Vom F(rsprechen/ vnd einem Bawren. Vorlage [Agricola, Sprichwörter I 157] Gut gruß gibt gut antwort. Es ist geschehen zur Naumburg inn Doringen/ daß ein Zungendrescher fur eines goltschmids laden gangen ist/ und do er einen gefunden hat/ der ubel bekleydet gewesen/ einen bawersman/ welcher dem goldtschmide etliche kleine kornlin goldes hat angebotten zu verkauffen/ Da hat er yhn gefragt/ Was bistu fur ein hantwercksman? Der bawer antworttet/ Ich bin ein goldtwescher/ Da sagte der zungendrescher/ Bistu ein goldtwescher/ und hast so bose kleyder an? Ich bin auch ein wescher/ aber besser federn hab ich an denn du/ unnd wasch doch kein goldt. Der bawer antwort/ Es ist war herr/ so gute kleyder hab ich nicht als yhr/ aber eynen fortteyl hab ich vor euch/ Wenn man mir gleich ynn die werckstadt scheisset/ so floesset es das wasser hynweg/ wenn man aber euch ynn ewre werckstadt scheisset/ so bleibt der dreck darynnen (S. 114, Z. 25–S. 115, Z. 5).

Stellenkommentar 1–4 Newnburg … dar] Naumburg an der Saale (heute zu Sachsen-Anhalt) wurde im Spätmittelalter vor allem durch Waid-, Tuch- und Bierhandel bekannt. Bis ins  16. Jh. fand hier die größte Handelsmesse in Mitteldeutschland statt. 5 F)rsprech] Advokat; vgl. DWb  4, Sp.  833, auch mit Bezug auf diese Stelle. 7 speyger Vogel] Spötter; vgl. DWb  16, Sp.  2081f. 9 Speybanck] Spottbank; vgl. DWb 16, Sp. 2066, mit nur diesem Beleg: »bank wo die spötter sitzen, mit anklang an ps. 1,1« (WOL DEM DER NICHT […] sitzt da die Spötter sitzen). Siehe auch Schiller/Lübben  4, S.  306f. 10 Dazu … gmeyner gang] an einem vielbegangenen Weg. 16 h neisen] Siehe zu I 63,20. 19 Denn das] als dass sie. 20 mit Molten … auß tragen] Wohl im Sinne von: ›den Tag vergeuden‹, oder aber: ›unspektakuläre Abläufe groß machen‹. Molten sind große Kübel oder Wannen. Im 19. Jh. scheint die Redewendung in Danzig gebräuchlich; vgl. Preußische Sprichwörter und volksthümliche Redensarten, gesammelt und hg. von H. Frischbier, zweite vermehrte Aufl., Berlin  1865, S.  258, Nr.  3694. 25f. in Teutschlandt … Perlen find] Das Goldwaschen aus Flüssen und Bächen war im frühneuzeitlichen Deutschland weit verbreitet (vgl. Krünitz 19, S. 326f.), vor allem auch im Thüringer Wald, z.B. an der Schwarza, einem Nebenfluss der Saale (ca. 25 km von Naumburg entfernt). Für Perlenfischerei waren besonders Bayern, Sachsen und Liefland bekannt, vgl. ebd. 108, S. 525. 27 von wannen her] woher er komme. 34 halt … leben auff] erwerbe ich mir meinen Lebensunterhalt. 37 h ß] Gewand. 39 wescher] Schwätzer. 40 Zungen drescher] Im 16. und 17. Jh. verbreiteter Spottname für Advokat. Vgl. Alberus, Dictionarium, Bl. ss1b; DWb 32, Sp. 610–612. 51 hofiert] die Notdurft verrichtet; vgl. DWb 10, Sp. 1684, auch mit Bezug auf diese Stelle. 52 l ttich] lehmig, auch dreckig; vgl. DWb  12, Sp.  791f. 55f. Gleich wie … gstalt] Sprichwörtlich: ›Der Wald gibt stets einen Widerhall‹; vgl. TPMA Wald 5. 57f. Eim lieblichen … muß] Sprichwörtlich: ›Guter Gruß, gute Antwort‹; vgl. TPMA Gruß 31f., sowie oben, Vorlage. 59 eygnet] gebührt. 61 Der H her … spot] Vgl. Brant, Narrenschiff 42,21f.: Der h her eyn spottvogel ist | Vnd ist doch vil/ das jm gebrist. Die zeitgenössi-

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Kommentar zu IV 39

sche Naturkunde leitet aus dem lateinischen Namen jene Haupteigenschaft des Eichelhähers her: Garrulus dicitur a garriendo. non enim quisquam transire potest, contra quem non garriat (Gesner, Historia animalium III, S. 673, Z. 32; vgl. Gesner, Vogelbuch, Teil 1, S. 31). 62 wirdt der … Gott] Bildlich für: oft überwältigt ihn der Jäger.

IV 39 Vom Pfaffen vnd seiner Metzen.

Tubach 2455

Vorlage Dieser Erzählstoff ist als Exemplum bereits im Mittelalter bekannt. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 1f. vber zwentzig Jar … Sachssen] Die (relative) Datierung und die Lokalisierung haben vermutlich nur die Funktion, die alte (fiktive) Geschichte in einem vorreformatorischen Umfeld zu situieren. In Hildesheim konnte die Reformation erst 1542 und auch nur in etwa dem halben Stadtgebiet durchgesetzt werden. 3 Vicarey] Amtssitz eines Vikars, d.h. des Stellvertreters eines ordentlichen kirchlichen Vorstehers. 4 Metz] Hier: Haushälterin und Konkubine eines Geistlichen; allgemein Bezeichnung für ein Mädchen niederen Standes; vgl. zu IV  42,6, und IV  70,13. 5 sch n] Schönheit. 6 Thum] Dom. 7 Herrn] Gemeint sind wohl Domherren, also Geistliche (vgl. V. 33) des Domkapitels; vgl. IV 4,7. 8 jm mit fug nit wern] auf anständige Weise nicht gegen ihn vorgehen. 10 Zohen an … seyl] Redensartlich: ›An einem Seil (Strick) ziehen‹, hier im Sinne von ›dieselben (unmoralischen) Interessen verfolgen‹; vgl. TPMA Strick 23–27, mit Nachweisen nur aus dem Französischen und Italienischen; Röhrich, S. 1461, ohne Nachweise. 11 vergundt] missgönnt. 14 das Roß entreiten] Das Bild hat die im Fastnachtspiel verbreitete Metaphorik vom Reiten als Sexualakt (siehe zu III 83,8) zur Voraussetzung. 16 begoben] beschenken. 17 wardt mercken] zu merken begann. 29 verkiesen] verlassen. 30 verliesen] verlieren. 31 Des solt … versehen] verlasst Euch darauf. 34 an jm … schaffen] nichts gegen ihn ausrichten konnten. 36 besagten] anschuldigten. 42 Auff jre Metzen trotzet stets] Unklar; eine an dieser Stelle zu ›trotzen auf‹ (›im Gefühl der Überlegenheit pochen auf‹; vgl. DWb 22, Sp. 1133–1135) passende Bedeutung von ›Metze‹ (›Stand als Konkubine‹) ist nicht belegt. Erwartbar wäre, dass die Konkubine die Metzen der B)rger (V.  39) provoziert; mit dieser Bedeutung hat ›trotzen‹ aber stets den bloßen Akkusativ bzw. Dativ. 45 den butzen] das Schreckgespenst, oder: den (Kleider)Putz; beide Bedeutungen lassen sich auf die übertriebene Darstellung vom Auftreten der Konkubine beziehen. 47 bey dem Bann] unter Androhung der Exkommunikation. Das Recht, einen Bann auszusprechen, hat für seine Diözese der Bischof. 56 massen] mäßigen. 59 verliesen] verlieren. 60 kiesen] wählen. 67 man viel wort macht] Redensartlich; vgl. Röhrich, S. 1745; vgl. auch Luthers Übersetzung von Sir 7,15 und Mt 6,7. 70 Elene] Die-

Kommentar zu IV 40

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ser Name vielleicht in Anspielung auf die schöne Helena der griechischen Mythologie. 77 schon] schön. 78 kein] eine. 83 erwegen] dreist. 87f. Jr gut auff hangen … solten decken] Unklare Syntax. Das geizige Sparen (auff hangen) des Besitzes, mit dem man nach christlichem Gebot die Armen decken (›versorgen‹) sollte, wird entweder um ein Objekt ergänzt (das gut wird in faulen secken verwahrt), oder es liegt ein gegen die kritisierten Leut (V. 83) gerichteter Einschub vor. Das Bild ›fauler Sack‹ für den sterblichen Menschenleib wird u.a. von Luther wiederholt verwendet; vgl. zu I 76,7. 89f. die schnitt … Zuwerffen] Vgl. das Gleichnis vom Reichen und dem Bettler Lazarus (vgl. Lk  16,19–22). 90 Heller] Münze von sehr geringem Wert; siehe zu II 4,82. 94 Zwischen zwen st)len nider sitzen] Redensartlich; vgl. Röhrich, S. 1581f.; DWb 20, Sp. 333; eine Variation der Phrase III 93,234. Der Ausdruck wird meist auf denjenigen angewandt, der sich zwischen zwei Dingen nicht entscheiden kann und deshalb gar keines erhält; so auch bei Murner, Schelmenzunft 19. Mehrere Belege erlauben allerdings auch die Lesart ›in der Patsche sitzen‹; vgl. TPMA Stuhl 47–50: ›Zwischen (Auf) zwei Stühlen sitzen (und hinunterfallen)‹.

IV 40 Vonn einer krancken Nonnenn. Vorlage Eine Vorlage für diese Erzählung ist nicht bekannt. Vgl. aber IV 30 sowie die ähnliche Thematik in Bezug auf einen Mönch in II 60. Stellenkommentar 1 VNd wer … muß] Vom ersten Vers an ist die Erzählung doppeldeutig, indem sich die Aussagen auch auf die Liebeskrankheit der Nonne beziehen lassen. Vgl. auch IV 30 und IV 33. 2 kummer] Mangel; vgl. Vers 44 sowie DWb 11, Sp. 2598. 2 buß] Strafe. 4 jm] sich. 6 angst] Bedrängnis. 8 kleines] feines. 16 Conuentualiter] Gemeint ist: alle zusammen, der ganze Konvent. 18–22 brennt … schwitz] Traditionelle Motive der in der Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit häufiger beschriebenen Liebeskrankheit (vgl. auch erröten/ erbleichen; V. 6). Auch die zeitgenössische Medizin erkennt diese Krankheit und ihre Symptome an. Sie entsteht demnach durch unerfülltes Begehren; als Therapie wurde Ablenkung oder Beischlaf empfohlen. 33 mein Schwester] Vgl. IV 30, wo allerdings die verheiratete Schwester für das Klosterleben spricht. Möglicherweise in Analogie zum ›Bruder‹ (siehe III 34,13) Umschreibung für die weiblichen Genitalien. 36 D rfft] müsste. 38 b)ssen] heilen. 40 zwar] wahrlich. 40 thewr] selten. 41 Probst] Vorsteher eines Dom- oder Stiftskapitels; kirchlicher Vorgesetzter; vgl. IV 33,38. 44 stopffen] beenden; vgl. DWb 19, Sp. 318, auch mit Bezug auf die Stelle. 45f. Was Wassers … vnbewust] Ähnlich ironisch beginnt das Morale IV 30,43. 47 halt ich] glaube ich. 47 gezwagen] Gewalt angetan; vgl. DWb 32, Sp. 931, mit Bezug auf die Stelle. 48 fleischgabeln wol geschlagen] Metapher für den Beischlaf; vgl. III 6,4. 50 zwey par Schuh vorm

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Kommentar zu IV 41

Bette] Gemeint ist die Ehe; vgl. die Moral zu IV 30 (V. 45–52) und II 60,1–11. 51 die Laudes glesen] Bildlich für: ›durchgeprügelt‹, ›heftig gescholten‹ (vgl. IV 81,123; FWB 9, Sp. 393); hier wohl als sexuelle Metapher (vgl. zu II 60,58).

IV 41 Von zweien Br(dern. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 2 listig/ frech] schlau, aufgeweckt. 7 baldt zu stunden] sogleich. 13 l)stig] munter. 14 Sich] sieh. 16 leistu] liegst du. 21f. Der faule … entsch)ldigen mug] Vgl. Brant, Narrenschiff 97,32: Fulkeyt erdenckt eyn w rwort [›Wehrwort‹: Ausrede] baldt. 21 außzug] Ausrede. 22 mug] kann. 25f. Mancher … baldt begegen] Variante des Sprichworts: ›Aus dem Regen laufen und ins Wasser fallen‹; siehe zu I 76,31f., und II 51,23f. 25 verschohnt] weicht aus; vgl. DWb 25, Sp. 1142, mit nur diesem Beleg. 27f. Man sagt … zumaß] Als Sprichwort nicht nachweisbar. 28 zumaß] im rechten Maße.

IV 42 Vonn einem Schuhster. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 5 bider] rechtschaffen. 6 Metzen] Hier: Braut; vgl. aber zu IV 39,4. 18 Hamburger Bier] Im 15. und 16. Jh. hochgeschätzte Biersorte. 1574 wurde die Einfuhr des Hamburger Biers in Lübeck verboten. Vgl. Wolf Bing, Hamburgs Bierbrauerei vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 14 (1909), S. 209–332, bes. S. 253f., 290–292. 19 eben] recht. 20 begeit] begab. 24 zu gut vertragen] freundlich aufnehmen. 30 M cht] es könnte. 31 Etwan] einst. 31 on gefehr] unversehens. 32 walgt] ekelt; vgl. DWb  27, Sp.  1233. 42 solts zwar] wirst es sicher. 43 zu kr)mpffen] weniger zu werden (bezogen auf zerung). 44 zerung] das für Lebensmittel zur Verfügung stehende Einkommen. 44 zu r)mpffen] sich zusammenzuziehen. kr)mpffen und r)mpffen ist im Gegensatz zum Dehnen des Leders gesagt (vgl. V. 63f.). 51 baß] besser. 56 Couent] Kofent (Nachbier), ein Dünnbier minderer Qualität aus einem Nachsud; vgl. Leonhard Mehlber, Bier. Untersuchungen zum Wortschatz des Brauwesens (Teil II), in: Jahrbuch 1982, hg. von der Gesellschaft für die Geschichte und Bibliographie des Brauwesens, Berlin  1982, S. 99–226, hier S. 105–107. 59 recken] strecken. 62 feyßten weichen] fetten

Kommentar zu IV 43

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Lendenstücke. 64 rampff] Etwa: Erschlaffung, Verlust der Spannkraft; vgl. Vers 44. 66 die schuldt] der Grund. 68 Zeuh her] ziehe. 75f. vnrein handt … bissen] Abwandlung des Sprichworts ›Der dreckige Fuß findet immer etwas‹; vgl. TPMA Fuß 33–34, 37–39; Walther, Nr. 21427: Pes bona lutosus, sed nulla dat accidiosus. 77f. Wer der arbeit … gelohnt] Unklar; der Sinn ist vielleicht: Wer aus Erbarmen (ironisch: weil ihn die Mühsal des Arbeitens erbarmt) die Arbeit meidet (verschont; vgl. DWb 25, Sp. 1142, mit nur einem Beleg, siehe zu IV 41,25), der kann als Lohn nur auf Barmherzigkeit hoffen; kurz: wer nichts tut, bekommt nichts. Dies würde gut zu den vorangehenden Versen passen. Allerdings ist zu bedenken, dass es bei Agricola, Sprichwörter I  268, folgendes Sprichwort gibt: Wer auff gnad dienet/ dem lonet man mit barmhertzigkeyt (vgl. auch TPMA dienen 134–137) und dazu folgende Erläuterung: mit barmhertzigkeyt/ das ist/ ubel gelohnet (S. 215, Z. 24f.). Es könnte sein, dass Waldis hier (wie auch V. 75f., 79f.) das Sprichwort variiert im Sinne von: ›Wer im Vertrauen auf Gnadengaben (vgl. DWb 8, Sp. 550) nicht arbeitet, wird schlecht belohnt‹; dann aber wäre ein textkritischer Eingriff (»auf« statt auß) nötig. 79f. Wer … Honig schmecken] Variation des Sprichworts ›Mit dem Genuss des Honigs ist der Stich des Stachels verbunden‹; vgl. TPMA Honig 161–166.

IV 43 Vonn einem Schneider.

ATU 1574A(2)

Vorlage Eine Vorlage für diese Erzählung ist nicht bekannt. Die Version von Waldis scheint der früheste Beleg für diesen Stoff zu sein. Stellenkommentar 1 tuch von Lunden] Ein besonders feines Tuch; vgl. zu II 54,74. 3 geschorn] geschnitten. 4 jm selb] für sich selbst. 9 foder gern] Wohl: Futterstoff; gern (›Garn‹?) sonst nicht in dieser Bedeutung belegt. Die Drucke BCE haben forder gern, F hat fordern Gern. 13 Da wurden auß] daraus wurden. 16 Hub auff] Wohl: begann mit der Arbeit; vgl. IV 30,25. 22 vber laufft] übrig bleibt. 25 den ritt] das Fieber; zur Fluchformel siehe zu II 75,7. 27 sich … massen] sich nicht mäßigen kann. 28–31 Von b ser gwonheyt … Chor] Mit der Klostergemeinschaft der ›dürren Brüder‹ (vgl. DWb 2, Sp. 1737, auch mit Bezug auf diese Stelle), in deren ›Chor‹ (den für die Geistlichen reservierten Kirchenraum) man mit Leitern hinaufsteigt, sind die am Galgen Erhängten gemeint. Dem Schneider wird damit die für Diebe übliche Strafe (vgl. zu III  5,14) gewünscht: Er hatte regelmäßig ein Drittel des Tuchs seiner Kunden beim Zuschneiden unterschlagen. 29 globen] Hier: stecken. 34 Meister Hans] der Henker; vgl. DWb  10, Sp. 458f., mit zahlreichen Luther-Belegen.

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Kommentar zu IV 44

IV 44 Vom Fuchß/ vnd dem Habich. Vorlage Eine Vorlage für diese Fabel ist nicht bekannt. DG 186 verzeichnet nur die Waldis-Fabel. Stellenkommentar 2 sach] Ursache. 3 einfaltig Tauben] Siehe zu I 18,17. 7 durchechten] verfolgen; vgl. zu II  34,13. 9 fromen] Anständigen. 11 Erbeyß] Erbsen. 11 Wicken] Wicke; eine krautige Futterpflanze (vgl. BDN, S. 424, Z. 20–29). 13 Rappen] Raben. 14 Trappen] In Gesners Vogelbuch auch Trappganß und Ackertrapp genannt (lat. Tarda, Bistarda) (Teil 1, S. 212). Dort heißt es: Sie werden auch offt in den Saten gefunden (S. 213; Historia animalium III, S. 470, Z. 59). 21 legn … nider] Wohl: legen wir gegenseitig Folgendes fest (vgl. DRW  9, Sp.  1500). 31 frommen] nützen. 32 der] von. 41 sprichwort] Siehe zu Vers 45f. 45 gwalt geht vbers recht] Hab 1,3: Es gehet gewalt vber Recht. Sprichwörtlich: ›Gewalt geht vor Recht‹; vgl. TPMA Gewalt 95–102. 45f. da die gwalt … Knecht] In dieser Erweiterung ließ sich das Sprichwort vor bzw. unabhängig von Waldis nicht nachweisen. 47 alte boß] alte Anekdote. 48–50 Heydnischen Philosophos … gelacht] Gemeint ist Heraklit; viele Belege bei Andreas Brandtner, Das Demokrit-Heraklit-Thema in der Frühen Neuzeit. Rezeptions- und wirkungsgeschichtliche Skizze der Repräsentation in Text und Bild, in: Frühneuzeit-Info 2 (1991), Heft 2, S. 51–62. 60 Die grossen … hencken] Sprichwörtlich: ›Die großen Diebe hängen die kleinen‹; vgl. TPMA Dieb 59, 63–65. 62–64 Ein Spinnweb … bekleben] Sprichwörtlich: ›Spinnengewebe lassen große Tiere durch und fangen nur die kleinen‹; vgl. TPMA Spinne 36–38, auch im engeren rechtlichen Kontext (ebd. 48f.).

IV 45 Vonn einem Brillenschneider.

Pauli 514

Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist zuerst im Ulenspiegel belegt (Ein kurtzweilig lesen von Dil Ulenspiegel geboren vß dem land z* Brunßwick. Wie er sein leben volbracht hat .xcvl. seiner geschichten, Straßburg 1519, Faksimileausgabe Leipzig  1979 [Kommentarband von Anneliese Schmitt], Hist.  63). Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 4 vmb Gotts willn] um Gottes Lohn, d.h. ohne bezahlen zu müssen. 7 bossen] Kerl; vgl. zu III  87,12. 9 mochten] könnten. 10 Seckel] Geldbeutel. 20f. man siht … finger] Redensartlich; siehe zu II 93,40. 23f. Groß Kamelthier … Mucken] Vgl. Mt 23,24: Jr verblente Leiter/ Die jr Mucken seiget/ vnd Kamel verschluckt; dazu Luthers Marginalie: Das ist/ jr machet enge Gewissen in geringen stücken/ vnd achtet nicht der grossen stücke. Sprichwörtlich: ›Mücken seihen und Kamele verschlucken‹; vgl. TPMA Mücke 23–26. 25 grossen Han-

Kommentar zu IV 46

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sen] großen Herren; vgl. zu I 5,45. 25 jrs mutwillen] wie sie wollen. 26 Verkauffen … Brillen] Sprichwörtlich; siehe zu IV 8,84. 27 gd ß] Getöse. 30 die Saw hat spinnen glert] Luther verwendet das Bild in Verbindung mit dem sprichwörtlichen ›Esel, der Leier spielt‹; vgl. TPMA Esel 111–114.

IV 46 Vonn einem krancken Bawren. Vorlage Die Geschichte wird bereits von Bebel, Fazetien II 32, erzählt. Ob Waldis diese Vorlage benutzte, ist unklar. Stellenkommentar 8 Hiesch den Pfarrherrn] ließ er den Pfarrer kommen. 9 jn Examiniert] fragte ihn aus. 11 nents vberhaubt] nennt sie sämtlich. Der Pfarrer orientiert sich offenbar wie üblich am Inhalt des Katechismus. 15 vrstend] Auferstehung. 16 Will mir … gerothen] kann ich nicht glauben. 20 ichs vor … schreib] ich halte das für eine Lügengeschichte. 22 als rechts] aller Rechte. 25 Bleibst vnbeleut vnd vnbeklungen] Gemeint ist: keine Kirchenglocken werden für dich läuten; vgl. auch I  69,19. 26 Seelrecht] Seelenmessen; siehe zu III  90,8. 27 gut ger)cht wirdt krencken] guten Namen beschädigen wird. 29 baß] besser. 31 fristen] bewahren. 33 es will den ritten han] Fluchformel; siehe zu II  75,7. 39 strauß] Kampf. 41 halt zwar] meine wirklich. 42 nur ein laut/ gantz d vnd taub] Möglicherweise eine Anspielung auf I Kor  13,1 (vgl. auch Luthers Marginalie zu I Kor 13,2): WENN ICH MIT MENSCHEN VND MIT ENGEL zungen redet/ vnd hette der Liebe nicht/ So were ich ein donend Ertz oder eine klingende Schelle. 44 vnzeitig] unreif, oder: zur falschen Zeit. 46 Tabulatur] Hier etwa: Zusammenhang der Glaubenssätze. Ursprünglich eine Notationsweise für mehrstimmige Musikstücke bzw. für Saiteninstrumente, in der Frühen Neuzeit im übertragenen Sinne von ›Vorschrift‹, ›Regel‹, ›Ordnung‹ gebraucht; vgl. DWb 21, Sp. 7f., auch mit diesem Beleg. 47 begund zu strauchen] unsicher wurde. 50–52 Das Bapst Leo … Concilion] Auf dem fünften Laterankonzil wurde unter Leo X. am 19.12.1513 die Unsterblichkeit der Seele in den Rang eines Glaubenssatzes der Kirche erhoben; vgl. Olivier de la Brosse u.a., Lateran V und Trient, Mainz 1978 (Geschichte der ökumenischen Konzilien 10), S. 95–99. 54 decernirt] beschlossen. 55 darin begeben] darein ergeben. 65 Da f)hrt … blinden] Vgl. Mt 15,14: Wenn aber ein Blinder den anderen leitet/ so fallen sie beide in die Gruben; vgl. auch Lk 6,39. Zum sprichwörtlichen Gebrauch siehe TPMA blind 102–106: ›Ein Blinder führt den andern‹. 66 dem Teuffel finden] Wohl: beim Teufel wiederfinden, oder: sich vom Teufel erwischen lassen; der Gebrauch von ›sich finden‹ mit Dativ ist in DWb nicht belegt. Literatur Kipf, S. 495f.

300

IV 47 Vom Bettler/ vnd einem M(ller.

Kommentar zu IV 47 ATU 1853

Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist bereits bei Bebel, Fazetien I  3, und Pauli  784 (1545), belegt. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 2 h)len] Höhle, oder aber: Teich; vgl. DWb 10, Sp. 1894. 3 den selben M)ller fron] Etwa: diesen hohen Müllersherrn. 8 dabey genesen] damit über die Runden gekommen. 10 leicht] wahrscheinlich. 11 verthun nit haben w llen] Wohl: mit deinem Verschwenden nicht einhalten wollen; vgl. DWb 25, Sp. 1898. Eine Verwendung von ›haben‹ im Sinne von ›innehalten‹ (so erläutert Kurz) scheint hier naheliegend, ist aber nicht belegt. 12 ind narung zustellen] den Lebensunterhalt zu erwerben. 14 auff ein alten Mann] auf deine alten Tage. 15 gute Malter] ›Molter‹ oder ›Malter‹ heißt der als Mahllohn entrichtete Anteil des zu mahlenden Korns. Die aus der Perspektive des Müllers gute[n] Malter sind diejenigen, die sonst ›schlechte Malter‹ heißen (vgl. IV 86,10). 21 mit der Molten gmetzt] Unklar; entweder: (das Korn) zusammen mit Staub und Erde (›Molde‹; vgl. DWb  12, Sp.  2477) abgemessen, oder: deinen dir zustehenden Mahllohn bestimmt. ›Metzen‹ bezeichnet die Bestimmung der zu mahlenden Menge Korns bzw. des Malter (V.  15) durch ein geeichtes Hohlmaß (Metze); vgl. DRW  9, Sp.  588–591;  593;  827f. Mühlen waren in Mittelalter und Früher Neuzeit häufig Bannmühlen, d.h. die umliegende Bevölkerung war verpflichtet, in einer bestimmten Mühle mahlen zu lassen (vgl. F. W. Henning, Mahlzwang, in: HRG  3, Sp.  156–158). Trotz zahlreicher obrigkeitlicher Kontrollmechanismen sorgte diese Abhängigkeit für Misstrauen gegenüber den Müllern, denen u.a. häufig vorgeworfen wurde, den Molter mit zu großen Metzen zu bestimmen (vgl. V. 15 und IV 86,11); die Unehrlichkeit des Berufsstandes war sprichwörtlich. Vgl. Kropaþ, S.  88–97. 22 beschetzt] (zum Zweck der Abgabenbestimmung) eingeschätzt; vgl. zu III 24,5. 23 D rfftst] müsstest du. 23 Partecken lesen] Almosen sammeln. 25 all mit ein] alle miteinander. 34 Ein jedes Ampt … werd] Sprichwörtlich: ›Kein Amt ist so klein, dass es nicht das Hängen wert wäre‹; vgl. TPMA Amt 35–37.

IV 48 Von pffeln/ vnnd einem Roßdreck.

DG 465

Vorlage [Camerarius, Fabulae, Bl. 151a (Nr. 396)] Poma et Sterquilinium. Forte sublatum cum pomis sterquilinium subita aquarum exundatione fluitabat in eo loco, ubi dudum iacuerat. Tum se illud et in aquis vehi et ferri cum pomis praeclarum existimans: »Quam scite nos«, inquit, »poma natamus?« Sed paulo post humiditate dissolutum in aquis evanuit. Fabula narratur contra gloriationis vanitatem.

Kommentar zu IV 49

301

Stellenkommentar 5 versach] gemacht hat. 9 r ßlicht] rosenrot. 10 enthielt sich] bewahrte sich. 13 on als gefehr] ganz zufällig. 14 Niden] flussabwärts. 15 gund] begann. 15 stallen] harnen. 16 Feigen] Gemeint ist ein Pferdeapfel. 17 eben da zumoß] gerade richtig. 19 des] deswegen. 22 Seht wie … fliessen] Das Wort und mehr noch die lateinische Formel Nos poma natamus (vgl. Camerarius) ist in der Frühen Neuzeit sprichwörtlich; vgl. TPMA Apfel 47–54, ferner Alberus, Fabeln  34,61 Marg. Der Ausspruch des Unrats erscheint auch als Marginalie in Alberus’ Schrift Der Barfuser M)nche Eulenspiegel, Bl. C3b (Nr. 87), und im polemischen Widmungsbrief der Luther zugeschriebenen Fabel Vom Löwen und Esel (WA 26, S. 546, Z. 13); vgl. auch II 47,15–18. 24 stellen] hinstellen. 28 Man kent … Ohrn] Sprichwörtlich; siehe zu I  90,71f. 32 Das Ika … kennen] Dass die Stimme des Esels unverkennbar sei, ist sprichwörtlich; vgl. TPMA Esel 146–149, mit älteren Belegen. Den gleichen Laut wie hier bringt der Esel in I 13,36 hervor. 36 Der Meußdreck … mengt] Sprichwörtlich: ›Mäusedreck unter dem Pfeffer‹; vgl. TPMA Pfeffer 27–41. 37 sch lck] arglistigen Menschen. 37 frummen] Anständigen. 40 ind L wen haut verkleyden] Vgl. Franck, Sprichwörter, S. 23, Z. 37. Andere Sprichwörter über den Esel im Löwenfell betonen meist, dass der Verkleidete eben doch leicht zu erkennen sei, wie in I 90 erzählerisch ausgestaltet; vgl. TPMA Esel 351–353; Röhrich, S. 395f. 42 gacht] geachtet. Literatur Stiefel, Quellen, S. 258f.

IV 49 Vom Wolffe/ vnd Fuchsse. Vorlage Eine Vorlage für diese Fabel ist nicht bekannt. DG 609 verzeichnet nur die Waldis-Fabel. Stellenkommentar 6 d rfftst] du brauchst. 9 Kum sich] komm, sieh. 9–12 Kum sich … Wagen] Vgl. IV  73,1–24. 10 leit ein feyßte seiten] liegt eine dicke Scheibe. 15 zohens] zogen sie. 19 Reynhart] Name des Fuchses in der Tierepik; vgl. zu I  59,28. 25f. man sagt … Veldt] Sprichwörtlich: ›Der Hunger jagt den Wolf aus dem Wald‹; vgl. TPMA Wolf  254f. 34 mich durchhin schmucken] hindurch schlüpfen. 37 on gfehr] zufällig. 41 gunt] begann. 46 zwar] wirklich. 49 eben] ziemlich. 55 Zuhandt] sofort. 63 sich theten so beweysen] sahen sie so aus. 64 h)t] Helme. 66 Schauben] Obergewänder. 71 Als] wie. 79 das rauhe innen] die haarige Seite des Pelzes nach innen. 80 baß bey sinnen] für vernünftiger. 85 von vorwitz] aus einer Laune heraus. 91 zur selben fahrt] sogleich. 96 m g] kann. 99 wardt … lachen] begann … zu lachen.

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Kommentar zu IV 50

106 Mysterium] Rätsel. 114 mans … thut anzannen] man feindlich die Zähne gegen sie fletscht. 115 schlahens] schlagen sie. 117 des mausens] des Raubes. 118 Haben jr datum so gericht] richten ihr Trachten darauf aus; zur Phrase vgl. DWb 2, Sp. 828f. 126f. jr Krantz … Federn kent] Krantz scheint das alte Abzeichen des Königs und des Adels (vgl. DWb 11, Sp. 2044) zu meinen. Da der folgende Vers wohl auf ein Sprichwort anspielt (›Man erkennt die [schönen] Vögel am Federkleid‹; vgl. TPMA Vogel 56–60 sowie TPMA Vogel 3), ist möglicherweise schon der Krantz bildlich gemeint: ›die tragen solche Abzeichen ihrer adligen Herkunft, dass man sie ›an ihren Federn‹ erkennt‹. 128 gnad Juncker] gnädiger Herr; im 16. Jh. vielfach belegte Anrede. 129 desselben] eben davon. 130 frommen] Anständigen. 135 Geitz] Habgier. 135 bestellen] bestehlen. 137 vnderm h)tlin spielen] Redensartlich: ›unter dem Hütlein spielen und stechen‹ im Sinne von ›betrügen‹; vgl. TPMA Hut 32–49; Röhrich, S. 774; DWb  10, Sp.  1991f.; Murner, Narrenbeschwörung  55. 140 Stul rauber] Wucherer; vgl. DWb 20, Sp. 361f., auch mit Bezug auf diese Stelle. 141 auffsatz] Zinsen. 141 liegen] Lügen. 143f. strafft … ists] zurechtweist, sagen sie, dies sei. 147f. Vndr einr Schafs haut … balck] Redensartlich; siehe zu I 90,81–84. 147 frommen schalck] anständig sich gebender Arglist; vgl. Eyering, Proverbia, Bd. 2, S. 70: Ein frvmmer Schalck ein duppel Schalck. 152 an jm nit feyhlen] daran nicht fehlen. 156 Darff zwar keiner andern Parabel] bedarf wirklich keines anderen Gleichnisses. 160 weyß jn nit] sehe ich keinen Grund, ihn. 161 So] falls. Literatur Lieb, S. 161–166, 169–177, 180, 190, 193, 200f.

IV 50 Von einem Tyriack kremer.

ATU 1862A

Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist schon im 15. Jh. belegt. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar Ü Tyriack] Theriak; berühmte Arznei des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, die aus Schlangen und anderen Reptilien (vgl. V. 15) hergestellt und als Gegengift angewandt wurde. 1–5 MJtten im Sommer … Gehalten wird] Im  16. Jh. fanden in Amsterdam nur im Frühjahr und im Herbst Jahrmärkte statt, so dass die Zeitangabe als Fiktionssignal verstanden werden kann; vgl. Roelof van Gelder / Renée Kistemaker in samenwerking met het Amsterdams Historisch Museum, Amsterdam 1275–1795. De ontwikkeling van een handelsmetropool, Amsterdam 1983 (Mailand 1982), S. 33. 10 gundt] begann. 22 Brieflin] Päckchen. 23 Wie heußlin] Wohl: wie kleine (aus Papier gefaltete) Häuschen. 24 gspickt] gefüllt. 30 St)fer] Mittelalterliche niederländische (flandrische) Silbermünze

Kommentar zu IV 50

303

mit der Abbildung einer Stieber (Feuereisen mit stiebenden Funken). Im 15. Jh. wurde die Münze unter der Bezeichnung ›Stüber‹ als geringwertige Scheidemünze in Nord- und Westdeutschland übernommen; vgl. Schrötter, S.  667f. Siehe zu I  27,19. 30 l sen] kaufen. 32 hets gar geloßt] hatte er seine Ware ganz ausverkauft. 37 zu sacken] einzupacken. 39 fl)ssig war] Unklar: ›fertig war‹ (so Kurz und Tittmann) oder ›sich davon gemacht hatte‹ (vgl. DWb 3, Sp. 1854, mit nur diesem Beleg). 42 mit seiner b sen Laugen zwagen] Redensartlich: ›Mit scharfer Lauge waschen‹, im Sinne von ›durch eine schlechte Erfahrung gewitzt machen‹; vgl. TPMA waschen  14–18; DWb  12, Sp.  339. Röhrichs Erklärung ›eine Abreibung verpassen‹ (S. 935) greift zu kurz. 47 spitzig] scharfsinnig. 48 viel zu witzig] an Verstand weit überlegen. 50 Kaufleut] Käufer. 54 gemeyn] bekannt. 61 jrem m)cken/ fatzen/ liegen] ihren Flausen, Streichen und Lügen. 65 Elen] Elle; Längenmaß von 60–70 cm (vgl. Alberti, S. 234f.). 67 bossen] lächerlichen Streichen. 69 Eymbeck] Einbeck, heute im Kreis Northeim. 72 Lot] Ein Lot entspricht etwa  16 Gramm; vgl. Alberti, S.  369f. 73 Bocks blut] Das Blut des Ziegenbocks galt seit der Antike als Heilmittel gegen verschiedene Krankheiten. Die Anwendung bei einem Knochenbruch (vgl. V.  77f.) widerspricht freilich dem seit Plinius breit überlieferten Wissen, dass Bocksblut das Gegenteil bewirke, nämlich den harten Diamanten aufweiche (dazu ausführlich Friedrich Ohly, Diamant und Bocksblut. Zur Traditions- und Auslegungsgeschichte eines Naturvorgangs von der Antike bis in die Moderne, in: Wolfram Studien 3 [1975], S. 72–188, bes. S. 74–93). Die Erfahrung der Frau beglaubigt die Lügen des Händlers (vgl. Ohly, S. 178–186, zur Bestreitung der Wirkkraft von Bocksblut im 16. Jh.). 73 klein gewin] preiswert. 74 Matthier] Auch Matthiasgroschen genannt; ab  1496 geprägte Groschenmünze der Stadt Goslar mit dem Bild des hl. Matthias auf der Rückseite, die nach Einführung des Mariengroschens  1505 dessen Halbstück bildete; vgl. Schrötter, S.  378. Siehe zu I 27,19. 76 heur] dieses Jahr. 77 verbrochen het] einen Bruch zugezogen hatte. 81 Venedig] Venedig war bis in die Neuzeit hinein der wichtigste Umschlagplatz für Waren aus dem Orient. 85 Zymetrinden] Die von den Ästen des Zimtbaumes abgeschälten Rinden. Im 16. Jh. waren Anbaugebiete im Orient bekannt. 88 er verschafft] war er erfolgreich. 90 Leutgeheier] Leutebetrüger. 92 benicken] narren. Literatur Lieb, S. 58.

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Kommentar zu IV 51

IV 51 Vonn einem verdorbenen Kremer. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar Ü verdorbenen] verarmten. 3 b ßlich] auf verwerfliche Art. 4 Knapsack] Ranzen. 7 Pfennwert] Ware im Wert von wenigen Pfennigen. 9 Da er eh] als er früher. 10 Claus] Der Name wird in der Frühen Neuzeit, etwa wie Hinz und Kunz, auch als nomen proprium verwendet, in Anspielung auf den berühmten Narren am sächsischen Hof Claus Narr (vor 1486–nach 1530), auch mit verächtlichem Nebensinn. 11 wesen pflag] sein pflegte. 18 kurtze packen] kleine Bündel. 23 Wie das gemeyne sprichwort sagt] Die sprichwörtlich wirkenden Phrasen des Morale sind in Mittelalter und Früher Neuzeit nicht als Sprichwörter belegbar. 27 Barben Maul] Das Maul der Barbe, eines karpfenähnlichen Fisches.

IV 52 Vom Fuchß vnd dem Jgel.

DG 195

Vorlage Die Fabel wird in der Vorrede zum Hecatomythion des Abstemius erzählt und ist bei Dorpius, Bl. 42bf., abgedruckt: Samiis rectorem populi morti addicere volentibus Aesopus hac fabella dissuasit dicens vulpem quendam fluvium transeuntem in lacunam fuisse propulsam. Unde cum exire non posset, tenaci lino retenta muscarum affligeretur aculeis. »Quod erinaceus conspicatus misericordia motus est interrogavitque, an vellet, ut ab ea muscas abigeret. At illa abnuit dicens: ›Hae meo sanguine iam plenae parvam mihi possunt inferre molestiam, si autem has abegeris, aliae famelicae supervenient, quae quicquid mihi superest sanguinis exhaurient.‹ Ita, o viri Samii, vobis eveniet. Si enim hunc rectorem vestrum iam locupletem occideritis, alios elegatis necesse est, qui, dum se opibus volent implere, quicquid hic vobis reliquit, eripient.«

Stellenkommentar 7 erlegen] kraftlos. 9 gunden] begannen. 12 zuhandt] sofort. 20 magst] kannst du. 22–32 diese Fliegen … beissen sehr] Vgl. II 85,25–30. 26 keinen] irgendeinen. 32 mager M)cken beissen sehr] Sprichwörtlich; siehe zu II 85,30. 33 leit am tag] es liegt offen zutage. 34 darff] bedarf es. 35 verkiesen] verlassen. 36 vor der handt verliesen] sogleich (dabei) verlieren. 37 vernewen] Erneuern. 40 frummen] Vorteil. 44 bas vors gmeyne bestes] besser für die Gemeinschaft das Beste. 45 widerspiel] Gegenteil. 46 sch tzet] häuft Reichtümer an; regelmäßig auch mit der Bedeutung ›Steuern auferlegen‹ (so in III 24,5); vgl. DWb 14, Sp. 2281f. 46 schabt/ vnd schindt] rafft und scharrt zusammen. 47 sich allzeit leiden] immer erdulden. 55 Noch] Dennoch. 56 wart des dein] kümmere dich um das Deine. 57 bruff] Im frühneuhochdeutschen Gebrauch

Kommentar zu IV 53

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von ›Beruf‹ schwingt der Gedanke an einen nicht nur obrigkeitlich, sondern auch von Gott zugewiesenen sozialen und beruflichen Stand mit; vgl. I 4,23f.; I 13,43; II  87,19, sowie FWB  3, Sp.  1543f. 58–94 folg der ler … hat] Vgl. Agricola, Sprichwörter I 128; ATU 910M. 69 in der Kirchen lag] hielt sich in der Kirche auf. 72 fristen] bewahren. 93 sch tzen auff den grad] bis auf die Knochen ausnehmen; vgl. zu III 24,5. 94 Besser] besser ist es.

IV 53 Von einer Frawen/ vnd dem Weihen. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar Ü Weihen] Greifvogel; siehe zu I  2,39. 5 laß] wählte. 6 dauchten sein] zu sein schienen. 12–14 Macht einen … verk)rtzt] Küken (Keuchel) unter einem solchen Flechtkorb Auslauf auf dem Hof zu ermöglichen und sie dabei vor extremer Witterung wie vor Fressfeinden zu schützen war gebräuchlich. Embleme etwa bei Daniel Cramer, Emblemata moralia nova, Frankfurt/M. 1630, Nr. XXXV, Johann Michael Dilherr / Georg Philipp Harsdörffer, Drei-ständige Sonn- und Festtag-Emblemata, Nürnberg o.J. [um 1660], Nr. 62, und Carlo Bovio, Rhetoricae Suburbanum, Teil 1, Rom 1676, S. 90, zeigen solche Hühnerkörbe. 13 st)rtzt] steckte. 14 verk)rtzt] (ihre Zahl) vermindere. 15 bloß] ungeschützt. 16 eben] ziemlich. 18 jr ein] eines von ihnen. 30 alt sprichwort/ vnd nit hewrig] Eine ähnliche Phrase IV 30,15. 31 dem alleyn … geb)rt] Vgl. Röm 12,19 (mit Bezug auf Dtn 32,35): Rechet euch selber nicht/ meine Liebesten/ sondern gebet raum dem zorn (Gottes) Denn es stehet geschrieben/ DIE R ACHE IST MEIN/ JCH WIL VERGELTEN/ SPRICHT DER HERR. 34 Spieß drumb brechen] dafür eintreten; redensartlich (vgl. Röhrich, S. 1503). 37 k)lt er doch sein muth] Redensartlich; siehe zu III 84,20. 37 drawen] Drohen. 40 K nd ers bessern] könnte er (selbst) etwas ausrichten.

IV 54 Vom Reyher/ vnd der Ganß.

DG 490

Vorlage Eine Vorlage für diese Fabel ist nicht bekannt. DG verzeichnet nur die WaldisFabel sowie zwei mittelalterliche Anspielungen, die die Existenz der Fabel vorauszusetzen scheinen. Stellenkommentar 1 Habersack] Hafersack. 4 frag zwar] ich frage sicher. 5 jener seiten] Siehe zu I  11,5. 6 baldt bey zeiten] sogleich eilends. 12 dich baß] dir besser. 21 von stunden] sogleich. 22 war jm gach] hatte er Eile. 25 flitchen] Flügeln. 26 quatscht] platschte. 27 vmb ein Har] Als Redensart bereits im

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Kommentar zu IV 55

Mittelhochdeutschen belegt; vgl. DWb  10, Sp.  20f.; Röhrich, S.  603. 29 tugent from] tüchtige, hilfsbereite Gesinnung. 32 wend] wenn du. 33 ged ß] tosendes Gewässer. 34 b ß] schlecht. 35 sprichworts weiß] als ein Gleichnis; vgl. zu Das Leben Esopi 13. 36 die Fabel darauff gemacht] Die Betonung des Gemachtseins der Fabel ist einerseits ein Fiktionalitätssignal (im Gegensatz zur historia; vgl. zu I  14,54), andererseits weist es auf ihren gleichnishaften, allegorischen Charakter, wie er in der Fabeltheorie des Humanismus Gemeingut ist, bei Luther und Alberus aber weniger akzentuiert erscheint. Vgl. Wiebke Freytag, Die Fabel als Allegorie. Zur poetologischen Begriffssprache der Fabeltheorie von der Spätantike bis ins 18. Jahrhundert, in: Mittellateinisches Jahrbuch 20 (1985), S. 66–102, und 21 (1986), S. 3–33, dort S. 14 mit Bezug auf Waldis. 37 bescheiden] klug. 41 verhaben] enthoben. 42 b ß] schlechte.

IV 55 Vom Koch/ vnd einem Hundt. Vorlage Eine Vorlage für diese Fabel ist nicht bekannt. DG 303 verzeichnet nur die Waldis-Fabel. Stellenkommentar 7 so] die. 8 dingen] verhandeln. 10 Groschen] Geringwertige Münze; siehe zu III  96,4. 11 minder] für weniger. 14 anfieng] Ergänze: zu sprechen. 23 mit hauffen] in Mengen. 25 m cht] könnte. 26 Thaler] Siehe zu IV 99,530. 29 Jchs … wagen d rst] ich wollte es wahrlich besser ausgeben. 33 dunckt mich] kommt es mir vor. 38 frummen] zugute kommen. 40 liegen] lügen. 46 solten] würden. 47 aller … erwegen] auf alle Wohlfahrt verzichten. 48 pflegen] dienen. 49 gmeynlich] gewöhnlich. 51–53 Der demut … verzeren] demut ist wohl ironisch zu verstehen. 56 nit … scheumen] es nicht treiben, wie sie wollen; vgl. DWb 14, Sp. 2364, mit Bezug auf die Stelle. 58 sauren schweyß die kost] Vgl. Gen 3,19, sowie II 14,22. 59f. sich … m gen decken] mit dem Vorhandenen zufrieden sind. Zur Redensart ›Sich nach der Decke strecken‹ siehe zu II 35,33f. Literatur Lieb, S. 118.

Kommentar zu IV 56

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IV 56 Vom Fuchß/ Hasen/ vnd Luchs. Vorlage Eine Vorlage für diese Fabel ist nicht bekannt. DG 191 verzeichnet nur die Waldis-Fabel. Stellenkommentar 2 sein son] seinem Sohn. 5 sachen vor dem Rechten] Rechtsangelegenheiten. 8 Predigt den H)nern] Siehe zu IV  2,81f. 9 Freundtschafft nah] nahen Verwandtschaft. 10 Vulpecula] Lat.: Füchsin (Koseform). 11 Licentiat] Akademischer Grad; Abschluss des Jura-Studiums. Die gesamte Fabelhandlung wird von Motiven aus dem Bereich des Rechts strukturiert (vgl. V.  47f.,  89f.,  101). 17 betagt] geladen. 21 bey parn] gemeinsam. 28 zeuht an die jacht] auf die Jagd zieht. Schonzeiten zur Sicherung des Wildbestands sind seit dem Frühmittelalter belegt; dass aber umgekehrt die Fastnachtszeit (vgl. V. 27) eine ausgesprochene Jagdzeit sei, konnte nicht nachgewiesen werden. Generell ist der einfachen Bevölkerung bis ins 18. Jh. hinein nur die ›Niederjagd‹ auf Kleintiere erlaubt, die Hochjagd dagegen dem Adel vorbehalten. Vgl. Werner Rösener, Die Geschichte der Jagd. Kultur, Gesellschaft und Jagdwesen im Wandel der Zeit, Düsseldorf – Zürich 2004. 32 vndernem] zustieße. 34 zu fahen vnderstunden] zu fangen sich anschickten. 36 an … r)pflin] mit den Feinden eine Prügelei. 37 weydlich] heftig. 40 desselben] davon. 41 wer … vnzucht] es wäre ein grober Verstoß gegen die Sitten des Hofes. 43 desselben] darüber. 45 an vns nit han] uns nichts anhaben. 46 jr F)nff] fünf von ihnen. 48 hand drauff geben] Rechtsgebärde zur Besiegelung eines Gelöbnisses oder Vertrags; vgl. DRW  5, Sp.  118–120. 55 reyn] Senke. 57 enthielt sich] verbarg sich. 63 mucht] konnte. 65 Jn reuht … vorig kauff] er bereute sehr schnell die getroffene Abmachung. 66 steckt … Bannir auff] ergriff das Hasenpanier; siehe zu I 23,45f. 67 Gab] begab. 71–76 noch heut … halben schwantz] Ätiologische Pointe: Die Handlung erklärt die Fellzeichnung und den kurzen Schwanz des Luchses; vgl. zu I 16,69–78. 83 Reynhart Fuchß] Name des Fuchses in der Tierepik; vgl. zu I 59,28. 91 ort] Anfang. 94 Ohmen/ Vettern/ Basen] Die Aufzählung dieser unscharfen Verwandtschaftsbezeichnungen (im engeren Sinn gemeint sind Onkel und Tanten) soll wohl die Größe der Verwandtschaft zum Ausdruck bringen. Vgl. IV  96,13. 95 vier Ahnen vnd geschlecht] Gemeint sind wohl die Großeltern mütterlicher- und väterlicherseits und deren Vorfahren. 96 bilch] billig. 99 schweren] schwören. 102 solt] sollst du. 109 vberk)mpst] erwischst. 118 rhumretig] prahlerisch. 119 treffen] Kampf. 122 Besteht … glut] Abwandlung einer Redensart; vgl. Franck, Sprichwörter, S. 445, Z. 14f.: wie butter an der sonnen; Röhrich, S. 285f. Literatur Lieb, S. 177–179.

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Kommentar zu IV 57

IV 57 Von zweien Eseln. Vorlage Eine Vorlage für diese Fabel ist nicht bekannt. DG 103 verzeichnet nur die Waldis-Fabel. Stellenkommentar 9 pfoten … tatzen] Der Gebrauch von ›Pfote‹ auch für den Fuß von Paarhufern ist bei Luther belegt; vgl. DWb 13, Sp. 1792. ›Tatze‹ bezeichnet dagegen den Fuß des Bären und dann anderer Raubtiere; vgl. DWb 21, Sp. 160f. 11 Gunden] sie begannen. 11 auff lecken] auszuschlagen. 17 mochten] konnten. 18 jucken] kratzen. 20 dar] dahin. 22 entsetzen] schützen. 23 eben] ziemlich. 24 on gefehr] zufällig. 24 begeit] begab. 26 fast] sehr. 28 anschlagen] anstellen. 33 frettest] reibst. 38 schier] bald. 44 K)nsten] Mit den K)nsten können die artes liberales (siehe zu Das Leben Esopi 165f.), die musischen Künste und die Handwerkskünste (artes mechanicae) gemeint sein. 46 singen … Noten] Dem Esel wird in der Tierepik jedes Verständnis für Musik abgesprochen; vgl. zu I  90,10, und zur unverwechselbaren Stimme des Esels I  13,36; IV  48,29–32. 47 Noch] Dennoch. 48 vngeb)rlich] ihnen nicht zustehende. Die Drucke BCEF haben geb)rlich. 49 vngelarten] Ungelehrte. 51 auff gienen] gierig den Mund aufsperren. 52 Ehe wenn] bevor. 56f. Gleich … juckt vnd leckt] Dass Kälber einander lecken, ist ein Erfahrungswert, der im Niederländischen und Niederdeutschen Eingang ins Sprichwörtliche gefunden hat; vgl. TPMA Rind 1.6. 60 Der … Katzen streichen] Der Vergleich setzt das sprichwörtliche Verhalten von Katzen voraus, sich dort aufzuhalten, wo sie gestreichelt werden; vgl. TPMA Katze 327–330. 61 Gibt lob … jn wider] Gegenseitige Lobhudelei wird mit dem sprichwörtlichen Verhalten der Esel, die sich gegenseitig ›benagen‹, illustriert. Vgl. das Sprichwort: ›Ein Maultier kratzt das andere‹ (siehe zu IV 1,268). 62 So geht … nider] Versidentisch mit IV 8,78. 63f. Man sagt … haben] Sprichwörtlich; siehe zu II 19,43f.

IV 58 Von einem Bawren/ vnnd seiner Kuhe. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 1 eynig] einzige. 2 Farren] Stiere. 4 trechtig] tragend. 14 Mocht] konnte. 16 wie ich jm thu] Was soll ich tun? Vgl. DWb  21, Sp.  453. 30 erfahrnheyt] Erfahrung; siehe zu I 79,34. 35–38 je mehr K ch … versaltzen] Sprichwörtlich: ›Viele Köche verderben den Brei‹; vgl. Franck, Sprichwörter, S. 357, Z. 22: Wo vil k ch seind/ da wirt der brei versaltzen. Zur Phrase ›Das Mus versalzen‹ vgl. auch Murner, Schelmenzunft  33. 38 offternmal] Druck A hat Osternmal. 39 Ein

Kommentar zu IV 59

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jeder … sich stechen] alle sind faul; siehe zu III 48,16. 40 die ban … brechen] Redensartlich im Sinne von: ›den Anfang machen‹; vgl. Röhrich, S. 134 (ohne Beleg). 42 Niemandt bort … Bretter] Sprichwörtlich: ›Nicht gerne dicke Bretter bohren‹ im Sinne von: ›faul sein‹; vgl. TPMA bohren 1f.; Röhrich, S. 255. 49 mucht] kann. 52 Bleibt … weg behangen] Redensartlich: ›auf halbem Wege hängen bleiben‹; vgl. Röhrich, S. 1704 (ohne Belege). 53f. Das auch … wetzen] Die Bindaxt ist ein Werkzeug der Zimmerleute (vgl. II 3,29f.); das Schleifen der Axt hätte natürlich auf dem Boden zu geschehen. Der Sinn des Vergleichs ist unklar. ›An jemanden setzen‹ ist schwach und mit keiner hier passenden Bedeutung belegt; vgl. DWb 16, Sp. 664; FWB 1, Sp. 1447.

IV 59 Von einem Gesellen/ vnd einer Frawen. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt; vgl. aber zu Vers 38–40. Stellenkommentar 1 HArt bey … ein Stadt] Nahe an der Ostsee liegt eine Stadt. Es könnten Riga oder Königsberg gemeint sein (vgl. Lieb, S.  211). 3 hantierung] Handel. 5–9 Die Frawen … vnmessig] Vgl. Sebastian Münsters Beschreibung der Stadt Riga (nach dem Bericht eines Johann Hasentöter): Dz weiber volck/ so do im land geboren/ ist hoch tragend/ vnd vil von sich halten/ vnd andere weiber so auß Teütschland hinyn bracht werden/ seind von jnen veracht. Sie w llen auch nit weiber/ sonder frauwen genennt werden. mit spinnen vnd anderer weiber arbeit bek)mmeren sie sich nit/ meynen es sey jrem adelichen herkommen ein on eer […]. Vnd wiewol ettlicher massen wolgestalt weiber do seind/ so macht doch sie jr kleidung gar ongeschaffen/ vnd wann sie sich auffs allerk stlichst angelegt haben/ sehen sie einem faßnacht butzen nitt ongleich (Cosmographei, S. 931f.). Diese Passage erscheint jedoch weder in der Erstausgabe 1544, S. 501f., noch in den weiteren Ausgaben der 1540er Jahre, sondern erst in der Ausgabe von 1550. 6 spreg] Möglicherweise von mittelniederdeutsch spreken, in der Bedeutung: ›geschwätzig‹. 14 sch)r] Vordach, Erker; vgl. DWb  15, Sp.  2032, mit Bezug auf diese Stelle. 15 gsessen] Stockwerken; vgl. FWB  6, Sp.  1211, mit Bezug auf diese Stelle. 16 habens … gmach] nutzen sie als Sommerlaube. 18 Vor] gegen. 22 ein Feder lassen] Redensartlich im Sinne von: ›Schaden erleiden‹; vgl. Röhrich, S.  423; TPMA Feder  41f. 24 l)stig] munter. 25 denselben bschreydt] aufsaß. 28 vberquer] hin und her. 32 hats in den schwantz getreten] es ins Schwanken geraten ist; vgl. DWb  15, Sp.  2257: »in verbalem sinne, schwenkende bewegung«. 33 h hnt] kränkte. 34 warff vmb] wendete. 35 Gott geb … ritt] Fluchformel; siehe zu II 75,7. 38–40 So baldt … schwantz] Der Witz scheint verbreitet gewesen zu sein. Vgl. Julius Wilhelm Zincgref, Der Teutschen Scharpfsinnige Kluge Spr)ch/ Apophthegmata genannt. Straßburg 1639, Teil 1, S. 330: Ein anderer vom Adel/ ritte zu Regenspurg vber die

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Kommentar zu IV 60

Bruck/ da strauchlete sein Pferd/ vnd fiel vorn auff beyde Knie/ dessen lachte ein Weibsbild. Zu deren sagte der Edelman: Mein Pferd macht es immer also/ wenn es eine Hur sihet. Dem antwortet das Weib: Lieber Juncker/ dann rath ich euch nicht in die Statt zu reiten/ jhr d rfftet sonst gar den Hals brechen. 41 Oben ist … gsagt] Vgl. IV 38. 45f. was einen … gahn] Sprichwörtlich: ›Was einen nichts angeht, soll man sein lassen‹; vgl. TPMA angehen 5–8. 48 rtern] herausfinden. 49f. Sein finger … bdreckt] Im Lateinischen belegtes Sprichwort: Polluit hic digitum, qui temptat quodlibet antrum; vgl. TPMA Loch 7–9 (›Wer die Finger in jedes Loch steckt, macht sie schmutzig‹); Walther, Nr. 5316, 24000. Vgl. IV 95,179f.

IV 60 Vom Goldschmit vnd einem Koler. Vorlage Hans Folz, Die Reimpaarsprüche, hg. von Hanns Fischer, München 1961 (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters  1), Nr. 5, S. 29–33 (nach einem Nürnberger Druck um 1488). Stellenkommentar 3 gelanget an] gebeten. 6 redlich angangen] in Betrieb. 7 probiern] prüfen. 8 werdiern] bewerten. 15 greyn] weinte. 27 eins gschefftes vnderst)nden] eine Arbeit vornähmen. 29 d rfften] bräuchten. 44 glob] versprich. 44 deste] umso. 49 vmbs Zeygers sieben] um sieben Uhr. 50 belieben] geblieben. 63 Laßt euch … grawen] seid ganz unbesorgt. 65 am nehsten] zuletzt. 67 zuschimpffen] zu spaßen. 68 m cht] könnte. 74 wils jm zwar] werde es ihm sicher. 93 schellig] zornig. 94 hab dir … Jar] Fluchformel; vgl. Agricola, Sprichwörter I 472: vil b ß begreift der geringe fluch/ Daß dich eyn b ß jar angehe (S. 371, Z. 18f.). 96 kutzel b)ssen] Übermut nehmen. 103 on gefehr] zufällig. 117 gund] fing an. 118 b ser dancken] schlechte Gedanken. 127 frommes] anständiges. 129 gleyßt] leiste. 130 dinget] verpflichtet. 131 selb nicht kan schreiben] Zu diesem und den folgenden Versen vgl. I 64,23– 32. 132f. treiben … redlin] Siehe zu III  98,12. 134 Jm frembden Krug … stelt] den Essig in einem fremden Krug durch Gärung herstellt, im Sinne von ›die Ehe bricht‹; vgl. DWb 18, Sp. 2235, mit nur diesem Beleg. 137 mans zeitlich vberk)mpt] Wohl: man es rechtzeitig erfährt. 145 vnrecht] Hier: zur falschen Zeit. Literatur Lieb, S. 47–49.

Kommentar zu IV 61

IV 61 Vom Lahmenn/ vnd dem Blinden.

311 EM 8,720–727

Vorlage Stiefels Erwägungen, wonach Ottomar Luscinius, Ioci ac Sales 165, die Vorlage für diese Erzählung sei, sind nicht zwingend. Stellenkommentar 3 leit] leitete. 7 On gfehr] zufällig. 12 Biß] sei. 15 m chten] könnten. 23f. Vnd ist … feyhlt] Vgl. I Kor  7,7: Aber ein jglicher hat seine eigene gabe von Gott/ Einer sonst/ der ander so. Im sprichwörtlichen Gebrauch wird stärker die Defizienz des Einzelnen betont: Non uni dat cuncta Deus; vgl. Walther, Nr.  17426,  18657a, sowie Alberus, Fabeln  31,59 Marg. mit Kommentar. 27 nach verm)g] dem Vermögen nach. 28 Das ein Handt … rein] Sprichwörtlich: ›Eine Hand wäscht die andere‹; vgl. TPMA Hand 111–113; Röhrich, S. 652 (ohne Belege). 29 Kelner] Kellermeister. 31f. Mit gutem Wein … Wurst] Das gleiche Angebot in einem anderen Kontext bei Brant, Narrenschiff 81,53f. Literatur Kipf, S. 499–501; Stiefel, Esopus, S. 486–488; Hans-Jörg Uther, Lahmer und Blinder, in: EM 8, Sp. 720–727.

IV 62 Vom Schmidt/ vnd seiner Katzen. Vorlage Die Erzählung scheint in sprichwörtlichen Anspielungen vorausgesetzt zu sein (vgl. Röhrich, S. 818f.). Stellenkommentar 5 einfeltig frommer] einfacher, redlicher. 6 setzt … sich an] setzte sich in den Sinn und nahm sich vor. 18 Niemandt gab nit] keiner gab etwas. 19 eben] ziemlich. 22 alleyn] nur. 25 werden innen] erfahren. 28 Ratzen] Ratten. 34 an jm gewon] von ihm gewohnt. 38 das] Gemeint ist: den Dank. 41 Mocht] konnte. 46 ein ander fahrt] ein weiteres Mal. 47 fratzen] Possen. 49 eben] genauso. 50 von einem Heyden lißt] Vgl. Agricola, Sprichwörter I  202: Es schreiben die weisen von eynem Philosopho/ der hieß Simonides/ der hett zwo truhen/ auß eyner gab er den leutten was sie bedurfften/ in der andern legte er was yhm widerumb gegeben ward. Die erste truhen füllet er offt widerumb voll/ in die andern kam nye nichtes widerumb/ sprach er also/ Omnia sunt in grata/ nihil fecisse benigne est. Es solt nur keyner dem andern dienen/ denn man weyß yhm keynen danck (S. 147, Z. 22–29). Durch das Exempel vom Heiden Simonides wird die Erfahrung des aus br)derlicher lieb (V.  8) handelnden Schmieds verallgemeinernd auch auf eine gegenwartsferne, nichtchristliche Gesellschaft bezogen. Der Einsicht des heidnischen Philosophen sind Bibelzitate entgegen-

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Kommentar zu IV 63

gesetzt, in denen das Liebesgebot unter Verzicht auf irdischen Lohn eingefordert wird. Beide Erzählungen scheinen Lk 6,32–35 zu illustrieren, wo die christliche Nächstenliebe von der Liebe der Sünder unterschieden wird; dazu Luthers Marginalie: Wer seinem Feinde leihet oder wol thut/ der leret sich selbs/ das er nichts dafur darff hoffen noch gewarten/ Das thut aber niemand denn ein Christen. Vgl. I  7,33–50. 58 bgobt] mit Gaben bedacht. 67 bger] Begehren. 73 bider] redlich. 77 n)t] nichts. 82 bedencken] belohnen. 86 heyßt] aufträgt. 87f. Das wir … haben] Vgl. etwa Lk 12,33f.; Prov 14,31. 89 vnsern Feinden lieb beweisen] Vgl. Lk 6,27. 91 Warten] erhoffen. 92 Denn jrkein] als irgendein. 95f. Ein Wassertrunck … vnbedacht] Vgl. Mt 10,42.

IV 63 Vom Wuchrer vnd einem Gesellen.

ATU 1546

Vorlage Diese Erzählung ist der früheste Beleg für ATU 1546. Zwar erzählt schon Bebel, Fazetien II 141, einen vergleichbaren Schwank, doch ist bei ihm der Besitz des Goldklumpen nicht vorgetäuscht, sondern es handelt sich um ein vergoldetes Stück Blei, das als Spende einem Kleriker übergeben wird (vgl. Elfriede MoserRath, Goldklumpen: Besitz eines G.s wird vorgetäuscht, in: EM  5, Sp.  1383– 1385, die allerdings ohne Kenntnis von Waldis Melander  1604 als frühesten Beleg nennt). Stellenkommentar 1 sichs vndernam] nahm es sich vor. 13 thust] tun sollst. 14 enthalten] gedulden. 17 geit] gibt. 20 Von stund da] gleich. 20 solt] werde. 23 allzuhandt] sofort. 29 eben] ziemlich. 32 vrlaub] Abschied. 34 gabst f)r] erzählt hast. 38 vertragen] einig werden. 39 sein] es (das Stück Gold). 43 zustund] zustieße. 47 vberkum] erringe. 48 glob] verspreche. 48 wo ich bin frum] bei meiner Ehre; vgl. zu I 9,52. 49 das euch … gach] dass ihr so erpicht darauf seid. 54 All … gehn nit fort] Sprichwörtlich: ›Nicht alle Pläne gehen in Erfüllung‹; vgl. die Luther-Belege TPMA Plan 9–11. 59 obs nit allzumal] wenn es nicht immer. 61 Da leit nit an] ist es nicht schlimm. 62 den Esel reiten] betrogen werden. Redensartlich; siehe zu I  16,92. 63f. W)ntschen/ verlangen … sack] Im Sinne von ›Wünsche bleiben oft unerfüllt‹. Bei Agricola, Sprichwörter I 272, heißt es: wundschens und feystens gehet vil in eynen sack/ es fullet nichts/ es ist vergebens (S. 218, Z. 16–18); vgl. TPMA begehren 118, 120, und TPMA bitten 100, 104. 64 Hopffen sack] Ein großer Sack, in dem der gedörrte Hopfen transportiert wird.

Kommentar zu IV 64

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IV 64 Vom Bilgrim vnd einer h(ltzen handt. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht kannt; vgl. jedoch zu Vers 51–57. Stellenkommentar Ü Bilgrim] Pilger. 2 dick vnd w)st] dicht und menschenverlassen. 5 Des rechten … mißt] er kam vom rechten Weg ab. 6 w)st] überwachsen. 7 wildt vnd b ß] unbefestigt und mühsam. 8 ged ß] Getöse (von einem Wasserfall?; vgl. DWb 5, Sp. 4402f., mit Bezug auf diese Stelle; metonymisch für ›Schlucht‹?). 9 vmb Vesper zeit] gegen Abend; vgl. zu II  27,27. 10 eben] ziemlich. 15– 24 Die zeygt … gahn] Die sprichwörtliche Empfehlung des Mittelwegs (Medio tutissimus ibis; vgl. Walther, Nr. 14568; TPMA Maß 201, 220–221) ist hier verknüpft mit dem biblischen Bild vom breiten Weg, der in das Verderben führt (Mt 7,13f.; vgl. Wolfgang Harms, Homo viator in bivio. Studien zur Bildlichkeit des Weges, München 1970 [Medium aevum 21], bes. S. 157–195). 19 frummen] Rechtschaffenen. 28 b se rheyß] beschwerliche Reise. 35 biß heint] sei heute Abend. 39 dir … pflegen] dir geben so gut ich kann. 45 thu … genug] erfülle ich meine Aufgabe. 46 zu gefug] dienlich bin; vgl. DWb 5, Sp. 2166, mit nur diesem Beleg für eine intransitive Verwendung des Verbs ›(zu)gefugen‹. 47 dran preise] daran halte; siehe zu II 11,114. 49 frummen] Vorteil. 51–57 Bey dieser … richten] Vgl. Brant, Narrenschiff 21: von stroffen vnd selb tun, wo auch das Bild vom Wegweiser erscheint: Ein hant die an dem w gscheid stat | Die zeygt eyn weg/ den sie nit gat (V. 7f.). 52 alle sandt] allesamt. 59 bey der Glocken bdeut] Ähnlich Geiler von Kaysersberg mit Bezug auf I Kor 13,1: Wenn ich redte mitt allen menschen vnd der engel zungen/ […] hab ich nicht die genad der wirdigkeit/ so binn ich gleich als ein r vnnd ein cymbel. Da merck/ das gat mich vnnd meines gleichen an/ die da sagen vnnd predigen was man th*n soll/ wir th*n es aber nicht/ darumb seind wir wie r. Ein r das tauwet vnnd verzert sich selbs/ als ein glock die rüfft andern menschen z* dem gots dienst/ sie kummet aber nit/ aber sie verzert sich selber. Also wir legen vnsere sachen wol an tag/ vnnd was man th*n sol/ aber wir th*n es nicht wir seind die glock/ wir verzeren vns selber/ vnd bleiben in vnserm alten leben/ wir zeugen andern den weg/ vnd wir gond in selber nicht (Die brösamlin doct. keiserspergs vffgelesen von Frater Johann Paulin barf*ser ordens. […] Straßburg  1517, Teil II, Bl.  29bf.). 63– 70 Wir solln … vnderthan] Vgl. Mt 23,2f.: Auff Moses stuel sitzen die Schrifftgelerten vnd Phariseer/ Alles nu was sie euch sagen/ das jr halten sollet/ das haltet vnd thuts/ Aber nach jren wercken solt jr nicht thun. 70 wesen] sein.

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Kommentar zu IV 65

IV 65 Vonn einem Kauffman. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 1 lesten] letztens. 3 Franckfurdter Meß im Herbst] Siehe zu IV 2,138. 5 zeucht] zieht. 6 fahr] Gefahr. 6 fleuht] flieht. 10 mocht] konnte. 12 Welsch] italienischer; siehe zu I  91,14. 13 stich vmb stich] Ware gegen Ware. Bildlich für Tauschhandel; vgl. DWb  18, Sp.  2692f., mit Bezug auf diese Stelle; DWb  17, Sp. 1263f. 16 Befiel] erkrankte. 16 Pestilentz] Mainz wurde seit dem Mittelalter wiederholt von der Pest heimgesucht; für 1536 (vgl. V. 2) ist eine Pestepidemie jedoch nicht belegt. 18 grawen M nch] Franziskaner; vgl. IV 21,153, wo ein Franziskaner (V.  13) so bezeichnet wird. 22 zu Rom gedonnert het] Bei Röhrich, S. 1252, als redensartlich aufgeführt (mit nur diesem Beleg). 24 vngeirt] unbehindert. 27 wie jm w ll] wie es will. 28 zwar] wirklich. 33 solcher grossen rechenschafft] solch großen Forderungen. 34 verhafft] verpflichtet. 42 als auff … sparn] alles bis zu meiner Ankunft verschieben. 48 ers] er dafür. 50 vntreglich] unangenehm. Druck E hat vntreuwlich, F hat vntrewlich (hier etwa: ›fatal‹). 53 Gar vnendtlich] ganz unfertig. 54 Welchs ich … versehen nicht] womit ich nicht gerechnet hatte. 55 in Nobis hauß] in die Hölle; siehe zu III  87,42. 56 schlecht] schlägt. 57 verstrickt] verpflichtet. 60 leit] liegt. 63 Es sein die fahr] seien die Gefahren. 64 stellen] trachten. 66 frist] bewahrt. 68 Zu sterben … tag] Lockere Syntax; zu ergänzen ist: ›man solle sich‹. 70 Noch] dennoch.

IV 66 Vom Studenten vnd einem M(ller.

ATU 1358C

Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist nicht neu. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 1 Welschland] Italien; siehe zu I 91,14. 2 Bononi … hoch] Universität von Bologna. 10 Armbrust schuß] Schussweite einer Armbrust; vgl. FWB 2, Sp. 128. 12 auff mein trew] bei meiner Ehre. 21 and] weh. 21 kraut] kratzte. 22 schopff] Schuppen. 24 macht … strew] bereitete sich ein Lager. 35 Sch ffen K ß] Schafskäse. 39 f)nffmessige] fünf Maß fassende; fünf Maß entspricht ca.  4,5 oder  9–10 Litern; vgl. zu IV  18,50. 49 weydlich] kräftig. 51 schaub] Strohbündel. 53 Wecken] Brötchen; siehe zu IV 18,47. 56 Schleyer laden] Wäschekommode. 57 verh)ten] verstecken. 58 B)tten] Zuber. 65 vor genomen] vorgestellt. 69 zohe sich ab] legte ab. 70 all dis abenthewr] dieses Treiben. 91 zwar] wahrlich. 98 freien K)nste] Zu den artes liberales

Kommentar zu IV 66

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siehe zu Das Leben Esopi 165f. 99 verkeren] übelnehmen. 106 bricht] unterrichtet. 108 eygentschafft] Zu den Eigenschaften (proprietates) der Geschöpfe gehören gemäß mittelalterlich-frühneuzeitlicher Naturbeschreibung auch deren Namen (Etymologie) und Nutzanwendung für den Menschen. 113 schwartzen Kunst] Nigromantie (Schwarzkunst), abgeleitet von gr. Nekromantia (Totenbeschwörung). 119 eim geringen] einer Kleinigkeit. 121 gdicht] Erfindung. 121 loß betriegerey] nichtsnutziger Betrug. 130 fahr] Gefahr. 131 frummen] nützen. 133 vorwitz] Neugier. 139–142 macht ein kreyß … Kaldeisch] Ähnlich im Faustbuch (1587): Zu dem fand D. Faustus seines gleichen/ die giengen mit Chaldeischen/ Persischen/ Arabischen vnd Griechischen Worten/ figuris, characteribus, coniurationibus, incantationibus, vnnd wie solche Namen der Beschwerung vnd Zauberey m gen genennet werden (S.  844, Z.  12–17; siehe dazu den Kommentar ebd., S. 1369f.). 140 Caractern] Zeichen. 141 Grecks] griechisch. 144 Calcedoni] Dieser ungewöhnliche Teufelsname leitet sich möglicherweise von dem Edelstein Calcedon, einem der zwölf Grundsteine des himmlischen Jerusalems, her (Apk  21,19); ihm wird u.a. die Eigenschaft zugeschrieben, vor Teufeln und Dämonen zu schützen (vgl. Christel Meier, Gemma spiritalis. Methode und Gebrauch der Edelsteinallegorese vom frühen Christentum bis ins 18. Jahrhundert, München 1977 [Münstersche MittelalterSchriften 34/1], S. 417f.). Das Spiel mit der Unwissenheit des Bauern im Rahmen der ›Teufelsbeschwörung‹ des Studenten würde dadurch auf die Spitze getrieben. 148 berd] Gebärde. 148 pracht] Geschrei. 153 Dem Wiert … gach] Der Hausherr war begierig danach. 160 M cht] könnt. 160 reichen] erlangen. 166 vnsern fug] das für uns Angemessene. 167 het … gwert] hättet ihr es nicht verwehrt. 169 klaffen] Gerede. 173 Vor] für. 176 daucht jn] schien ihm. 191 schweygen] besänftigen. 194 daf)r] davor. 198 Polypus] (Meer) Ungeheuer. 198 figuliert] gebildet. 201 sein … mechtig] über ihn gebietet. 204 tantzen … pfeiffen] Redensartlich im Sinne von ›gehorchen‹; siehe zu II 39,12. 205 m)g] könnte. 215 gund] begann. 226 verseht euch] erwartet. 229 eben] ziemlich. 238 hetten zu schaffen] Siehe zu IV  21,40. 241 trewen Pastorn] Die Umdeutung des biblischen Bildes vom guten Hirten (Joh 10,12–16) ist ein beliebtes Mittel der Polemik in reformatorischen Streitschriften. 243 nit erwegen] nicht getrauen. 249 Ein halbe spann] Ca. 11–14 cm; siehe zu IV 19,82. Gefordert wird hier eine Entmannung (ebenso V. 258). 252 Buben] Schurken. 253 dorfft] bräuchte. 254 ders] von denen sie. 255 Geb … leydt] Fluchformel; vgl. Agricola, Sprichwörter I  482. 256 blat] Tonsur. 257 gemitten] vermieden. 259 fromb … beweibt] anständiger Mann besser verheiratet.

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IV 67 Von einem verurtheylten Knecht.

Kommentar zu IV 67 ATU 1367*

Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist nicht neu. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 1–3 K nig Hans … Hense stetten] Der Interessenkonflikt zwischen der Hanse und König Johann I. (Hans) von Dänemark (reg.  1481–1513) an der Spitze des vereinigten Nordreichs kulminierte  1509 in einen offenen Krieg, den Johann 1512 (Frieden von Malmö) für sich entscheiden konnte; vgl. Heinz Stoob, Die Hanse, Graz – Wien – Köln 1995, S. 278–280. 5 Knecht] Landsknechte. 5f. in Schone … Landtskrone] Die Städte Malmö, von norddeutschen Kaufleuten wegen der Form ihrer Küste ›Ellenbogen‹ genannt, und Landskrona liegen in der südschwedischen Provinz Schonen (Skåne). 8 vngefell] Unglück. 9 vngefehrlich] zufällig. 14 fromme] redliche. 15–20 ein junge Magd … geben] Nach mittelalterlichem und noch neuzeitlichem Rechtsbrauch konnte eine Jungfrau einen Verurteilten befreien, indem sie ihn heiratete; vgl. A. Erler, Losbitten, in: HRG 3, Sp. 47f. 17 Von stundt] sogleich. 31 Mit solchem bding … bescheydt] unter der Bedingung und mit der Bestimmung. 36 Ein ebne weil] ziemlich lange. 37 trieg] trügt. 38 vorlieg] etwas vorlügt. 39 dunckt mich] scheint mir. 39 Visignomey] Die Physiognomik formuliert schon in der Antike ein Wissen darüber, wie aus den körperlichen Merkmalen eines Menschen auf dessen Charakterzüge geschlossen werden könne. Für die neuzeitliche Tradition grundlegend ist die unter dem Namen des Aristoteles überlieferte Schrift Physiognomonica; einen historischen Überblick vermittelt das Titelverzeichnis in Geschichten der Physiognomik. Text, Bild, Wissen, hg. von Rüdiger Campe und Manfred Schneider, Freiburg/Br. 1996 (Rombach Wissenschaft, Reihe Litterae 36), S. 597–628. 43 zu haspeln … geigen] herumzulaufen und zu schwatzen; ›haspeln‹ ist in DWb in engerer Bedeutung mit ›drehende, tanzende Bewegungen machen‹ aufgeführt (vgl. DWb 10, Sp. 545), die Belege sind jedoch bis auf diese Stelle jünger und stehen in anderen Kontexten. 45 d)nnen Lefftzen … Naß] Eine spitze Nase verweist nach der Physiognomik des Aristoteles (vgl. zu V.  39) auf einen jähzornigen Charakter; dünne Lippen werden dort positiv gedeutet (Physiognomonica 811 a; vgl. Aristoteles, Physiognomonica, übersetzt und kommentiert von Sabine Vogt, Darmstadt 1999 [Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung, hg. von Hellmut Flashar 18,6], S. 26, Z. 30f. [Nase]; Z. 18–24 [Lippen]). Allerdings muss hier noch keineswegs ein Fachwissen aufgerufen sein; Zusammenhänge zwischen Nasenform und Charakter gehören zum populären Wissen (vgl. Hanns Bächtold-Stäubli, Nase, in: HDA  6, Sp.  969–979). 47 verliesen] verlieren. 48 kiesen] wählen. 51f. Besser ein b se stundt … Jar] Ein ähnlicher Vergleich mit den gleichen Zahlen IV 30,40–42; vgl. ferner IV 56,114. 53–57 Es ist … b sem schwetzen] Dass eine Ehefrau ein Unglück für den Mann bedeute, ist in verschiedenen Ausprägungen sprichwörtlich; vgl. zur Verbindung mit dem Lügen und Schwätzen der Frau etwa Brant, Narrenschiff  64,37f.: Gar dick [oft]

Kommentar zu IV 68

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eyn man jnn vnglück kunt | Alleyn durch siner frowen mundt. 53 glaub mir] Siehe zu I 12,50. 59f. Steyne tragen … wagen] Möglicherweise schwingt hier der Gedanke an die Ehrenstrafe des Steintragens mit, die für kleinere Vergehen wie Völlerei, üble Nachrede, Zänkerei und Kupplerei verhängt wurde; vgl. Ruth Schmidt-Wiegand, Steintragen, in: HRG  4, Sp.  1950f. 64–66 solch ein z en Balg … Leder schaben] Bildlich für: solch eine widerspenstige Frau gefügig machen. ›Balg‹ wird im 16. Jh. öfters verächtlich auf die Frau bezogen (vgl. DWb 1, Sp. 1085f.; FWB 2, Sp. 1753f.; vgl. auch IV 68,43), für ›Leder‹ ist dieser Gebrauch selten und erst später belegt (vgl. DWb 12, Sp. 492). In IV 93 (V. 14) ist ›Leder schaben‹ mit deutlich sexueller Konnotation verwendet. 68 bilch] recht. Literatur Kipf, S. 498f.; Mohr, S. 66–68.

IV 68 Vonn einem Leinenweber. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 2 vbergeber] Verräter; in dieser Bedeutung in DWb nur mit einem Lutherzitat und dieser Stelle belegt; vgl. DWb 23, Sp. 256. 10 leymot] Leinwand. 15 legt] fertigte. 18 glag] Gelage. 19 dar] dahin. 20 on gefehr] zufällig. 27 Buben] Schurken. 31 Sein … gelimpff] seine Redlichkeit, seine Ehre und seinen guten Ruf. Vers 31 ist als Apposition zu ›es‹ in Vers 30 (ers) zu lesen. 31 gelimpff] guten Ruf. 32 schimpff] Im gegebenen Kontext lesbar als ›Scherz‹ (›so etwas zu tadeln sei keine Kleinigkeit‹) oder als ›Schande einbringende Tat‹ (›so etwas zu tadeln bedeute [für die arme Frau] keine Schande‹). 35 Weiber theiding lose mehr] Weibergeschwätz und leichtfertiges Gerede. 40 leit] liegt. 43 Jltis balg] Fell eines Iltis. »seine gelbe farbe und böser geruch veranlassen den gebrauch des wortes als schimpfwort für ein verlebtes weibsbild« (DWb 10, Sp. 2061, auch mit Bezug auf diese Stelle). 44 Wettermacher] Hexenmeister. 46 vertheidingen] verteidigen; hier in der im 16. Jh. noch überwiegend verwendeten älteren Form. 49 gut ger)cht] guter Ruf. 49f. Ein gut ger)cht … Schrifft] Vgl. Koh 7,1. 51– 54 Die Heyden … erwinden] Der Gedanke ist in verschiedenen sprichwörtlichen Wendungen belegt; vgl. etwa Walther, Nr. 11117, 33874c, 33879f. 54 erwinden] fehlen. 55 verungeleumbt] verunglimpft. 57 helt man] hält man für.

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Kommentar zu IV 69

IV 69 Von Sanct Peter/ vnd einem Mnch. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 1 EJn grawer Mönch ein Obseruant] Grauer Mönch steht allgemein für ›Franziskaner‹, unter denen im 16. Jh. die Observanten (vgl. zu III 100,11) die größte Gruppe darstellen. 4 vor heylgen] als Heilige. 5 vons Ministers wegen] von Amts wegen. ›Minister‹ heißen die Oberen einer Provinz oder des gesamten Ordens; vgl. zu IV 4,74. Tittmann erklärt die Phrase mit »im Auftrag des Obern«. 6 Zu Visitiren] Die von Papst Honorius III. 1223 bestätigte Regel des Franziskanerordens (bullierte Regel) sah den regelmäßigen Besuch der einzelnen Ordenshäuser vor: »Die Brüder, die Minister und Diener der anderen Brüder sind, sollen ihre Brüder aufsuchen und ermahnen und sie in Demut und Liebe zurechtweisen, ohne ihnen etwas zu befehlen, was gegen ihre Seele und unsere Regel wäre« (Franziskus von Assisi, Bullierte Regel  10,1; S.  171f.). – Weitere Verweise oder Anspielungen auf diese Ordensregel finden sich in Vers 90f. (Kutte und Strick): vgl. Bullierte Regel, Kap. 2,9; Vers 95 (Schuhwerk): vgl. Kap. 2,15; Vers 99 (kein Geldbesitz): vgl. Kap. 4,1 und 5,3; Vers 100f. (Versorgung durch Kustoden oder geistliche Freunde): vgl. Kap. 4,2; Vers 102 (Almosenempfang): vgl. Kap. 6,2; Vers 143 (kein Kontakt mit Frauen): vgl. Kap. 11,1; Vers 145–148 (keine Patenschaften): vgl. Kap.  11,3; Vers  149f. (Fasten): vgl. Kap.  3,5–8. 7 wart man auff jn] bediente man ihn. 9 mit hauffen] in Mengen. 12 wol gekr pfft] gut abgefüllt. 15 Also Casteit … Jar] so enthaltsam lebte er viele Jahre. 19 geletzt] geschwächt. 22 Orth] Scheidemünze im Viertelwert einer größeren Münze; vgl. Schrötter, S. 475; DWb 13, Sp. 1352. In der Reichsmünzordnung 1524 wurde der Ort mit einem Viertel Gulden angesetzt; vgl. zu I 27,19. 27f. wie man sagt … fahrn] Möglicherweise Abwandlung eines im Niederdeutschen schwach belegten Sprichworts; vgl. zu IV 4,115f. 28 von mundt] unmittelbar; vgl. DWb 12, Sp. 2680f. 29 in vollem sauß] in Schwelgerei. Redensartlich; siehe zu III  94,29. 30 zuhandt] sogleich. 31 botz heilger Tauff] Fluchformel; wohl entstellt aus: ›bei Gottes heiliger Taufe‹; vgl. DWb  1, Sp. 279f.; FWB 4, Sp. 882. 35 entsatzt] entsetzte. 40 gereyt] schon. 50 Abgott Jano] Gemeint ist wohl der römische Gott Janus. Vgl. zu I  15,7. 51 mit Laruen … Butzen] mit Masken und Verkleidungen. 52 stutzen] stoßen; vgl. DWb 20, Sp. 759, mit Bezug auf diese Stelle. 54 feyhl] zum Verkauf. 55 wie ein Narr beschorn] Siehe zu III 90,2. 56 Kappen one Ohrn] Anspielung auf die Narrenkappe; vgl. II 61,26. ›Kappe‹ meint die Mönchskutte; vgl. zu III 92,119. 58 wunder grimm] furchtbares Monster. 59 Taprobana] Sagenhafte Insel; siehe zu I  66,38. 60 feht] fängt. 61 Zwar] wirklich. 63 bochen] Prahlen. 63 get)mel] Lärmen. 66 stoß baldt hinab zur Hell] Unklare Syntax, möglicherweise: ›oder ich stoße dich […]‹. ›Stoßen‹ kann auch intransitiv verwendet werden, was hier passen würde (›fahr hinab!‹), ist aber in Verbindung mit ›zur Hölle‹ gerade in transitiver Bedeutung belegt (vgl. DWb 19, Sp. 499). 67 heu-

Kommentar zu IV 69

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len vnd z ne klappern] Vgl. Mt 8,12; 13,42 und 50; 22,13; 24,51; 25,30; Lk 13,28. 73f. Sanct Franciscus … durch wandern] Der von Franz von Assisi (1181/1182– 1226, heiliggesprochen 1228) gegründete Franziskanerorden entfaltete schon in den ersten Jahrzehnten eine rege Missionstätigkeit über die Grenzen Europas hinaus. 78 in den strengen Orden] zu den Observanten; vgl. Vers  1 und  87. 82 Bilch muß … fragen] es ist nur angemessen, wenn ich weiter frage. 86 Sechs vnd dreissig Jar] Möglicherweise eine ironische Anspielung auf die christliche Zahlenallegorese, in der die  36 eine Zahl der Vollendung (perfectio) ist; vgl. Heinz Meyer/Rudolf Suntrup, Lexikon der mittelalterlichen Zahlenbedeutungen, München 1987 (Münstersche Mittelalter-Schriften 56), Sp. 707f. 88 Das bdeut] darauf verweist. 88 der Krantz] Gemeint ist das Haar um die Tonsur herum. 92 murren] murmeln. 93 sawersehen] ein mürrisches Gesicht machen. 95 Holtschen] Holzschuhe; vgl. DWb 10, Sp. 1780, mit Bezug auf diese Stelle. 95 zerschnitten Schuch] Sandalenähnliche Schuhe mit durchbrochenem Lederwerk konnten zwar je nach Mode als fein gelten, hier dürfte das Adjektiv aber eher auf die ärmliche Fußbekleidung hinweisen; gemeint ist wohl ein der Fußsohle angepasstes Stück Leder, das den Spann freilässt und mit Schnüren festgebunden wird; vgl. DWb 15, Sp. 1842. Nach Kap. 2,15 der bullierten Regel ist das Tragen von Schuhen nur gestattet, wenn man »durch Not gezwungen« (S. 166) ist. 96 Kein Hosen … leine Bruch] keine Beinkleider, nur eine Unterhose aus Leinen; vgl. zu I 17,66. 98 geseß] Sitz. 99 kein Denarium] Die Regel des Franziskus benutzt für ›Geld‹ und ›Münzen‹ regelmäßig pecunia oder denarium. Die Franziskaner dürfen kein Geld annehmen (Franziskus von Assisi, Bullierte Regel, Kap.  4,1 und  5,3); siehe zu IV  21,29. 100 Seckeldarium] Zahlmeister (wortspielerische Annäherung von ›Säckelmeister‹ an ›Sekretär‹; vgl. DWb 15, Sp. 2805). Die Praxis entspricht Kap. 4,2 der bullierten Regel, wonach die Kustoden für den Unterhalt der Brüder zu sorgen haben. Die späteren Drucke (Varianten: Seckel darum BC, Seckel darumb EF) verändern die Aussage von V. 100–102, die sich hervorragend zur Scheinheiligkeit des Franziskaners fügt: ›Ich habe nie Geld angerührt, stets hatte ich einen Beutel um das Geld herum.‹ 101 vor mich … ab] mir das Essen zuteilte. 109 Dorfft ich … vermessen] hätte ich mir das nicht erlauben dürfen. 110 ausserhalb dem Kloster essen] Franziskus von Assisi, Bullierte Regel 3,14, gestattet unter Berufung auf Lk 10,8, Einladungen zum Mahl anzunehmen. 113–116 Denn/ wie die Euangeli … vnd tranck] Vgl. Mt  9,10f. 120 einfeltigen] redlichen. 121f. alleyn Gott … bawen] Luther hatte die Werkgerechtigkeit zwar kritisiert und die Rechtfertigung allein durch den Glauben propagiert (vgl. zu I 70,27f.), doch sieht er durchaus die Notwendigkeit der guten Werke: Bey welchen man nun die werck nit spurt, do kunnen wir schliessen unnd sagen: Sie haben dauonn geh rt, aber es ist nicht tzu grunde gesuncken, denn wiltu liegen in hochmut, geytz, unkeuscheit, tzorn und wild vil von glauben sagen etc. 1. Cho: 4, So wirt S. Paul her kommen und sagen ›Horstu das reich gottes steet nit in worten, sonder in der tettigkeit‹, Es wil sich leben und thun lassen, nicht allein predig und schwetzen. Also schnappen wir auff beiden seitten: wenn mann prediget man muß allein gelauben, so wil man die fruchte, die werck nachlassen. Prediget man den von

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Kommentar zu IV 69

den wercken, so fallen wir hin und trosten unns der werck, darumb müssen wir nun den mittelweg eingehen: der glaub muß allein frumb unnd selig machen, Aber das du weissest das der glaub recht sey, so musstu denn beweysen mit den wercken. Got wirt dein spiegelfechten nicht leiden, darumb hat er dir ein predig dartzu gestelt, di dy werck preißet, welche sein allein tzeugnuß das du glaubest, die sind nun wen sie dohin gehen frey vmb sunst (WA 10,3, S. 298, Z. 1–15). 124 widerfacht] bekämpfte. 125 nit wider jn gschrieben] Hier und im Folgenden (V.  127,  133) deutet sich ein satirisch genutzter Gegensatz zwischen der theologischen Auseinandersetzung im mündlichen Gespräch und in der schriftlichen Kontroverse an. 128 bewert] als richtig erwies. 129 Scotus] Johannes Duns Scotus (1265/1266–1308), einflussreicher Scholastiker, war Franziskaner und für die Theologie seines Ordens prägend. Zwischen seiner und Luthers Rechtfertigungslehre gibt es zwar Berührungspunke, Luther betont allerdings die Differenzen, insbesondere bei der Frage, ob eine gute Tat schon aus dem guten Willen resultiere: Scotus concludit, quod sufficit intentio virtualis, non requiritur actualis. Tum diabolus: O bene, recte, Securus esto. O Deus, quanto ludibrio sumus hostibus nostris! Non ita facilis est bona intentio, Nec in tua (bone Deus), o homo, potestate constituta, Sicut nocentissime Vel docet Vel discitur Scotus. Ea enim presumptio est hodie perniciosissima […] (WA 56, S. 501, Z. 1–6). 130 bas] besser. 131 vnser Sect] Der Franziskaner gibt unfreiwillig zu erkennen, dass es sich bei den Lehren der römischen Kirche um einen Sonder- oder Irrglauben handle. Mit ›Sekte‹ bezeichnen sonst vor allem die altgläubigen Kontroverstheologen die neue Lutherische Lehre. 133 schreiben] Luther wendet sich verschiedentlich gegen die Observanten, bei theologischen Fragen oft in einem Zug mit der Ablehnung der Lehren des Duns Scotus. 135 Penitentz] Bußübungen (lat. poenitentia). 136 Abstinentz] Enthaltsamkeit (lat. abstinentia). 138 verschnitten] abgeschnitten. 139–142 Denn ich hiengs … wirfft] Die Bildlichkeit ist unklar. Möglicherweise ist bei der Wagennabe an Mk 10,25 zu denken: Es ist leichter/ das ein Kameel durch ein Naddelöhre gehe/ Denn das ein Reicher ins reich Gottes kome. Andererseits lässt sich das Abschneiden eines wertlosen Teils des weltlichen Lebens als Entlarvung der Enthaltsamkeit deuten, die nur auf das verzichtet, was man sowieso entbehren kann (den Hunden vorwirft). Gleichzeitig scheint der Franziskaner von einer Selbstentmannung zu sprechen (vgl. V.  143). 145 zu Guattern] als Taufpate; vgl. IV  7,6. Nach Franziskus von Assisi, Bullierte Regel 11,3, dürfen die Franziskaner keine Patenschaften übernehmen. 147 Eussert] enthielt. 148 hart verbeut] streng verbietet. 156 Maßren Schlegel] knorriger Prügel. Wegen seines Wuchses konnte mit ›Masernholz‹ der Ahorn gemeint sein; vgl. DWb  12, Sp.  1700. 157 Lazrus] Vgl. Lk 16,19–31. 160 bewagen hart] sehr bewegt. 162 mißduncken] Misstrauen. 163f. mit solchem … sein] Eine ähnliche Formulierung, die sich auf die als Schafe verkleideten räuberischen Kaufleute bezieht, findet sich IV  49,146f. 179 So] falls. 188 fauler] übler. 193 massen] mäßigen. 204 bey der Nasen gf)hrt] Redensartlich; vgl. Röhrich, S. 1079f. 205 Buben] Schurken. 207 Vns] unser. 207 als] alles. 208 mit jrem Bann gefatzt] mit ihrem Kirchenbann zum Besten gehalten; die gleiche Formulierung II  75,35.

Kommentar zu IV 70

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212 Gbew] Gebäude; vgl. die Kritik an den prächtigen Kirchen und Ordenshäusern der Franziskaner III 100,71–119. 217 baß] weiterhin.

IV 70 Von einer stieffmutter. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 9 Etzen] speisen. 12 f)dt] füttere. 13 Metzen] Hier: unverheiratete Frau; vgl. aber zu IV 39,4. 14 entsetzen] erschrecken. 17 jm] sich. 23 lebt … im sauß] Redensartlich; siehe zu III 94,29. 29 waffen] Schon im Mittelalter häufig belegter Klage- und Hilferuf; vgl. DWb 27, Sp. 292–296. 37f. wer … stieffuatter drat] Ein früher Beleg für das Sprichwort: ›Wer eine Stiefmutter hat, hat auch einen Stiefvater‹; vgl. TPMA Stiefmutter 28–30. 38 drat] alsbald. 43f. Doch han die … Desselben] haben doch die, die nicht die leiblichen Mütter sind, davon. 47 frommen] rechtschaffenen. 50 Gelangt offt … ehrn] ein Verhalten, das den Stiefmüttern oft zu eigener Ehre verhilft. 55 helt] besitzt. 55 SJEman] Im 16. Jh. verbreitete Bezeichnung für den von der Frau beherrschten (Ehe)Mann oder für diese selbst; vgl. IV 81,183; DWb 16, Sp. 958–961, und Adam Schubart, Der Sieman/ das ist wider den Hausteuffell [um 1564], in: Teufelbücher in Auswahl, hg. von Ria Stambaugh, Bd.  2, Berlin – New York  1972 (Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts), S. 237–307. 56 g)lden] Goldmünze; siehe zu I 14,58. 57–62 sprichwort … stieffmuter hab] Vgl. die Redensart: ›jemanden stiefmütterlich behandeln‹ im Sinne von ›vernachlässigen‹ (Röhrich, S. 1555); Alberus, Dictionarium, Bl. bb1a: Nouercari, stieffm)tterisch. i. vnfreundtlich handeln.

IV 71 Vonn einem Kauffman/ vnd seinem Weibe.

ATU 1362

Vorlage Die Geschichte vom Schneekind ist schon im Mittelalter weit verbreitet. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 4 nie kein] nie ein. 8 rechenschafft] Berechnung; vgl. DWb 14, Sp. 344f., auch mit diesem Beleg. 13 massen] mäßigen. 14 kein Artzt … Wundt] Siehe zu III 6,4. 24 durch die Finger sehen] Redensartlich; siehe zu II 93,40. 27 gedacht seins fugs] Etwa: überlegte, was für ihn am besten sein würde. 32 dniden] dort unten. 37 zuhandt] sofort. 46 Baldt] sobald. 51f. Es lert erfahrnheyt … trifft] Sprichwörtlich; siehe zu I 35,45f.; vgl. auch die ebd. zu V. 41–44 angeführten Bibelstellen. Zur Kategorie der Erfahrung vgl. zu I 79,34.

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IV 72 Von zweien Fechternn.

Kommentar zu IV 72 Pauli 311

Vorlage Der Stoff dieser Fabel ist nicht neu. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 2 offne schul] Im Mittelalter war die Ausbildung an scharfen Waffen dem Adel vorbehalten und wurde durch einen meist am Hof ansässigen Fechtmeister geleistet. Seit dem  15. Jh. erfolgte eine Öffnung hin zum Bürgertum, das sich ebenfalls in verschiedenen Waffengattungen ausbilden ließ. Halbprofessionelle Fechtmeister schlossen sich in zunftähnlichen Vereinigungen zusammen, zu denen schließlich auch Handwerker Zutritt fanden. In diesen ›offenen‹ Fechtschulen durften bestimmte Kampftechniken nicht gelehrt werden. Vgl. Martin Wierschin, Meister Johann Liechtenauers Kunst des Fechtens, München 1965 (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters  13), S.  45–66. 3 Jr] und jene. 9 bgern] die Bitte richten. 10 wehrn] Waffengattungen. 11 Als] alles. 13 alle arg] Wohl: allen Argwohn. 16 hast] hasste; hier in der ursprünglichen Bedeutung ›feindlich verfolgen‹. Vgl. DWb 10, Sp.  546f., mit Bezug auf diese Stelle. 17 bot jm auß] forderte ihn heraus. 22 fertig] geschickt. 26 Legten sich … hatz] begannen den Kampf. 27 gang] Abschnitt eines Kampfes. 30 vber ein seiten ruckt] wich seitwärts aus. 31 vor nie] noch nie. 32 nie keiner] gar keiner. 33 so nit bewilligt nechten] gestern abend nicht so verabredet. 37 on als gefehr] unvermittelt; hier wohl mit einem Nebensinn ›ohne allen Argwohn‹. 47f. wie die Gesetz … beygen] Vgl. Lev 19,32. 49–52 Ob gleich ein junger Mann … zu suchen hat] Sprichwörtlich: ›Den Jungen liegt die Tat, den Alten Rat und Weisheit‹; vgl. TPMA jung 115–120.

IV 73 Vom Fuhrman/ Fuchß vnd Wolffe.

DG 226

Vorlage Der Stoff stammt aus der mittelalterlichen Tierepik. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 9 ließ jm … vnmehr] sie waren ihm ganz gleichgültig. 10 ob] als ob. 19 mocht] konnte. 21 Gspan] Fuhrmann; vgl. Alberus, Dictionarium, Bl. Hh3a: Carpentarij uocabulo (gespan) se inuicem salutant. 25f. Eisen grim … Herr Reynhart] Tiernamen aus der Tierepik; vgl. zu I  59,28. 27 end] Ort. 28 bitt jr keine Gest] ladet Ihr keine Gäste ein. 34 schmitz] Hiebe. 36 zu gnagen] auffressen. 37f. vortheil … bestecken] Vgl. I  6,3f. 37 flecken] Stücken. 41 m cht dichs gerawen] könnte es dich reuen. 42 dich … wirdst krawen] Redensartlich; siehe

Kommentar zu IV 74

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zu II 74,13. 46 gund] begann. 46 zustrecken] hinzulegen. 51 wilt jm … kochen] dem willst du es zeigen. Redensartlich; siehe zu IV 5,62. 51 mol] Mahl. 53 lentzen] betrügen; vgl. FWB 9, Sp. 969, mit nur diesem Beleg. 54 Fuchßschwentzen] Redensartlich; siehe zu I 11,7. 65 wischt … gestreycht] sprang er – so geschlagen – auf. 68 da von stundt] gleich darauf. 73 Er] Gemeint ist der Fuchs. 73f. wer sich … schmecken] Siehe zu IV 42,79f., wo dieselbe Phrase erscheint. 75 Da sprach … vmb sehen] Identischer Vers IV  7,114; vgl. zu IV 3,27. 81 Je b ser … gl)ckt] Sprichwörtlich: ›Je größer der Schurke, desto mehr Glück hat er‹; vgl. TPMA Schurke 66–72. 82 gschickt] schlau. 87f. wer erst … V gel nimpt] Als Sprichwort nicht vor Waldis belegt. 90 Wer … ersten malt] Ein zuerst im Sachsenspiegel (um 1230) belegter Rechtsgrundsatz, der sprichwörtlich geworden ist: ›Wer zuerst (zur Mühle) kommt, mahlt zuerst‹; vgl. TPMA mahlen 22–27; Röhrich, S. 990. Zum rechtshistorischen Hintergrund siehe zu IV  47,21; vgl. auch Schubert, S.  78–81. 92 Wers gl)ck … Braut heim] Sprichwörtlich: ›Der Glückliche bekommt die Braut‹; vgl. TPMA Braut 12–17. Luther erklärt: Als solt es sagen: Es stehet nicht bey dem recht sondern bey dem gl)ck, und gehet nicht nach dem recht sondern nach dem gl)ck, wer die braut haben sol, und hilfft nichts darumb tantzen (WA 30,3, S. 224, Z. 26–28). 93 zug] Kunstgriff (DWb 32,378f., mit Bezug auf diese Stelle), hier: Erkenntnis. 94 Das man … klug] Redensartlich; siehe zu I 11,76. 96 hofrecht] Vergnügen; vgl. DWb 10, Sp. 1696. 98 dorfft spicken] mästen müssen. 100 sunst] so. Literatur Lieb, S. 165, 190f.

IV 74 Vonn einem faulen Knechte. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 2 Vermieten] verdingen. 3 Meyer] Gutsverwalter. 4 baldt von stundt] sogleich. 5 encken] Knechts. 9 Weinkauff] Vertragsabschluss; siehe zu III 25,36. 9 vier maß] Wohl ca. 3,5 Liter; vgl. zu IV 18,50. 14 das ziel nit stecken] die Zeit nicht festsetzen. 15 gach] eilig. 24 sondern feyhl] besonderen Fehler. 25 vndernimpt] überkommt. 26 scheul] Unklar; wohl: Misshelligkeit, Unwohlsein; vgl. DWb 14, Sp. 2484 (›Schelle‹). 27 in vollem sauß] Redensartlich; siehe zu III 94,29. 30 Kn)ttel] Knüppel. 34 dorffst] brauchst. 40 Bub] Schurke. 48 besehen m)gen] ansäen können. 52 b)ß] heile. 59 Den Knecht … vberschritt] machte sich über den Knecht her; vgl. DWb 23, Sp. 520, mit Bezug auf diese Stelle. 62 vbergeben] aufgeben. 63 solches maßt] darin mäßigt. 73 vernommen] bemerkt. 74 vorkomen] verhüten. 77 der faulkeyt rathen] ein Mittel gegen die Faulheit finden. 78 Kalbsfurtz] In DWb und FWB nicht

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Kommentar zu IV 75

belegt. Ähnlich unsinnige Rezepturen sind aber keine Seltenheit; vgl. Alberus, Fabeln  40,91–98 (mit Kommentar); Flugblätter I  80. Möglicherweise werden hier medizinische Rezepte der Frühen Neuzeit parodiert, deren Zutaten oftmals selbst so mühsam zu beschaffen oder zu verarbeiten seien wie ein Kälberfurz (so Sandvoss, S. 62). Tittmann erklärt ›keinen Kalbsfurz braten‹ mit »nicht viel Umstände machen«. 80–83 Br)gelsuppen … Heseln safft] Siehe zu IV 19,112 (dort auch die gleiche Metapher wie hier V.  81). 83 Heseln safft] Saft vom Haselnussstrauch, metaphorisch für Schläge mit der Haselrute; die gleiche ›Medizin‹ wird in IV 81,110 empfohlen. 84 gschickt] bereit. 88 Weil] als. Literatur Lieb, S. 56f.

IV 75 Vom Knigreich der Affen.

DG 28

Vorlage Der Stoff dieser Fabel ist nicht neu. Ob Waldis Camerarius als Vorlage benutzte, wie Stiefel meint, ist nicht sicher. Strukturell und inhaltlich ähnlich ist Fabel IV 7. Stellenkommentar 5 pancketieren] schlemmen, oder: großen Banketten. 7 wacht] wahrnahm. 11 jenen] Siehe zu I 11,5. 26 an keinem endt] nirgends. 29 frommen] zu gute kommen. 34 Frawen zimmer] Frauengemach. 36 koß] wählte. 37 bracht … in schwang] errichtete die Herrschaft; bei Luther gebräuchlich (vgl. DWb  15, Sp.  2230). 38 eben] ziemlich. 39 Vesper] Metonymisch für Abend; vgl. IV  64,9, und zu II  27,27. 39 on alles triegen] das könnt ihr mir glauben. 60 T)rckschen Keyser] Das türkische Sultanat unter Suleiman II. (1520–1566) galt als Inbegriff orientalischer Prachtentfaltung. Vergleiche mit dem ›türkischen Kaiser‹ sind im 16. Jh. geläufig. Vgl. auch III 100,85f. und 93. 62f. Salomon … gepriesen] Vgl. I Reg 4. 70 ehrlich begoben] ansehnlich beschenken. 82 willn] Dank. 86 gecken] dich zum Narren halten; vgl. FWB 6, Sp. 338. 88–93 Kinder ein Bischoff … gleich] Das sogenannte Kinderbischofsfest war in Mittelalter und Früher Neuzeit weit verbreitet und stets umstritten. Kinder (vor allem Chorknaben) wählten aus ihren Reihen einen Bischof, der meist zwischen Weihnachten und Neujahr kirchliche und weltliche Handlungen vollzog. Vgl. (mit weiterer Literatur) Tanja Skambraks, Närrisches Treiben oder liturgisches Ritual? Zur Deutung und Interpretation des mittelalterlichen Kinderbischofsfestes, in: Paradoxien der Legitimation. Ergebnisse einer deutsch-italienisch-französischen Villa Vigoni-Konferenz zur Macht im Mittelalter. Hg. von Annette Kehnel und Cristina Andenna (Reihe Micrologus), Florenz 2010, S. 357–384. 91 das Gaudeamus gsungen] Gemeint ist: dann ist das fröhliche Leben vorbei. ›Gaudeamus‹ (lat. ›lasst uns fröhlich sein‹) spielt auf ein lateinisches Lied an (es ist allerdings

Kommentar zu IV 75

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nicht das erst später gedichtete Gaudeamus igitur gemeint); vgl. Brant, Narrenschiff 108,153f.: Er würt gselschafft fynden geryng | Mit den er Gaudeamus sing. 98f. Als was … erwegen] zu allem, was ihr bei den Menschen seht, seid ihr sofort bereit. 103–106 Sich wider … zerbissen] Ähnlich IV 7,103–106; siehe auch die Erläuterungen dort. 109 erfarnheyt] Siehe zu I 79,34. 111 massen] mäßigen. 113 gmeyn] allgemein verbreitet. 114 tadel] Fehler. 124–138 der Heyd Carneades … verschonen] Das Bonmot des griechischen Philosophen Karneades von Kyrene (2. Jh. v. Chr.) ist nur bei Plutarch überliefert: Derhalb hat Carneades gepfleget z*sagen/ das der künigen vnd reicher leüt s)n/ nichts rechts/ oder bassz leeren dann reiten. darumb/ das yn der zuchtmeister heüchle in der )bung des studierens/ lobet sye st tigs/ gott gebe was sye sagen. Auch heüchler ynen der mit ynen rynget/ weicht vnnd lasszt sich werffen. Aber das pferd/ so nit versteet/ noch gedenckt/ ob es ein schlechter mann/ oder ein befelchshaber/ reich oder arm beschreit/ stürtzet ein yeden der des reitens nit bericht ist (Plutarchi von Cheronea g*ter Sitten einvndzwentzig B)cher. Durch D. Michael Herr/ der Artzney/ vnnd Freyer Künsten lyebhaber newlich verteütscht, Straßburg 1535, S. 91). 130 fleissen … knaben] umgeben sie sich mit solchen Leuten. 138 sein] ihn. 141 Von] davon. 143 der weyß nit zu nieten] die Untreue nicht zu eigen machen kann. 145 Vlenspiegel] Eulenspiegel; Reinhard Tenberg, Die deutsche Till Eulenspiegel-Rezeption bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, Würzburg 1996 (Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft 161), verzeichnet die Stelle nicht. 146–148 wer … bkummen] Sprichwörtlich: ›Wahrheit findet keine Herberge‹; vgl. TPMA wahr  15a–16; Pauli  3. Der Spruch findet sich nicht in der Schwanksammlung; das Motiv erscheint dort in Kap. 30, wo Eulenspiegel allerdings aufgenommen wird, weil er versichert, die Wahrheit zu sagen. 147 frummen] Anständigen. 150 Gegen dem Windt … hencken] Redensartlich; siehe zu IV 7,111. 151 Den Steyn … tragen] Redensartlich; siehe zu IV 7,124. 154 Brillen verkauffen] Redensartlich; siehe zu IV  8,84. 154 schleiffen wenden] Kurz für die Redensart: ›Zugleich schleiffen und wenden können‹, im Sinne von ›heucheln‹; siehe zu IV  7,125. 155 vor beiden Augen zylen] Dieser Vergleich macht wie Vers  151 und  154 die Unsinnigkeit deutlich, zwei gegenteilige Dinge zugleich zu wollen oder zu loben: Man kann beim Schießen nicht mit beiden Augen zugleich zielen. 156 vnderm h)tlin spielen] Redensartlich; siehe zu IV 49,137. 157 verschlahn] vertreiben. 157 liegen] Lügen. 158 ein wechssen nasen biegen] Redensartlich; siehe zu IV 18,70. 159 schlechte] Gerade. 161 Pflaumen … klauben] Sprichwörtlich; siehe zu I 11,62. 162 Mardern schauben] Marderpelzmäntel. 166 t)r] wagt. Literatur Stiefel, Quellen, S. 267–269.

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Kommentar zu IV 76

IV 76 Vonn einem jungen Redner. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 2 Promouiert] Eigentlich: ›befördert‹, ›in ein Amt berufen‹; hier der Erwerb eines akademischen Grades. 3 Magister in der freien Kunst] Lat. Magister Artium; vgl. zu Das Leben Esopi  165f. 5 redenheyt] Redekunst. 8 Nach glegenheyt … r)ren] der Sachlage gemäß alle Umstände berücksichtigen. Umschreibung für die Aufgabe der rhetorischen Topik. 12 jeben] üben. 14 dest bas] umso besser. 14 mocht] konnte. 18 bursen] Gemeinschaftsunterkunft, insbesondere für Studenten; vgl. FWB 4, Sp. 1465, auch mit Bezug auf diese Stelle. 20 Molten] Wannen. 25 heischt sein statt] sein Stand erfordert. 26 grad] Rang. 27f. red … widerfrag] Die Begriffe beziehen sich auf die formelle Abfolge von Anklage und Verteidigung im Zivilprozess des 16. Jhs. und überhaupt auf die geordnete Disputation; vgl. W. Gast, Replik/Duplik, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik 7 (2005), Sp. 1165–1170, sowie DWb 29, Sp. 986. 36 gmeynem] allgemeinem. 38 ab sagen] verkünden. 49 Kunst] im Sinne von lat. ars; vgl. zu V.  3. 52 zum schmack der K)nsten] zu den Künsten. Hier wohl in einer erhabenen Wendung, wonach schmack für den Gehalt der im Genitiv bezeichneten Sache steht; vgl. FWB 6, Sp. 1330. 54 straucht] abkommt. 56 Der gut Homerus … st)mmert] Sprichwörtlich: ›Manchmal stammelt auch der gute Homer‹; nach Horaz, De arte poetica (= Epistulae II  3),  359: quandoque bonus dormitat Homerus; vgl. dazu TPMA Homer 1–3 (ohne deutsche Belege); Walther, Nr. 23576. 59 Locaten] Lehrer; vgl. Alberus, Fabeln 34,135f. Die Nördlinger Schulordnung vom Jahr 1521 etwa nennt die locaten […] helffennde glider des Schulmeisters (das haubt der schul); in der Nürnberger Lateinschulordnung (um  1505) heißt es: locat oder jungkmaister (Vor- und frühreformatorische Schulordnungen und Schulverträge in deutscher und niederländischer Sprache, hg. von Johannes Müller, 2 Bde., Zschopau 1885f. [Sammlung selten gewordener pädagogischer Schriften früherer Zeiten 12/13], Teil 2, S. 213, Z. 12f., und S. 148, Z. 7; weitere Belege ebd.). 65 getroffen] Starkes Partizip Präteritum von ›triefen‹. 67 box grindt/ vnd heylger Wund] Fluchformeln; box ist wohl als Genitiv von ›Bock‹ aufzufassen, der für den Teufel stehen kann; vgl. FWB 4, Sp. 881f., sowie DWb  2, Sp.  202f. 69 auß geschworn] herausgeschwitzt; vgl. FWB  2, Sp. 1349f., auch mit Bezug auf diese Stelle.

Kommentar zu IV 77

IV 77 Vom Lwen/ Wolff/ vnnd Fuchß.

327 DG 599

Vorlage Der Stoff dieser Fabel ist nicht neu; Stiefel macht auf Parallelen zu Steinhöwel und Camerarius aufmerksam. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 7 gund] begann. 10 Fuchßschwentz verkaufft] Sprichwörtlich; siehe zu IV 8,84. 11 mit dem K ß gefatzt] Vgl. IV 8. 11 gefatzt] verhöhnt. 12 der Aff zekratzt] Vgl. IV 7. 13f. bey dem Wagen … gschlagen] Vgl. IV 73. 16 brecht wider heym] heimzahlen wolle. 19 von stundt] sogleich. 22 gro] grau. 24 balck] Pelz. 31 hart dabey] ganz nahe. 32 jm] sich. 33 eintreiben] vergelten. 34 Solt … mich reiben] du sollst mir bald nicht mehr feindlich begegnen. 40 Baldt] sobald. 44 mucht] könnte. 46 kelte in dem Magen] Siehe zu I 91,29. 47 dniden] unten. 52f. Dieselbig haut … Bauch] Vgl. etwa die Ulmer Wundarznei (um 1486), S. 86: Wer ain gürtel/ treyt von ainer wolffs hut, dem wirt nütz/ dez siechtagen halb (Jürgen Martin, Die ›Ulmer Wundarznei‹. Einleitung – Text – Glossar zu einem Denkmal deutscher Fachprosa des 15. Jahrhunderts, Würzburg 1991 [Würzburger medizinhistorische Forschungen 52]). 54 rauch] Rauhe (Haar). 63–74 Wie man … sicht] Vgl. IV 49,75–83. 82 drat] schnell. 86 Bis … Hend] bis zum Hals und zu den Pfoten. 88 Sahe … an] sah aus, als ob er eine Mütze aufhätte. 90 vberzwerg] von der Seite her. 94 Hosen] Vgl. zu I 17,66. 97f. wer einen … klembt] Vgl. die sinngemäßen Sprichwörter I 35,41– 44; II 9,30–35. 99 hab mein bescheydt] habe meine Lektion erhalten. 105 der har] von dieser Art; vgl. DWb 10, Sp. 18. 106 rheit] Die im 16. Jh. geläufige Bedeutung ›quält‹ ist hier zum Bild ausgearbeitet. 107 vberwigt] überwältigt. 108 Neidtharts] Siehe zu I  6,53. 110 bang] Sorge. 113–116 Vom Haman … ertrenckt] Vgl. Est  5,14, und  7,9f. 117–134 Gleich wie Perillus … gebraten] Vgl. etwa Ovid, Tristia III 11,39–54; Pauli 116. 121 peinlich fragen] unter Folter verhören. Literatur Lieb, S. 198–202; Stiefel, Quellen, S. 269–271.

IV 78 Vom Hundt vnd Fuchß. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. DG 297 verzeichnet nur die Waldis-Fabel. Stellenkommentar 5 dest baß als dings] umso besser auf alle Dinge. 9 eben] genau. 10 rechnung] Rechenschaft. 11 verursacht wardt] veranlasst wurde. 13 wacker] wachsam.

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Kommentar zu IV 79

21 ichs alles warten] ich auf alles aufpassen. 24 witz] Verstand. 35f. Sich reichlich … gohn] er könnte sehr gut davon leben, dass er ihm (dem Hund) die Hühner in Ruhe lasse. 41 mit dem hetzen] und ihn verfolgen. 42 gleichs … jn setzen] so wie der Hund ihn angreifen. 44 Glauben und trew] Redensartlich; siehe zu III  96,6–8. 45 ein ebne zeit] ziemlich lange. 54 das Maul zu weit] sehr groß. 55 anzant] Hier wohl nicht ›mit den Zähnen fletschen‹, sondern ›angreifen‹. 57 schier außdawt den Bauch] die Speisen schon fast verdaut. 61 Zuhand] sogleich. 71 Weils] solange es. 73 vngefell] Not. 74 kein Gelt auch kein Gesell] Sprichwörtlich; vgl. Agricola, Sprichwörter I 66: Nymmer gelt/ nymmer gesell (S.  54, Z.  5), mit der Erklärung: Es brauchen aber dises worts/ die/ so von yhren untrewen vorigen gesellen ynn yhrem unfall verlassen sind (S. 55, Z. 3f.). Vgl. TPMA Geld 244f., 248, 250–263. 82 sein geniessen m)gen] einen Vorteil von ihm haben können. 85 Da … ein Schiffbruch] Vgl. etwa Ovid, Tristia I  5,36. 87–106 Wenn … lieb abwescht] Vgl. Ovid, Tristia I  9,5–14. 89 b sen] schlechten. 91 mit grossen Summen] in großer Zahl; vgl. DW 20, Sp. 1069. 95 then] Tenne (Dreschplatz in der Scheune). 96 selten] nie. 101 vberzwer] schräg davor. 103 weil] solange. 104 sicht] sehen. 105 bstehns] stehen sie ihnen bei. 106 Ein tropff Wassers] Im Sinne des Bildes: ein Tropfen aus einer Regenwolke. 109–128 Gleich wie … gl)cks genossen] Vgl. Ovid, Tristia I  5,25–34. 109 probieren] prüfen. 112 dem glauben sich begeit] der Treue (lat. fides) bestellt ist. 116 b)ssen] beenden. 118 Zuhandt] sogleich. 123 auff ein hauffen gar] in vollem Umfang. 129–132 da michs vngl)ck … gewendt] Vgl. Ovid, Tristia III 5,5f. 136 sein] ihn. Literatur Lieb, S. 162f.

IV 79 Vom Hecht/ vnd Krebs. Vorlage Eine Vorlage für diese Fabel ist nicht bekannt. DG 264 verzeichnet nur die Waldis-Fabel. Stellenkommentar 5 baß] mehr. 8 hindersich] rückwärts; siehe zu III 97,81f. 18 brauchst dich fast] verausgabst dich sehr. 25 zu Landtwert] aufs Land. 32 vor mich kruch] vorwärts kröche. 36 Des sp tters … mol] Sprichwörtlich: ›Des Spötters Haus brennt auch‹; vgl. TPMA Spott 102f. 40 Erdenckt … der klein] Sprichwörtlich; siehe zu III 14,15f. 42 Der bilch … vndernimpt] der den Stolzen zurecht überwältigt.

Kommentar zu IV 80

IV 80 Des Betlers Kauffmanschafft.

329 ATU 1430(2)

Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist nicht neu. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 4–8 zu einr buß … hart] Verstümmelung und Landesverweis waren verbreitete Strafen im mittelalterlichen Recht. Eine genaue Zuordnung zum Delikt ist hier nicht möglich. 11 Des Bettelns … gnieten] vom Betteln seinen Lebensunterhalt bestreiten sollte; vgl. FWB  6, Sp.  918. 16 wol zuuorn] gut voran (mit seiner Bettelei). 17 vngepletzt] ohne Flicken. 19 Hosen] Vgl. zu I  17,66. 21 Bilgrims hut] Pilgerhut. 25 Pfennig/ Heller] Geringwertige Münzen; siehe zu I 90,98 (Pfennig) und II 4,82 (Heller). 25 ebne] ziemliche. 29 in die narung … stellen] sich so seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 32 mucht] konnte. 41 den kropff] die Speisen. 43 sich … gekropfft] hatte sich satt und voll gegessen. 45 Bettel sucht] Wohl: ›Bettlerkrankheit‹, Faulheit; vgl. DWb 1, Sp. 1732, mit nur diesem Beleg. 45 bestundt] befiel. 46 begund] begann. 50 Damit … entwachen] da erwachte er wieder. 57 Hindt] Hirschkuh. 61 wilt] wirst du. 63 anschlag] Plan. 65 Reichßtag] Siehe zu IV 17,7–10. 66 Dest] umso. 68 Pfennwert] Ware (im Wert von wenigen Pfennigen). 69 haussen] heraußen. 69 h)tzen] Bauern; vgl. Sanders, S.  198. 70 verst)tzen] tauschen. 74 weydlich] tüchtig. 75 g)lden] Goldmünze; siehe zu I  14,58. 77 gs ß] Landgut. 78 Jn D)ringen/ heißt obern Orff] Mit dem Ortsnamen dürfte das heutige Oberurff-Schiffelborn, ein Ortsteil von Bad Zwesten (Nordhessen) bezeichnet sein. Gemeint ist aber wohl das ca. 100 km östlich gelegene Ohrdruf (Thüringen, Kreis Gotha), wo sich in der Frühen Neuzeit wichtige Handelsstraßen kreuzten (vgl. V.  79). 81 nider schlagen] niederlassen. 84 haußgemach] eine bequeme Wohnung. 87 Erbeyß] Erbsen. 93 zehe/ zehe] Scheuchruf; vgl. DWb 31, Sp. 440. 94 bestehe] treffe; vgl. FWB 3, Sp. 1951. 96 schuchtern] ängstlich. 97 in voller brunst] Gemeint ist: so schnell es konnte. 100 von gdancken … Zoll] Sprichwörtlich: ›Gedanken sind zollfrei‹; vgl. TPMA Gedanke 31–35. Vgl. V. 125. 105 voll gedancken … hertz] Das Herz gilt auch als Sitz der Gedanken; siehe zu II 12,23. 107 Sich … vndersteht] denkt sich wohl hundert Dinge aus. 111 daf)r] deswegen. 112 vnmuter] freudloser. 113 ein kram] allerlei Waren. 116 fatzt] verspottet. 119 den vorwitz treiben] mehr zu wollen als man kann. 120 Wie … Poeten schreiben] Eine entsprechende Stelle konnte nicht nachgewiesen werden. 125 die gdancken … Windt] Vgl. Alberus, Fabeln 7,33f.: Gedancken aber/ wie der windt/ | Jn allen landen zollfrey sind. 128 m)lck] melken würde. 132 All … nit fort] Sprichwörtlich; siehe zu IV  63,54 (dort identisch formuliert). 133f. ein nerrisch anfang … Krebsgang] Siehe zu III 97,81f.

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Kommentar zu IV 81

IV 81 Vom altenn Mann/ vnd seinem Weibe. Vorlage Eine Vorlage für diese Erzählung ist nicht bekannt. Vgl. aber zu Vers 1 und 125f. Stellenkommentar 1 EJn reicher Mann war Sechtzigj rig] Die Konstellation von reichem Altem und junger, schöner Frau ist die topische Ausgangssituation für vergleichbare Ehebruchsgeschichten. Die Druck-Fassung von Hans Rosenplüts von dem mann im garten, Bamberg  1493, beginnt: Ein reicher man het ein knecht (nach den Handschriften mit den Varianten des Drucks ediert in: Die deutsche Märendichtung des 15. Jahrhunderts, hg. von Hanns Fischer, München 1966 [Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 12], Nr. 20, S. 178–187). 3 Metz] Hier: Braut. Siehe zu IV 39,4, und IV 70,13. 6 g)lden] Goldmünze; siehe zu I  14,58. 6 meynt] (haben) wollte. 7 Der] von denen. 9 muth] Freude; vgl. DWb 12, Sp. 2791, auch mit Bezug auf die Stelle. 10 Wie man … thut] Als Chiffre fürs Liebesspiel sprichwörtlich; vgl. TPMA Rhein 17f.; Sandvoss, S. 58f. Vgl. auch Ludus de erhardo de playttntall, V. 201–205: man hat mir ain Jungen lappem gebm, | Der ist nun iiij wochn pey mir glegn | vnd hat sich des nie durrn verbegen, | Das er mich het peruert mit adms ruett, | als mans enhalb das wasser tut (Sterzinger Spiele. Die weltlichen Spiele des Sterzinger Spielarchivs nach den Originalhandschriften [1510–1535] von Vigil Raber und nach der Ausgabe Oswald Zingerles [1886] hg. von Werner M. Bauer, Wien 1982 [Wiener Neudrucke 6], S. 316–328; vgl. DWb 27, Sp. 2310, auch mit Bezug auf die Stelle). 11 abgejagter G rr] Siehe zu III  83,8. 14 baren] Futtertrog. 16 im zelt] im Passgang. 20 kundtschafft] Bekanntschaft. 26 mißduncken] Misstrauen. 31 bek rn] davon abbringen. 33 vorbas selb sol stillen] künftig selbst beruhigt. 35 sondre losung] geheime Verabredung. 41 Hub an] fing an. 44 wie ein Crocodilus stellen] Anspielung auf die sprichwörtlichen ›Krokodilstränen‹; vgl. Sebastian Münster, Cosmographei, S. 1213: Man schreibt auch von im/ wan es ein menschen fressen will/ weynet es vorhin dz im die tr hern vß den augen abh r lauffen/ darauß dan dis sprichwort erwachsen ist/ Es seind Crocodilen tr hern/ Vnd dz braucht man so eines weynet oder sich traurig erzeygt vnd ghat doch nit von hertzen (nach Strabo); vgl. dazu Flugblätter I 238, ferner I 32. Siehe auch TPMA Krokodil  3–5,  9, und Röhrich, S.  892f. 47 vertragen] geschehen lassen. 50 schlecht] brav. 52 Schalck in seiner haut] Sprichwörtlich; siehe zu III 90,56. 55 ger)st] gerüstet; vgl. DWb 14, Sp. 1545. 57 Het mich … kauff] hätte er mich schon längst zu diesem Geschäft überredet. 59 nim] nicht mehr. 65 jm weydlich … traben] setzt ihm kräftig zu; vgl. zu III  72,36. 67 fromme] ehrbare. 70 Schauben] Mantel; vgl. zu I 9,103. 71 gberd] Gebaren. 76 heß] Gewand. 82 heymlich] vertraulich. 86 durchbert] durchprügelte. 91 jn meyntest … trewen] ihm treu wärst. 92 d rfftst nit … kewen] Bildlich für: bräuchtest du nicht diese Schläge ertragen; vgl. DWb 2, Sp. 588. Die ›Butzbirne‹ (auch: ›Putzbirne‹) ist nur als Metapher – ähnlich wie ›Ohr-Feige‹ – belegt; die eigentliche Bedeutung ist unklar. 93 fahr schon] beruhige dich; sie-

Kommentar zu IV 81

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he zu II 33,37. 97 ob] als ob. 102 Meynt] glaubte. 103 anglangt] belästigt. 105 dich … Orden] wärst bald in den Orden (der Liebe bzw. der Ehebrecher) eingetreten. 109 einschreiben] Wohl: den Namen vor Gericht einschreiben, d.h. öffentlich anklagen; vgl. DWb 3, Sp. 285. 110 Heseln safft] Metaphorisch für ›Prügel‹; siehe zu IV 19,112. Die gleiche Metapher IV 74,81. 112 Freundtschafft] Verwandtschaft. 113 ziemen] zähmen. 115 magst] kannst. 116 verkleynen] herabsetzen. 123 Laudes glesen] Bildlich für: ›prügeln‹; siehe zu IV 40,51. 125f. so sehr erschrack … Sack] Als Sprichwort belegt bei Franck, Sprichwörter, S. 256, Z. 4f.: Es ist jm eben so leyd/ als so eim esel ein sack entpfelt; zitiert TPMA Esel 477. Vgl. Thomas Murner, Die Mühle von Schwindelsheim und Gredt Müllerin Jahrzeit, hg. von Gustav Bebermeyer, Berlin – Leipzig 1923 (Kritische Gesamtausgaben Elsässischer Schriftsteller des Mittelalters und der Reformationszeit. Thomas Murners Deutsche Schriften 4) 9: Vmb den entpfallenden sack truren (V.  870–985); ferner Murner, Narrenbeschwörung 9,44, und 26,60. Im Druck der Rosenplüt-Fassung (wie zu V. 1) heißt es: Des selbigen erschrack die fraw schnel | Sam wenn eim esel der sack empfeld. 128 auff lecken] hüpfen; vgl. FWB 2, Sp. 530. 130 grein] weinte. 131 het geben baß] Gemeint ist: noch mehr Schläge. 132 bilch] gerechterweise. 141 ergetzt] entschädigt. 142 sein traw auff setzt] seine Treue bewiesen hat; vgl. FWB 2, Sp. 703, mit dieser Stelle als Beleg. Vgl. ›aufsetzen‹ in der Bedeutung »(die Münze) prüfen, obrigkeitlich ihren Wert festlegen« (ebd., Sp. 708). 149 eltermutter] Großmutter; gemeint ist Eva. 150 verrirt] verrührt. 151 das Muß also versch)tt] Redensartlich; siehe zu I 55,49. 152 vns … weh thut] Hier wird einerseits an die heilsgeschichtliche Bedeutung des Sündenfalls, also an die Erbsünde erinnert, andererseits auch daran, dass der Typus der herrschenden Frau bis auf Eva zurückgeführt wird. Vgl. etwa Andreas Musculus, Wider den Ehteuffel [1556], in: Teufelbücher in Auswahl, hg. von Ria Stambaugh, Bd. 4, Berlin – New York  1978 (Ausgaben deutscher Literatur des  15. bis  18. Jahrhunderts), S. 81–132: Zum andern/ lest es der Eheteuffel nicht allein darbey bleiben/ das er die weiber in gleich regiment erhebe/ aus der ursach/ das er Gottes werck unnd ordnung zust re/ fried und einigkeit auffhebe/ Dargegen aber zwispalt und hader anrichte/ Sondern treibt und vorursacht die weiber/ als ein schwach gefes und leicht zu )berwinden/ auch wol zu solcher kunheit/ das sie nit allein iren mennern nach Gottes befelch nit unterthenig/ auch nit allein in gleichem regiment sitzen wollen/ sondern legen den mann wol gar unter ir gebiet und Herschafft/ legen die last auff den mann/ die Got auff sie gelegt/ und greiffen mit frevel und gewalt nach der herrschafft und regiment/ Solchs unterstehet sich als bald Eva/ gibet dem armen Adam den apffel/ mit solchen worten/ geberden/ und gem)th/ das er on alles wiedersprechen/ als der erst D. Simon/ mus zugreiffen/ und mit anbeissen/ und deß beklaget sich auch darnach Adam hefftig f)r Gott/ do er sagt/ Das weib/ das du mir zu einer gesellin gegeben hast/ das hat mir den apffel geben/ und ich hab darvon gessen. Und inn dem fall/ nemen sich die nachfolgende t chter EvĊ/ der muter art und eigenschafft gewaltig an/ Das in beiden Keiserthumb/ R misch und T)rckisch/ nach gemeiner sage und klage/ der Doctor Simon fast allenthalben das regiment hat und f)ret (S. 124, Z. 28–S. 125,

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Kommentar zu IV 81

Z. 15). 153–160 Samson … starb] Vgl. Jdc 13–16. Samson gehört wie Salomon zu einer topischen Reihe von Liebesnarren. In einem Fastnachtspiel sagt die Liebesgöttin Venus: seit meins feures stral | Durch das weip Adam pracht zu fal, | Davit und Aristotilem, | Den Salomon und Socratem | Die pracht mein list mit weibern umb, | Sampson und Virgilium (Keller, Fastnachtspiele, Bd. 1, S. 263, Z.  3–7). Grundlegend dazu Rüdiger Schnell, Causa amoris. Liebeskonzeption und Liebesdarstellung in der mittelalterlichen Literatur, Bern – München 1985 (Bibliotheca Germanica  27), S.  475–505. 156 dorfft] konnte; vgl. DWb  2, Sp.  1727f. 156 mit L wen ringen] Vgl. Jdc  14,5f. 158 gesicht] Augenlicht. Vgl. Jdc 16,15–21. 160 Zu gleich … starb] Vgl. Jdc 16,25–30. 161–166 Salomon … wendt] Vgl. I Reg 11,1–8. 168 Welcher der P uel … selten] an die das gemeine Volk nie denkt. 172 ziehen muß am Narren seyl] Redensartlich; hier im Sinne von: ›zum Narren werden‹; vgl. TPMA Narr  970–978; Röhrich, S. 1077f. Vgl. auch Brant, Narrenschiff, Holzschnitt zu den Kapiteln 13 und 50; Flugblätter I  89. 175 gm ld] Gemälde. Nicht nachweisbar. 178 vndersteht] sich vornimmt. 183 Doctor SJEMAN] Siehe zu IV 70,55. 183 hat das rathen] bestimmt. 185 den armen Frantzen] Franz steht hier wohl wie Hans (I 55,51) für ›Mann‹; sonst nicht belegt. 186 muß … tantzen] Redensartlich im Sinne von ›gehorchen‹; siehe zu II 39,12. 187 das har absp)lt] Redensartlich: ›jemandem den Kopf waschen‹ im Sinne von ›tadeln‹; vgl. Röhrich, S. 869. 190f. Drumb singt … Newenstadt] Eine Tanzliedmelodie; bezeugt etwa bei Murner, Narrenbeschwörung 50,27–30. Vgl. Erk/Böhme, Liederhort, Nr. 933; M. Spanier, Tanz und Lied bei Thomas Murner, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 26 (1894), S. 201–224, hier S. 202f. 191–196 Der Sch fer … Pferdt] Der Text scheint vor Waldis nicht nachweisbar; vgl. aber Otto Holzapfel, Liedverzeichnis. Die ältere deutschsprachige, populäre Liedüberlieferung (in Zusammenarbeit mit dem Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern, Bruckmühl), 2 Bde., Hildesheim – Zürich – New York 2006, Bd. 1, S. 264, der angibt: »belegt 1490«. Das Motiv scheint in mehreren Varianten verbreitet gewesen zu sein. Vgl. Musculus, Ehteuffel (wie zu V. 152), S. 125, Z. 27–S. 126, Z. 2: So sagt man auch/ das in einer grossen Stadt/ einer ein grosse speck seiten hab an das Stadt thor gehangen/ mit einem angehefften zetel/ wer nit Doctor Simon sey/ der sol den speck hiweg nemen/ es hab sich aber ein lange zeit keiner funden/ entlich aber sey ein Paur kommen/ und die seitten mit sich wollen weg nemen/ da hat im der thorh)ter gesagt/ wil er sie nemen/ so m)ß er sie unter den rock nemen/ do hat der Paur geantwort/ er darffs nicht thun/ dann do er das hembt w)rde unrein machen/ w)rde er zu haus nicht wol entpfangen werden/ auff solche Doctor Simonische antwort hatt er die seiten speck m)ssen hangen lassen. Literatur Lieb, S. 109.

Kommentar zu IV 82

IV 82 Vom reichen vnd armen Mann.

333 ATU 754

Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist nicht neu. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 6 mit werben] Handel zu treiben. 10–12 wie der Poet … vermehren thut] Vgl. Ovid, Fasti I  211: creverunt et opes et opum furiosa cupido (Publius Ovidius Naso, Fasti. Festkalender. Lateinisch-deutsch, auf der Grundlage der Ausgabe von Wolfgang Gerlach neu übersetzt und hg. von Niklas Holzberg, 2., verbesserte Aufl., Düsseldorf – Zürich 2001, S. 16). Sprichwörtlich; vgl. Walther, Nr. 3746, mit den Varianten 3731, 3734. 12 lieb des Gelts] Liebe zum Geld. 13–18 Nun ist … messig zeren] Seit der zweiten Hälfte des  15. Jhs. wurden in mehreren Hansestädten bis dahin kaufmännisch genutzte Keller als Wohnungen für Arme, vor allem Tagelöhner, aber auch Schuster und andere Handwerker, genutzt; vgl. Gerhard Fouquet, ›Annäherungen‹: Große Städte – Kleine Häuser. Wohnen und Lebensformen der Menschen im ausgehenden Mittelalter (ca.  1470–1600), in: Geschichte des Wohnens, Bd. 2: 500–1500. Hausen Wohnen Residieren, hg. von Ulf Dirlmeier, Stuttgart  1998, S.  347–501, hier S.  417–424. In Lübeck waren noch 1532 je nach Stadtviertel bis zu 15 Prozent aller Haushalte in solchen Wohnkellern untergebracht; vgl. Michael Scheftel, Gänge, Buden und Wohnkeller in Lübeck. Bau- und sozialgeschichtliche Untersuchungen zu den Wohnungen der ärmeren Bürger und Einwohner einer Großstadt des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, Neumünster 1988 (Häuser und Höfe in Lübeck 2), S. 87–93. 18 Nach kleinem gut … zeren] gemäß ihrer bescheidenen Besitztümer nur wenig ausgeben. 22 Henffen drad] zusammengedrehter Hanffaden. 22 zu sticken] herzurichten. 32 kewt] kaut. 33 armetey] Armut. 33 die jn besessen] Etwa: die ihm auf den Schultern lastete; zum Hintergrund des Bildes DWb 1, Sp. 1625f. 42 mag] kann. 48 kostfrey] freigebig. 57 gar selten] nie. 62 gutem fug] dem, was mir nützt. 63 kr pffen] füllen. 64 muth] Stimmung. 70 in der handlung vorliegen] im Handelsverkehr belügen. 72 ein kleine zerung] geringe Ausgaben. 75f. Vnd steck … zu bedecken hab] Redensartlich; siehe zu II 35,33f. 81f. Gedenck … sorgen mag] Vgl. Mt 6,34, und Koh 3,22, Marg. 83 bewogen] Hier: überzeugt. 84 dorfft] brauchte. 86 Billich] recht ist es. 87 gulden] Goldmünze; siehe zu I 14,58. 89 begaben] beschenken. 90 zu sch)tzen] abzuhelfen. 97 m)he] Sorgen. 104 sider] seither. 109 Desselben … genieß] davon habe ich einen viel größeren Vorteil. 111 einfalt] Einfachheit. 111 gar vnderkumen] ganz verschwunden. 117 Wiert] Hausherren. 118 bey jn] bei sich. 120–123 Der dem Gast … geschehen] Vgl. Gen 44,2–9. 120 frommen] Vorteil. 121 Kopff] Becher. 125 Vielleicht man … bekem] wahrscheinlicher ist es ansonsten, einem zu begegnen. 130–132 Es zeugt die Schrifft … vers)nen] Vgl. Mt 6,24; Lk 16,13. 133 Datum] Bestreben. 139 seins guts ein Herre sey] Eine formelhafte Verdichtung deutet sich in mittelalterlichen Belegen an; vgl. TPMA Gut 251–254: ›Man sei nicht Sklave, sondern Herr des Gutes‹.

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Kommentar zu IV 83

IV 83 Von einem Curtisan. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Sie ähnelt allerdings gegen Ende sehr stark ATU 1142 How the Lazy Horse Was Cured, wofür sie der früheste Beleg wäre. Stellenkommentar Ü Curtisan] Siehe zu IV  1,60. 1–3 VOr zeiten … zeit] Zum Topos der laudatio temporis acti siehe zu I 5,35. 4 verb ßt] verdirbt. 11 Warten] dienten. 11 einfalt] Einfachheit (Tugend der simplicitas; vgl. zu I 18,17). 12 Hetten ein gringen auffenthalt] lebten anspruchslos. 18 r)ltzen] Grobiane. 21 Symoney] Kauf geistlicher Ämter. Der Begriff ist abgeleitet von Simon dem Zauberer, der von Petrus die Gaben des Heiligen Geistes kaufen will (Act  8,9–25); vgl. zu Vers 34–36. 24 Gibt … Axt ein Helb] gibt er zu ihrer Axt einen Stiel; redensartlich (siehe zu III 92,70). 25f. Apt leßt W)rffel … halten] Sprichwörtlich: ›Wenn der Abt würfelt, spielen die Mönche‹; vgl. TPMA Abt 31–38. 25 leßt W)rffel walten] Würfel erlaubt. 26 schantzen halten] Glücksspiele treiben. 33 Symon … zst rt] Gemeint ist Sinon, der als angeblicher Überläufer die Trojaner überredet, das hölzerne Pferd in die Stadt zu holen, und damit die Zerstörung Trojas einleitet (vgl. Vergil, Aeneis II  57ff.). 34–36 Sanct Peter … kauffen ab] Vgl. Act 8,18–20: DA aber Simon sahe/ das der heilige Geist gegeben ward/ wenn die Apostel die Hende aufflegten/ Bot er jnen Gelt an/ vnd sprach/ Gebt mir auch die macht/ das/ so ich jemand die hende aufflege/ derselbige den heiligen Geist empfahe. Petrus aber sprach zu jm/ Das du verdampt werdest mit deinem gelde/ Das du meinest/ Gottes gabe werde durch geld erlanget. Luthers Marginalie zu Vers 20 lautet: At Papatus omnia vendit pecunia (›Aber das Papsttum verkauft gegen Geld alles‹). 34 r)rt] Hier: angreift. 38 ers] er (der Papst) es (das Amt). 39 Officium] Amt. 40 muß] muss es. 45 Papat] Papsttum. 46 Vergebens] umsonst. 49f. Weil jrs vmbsunst … gaben] Vgl. Mt 10,8. 51 g)lden] Goldmünze; siehe zu I 14,58. 51 Kronen] Französische Goldmünze, später auch in anderen Ländern (z.T. als Silbermünze) geschlagen; vgl. Schrötter, S. 328. Siehe zu I 27,19. 53 Bischthumb] Bistümer. 55f. Prebenden … in Commenden] Präbenden (von lat. praebenda, ›das zu Gewährende‹) heißen jene Anteile an den Renten eines Stiftsvermögens, die Geistlichen an Dom- und Kollegiatsstiftskirchen zufallen; das eingedeutschte ›Pfründe‹ wird als Sammelbegriff für Präbenden und die kirchenrechtlich gleichgestellten Benefizien, die für die Arbeit von an anderen Kirchen angestellten Klerikern anfallen, verwendet. Kommende sind sogenannte uneigentliche Benefizien aus Kirchenämtern, die in provisorischem Sinne (in commendam) auf Dauer oder auch auf Lebenszeit vergeben werden. 57–62 Drumb … ist verflucht] Vgl. Luthers Äußerungen zur Entstehung des Papsttums in seiner Schrift Wider das Papsttum zu Rom (1545), wonach sich erstmals Bonifatius III. von Kaiser Phokas als oberster aller Bischöfe bestätigen ließ (vgl. Alberus, Fabeln 33,76 [Marg.]). Danach, so Luther weiter, hätten die Päpste ihre Gewalt aus der Hl. Schrift selbst zu begründen ver-

Kommentar zu IV 83

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sucht (WA 54, S. 231, Z. 18–36): Da sie nu sahen, das jnen solche spitzb)berey geraten war und gelungen hatte, durch schrecklichen Gottes zorn uber die welt umb der s)nde willen, und sich jederman furchte f)r solchen worten, waren sie warlich nicht faul noch schlefferig, drucketen getrost nach mit aller schalckeit und h)lff des Teuffels, und fiengen an jr Bapstum oder primat, welchen sie durch jre selb ertichte l)genhafftige Decret und durch Gottes lesterliche, falsche und spitzb)bische auslegung des spruchs Matt. xvj gr)nden wolten, also zu deuten, zu scherffen und zu stercken, das der Bapst der Oberst were, nicht allein der ehren und f)rgangs halben […], Sondern der gewalt halben, das er die Bischove mochte, als jr Herr, gewaltiglich und weltlicher, ja tyrannischer weise unter sich zwingen, sie mit eiden und pflichten gefangen nemen, zu Knechten machen, die bistum jm zu eigenen, die selben zu setzen und versetzen, endern, rauben, nemen, geben, schetzen, verkeuffen, dazu mit Pallien, Annaten und unzelichen spitzb)bischen st)cken beschweren auffs aller mutwilligst, Und wer das nicht thette oder nicht leiden wolte, muste der R mischen Kirchen ungehorsamer und Ketzer ewiglich verdampt sein, als der wider Matth. xvj. ges)ndiget hette. 57 jhm] sich. 62 dolose] Lat.: durch Betrug. 67 mag werffen ab] erwirtschaften kann. 69 Grosch] Groschen. Geringwertige Münze; siehe zu III 96,4. 70 erheben] einbringen. 71 ledig stirbt] durch Tod (des Inhabers) frei wird; vgl. DWb 18, Sp. 2428. 73 Wie in der M)ln … Mahlt] Sprichwörtlich; siehe zu IV 73,90. 77f. Thumberey … zu W)rtzburg] Die Domherrenstelle (Thumberey) des Hochstifts Würzburg war Sitz des Fürstbischofs; vgl. Heinzjürgen N. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts Würzburg 1495–1642. Zentralbehörden und führende Gruppen eines geistlichen Staates, Würzburg 1984 (Forschungen zur fränkischen Kirchen- und Theologiegeschichte  10). 82 Welschlandt] Italien; siehe zu I 91,14. 82 wendt] angrenzt. 83 Wardt] begann. 84 gundt] begann es. 88 scheumen] den Rahm abschöpfen; übertragen für ›den Gewinn machen‹; vgl. DWb 14, Sp. 2365, mit Bezug auf diese Stelle. 91 ein Schelm in seiner haut] Vgl. die Redensart ›In der Schalkshaut stecken‹ (siehe zu III 90,56). 95 resch vnd geyl] kräftig und schnell. 96 feyhl] Makel. 109 ob] dass. 109 baß] leichter. 111 harm] Harn. 113 nit fast] gar nicht. 119 witz vnd kunst] Verstand und Können. 120 Gorren] Gaul. 121 schellig] wütend. 122 st)ndstu mich] kämst du mich. 127 mocht] konnte. 137 schwerlich gs)ndet] schwer gesündigt (ironisch). 141–146 Bapst in seim abentessen … beweisen] Gemeint ist die Gründonnerstagsbulle (Bulla coenae domini) vom Jahr 1521, in der Luther und seine Anhänger als Ketzer verdammt werden. 1522 veröffentlichte Luther die Bulle unter dem Titel Bulla Cene domini: das ist: die bulla vom Abentfressen des allerheyligsten hern des Bapsts in deutscher Übersetzung, mit einer Widmung an den Heiligen Stuhl und mit Anmerkungen versehen, im Druck (WA, Bd. 8, S. 691–720). Die Verse 143–146 beziehen sich auf die Kapitel 10 und 11 der Bulle. 150 leicht] wahrscheinlich. 152 zwar] wirklich. 158 belassen] ausgestattet. Literatur Lieb, S. 108.

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IV 84 Vom Schweitzer/ vnnd seinem Son.

Kommentar zu IV 84 ATU 1833 D

Vorlage Eine ähnliche Geschichte erzählt schon Bebel, Fazetien II  34; vgl. auch zu Vers 81. Stellenkommentar 1 eygentlich] genau. 4 Bein Einsideln] Gemeint ist wohl: Einsiedeln (Schweiz). 7 w)sten Alben] rauhen Alpen. 9 eben] genau. 9–11 Vnd wißt … Farben] Siehe zu IV 26,22. 13 Kilchherrn] Pfarrherrn. 15 er sich fleißt] bemühte er sich. 18f. ein newer Must … nit fassen] Vgl. Mt 9,17. 21 nit kund beschaffen] nichts ausrichten konnte; vgl. FWB 3, Sp. 1598. 22 weydlich] tüchtig. 39 geb was du thust] was immer du tust. 41 der halben] danach. 45 gundt] begann. 51 geleyßt] hergeschafft habe. 55 in jm] bei sich. 60 bricht] unterwiesen habt. 66 Artickel] Glaubenssatz. 71 betagt] alt wird; vgl. IV  6,63–67. 75–78 Wie der Poet … tag] Siehe zu IV 6,63–65. 81 von eim Bawren lißt] Die Geschichte erzählt ähnlich schon Bebel, Fazetien I 83 (Fabula de simplici puella). 94 recht eben zmaß] genau zur rechten Zeit. 95 het … beschritten] saß schon auf dem Esel. 97 Palm Esel] Eine Plastik, die an Jesu Einzug in Jerusalem (Mt 21,7) erinnern sollte. Der Palmesel wurde nach mittelalterlichem Brauch zu Beginn der Passionszeit in Kirchen aufgestellt und auf Palmsonntagsprozessionen mitgeführt. Vgl. Josef Anselm von Adelmann, Christus auf dem Palmesel, in: Zeitschrift für Volkskunde 63 (1967), S. 182–200. 98 bossen] Narreteien. 99 ich hab selb erfahren viel] Siehe zu I 79,34. 101 hiemit] Gemeint ist nicht die soeben erzählte Geschichte vom Bauerssohn und dem Palmesel, sondern die vom Bauerssohn und der Dreifaltigkeit. 102 frommen] rechtschaffenen. 110 jn gliebt] ihnen gefällt. 113 Federgwandt] Federbett, Bettzeug. 113 Schauben] Mantel; vgl. zu I  9,103. 114 klauben] leeren. 117 Sanct Christoffs ampt … vnderwinden] Ironisch im Sinne von: ›eine schwere Last tragen wie Christophorus‹. Der Legende nach trug der hl. Christophorus Christus in Gestalt eines kleinen Kindes über eine Furt; der Knabe stellte eine kaum zu bewältigende Last dar, weil Christus als Heiland das Gewicht der Welt zu tragen hat. 117 sich] nehmen sie auf sich. 120 Erfahrnheyt] Siehe zu I 79,34. Literatur Stiefel, Esopus, S. 489f.

IV 85 Vonn einem vngezohenen Sone.

DG 442

Vorlage Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Die Binnenfabel (V. 21–34 entspricht DG 442) wird schon seit der Antike erzählt.

Kommentar zu IV 86

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Stellenkommentar 3 zucht] Erziehung. 7 nachließ] unterließ. 12 hub baldt an] fing sogleich an. 13 Als was ern] alles, was er den. 26 ziemen] zähmen. 28 ab geiagt] erschöpft; vgl. FWB  1, Sp.  177, mit nur diesem Beleg; siehe auch zu III  83,8. 31 M cht … verdenen] könnte sich leicht beim Ziehen verletzen. 34 f)r] voraus. 34 bendig] gebändigt. 37 baß] besser. 41 wie mich … ansicht] wie mir jetzt die Welt vorkommt; vgl. IV 4,93. 43 fliehen] meiden. 47 preißt zur] hält an die; siehe zu II 11,114.

IV 86 Von einem Herrn/ vnd seinem M(ller.

ATU 1853

Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist nicht neu. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 1 Schletstadt] Sélestat (Schlettstadt) im Elsass. 2 leit] liegt. 3 reyn] Abhang. 4 Rappersteyn] Wohl Burg Hochrappoltstein (Château du Haut-Ribeaupierre), eine von drei Burgen im Gebiet um Rappoltsweiler (Ribeauvillé) im Elsass. 6–8 Der het wol … M)ller] Mühlenherr war in aller Regel nicht der Müller selbst, der die Mühle als Lehen erhielt oder als Pächter eingesetzt wurde, sondern der Landesherr oder eine städtische Aufsichtsperson; vgl. Kropaþ. 9 ber)chtet] berüchtigt. 10–12 gmessen b se malter … beschetzt] Siehe zu IV 47,15. 12 zu sehr beschetzt] mit einer zu hohen Abgabe belegt; vgl. zu IV 47,22. 15 zur selben fahrt] unverzüglich. 16 Zu dem Galgen] Erhängen als Strafe für betrügerische Müller ist im Einzelfall belegt; vgl. Kropaþ, S.  91. 20 Graue] Graf. 20 verziehen hieß] befahl innezuhalten. 27 frommen] ehrbaren. 30 thet wider ein] wieder übergeben könnte. Der Rechtsterminus ›eintun‹ weist auf ein Pachtverhältnis hin; vgl. DRW  2, Sp.  1476. 31 t)cht] taugte. 32 Zu dem … versehen m)cht] von dem ich mir Treue erhoffen könnte; vgl. DWb 25, Sp. 1252f. 34 vbergoht] Hier: bedroht. 37 mit der Laugen bgossen] Redensartlich im Sinne von ›eine Art angenommen haben‹; vgl. DWb 12, Sp. 339; vgl. zu IV 50,42. 40 fristet] bewahrt. 42 ein gwissen Dieb] einen Dieb, von dem ich weiß, dass er ein Dieb ist. 44 bescheydt] Bestimmung. 47f. F)r schad … erarnt] Unklar; wohl: Der Herr warnte den Müller davor, (weiteren) Schaden anzurichten; mit diesen Worten rettete er ihm das Leben. ›Erarnen‹ heißt ›verdienen‹, was nur zum Müller als Subjekt des Satzes passen würde. Erwartbar wäre also (auch von V. 51f. her) statt den M)ller ›der Müller‹, allerdings müsste dann auch der Herr im Akkusativ stehen (›Herrn‹). Auch in den folgenden Versen ist der Gedankengang nicht deutlich. 54 geht im gemeynen brauch] überall im Umlauf ist. 55–60 Man sagt … Hundert Dieb] Nur im Spanischen ist ein ähnlicher, aber auf andere Berufsstände gemünzter Satz belegt; vgl. TPMA Müller 5. 58 Zehend

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Kommentar zu IV 87

geber] Zinspflichtige (diejenigen, die den Zehnt zu geben haben). 60 machens eben] ergibt das genau.

IV 87 Vom Wolff vnd einer Gans.

59 jeb] übt.

DG 651

Vorlage Die Fabel ist schon im Mittelalter bekannt. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stiefels Argumente dafür, dass Camerarius, Fabulae, Bl.  132bf. [Nr. 350], Waldis’ Vorlage gewesen sei, sind nicht zwingend. Die Fabel ist wie IV 88 eine Variante des Erzähltyps ATU 227. Stellenkommentar 3 leicht] wahrscheinlich. 3 baß] besser. 6 jr haubt … lupffen] hob ihren Kopf. 10 geit] gibt. 13 einst] einmal. 15 M cht] könnte. 18 reyen] Reigen. 19 zu letzen] zuletzt. 20 ergetzen] Wohl: Freude haben. Ein intransitiver Gebrauch des Verbs ist allerdings nicht belegt; vgl. DWb  3, Sp.  820f. 23 f)r] voraus. 26 gar erlag] schwand. 32 Auch nimmer … solt] Sprichwörtlich: ›Man soll nicht vor dem Essen tanzen‹; vgl. TPMA essen 134–140; TPMA nüchtern 3; vgl. auch Vers 40. Eine ähnliche Handlung wie die Waldis-Fabel erzählt das 1530 gedruckte Lied Jm Winter ist ein kalte Zeit (Erk/Böhme, Liederhort, Nr. 162 [Bd. 1, S. 508f.]). Dort beklagt sich der Wolf: Der Teufel mir das rieth und sprach,| Daß ich thät nüchtern tanzen (Str. 8, V. 2f.). Vgl. auch IV 88,43f. 34 Dorfft] müsste. 34 den spot … han] Redensartlich; siehe zu I  11,48. 35 gmeynem] allgemeinem. 41 Marcolphus] Siehe zu II  22,38, und  39–52. 42 Auff … haubt] Das Sprichwort ›Voller Bauch hat ein freudiges Haupt‹ (vgl. TPMA Bauch 138–146) ist als Spruch von Marcolphus nicht belegbar. Bei Agricola, Sprichwörter I 590, wird es mit dem Sprichwort in Vers 32 in Bezug gebracht. Literatur Lieb, S. 162, 167, 182; Stiefel, Quellen, S. 259f.

IV 88 Vom Fuchß vnd dem Eychhorn. Vorlage Die Fabel ist wie IV 87 eine Variante des Erzähltyps ATU 227. Für die spezifische Gestaltung dieser Fabel scheint Waldis der älteste Beleg (vgl. DG 179). Stellenkommentar 4 mesten] ernähren. 6 Heseln] Haselstrauch. 8 On gfehr] zufällig. 8 sein wesen] seine Wohnung. 9 verd)scht] verborgen. 12 Reynhart] Name des Fuchses in der Tierepik; vgl. zu I 59,28. 12 gmach] langsam. 13 Gundt] gönnt.

Kommentar zu IV 89

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15 zu gute gebt] zugesteht. 21 fahrend hab] beweglichen Besitz (Mobilien wie Geld, Kleidung, Hausrat). 23 auß schlieff] hinausschlüpfte. 24 Etwan] zum Beispiel. 27 Gratias] Tischgebet (von lat. deo gratias, ›Danket dem Herrn‹), nach dem Essen zu sprechen. Vgl. Brant, Narrenschiff 110a,210–212: Z*m letsten sprech man doch den segen | So man genomen hat das maß | So sag man deo gratias. 28 Vor] für. 35 lob] guten Ruf. 35 schwechen] herabsetzen. 40 Wer werd] ich hätte jemanden verdient; vgl. IV 41,12. 41f. mein Gottsdienst … die] mit meinem Gottesdienst diejenigen übertreffen, die. 43 außr)lt] Wohl: hinausbrüllt; vgl. DWb  1, Sp.  942, mit Bezug auf diese Stelle. 44 erst den Balg gef)llt] Vgl. IV 87,32 und 40. 45f. Die haut … Beren gschlagen] Sprichwörtlich: ›Man soll die Bärenhaut nicht verkaufen, bevor der Bär erlegt ist‹; vgl. TPMA Bär  42–44; Röhrich, S.  149–151. 48 weit] bei weitem. 49 globten] versprochenen. 50 Leufft … Rhein hinab] Redensartlich: ›Da läuft noch viel Wasser den Rhein hinab‹; vgl. Röhrich, S. 1697; TPMA Rhein 20 (mittelhochdeutscher Beleg); TPMA Wasser 16.18. 51f. Darumb danck nit … hinein] Wohl Variante des Sprichworts: ›Wenn einem ein Schwein angeboten wird, dann soll man den Sack (Mantel, Strick) bereithalten‹ (vgl. TPMA Schwein 211–215), dessen Bildlogik mit derjenigen vom Sprichwort über das Bärenfell (vgl. V.  45f.) überblendet ist.

IV 89 Von einem Mnch/ vnd seinem Sattel. Vorlage Eine Vorlage für diese Erzählung ist nicht bekannt. Stellenkommentar 2 schon] schönen. 3–5 wo … hart dabey] Eine Variante des Sprichworts: ›Wo Gott eine Kirche baut, baut der Teufel eine Schenke daneben‹; vgl. TPMA Wirtshaus 4–6. 8 Geystlichem wesen] geistlichem Leben. 10 einst Recreirn] einmal erholen. Anspielung auf die etwa in der Benediktsregel vorgeschriebene tägliche Erholungsphase der Mönche (recreatio). 15 on gefehr] unversehens. 15 Nachen] Kahn. 17 haben] Hafen. 20 Kappen] Kutte; siehe zu III  92,119. 21 hinunder schmucken] darunter verbergen. 22 wol zamen rucken] dich klein machen. 27 Reuerende Pater] Lat.: Ehrwürdiger Vater. 29 ob] falls. 31 stegreyff] Steigbügel. 34 m cht] könnte. 37f. alles … hertz anficht] Sprichwörtlich: ›Was das Auge nicht sieht, tut dem Herzen nicht weh‹; vgl. TPMA Auge 131–133. 39–42 Wenn sich … anzeyget das] Vgl. Horaz, Epistulae I 17,50f.; TPMA Krähe 138, 140; Walther, Nr. 27830. 39 Rapp] Rabe. 46 sich … eindring] niemand dazudränge. 47 gemeyn] allgemein bekannt.

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Kommentar zu IV 90

IV 90 Wie ein Becke Bischoff wardt. Vorlage Unbekannt. Von den Motiven in dieser ›Fabel‹ ist lediglich die Erzählung von der Beinverschränkung (V. 51–74) anderweitig belegt (ATU 1288). Stellenkommentar Ü Becke] Bäcker. 1 einfaltigen] Hier in der heute geläufigen Bedeutung: töricht; vgl. zu I 18,17. 2 in den alten zeiten] Der Topos der laudatio temporis acti (siehe zu I 5,35) ist hier in ungewöhnlicher Weise ins Gegenteil verkehrt: ›schlechte alten Zeiten‹; teilweise ist auch eine vorreformatorische Vergangenheit insinuiert, z.B. Vers  85–92. 7 der Braut zu pflegen] mit der Braut richtig umzugehen. 11 zwir] zweimal. 12 Batzen] Münze von sehr unterschiedlichem Wert; siehe zu II  75,11. 17 Koben] Stall. 19 Mandelreiß] Siehe zu II  32,12. 21 Bachen] Mastschwein. 24 daucht sie gut sein] das hielten sie für gut. 26 buchen] backten. 30 obs] als ob es. 34 bschlempt] beschmutzt. 39 spontflaschen] Flaschen mit Korkenverschluss. 40 einst] einmal. 46 dorfften sie … Bruch] brauchten sie sonst keine Unterhose; vgl. zu I  17,66. 51– 74 Eins mals … flohen] Zur Verwechslung der Beine siehe oben unter ›Vorlage‹. 54 vmb ein zimlichs] zu einem angemessenen Preis. 56 Sommerleiden] Sonnenseite eines Hügels. 63 die tollen Fritzen] die närrischen Kerle; vgl. IV 4,27. 68 Hopffen stangen] Stange, an der der Hopfen sich emporrankt. 72 Enckel] Fußknöchel. 76 D lpelbach] Fiktiver, sprechender Name, etwa wie: ›Narrenhausen‹. 77 Biesen] Unklar. Biesen (auch Altenbiesen) bei Maastricht oder die Komturei Jungen-Biesen bei Köln sind kaum gemeint. Möglicherweise handelt es sich um einen fiktiven, sprechenden Namen: ›biesen‹ bezeichnet das gereizte Herumspringen von Rindern, etwa wenn sie von Insekten gestochen werden; vgl. DWb 2, Sp. 3; FWB 4, Sp. 352. 78 kiesen] wählen. 83 wende schmieren] Gemeint ist wohl das Besprengen des Kirchengebäudes mit Weihwasser zur Kirchenweihe oder bei Prozessionen (Aspersion; vgl. Suntrup, bes. S. 245f.; 344– 347). 85 Ablaß] Siehe zu II 75,36. 87f. gen Rom … Bischthumb kauffen] Zur Kritik an der Simonie (Ämterkauf) in der Kirche siehe IV 83 mit Kommentar. 89 Vor zehen tausent ein Pallium] Das Pallium, eine Binde, ist Bestandteil der Pontifikalkleidung und konnte auch Bischöfen als Zeichen für besondere, vom Papst übertragene Rechte verliehen werden. Dafür wurde eine zu zahlende Taxe eingerichtet, die mit der Zeit erhebliche Höhen erreichte. 92 Werden geschetzt] ihnen werden Abgaben auferlegt. 96 Kunst] Fähigkeit. 97 ersp)rt] ermittelt. 98 Als obs … Ordinirt] als ob ihr Ergebnis von Gott festgelegt wäre. 102 ein weisse Tauben] Die Taube wird im Rückgriff auf den Bericht von Christi Taufe (Mt  3,16; Mk  1,10; Lk  3,21f.; Joh  1,32) seit der christlichen Antike als Botin verstanden, die den von Gott Berufenen bezeichnet; vgl. Hans Messelken, Die Signifikanz von Rabe und Taube in der mittelalterlichen deutschen Literatur. Ein stoffgeschichtlicher Beitrag zum Verweisungscharakter der altdeutschen Dichtung, Diss. Köln  1965, S.  126–135. 103 bscheyde vnd Decret] Entscheidung und Beschluss. 105 gemeyner] allgemeiner. 109 guten fug] gute Veranlas-

Kommentar zu IV 90

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sung. 114 auß den Vischern Bischoff gmacht] Vgl. Mt 4,18. Die Legitimation durch die Bibelstelle ist Teil der Satire, denn die Berufung der Apostel durch Jesus wurde nicht von ›Gottesurteilen‹ begleitet. Bischöfe gelten als Amtsnachfolger der Apostel. Diese hatten Bischöfe eingesetzt und sie dann, als eine immer größere Zahl von Gemeinden zu betreuen war, mit apostolischen Befugnissen ausgestattet. 116 ins gemeyn] gemeinsam. 122 Mertin Beck] Bäcker Martin. 123 Weytzen gschwungen] Getreide wurde von Spreu und Unkraut getrennt, indem man es in einem Tuch (›Schwinge‹) schwenkte und hochwarf. 125 on als gefahr] ganz zufällig. 134 versehen] verfügt. 138 on seinen danck] gegen seinen Willen. 144 Prelatur] Hohes Kirchenamt, dann auch der vom Prälat bewohnte Teil eines Stifts oder Konvents. 147 Chorkappen] Hier wohl analog zu ›Chorhut‹: Kopfbedeckung der Chorkleidung. ›Chorkappe‹ bezeichnet ein liturgisches Gewand mit Kapuze, ebenso wie das hier folgende ›Kasel‹; vgl. FWB 8, Sp.  862f. 147 Casel] Messgewand. 148 fasel] Zeug; vgl. DWb  3, Sp.  1337, mit Bezug auf diese Stelle. 152 Des] darüber. 158 gan] gönne. 162 Darff] brauche. 164 Fraw] Dame. 180 begeit] begibt. 188 Buch] backte. 188 die weissen Wecken] Vgl. zu IV 18,47. 191 lecherlicher boß] lächerliche Geschichte. 193 haben das Honores] sehen, dass Ehrenbezeugungen. 194 verstellen] verderben. 194 Mores] Sitten. 195 etwan] zufällig. 197 betaubt] Etwa: dumm gemacht. 198 witz] seines Verstands. 201 b ß] schwierig. 201f. ein starck gm)t … tagen] eine feste innere Haltung ist in guten Tagen nicht leicht zu bewahren; vgl. Ovid, Ars amatoria II 438: Nec facile est aequa commoda mente pati. Im 16. Jh. ist das Sprichwort ›Gute Tage sind schwer zu ertragen‹ belegt; vgl. TPMA Tag 219–226. Vgl. auch Waldis, Der verlorene Sohn 361f.; Agricola, Sprichwörter I  80; Alberus, Fabeln  6,70f. 203–216 Man lißt … zum Consul in den Rath] Der Überlieferung nach wurde im  5. Jh. v. Chr. der Kleinbauer Lucius Quinctius Cincinnatus zum Konsul gewählt und während der Feldarbeit von dieser Wahl benachrichtigt; vgl. RE 24,1, Sp. 1020–1023. Die u.a. von Livius und Plinius überlieferte Anekdote ist in der Historenmalerei des 17. und 18. Jhs. ein beliebtes Sujet; vgl. Andor Pigler, Barockthemen. Eine Auswahl von Verzeichnissen zur Ikonographie des 17. und 18. Jahrhunderts, Bd. 2, Budapest – Berlin 1956, S. 362f. Das Unglück des einfachen Mannes über sein neues Amt (vgl. V. 223–228) ist nicht Bestandteil der antiken Überlieferung. 204 fromm] ehrsam. 210 seiner arbeit warten] sich um seine Arbeit kümmern. 217 Leut … jm eingab] übergab man ihm den Befehl über Land und Leute. 224 Weil] während. 228 Als da] wie damals, als. 230 Bfehl] überlasse.

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Kommentar zu IV 91

IV 91 Vom alten krancken Mann. Vorlage Die Erzählung ist sonst nicht bekannt. Stellenkommentar 17 den fehl] das Gebrechen. 18–20 Het ich … zu diesen sachen] Sprichwörtlich: ›Mit einem Kraut namens »Jahre weg« ginge es besser‹; vgl. TPMA Kraut 66–68. 21 han mich zu sehr besessen] Etwa: lasten zu sehr auf mir. Zum Hintergrund des Bildes vgl. DWb 1, Sp. 1625f. 26 Meyer] Verwalter; vgl. IV 9,17. 30 Rab] herab. 32 gar] völlig. 39f. es sey … b ses malter] Das Bild (ähnlich IV 99,267f.) bezieht sich auf den Lohn, den der Müller für das Mahlen erhält (›Malter‹; siehe zu IV 47,15 und 21). Dass das Alter beschwerlich sei, ist in verschiedenen Varianten sprichwörtlich; vgl. TPMA alt 2.1.1. und 2.1.2. 41 on die Jar] abgesehen von den Jahren. 46 sich als st ßt] wird alles schwächer; vgl. DWb 19, Sp. 544. 47–96 Denn von alter … muß die Welt zergahn] Wahrscheinlich kombiniert und erweitert Waldis bei der folgenden Aufzählung, wie in IV 93,44–204, verschiedene Priameln; vgl. Sandvoss, S. 9–11. Zu Vorstellungen vom Alter in der Frühen Neuzeit vgl. Peter Borscheid, Geschichte des Alters. 16.–18. Jahrhundert, Münster 1987 (Studien zur Geschichte des Alltags 7,1). Ein karikierend negatives Bild bietet etwa Pamphilus Gengenbachs Fastnachtspiel Die X Alter dieser Welt (1515): […] Und mir ist ouch der otem lang, | Krachen mir dbein und trüfft mir dnaß, | Mir gdenckt wol, das es besser was. | Muoß erst am stecken leren gon, | Das ist mir worlich ungewon. | Im lyb byn ich ouch nit gesundt, | Inn der kilchen bill ich wie ein hundt. […] Und mir ußgfallen ist min hor (Keller, Fastnachtspiele, Bd. 2, S. 1049, Z. 10–19). 58 das Meußlin rauch] der Muskel runzlig. 62 krauser] lockiger. 63 wirdt … hincken] beginnt … zu hinken. 66 wechßt Marck in den Beynen] Die Medizin des Mittelalters versteht das Knochenmark als eine Ablagerung aus Blut, die sich mit zunehmendem Alter entwickelt: Daz mark ist ain überflüzzichait des pluots und ist in den painen, diu hol sint nâch Galiêni lêre […] als wir allermaist sehen an den kinden: wenn diu gesterbent, sô vint man vil pluotes in irn painen und wênich marks. daz ist dar umb, daz daz pluot niht wol gekocht mag werden ze mark, wan diu hitz ist noch niht sô stark in den kinden, daz si daz kocht pluot weiz müg gemachen und in mark müg verkêrn (BDN, S. 22, Z. 17–26). 71 wirdt] beginnt. 78 in das Heß] in die Kleidung. 82 gebant] gebahnt. 86 Bruch] Unterhose; vgl. zu I 17,66. 86 die Bruch zum Buch] Bis ins 19. Jh. hinein wurde ein erheblicher Anteil der Papierproduktion aus Lumpen, die ja ebenfalls aus Flachs bzw. Baumwolle bestanden, hergestellt. Berühmtheit hat der Bericht des Wischpapiers in der Fortsetzung von Grimmelshausens Simplicissimus Teutsch erlangt, in dem die ökonomischen Kreisläufe der Frühen Neuzeit karikiert werden, die der Flachs zu durchlaufen hat (Grimmelshausen, Simplicissimus, Continuatio, Kap. 16 und 17).

Kommentar zu IV 92

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IV 92 Vom Blinden vnd seinem Knaben. Vorlage Unbekannt. Der Stoff ist für das  16. Jahrhundert in mehreren Volkssprachen nachgewiesen, bekannt ist seine Bearbeitung im spanischen Schelmenroman Lazarillo de Tormes; vgl. Alberto Martino, Il Lazarillo de Tormes e la sua ricezione in Europa (1554–1753). Band 1: L’opera, Pisa – Rom 1999 (Collana di testi e studi ispanici; II: Saggi 9), S. 243f. Bereits um 1540 begegnet der Stoff in einer handschriftlichen Fazetiensammlung Dichos graciosos de españoles; vgl. Francisco Rico, Introducción: Lazarillo de Tormes, in: Lazarillo de Tormes, hg. von Francisco Rico,  7. Aufl., Madrid  1992, S.  11*–127*, hier S.  95*–97*, mit einem Abdruck des Textes. Zu jüngeren Belegen siehe Hans-Jörg Uther, Blind, Blindheit, in: EM 2, Sp. 450–462, hier Sp. 457. Stellenkommentar 1 jr] ihrer. 4 fehl der Complexion] mangelhafter Beschaffenheit des Leibes. ›Complexion‹ (von lat. complexio, ›Umfassung‹) meint das Zusammenspiel der vier Körpersäfte Blut, gelbe und schwarze Galle sowie Schleim. Nach dem Verständnis der in der Antike entwickelten und von Galen (siehe zu I  91,15) vereinheitlichten Säftelehre bestimmt die Mischung dieser Flüssigkeiten nicht nur die Physis, sondern auch die Wesensart jedes Menschen. Krankheiten wurden mit unausgewogenen Mischungsverhältnissen erklärt und entsprechend zu behandeln versucht; vgl. Dietlinde Goltz, Säfte, Säftelehre, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie 8 (1992), Sp. 1119–1126. 7 wißt die wege scheydt] die Wegscheiden kannte. 8 leydt] führte. 9 thust] tun sollst. 12 schlahen zu] zusammenkommen. 14 in Proquellis] Wohl: in Saus und Braus; auch in Waldis, Der verlorene Sohn 523. Zu einer möglichen Verballhornung aus in porcellis (etwa: ›wie die Schweine‹) vgl. Albert Höfer, Zur Laut-, Wort- und Namenforschung, in: Germania 14 (1869), S. 197–226, hier S. 214f. 17 Schlampampen] Schlemmen. 18 Wampen] Bauchstücken. 25 Heller/ Pfennig] Geringwertige Münzen; siehe zu II 4,82 (Heller) und I 90,98 (Pfennig). 27 zelt die heuser] Siehe zu IV 22,28. 28 Rundts] in der Runde. 29 on gefehr] zufällig. 29 Schultzen] Dorfvorstehers. 32 Semel weiß] Feineres Gebäck aus hellem Weizenmehl (auch ›Wecken‹, V. 37) gehört im 16. Jh. nicht zur Alltagsspeise; vgl. zu IV 18,47. 34 wirdt leicht … gerathen] es wird dir heute sicher nichts Besseres geschehen. 37 Hub aber an] und begann dann. 40 Quodlibet] Allerlei (von lat. quod libet, ›was beliebt‹). 51 zwar] wirklich. 52 reden ab] in Abrede stellen. 55 verliegen] vorlügen. 58 Ers jm vergeb] dass er es ihm verzeihe. 59 des seinen dacht] Etwa: (der Knabe) suchte seinen Vorteil. 70 gund] begann. 70 auff zu lupffen] Hier etwa: hinaufzustrecken. 71 was er mocht leibes] aus Leibeskräften. 72 Schlag] Schlagbaum. 72 vberzwer] quer. 77 nit jetzunder] jetzt nicht. 82 r)ch] rächen könnte. 85 vnfrummen] Nachteil. 86 eim kleynen fehl vorkummen] einen kleinen Mangel verhindern. 87f. meiden ein geringen schaden … baden] Variation eines Sprichworts; vgl. zu I 18,53f. Der gleiche Gedanke steht etwa hinter II  51,25f. 89 jm] sich. 91 Als wo] so wie. 95f. Wo

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Kommentar zu IV 93

man ein Leffel … zertretten] Sprichwörtlich: ›Den Löffel aufheben und die Schüssel zertreten‹; vgl. TPMA Löffel 8–14, nur mit Luther-Belegen.

IV 93 Von der Gttin Juno vnnd Venus.

DG 267

Vorlage Der Stoff dieser Fabel ist nicht neu. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Bemerkenswert ist, dass Steinhöwel, Nr. 48, die Fabel nur lateinisch wiedergibt und erklärt (S. 152): Dise fabel haben vil der hochgelehrten maister nit wellen in iere bücher seczen umb ursach, die ain ieder wyser in im selber finden mag, und besonder der wys tichter der latinischen vers. Dar umb hab ich sie ouch nit wellen ze tütsch machen. Stellenkommentar Ü Juno] Göttin der Ehe (Deum regina […], habet multa numina […]. Opigena, ein noth)lfferin in der geburt. Iugalis, quia dea matrimonij, Cinxia & Pronuba, quia nuptijs praeest; Alberus, Dictionarium, Bl. zz3b). Vgl. zu I 15,7. Ü Venus] Göttin der Liebe. Siehe zu I 15,7. 2 giebt] geübt. 5 zwar] wirklich. 7 leg … zu] lege ich mich oft zu einem anderen. Förmliche Bezeichnung für den ehelichen Beischlaf; vgl. DWb 32, Sp. 512. 9 Drey nem … par] in jedem Fall habe ich drei lieber als zwei. 10 ins mittel] in die Mitte. 14 Das Leder … schaben] Sexualmetapher; siehe zu IV 67,64–66. 15 f)llen] zufriedenstellen könne. 16 krawen] kratzen. 16 k)tzel] sexuelles Verlangen. 19 des tags] jeden Tag. 19 Metzen] Hohlmaß, regional und zeitlich erheblich differierend, von drei bis zu über 30 Litern; vgl. Alberti, S. 310f. Siehe auch zu IV 47,21. 21 Scheffel] Raummaß für trockene Waren, regional und zeitlich differierend um 50–100 Liter; vgl. Alberti, S.  311–315. Vgl. auch Vers  91. 22 Groschen] Geringwertige Münze; siehe zu III  96,4. 23 den vorwitz b)ssen] die Gier stillen. 25 malter] Getreidemaß von einem bis mehreren Hektolitern, regional und zeitlich erheblich schwankend (vgl. Alberti, S. 324f.); eigentlich die Menge des für einen Mahlgast auf einmal zu mahlenden Korns; vgl. DWb  12, Sp.  1511; IV  47,15. 34 notturfft] das Nötige. 35 Welch aber einst] welche aber einmal. 37 betagen] alt geworden sind. 38 Da hilfft kein … sagen] bei denen ist alles umsonst. ›Singen und sagen‹ ist eine im Frühneuhochdeutschen bereits verblasste Doppelformel für den gesungenen und gesprochenen Vortrag von Texten. 40f. wirdt die gwonheyt … eingeleibt] Sprichwörtlich: ›(Lange) Gewohnheit wird zur (zweiten) Natur‹; vgl. TPMA Gewohnheit  166–170. 40 Transformiert] verändert. 42f. bekleibt … behagt] bleibt sie ewig an denen kleben, denen nichts als ihr Eigentum gefällt. 44–204 alte sprichwort sagt … nit nennen hort] Schon Kurz bemerkt, dass Waldis hier ein älteres Priamel zu extremer Länge ausspinnt. Dieses ist aber selbst bereits in zwei Versionen belegt (wiedergegeben in Alte gute Schwänke, hg. von Adelbert von Keller, 2. Aufl., Heilbronn 1876, S. 26f.), so dass konkrete Abhängigkeitsverhältnisse nicht nachzuweisen sind. Auch die

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übrigen Verse müssen keineswegs Waldis’ Erfindung sein; wahrscheinlich kombiniert er verschiedene Priameln (vgl. auch Sandvoss, S. 6–9), wie möglicherweise auch in IV 91,47–96. Zum Begriff ›Sprichwort‹ siehe zu Das Leben Esopi 13. 47 Metz] junges Mädchen; vgl. zu IV 39,4. 48 Jarmarckt one Diebe] Dass ein Markt Diebe anlockt, ist Bestandteil verschiedener Priameln und sprichwörtlicher Wendungen; vgl. TPMA Markt 5.3. 54 Horn] Horn konnte zu einem Gefäß für Lampenöl weiterverarbeitet werden. 55 Beyn] Knochen. 56 Hodenschneider one Steyn] Wohl der Bader, der Blasen- oder Harnsteine (Steyn; vgl. DWb  18, Sp.  2015–2017; FWB  11, Sp.  286) entfernt; vgl. DWb  10, Sp.  1654, mit Verweis auf diese Stelle. Für ›Stein‹ ist auch die Bedeutung ›Hoden‹ belegt (vgl. DWb 18, Sp. 2018). 62 Stecher] Teilnehmer an einem Lanzenstechen. 70 Lawr] Siehe zu III  95,57. 77 vngefaßt] ohne Einfassung. 80 Biel] Axt. 81 Kreyden] Kreide, zum Anschreiben der Zeche. 86 rahm] Schmutzkruste. 88 kat] Dreck. 89 borgen] Unklar; Kurz erklärt: »Schulden«, ein entsprechender Gebrauch ist nicht belegt. Denkbar wäre auch der Sinn ›ohne geborgt zu haben‹, ›ohne ausstehende Forderungen‹. 90 Haußman] Mieter (so DWb  10, Sp.  683, mit Bezug auf diese Stelle), oder aber: Hausvater. 91 vngemessen] mit dem man nicht gemessen hat. 95 blatten] Glatze (gemeint ist die Tonsur). 97 Nolhart] Spottname für umherziehende Laienbrüder, abgeleitet von engl. lollard, der Bezeichnung für eine im Spätmittelalter entstandene Glaubensbewegung. 97 Kappen] Mönchskutte; siehe zu III  92,119. 99 Frantzosen] Schon im 16. Jh. verbreitete Bezeichnung für die Syphilis. 100 Hosen] Vgl. zu I 17,66. 105 warten] Wachen, oder: Wachtürme. 107 Scherer one zug] Wundarzt ohne Zugpflaster. 112 Bader one Bruch] Badewirt ohne Badeschurz; vgl. zu I 17,66. 114 vnd vngebicht] aber nicht mit Pech bestrichen. 119 W)rtz] Kräuter. 122 Fesen] Spelzen (harte Hülsen des Getreidekorns); möglich, aber sonst nicht belegt, wäre hier auch ›Fasern‹; vgl. DWb 3, Sp. 1554f., mit Bezug auf diese Stelle. 123 vnbeschatzt] nicht ausgeraubt. 128 K)ffen] Kübel, Zuber (zu dessen Abdichtung Harz verwendet wurde). 134 stewpen] Stäupen (Prügeln mit einer Rute, auch als Rechtsstrafe). 136 vngeschnart] nicht gespielt. 149 vnbehut] nicht behütet. 151 vngetreten] Wohl: nicht niedergetreten. 153 feyßter Bachen] fettes Mastschwein. 163 seyger] verdorbener. 163 kaem] Schimmel. 166 Barren] Balken (zum Anbinden der Pferde). 167 Buch vnd vngebunden] Bücher wurden in den Anfängen des Buchdrucks meist ungebunden vertrieben und erst vom Kunden an Buchbinder, die sich im Laufe des 16. Jhs. in Zünften organisierten, zum Binden gegeben. 174 zierte] geschmückte. 177 vngehemmet] nicht gebremst. 184 Wieger] Der an der öffentlichen Waage einer Stadt Beschäftigte. 188 lab] Aus dem Kälbermagen gewonnene Flüssigkeit, die Milch gerinnen lässt. 190 Obseruantz] Ordensregel, v.a. der Franziskaner; vgl. zu III  100,11. 195 M)ntz] Münzprägestätte. Straßburg hatte seit dem frühen Mittelalter eine bedeutende Münzstätte. 1508 wurde sie von Maximilian I. mit dem kaiserlichen Privileg, Goldmünzen zu schlagen, ausgestattet; vgl. A. Hanauer, Études Économiques sur l’alsace ancienne et moderne, Bd. 1: Les Monnaies, Paris – Strassbourg 1876, S. 52f. 196 Meß zu Franckfurdt] Siehe zu IV 2,138. 205–208 Bart … art … art … wardt] Vierreim; siehe zu I 10,19–21. 207 art leßt

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nit von art] Sprichwörtlich; siehe zu II 60,73. 208 Der Bock … G rtner wardt] Wohl Anspielung auf die Redensart vom Bock als Gärtner; siehe zu II 27,17f. Literatur Dieter Beyerle, Von Juno, Venus und anderen Frauen. Zur Interpretation und Geschichte einer spätantiken Fabel (Romulus, Marie de France, Burkhard Waldis), in: Gestaltung – Umgestaltung. Beiträge zur Geschichte der romanischen Literaturen, hg. von Bernhard König u.a., Tübingen 1990, S. 1–12, hier S. 10–12.

IV 94 Vom Wolffe/ Fuchsse/ Hirsch/ vnd Storchen. Vorlage Die Fabel ist sonst nicht bekannt. DG 612 verzeichnet nur die Waldis-Fabel. Stellenkommentar 4 gefatzt] genarrt hat. 5 ben)ckt] betrogen; vgl. FWB  3, Sp.  1316. 6 vbers seyl ger)ckt] Redensartlich im Sinne von ›betrogen‹; vgl. Murner, Narrenbeschwörung  70, sowie Röhrich, S.  1460; TPMA Strick  79–87. 7 heym zu treiben] heimzuzahlen. 8 jm … verkleiben] ihm ein Auge verkleben könnte; vgl. DWb 25, Sp. 657. Redensartlich; siehe zu I 43,31. 10 jm einst verlieff die Th)r] einmal vor ihm die Tür erreichte; vgl. DWb  25, Sp.  745f. 11 hast an jm nit] kannst du ihm nichts anhaben. 12 gschied] schlau. 15 gemein] Versammlung. 16 sachen] Rechtsfälle (lat. causae). 17 dahin vertagt] dort zur Verhandlung festgesetzt waren. 19 Hirsch war Schultheis/ saß das recht] Versidentisch mit II 27,15. 19 Schultheis] Ortsvorsteher. 20 stecken knecht] Gerichtsdiener, die auch Leibesstrafen vollzogen; vgl. DWb  17, Sp.  1350f.; FWB  11, Sp.  221, auch mit Bezug auf die Stelle. 26 vndernam] bestach; vgl. DWb  24, Sp.  1697, mit diesem Beleg. 33 Buben st)cken] Schurkereien. 35 Fuchßschwentzen] Siehe zu I  11,7. 41f. in den Parabeln … Fabeln] Auch Erasmus Alberus unterscheidet nicht streng zwischen Parabel im Sinne von ›Gleichnis‹ und Fabel: wie die gleichnissen vnd parabole einen großen verstandt vnd liecht geben/ also das kein besser weiß zu leren ist/ dann durch parabolas/ vnd Christus vnser herr selbst lust gehabt durch gleichnissen sein Euangelium zu leren/ also sind die Fabulae den gleichnissen nit ser vnehnlich on daß die parabole ernsthafftiger sind/ die fabulae aber leren gute sitten vnd tugende schimpffs weiß vnd lachends munds (Fabeln [1534], Vorrede [S. 225, Z. 7–16]). Vgl. IV 100,220. 47 zeho/ zeho] Siehe zu IV 80,93. 47f. Vnd schreit … der Wolff ist do] Vgl. III  91. 53 Das … ist gram] Vgl. I  86,27–47. 62 strom … greiffen] Hundenamen; vgl. III  5,1. 64 anschlag] Plan. 73 bin ich bider] Siehe zu I  9,52. 82 K niglin] Kaninchen. 86 m cht] könnte. 87 grechtigkeyt] Recht. 94 Weih] Greifvogel; siehe zu I  2,39. 98 wol beglaubt] sehr glaubwürdig. 110 abspruch] Urteilsverkündung. 112 abziehen seinen Balck] Vgl. IV  77. 112 Balck] Pelz. 118 Noch] weder. 121 alles Fleisch enthal-

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ten muß] Vgl. IV  1,165–174. 123 r)spert] räusperte. 126 abspruch] Urteil. 134 stecken schon zerbrochen] Mit dem Zerbrechen eines Stabes wurde ein Todesurteil symbolisch bekräftigt. Vgl. Gerichtsordnung (Carolina), Art.  96; E. Kaufmann, Stabbrechen, in: HRG  4, Sp.  1844–1846. 136 Appelliern] Berufung einlegen. 137 heysch] bitte. 139 billichkeyt] Gerechtigkeit. 142 feyrn] Wohl: rühmen. 143 noch] weder. 145 frumb] rechtschaffen. 151 absagen] als Urteil verkünden. 156 bgobt] versah. 157f. Trat einher … Hosen an] Vgl. I 17,65f. 165 Der … erbeut] er unterwirft sich der Gerechtigkeit und dem Recht. 173 gar vnbilliglich] völlig zu unrecht. 174 Als dings … vnderwindet sich] alle Dinge für sich alleine beansprucht. 178 außkiesen] auswählen. 180 auffenthalt] erhält. 183 steln] stellen nach. 184 Jch bin … Fr schen] Vgl. I 17. 186 Grindt] Schorf (auf dem Kopf). 196 an der w)l verwirt] mit seiner Wolle verheddert. 197 on gefehr] zufällig. 209 gebeut] gebietet. 211 Vom gegentheyl] von der Gegenpartei. 212–217 Das sie jr Kleydt … verkeufft] Vgl. Ex 22,26f. 215 bey tag zu voller gn)g] zur vollständigen Verfügung noch am selben Tag. 216 dmit sich decken m)g] damit sich der Arme zudecken könne. 218 bleib … vngestreufft] soll dem Fuchs das Fell nicht abgezogen werden. Vgl. I  75,39, und IV  99,509. 228–262 Drumb zeuht er … K nig wer] Der Fuchs nutzt in seiner Lobrede das rhetorisch-hermeneutische Verfahren der Allegorese, bei der aus den natürlichen Eigenschaften des Tieres moralische Qualitäten erschlossen werden. 233 bescheidenheyt] Urteilsfähigkeit. 235 Heher] Siehe zu I 29 Ü. 236 schlecht] einfach. 247 Glottert] klappert. 248 sein ja … neyn] Vgl. Mt 5,37. 256 haußzins] Mietzins. 259 der Fr sch alleyn] Vgl. I 17. 273 Die] und dass die. 273 rechtfertigen sachen] rechtmäßigen Anliegen. Juristischer Terminus (vgl. DWb 14, Sp. 410), auch in IV 99,335 verwendet. 276 den glauben krencken] die Treue schwächen. 285 bendig] gefügig. 288 zu beiden seiten hinckt] gegenüber beiden Parteien unzuverlässig ist; vgl. dagegen ›den Hund hinken lassen‹ (II 88,4). 290 Dem bschwerten theyl] der unterlegenen Partei; vgl. FWB  3, Sp.  1788. 299 witzig] verständig. 301 bewinden] einwickeln, verdunkeln. 304 klippern gh rt zum Handtwerck] Auch Luther gebraucht die Wendung im Sinne von ›(durch Schmeichelei) den Betrug (die Lüge) verbergen‹ (WA 47, S. 469, Z. 18, und WA 43, S. 502, Z. 1f.). 312 die Esel … reiben] Sprichwörtlich; siehe zu IV 1,268. 315 prob] Achtung. Literatur Lieb, S. 179–188.

IV 95 Wie Sanct Peter wolte Gott sein.

ATU 774D

Vorlage Waldis beruft sich zwar auf schriftliche Quellen (V. 2). Doch scheint seine Version, die bereits  1543 gedruckt wurde (siehe unten, S.  381–388), der früheste Beleg für diesen Stoff zu sein und nicht die Version (1546) von Hans Sachs,

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Kommentar zu IV 95

wie noch bei Siegfried Neumann, Petrusschwänke, in: EM 10, Sp. 814–824, hier Sp. 815f., zu lesen. Stellenkommentar 8 hat gfochten an] bestürmt hat. 9 gmeyne] allgemein bekannte. 10–12 ein Narr … brichten] Sprichwörtlich: ›Ein Narr fragt mehr, als zehn Weise antworten können‹; vgl. TPMA Narr 420–430. 14 ins wildt] aufs Geratewohl. 19 biß] seist. 21 stend] Stände, hier: Zustand. 24 vngeschicklichkeyt] Unzulänglichkeit. 25 widerwillens] Unfriedens. 26 abergunst] Wohl: Neid; vgl. DWb  1, Sp. 33, mit nur diesem Beleg. 28 f)nd] Kniffe. 29–37 Die armen … sein] Petrus bekräftigt seine Rede mit traditioneller Kritik an den Ständen, wobei der Klerus allerdings ausgeklammert bleibt. Vgl. Ein Gesprech des Herrn mit S. Petro von der ietzigen Welt Lauf und irem verkertem bösem Wesen (Schade, Satiren, Bd. 1, S. 154–175), wo Petrus sagt: Ja, Herr, ich gleub daß in der welt kein stant | Ist, der da nicht were zerrüt (V. 708f.). 29 schetzen] besteuern. 30 vbersetzen] überhäufen. 33 vberzeucht] betrügt. 34 fleucht] meidet. 39 Vor] für. 42 drawung] Androhung von. 43 noch] weder. 44 gibt … dran] lacht darüber. 45 als] alles. 48 Verdreußt] verdrießt es. 48 zwar] wirklich. 55 gar in einen hauffen st)rtzen] Wohl: ich würde (alles) völlig zum Einsturz bringen. 62 in einem huy] in einem Augenblick. 64 Was … thu] dass jeder tut, wozu er Lust hat. 66 vns] unser. 70 on als geferd] ganz zufällig. 71 Decerniert] beschlossen. 75 darf)r halten] meinen. 78 hie niden] hier unten. 80 michs nit verdencken] es mir nicht übelnehmen. 84 G)lt … viel] es ihm gleichgültig sei. 85 hielten] meinten. 85–88 viel weiser Heyden … das gering] Zur Annahme, dass Gott die Welt geschaffen habe, aber keinen Einfluss auf sie nehme, vgl. etwa Aristoteles’ Vorstellung vom ›unbewegten Beweger‹ als oberstem Prinzip, sowie insbesondere Epikur (vgl. Olof Gigon, Aristoteles/Aristotelismus I, in: TRE 3, S.  726–768, hier S.  748f.). Tertullian bezieht sich auf sie in Apologeticum  47. 86 vnbescheyden] einfältig. 89 etwan wer die weil] beispielsweise zur Zeit … wäre. 91 Caspier Meer] Kaspische Meer. 92 Mustoro] Gemeint ist möglicherweise das nordwestlich des Kaspischen Meeres an der Wolga gelegene Moscouia (Name bei Münster, Cosmographei, S. 1029 u.ö.). Kurz übernimmt die Lesart des Drucks von 1543 (Muscow; ebenso Tittmann) und erläutert: »Moskau, Moskovien«. Gemeint ist wohl, dass Gott sich von der Welt in denkbar entlegene Gebiete zurückgezogen habe. Die Ortsangaben könnten dabei auf andere Erzählungen von ›Petrus und Christus auf Wanderschaft‹ (vgl. Neumann [wie zur Vorlage], Sp.  815–818) Bezug nehmen. 93f. Es steht … gel)st] Vgl. II Petr  3,3: VND wisset das auffs erst/ Das in den letzten tagen komen werden/ Spötter/ die nach jren eigen Lüsten wandeln/ vnd sagen/ Wo ist die verheissung seiner Zukunfft? Denn nach dem die Veter entschlaffen sind/ bleibet es alles/ wie es von anfang der Creaturn gewesen ist (dazu Luthers Marginalie: Spötter sind vnser Epicurer vnd Saduceer/ die weder dis noch das gleuben/ Leben nach jrem gefallen dahin. Oder/ wie Petrus saget/ nach jren eigen lüsten/ Thun was sie wollen/ vnd gar wol gelüstet/ Wie wir fur augen sehen). 98 zu regieren baß] leichter zu lenken. 99 weil] während, hier offenbar: nachdem. 100 denn da] als damals,

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als. 105 Auß nicht] aus dem Nichts. 105 als vorher kommen] alles hervorkommen. 107 dunckt mich] scheint mir. 108 hinauß zu f)hren] weiterzuführen. 111–118 Gleich/ wie … gedenckt] Zur hier zitierten Bildtradition vom Staatsschiff vgl. Peil, S. 700–870, zur Bedeutung des Steuermanns S. 778–814 und  837–841. 116 reyt] fertig. 123 schwang] Lauf. 124 den Zaum … zu lang] Variante der vielfach belegten redensartlichen Wendungen ›im Zaum halten‹, ›den Zaum hängen lassen‹ usw.; vgl. DWb  31, Sp.  402; Röhrich, S.  1760 und 1778. 124 keim] keinem. 126 Wer dirs … thun] stünde es dir vor allem an, es zu machen. 127–129 drumb … vbel strafftest] Vgl. Mt 10,34. 128 frummen] Vorteil. 134 Vnd magst … sehen] Redensartlich; siehe zu II  93,40. 141 in seiner massen] in seinem Maß. 142 Vngmeystert … lassen] nicht überheblich mustern und tadeln. 143–146 Denn sein wort … auß zu gr)nden] Vgl. Röm  11,33. 145 erfinden] ergründen. 148 spitzig] schwierig. 149 ehr] früher. 155 barmhertzig/ gnedig/ g)tig] Vgl. Ps  103,8. 157 eytel] reine. 158– 162 Sein Regen … widerfechten] Vgl. Mt  5,45. 158 miltiglich] freigebig. 162 widerfechten] zuwider handeln. 165–168 Neben dem Weytzen … sein lohn] Vgl. Mt  13,24–30. 169 vrtheyln] Kritik. 170 Ob dem das] über das, was. 171f. werbung flicht … bericht] Angelegenheiten einmischt, von denen er keine Ahnung haben kann. 174 pfl)gt den Sand] Redensartlich: ›Den Sandstrand pflügen‹, im Sinne von: ›eine sinnlose Tätigkeit verrichten‹; vgl. TPMA Pflug 5.1. (ohne frühneuhochdeutsche Belege); Röhrich, S. 1279f. (ohne Belege). 175 Eim Zygel … reiben] Redensartlich; siehe zu II 88,35. 176 in das Wasser schreiben] Vgl. Franck, Sprichwörter, S.  54, Z.  1, unter der Überschrift Vergebne arbeyt (ebd., S. 53, Z. 26). 177 ein schwartzen Moren wescht] Redensartlich: ›Einen Mohren weiß waschen‹ im Sinne von ›etwas Unmögliches versuchen‹; vgl. TPMA Mohr  13f. sowie TPMA Mohr  2.; Röhrich, S.  1040f. Vgl. Jer  13,23. 178 ein frembde glut außlescht] Vgl. Agricola, Sprichwörter I  254, sowie den Holzschnitt zu Brants Narrenschiff 58 (Syn selbs vergessen) und das Motto: Wer leschen will eyns andern für | Vnd brennet loßt syn eygen schür | Der ist g*t vff der narren lür. 179f. Wern finger … befleckt] Sprichwörtlich; siehe zu IV 59,49f. 185 dar] wage. 188 witz] Klugheit. 194 thuchtst] taugst. 196 bin ich bider] Siehe zu I 9,52; vgl. auch IV 94,73. 197–199 Woltstu mir … einen tag verg)nnen] Auch in Ein Gesprech (wie zu V. 29–37) erbittet Petrus von Gott für einen Tag die Herrschaft über die Welt (V. 53–55). 199 verg)nnen] gönnen. 202 vorwitzig] vermessen. 204 zu freden] zufrieden. 218 jen] Siehe zu I 11,5. 220 reyn] Wegrand; siehe zu III 53,8. 222 geheyß] Auftrag. 224 baß] besser. 225 gemeynlich] allgemein. 231 vorwendst] aufwendest. 233 schellig] wütend. 244 bysen] springen. 248f. wardt offt … sein Waffen] oft beinahe völlig verwirrt wurde und fast nicht mehr aus noch ein gewusst hätte. ›Entrüsten‹ scheint hier mit Gedanken an die ursprüngliche Bedeutung ›jemanden seiner Waffen berauben‹ verwendet zu sein, woraus sich dann schon mittelhochdeutsch ›aus der Ruhe, aus der Fassung bringen‹ entwickelt hatte; vgl. DWb 3, Sp. 590. 251 vngessen] ohne Essen. 257 zohen ein] gingen heim. 263 Fischerey] Vgl. Mt 4,18. 265f. wenn einr hat … viel m)h] Sprichwörtlich; vgl. TPMA Rind 61– 65: ›Kühe machen Mühe‹. Vgl. I  9,109f. 267 Groß Herrn … m)ssen] Vgl.

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Kommentar zu IV 96

II 3,41. 269 Drauff jm … gab] Das gesamte Morale wird Christus in den Mund gelegt. 274f. Der Narren … sagt] In der lateinischen Übersetzung des alttestamentarischen Buches Kohelet (lat.: Ecclesiastes) durch Hieronymus lautet Ecl 1,15b (Vulgata): stultorum infinitus est numerus. Diese Übersetzung scheint sich als Sprichwort gehalten zu haben (vgl. Walther, Nr. 30430; Brant, Narrenschiff 108,3f., sowie II 8,54), obwohl der Teilvers schon im Mittelalter neu übersetzt wurde: quod deficiens est, numerari non potest, so auch Luther: Krum kann nicht schlecht werden/ noch der Feil [›das Fehlende‹] gezelet werden. Das Buch Kohelet wurde früher König Salomon (V. 275) zugeschrieben; vgl. Luthers Bezeichnung: ›Der Prediger Salomo‹. 278 kapt] Hier: aufnehme; eigentlich: ›in die Kutte stecke‹; vgl. DWb  11, Sp.  197, auch mit diesem Beleg, sowie zu III 92,119. 283 lon etwas leren] etwas lernen lassen. 286 darff dein] bedarf deiner. 292 an heben] beginnen. 297–300 Wer offentlich … richt] Sprichwörtlich: ›Nachteilige Begleiterscheinungen, wenn man am Weg baut‹; vgl. TPMA Weg 201–208. 301–312 Der Cicero sagt … bedenckt] Vgl. Cicero, Epistulae ad familiares I 9: hic meae vitae cursus offendit eos fortasse, qui splendorem et speciem huius vitae intuentur, sollicitudinem autem et laborem perspicere non possunt (Marcus Tullius Cicero, An seine Freunde. Lateinisch und deutsch, hg. und übersetzt von Helmut Kasten,  4. Aufl., München  1989, dort I 10,17). 305 außwendig] Äußere. 308 gan] gönnt. 309 des Gmeynen nutzs] um das Gemeinwohl; vgl. zu IV  52,44. 310 beschwerung des R mschen schutzs] Last, für den Schutz der Römer zu sorgen. 311 krenckt] plagt. 313 dich nit dein wahn] dich dein ehrgeiziges Streben nicht. 315 eytel] ganz. 322 nichts … borg] Wohl: bei einem anderen nichts borge; vgl. DWb 1, Sp. 627. 323 Sehe … F)ß] Siehe zu I 63,18. 325 fassen] begreifen.

IV 96 Von den Lwen/ vnd Hasen.

DG 262

Vorlage Die Fabel ist vor Waldis nur – jedoch ohne Entsprechungen im Einzelnen – bei Camerarius, Fabulae, Bl. 134bf. (Leporum contio [Nr. 356]), und in einer kurzen antiken Version überliefert: Als die Hasen Volksreden schwangen und unbedingte Gleichheit für alle verlangten, sagten die Löwen: ›Euren Argumenten, ihr Hasenfüße, fehlen Klauen und Zähne, wie wir sie haben.‹ (Fabeln der Antike, griechisch – lateinisch – deutsch, hg. und übersetzt von Harry C. Schnur, überarbeitet von Erich Keller, 2., verbesserte und erweiterte Aufl., München – Zürich 1985, S. 105). Auch Luther kannte die Fabel: Wo aber ein Prediger mer auff Gottes willen und ambt denn auff gunst der menschen sehen will, da gehet es, wie Aristoteles ein feine Fabel hat, wie den Hasen, die sich unterstunden den L wen zu predigen unnd sie fromm zu machen, Aber ee sie recht das maul aufftheten, waren sie von den L wen zurissen (WA 52, S. 703, Z. 25–29). Aus der Aristoteles-Stelle (Aristoteles, Politik, Buch III: Über die Verfassung, übersetzt und erläutert von Eckart Schütrumpf, Berlin 1991 [Aristoteles. Werke in deut-

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scher Übersetzung, hg. von Hellmut Flashar 9,2], S. 74 [Politik 1284a]) lässt sich die Fabelhandlung allerdings nur erahnen. Stellenkommentar 13 Vettern … Basen] Siehe zu IV 56,94. 21 zamen] zusammen. 22 gmeynen nutz] Siehe zu IV 100,95. 24 fast trutzen] tyrannisieren. 25 Tantzen wie sie Pfeiffen] Redensartlich im Sinne von ›gehorchen‹; siehe zu II  39,12. 26 auff … greiffen] Redensartlich: ›Auf die Haube greifen‹ im Sinne von ›angreifen‹, ›verfolgen‹; vgl. TPMA Hut  76–81; Röhrich, S.  674. 30 vnderhalten] unterdrücken. 31 streichen] weichen. 32 keichen] keuchen. 33 schmucken] beugen. 34 verdrucken] ihrer Unterdrückung. 44 sie … vnderstahn] es wagen, sie zu belehren. 45 leben] Löwen. 46 sich begeben] einwilligen. 53 frumb] rechtschaffen. 55 eyn] einig. 59 voll mit bancketieren] beschäftigt mit Essen. 62 gacht] geachtet. 65 von stundt] sodann. 66 tret zuher baß] tretet näher. 68 zurkennen geben] vortragen. 71 lassen … berewen] für heute auf sich beruhen lassen. Tittmann ändert zu beruen. 74 kropff] Mahlzeit. 75 heben an] warten ab; vgl. FWB 1, Sp. 1229, mit nur diesem Beleg. Denkbar ist auch ein Druckfehler: Vielleicht sollte statt biß »baß« stehen, dann wäre der Sinn: ›wir fangen es besser erst morgen an‹. 76 Destfleissiger] umso aufmerksamer. 80 bewedmet] bekräftigt. 83 jeben] ausführen. 84 belieben] hochschätzen. 85f. Nach billichkeyt … schaffen] Vgl. Röm 13,1–4, dazu Luthers Vorrede (Lutherbibel, S.  2267, Z.  18–24). 87 Als … massen] jedes Ärgernis erregende Verhalten unterlassen. 97 Gunden] fingen an. 101 losen] nichtsnutzigen. 104 Mores leren] Redensartlich; siehe zu I 33,13. 107 sie anzanten] gegen sie die Zähne fletschten. 108 ermanten] Gemeint ist: auf sie stürzten. 110 Jr keinr … stewren kund] keiner von ihnen konnte sich beherrschen. 116 jrkein] irgendeinen. 121 sch l] missgünstig. 121 r)mpfft die Nasen] Redensartlich im Sinne von: ›geringschätzen‹; vgl. Röhrich, S. 1079. 124 gezwackt/ gesackt] ergriffen und in den Sack gesteckt. 125 keine schantz gelingt] etwas gut ausgeht. 127–134 Denn wer … andern Knecht] Es handelt sich um die zweite Strophe der erst 1565 gedruckten Beschreibung des Hoflebens oder Hofe Vers von Martin Luther: Denn wer gedecht, | Zu leben schlecht, | Gantz from und gerecht, | Die warheit brecht, | Der wird durchecht, | Und gar geschwecht, | Geh nt und gschmecht, | Und bleibt allzeit der andern knecht (WA 35, S. 591). 128 schlecht] aufrichtig. 131 durchecht] geächtet. 135 Geystlichen Regiment] Gemeint ist die Papstkirche (vgl. V. 103), die gemäß der mittelalterlichen Zwei-Schwerter-Lehre auch weltliche Macht beanspruchte. Luther hält – etwa in der Schrift Von weltlicher Oberkeit (1523) – an der Vorstellung von den zwei Regimenten fest (WA 11, S. 252, Z. 12–23), versteht aber unter dem geistlichen Schwert allein das Wort Gottes (ebd. S.  258, Z.  20–29). 139–142 Euangelisten … aberach] Seit 1523 hatten die Anhänger Luthers Blutzeugen zu beklagen; vgl. WA 12, S. 73–80; WA 18, S. 215–240; ferner die Geschichte des evangelischen Märtyrertums bei Ludwig Rabus, Historien der Martyrer, 2 Bde., Straßburg  1571–1572, Bd.  2, Bl.  110aff. 142 aberach] Oberacht, verschärfte Form der Ächtung; im  16. Jh. wird zwischen Acht und Oberacht nicht mehr unter-

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Kommentar zu IV 97

schieden (D. Landes, Acht IV. Neuzeit, in: HRG 1, Sp. 32–36). Vgl. zu I 34,24. 153f. Chayms gschlecht … Abels blut] Vgl. Gen 4,8. 155 Jsmael … feindt] Von einer Feindschaft zwischen Ismael und Isaak, den Söhnen Abrahams, wird in der Bibel nicht berichtet; vgl. aber Gen 16,11f. 156 Esau … Jacob greint] Vgl. Gen 27,41. 156 greint] murrt. 157 Saul … Dauid ficht] Vgl. I Sam 18ff. Literatur Lieb, S. 137–141, 178; Stiefel, Quellen, S. 260–262.

IV 97 Wie einer ein Esel solt schreiben leren.

ATU 1750B

Vorlage Der Stoff dieser Erzählung ist nicht neu, allerdings soll der Esel meist das Sprechen oder Lesen lernen. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen (vgl. aber Stiefel und Kipf). Stellenkommentar 1 WO] Wenn. 2 an merckt] erkennt. 7 vbers recht … gwalt] Sprichwörtlich; siehe zu IV  44,45. 13 brichts … sachen] Redensartlich; siehe zu IV 37,28. 13 heyloß] nichtswürdige. 14 m g] könnte. 16 Appliciert] anwendet. 17 bilchen schein] Schein der Rechtmäßigkeit. 20 frommer] Rechtschaffener. 32 muchtst] könntest. 33 z)chtig] erzogen. 33 bendig] zahm. 38 der selben arbeit nieten] an diese Arbeit machen. 39 solcher … vnderwinden] solche Mühe auf dich nehmen. 46 noch] gemäß. 48 Disciplin] Unterricht. 49 halten drob] darüber wachen; vgl. FWB  5, Sp.  213f. 50 wunder] erstaunlich. 53 diesen bscheydt] diese Bedingung. 54 darff] brauche. 58 zu danck] zu meinem Gefallen. 65 Sich … vnderst)ndt] sich eine solche Aufgabe vorzunehmen. 75 mocht] konnte. 84 die sach entricht] und die Sache ist entschieden; vgl. DWb 3, Sp. 585. 91 beschliessen] lehren. 91–96 Denn diß … endt] Vgl. Agricola, Sprichwörter I 90: Es sagen die weisen/ und radten es allen/ die von grossen hohen sachen reden/ schreiben/ und trachten sollen/ das/ wo sie auff ein mal ein ding nicht erlangen mügen/ sollen sie es stehen lassen und rwen/ aber hernach widder von newes anfahen/ das selbige einmal odder etliche versuchen/ es wirt endtlich frisch naher gehen/ ob es wol ym ersten nicht gelinget (S. 70, Z. 28–S. 71, Z. 3, zum Sprichwort Heut und morgen auch ein tag [S. 70, Z. 18]). 93 auffhenckt] suspendiert, aufhebt; vgl. FWB 2, Sp. 489f. 97 vnbewagen] unüberlegt; vgl. Lasch/Borchling 1, Sp. 261. 98 an geschlagen] begonnen. Literatur Stiefel, Quellen, S. 262–265; Kipf, S. 486f.

Kommentar zu IV 98

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IV 98 Wie ein Dorff Pfaff die Bawrn strafft. Vorlage Eine Vorlage für diese Erzählung ist nicht bekannt. Stellenkommentar 5 bossen] Dummheiten. 10 baß r)ren] heftiger tadeln. 15 sonst] eigentlich. 17 vngeschlacht] grob. 18 schellig] wütend. 23 grumpen] Brocken. 24 trumpen] herumtrampeln. 26 Auß filtzen] hart schelten; ergänze ›uns‹. 26 Lotterbuben] Gaukler und Spielleute, die bei öffentlichen Auftritten mit Sprüchen für Unterhaltung sorgen; vgl. IV  4,18–24. 28 vnbescheyden] unbesonnen. 30 f)r namen] sich vornahmen. 33 vngelaschen] ungezogen. 34 waschen] schmähen. 39 vns offentlich außtragt] Schlechtes über uns verbreitet. 44 dorfft keinr] brauchtet keine. 44 Meuterey] Rechtsterminus: Aufruhr bzw. die Anstiftung dazu; vgl. DRW 9, Sp. 605–607; A. Erler, Meuterei, in: HRG 3, Sp. 531f. 46 euch zu vnlust selb bewegen] euch selbst Ärger bereitet. 53 frumb] anständig. 55 Ob] wenn. 60 verkleynt] geschmälert. 63 in jm] bei sich. 65 ich will … kochen] Redensartlich; siehe zu IV 5,62. 72 Kn)ttel] Knüppel. 73 verhal] verbarg. 76 Sermon] Predigt. 78 gar selten] nie. 79 R)ltzen] Grobianen. 83 setzt er jm kein gefehr] macht er sich keine Sorgen; vgl. DWb 4, Sp. 2073, mit Bezug auf diese Stelle. 84f. streicht nur … Fuchßschwantz] Redensartlich; siehe zu I  11,7. 87 bossen] Kerle. 99 auff gewunden] hoch erhoben. 100 zu den stunden] sogleich. 101 Sein zornig gsicht in sie] seinen zornigen Blick auf sie. 110 Darff … nehmen an] braucht sich um kein Drohen zu kümmern. 113 Zur straff … vnged)ltig] Etwa: niemand hat etwas gegen Strafen. 116 dorffen b)cken] zu bücken brauchen. 118 gulden] Goldmünze; siehe zu I  14,58. 119 vor denselben hon] anstelle dieses Spotts. 121 beschliessen] lehren; vgl. IV 97,91. 122 auß erfarnheyt] Siehe zu I 79,34. 124 Conscientz] Gewissen. 128 vnh)ldig] verärgert. 130 drawen] Drohen. 132 acht sein] achtet darauf. 138 Dem schuldign … die haut] Sprichwörtlich: ›Der Schuldige zittert (fürchtet sich)‹; vgl. TPMA schuldig 5–12. 138 schuttert] zittert.

IV 99 Vom Bawren/ Lindtwurm/ Pferd/ Hundt vnd Fuchß.

DG 512

Vorlage Der Stoff ist schon seit dem 12. Jh. bekannt. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stellenkommentar 3 g)lden] Goldmünze; siehe zu I 14,58. 8 begund] begann. 12 vberzwerg] quer davor. 13 bas] besser. 23 on gfehr] unversehens. 29 Durch als … gnennt] um all jener willen, die man Gott nennen kann. Die Rede des Drachen bezieht

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Kommentar zu IV 99

sich kaum auf die Götterwelt in der äsopischen Fabel (vgl. auch zu I 15,7), sondern lässt allgemeiner Vielgötterei und Götzendienst durchscheinen, der im Kontext der Heiligenverehrung auch der Papstkirche vorgeworfen wurde; vgl. Agricola, Sprichwörter I  301 (S.  249–251,  254–258); Alberus, Fabeln  23, und Alberus, Dictionarium, Bl. yy1a: die R mer namen sich solchs gewalts an/ für Got zuhalten/ wen sie wolten. 31 erquickt] gestärkt. 33 durch jren willen] um ihretwillen. 38 sein … ergetzt] dafür reich belohnt werden. 44 vngeschlacht] grob. 59 verhafft] verpflichtet. 62 schlecht] schlichte. 68 r)ssig] rußig. 69 R)ssel] Schnauze. 72 knopffecht] knotig. 74 nit fast rauch] nicht sehr behaart; gemeint ist: es hatte gar kein Fell. 77 sechtzig Schuh] Längenmaß von etwa 30 cm, dem ›Fuß‹ entsprechend; vgl. Alberti, S.  229–233. 77 nach der dickt] seinem großen Umfang nach. 84 Drauff fordert tr stlich] darauf vertrauend forderte er. 89 bscheydt vnd vor bedingen] Abmachung und Vereinbarung. 91 weil] solange. 96 dunckel] Annahme. 97 zwar] wirklich. 103 on vnderscheydt] ohne Einschränkung. 104 Bewedmet] bekräftigt. 114 Gott geb … lang] ob du es nun kurz oder lang machst. 120 frommen] anständigen. 122 Jch schweig] geschweige denn. 127 schlechts … gstehn] das schlechterdings nicht zugestehen. 131 wegers] verweigere es. 138 mit Recht m g scheiden] rechtskräftig zwischen uns entscheiden soll. 140 frumb] tüchtig. 150 Geyebt] erfahren. 151 nach der leng] ausführlich. 152 ist geb vnd geng] Redensartlich; vgl. Röhrich, S. 502; DWb  4, Sp.  1241f. 165 schon] schön. 167 frech] kühn. 167 freudig] wild; vgl. zu II  78,2. 170 jebet] betrieb. 181 geraucht] gedampft. 183 mein so lange zeit genossen] so lange Vorteile von mir gehabt. 185 gschlagen in das Graß] Redensartlich; siehe zu II 46,41. 192 den r)cken brochen] Wohl: durch Schläge die Haut am Rücken aufplatzen lassen. Kurz erklärt (ohne Nachweis) »den Schwanz abgeschnitten haben«. 193 necht] gestern abend. 195 zu streuffen] die Haut abzuziehen. Vgl. I 75,39, und IV 94,218. 197 gniessen] (als Lohn) erhalten. 204 feyhl] Fehler. 210 Er ist … gesp)lt] ihm ist vielleicht übel mitgespielt worden; vgl. FWB 2, Sp. 1404, mit Bezug auf diese Stelle. 218 vnbilchs] Unangemessenes. 222 zu stund] sogleich. 224 lawrn] hinhalten; vgl. DWb 12, Sp.  305. 235 ob] falls. 247 Hinden] Hirschkühe. 248 beytzen] Vogeljagd. 254 ichtes] etwas. 263 trawt] droht. 268 Eingemessen ein b ses Malter] Siehe zu IV 91,39f. 276 bey der Nasen f)hren] Hier: ›hinhalten‹. Redensartlich; siehe zu IV 69,204. 277 in eim grimm zurmannen] zornig aufzufahren. 278 jn … an zu zannen] feindselig die Zähne gegen ihn zu fletschen. 280 an zumessen] anzunehmen. 281 anschleg] Vorwände. 284 zuuerziehen] zu warten. 288 on als gefehr] ganz zufällig. 290 geschwader] Geschwätz. 293 Mit gleichem … dem Recht] Wohl: durch einen gerechten Schiedsspruch aus dem Rechtsstreit. 295 verk)rtzung] Beeinträchtigung. 298 ergetzt dein trawrn] deinem Trauern Abhilfe verschaffte. 303 jrkein] irgendeinen. 311 ein kappen keufftst] Redensartlich; siehe zu I  17,70. 312 mit meinr eygnen br) betreufftst] Redensartlich: ›mit dem eigenen Fette begießen‹, in TPMA nur mit einem Beleg aus einem niederdeutschen Fastnachtspiel des 15. Jhs. (vgl. TPMA Fett 5). Vgl. auch Röhrich, S. 438 (ohne Belege). 326 einst] einmal. 332 stellt heym] anheimstelle. 335 rechtfertig] rechtmäßig; vgl. zu IV 94,273. 354 vermacht] eingeschlos-

Kommentar zu IV 99

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sen. 356 von stundt] sofort. 357 bgobt] beschenkt. 360 glauben] Treue. 367 merck mich … thust] hör genau zu, was du tun sollst. 369 Caponen] Masthähne. 375 intrag] Schaden. 384 schehel] scheel. 385 grober Filtz] Schon im Mittelhochdeutschen belegtes Schimpfwort; vgl. DWb 3, Sp. 1632f. 390 Groß vnfall … vndernomen] ein großes Unglück ist mir zugestoßen. 393 vngefug] Unannehmlichkeiten. 399 balgen] zanken. 402 Wie hat sichs … genarrt] Etwa: was für ein Unsinn hat sich da begeben; vgl. DWb 13, Sp. 367, mit Verweis auf diese Stelle. 407 fahr doch schon] mach doch mal langsam; siehe zu II 33,37. 413 abscheydt] Vereinbarung. 414 heint zu nacht] heute nacht. 419 Keucheln] Küken. 421 Fuchßschwentzen] Siehe zu I 11,7. 421 verd)tteln] klein machen; hier wohl im Sinne von ›austreiben‹. 429 ich dir gerathen deucht] hielte ich für angeraten. 430 auß geleucht] heimgeleuchtet. 435 Hentz] Siehe zu III 48,15. 436 Sententz] Vereinbarung. 452 endert sich des gl)ckes rad] Siehe zu I 33,37. 461 Den] derjenige, den (gemeint ist der Bauer). 462 zu sterben vnderwunden] ins Sterben gefügt. 469 wie vom frummen Heldt] Unklar; möglicherweise ist dem Ende des Morale entsprechend hier Christus gemeint, der als Überwinder des Todes ›Held‹ genannt werden konnte. 478 gwiß vnd war vnd Amen ist] Die Formel findet sich etwa auch bei Luther: So sprechen wir fr lich ›Amen, das ist war und gewiß‹ (WA 6, S. 19, Z. 11f.). 485–506 Drumb hat sich … drauff sterben] Der erste Teil des Morale lässt sich als Fortführung der Rede des Fuchses verstehen. Vgl. zu II  63,12–20, und IV  21,207–214. 485 vorbaß] in Zukunft. 488f. setzt sein Seel … mit seim Blut] Der mit dem eigenen Blut unterschriebene Vertrag, mit dem der Mensch seine Seele verschreibt, ist fester Bestandteil von Erzählungen über Teufelspakte; vgl. etwa Faustbuch, Kap. 4–6. 491–494 Des Menschen hertz … arge list] Im Druck von 1543 (siehe S. 379) verweist eine Marginalie auf Gen. 6 – gemeint ist Gen 6,5. Vgl. auch Koh 9,3; Mt 15,17–19; Mk 7,21. 509 ab gestreufft] abgezogen. 515–520 es sey der Welt … schendt dich wider] Waldis erwähnt die Geschichte auch in der Vorrede zu seiner Psalter-Dichtung in einer Reihe von Exempeln für Undankbarkeit: Jtem die sch ne vnnd wolbekandte fabel/ vom Bawrn vnd Drachen/ zeygt solchs auch an mit vilen vmbstenden vnd argumenten/ Vnd klagen drüber alle frumm vnd trewe hertzen zu allen zeitten (Der Psalter/ Jn Newe Gesangs weise/ vnd künstliche Reimen gebracht/ durch Burcardum Waldis, Frankfurt 1553, Bl. aa iija). 517 gemeyner] gewöhnlicher. 521 verkert] geneigt. 522 Mit schaden … glert] Sprichwörtlich; siehe zu I 11,76. 528 das G ttlich gbot zurf)llen] Wohl Anspielung auf das Gebot der Nächstenliebe (Mk 12,29–31.) 530 Joachims Thaler] Der Joachimstaler, seit 1518 im böhmischen Joachimstal geprägt, hieß zuerst Guldengroschen. Der seit etwa  1525 gebräuchliche Name ging in der Folge auf alle Guldengroschen über (›Taler‹); vgl. Schrötter, S. 285. Siehe zu I 27,19. 531–533 schatz … veralten] Vgl. Mt 6,19f. 532 schab] Schabe; Sammelbegriff für verschiedene Stoff zerfressende Schädlinge wie Milben oder Motten; vgl. DWb 14, Sp. 1947. Literatur Lieb, S. 202–204; Stiefel, Quellen, S. 271–277; Ludger Lieb, Undank ist der Welt Lohn, in: EM 13 (2010), Sp. 1161–1167.

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Kommentar zu IV 100

IV 100 Vonn einem Tyrannen/ vnd seinem Vndersassen. Vorlage Der Stoff ist schon vor Waldis bekannt. Eine bestimmte Vorlage ließ sich nicht nachweisen. Stiefel stellt Übereinstimmungen mit Camerarius, Fabulae, Bl. 86b [Nr. 182], zusammen. Einige Details scheinen auf Poggio (Facetien, Nr. 37) zurückzugehen (vielleicht über Brant, Fabeln 26); vgl. auch Kipf, S. 487. Stellenkommentar Ü Vndersassen] Untertan. 2 Datum] Bestreben. 3 mocht] könnte. 4f. schetzen … reumen] Die Verben variieren ›besteuern‹ (schetzen) etwa im Sinne von: aussaugen/schröpfen (vgl. WA 13, S. 40, Z. 20), zusammenkratzen, abschöpfen, abräumen. 7 mocht zusamen raspeln] zusammenraffen konnte. 8 haspeln] wickeln. 9 Per fas et nefas] Lat.: ›mit Recht und Unrecht‹. 10 Pfenning] Geringwertige Münze; siehe zu I  90,98. 15 gschmitzt] schlau. 15 spitzig] klug. 22 frommer] rechtschaffener. 23 Dem … an gestorben] der hatte viele Güter geerbt. 28 ern … schinden] er auch ihn nach seinem Willen hätte ausnehmen können. 29 gund] begann. 30f. wenn einr … gfressen] Variante des Sprichworts: ›Wer den Hund schlagen oder töten will, wirft ihm vor, er habe Leder gefressen‹; vgl. TPMA Hund  255–265; Röhrich, S.  762f. 31 Schmer] Fett. 32 zu gemessen] zur Last gelegt. 34 gmeynes standts] der Allgemeinheit. 37 vertagt] gerichtlich einbestellt. 50 eygn] leibeigen. 53 geflissen] bestrebt. 56 geb was] was auch immer; vgl. FWb 6, Sp. 240f. 58 noch mit] weder mit. 58f. So wirdts … bracht] Gemeint ist: so werde ich ganz zu unrecht beschuldigt. Zum Verständnis von ›bringen auf‹ vgl. Luthers Übersetzung von Lk  23,15; in der Bedeutung ›(beweiskräftig) rechtlich belangen‹ nur schwach belegt; vgl. DWb  2, Sp.  388. 65 Suppenfressern] Bildlich für Schmarotzer, Schmeichler; vgl. DWb 20, Sp. 1235, ferner Agricola, Sprichwörter II 99. 66 maul … gund zu Wessern] Früher Beleg für die Redensart; vgl. Röhrich, S. 1010, sowie DWb 27, Sp. 2346f. 67 meynung] Absicht. 74 jr Practick] ihre Hinterlist. 75 von stundt] sogleich. 81 Hofe schrantzen] Abwertend für: höhere Hofbedienstete. 82 geiren Pantzen] gierigen Bäuche. 89 verpflichten] überantworten. 92 Ein jeglich … findt] Die Vorstellung ist biblisch (Belege TPMA Lohn  1–60); bei Franck, Sprichwörter, S.  362, Z.  32f.: Wie thon/ also lon. 93 gemeyne] allgemeine. 95 eygennutz] Im Morale macht Waldis den auch sonst negativ bewerteten Eigennutz (vgl. I 10,30; I 20,25; I 49,27; II 5,15; II 29,22; IV 2,4), der im Erzählteil eng mit dem Laster der Habsucht verbunden ist (V. 1–20), zum alleinigen Thema. Dabei bündelt er im 16. Jh. allseitig vorgebrachte Klagen, die mit dem Lob des Gemeinnutzes, der das Funktionieren der ständisch gegliederten Gesellschaft garantieren soll, korrespondieren. Vgl. Winfried Schulze, Vom Gemeinnutz zum Eigennutz. Über den Normenwandel in der ständischen Gesellschaft der frühen Neuzeit, in: Historische Zeitschrift 243 (1986), S.  591–626; Peter Hibst, Utilitas Publica – Gemeiner Nutz – Gemeinwohl. Untersuchungen zur Idee eines politischen Leitbegriffes von der Antike bis zum späten Mittelalter, Frankfurt/M. u.a. 1991 (Europäische Hochschulschrif-

Kommentar zu IV 100

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ten III  497). 100 Prelaten] Geistliche mit obrigkeitlichen Machtbefugnissen. 110 selb genieß] eigener Vorteil. 113 jrkeyn] irgendeine. 113 dorfft] bräuchte. 114 Schlecht] geschlichtet. 119 auffsetz] Täuschung. 122 hinweg gescheumt] Im Sinne von ›den Schaum entfernen‹, ›reinigen‹; vgl. DWb 14, Sp. 2365, mit Bezug auf die Stelle. 124 eynfalt] Siehe zu I 18,17. 131 rathen] Abhilfe schaffen. 133 prachtens] Prahlens. 136 Nasen rimpffens] Redensartlich; siehe zu IV  96,121. 138 liegens] Lügens. 139 gleissens] Blendens. 141 Ohrenblasens] Redensartlich; siehe zu II  57,19. 147 Pestilentz] Seuchen. 159 durchecht] geächtet. 162 vergastert] verdirbt. 166–181 Jr sch ne Farb … gar] Die traditionelle Vorstellung von der Ambivalenz der Welt (schön/hässlich; vgl. Michael Schilling, Imagines Mundi. Metaphorische Darstellungen der Welt in der Emblematik, Frankfurt/Main – Bern – Cirencester, U.K. 1979 [Mikrokosmos 4], S. 102–117) wird hier aufgelöst in eine Chronologie des Verfalls. 167 seyger/ kamig] abgestanden, verschimmelt. 168 ramig] schmutzig. 171 hackrig] bucklig. 176 schel] augenkrank. 178 durchsichtig] durchlöchert. 187 Batzen] Münze von sehr unterschiedlichem Wert; siehe zu II 75,11. 188 Adam … Seth] Vgl. Gen  4. Das Geschlecht des Brudermörders Kain bleibt ausgeklammert. Vgl. IV  96,153f. 207 zukunfft] Ankunft. 218 ort] Anfang. 219 Beyd … gemachte Fabeln] Vgl. Einleitung, S. 3f. 221 Wie ers … hat funden] Siehe Einleitung, S.  15. 223 Zu gut der Jugent] Siehe zu Vorrede, Z. 28f. und 32. 223 außgehn] drucken. 228 frommen] Nutzen. Literatur Stiefel, Quellen, S. 265–267; Kipf, S. 487–489.

3. Textkritik 1. Zunächst sind die textkritischen Eingriffe sowie die Varianten der ermittelbaren Ausgaben des Esopus aus dem 16. Jahrhundert aufgeführt. 2. Die schon 1543 separat gedruckten Fabeln IV 7, 95 und 99 werden im Anschluss an das Variantenverzeichnis vollständig wiedergegeben. 3. Am Ende befindet sich ein textkritischer Apparat zu jenen lateinischen Fabeln aus dem Aesopus Dorpii, die im Kommentar unter der Rubrik Vo r l a g e abgedruckt sind.

1. Variantenverzeichnis Aufgenommen sind Wortvarianten der späteren Drucke (siehe Einleitung, S. 17– 22), die nicht rein graphischer Art sind; ebenso alle Hinzufügungen, Streichungen oder Ersetzungen von Wörtern oder Versen. Einzelne offensichtliche Druckfehler aus den Drucken BCEF, also Abweichungen, die keinen Sinn ergeben (z.B. Vetdt statt Veldt), werden nicht dokumentiert. Eindeutige Druckfehler in A werden jedoch verzeichnet und verbessert. Vorrede

Z. 27 vnd wird] auch wirdts C, auch wirds E, auch wirts F.

Das Leben Esopi 11 teglich werden] werden teglich BC, werden t glich EF. 22 Amoria] Amaria CEF. 23 leibeygen] vnd liebeigen C, vnd leibeigen EF. 32 Die stetes] Die jm stets CEF. 44 in] ir ABCEF. 111 gedacht] vnd gedacht CEF. 116 war] ward CE. 133 da] daß F. 166 war] der war F. 174 Des] Das CE, Daß F. 197 Schwartz] Schartz AB, Schwartz CEF. 209 fragt] fragt jhn F. 220 thar] darff BCEF. 228 wol] gar wol CEF. 230 naus ins] in das BCEF. 277 Grecken land] Griechenland BCEF. 278 zu] ghen CF, gehn E. I 1: 18 nicht] fehlt CEF. 43 der] den CEF. ƒ I 2: 34 will] wille AB, will C, wil EF. ƒ I 3: 7 vber docht] vberdocht BC, aberdocht E, aber docht F. 10 fornen] fernen EF. ƒ I 4: 36 Sandt] Standt CE. ƒ I 5: 16 es] er BCEF. ƒ I 6: 14 dich mir] mich CE. 20 in] im ABC, in EF. ƒ I 7: 4 Von] Vom A, Von BCEF. 34 disputert] disputiert BCEF. 37 kleinen] keinen CEF. 53 jhn auch] auch jn F. ƒ I 9: 52 bider] beidir B, bey dir CEF. 97 frieden] freuden BCEF. ƒ I 10: 9 mit] fehlt E, dem F. 10 zu st(cken] st(cken A, zst(cken B, zust(cken C, zu st(cken EF. ƒ I 11: 43 schertzes] schertzens F. 53 jn] jm F. 67 Dem] Den ABCE, Dem F.

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Textkritik

67 dem] den CEF. 72 sein hat] hat sein CEF. 76 wirdt] Wirdt A, wirdt BCEF. ƒ I 12: 38 zu jhn] an jn BCEF. 66 st(cken] stcken A, st(cken BCEF. ƒ I 14: 20 es] er F. 25 rieff] lieff CEF. 34 Es] Er CEF. 37f. zerbiß : zerriß] zerriß : zerriß CE, zerriß : zerbiß F. 59 Es] So BCEF. ƒ I 16: 28 außrauffen] außkauffen C, auß rauffen E. 62 der] den ABCE, der F. 86 eins] ein F. ƒ I 17: 13 von] vvn A, von BCEF. 22 einander] einer E. 23 muß] mußt C, must E. 23 grssern] grßten B, grsten CEF. 66 Rote] Roten E, roter F. ƒ I 18: 11 verstahn] f(rstahn BCE, f(r stahn F. 24 vnserm Feindt] vnsern Feinden CEF. 27 laß] leßt BCEF. 42 am] den CEF. 48 diesen] die BCE. ƒ I 19: 6 das] bas A, das BCE, daß F. ƒ I 21: 29 hoch] doch E. 30 schmeissens] scheissens BCEF. ƒ I 22: 36 in] dir in CEF. ƒ I 25: 3 er] es AB, er CEF. 15 es zu] herzu F. ƒ I 26: 25 mir] wir AE, mir BCF. ƒ I 27: 34 schertzes] schertzens CEF. 38 vber] vbers A, vber BCEF. 44 Dem gleichen] Deßgleichen EF. ƒ I 28: 9f. schopff : kopff] Kopff : knopff BCEF. 21 sonderlicher] sonderheit BCEF. ƒ I 29: 20 in] im AB, in CEF. ƒ I 30: 34 niemands] niemasdt A, niemands BEF, niemandts C. 43 des] der A, des BC, deß EF. 46 das] was EF. 59 geacht] gedacht CEF. ƒ I 31: 7 groß] so groß F. 9 wundere] wundern BCEF. 16 ablangen] erlangen BCEF. 21 sich] fehlt EF. ƒ I 32: 14 jrkein] jrgend B, jrgendt CEF. 31 das] da F. 34 Es] Er CE. 37 feindtlich] freundtlich ABCE, freundlich F. ƒ I 33: 32 nach … nach] noch … noch BCEF. ƒ I 34: 7 an] auch F. 9 Besorgte] Besorgten A, Besorgte BCEF. 13 nemen] namen EF. 18 geschlagen] erschlagen CEF. 29 liegen] sie liegen F. 31 auff] auff den BCE, auf den F. 40 wirdt] wirt auch F. ƒ I 35: 11 sehr] so CEF. 36 auff] auch F. 43 seinem] seinen BCEF. ƒ I 36: 29 Das] Da CEF. 32 jetzt] thun CEF. 36 sie] ich BCE. 36 jn] jm CE, jn F. 46 Windt] Winde A, wind B, windt CEF. ƒ I 38: 50 deim] dem E. ƒ I 39: 22 Von] Vom A, Von BCEF. ƒ I 40: 20 mgt] mgen CEF. 33 ¶] fehlt F. 51 Die] ¶ Die CEF. 51 der] an der EF. ƒ I 41: 7 nutz] lieb F. ƒ I 42: 25 der] er BCEF. 28 m(he] kein m(h F. 41 Jm] Jhn CEF. ƒ I 43: 1 wardt] war EF. 14 da] fehlt E, gar F. 18 Lwe] Lwe jetzt F. 26 vernommen] hab vernommen EF. ƒ I 44: 8 kein] ein F. 17 Das] Da E. 21 will] will ich BC, wil ich EF. 25 Das du] Du EF. ƒ I 45: 30 auß] auch BCEF. 35 den] dann EF. ƒ I 46: 8 Auß … rück] fehlt E, Wend sich damit als baldt zu r(ck F. 9 Thets] Gabs F. ƒ I 47: 9 will] will ich F. ƒ I 48: 7 zeugten] zeugen EF. 16 jrkein] irgendt F. ƒ I 50: 40 Jar] ein jar EF. ƒ I 51: 13 ein] sein CEF. ƒ I 55: 14 jrkein] je kein EF. 15 ich] euch ABC, ich EF. 20 Denn] Dem A, Denn BCEF. 29 Wie] Wo ABC, Wie EF. 43 jm] jn CEF. ƒ I 56: 12 jrkeim] jr kein BC, jrkein E, irgendt ein F. 42 er] fehlt EF. 51 thunde] thune BCEF. 53 jrkein] je kein EF. ƒ I 57: 14 das] endas E, nu das F. 46 in] im BC. ƒ I 58: 12 jn] ja C. 13 Gewan] Vnd gewan F. 14 vnd] darzu F. 15 bekandt] hekandt A, bekant B, bekandt C, bekannt EF. 16 den] der F. ƒ I 61: 27 dazu] daran EF. 28 den] denn CEF. ƒ I 67: 19 Kn(pffen] Ankn(pffen F. 29 Die] Der BCEF. ƒ I 71: 20 Hab ich] Vnd hab F. 37 jr in] jr jn A, jr in BCEF. 41 der] des ABC, der EF. ƒ I 72: 2 onmacht] omacht A, onmacht BCEF. 11 l(sten] listen CEF. ƒ I 73: 20 zu] so BCE. ƒ I 74: 9 soltsts] solts BCE, wolts F. ƒ I 75: 36 mehr] fehlt BCF. ƒ I 76: 8 thet] fehlt EF. 25 sie] hie C. ƒ I 77: 7 w ll] will EF. 8 arbeits] arbeiten F. 13 bin] bin ich BCEF. 25 mit] mit mit A, mit BCEF. ƒ I 80: 2 er jms] ers jm EF. 43 thut] thun CEF. ƒ I 81: 39 kat]

Variantenverzeichnis

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kat. AB, kat C, kat/ EF. ƒ I 82: 29 zeigt] zeugt EF. ƒ I 85: 16 soltests] soltsts BC, soltst EF. ƒ I 86: 47 wirffts man] wirfft mans EF. ƒ I 87: 10 globest] glaubest BCEF. 15 beim] beis A, beim BCE, beym F. ƒ I 90: 30 er] ir A, er BCEF. 50 haben] habend A, haben BCEF. 78 gESELLen] gesellen CEF. 92 geschehen] gesehen AF, geschehn BC, gesehn E. 94 B(chssen leuten/ Glocken schiessen] Glocken leuten/ B(chssen schiessen CEF. 100 thut] hat F. ƒ I 91: 4 fandt] fandt er EF. 27 selber] selbet A, selber BCEF. 38 Narren] Narrer C, Narr E. ƒ I 93: 38 nach … nach] noch … noch BC, weder … noch EF. ƒ I 94: 38 Er] Es BCEF. ƒ I 96: Ü xcvj] xcix AB, xcvj C, XCVI EF. 9 Wie] Da BCEF. 18 denn] fehlt BCE, ist F. 18 scheiden.] scheiden/ A, scheiden. BCEF. ƒ I 97: 11 wirdst] wirtst E, wirst F. 12 gern] fehlt BCE, wol F. II 1: Ü Von den] Vom EF. 2 jener] einer CEF. 14 ermessen] vermessen EF. 28 straff] lohn F. 37 halen] haben BCE, holen F. ƒ II 2: 1 ein] ein ein A, ein BCEF. 40 leugnen] leiden EF. ƒ II 3: 57 hohe] hohen EF. ƒ II 4: 26 knn ich] kndt ichs EF. 29 was] wes A, was BCEF. 56 so] fehlt BCEF. 70 morgen] morden A, morgen BCEF. ƒ II 6: 11 Die] Sie BCEF. ƒ II 7: 17 fehlt in BCEF. ƒ II 8: 25 Tymnath] Tymnach ABC, Tymnath EF. 47 verriert] verjrrt E, verirrt F. 48 selb] fehlt CEF. ƒ II 9: 25 het] thet EF. 25 verholen] erholen F. ƒ II 10: 18 der] den BCEF. ƒ II 11: 77 in] zu CEF. 87 Zunge] Zunge auch die F. 104 vnd lieber] vnd lieben E, manch lieben F. ƒ II 12: 38 Eber] Eber ist BCEF. 64 anficht] ansicht CEF. ƒ II 14: 15 denn] den CEF. ƒ II 17: 15 Das] Doch CEF. 18 nach l(sten] mit listen CEF. ƒ II 18: 2 mit] mir A, mit BCEF. 24 Lifflendich] Liflendisch BCEF. 43 Die] Da F. 57 Sarmatiam] Samariam EF. 59 Getz] Gest BCEF. 71 in] fehlt EF. ƒ II 19: 13 haldt] baldt B, bald CEF. ƒ II 20: 6 werd] ward EF. ƒ II 21: 6 Wetscher] wetschir E, wetschger F. 21-40 in E nachgetragen auf Bl. 361a. 42 Kunst] K(nst EF. 56 wol] gar EF. 88 an] an zu EF. 95 Christum] Christen BCEF. ƒ II 22: 3 Die] Da BCE. 6 einlicher] ehnlicher F. 23 in] den CEF. 38 betrieben] getrieben CE, geschrieben F. 52 Natur] (Natur A, Natur BCEF. ƒ II 25: 11 nit mit macht] mit macht nit EF. 33 Tantzens] Tantzes BC, tantzes EF. 49 sich] sie ABC, sich EF. ƒ II 26: Ü xxvj] xix A, xxvj BC, XXVI EF. 37 nit] fehlt CE. 53 Dennoch] Demnach ABCEF. 58 Den] Denn A, Den BCEF. 69 honsprechen] ansprechen CEF. ƒ II 27: 15 saß] bsaß EF. 41 sich] fehlt BCEF. 43 wart die] wardt die BC, war die E, wart der F. 53 Des] Der BCEF. 111 sie] sie die F. ƒ II 28: 8 bhangen] bhanges A, bhangen BCEF. 10 zannen] zannnen A, zannen BCEF. 47 vnuermgen] vnuermgnen BC, unvermgnen EF. 48 die] sie BCEF. ƒ II 29: 13 auch] euch EF. 14 neben] gegen EF. 28 mal ist nicht] ist nicht C, ist nit hie E, ist nicht hie F. ƒ II 30: 6 Gelert] Gelernt BC, Gelehrnt EF. 7 Derselben] Denselben BCEF. 20 jm] jn BC. 70 mcht] mchr A, mcht BCEF. 73 er f(r her zoch] er er f(r her hoch A, er erf(rher zoch BC, erf(rher zoch E, er f(rher zoch F. 78 dannen] hinnen EF. 83 Mit] Mie A, Mit BCEF. 165 Von] Vor EF. ƒ II 31: 10 sinne] si?[?] A, si?e B, sinn C, si? E, sinne F. 15 Wie] Wiewol BCEF. 36 war] ward F. 40 vrlaub zu] zu vrlaub F. 94 Er] Es BCEF. 114 mir] wir A, mir BCEF. 143 die] sie BCEF. 147 Wein Cors] Wein Korn E, Wein/ Korn F. 163 rundecht] rudecht ABC, rundecht EF. 208 an] in CEF.

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Textkritik

219 ein] sein EF. ƒ II 32: 38 er] das er BCE, daß er F. ƒ II 33: Ü Vom] Von dem F. 29 wir] mir A, wir BCEF. ƒ II 34: 14 vngeschwecht] vngeschmecht F. ƒ II 35: 3 ein] die EF. 38 rechen] rechnen BCEF. ƒ II 36: 20 zu] den BCEF. ƒ II 37: 11 Ben(ckt] Ber(cht F. ƒ II 38: 27 vnd] fehlt EF. ƒ II 39: 19 dem allem] dem allein E, dem allen F. 20 Es] Eins CE. 22 tragen.] tragen/ A, Punkt in BCEF. ƒ II 41: 9 gar] all BCEF. ƒ II 42: 1 Erlen] Elren A, Erlen BCEF. ƒ II 43: 13 das] dan A, das BCEF. 24 zu sagen] zusagen BCEF. 28 bhalten.] Punkt fehlt A, Punkt in BC, Virgel in EF. ƒ II 45: 4 eilendt] elend F. 40 all] all jrm F. ƒ II 47: 14 der] den BCEF. 17 zum Apffel] zum Apffeln CE, zun pffeln F. ƒ II 49: 33 zulaben] zu loben EF. ƒ II 50: 23-32 in E nachgetragen auf Bl. 361a–361b. ƒ II 51: 7 dieser] der BCEF. ƒ II 52: 4 jn] fehlt EF. 22 jn] jr CEF. 33 heuffig] hefftig EF. ƒ II 53: 3 Dasselb] Dasselb auch BCEF. ƒ II 54: 1 ward] war EF. 27 solch ein] ein solch BCEF. 55 Da] Das CE, Daß F. 61 Da] Das BCE, Daß F. 77 h ß] h ßlichen F. ƒ II 55: 18 Wirdstu] Wirstu BCEF. ƒ II 56: 19 die] der BCEF. ƒ II 58: 11 all] fehlt BCEF. ƒ II 59: 4 geschwetzet] schwetzet BCEF. 8 jr] jm CEF. ƒ II 60: 3 sie] sie sich BCEF. 23 nit] fehlt F. 66 im] jm A, im BCEF. ƒ II 61: 5 vngeschlnig] vngeschlmig BCEF. 26 sucht] such A, sucht BCEF. ƒ II 62: 7 mir] fehlt E. ƒ II 65: 15 wardt] war EF. 16 stercken] strecken BCEF. ƒ II 70: 2 l(stig] listig F. ƒ II 73: 32 haben solln] solln haben CEF. ƒ II 74: 6 Achssen] Achsseln EF. ƒ II 75: 6 Freiet] Freihart E, freihart F. ƒ II 76: 7 oben] fehlt BC, erstlich EF. ƒ II 78: 2 welig] weilig BCEF. 4 Barsen] Batsen CE, Batzen F. 12 Mit] Mit den F. 15 erstickst] erstrickts CEF. ƒ II 79: 20 So] Sa A, So BCEF. 36 f(rwar nicht] nicht f(rwar F. ƒ II 80: 8 die] der BCEF. ƒ II 82: 5 h(bsch] viel CEF. 10 Gauckler] Geuckler A, Gauckler BCEF. ƒ II 84: 6 den] fehlt EF. 24 hoffen] Hoffart CE, Hoffnung F. ƒ II 85: 4 wurds] wirds BCF, wirts E. ƒ II 86: 33 glaub] klag CE. ƒ II 87: 16 zurechen] zurechnen B, zu rechnen CEF. ƒ II 88: 2 Die] Der BF. 10 jr] die BCEF. ƒ II 89: Ü Krancken] Kranen A, Krancken BCEF. ƒ II 91: Ü xcj] cxj A, xcj BC, XCI EF. 5 dich] dich recht EF. 7 du offterst] ffter du F. 9 hengst der N(ssen] hengst der Nussen B, her Nussen C, her hengst Nussen E, her hengst N(ssen F. 33 sie] die F. ƒ II 93: 5 der] die CEF. 12 vbel] viel BC. 20 Denn] Denn es BCEF. ƒ II 94: 23 vberw(gst] vbew(gst A, vberw(gst BCEF. ƒ II 95: 7 der] fehlt BCEF. 14 destbaß] dest baß BCE, erst baß F. ƒ II 96: 2 bleiben m(ßt] m(ßt bleiben CEF. ƒ II 98: 19 die] in die F. ƒ II 99: 10 bleib] blieb BCEF. 12 Verlorn] Verlorn ist F. ƒ II 100: 13 ich euch jetz will] wil ich euch jetzt EF. 18 sterckt] streckt BCE. 25 Henger] Hencker BCEF. III 3: 14 wettlauff] weltlauff ABCE, Weltlauff F. ƒ III 4: 4 abließ] ablaß CEF. ƒ III 5: 10 hab] hab ich BCEF. ƒ III 6: 23 Dem gleichen] Deßgleichen EF. ƒ III 7: 33 Kleiner leut] Kleinerleut AF, Kleiner leut BC, Kleinr leut E. ƒ III 8: 7 vber] wider BCEF. 19 seine F(ß] seinen Fuß EF. ƒ III 9: 8 desselbig] dasselbig ABCEF. 13 es] er BCEF. ƒ III 11: 4 nach] noch CEF. 39 dir] die ABC, dir EF. 49 gr(cht] gericht C, Gricht EF. ƒ III 14: 10 andern alln] allen andern CEF. ƒ III 16: 15 mit] f(r F. 21 ja] gar F. ƒ III 17: 15 Des] Da BCEF. 16 thet] thut BC. ƒ III 18: 4 Da] Das CE, Daß F. ƒ III 19: 15 zu] fehlt EF.

Variantenverzeichnis

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ƒ III 25: 17 all] fehlt BCEF. 27 Dein] Die BCEF. ƒ III 26: 8 den] dein CEF. 16 jar/] jar. A, Jar/ BC, Virgel fehlt EF. 25 nicht] fehlt EF. ƒ III 27: 2 in] fehlt A, in BCEF. 30 f(r hat] hat f(r BCEF. ƒ III 29: 19 Roduß] Rodus C, Rodis EF. ƒ III 31: 20 alle] also EF. ƒ III 33: 16 viel findt] findt viel BC, find viel EF. ƒ III 34: 4 all] alten CEF. ƒ III 39: 9 Das] Da BCEF. 10 jn] jrn ABCE, jn F. 12 an] er BCEF. 40 man jm] fehlt A, man jm B, man jn CEF. 46 nicht solchs] solchs nit CEF. 54 jn] jm ABC, jn EF. ƒ III 40: 10 jn] in A, jn BCEF. ƒ III 41: 14 frentzen] fentzen BCEF. ƒ III 43: 18 verst(ndt/] Punkt A, Virgel BC, Virgel fehlt EF. ƒ III 44: 23 vndanckber] vndanckbar BCEF. 30 da] fehlt BCEF. ƒ III 46 10 hast] haß A, hast BCEF. ƒ III 49: 11 Vische] Vischer BC, Fischer EF. 20 an.] an/ AB, an. CEF. ƒ III 51: 52 schippunt] schiff pfunt F. 60 wir] wir jhm C, wir jm EF. ƒ III 55: 16 will] wil ich F. 18 weyß] weyßt BC, weißt E, weiß F. 19 destlieber in Todt] lieber in Todt C, lieber in den Tod E, lieber in den Todt F. ƒ III 57: 10 so wie] wie so BCEF. 21 so] fehlt BCEF. ƒ III 58: 17 da] fehlt EF. ƒ III 59: 8 nider] vnder EF. 11 schelm so faul] fauler schelm F. 17 Die] Den AB, Die CEF. ƒ III 62: 8 Er] So BCEF. ƒ III 65: 17 wardt] war EF. 19 schnid] schlug F. 22 er] jn CE, er jm F. 28 ein halbes Jar] Bein halbesjar E. ƒ III 66: 8 groß] hoch CEF. ƒ III 69: 22 verdrieß.] Punkt fehlt A, verdrieß. BCEF. ƒ III 70: 6 mich] mit AB, mich CEF. ƒ III 72: 3 Biel] Beil CEF. 3 dem] der EF. 8 Biel] Beil BCEF. 11 Biel] Beil F. 16 het] thet BC, hett EF. 19 alle] fehlt BCEF. ƒ III 73: 8 nach jenem] in jenem C, in jenen EF. 39 sich] sie EF. ƒ III 74: 14 Eim] Dem CEF. ƒ III 76: 28 mussen] m(ssen BC. ƒ III 79: 27 l(gen strafft] l(genstrafft AB, l(gen strafft CEF. ƒ III 80: 4 Da] Das BCE, Daß F. ƒ III 81: 3 es] er BCEF. ƒ III 86: 45 Ein] Den BC. ƒ III 87: 30 bericht] berich A, bericht BCEF. 63 die] fehlt BCEF. ƒ III 88: 19 noch] fehlt F. ƒ III 89: 23 ernehrn] erwehrn BCEF. 24 das fleisch an] an das fleisch F. 40 jn] fehlt EF. ƒ III 91: 8 hart] gar EF. 27 hin] fehlt F. 45 darff] darffst F. 46 Fuchß] Wolff ABC, Fuchß EF. ƒ III 92: 92 Jch] Vnd EF. 187 man] ma A, man BCEF. 213 kein] sein BCEF. 217 dem] den A, dem BCEF. ƒ III 93: 30 karckheit] kranckheit EF. 52 zun] zur A, zun BCEF. 159f. zu halten : zuspalten] zerhalten : zrespalten B, zerhalten : zerspalten CEF. 213 dienstbotten] bienstdotten A, dienstbotten BCE, Dienstbotten F. ƒ III 94: 42 ist] ich A, ist BCEF. 51 an] von F. 65 F(nffzehn] F(nffzhn A, f(nffzhn BC, f(nffzehn E, f(nffzehen F. 147f. Katzen : Ratzen] Ratzen : Katzen EF. 148 gar] dar A, gar BCEF. 195 sich] sie BCE. 208 an] on BC. 230 gar] par A, gar BCEF. 276 sie] die BCEF. ƒ III 95: 42 jm] im A, jm BCEF. ƒ III 96: 8 auff] aufft A, auff BCEF. 62 Er] Es BCEF. ƒ III 97: 9 vnd] vnb A, vnd BCEF. 54 brennen] brennend CEF. 68 bolohnen] belohnen BCEF. ƒ III 98: 22 L(stig] Listig BCEF. ƒ III 99: 11 da] fehlt EF. 63 jrn krefften] jn kreffen B, jn krefften C, jren krefften F. ƒ III 100: 6 gar abschatzt] abgeschwatzt F. 12 rh(mten] rh(men BC, r(hmen EF. 32 nicht] fehlt ABC, nicht EF. 40 soll hinsetzen] hin sol setzen F. 97 Reuenter] Reuerter F. 98 mit] mit eim F. 114 nie] nicht F. 120 grosse] grobe EF. 137 da] auch da F. IV 1: 2 ward] fehlt BCEF. 40 sie] sie da EF. 74 leicht] baldt BC, bald EF. 163 vnd] noch F. 204 mit] in F. 210 sein] die EF. 231 Bapsts Penitenciarius] Bapst Peniten-

364

Textkritik

citarius BC, Bapst Penitenciarius E, Bapsts Penitentiarius F. 233 in] jn ABC, in EF. 233 sach] sachen CEF. 242 seine] meine BC. 259 dem] bey dem BC, beym EF. 271 Mocht] Mochten EF. 276 gut] viel BCEF. ƒ IV 2: 20 ß] jß A, ß BCEF. 40 eim todten] einem todten E, einem F. 85 er] jr BCEF. 91 Decerniert] Deceruiert ABC, Decerniert EF. 105 sprachen] sprach EF. 110 wirdt] werdn E, werden F. 129 ist] fehlt BCEF. 131 Muniert] Maniert BC, muniert EF. ƒ IV 3: Ü Vom] Von einem BCEF. 6 Vmbsunst] Vmb sonst BC, Vnd sonst EF. 24 hat] auch CEF. 28 biß] bin F. 41 streucher] streicher CEF. 52 ich hin] ich hie F. 115 Cacademon] Cacodemon F. ƒ IV 4: 9 vor] vnd F. 20 Freiet] Freier F. 22 jn] jm BCEF. 34 wir] wirt F. 43 Freiet] Freier F. 49 spielt] spiel A, spielt BCEF. 77 gewandt] verwandt EF. 117 da] fehlt CEF. 123 den besten standt] den besten St ndt E, die besten St ndt F. 125 bedauben] betauben E, betaben F. ƒ IV 5: 22 nach] auß F. 33 magstu] mustu F. 54 sich gar] so gar BCEF. 86 warn] ward EF. ƒ IV 6: 3 vnd] fehlt F. 45 hack] back BC. ƒ IV 7: 20 jr] jn A, jr BCEF. 32 seinen] seinem A, seinen BCEF. 36 jn] jm ABCE, jn F. 64 leyd] kein leyd CEF. 75 Brodt vnd] Brodt/ C, vnd Brot/ E, vnd Brodt/ F. 84 kntest weydlich] weydlich kntest C, weidlich kntest EF. 91 Die] Der EF. 100 scheutzel] scheitzel CEF. 108 war] ward EF. 120 willn] willn die F. ƒ IV 8: 8 deinem] deinen BCEF. ƒ IV 9: 14 recht] wol CEF. 21 sah] sahr A, sah BCEF. 22 Begegnet] unleserlich A, Begegnet BCEF. ƒ IV 10: 34 hren] hrten BCEF. ƒ IV 11: 26 Wirstu] unleserlich A, Wirstu BCEF. ƒ IV 12: 30 ich dirs] ichs dir BCEF. 32 vnd] fehlt F. ƒ IV 13: 12 Die] fehlt F. 25 in] mit EF. 55 jrn] jr EF. ƒ IV 14: 25 Heilsperg] Heidlburg B, Heidlberg CEF. 33 Heilsperg] Heilsperg B, Heidlsperg C, Heidlberg EF. 66 was] das BCE. 67 bsahe] besahe C, sahe EF. 72 wol] wolt EF. ƒ IV 15: 10 haben)] haben/) A, haben) BCEF. 33 baß] besser BCEF. ƒ IV 16: 55 seiner] seinem A, seiner BCEF. ƒ IV 17: 18 allsam so] allsamen also BC, allsamen so EF. 60 ewr] er CEF. 76 nern] niern BCEF. 96 anig] einig BCEF. ƒ IV 18: 8 zerf(llen] zerf(lllen A, zerf(llen BCE, zu erf(llen F. 13 het] hettn EF. 14 K(ndt jr] K(ndten BCEF. 35 der] fehlt F. 61 wir] mir F. 71 außklauben] auffklauben EF. 73 jn] mir ABC, jn EF. ƒ IV 19: Ü Vom] Von dem BCEF. 21 Vor] Von CEF. 86 mir] dir BCEF. 99 jetzt ist] ist jetzt CEF. 131 Weib] Fraw CF, Frauw E. 144 thut] unleserlich A, ergänzt aus BC. 145 kan] unleserlich A, ergänzt aus BC. 159 Weib] Fraw CF, Frauw E. ƒ IV 20: 2 such] sucht CEF. 35 an] in CEF. 40 in] inn B, in den CEF. 44 Derhalb] Daselb A, Derhalb BCEF. 63 verbotten] gebotten F. 92 Heer] Herr C. 97 Polyxena] Polypena A, Polyxena BC, Polixena EF. 104 alle] da alle E, da all F. 117 wer] wern EF. 124 allerliebsten] allerliebster A, allerliebsten BCEF. 132 kommen] kamen BCEF. 134 hend vnd F(ß] f(ß vnd hend BCE, f(ß vnd h nd F. ƒ IV 21: 16 antwort] antwot A, antwort BCEF. 39 jn] jm EF. 52 bitte] bitten BCEF. 53 Da] Du A, Da BCEF. 59 knieten] knien EF. 68 Schlahen] So schlahen C, So schlagen EF. 109 Als] Auß BCEF. 111 bitt] unleserlich A, bitt BCE, Bitt F. 117 Sprachen] Sprach EF. 138 Eymbeksch] Eimbecks BC, Eibecks E, Einbecks F. 172 weder] wider A, weder BCEF. 178 mit] zu EF. 182 daran] dnran A, daran BCEF. 189 Den] Der C. 199 hohe] fehlt BCEF. ƒ IV 22: 24 Nach] Noch BCEF. 42 Termeneren] Terminieren BC, terminieren EF. 43 Man mag] Mag man F. ƒ IV 23: 16 jm] fehlt CEF. 58 sag] hab BC, hielt EF. 59 die] den BC, die EF.

Variantenverzeichnis

365

86 Haberstro] Haherstro A, Haberstro BCEF. 88 Jar] jar lang BCEF. 108 schertz] schertz zu BCEF. ƒ IV 24: 20 Haustein] Houstein B, Honstein CEF. 36 Juli] Julia EF. 45 Wein] wein zu BC, Wein zu EF. 56 leng ansehen] lenger sehen EF. 58 der] ein BCEF. 77 Jch] Jr F. 90 quatrin] quartin CEF. ƒ IV 27: Ü Mser] Mrser BCEF. 15 Der] Dern BCEF. 30 Mser] Mrser F. 40 Mser] Mrser F. 51 Mser] Mrser F. 59 dein] den EF. 60 Mser] Mrser F. ƒ IV 28: 29 auch] fehlt CEF. 40 ein] mein CEF. ƒ IV 29: 14 im] jm A, im BCEF. ƒ IV 30: 4 Dieselb] Derselb C. 17 vor hin] hinvor F. 20 zu] fehlt F. 25 auff] an F. ƒ IV 31: 21 allsammet] allsamen CEF. 33 dem] den F. 42 es gar] er gar CEF. ƒ IV 32: 14 Bedrabt] Bedacht EF. 18 Legt] Lege A, Legt BCEF. 21 mechtig] eben BCEF. 35 Gedacht] Bedacht BCEF. 45 gar] leßt gar BCEF. 51 Dacht] Doch F. ƒ IV 33: 12 jr] je A, jr BCEF. ƒ IV 34: 12 ans] an vns BCEF. 30 Bin] Ein EF. 33 offtmals] gantz offt BCEF. ƒ IV 35: 11 ward] war EF. ƒ IV 36: 2 straffen] zn straffen E, zu straffen F. 21 breng] breg A, breng BCEF. 38 darnach] dardurch E, dadurch F. ƒ IV 37: 27 sich] fehlt EF. ƒ IV 38: 30 auffenthalt] auffenthalb A, auffenthalt BCEF. 49 mein] ein BCE. 52 l ttich] l(ttich A, l ttich BCE, L ttich F. ƒ IV 39: 50 sie] sich F. ƒ IV 42: 2 einem] jenem CEF. 35 dich] dick C. 58 hast] hastu BCEF. 74 am] fehlt EF. 75 handt] hend E, H nd F. ƒ IV 43: 9 foder gern] forder gern BCE, fordern Gern F. 10 nur] fehlt BCF. 25 den] die BCEF. ƒ IV 44: 21 gen] gern BCEF. 25 Verfolgstu] Verfolgstu du A, Verfolgestu BC, Verfolgstu EF. 47 zeygt] zeugt F. 54 gantz] gar EF. ƒ IV 45: 1 in ein] ins EF. 14 zu eim] zum EF. ƒ IV 46: 8 Hiesch] Hieß BCEF. 25 Bleibst] Bleibt BCEF. 46 Tabulatur] Tabalatur A, Tabulatur BCEF. 54 decernirt] deceruirt ABC, decernirt EF. ƒ IV 47: 5 Almoß] Ablaß EF. ƒ IV 49: 4 Fuchß] Wolff ABCEF. 13 Kundt] Kan BCEF. 14 Must] Muß BCEF. 35 Es] Vnd F. 39 gantz] gar BCEF. 91 dar] dann CEF. 131 Wolff] Wlff EF. 135 bestellen] bestehlen EF. 137 h(tlin] h(tlich CE. 157 verklert] verkert CE, verkehrt F. ƒ IV 50: 12 hhern] hohen EF. 48 zu witzig] zuwitzig ABCE, zu witzig F. 53 jetzt] fehlt BCEF. 57 ein] den BCEF. 69 Eymbeck] Einbeck BCEF. 92 benicken] ben(cken B, ber(cken CEF. ƒ IV 52: 18 M(cken/ Fliegen] Fliegen/ M(cken BCEF. 42 anders] andern F. 47 allzeit] aller F. 57 den] dein EF. 85 er] fehlt BC. 88 eynig] ander BEF, andern C. ƒ IV 53: 22 lang] land A, lang BCEF. ƒ IV 54: 25 flitchen] flitschen BCEF. ƒ IV 55: 39 wenn] wen A, wenn BCEF. ƒ IV 56: 5 dem] den CEF. 65 reuht] rewt BC, reuwt EF. 71 Das er] Der BCEF. ƒ IV 57: 48 vngeb(rlich] geb(rlich BCEF. 54 nit] fehlt EF. ƒ IV 58: 8 gar] so BCEF. 9 fast war] war fast BCEF. 38 offternmal] Osternmal A, offternmal BCEF. 51 mit] durch EF. ƒ IV 59: 17 gedecket] bedecket EF. 31 reiten] retten A, reiten BC, reihten EF. ƒ IV 60: Ü Koler] Kremer ABCEF, vgl. Register. 7 den] das EF. 28 Dem] Denn F. 59 ein] die EF. 68 sehr] sehr wol BCEF. 72 mirs] mich F. 118 dancken] gedancken E, Gedancken F. ƒ IV 61: 13 wenn] wo EF. 13 mir] nit E. 17 war] ward EF. 18 auch] fehlt BCEF. 25 stets find] stets findt B, findt stets C, find stets EF. ƒ IV 62: 33 wercket] werckt BCE, merckt F. 55 andern] andern auch EF. 70 von] vor A, von BCEF. ƒ IV 63: Ü lxiij] xliij A, lxiij BC, LXIII EF. 1 EJn] EEin A, EJn BCEF. 13 zum] zu dem EF. 38 dir] mir A, dir BCEF. ƒ IV 64: 4 lesten] letzten BCEF. 19 vnd] vnd auch BCEF. 60 Predig] Predig BC, Predigt E, predigt F. 62 oben]

366

Textkritik

fehlt BCEF. ƒ IV 65: 9 nauff] auff EF. 19 im] am BCEF. 28 gar] fehlt BCEF. 35 Mit] Mit so BCEF. 39 Gelt] fehlt BCEF. 50 vntreglich] vntreuwlich E, vntrewlich F. 56 Fenster] Finster E. ƒ IV 66: 1 EJn] EEin A, EJn BCEF. 21 kraut] kannt E, kratzt F. 30 der Wiert ist] ist der Wirt F. 33 er] ich ABCEF. 74 vngeendet] vngeendert CEF. 76 Wiert] Wieet A, Wiert BC, Wirt EF. 79 nach … nach] noch … noch BCEF. 114 gelernt] gelehrt EF. 119 Jn eim] Jm EF. 141 Grecks] Griechs EF. 198 ein] fehlt BCEF. 198 figuriert] figuliert A, figuriert BCEF. 203 jrn] jr jn BCEF. 204 er] er vns BCEF. 222 S.] Sanct BCE. 245 den] der EF. ƒ IV 67: 1 Knig] K nig A, Knig BCEF. 17 Von] Vnd EF. 42 nit] nie EF. 45 vnd] fehlt EF. ƒ IV 68: 36 an mein] anmein A, an mein BCEF. ƒ IV 69: 13 vberflut] vberflus B, vberfluß CEF. 39 haussen] hauffen AB, haussen CEF. 66 stoß] stoß dich F. 74 die] die die A, die BCEF. 97 h(ltzern] A nicht sicher lesbar, evtl. auch h(ltzem, hltzem BC, hltzerm EF. 100 Seckeldarium] Seckel darum BC, Seckel darumb EF. 124 widerfacht] widerfecht F. 159 S.] Sanct F. 206 han] hin BCEF. ƒ IV 70: 9 windlen] windlin EF. 24 zuß] inß C, ins EF. ƒ IV 71: 18 da] vnd EF. 20 kein] ein AB, kein CEF. 47 zerschmaltz] verschmaltz BCEF. ƒ IV 72: 6 grosses] grossen BCEF. 32 auff nie] nie auff BCEF. 39 bey] hey A, bey BCEF. ƒ IV 73: 35 auch] doch BCEF. 39 war] ward F. 50 dir] jr AB, dir CEF. 62 dacht] sprach BCEF. ƒ IV 74: 17 leigen] ligen BCE, liegen F. 48 besehen] bes hen EF. 50 nach] noch EF. 61 doch] mich CEF. ƒ IV 75: 7 ein jeder wacht] jeder vollbracht CEF. 16 jn] jm ABC, jn EF. 16 frey] weit F. 30 den] dem F. 91 Gaudeamus] Gaudiamus A, Gaudeamus BCEF. 92 wie vor] zuvor F. 107 geschlagt] geplagt CEF. 128 vorschmeychelt] vorschmeichelt B, verschmeichelt CEF. 139 gmeinlich sichs] so AB, gmeinlich sichs CEF. ƒ IV 76: 4 Doch] Da F. 58 schmeißt] schmeßt A, schmeißt BCEF. ƒ IV 77: 13 er] er auch CEF. 84 der arme Schelm] der arm Schelm B, dem armen Schelmen F. 104 eygnem] einem F. 121 wolt] solt F. ƒ IV 78: 39 nit] wenn C. 40 vnd] k m C. 47 vberflut] vberfluß CEF. 52 Wolff] Hundt A, Hund B, Wolff CEF. 52 nauß] nach C. ƒ IV 80: Ü Des] Von deß F. 12 Denn] Bey den EF. 61 wilt jetzund] wilt jetzt B, wil ich jetzt CEF. 65 daselb] dasselb A, daselb BCEF. 106 jmmer] stets C, st ts EF. 112 vnmuter] vnn(tzer F. 115 schatzt] schatz A, schatzt BCEF. ƒ IV 81: 41 embsiglich] emdsiglich A, empsiglich B, embsiglich CEF. 144 die] fehlt BCEF. 152 biß] diß EF. 195 SO] so CEF. ƒ IV 82: 51 Vnd] Vmb CEF. 81 kompt] ist CEF. 131 Das] as A, Das BCE, Daß F. ƒ IV 83: 21 Den] Denn B. 74 vor all] herf(r EF. ƒ IV 85: 29 bey] f(r F. ƒ IV 86: 45 hinf(rder] hinf(r dest F. 49 nur jm] jm nur EF. 55 wenn] denn AB, wenn CEF. ƒ IV 87: 33 folg] nach BCEF. ƒ IV 89: 30 Da sprach der Apt] Der Apt sprach BC, Der Abt sprach EF. 39 ¶ ] fehlt ABCEF. 42 Flaccus vns anzeyget] Flaccus vns zeyget B, vns auch Flaccus zeyget CE, vns auch Flaccus zeiget F. ƒ IV 90: 6 sich] fehlt EF. 99 in] an BCEF. 122 namen] namem A, namen BCEF. 186 kaum] wol BCEF. 196 auff ger(ckt] auffgez(ckt CEF. ƒ IV 91: 32 entzwey] enywey A, entzwey BCEF. ƒ IV 93: 52 viele] fehlt F. 58 Kauffmans] Ein Kauffmans C, Ein Kauffmanns EF. 130 trewme] trewe A, Treuwe B, Treume CEF. 136 vngeschnart] vngescharrt BCEF. 154 vnd] fehlt BCEF. ƒ IV 94: 14 vernemen] vornemen BC, f(r nemen E, f(rnemen F. 22 macht] mach A, macht BCEF. 39 braucht] brauch A, braucht BCEF. 57 all die] alle BCEF. 74 wider] zwi-

Variantenverzeichnis

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der CE, zuwider F. 86 Frsch] Fuchß A, Frsch BCEF. 105 solch] solchs CEF. 110 dis] fehlt EF. 161 sich] fehlt EF. 164 F(chssisch] F(chssich A, F(chssisch BC, F(chisch E, F(chsisch F. 166 das] es F. 172 vor] von CEF. 184 Frschen/] Frschen// A, Frschen/ BCEF. 194 jr] die EF. 221 sich] sie CEF. 237 sein] so BCEF. 285 mit] nit A, mit BCEF. 312 reiben] treiben CEF. ƒ IV 95: 4 fast] bald F. 25 zancks] zanck A, zancks BCEF. 34 die] sein EF. 189 auch] vnd F. 213 Da] Das BC, Deß EF. 224 Das] Dach A, Das BCE, Daß F. 263 meiner] einer F. 269 ¶ ] fehlt BCEF. 294 so] fehlt BE. 298 Da] Du A, Da BCEF. ƒ IV 96: 9 wardt] war CEF. 9 greiß] gleiß EF. 32 keichen] kreichen BCEF. 33 bucken/ ducken] ducken/ bucken CEF. 64 zu] in BCEF. 87 Als] Auß BC, Auch EF. 116 jrkein] jr kein B, jrgends CEF. 153 Denn] Den A, Denn BCEF. 155 ist] fehlt E, war F. ƒ IV 97: 37 ernstlich] erstlich F. 50 ist] fehlt B. 82 leicht sein] sein leicht CE, seyn leicht F. 85 schweren grossen] grossen schweren BCEF. ƒ IV 98: 2 straffen] zstraffen BC, zustraffen EF. 14 Den] Die CEF. 37 greuht] grehut A, greuht BC, greuwt E, grewt F. 57 auch] fehlt CEF. 76 den] die CEF. 82 Ob er schon weyß/ das er hat schuldt] Ob er sich einst recht bessern wolt CE, Wies billich wer/ vnd er thun solt F. 97 vnd] ond A, vnd BCEF. 110 trawens] trauwrens E, trawrens F. 131 ticht] richt F. ƒ IV 99: 5 ein] die BCEF. 40 dir] die A, dir BCEF. 84 fordert] forderst A, fordert BC, fordert er EF. 126 seine] seinr C, seiner EF. 137 jetzt] jetzundt F. 167 frech vnd freudig] frech vnd freydig E, frey vnd freydig F. 171 wolt] kund BC, kundt EF. 178 nacht noch tag] tag noch nacht EF. 180 nun] nur E. 203 hrstu] hrst EF. 253 ich] ich jhm CE, ich jm F. 261 wirdt] werd F. 321 wider gehn] gehn wider EF. 322 Fuß] Fuchß E. 373 vmb] zu BCEF. 379 Vnd] Nun CEF. 380 ich] er CEF. 382 Mein] Seim CEF. 386 brengst] brenst A, bringst BCEF. 396 ern] erm CEF. 426 l(g] l(gn BC, l(gen EF. 439 feindtlich] freundtlich EF. 460 strick] strich A, strick BCEF. 524 in dem] im B, auch im CEF. 532 Den] Denn A, Den BCEF. ƒ IV 100: Ü seinem] seinen EF. 58 doch noch] weder CEF. 76 mit mir] mir mit B. 113 jrkeyn] jr kein B, fehlt CEF. 150 Der] Der da EF. 177 Verechtlich] Vnrechtlich CE. 187 wett] wehrt E, weth F. Register Ü Buch.] unleserlich A. I 51 seinen] seinem A, seinen BCEF. II 1 Lwen.] Punkt fehlt A. II 2 Vom] Von dem BCEF. II 20 dem] fehlt BCEF. II 28 Krbs] Kolben CEF. II 39 dem] vom BCEF. II 76 Von der] Vom CEF. II 91 Von dem] Vom BCEF. III 1 einem] fehlt BCEF. III 37 vnd] vnd von BCEF. III 76 Hasen] Hassen A, Hasen BCEF. III 85 dem] einem EF. III 95 einem] fehlt BCEF. III 98 Von einem] Vom BCEF. IV 4 eim] fehlt BCEF. IV 7 Affen.] Affen/ A, Affen. BCEF. IV 21 eim] fehlt BCEF. IV 27 Mser] Mrser BCEF. IV 44 Habich.] Habich/ A, Habich BCEF. IV 60 Koler] Kler F. IV 63 einem] seinem CEF. IV 69 Sant] Sanct CEF. IV 95 Sant] Sanct CEF. IV 99 Pferd] fehlt F. IV 100 seinem] sein  AB, seinen CEF.

Textkritik

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2. Drei Fabeln von 1543 Die Fabeln IV 99, IV 95 und IV 7 veröffentlichte Waldis zuerst in Ein warhafftige Historien von zweyen Mewssen/ So die pfaffen jm H)ttenberge bey Wetzsalar haben verbrennen lassen/ Darumb das sie ein Monstrantzen Sacrament gefressen hetten. Jtem. Drey schoner newer Fabeln. Die Erste. Wie die Welt alle wolthat mit vndackbarkeit pflegt zu bezalen. Von einem Pawren/ vnd von einem Lindtworm. Die Ander. Das ein jder in seinem ambt bleiben/ Vnd andere Stende nicht begeren noch vrteylen solle. Von Sanct Petro wie er Gott sein wolte. Die Dritte. Wider die Schmeichler. Von dem Fuchs/ vnd dem Wolffe. B. W. [o. O. 1543], Bl. B iijb–F iiijb. Die drei Fabeln sind im Folgenden nach denselben Editionsprinzipien abgedruckt wie der Esopus im ersten Band. Verbesserungen evidenter Setzfehler werden jeweils im Anschluss an jede Fabel dokumentiert. Die lateinischen Passagen wurden behutsam normalisiert.

Drey schoner newer Fabeln Die Erste. [IV 99] Wie die Welt alle wolthat mit vndanckbarkeit pflegt zu bezalen. Ein Schne Fabel. Von einem Pawren/ vnd von einem Lindtworm. Argumentum sequentis fabulae. Officiis homines haud devincire valebis. Damnum pro meritis officiosus habes. Si dubitas concors num sit sententia vero Perlege quae praesens fabula quemque docet. Omnia sunt ingrata nihil EJn Pawr wolt ziehen in ein stadt Sein Weib yn sehr vnd fleissig badt fecisse benigne est. Gab ym ein g(lden an der th(r Das er yr kaufft ein Beltz daf(r. 5 Wie er weit in ein Wiltniss kumbt Ein elend gschrey er da vornimbt Gross seufftzen/ klagen weynen wymmern. Der Pawr begund sich zubekummern Ydoch/ ye nehr er zu hin kam 10 Ye mehr vnd mehr die stim vernam Von fern sahe ein gross loch im berg/ Ein schwerer stein lag vberzuerg/ Ging nahe hin zu/ bald das vornahm Das auss dem loch das klagen kahm/ [B iiija]

Drei Fabeln von 1543 15 Es jamert yn/ vnd gund zu fragen

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Wes ist das gschrey/ vnd elend klagen? Da antwort das im berg/ vnd sprach/ Jch bin ein thir/ ein armer Trach Bin rein geflohn furm vngewitter Vnd lig hie/ wie der Lew im gitter/ Jtz vbt man solch vntrew an mir Villeicht ein Mentsch/ oder sunst ein thir Hat mich bsslich hirin verschlossen Wil mich nit wider ausshin lossen Vnd wo sunst niemant meyn wird achten Muss ich vorh(ngern vnd vorschmachten Drum bit ich dich/ seist wer du seist Das du mir deine h(lff beweisst Bit ich dich durch der Gtter huld Die kein guts lassen vnuorschuldt/ Sondern/ durch sie wirts als erkwickt Was hie mit vnrecht vnderdr(ckt. Drumb bit ich dich durch yren willen Woltst ein gut werck an mir erfullen Mein leid wegnemst meyn freud vormehrst Wen du vom loch den stein abkerst/ Vnd ich hinauss kum vnuorletzt Du solt sein werden wol ergetzt/ Glaub mirs/ vnd gewisslich daf(r halt Es sol dir werden wol betzalt. Wie der nu hrt/ es wer ein schlang Erschrack gar sehr/ vnd ward ym bang. Vnd nach der stim das thir betracht War grawsam/ vngehewr/ vngeschlacht. [B iiijb] Vnd sprach/ Ja wan ich dich liss loss Du bist so vngef(glich gross/ Vnd durch den hunger so vorletzt Hetst bald dein zehn an mir gewetzt Mchtst mir/ wen ich dir hulff zum leben Den Todt widr an bezalung geben. Da antwort auss dem loch der Trach Jch schwehr dir des ein eidt/ vnd sprach Wo du mir hilffs/ glob ich dir das Das dir dein lebtag nie wart bass/ Wil dir geben die hochsten gaben Welch gmeinlich grosse herren haben/ Damit alzeit alhie auff erden Die grost wolthat vergolten werden. Da zu wil ich dir sein verhafft

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Textkritik

370 60 Vnd schwer dirs bey der Gotter krafft/

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Die straffen mich/ wo ichs nit halt Des glaubt die schlecht pawrisch einfalt Dacht etzwes trefflichs zu erlangen Vnd liess loss den selben gefangen. Wie er den stein waltzt von dem loch Ein vngehewres thir rauss kroch/ Das war langleybig/ vnd vier fussig/ Jngsprengte farb/ gelb/ graw/ brawn russig/ Ein langen russell stund weit offen/ Rot blutfarbaugen die stets troffen. Kurtz ohren an eym grossen kopff Gross knorrecht/ vom schwantz bis zum schopff/ [Ca] Nab an die erd hieng ym der bauch War vberal sch(ppicht/ nit fast rauch Es het ein langen krummen schwantz/ Das al sein leng war gar vnd gantz Bey sechtzig sch(ch/ vnd nach der dickt Wars alzu grob/ vnd vngeschickt. Darab erschrack der selbig Pawr Er forcht sich sehr/ vnd sahe gar sawr/ Vnd dacht/ werst von dem thir erlost/ Jdoch/ er sich des eydes trst/ Den ym das thir im loch het thon Drauff fordert dreistlich seinen lon. Da antwort ym das grawssam thir Sprach/ weil du hast geholffen mir Vnd mich erhalten bey dem leben Wil ich dir itz dein lon auch geben/ Nach vnsserm bescheid/ vnd vorbedingen Vnd wil dich also bald verschlingen. Der Pawr sprach/ weil du gfangen lagst Den Todt fur deinen augen sagst Da thetstu mir viel andre gaben Vnd kstlich g(ldne berg geloben. Da sprach das thir/ ey neyn du yrst/ Jn deinem d(nckel dich vorwyrst/ Jch hab dir zwar nichts anderst gelobt Den das damit man stets begobt Die hochst wolthat/ damit erkenth Wlch in der welt mag werden gnent. Ja sprach der Pawr/ so warts beschlossen. Was reysstu mir den itz fur possen? [Cb] Weil das du solchs on vnderscheid Bewedmet mit so schwehrem eid/

Drei Fabeln von 1543 105 Dasd vff dich ludst der Gtter fluch

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Jtz bschwerstu dich mit eym eydssbruch Hilff Got/ zu wehm sol man sich gsellen Oder wehm sol man mehr glawben stellen? Jst das der danck (wie sichs geb(rt) Der f(r die hochste wolthat ghort. Ein frummen mentschen da fur zu thotten Der eynem hilfft auss aln sein ntten? Da sprach das thir/ das ist der danck/ Got geb/ du machsts kurtz ader langk/ Wirstu bey allen menschen kinden Jtz in der welt kein bessern finden. Wo hast gesehn/ das eins wart gschont Dem wolthat bass wer worden blohnt? Do sprach der Pawer/ es ist nit war/ Findst mangen frummen menschen zwar Dems leid wer/ das er solt mit schelten Jch schweig mit missthat guts vorgelten. Hab nie kein gsehn/ der guts in trewen Seim nehsten thet/ das yn het grewen. Nur ich allein bins/ wie mich d(nckt/ Dem seine wolthat missgelingt. Jch wil dir slechts der red nit gstehn/ Kum lass vns f(r ein Richter gehn/ Wan der/ der sachen recht wird innen So wil ich bald das vrteil gwinnen. Der Lindw(rm sprach/ ich weygers nit Du wirsts erfarn/ nu kum gehe mit. [C ija] Sie zugen hin/ ein ebne weyle Ein dorff lag vff ein halbe meyle Da ging ein Pferd/ das sucht sein weid Dasselbig grusstens alle beid. Das Thir sprach/ kanstus itzund leyden Das vns diss Pferd mit recht mug scheyden Da sprach der pawer ich hab es gern Es scheint gantz frum/ d(nckt mich von fern Das Pferd vff kaler wysen funden/ Sein fordern fuss zusamen punden. Vnd war mit hunger so d(rchkwelt Du hetst ym al sein rippen zelt. Da sprach der W(rm/ meyn lieber fr(ndt/ Ein hader han wir beid itzundt Drum wir dich bitten in gemeyn Du woltst drin vnsser Scheidman sein. Vns dunckt/ du seist nun alt von jarn

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Textkritik

372 150 Ge(bt/ vnd vngl(cks wol erfarn

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Viel ghort vnd gsehen nach der leng Was in der welt ist geb/ vnd geng/ Drumb wir die sach beid an dich stellen Bit wolst vns drauff ein vrteil fellen. Das Pferd fragt/ was die sachen wern? Das Thir sprach/ woln dich nit beswehrn Das wir die red nit machen zlangk Sag mit der k(rtz/ wolch ist der danck Den die welt ye gegeben hat/ Von anbegin f(r die hchste wolthat? O lieben freunde/ sprach das Pferdt Nach dem yr solchs von mir begert [C ijb] Vnd ich die warheit sagen sol Jch weis es leyder alzuwol. Vor zeitten war ich schn vnd J(ng Vnd ging daher in vollem sprung/ War frech vnd frewdig als zuwagen Jch kund meyn hern im harnisch tragen Darumb er mich so sehr geliebt Vil lust vnd k(rtzweil mit mir vbt. Kein arbeit wolt ich nummer fliehen/ Den schwehren wagen must ich ziehen. Da zu mit eyhen/ vnd mit pflugen. Noch liess ym dran mein her nit gn(gen. Des sommers must ich korn vnd hew Einfurn zum futter/ vnd zu strew/ F(rt holtz/ stein/ wasser/ spet vnd frw/ Het weder nacht noch tag kein rw/ Vnd war alzeit das willig Pferd. Das hat itz zwentzig jar gewerd. Wie offt hat mir meyn hawt geraucht? Jtz/ weil man mich hat abgebraucht/ Vnd meyn so lang/ vnd wolgenossen W(rd ich von yderman vorlossen Ausgyagt/ vnd gschlagen in das grass/ Seht/ wolch vndanckbarkeit ist das? Vnd gehe an dieser kalen heid Jn frost/ in hitz in allem leid/ Jn allen stellen find kein rawm/ Ein wasser trunck der wird mir kawm/ Von fliegen werd ich hart gestochen Weil sie mir han den r(cken brochen. [C iija] Auch sagt mir necht meins herren hund Man het vber mich gmacht ein bund/

Drei Fabeln von 1543 195 Mich zu erw(rgen/ vnd zu streuffen

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Dem gerber meyne hawt vorkeuffen/ Vnd keiner wolthat gnissen lassen Des sie doch offmols han genossen. Das ist der danck/ der lon/ vnd gewinst/ Der mir f(r meynen langen dinst/ Vnd grosse trew ytzund geschicht. Wies andern geht/ das weis ich nicht. Da sprach das Thir/ horstu das vrteil. Sag/ was solt itzund sein der feil Das ich dir nit dem gleich solt lohnen Vnd deiner lenger nit verschonen? Da sprach der Pawr/ ey thu gemach/ Dieser redt eben von der sach Wie ym zu mut/ vnd sich itz f(lt/ Er ist leicht vbel aussgesp(lt/ Das er seyr trew nit hat genossen. Drauss mag drum nit werden beschlossen/ Das als gut word bsslich vorgolten/ Das hiess die lewt zu hoch gescholten. Drum lass vns zu eym andern gehn/ Yr sein wol mehr/ dies recht verstehn/ Da sprach das Thir/ wil dichs geweren/ Wiewol du vnbilchs thust begeren. Jdoch kum her/ woln weitter wandern/ Sie zugen hin/ suchten ein andern. Da fundens bey eym Zawn ein Hund Den grustens alle beid zu stund. [C iijb] Das Thir sprach abermal zum Pawrn Jch bit du woltst mich nit mehr lawrn/ Vnd lassens bey dem vrteil bleiben Wolchs vns wird dieser Hund vorschreiben. Da sprach der Pawr/ ich bins zu fridt/ Wil weitter Appellieren nit. Das Thir erzelt kurtzlich die sach/ Vnd sprach/ sag vns dem Rechten nach Welchs ist der hochste lohn auff erden Dmit al wolthat vergolten werden? Der Hund antwort mit k(rtzem bscheidt/ Vnd sprach/ es ist Vndanckbarkeit. Vnd ob yr mirs nit glawben wolt Begert das ichs beweyssen solt/ Wil ichs mit kurtz also erklern Jr solt kein zeugniss weitter bgern. Da ich noch war ein J(nger Hund

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Textkritik

374 240 Bey meynem hern meyn sach wol st(nd/

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Nebn ym stets an dem tische sass/ Auss seiner hand vnd sch(sseln ass/ Mit gutten worten/ klopffen/ streichen/ Erzeigt mir gar vil freuntlich zeichen/ Da liff ich wans meym hern behagt Mit ym nach lust hinauss ind jagt/ Wir fiengen Hasen/ Hinden Hirschen/ Mit hetzen/ beitzen/ vnd mit birsschen. Do ich wart starck/ vnd wol erwuchs. Bracht ich meym hern gar mangen fuchs Fieng mangen Wolff in dem gehltz Dauon meyn herr tregt gutte peltz [C iiija] Des nachts wacht ich runds vmb das hauss/ Auff das kein dieb trug nichts drauss/ Vnd bey der herd war ich gar fleissig. Vff wilde thir gantz frech/ vnd beissig. Schawt das kein viech nit w(rd geschlagen Zerissen/ gstoln/ hinweg getragen. Vnd hab alzeit das best gethan/ Vndanckbarkeit wirt mir zulohn. Von yderman bin gar voracht Vnd wirt keyr wolthat mehr gedacht/ Hie drawt mir eyner zu ertrencken/ Der ander spricht/ er wil mich hencken/ Ein bissen brot wirt mir geweygert/ Vnd al meyn vngemach sich steigert. Mir wirt in meynem letzsten alter Widder eingmessen ein bsses malter. Doch trost mich des/ bins nit allein/ Dan solchs ist in der welt gemein Das man den segen bzalt mit schelten/ Al trew mit vntrew thut vergelten/ Da sprach das Thir/ nu hastus ghort? Sie furen alle beid ein wort Du solt nit weitter Appelleren/ Mich lenger bey der nassen zfuren. Begund sich in eym grim zurmannen/ Den Pawrn gar feintlich anzuzannen. Gedacht yn also bald zefressen/ Vnd sich seins vrteils anzumessen. Der Pawr vil seltzam aussred sucht/ Das er dem Tod entkummen m(cht. [C iiijb] Doch kund er nit dem Thir entfliehen Badt noch ein wenig zuuorziehen/

Drei Fabeln von 1543 285 Dweil w(chssem ym vil seltzam dancken.

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Weil sie nu mit einander Zancken Vnd ziehen beid im weg daher/ Da kam ein Fuchs on als gefehr. Er fragt vnd sprach/ was ist der hader Dauon yr macht so gross geschwader? Sie erzeltens ym alle beid/ Da sprach der Fuchs/ wen ich euch scheid Mit bilchem vrteil auss dem recht Jn freuntschafft von eynander brecht/ Vnd kein vork(rtzung gsche eym yden? Sie sprachen beid/ wir seins zu friden. Der Fuchs riff vff ein seit den Pawrn Sprach/ wan ich dir ergetzt dein trawrn Erlsst von dem grewlichen thir Was woltst zu lohne geben mir? Der Pawr wart fro/ sprach/ kanstus thun Jch glob dir das/ hab ich ein Hun Vnd irkein Han vff meinem mist/ So red ich das on arge list Wo du mich bheltest bey dem leben Jch wil dir al meyn Huner geben. Der F(chs sprach/ het mich zubesorgen Wo ich dir hulff/ hewt ader morgen. Aus dieser sach/ wan du loss kehmst/ Auch wider mich ein vrsach nehmst/ [Da] Vnd mir der gleich ein kappen keuffest/ Vnd mit meyr eygen brw betreufftst. Lohntest mir auch mit solchen t(cken/ Wie itz dis Thir/ mit schelmen st(cken Wan ich dich von dem Thir w(rd freyen. Der Pawr/ gund sich vormaledeyen. Vnd sprach/ ich w(ntsch mir selb den fluch Wo ich ein bosse ausflucht such. Da sprach der Fuchs/ hor was du thust/ Jn dem du mir gehorchen must/ Wir woln albeid hin gehn zum loch/ So volg du vff dem fuss vns noch Vnd wan wir alle beid sein dynne Schaw/ das du brauchst vernufft vnd synne/ Das Thir ist gross/ vnd vngelenck/ Wen ich dir mit dem schwantz einst wenck Vnd in eym hwy spring auss der thur So waltz den stein bald wider fur. Den bleibt das Thir im berg vorschlossen

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Textkritik

376 330 Vnd muss dich vngefressen lossen.

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Darnoch beredt der Fuchs den Trachen Das er ym auch stelt heim die sachen/ Wider zum berge mit ym ging Das er besehn mocht alle ding/ Vnd sprach/ so wirt al sach rechtfertig Wan wir dort al sein gegenwertig. Sie kamen al hin f(r das loch Wie sie es glan/ so stund es nach [Db] Der Fuchs sprach/ kum/ gehe mit in berg Vff das ich alle vmstend merck/ Mug wol beschawen alle stell Vff das ich ein recht vrteil fell. Das Thir liess sich da zu bewegen/ Ging neyn/ sprach schaw/ hie bin ich glegen. Da sprach der Fuchs/ zwar vff meyn eid Die herberg solt mir nit sein leid/ Wen ich nur gnug het zuuorzeren Jch wolt mich hinnen wol erneren/ Jst nit so ein vnfreuntlich ding. Jn dem gab er dem Pawrn ein winck/ W(scht in eym sprung/ flux auss der th(r/ Der Pawr den stein schob wider fur/ Den Trachen vngehewer vnd gross Jm berg verspert/ vormacht/ vorschloss. Dem man benummen war sein trawrn Da sprach der fuchs von stund/ zum paurn. Jtz hab dich mit dem leben bgobt/ So weist was du mir hast gelobt/ Als du dir selbst das vrteil feltst/ Schaw/ das du mir nur glawben heltst/ Der Pawr sprach/ wen ich das nit thet Wolt lieber/ das der Todt mich het/ Vnd an dem galgen solt erkalten Ehe ich dir nit wolt glawben halten. Sie kamen an eyn wege scheid/ Er sprach/ gehe das dich got geleid/ Vnd merck mich eben was du thust/ Den tag du dich enthalten must. [D ija] Al meyne Hanen vnd meyn H(ner Soln sich nit an der zal vorminder/ Jch wils gar an eyn hauffen treiben/ Das sie al bey einander bleiben. So kum du hin vmb mitternacht/ Wans alles schlefft/ vnd niemant wacht

Drei Fabeln von 1543 375 Sol dir kein intrag werden than/

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Das H(ner loch sol offen stan/ Da magstus holen alzumal/ Sein acht vnd viertzig an der zal. Vnd dacht der Pawr/ es ist zu spat Das ich solt ziehen nach der Stadt/ Vnd nach lenger auss bleiben wolt Mein weib ein peltz da keuffen solt/ Damit kam er spet heim getrolt. Vnd meynt er hets wol aussgericht/ Das weib sahe scheel entfieng yn nicht/ Vnd sprach/ wo bistu grober filtz So lang gewest/ vnd brengst kein peltz? Da sprach der Pawer/ meyn libes weib Danck Got/ das ich mit gsundem leib Vnd lebend wyder heim bin kummen/ Gross vnual het mich vndernummen. Hub an erzelt yr alle sachen/ Vnd wie er mit dem grossen Trachen Wer kummen zu dem vngefug Vnd das er durch den Fuchs so klug Erhalten w(rden bey dem leben Dafur ym het gelobt zu geben Al sein Caponen/ han/ vnd Hennen. [D ijb] Als das Weib hort die H(ner nennen/ Aus zorn gund wider yn z(balgen Vnd sprach/ ich wolt du werst am galgen Erhenckt/ ersticket/ vnd erstart/ Wie hat sichs so gar weidlich gnart Mit deinem Pferd/ Hund/ Fuchs vnd Trachen Jch wolt/ du stecktst ym schon ym rachen Vnd das er dich het langst gefressen/ Dein solt wol leichtlich sein vorgessen. Er sprach/ liebs Weib/ nu far doch schon/ Jch hab dem F(chs ein eid gethon Jch wolt ym geben/ al meyn Huner Vnd wil meyn leben lanck sein g(nner Sein/ vnd wils auch ans end wol bleiben Vnd in meyn hertz/ solch wolthat schreiben. Hab auch mit ym ein abscheid gmacht Das er sol kummen heind zu nacht Da wil ich yn nach seim begern Al meins gel(bds trewlich gewern/ Er hats vordient wol tausentfalt. Sie sprach/ schweig stil/ du hast kein gwalt

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Textkritik

378 420 Vber Huner/ Gens/ ader vber ke(cheln

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Kumbt der Fuchs wil ich ym sein heuchln Vnd sein fuchsschwentzen fein vert(tteln Mit frischen/ zehen/ eichen kn(tteln/ Gehe du nur hin vnd leg dich schloffen [D iija] Mich dunck du hast zu vil gesoffen. Beid mich vnd dich vmbs gelt gebracht/ Vnd darnach diese lug erdacht. Drumb radt ich dir/ das du bald gehst Zu bet/ vnd mir im weg nit stehst. Dasselb mich itz geratten deucht/ Aber dir wirt vbel aussgeleucht. Der gutte Man wol halb auss forcht Ging hin zu bet/ dem weib gehorcht. Das weib bedacht yrn eygen nutz Da zu auch yrer Huner schutz/ Sie riff zu stund/ yrn knecht hiess Hentz/ Beschloss mit ym ein solch Sententz. Die H(ner brachtens in ein kamer/ Vorschlugens fest/ mit eynem hamer. Dachten dem Fuchs feintlich zu strigeln Mit zweyen grosssen/ dicken pr(geln Vnd fleissig nach dem Fuchs zu hoffen/ Das h(nerloch lissen sie offen. Vmb mitternacht/ da kam der Fuchs/ Besorget sich nu keins betrugs/ Vnd meint/ es wer als schlecht vnd recht Vnd niemand args vff yn gedecht/ Stilsweigens kroch ins H(nerloch Da volgt ym bald als vngl(ck noch/ Sein rechnung het also gesetzt Er w(rd da al seyr trew ergetzt Jm hwy wart vmbgewend das blad/ Vnd endert sich des gl(ckes Rad/ Vnd das ichs sag/ kurtz in eyr summe [D iijb] Es kert sich alles vmb/ vnd vmb. Der Fuchs wart jemerlich ermort. Wie er starb/ sprach er diese wort. O we mir armen/ vnd elenden Wie bald sich alle ding verwenden Verkert sich in eym augen plick Mir ist gelegt der vntrew strick. Welchen ich hewt im Tod hab funden Het sich zu sterben vnderwunden Den hab ich dem grewlichen Trachen

Drei Fabeln von 1543 465 Mit macht gerissen auss seim rachen

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Hab yn erfrewet wunder sehr Als ob er new geboren wer/ Da zu er mir auch willig schwur/ Er wolt mir danckbar sein dafur. Solt von ym/ wie eim frummen heldt Jn kein vergessen werden gstelt. Jtz opffert mich vff die fleischbanck/ Das ist der lohn/ das ist der danck Damit solch wolthat wirt bezalt/ Das mag wol klagen iung vnd alt. Es hats der Lindwurm hewt gesagt. Das Pferd der Hund hans auch geklagt/ Jch habs auch selber lang gewist Das gwiss/ vnd war/ vnd Amen ist. Das vom end vnd anfang der welt Jderman/ die gmeyn Regel helt/ Das man die grosse/ gut vnd gnad Vnd wie man sagt/ die hogst wolthat [D iiija] Betzalt mit vndanck/ hass vnd neit/ Mit vntrew/ vnd vndanckbarkeit. Drum hat sich furbass keir keins gutten Zu keynem menschen zuuormutten/ Wen eyr auch taussent eyde schwur Vnd setzt sein seel zu pfand dafur. Schribs vnd vorsigelts mit seim blut. So glaub ym nit/ er meints nit gut. Des menschen hertz (czeugt auch die schrifft) Gen. 6. Jst so vortorben vnd vorgifft Das/ wens am allerbesten ist Steckts vol vntrew vnd argelist. Drumb/ wen du thust eim andern guts/ Hab acht/ vnd thus keins andern muts/ Den das er dir solchs alzumal Nur mit vndanckbarkeit betzal. Vnd keins andern zu warten hast/ Destleichter wirt dir deine last/ Das find sich jtz an allen enden Jn hohen/ vnd in nidren stenden/ Bey reichen/ armen kleyn vnd grossen/ Zwischen freunden vnd bundgenossen/ Jn allen hendeln/ vnd gewerben. Jst war/ vnd wil auch itz drauff sterben. So wart der Fuchs elend erschlagen/ Jst warlich hochlich zu beklagen/

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Textkritik

380 510 Sein hawt wart ym auch abgestreifft/

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Sein fleisch nauss fur die hund geschleifft Gar elendiglich hingericht Das al frummen erbarmen m(cht. [D iiijb] DRumb ich alhie ein yden bit Meyn warnung wol vorachten nit Denck nur/ es sey der welt nit new/ Das sies gut sag/ on alle trew/ Vnd ist diss yr gemeyner syn/ Sie lacht dich an/ vnd gibt dich hin/ Hilffstu yr auff/ sie stost dich nider/ Vnd ehrstu sie/ sie schendt dich wider. Vnd ist zu alm bssen vorkert/ Mit schaden werden wir all gelert. Drumb sich ein yder also schick Beid im vnfal/ vnd in dem gl(ck Wen er seim nesten guts hat thon Das er dafur hoff keinen lon. Nit vmb dancks ader vndancks willen Sondern/ das gtlich gbot zurfullen/ Vnd denck nur an denselben bzaler Bey wolchem gilt kein Jochims taler. Sondern/ er gibt ein andern schatz/ Den kein rost/ schab/ nach mauss nach ratz Vorzern mag/ kan auch nit voralten. Wer sich nur seir zusag kan halten Das er sich nit dauon lass treyben Kan biss ans end bestendig bleyben Der wirt erlangen diese gaben/ Wers gleubt/ der wirts gewisslich haben. [Ea]

32 vnrecht] vnrechc. 104 Bewedmet] Bewednet. 106 mit] mir. 151 Viel] Wiel. 156 beswehrn] beswhrn. 158 danck] danckt. 178 weder] wider. 201 grosse] grossse. 273 ghort] gohrt. 362 mich] mch. 399 die] dir. 433 gehorcht] gehorchr. 444 mitternacht] mitternach. 453 sich] sicb. 453 gl(ckes] gl(ckts. 482 vnd] vnn. 501 Destleichter] Destleicher. 504 grossen] grosssen.

Drei Fabeln von 1543

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Die Ander Fabel. [IV 95] Das ein yder in seinem ampt bleiben/ vnd andere stende nicht begeren/ noch vrteilen solle. Von S. Petro/ wie er Gott sein wolte. Argumentum Fabulae. Ardua quando quidem nocet affectare superbe. Non sis difficilis conditionis amans. Qui non sorte sua voluit temerarius esse Contentus, poenas semper abunde dedit.

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SAnct Peter mit dem Herren Christ Hat vil gewandert/ wie man list Alhie auff erden hin vnd wyder/ Das Judisch land fast auff vnd nyder. Da sich vil seltzam red begaben/ Da von sie offt geschwatzet haben. Das Petrus auch den gutten man Mit manger frag hat gfochten an. Gleich wie das gmeyne sprichwort sagt. Das offt ein nar gar vil mehr fragt. Von grossen sachen/ vnd geschichten/ Dan zehen weyssen konthen brichten. Dem gleich aus seynem tommen syn Fragt er also ins wild dahin. Das sich hat vnder andern fragen Auch diese volgend zu getragen. Das Petrus sprach/ Meister ich bit/ Du woltest mirs vorsagen nit Vnd biss zur antwort vnbeschwerd Des das/ ich dich itz fragen werd. [Eb] Vnd sprach/ wan ich der welte stend Betracht vom anfang biss zum end Vnd vberlegs von stuck zu stuck Bedenck yr gluck vnd yr vngluck/ Da find sich so vil hertzleid/ Vnordnung/ vngeschicklickeit/ Des widerwillens/ vnd des Zancks/ Vil aber gunst/ vnd des vndancks/ Vil laster/ schand/ vnd grosse sund/ Er denckt auch teglich newe fund/ Die armen thut die herschafft schetzen/ Mit zoll vnd zinsen vbersetzen. Dagegen ist der kauffman klug/ Mit falscher wahr/ vnd grossem trug

Quod sis esse velis, nihilque malis.

Textkritik

382 35 Sein negsten bscheisst/ vnd vber zeucht/

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Der handwercksman die arbeit fleucht Vnd nehrt sich offt mit bossen tucken. Der pawr zu land mit schelmen stucken/ Der herschafft vngehorsam sein/ Ein yeder meint/ er seis allein Fur den die welt nur sey geschaffen. Dar zu lesst sich auch niemand straffen Mit keynem bossen nach mit gutten Mit trowung gottis zorn/ vnd rutten. Es bessert sich noch weib noch man/ Ein yeder gibt ein lachen dran. Das/ wan ich solchs als vberleg Jn meynem hertzen offt beweg/ Vnd sihe das nit wil besser werden Vordreust mich zwar auff dieser erden Lenger zu leben/ solchs zu sehen/ Wans nit der mol einst solt geschehen [E ija] Das duss soltst straffen ader richten/ Wolt ich mich leicht da zu vorpflichten Wans gehen solt nach meynem syn/ Jch schlug mit beyden feusten drein/ Vnd gar in eynen hauffen sturtzen/ Damit wolt allen Jamer kurtzen. Drum/ nimbt mich wunder weil du bist Gott selber/ vnd der wahre Christ/ Der himel/ erd/ beid nacht vnd tag Geschaffen hat/ vnd als vormag/ Hast allen gwalt in deinen henden/ Kontests als in eynem hwy wenden/ Vnd sichst doch solcher bossheit zu Was ydem glust/ das er das thu. Daneben lerst vns/ das wir sollen Zu Gott all vnss vortrawen stellen/ Vnd das mans halt/ vnd da fur acht. Das er hab alles dinges macht Was gschicht in himel vnd auff erd/ Vnd nichts geschehe an als geferd. Sondern/ wie ers hab decernirt Als werd volbracht/ vnd nauss gefiert Darauss dan volgt/ wie sichs auch find Das fast auff erd/ al menschen kind Nit glawben/ sondern da fur halten Got lass die welt nur selber walten Wie sie nur wil/ vnd hab nit acht

Drei Fabeln von 1543 80 Was yderman hie niden macht.

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Vnd zwar/ wan ich recht sagen solt Vnd michs niemand vordencken wol Brecht man mich selb leichtlich dahin Das mir auch wuchs ein solcher syn [E ijb] Das Got der welt vorgessen het Guld ym gleich vil/ was man hie thet. Es hielten auch vil weysser Heiden Die sunst nit weren vnbescheiden Das Got acht het der grossen ding/ Vnd sehe gar nichts vff das gering. Vnd das er etwen wer die weil Leicht vber etlich hundert meil Geschiffet vbers Caspier meer Ader in die Muscow gezogen wer. Es steht warlich itz wol so wust Weil ider thut was ym gelust. Ja lieber/ wan du selber soltst Recht sagen/ vnd bekennen woltst/ So wurdest auch wol sagen das/ Das die welt zu Regieren bass Solt sein/ weil sie in ihren gang Jst bracht/ dan da sie im anfang Auffs new zu schaffen gantz vnd gar Vnd in jr form zu bringen war. Als himel/ erd/ mit all yr zir Als gwechs/ visch/ vogel/ mensch/ vnd thir/ Aus nicht als furher kummen most Vnd hat ym nur ein wort gekost. Drum dunckt mich zwar/ das Regieren Der welt/ wer fein hinauss zu fueren Mit wenig muhe/ fein in der stil/ Das ider nit thet/ was er wil. Gleich/ wie ein grosses schnes schiff Wirt gbawt dort hin auffs wasser tieff/ Mit langer zeit/ vnd grossem gelt/ [E iija] Das sichs vorwundert alle welt/ Vnd wers nur sicht/ der grossen arbeit Vnd schweren last/ Doch wans ist reit So ist ein Man allein/ ders lenckt Vnd furts/ wohin er nur gedenckt. Vil besser wer die gantze welt Weil sie da steht/ vnd als bestelt Von dir/ der du als dings hast macht/ Vnd als durch dich so weit hast bracht/

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384 125 Fein zu Regirn in yrem schwang

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Das man den zawm liess keym zulang. Dan/ weil du selb bist Gottes Sun Wer dirs vor allem wol zu thun. Auch drumb bist rab/ vom himel kummen/ Der welt zum heil zum nutz vnd frummen Das du al dieses vbel straffetst Den frummen recht vnd friden schafftst. Drumb wundert mich kein ding so sehr Weil du doch bist als dings ein herr Lesst dennach solches alles geschehen/ Vnd magst so durch die finger sehen? Drauff antwort ym der herre Christ/ Vnd sprach. Petre furwar du bist Ein seltzam Man mit deynem thun/ Vnd mit den worten vil zu kuhn. Hastu nit offt von mir gehort Das du Gottes Werck vnd sein Wort Solt bleiben lon in seiner mossen Vngemeistert/ vngetadelt lossen. Dan sein Wort/ Werck/ vnd sein Wunder/ Beid in gemeyn/ vnd in bessunder/ Sein vnerforschlich zu erkunden/ [E iijb] Keim menschen m(glich aus zugrunden Drum denck yn auch nit weyter noch/ Sein dir zu spitzig vnd zu hoch. Sondern/ denck/ wie ich dir wol ehe/ Hab gsagt/ von diesen dingen mehr. Mein Vatter ist vil anderst gsint/ Nit wie auff erd die menschen kind. So kurtz sinnig/ vnd aber gunstig/ Rachgirig/ zornig/ vnd inbrunstig. Sondern barmhertzig/ gnedig/ g(tig/ Vber die S(nder/ vnd langmuttig. Von dem nur eytel gnad herfleust/ Sein Regen miltiglich ausgeust. Beid vber bsen/ vnd die frommen/ Den Sonnenschein lesst auch rabkomen Vber die gutten vnd gerechten/ Auch wlch seim willen widerfechten Wil nit/ das bald itz hie vff erden/ Von himel als gestrafft sol werden. Neben dem Weitzen lest vffgehn/ Das vnkraut/ das auch bleybe stehn. Bis zu der Erndt/ da wirt entfohn/

Drei Fabeln von 1543 170 Ein yder nach der that sein lohn.

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Jtz las dein vrteiln/ vnd dein sorgen/ Ob dem/ das dir ist gar vorborgen. Dan/ wer sich in frembd werbung flicht/ Der er mag haben kein bericht. Der m(ht sich vmb vnnotig sach/ Er pflugt den Sand/ vnd miss die Bach Eim ziegel wil die rthe abreiben/ Vnd fleissig in das wasser schreyben Vmb sunst ein schwartzen Moren wescht/ [E iiija] Vnd gar ein fromde glut ausslescht/ Wern finger in all locher steckt/ Muss furchten das ern einst befleckt. Drumb rat ich dir/ das du dich nicht Zu weit steckest in Gots gericht/ Weil du der ding bist vnerfaren Gar vil zu tol/ vnd Jung von Jaren. Wan ich die warheit reden thar Thurst ich sagen/ vnd ist auch war/ Wan du die gantzen welt soltst ietz Nach deym verstand/ weissheit/ vnd witz Regieren/ auch nur eynen tag/ Was solt sich da/ vil grosser clag Von allen Creaturn erheben/ Vnd du vff als soltest antwort geben. Da soltstu finden was du suchtst/ Das du zu solchem ambt nit thuchtst/ Vnd das dus nit bestellen muchtst. Da antwort ym Sanct Peter wider/ Sprach/ lieber Meister/ bin ich byder Woltstu mir nur so vil nach geben/ Das Regiment einst anzuheben/ Zu herschen eynen tag vorgunnen Dan soltstu sehn ich wurds wol kunen Da sprach zu ym/ der herre Christ/ Weil du dan so vorwitzig bist Vnd wilt dich yo nit lan ab reden So bin ichs hewt mit dir zufriden/ Vnd heb bald an itz diesen morgen Himel vnd erden zu uorsorgen/ Sorg fur all Creatur zu tragen Das niemand hab vber dich zu clagen. [E iiijb] Hie mit gib ich dir allen gwalt Jn himel/ erd/ doch der gestalt/ So bald die Sunn zu nacht geht nyder

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386 215 Das du mirs Regiment gebst wyder.

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Da wart Sanct Peter fro vnd sprach. Weil du mir solchs gibst alles nach Zum zeichen gib mir deinen stab/ So weis ich das ichs alles hab. Da gab ern ym/ vnd gingen beid Mit eynander vber ein heid. Bald kamens in ein dorfflein klein/ Ein arme fraw/ sass an eynem reyn Die het nit mehe dan eyne Geiss Die trib sie/ nach yhrs mans geheiss Zum dorff hin aus/ ins grne grass Das sie sich da mocht weyden bass Wie man dem vich gemeynlich thut/ Vnd sprach. Gehe das dich Got behut. Da hub bald an/ der herre Christ/ Sprach/ Petre/ weil du Got ietz bist. So hat dir disse fraw zu gbietten Das du yr hewt der geiss must hutten Schaw/ das du furwendst allen fleiss Vnd dich als eynen Got beweiss. Sanct peter wart wol halber schellig Jdoch/ weil ers ym hat gefellig Erst lassen sein/ vnd drum gebetten Must er das gotlich ampt vortretten. Drum sich halbwillig drein begab/ Vnd nam zu handen seinen Stab/ Der Geiss er volget hinden nach Die stig bald vff die berge hoch/ [Fa] Die scharffen felsen/ auff vnd nyder/ Lyff durch die welde hin vnd wyder Da war keyn awen/ feld/ noch wysen/ Da nit die Geiss thet vmbher bysen. Durch stauden/ pusch/ vnd kleyne hecken/ Offt in dornpuschen blib bestecken/ Drauss ers beyn hornern ziehen must/ Das er wart offt schir gar entrust. Vnd bald vorlorn het all sein waffen So vil macht ym die Geiss zuschaffen. Blib auch vngessen all den tag/ Das er fur hunger schir erlag. Drumb er der Geiss auch flucht gar offt Mit seufftzen nach dem abent hofft/ Als sich die Sun begund zu neygen Damit den abent an zuzeigen/

Drei Fabeln von 1543 260 Die Pawrn vom acker zugen ein.

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Wolt er auch nicht der hinderst sein. Die Geiss der frawen wider bracht. Jn seynem syn also gedacht. Es bleib ein Got/ auch wer da wil/ Lieber bin ich ein armer gsel. Mit meyner fischerey mich nehr Den mich mit solcher sorg beschwehr. Jch sihe wol/ wen eyr hat vil kuhe So hat er auch da bey vil m(he Gross hern/ gross sorge haben mussen/ Meyn lust wil ich nit mehr so bussen. Drauff ym der HErr zu antwort gab Sprach/ dis fur deinen f(rwitz hab. Den so gehts zu in aller welt/ Keynem sein ambt vnd stand gefelt [Fb] Vnd ist gantz war/ fast vber all Der narren ist kein end noch zall. Wie Salomon der Kunig sagt/ Vnd alle Welt daruber klagt. Ein Jung gsel kam zu eynem Abt Badt/ das ern auch ins Closter kapt. Der Abt fragt/ ob er dschrifft vorstund Ader ob er sunst ein handwerck kund Sunst nehm er keynen in den Orden? Sprach/ bin nit da zu ghalten worden Das man mich het lan etzwes leren/ Jdoch/ wust ich wol zu regeren/ Das als mit fleiss wurd aussgericht/ Da sprach der Abt/ ich darff dein nicht. Jderman hie regieren will Der Meister hab ich vil zu vill. Was yder siht in allen sachen Das kund er alzeit besser machen Wurds ym aber ind hand gegeben Wust nit wo ers solt erst anheben. Doch ist die welt so klug vnd spitzig So newgirig/ vnd so furwitzig Das als richten vnd tadlen kunnen Niemand sein ambt vnd ehre gunnen. Wer offentlich am weg wil bawen Da yderman mag frey zuschawen Der muss sichs lan vordrissen nicht Das yderman daruber richt. Der Cicero sagt diesen Spruch

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388 305 Am newnden briff im ersten Buch/

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Vil lewt richten leicht auss furwitzen/ Wans mich in ehren sehen sitzen/ [F ija] Haben nur vffs ausswendig acht Auff dieses lebens ehr vnd pracht/ Vnd ergern sich etlich daran/ Das manger mir der ehr nit gan. Aber/ die sorg des Gmeynen nutzs Vnd beschwerung des Romschen schutzs Die mich druckt/ vnd im hertzen krenckt/ Jst selten eyr der das bedenckt. Drumb/ las dich nit dein wahn betriegen Bedenck nur stets dein vnuormugen All mentschlich krefft sein eytel nichtig. Niemand zu seinem ambt ist thuchtig. Der wolt aln Creaturn gebietten Vnd kundt nit eyner Geiss recht hutten. Drumb bleib eyn yder bey der erden/ Denck nit mehr dan er ist zu werden. Tracht das er recht sein ambt vorsorg Vnd nichts auff eynen andern borg. Sehe auff die leng seyr eygen fuss So wirt ym auch diss leben suss. Wer diese lere wol kan fassen Der wirt ym leichtlich gnugen lassen An seym ambt/ wan ers wol wirt kunnen/ Vnd seynem negsten nichts missgunnen.

1 mit] mir. 29 grosse] grossse. 34 grossem] grosssem. 66 glust/] glust//. 113 schnes] schnen. 130 frummen] fummen. 139 Ein] Eein. 228 gemeynlich] geneynlich. 312 Aber] Alber. 318 All] Alll.

Drei Fabeln von 1543

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Die Dritte Fabel. [IV 7] Wider die Schmeichler/ Von dem Fuchs/ vnd dem Wolffe. Argumentum Fabulae. In pretio nunc est, tumidis qui laudibus aures Mulcet, vel novit se simulare probum. Et iacet e contra veri studiosus amator, Ingenuus nobis candor ubique nocet. [F ijb]

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Der Fuchs ging einst hinauss spacieren Sich zu befragen bey den thieren Daselb zu hren newe mehr Da sagt man/ wie die Affe wehr Gelegen/ vnd zwey Kinder het. Zum nydern Hayn/ leg im kind pet. Morgen wolts halten feder wochen Mit yhrn gfattern/ het ab gstochen Ein feistes Lamb/ dasselb gesotten. Auch Hner vnd Caponen gbrotten/ Het auch von eynem grossen bachen Vil frischer/ feister w(rst lan machen/ Auch fladen/ pletz/ vnd eyer kuchen. Der Fuchs gedacht/ ich muss versuchen Des wegs wil mich nit lan verdrissen Ob mir villeicht ein guten bissen Beschert wurd/ wen ich kehm yns lager/ Es wart kein bratten nye so mager Auch den man fur drey schilling keufft/ Das nicht dauon eyn wenig treufft/ Wer nicht wagt/ der gewint auch nit/ Obs wol geradt/ so ess ich mit. Ging hin/ vnd gr(sst die selben Affen Sie gunden yn all an zugaffen Trat hin furs bett/ da die Aff lag Freuntlich w(ntscht yr eyn gutten tag. Vnd sprach/ das yr wysst liebe Muhm Warumb ich itzund zu euch kum Necht ward mir vil von euch gesagt Da ich gantz fleissig nach euch fragt/ Wie yr zwey Kind hett auff ein mol. Des war ich fro/ vnd bhagt mir wol. [F iija] Vnd bitt/ wolt michs doch lassen sehen/ Das euch muss nummer leid geschehen. Die Aff/ ward solcher red gar fro Zeigts ym/ da lagens beid im stro.

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Mit einem peltz bedecket warm/ Der Fuchs nams beid vff seinen arm Vnd sprach/ das sein zwar schne Kind Jch glaub furwar/ das mans nit find Auch in den Stetten bey den Reichen Zwey Kinder die sich yn vorgleichen. Zwar sag ichs leben sie die zeit So werdens gar vorstendig lewt/ Sein allenthalben wol gethon Von glidern/ vnd Complexion Jn eim gutten Aspect geborn/ Wie ich des himels laufft erfarn. Er kussts darnach/ vnd legt sye nider Auffs stro/ setzt sich zur Affen wider. Die Aff des lobs erfrewet wart/ Gedacht/ ich weis das her Reinhart Jst klug verstendig/ wol gelert Lobt nit das nit ist lobens wert. Jst nit so/ wie die groben gsellen/ Die sich zu mir vnfreuntlich stellen Gleich wie der Esel/ Ochs vnd Ber/ Die doch nit ein mol kummen her/ Wer weis/ wo wirs yn einst gedencken/ Dem Alten Affen gund sie wencken. Der tr(g bald einher schone Galert Caponen/ die er gbratten het Wein/ kuchen/ Opffel/ pirn vnd nuss/ Er sprach/ das Got vergelten muss. [F iijb] Was yr mir gebt auss milder gab/ Zwar lang so wol nit gessen hab. Als er den balg het wol gefult Vnd seynen hunger gnug gstilt. Nam vrlaub/ danckt/ vnd sprach ich scheid Geb das euch gschen muss nummer leid Zog hin/ setzt sich vnder eynen Strauch/ Das er aussdawt den vollen bauch. Bald kam zu ym Wolff Eyssengrim Vnd sprach/ her Reinhart/ ichs vornym Jr seit am gutten ort gewesen Vnd habt ewrn kropff gar vol gelessen. Er sprach/ Her Eyssengrim/ glaubt mir/ Wern meyner schon gewesen vier Wir hetten alle gnug gehabt. Jch hab mich da recht wol gelabt. Mit semeln/ weyn/ vielerley speiss

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Wolch ich nit al zu nennen weiss. Der wolff sprach/ lieber lassts mich wissen Wer weis ob ich auch nach ein bissen Wan ich hin kehm/ von yn mocht haben/ Vnd damit einst meyn hertz mocht laben. Er sprach/ So volget meynem radt/ Da leit ein Aff/ zwey kinder hat/ Macht sich frolich mit yrn gefattern/ Wan yr da konthen weidlich schnattern/ Nur als was sie gern horen/ sprechen Erlangt villeicht ein gutte zechen Kanstu der Affen kinder preyssen So werdens dir gross ehr beweyssen. Der Wolff wart fro/ liff nab ins thal Da sassens zamen in eym sal [F iiija] Die Aff sahe yn/ vnd riff ym neyn Vnd sprach/ kumbt her her Eyssengrein Schawt meyne kind/ die iungen erben. Sein werd das wir auch fur sie werben. Wie sie der Wolff on gfehr ersach/ Erschrack/ vnd zu ym selber sprach/ Jch kan mich nit vorwundern gnug Das Got zu solchem vngefug Hat lust/ vnd schafft solch ding ind welt Vnd den vnflat darin erhelt Mit hunden solt man sie ausshetzen/ Zum schewsal in die bonen setzen. Fur allen Thieren gar vngefellig/ Da wurden al die Affen schellig. Den Wolff anschnorten/ vnd anzanten Ein muttig vber yn ermanten Jm seinen Nacken gar zerbissen Sein angsicht kratzten vnd zerissen Das er von dannen liff vnmuttig/ Er kam zum fuchs/ vnd sahe gar bluttig Der fragt/ wie hastus aussgericht? Jch het mich des vorsehen nicht/ Hetst den mantl/ nachm wind gehenckt Leicht het man dir bass eingeschenckt. Vnd wer solch vnehr nit geschehen. Da sprach der wolff/ da mags vmbsehen Jch wil das hesslich zwar nit loben/ Solt ich auch hewt nit zessen haben. Bey diesem Wolff werden bedewt/ Die frummen vffrichtigen lewt.

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Die nit fein nach der narung stellen/ Vmb gniess willen nit heuchln wollen. [F iiijb] Die werden ghnet/ vnd voracht/ Fur kummer auch mancher vorschmacht. Beim Fuchs wirt der fein angezeigt Dern Stein auff beiden schultern tregt/ Jst gleichfertig mit beiden henden/ Kan selber Schleiffen/ selber wenden/ F(r allen beyden augen zielen/ Der vntrew vnderm h(tlin spielen. Den mantel nach dem wind kan hencken/ Ein anders reden/ anders dencken. Solch lewt sein nit werd das mans hegt/ Vnd das sie der erdpoden tregt/ Auch vber sie yderman klagt/ Wie der Grechisch poet auch sagt Die sein gleich wie die Hell zu meyden Vnd von der gselschafft abzuschneyden Wolche mit worten Schmeichlen schon Vnd ist yr hertz doch weit dauon. Es wird sich aber alles finden Vnd ist das scherpfest nach dahinden. Ein yder sehe sich eben fur Gots vrteil helt ym vor der th(r Wie er hat than in diesem leben Mus er fur Got rechenschafft geben.

11 grossen] grosssen. 57 Esel] Essel. 107 Mit] Mir. 114 angsicht] angsichr. men] frummem. 128 heuchln] heuchlrn.

126 frum-

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3. Variantenverzeichnis zum Aesopus Dorpii Dieses Verzeichnis bezieht sich auf die lateinischen Fabeln aus dem Aesopus Dorpii, die im Kommentar unter der Rubrik Vo r l a g e abgedruckt sind. Es sind alle Stellen aufgeführt, an denen grammatisch oder semantisch in die Textvorlage eingegriffen wurde; angegeben sind jeweils die Varianten ausgewählter anderer Ausgaben (vgl. auch Einleitung, S. 15 und 29). Folgende Siglen und Abkürzungen werden verwendet: Se St B N Rinucius Erasmus

Selestat 1521 (Thoen 31) Straßburg 1522 (Thoen 34) [= die zugrunde gelegte Ausgabe] Basel 1524 (Thoen 41) Nürnberg 1532 (Thoen 58) siehe Bibliographie: Rinucius Aretinus, Fabulae Aesopicae siehe Bibliographie: Erasmus, Adagia

Das Leben Esopi: te non maestificant] te moestificant St B. te non moestificant Se. I 40: Iubent] Iubet St Se B N. I 45: nesciet] nesciat St N B, nesciet Se. I 59: comprehensa … implorat] comprehensae … implorant St Se [dort excurrerant], comprehensa … implorat N B. I 67: De Mustela seniculo et Muribus] DE MVSTELA ET SENICVLO MVRE St, De Mustela, & Seniculo mure Se, DE Mustela & Seniculo Mure B, De mustela seniculo & muribus N. II 3: insultes] insultas St Se, insultes B N. II 9: aquas] aquis St Se, aquas B N. II 22: in modum] immodum St B, in modum Se N Erasmus. II 31: pervestigare] praeuestigare St Se B, peruestigare N. admonstrare] administrare St B N, admonstrare Se. utrisque] utriusque St B, utrisque Se N. II 45: parens consolabatur] consolabatur St, parens consolabatur B N. accusabat] accusabit St, accusabat B N. II 52: faciamus] facimus St, faciamus B N. II 53: avaro] AVRO St, auaro B N. II 55: concedet] concederet St B N. II 58: diffideret] diffidere St B, diffideret N. II 72: a quo] quo St B, a quo N. II 78: impinguato] impugnato St, impinguato B N. II 84: cum] quomǀSt, cum B N. II 86: perterrita] praeterrita St B, perterrita N. II 97: ferre] referre St B, ferre N. III 28: alendam] alendum St, alendam B N. videns] uident St, uidens B N. III 30: consultor] consulto St B, consultor N. III 42: perfodit] profudit St B N, perfodit Rinucius. III 47: sicuti] sed uti St, sicuti B, sicut N, uti Rinucius. III 53: quamobrem se vocaverit, rogat] quamobrem se uocauerit St, quamobrem se uocauerit, interrogauit B, quamobrem se uocauerit, rogat N, rogat quamobrem se vocaverit Rinucius. III 66: in copia] inopia St B, in copia N, in copiam Rinucius. III 68: apud eos] eos St, apud eos B N, eos Rinucius. III 69: ipsa moriaris] ipsa moriatur St, ipse moriatur B, ipsa moriaris N Rinucius. III 80: largas] larga St B, large N, largas Rinucius. perdices vineam] perdices unicam St B, perdices vineam N Rinucius. fodere] foedere St B N, fodere Rinucius. vero se vineam] vero se unicam St B, vero se vineam N Rinucius. III 83: pari studio iunior … albos evellit capillos] fehlt St B, Pari studio iunior ut ab anus consuetudine illum amoueret, albos euellit capil-

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Textkritik

los N, pari studio iunior, ut ab anus consuetudine illum amoveret, albos evellit capillos Rinucius.

4. Register 1. Bibelstellen Die Abkürzungen der biblischen Bücher folgen der TRE. Im Stellenkommentar stammen die deutschen Bibelzitate aus der Lutherbibel, die lateinischen aus der Vulgata.

Altes Testament Gen 1,27f. Gen 1,29f. Gen 3,16–19 Gen 3,19 Gen 4 Gen 4,8 Gen 4,10 Gen 6,5 Gen 7,21–23 Gen 8,21 Gen 9,3 Gen 9,6 Gen 25,19ff. Gen 27,41 Gen 31,41 Gen 44,2–9 Ex 20,12 Ex 20,13 Ex 20,16 Ex 20,17

IV 30,44–48 II 14,17–19; IV 2,93–96 II 17,41–45 II 14,22; III 48,25; IV 55,58 IV 100,188 IV 96,153f. I 57,46 III 90,49–52 IV 2,124–126 III 90,49–52 II 14,17–19; IV 2,97–99 IV 20,65f. II 16,38 IV 96,156 III 93,217–221 IV 82,120–123

Ex 22,26f.

II 54,87; III 39,39 IV 20,64 I 48,13–15 II 40,31f.; III 17,8; IV 14,3; IV 20,60 IV 94,212–217

Lev 19,3 Lev 19,32

III 39,39 IV 72,47f.

Dtn 32,35

I 57,45

Jdc 13–16 Jdc 14,5f. Jdc 16,15–21 Jdc 16,25–30

IV 81,153–160 II 8,24–27; IV 81,156 IV 81,158 IV 81,160

I Sam 9f. I Sam 12,2 I Sam 17 I Sam 17,4–54 I Sam 17,42–51 I Sam 17,51 I Sam 18ff.

III 50,19–22 II 43,33f. I 59,46–48 II 26,67–82 III 7,35f. I 38,50; II 9,30; III 22,18f. IV 96,157

I Reg 4 I Reg 11,1–8

IV 75,62f. IV 81,161–166

Hab 1,3

IV 44,45; IV 97,7

Mal 1,13

III 98,127

Ps 9,16 Ps 20,2 Ps 37,3 Ps 58,7–11

III 54,28 I 15,23f. IV 5,91 III 18,28

Register

396 Ps 103,8 Ps 107,42 Ps 110,1 Ps 114,9 Ps 136,25

IV 95,155 III 18,28 II 96,19f. I 55,35 I 1,5; II 14,17–19; II 18,31

Hi 7,1 Hi 34,11

II 93,37 I 57,46

Prov 6,6–8 Prov 13,3 Prov 13,24 Prov 14,31 Prov 18,21 Prov 19,14 Prov 21,23 Prov 23,13f.

I 30,31f. II 11,73–76 III 39,55–58 I 98,18; IV 62,87f. II 11,69–71 IV 11,35–40 II 11,73–76 III 39,55–58

Koh 1,15

II 8,54; IV 95,274f. Koh 3,1 II 56,16; III 49,21 Koh 3,22 Marg. IV 82,81f. Koh 4,12 II 1,45–50 Koh 7,1 IV 68,49f. Koh 9,11 III 49,21f. Jes 13,21

II 11,10

Thr 3,27

II 17,53–59; III 95,53–56

Est 5,14 Est 7,9f.

IV 77,113–116 IV 77,113–116

Außerkanonische Schriften neben dem AT Sir 4,31 Sir 7,40 Sir 11,20f. Sir 13,1

II 80,44 I 18,51f. I 4,22–24; II 49,41f. I 53,19f.

Sir 25,3f. Sir 27,28f. Sir 27,29 Sir 28,28

II 28,45–47 I 35,41–44; II 9,33f. I 54,17f. II 80,41f.

Mt 7,12

I 7,52f.; I 27,43f.; II 11,112–114; II 30,174f. II 17,68 I 90,81–84; IV 1,253f. II 50,75–78 IV 69,67 IV 69,113–116 IV 84,18f. IV 83,49f. I 18,17 III 40,46 IV 95,127–129 IV 62,95f. IV 95,165–168 III 90,58f. IV 46,65

Neues Testament Mt 4,18 Mt 5,37 Mt 5,44f. Mt 5,45 Mt 5,46f. Mt 5,73 Mt 6,10 Mt 6,19f. Mt 6,19–34 Mt 6,24 Mt 6,26 Mt 6,34 Mt 7,2 Mt 7,5 Mt 7,6

IV 90,114; IV 95,263 II 11,110; IV 94,248 I 7,39–50 IV 95,158–162 I 7,35–38 II 11,110 II 93,42 IV 99,531–533 IV 18,23–32 IV 82,130–132 II 14,17–19 IV 82,81f. I 27,45f.; III 96,79f.; IV 9,33f. I 88,13f.; IV 5,99f. I 1,37f.

Mt 7,13 Mt 7,15f. Mt 7,24 Mt 8,12 Mt 9,10f. Mt 9,17 Mt 10,8 Mt 10,16 Mt 10,30 Mt 10,34 Mt 10,42 Mt 13,24–30 Mt 13,29f. Mt 15,14

Bibelstellen Mt 17,1–9 Mt 17,5 Mt 19,30 Mt 21,22 Mt 23,2f. Mt 23,24 Mt 24,1f. Mt 24,19 Mt 25,14–30 Mt 25,31–46

397 II 50,61 II 50,62f. IV 3,83f. I 15,23f. IV 64,63–70 IV 45,23f. I 80,35f. I 80,39f. III 90,62 I 65,21–24; II 30,159–172 IV 18,78f. I 94,44f. II 34,23f. II 37,16 II 50,64–66; III 92,143–146

Joh 8,7 Joh 16,23

I 85,31f. II 14,43

Act 1,9 Act 8,18–20

III 92,143–146 IV 83,34–36

Röm 11,33 Röm 12,4–6 Röm 12,19 Röm 13,1–4 Röm 13,6f. Röm 13,8f. Röm 13,10 Röm 14,12

IV 95,143–146 I 40,69f. IV 53,31 IV 96,85f. I 40,63f. II 11,115–118 I 7,54 IV 7,133f.

I Kor 1,7 I Kor 7,7

Mk 12,29–31 Mk 16,19

IV 99,528 III 92,143–146

I Kor 7,20

Lk 1,46–55 Lk 1,52 Lk 2,4–7 Lk 4,23 Lk 6,27 Lk 6,39 Lk 12,33f. Lk 12,48 Lk 14,28–30 Lk 16,9 Lk 16,13 Lk 16,19–21 Lk 16,19–25

I 87,38 I 87,38–44 II 21,57–60 I 88,11f. IV 62,89 IV 46,65 IV 62,87f. II 41,35–37 II 35,37–42 I 14,59–64 IV 82,130–132 II 30,151–158 I 52,28–30; II 21,56 IV 69,157 III 90,62 III 40,46 III 92,143–146

I Kor 10,12 I Kor 15,43 II Kor 12,9 II Kor 12,10

III 13,17f. I 31,23; I 66,27f.; III 13,12; IV 61,23f. I 4,22–24; I 13,55; II 49,41f.; II 87,19 I 33,48 II 26,89f. III 13,14 II 26,89f.

Gal 6,2 Gal 6,7

III 31,26 III 30,20

Eph 1,20f.

II 50,57–60

II Thess 3,10

I 1,6–9; IV 20,61f.

I Tim 6,9

I 9,89–92

II Petr 3,3

IV 95,93f.

I Joh 4,1 I Joh 5,14

I 19,17f.; II 25,41f. I 15,23f.

Mt 25,32 Mt 26,48f. Mt 26,52 Mt 27,32 Mt 28,20

Lk 16,19–31 Lk 19,11–28 Lk 21,18 Lk 24,50f.

Register

398

2. Zitate aus antiken Schriften Aristoteles Oikonomika I 6

III 94,285–290

Cicero Epistulae ad familiares I 9 IV 95,301–312 Horaz De arte poetica 139 359 Epistulae I 2,69f. I 7,98 I 10,39–41 I 17,50f. I 17,58–62 II 1,258f. Oden II 10,9–12 II 16,13f. II 16,27f. Juvenal Satiren 10,356 Lukian Hermotimos 20 Ovid Ars amatoria I 349f. II 438 II 279f. Epistulae II 3,25–28 II 7,9–22 III 4,79 Fasti I 211 Metamorphosen VIII 183–235

I 21,31–34 IV 76,56 IV 6,63–65; IV 84,76–78 I 63,18; III 60,15; IV 95,323 I 45,31–38 IV 89,39–42 I 62,25–38 II 35,35f. I 36,45–49; II 3,53–57 II 3,49f. I 18,38

II 20,26

II 29,41–44

II 49,49–52 IV 90,201f. III 92,9–14 I 12,59–66 II 12,85–102 I 67,35–38 IV 82,10–12 I 63,21–26

Tristia I 5,25–34 I 5,36 I 9,5–14 II 329f. III 4,25 III 5,5f. III 11,39–54

IV 78,109–128 IV 78,85 IV 78,87–106 III 8,23–26; III 86,45–48 I 30,59f. IV 78,129–132 IV 77,117–134

Platon Phaidon 84 E–85 A

II 44,20

Plautus Aulularia II 2,226–235

I 29,22

Plinius Historia naturalis X 32,63

II 44,1

Plutarch Moralia 190 E 3

I 67,25–32

Properz Elegiae II 1,43f.

III 87,21–26

Sallust Iugurtha 10,6

II 1,39–42

Terenz Adelphoe 219

I 4,32

Theokrit Eklogai 6,18f.

I 81,37f.

Vergil Aeneis V 709f. Bucolica 8,63 Georgica I 145f.

I 100,45–49 I 13,45f. II 17,63–66

Xenophon Oikonomika 12,20 III 94,271–280

399

3. Phraseologismen (Sprichwörter, Redensarten u. Ä.) Das Register dient in erster Linie dazu, Sprichwörter, Redensarten, formelhafte Wendungen und Ähnliches in Waldis’ Esopus zu finden. Für eine Benutzung des Registers, die über die Such- und Findefunktion hinausgeht, muss stets der genaue Wortlaut in der Edition bzw. die weiterführenden Angaben im Stellenkommentar nachgeschlagen werden. Es sind auch Wendungen aufgenommen, die phraseologisch sein könnten, bei denen sich jedoch (bisher) nicht nachweisen lässt, dass es sich um fest gefügte Phrasen handelt. Es ist zu beachten, dass sich in solchen Fällen an der entsprechenden Stelle im Stellenkommentar meist kein Eintrag findet (um ein Aufblähen des Kommentars durch Negativbefunde zu vermeiden). Weil Waldis in Reimpaarversen schreibt, erscheinen Sprichwörter und Redensarten oft in Variationen oder Teile der Phrasen werden umschrieben; in diesen Fällen wurde behutsam normalisiert und ausgeglichen. Das Register ist alphabetisch nach sinntragenden Wörtern (in der Regel: nach Hauptwörtern) geordnet. Jede Phrase ist nur unter einem Lemma verzeichnet. Nach Möglichkeit wurden Querverweise angebracht. Die Phrasen sind soweit möglich in der Gegenwartssprache wiedergegeben, z.T. sind sie auch sprachlich leicht modifiziert, um das Verständnis und das Wiederfinden zu erleichtern.

Aas – Wo ein Aas ist, sind viele Vögel: III 11,3f. Abt – Wenn der Abt würfelt, spielen die Mönche: IV 83,25f. abwischen – einem alles abwischen: II 46,4 Achsel (siehe auch Stein) – Auf vielen Achseln ist gut tragen: IV 61,36 Adam – Der alte Adam will sich regen: IV 24,46 alle, alles – Nicht alle können alles: I 13,45f. – Nicht alles ziemt sich für alle: II 87,17 Allgemeinheit (siehe Gemeinschaft) Alter, alt (siehe auch Hund, Jugend, Kind, Schuh; vgl. die Aufzählung in IV 91,47ff.) – Das Alter ist beschwerlich; Variation: Das Alter ist ein schweres Maß und schlechtes Malter: IV 91,39f.

Amt – Kein Amt ist so klein, dass es nicht das Hängen wert wäre: IV 47,34 Anfang (siehe auch Ende, Lied) – Guter Anfang hat gutes Ende: III 27,31f. – Schlechter Anfang hat schlechtes Ende: III 97,79f. – Ein törichter Anfang gewinnt den Krebsgang: III 97,81f. angehen – Was einen nichts angeht, soll man sein lassen: IV 59,45f. Antwort (siehe Gruß) Apfel – Seht, wie schön wir Äpfel schwimmen: IV 48,22 Arbeit (siehe auch Hand) – Ungewohnte Arbeit macht Schwielen (Blattern): II 89,24 ärgern (siehe Weg) Arm – Der Arm ist einem krumm: IV 30,18

400 Armut, arm (siehe auch Brot, Hochmut, Rat, verzehren) – Armut macht sorgenfrei: I 9,94 – Besser Friede in Armut als Reichtum, der schadet: I 56,75f. Art (siehe Natur, Teufel) Arzt – Arzt, hilf dir selbst (heile dich selbst): I 88,11f.; I 91,26f.; IV 33,51f. – Gute Ärzte und gute Juristen sind böse Christen: II 21,67f. – Weiche Ärzte machen stinkende Wunden: III 39,62 Asche – mit ungebrannter Asche reiben: IV 19,112; IV 74,81 aufblasen – sich aufblasen: I 82,6 Auge (siehe auch Splitter) – mit beiden Augen zielen: IV 75,155 – Des Herren Auge füttert das Pferd: II 4,98; III 94,280 – Was das Auge nicht sieht, tut dem Herzen nicht weh: IV 89,37f. – jemandem ein Auge zuhalten (verbinden, verkleben): I 43,31; IV 94,8 Augendienst II 18,21 und 27 ausleuchten – jemandem übel ausleuchten: IV 99,430 Ave – mit der Zunge Ave, im Herzen Grave: II 90,13f. Axt – die Axt im Kopf haben: III 44,37f. – der Axt einen/keinen Stiel (Helb) finden: III 92,70; IV 83,24 – Der Stiel (das Helb) steht recht in der Axt: III 94,282 Backofen (siehe auch Brot) – gegen den Backofen den Mund aufsperren, gähnen, gaffen: I 37,14; II 28,50; II 80,46 Bahn – die Bahn brechen: IV 58,40

Register Balken (siehe Splitter) Bärenhaut – Man soll die Bärenhaut nicht verkaufen, bevor der Bär erlegt ist: IV 88,45f. Bart (siehe Kopf) Bauch – Voller Bauch hat ein freudiges Haupt: IV 87,42 bauen (siehe Weg) Baum – Einen alten Baum kann man nicht verpflanzen: I 68,17 – Einen Baum, der Schatten gibt, soll man ehren: II 83,21f. Becher (siehe Mund) Beginn (siehe Anfang) behende – Allzu behend hat oft gefehlt (zu Fehlern geführt): IV 97,100 Bein (siehe Hose) Bekanntheit (siehe Kennen) Besen – Neue Besen kehren gut: vgl. IV 33,47 Bett (siehe Stroh) betrügen (siehe Schalk) Beule (siehe Keule) Biene (siehe Honig) Biss, beißen (siehe auch Hund, Mücke) – einem die Bissen im Mund zählen: III 93,9 blind – wie wenn ein Blinder von Farben redet: IV 26,22; IV 84,10f. – Ein Blinder führt den anderen: IV 46,65 Bock – den Bock zum Gärtner machen: II 27,18; IV 93,208 Bohne (siehe Hunger) botz, potz – botz heilger Tauff: IV 69,31 Braten (siehe auch Kraut) – den Braten spicken: IV 17,24 Braut (siehe Glück)

Phraseologismen (Sprichwörter, Redensarten u. Ä.) Brett (siehe auch Loch) – dicke Bretter bohren: IV 58,42 Brief – mit Brief und Siegel: IV 2,47.92.131 Brille – Brillen und Fuchsschwänze verkaufen: IV 8,84 Brot (siehe auch Armut, Hund) – Besser ein trockenes Brot in Frieden gegessen, als bei reichen Leuten mit Sorgen am Tisch sitzen: I 9,97–99; ähnlich I 77,56 – Ein Bissen Brot stillt nicht den Hunger (Kummer): III 71,16 – Sein Brot im Ofen des Nachbarn backen: IV 16,46 – Damit ist kein Brot zu verdienen, in der lat. Form: Non est de pane lucrando: II 21,52 Brühe – mit der eigenen Brühe (Fett) begießen: IV 99,312 Bruder (siehe Hans, Markolf) Butter – wie Butter an der Sonne (an der Glut): IV 56,122 – die Butter verrühren: IV 81,150 Butzbirnen – Butzbirnen kauen: IV 81,92 cras – mit dem Rappen cras, cras singen: IV 3,107 Credo – jemanden das Credo lehren: I 79,22 – etwas in Credo schreiben: III 91,73 Decke – sich nach der Decke strecken: II 35,33f.; III 8,19–21; IV 55,59f.; IV 82,75f. Deckel – Zu jedem Gefäß (Topf) passt der entsprechende Deckel / Jeder Deckel passt auf irgendein Gefäß: III 21,15f.

401

deutsch – auf Deutsch sagen / heißen: II 79,32 Dieb (siehe auch Schiffleute, Zöllner) – Ein Dieb ist nirgends besser als am Galgen: IV 34,27–29 – Die grossen Diebe hängen die kleinen: IV 44,60 Dornbusch – Der Dornbusch hat keine Feigen: III 42,18 Dreck, dreckig (siehe Finger, Hand, Kessel, Kuh, Liebe, Mäusedreck) Drohung – Wer von Drohungen stirbt, ist mit Verachtung zu begraben: I 69,17f. Ebriack – für Ebriacken schelten: IV 17,21 Ei (siehe auch Fuchs) – jemanden mit faulen Eiern bewerfen: III 48,20 – wie die Henne auf den Eiern sitzen: III 26,30 – Wenn man um das Ei streitet, fliegt einem die Henne davon: IV 92,91f. Eigenkapital (siehe Hauptsumme) Eigenlob – Eigenlob stinkt: II 19,42; III 29,34 Eile (siehe Muße) einbrocken (siehe essen) Einigkeit – Einigkeit fördert, Zwietracht zerstört: I 51,25–28. Eis (siehe auch Esel) – jemanden aufs Eis führen: I 79,23 Eisen – sich selbst (oder jemandem) in die Eisen traben: III 72,36; IV 81,65 Elbe (siehe Rhein) Eli – Eli singen: IV 4,90 Ende (siehe auch Anfang, Leben) – Man bedenke (betrachte) bei allem das Ende: I 18,51f. – Was man nicht beenden kann, beginne man nicht: II 35,35f.

402 erben (siehe Gulden) erkennen (siehe auch kennen) – Erkenne dich selbst: I 29,25 Ernte (siehe Unkraut) ertränken, ertrinken (siehe Galgen, Hanf, Schwimmer, Wassertrunk) Esel (siehe auch Frau) – die Esels Art haben: I 75,44 – Wenn den Esel das Futter sticht, tanzt er auf dem Eis und bricht sich ein Bein: III 93,253f. – Wo der Esel einmal gefallen ist, da geht er nicht mehr hin: II 12,78–82; III 57,23f. – Man erkennt den Esel an den Ohren: I 90,71f.; IV 48,28 – den Esel reiten müssen / jemanden auf den Esel setzen: I 16,92; III 98,14 – Das Ika lehrt den Esel kennen: IV 48,32 essen (siehe auch Brot, Ostereier, Salz, tanzen, Treber) – Iss mit, hänge mit, sei ein guter Geselle (mitgefangen, mitgehangen): IV 3,28 – Selbst ausessen, was man sich eingebrockt hat: II 23,27f. Essig – den Essig im fremden Krug stellen (herstellen): IV 60,134 fallen (siehe Esel, Fallstrick, Grube, Liebe, Regen, Reichtum, Skylla, Spieß, stehen, steigen, Stein, Stuhl) Fallstrick (siehe auch Grube) – Wer andern einen Fallstrick legt, fällt selbst hinein: I 54,17f.; II 9,31f. Farbe (siehe blind) Fass – Das Fass schmeckt nach dem ersten Wein: IV 6,65; IV 84,76–78 fasten – Lang fasten ist (heißt) nicht Brot gespart: II 60,74 faul – Groß und faul, schlimmer Gaul: III 66,11f.

Register – sich auf die faule Seite legen: III 80,23 Feder (siehe auch lügen) – jemanden an den Federn erkennen: IV 49,127 – Federn lassen: IV 59,22 – Feder lesen und Flaumen streichen: I 11,62; II 57,20; IV 75,161 – ohne Federn (nach Sachsen) fliegen wollen: III 58,23f. Fehler (siehe auch behende) – Alle Menschen haben Fehler (niemand lebt ohne Gebrechen): IV 33,44 Feige (siehe Dornbusch) Feind – Man soll seinen Feind nicht unterschätzen, auch wenn er klein scheint: II 13,27f. Fett (siehe Brühe, Hund) Feuer (siehe Frau, Öl) – Fremdes Feuer löschen und das eigene Haus verbrennen lassen: III 36,16–18 Finger – durch die Finger sehen: II 93,40; III 93,150; IV 45,20f.; IV 71,24; IV 95,134 – sich die gelben Finger lecken: I 9,101 – sich mit fünf Fingern in den Hintern dippen / fassen: I 24,32 – Wer die Finger in jedes Loch steckt, macht sie schmutzig: IV 59,49f.; IV 95,179f. Fisch – (nicht) Fisch bis auf die Gräte (sein): III 11,44 – große Fische fangen: III 100,120 Flachs – Der Flachs (die Saat) des Nachbarn wächst besser: II 49,49f. Flaum (siehe Feder) Fleischbeil – Fleischbeil für die Wunde: III 6,4 Fliege (siehe auch Honig) – wie nasse Fliegen: III 41,16 fliehen – Wenn einer flieht, gibt’s viele, die ihn jagen: II 63,19f.

Phraseologismen (Sprichwörter, Redensarten u. Ä.) Franziskaner (siehe Mönch) Frau – Frauen sind wie ein fressendes Feuer: III 23,14 – Die gute Frau ist eine Gabe Gottes an den Mann: IV 11,37–40 – Die List der Frauen ist unergründlich: IV 11,31f. – Nussbaum, Frauen und Esel muss man schlagen: II 91,17–19. – Was Vater und Sohn erwirtschaften, verzehrt unsere liebe Frau: III 23,15f. Freiheit, frei – Wer frei ist, hat ein Königreich: II 72,18 – Die Freiheit geht über alles irdische Gut: II 18,100 – Die Freiheit ist besser als Gold: I 45,33f. – Die Freiheit ist ein edles Kleinod: II 18,91; II 72,13 Freude (siehe Bauch, Leid, Nagel) Freund (siehe Glück, Not) Friede (siehe auch Armut, Brot) – im Frieden zum Krieg gerüstet sein: II 95,21f. Friedrich – Friedrich anrufen: I 55,55 Frühstück (siehe kochen) Frumholt – sich zu Sanct Frumholt geloben: IV 3,55 Fuchs – Ein Fuchs frisst den anderen: III 96,86 – Von roten Füchsen, alten Juden, alten Vetteln, weichen Eiern und jungen Kindern bleibt niemand unbeschissen: IV 8,87–92 Fuchshaut (siehe Löwenhaut) Fuchsschwanz (siehe auch Brille) – mit dem Fuchsschwanz streichen: IV 1,269; IV 98,84f. – fuchsschwänzen: I 11,7; II 18,21; III 58,20; IV 8,8; IV 73,54; IV 94,35; IV 99,421

403

Fülle – Fülle und Überfluss sind schädlich: III 32,13f. fünf (siehe Finger) fünfundzwanzig (siehe Zöllner) Fuß (siehe Hand, messen, Segen) Futter (siehe Esel) Galgen (siehe auch Dieb, Kloster) – Kein Panzer (nichts) schützt einen vor dem Galgen: IV 25,30 – selber am Galgen hängen bleiben (Wer andern einen Galgen baut, kommt selber dran): III 18,36 – Wer am Galgen hängen soll, kann nicht ertrinken: IV 13,54 gang – gang und gäbe sein: IV 99,152 Gans (siehe auch Sperling) – Eine Gans fliegt übers Meer, als Gans kommt sie zurück (und singt immer noch Gagag): I 50,39–41 – eine fremde Gans rupfen: III 98,16. Gärtner (siehe Bock) Gast (siehe auch Rabe) – Ein böser Gast treibt den Wirt aus: II 98,34 Gedächtnis (siehe lügen) Gedanke – Gedanken sind zollfrei (Von Gedanken gibt man keinen Zoll): IV 80,100 – Gedanken sind wie der Wind: IV 80,125 Geduld – das Kraut Geduld: I 6,49 – Geduld überwindet Übel und Unglück: I 6,49–54; I 100,49 Gefäß (siehe Deckel) Gegenwart, das Gegenwärtige – Das Gegenwärtige (die Gegenwart) ist gewiss: I 83,16 Geil – jemandem den Geil eintreiben: III 86,42 Geist (siehe glauben)

404 Geistlicher – Alle Geistlichen sind begierig auf Gaben: IV 30,16 gelb (siehe Finger) Geld (siehe auch Herr, hoffen, Kind, Rom) – Es sind nicht alle böse, die Geld begehren und bedürfen: II 100,53f. – Geld erfüllt mit Sorgen und Furcht: I 9,81 – Nimmer Geld, nimmer Gesell: IV 78,74 Gelegenheit – Die Gelegenheit (hat vorne Haare und) ist hinten kahl: I 16, 94 gemeinsam (siehe Schaden) Gemeinschaft / Allgemeinheit – Der Allgemeinheit dienen ist undankbar: I 22,37f. Genäsch – Genäsch will Schläge haben: II 38,26: Gewalt – Gewalt mit Gewalt vertreiben: I 25,29f. – Gewalt geht vor Recht: IV 44,45; IV 97,7 Gewinn – Übler Gewinn geht übel dahin; in der lat. Form: Male quesit/ male perdit: IV 15,58 Gewissen (siehe Rom) Gewohnheit (siehe auch Natur) – Gewohnheit hilft Anstrengung und Schmerz aushalten (hat leichte Bürde): III 95,52 Gift (siehe Honig) glauben (siehe auch lügen, Lügner, Untreue) – Man soll nicht allen Geistern glauben: I 19,17f.; II 25,41f. – Man soll nicht jedem glauben: I 10,22f. gleich (siehe auch Ochse) – Gleich und gleich gesellt sich gern: I 1,46 – Gleich hat gleichen Sinn: I 96,26 – Mit Gleichen hast du gleiches Recht: I 5,41 – Man halte sich an seinesgleichen: I 5,40; I 29,16; I 96,19

Register Glück, glücklich (siehe auch helfen, Schalk, Unglück) – Der Glückliche bekommt die Braut: IV 73,92 – Im Glück wird die Freundschaft groß: I 12,41 – Glück und Unglück, Liebe und Leid tragen einander am Rücken: III 52,29f. – Das Glück wandelt sich schnell: I 12,49; I 14,43 – Im höchsten Glück steht das Unglück vor der Tür: I 33,33f. Glut (siehe auch Butter) – eine fremde Glut auslöschen: IV 95,178 Gold (siehe Freiheit) Gott (siehe auch Kirche) – Gott gibt das Rind, aber nicht an den Hörnern. Variante: Gott gibt die Kuh an den Hörnern: II 14,25 – Mit Gott soll man nicht scherzen (Spott treiben): III 30,20 – Gott kann man nicht äffen (belügen): IV 3,92 Graben (siehe Sache) Gras (siehe auch Wiese) – jemanden ins Gras schlagen: II 46,41; IV 99,185 Gräte (siehe Fisch) groß (siehe Fisch, Glück, Gut, klein) Groschen (siehe Kind) Grube (siehe auch Fallstrick) – Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein: I 35,43f.; II 9,33f. Gruß – Guter Gruss, gute Antwort: IV 38,57f. Gulden – Ein selbst erworbener Gulden ist besser als zehn geerbte: IV 15,51 Gut (siehe auch Fülle) – Das beste Gut ist jenes, welches man schenkt: IV 15,47f. – Der Geselle des Guten wird gut: I 53,17 – bei großem Gut ist Hochmut: I 30,55 – Man soll Gutes mit Gutem vergelten: II 94,22

Phraseologismen (Sprichwörter, Redensarten u. Ä.) – Man sei nicht Sklave, sondern Herr des Gutes: IV 82,139 Haare – jemandem die Haare abspülen (den Kopf waschen): IV 81,187 – an den Haaren herbeiziehen: II 8,46 – Kein Haar fällt ohne Gottes Willen vom Kopf: III 40,46 – um ein Haar: IV 54,27 Hagel (siehe Regen) Häher – der Häher ist der Vögel Spott: IV 38,61 Hahn (siehe auch Kohle) – Auf seinem eigenen Misthaufen ist der Hahn stark: I 74,11f. – Hahn im Korb: I 13,30; III 100,10 – ein Hahn sein: IV 13,41 Haken – Früh krümmt sich, was ein Haken werden will: IV 6,45f. Hand – Die dreckige Hand (Fuß) findet oft etwas Gutes: IV 42,75f. – Eine Hand wäscht die andere: IV 61,28 – Viele Hände machen die Arbeit leicht (arbeiten leichter und schneller): III 31,28 Hanf – am Hanf in der Luft ertränken: IV 50,66 hängen (siehe Amt, Dieb, essen, Galgen, Hanf) Hans – Hans Kraft (Hans Marter) und Bruder Veit: I 55,51; III 89,34 – Meister Hans (=der Henker) verbietet’s ihm: IV 43,34 Hase (siehe Hund, Jagd) Haselnuss – mit Saft von der Haselnuss erquicken: IV 74,83; IV 81,110 Hasenpanier – das Hasenpanier ergreifen / aufstecken: I 23,46; IV 56,66 hässlich (siehe Liebe)

405

Haube – auf die Haube greifen: IV 96,26 Haufen – Der Haufen wird kleiner, wenn man immer nur davon wegnimmt und nichts darauf legt: IV 10,9–11 Hauptsumme – Ohne Hauptsumme (Eigenkapital) ist Wuchern nicht möglich: II 100,51f. Haus (siehe Feuer, Narr, Spötter) Haut (siehe Riemen) Helb (siehe Axt) helfen, Hilfe (siehe auch liegen) – Wer sich selbst hilft, dem hilft das Glück: I 23,41f. Heller – keinen Heller geben: II 4,82; III 26,28 – nicht einen Heller wert sein: II 28,38 Henker (siehe auch Hans, Schiffleute) – wie der Henker seinem Knecht lohnt: III 47,34 – zum Henker wünschen (den Hänger fluchen): II 100,25 Henne (siehe Ei) Herr (siehe auch Auge, Hund, übersehen, Untreue) – Wenn Geld vor Tugend und Gewalt vor Recht geht, wäre ich lieber Herr als Knecht: IV 44,43–46 – Große Herren haben große Sorgen: IV 95,267 – Der Herr ist der Knecht des Knechtes: I 9,107 – Mit Herren ist schlecht Kirschen essen: I 5,46 hinken (siehe auch Hund, lügen, reiten) – zu beiden Seiten hinken: IV 94,288 Hochmut (siehe auch Gut) – Am Hochmut der Armen wischt sich der Teufel den Arsch: II 28,53f. – Hochmut bei Armut ist verwerflich: II 28,45–47 Hochzeit – jemandem eine Hochzeit machen: III 65,25

406 hoffen, Hoffnung – Für Hoffnung kein Geld ausgeben / das Hoffen um Geld kaufen: I 4,32 – Hoffnung macht Narren: I 4,33f.; I 86,21f. Höhneisen – jemandem das Höhneisen anhängen: I 63,20; IV 38,16 Holz – Holz in den Wald tragen: III 61,43f. – am kalten Holz den Magen wärmen: IV 19,106 Homer – Wenn Homer nichts mitbringt, muss auch er wieder gehen: III 92,9–14. – Manchmal stammelt auch der gute Homer: IV 76,56 Honig – Mit dem Genuss des Honigs ist der Stich des Stachels verbunden; Variation: Wer sich die Bienen schrecken lässt, wird auch den Honig nicht schmecken: IV 42,79f.; IV 73,73f.; vgl. auch IV 58,45f. – mit Honig das Gift süß kochen: I 26,40 – Unter dem Honig ist Gift verborgen: I 79,30 – Honig zieht Fliegen und Mücken an: II 89,5f. Hopfen – Hopfen und Malz verlieren: II 88,40 hören – dass einem Hören und Sehen vergeht: II 54,30 Hose – An den Hosen erkennt man, wo das Bein (Knie, Schenkel) gebrochen ist: I 43,41f. – in die Hosen schmeißen (machen): I 21,30 Huhn (siehe auch Ei) – Ein gebratenes Huhn (Taube) fliegt dir (nicht) in den Mund: II 14,24; III 48,18f. Hund (siehe auch Kind) – Bellende Hunde beißen nicht: II 36,28

Register – Der Hund bellt (ist mutig), wenn er bei seinem Herrn ist: I 74,13f. – Der Hund braucht nicht für seine Schuhe sorgen: II 31,222 – den Hund hinken lassen: II 88,4 – Die Hunde nehmen den Kindern das Brot, nicht den Alten: I 2,37f. – Wer den Hund schlagen will, findet leicht einen Knüppel: I 2,35f. – Wer den Hund schlagen (töten) will, wirft ihm vor, er habe Leder (Schmer, Fett) gefressen: IV 100,30f. – Wo der Hund einmal geschlagen wird, dorthin wagt er sich nicht noch einmal: I 26,35f. – Der Hund, der dem Stein hinterher rennt, verlässt den Werfer: IV 92,93f. – Ein törichter (tollwütiger) Hund läuft selten länger als sieben Jahre: II 10,31f. – Wenn zwei Hunde sich um einen Knochen streiten, nimmt ihn der dritte: I 3,27f. – Zwei (viele) Hunde sind des Hasen Tod: IV 1,262 Hunger (siehe auch Brot) – Der Hunger jagt den Wolf aus dem Wald: IV 49,25f. – Hunger macht auch rohe Bohnen süß: IV 10,48 – Hunger ist ein scharfes Schwert: IV 10,29 Hut, Hütlein (siehe auch Ohr) – unter dem Hütlein spielen und stechen: IV 49,137; IV 75,156 Jagd, jagen (siehe auch fliehen) – Wer gerne Hasen jagt, der fängt einen: IV 37,22f. – Man jagt stets, aber fängt nicht immer etwas (Es ist alle Tage Jagdtag, aber nicht immer Fangtag): IV 8,22 Jahr (siehe auch Stunde) – Dass ihn ein böses Jahr angehe: I 11,26 – Mit einem Kraut namens »Jahre weg« ginge es besser: IV 91,18–20

Phraseologismen (Sprichwörter, Redensarten u. Ä.) Johannissegen – den Johannissegen schenken: I 49,21. Jude (siehe Fuchs) Jugend, jung – Den Jungen liegt die Tat, den Alten Rat und Weisheit: IV 72,49–52 – Die Jungen singen wie die Alten: IV 19,123f. – Wer sich in der Jugend strafen lässt, kommt desto eher zu großer Tugend: II 71,23f. Jurist (siehe Arzt) Kalb – Die jungen Kälber lecken einander: IV 57,56f. Kalbsfurz – keinen Kalbsfurz dafür braten: IV 74,78 Kalender – einem den Kalender lesen: I 79,14 kalt, Kälte – kalt und warm aus einem Mund blasen: II 11,62 Kamel – Kamele verschlucken und Mücken seihen: IV 45,23f. Kamm – einen Kamm stehlen: I 11,63f. Kappe – jemandem eine Kappe kaufen: I 17,70; IV 99,311 Katze – Junge Katzen haben spitze und scharfe Tatzen: IV 52,49f. – Katzen halten sich dort auf, wo sie gestreichelt werden: IV 57,60 – Katzenkinder mausen gern: I 50,48; III 61,38 – die Katze nimmt dir heute nicht den Magen: IV 19,64 kaufen, verkaufen (siehe Bärenhaut, Brille, hoffen, Kappe, Weinkauf, wohlfeil) Kegel – solche Kegel schieben: IV 4,110

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– Man trifft nicht mit jedem Wurf sieben Kegel: IV 73,55 kennen (siehe auch erkennen, Esel, Feder, Hose, Not) – Selig ist der, den wenige kennen: I 30,59f. Kessel – Wenn man sich an (alten und schwarzen) Kesseln reibt, wird man dreckig: IV 8,85f. Keule – Größere Keulen bringen größere Beulen: III 3,15f. Kind (siehe auch Fuchs, Hund) – Beschissne Kinder werden selten fortgeworfen: I 86,57f. – Fremden Kindern (Hunden) Gutes tun, wird mit Undank vergolten: III 47,35–38 – Ein Kind findet manchmal eher ein Geldstück als ein Alter: I 14,57f. – Ein schwarzes Kind findet oft einen weißen Groschen: III 14,17f. Kirche – Wo Gott eine Kirche baut, baut der Teufel eine Schenke (ein Hurenhaus) daneben: IV 89,3–5 Kirsche (siehe Herr) klappern – Klappern (Klippern) gehört zum Handwerk: IV 94,304 klein (siehe auch Muskatnuss, Schaden, Stein) – Wer das Kleine verschmäht, verliert das Größere: I 45,37f.; I 68,31f. Kleinod (siehe Freiheit) Kletterer (siehe steigen) Kloster – das Kloster der dürren Brüder, in deren Chor man mit Leitern steigt: IV 43,29– 31 Knecht (siehe Henker, Herr) Knoblauch (siehe Zwiebel) Knüppel (siehe Hund) kochen, Koch (siehe auch Hund, Mus) – jemandem ein Frühstück kochen: IV 60,114

408 – es (das Mahl) jemandem kochen: IV 5,62; IV 73,51; IV 98,65 – Je mehr Köche, desto minder im Topf (Viele Köche verderben den Brei): IV 58,35–38 Kohle – über glühende Kohlen laufen wie der Hahn: IV 18,76 Königreich – und kostet’s ein Königreich: I 31,19 Kopf (siehe auch Bauch, Haar, Stein) – den Kopf an die Mauer stoßen: III 92,92 – Wer einen Kopf hat, muss sich auch den Bart scheren: IV 3,26 Korb (siehe Hahn, Wasser) Krähe (siehe Rabe, cras) kratzen (siehe Ohr, Pferd, vorne) Kraut (siehe auch Geduld, Jahr) – Wen das Kraut (Gemüse) vom Tisch abschreckt, wird auch den Braten nicht schmecken: I 34,43f. – Ein seltenes Kraut / Gewürz braucht man in Jedermanns Garten nicht zu erwarten: I 94,39f. Krebsgang (siehe Anfang) Kreuz (siehe Simeon) Krieg (siehe Friede) Krokodil – sich wie ein Krokodil stellen (Krokodilstränen): IV 81,44 Krug (siehe auch Essig) – Der Krug geht zum Wasser, bis er bricht: II 10,33f.; IV 34,24–26 Kuh (siehe auch Gott) – Eine Kuh, die oft brüllt, gibt wenig Milch: II 36,25f. – Wenn eine Kuh dreckig ist, will sie die andern auch dreckig sehen: III 41,29f. – Kühe machen Mühe: IV 95,265f. – Wenig Kühe, wenig Mühe: I 9,109f. – Die Kuh des Nachbarn gibt mehr Milch: I 75,51; II 49,51f. – Der Kuh schmeckt Haferstroh besser als Muskat: I 1,39f.; IV 23,85f.

Register – Man melkt nicht viel von einer Kuh: IV 93,8 Kunst (siehe Musik, Not) Lachen – Lach mich jetzt an und gib mich hin: I 94,45 Lauge – mit scharfer Lauge waschen: IV 50,42 – mit derselben Lauge begossen sein: IV 86,37 Lauer – Wer sauren Lauer nicht gekostet hat, kennt auch süßen Most nicht: III 95,57f. Laus – Läuse in den Pelz setzen: III 61,48 Leben – Böses (übles) Leben, böses (übles) Ende: III 18,23f. – Dem Leben entspricht der Tod: IV 6,43f. – Das Leben ist ein (steter) Kampf: I 93,37 lecken (siehe Finger, Kalb, vorne) Leder (siehe auch Hund) – Leder außen und innen schaben: IV 93,14 Leid – Das Leid, das man mit Freude annimmt, trifft einen umso weniger: III 70,11f. Lenz – sich den Lenz stechen lassen: III 48,16; IV 37,27; IV 58,39 Licht – bei Licht besehen: IV 16,9 – Der Schwächste hält immer das Licht: II 37,18 Liebe – Selbst wenn die Liebe in den Dreck fällt, hält sie diesen noch für ein rotes Rosenblatt: I 81,39f. – Die Liebe macht dass Hässliche schön: I 81,37f. – Wer das Liebe (Geliebte) zu lieb hat, der verliert das Liebe (Geliebte): IV 51,19f.

Phraseologismen (Sprichwörter, Redensarten u. Ä.) Lied – das Lied zu hoch anfangen: III 88,57f. – ein Liedlein pfeifen: II 12,32 – ein süßes Liedlein singen: II 46,43 liegen – Über den, der (unten) liegt, laufen alle hin, und keiner hilft ihm auf: III 84,23f. List (siehe auch Frau) – List wird mit List bezahlt: III 96,85 loben, Lob (siehe Eigenlob, Nachbar) Loch – Alle Löcher werden zu eng: III 92,88 – Löcher in fremde Bretter bohren: IV 16,50 Löffel – zur Sache einen Löffel waschen: I 90,62 – den Löffel aufheben und die Schüssel zertreten: IV 92,95f. Lohn – Wie die Leistung (Handlung), so der Lohn: II 30,133f.; II 34,21f.; II 64,42; IV 34,45f. Lot (siehe Not) Löwenhaut – Wo die Löwenhaut nicht reicht, muss die Fuchshaut dazugenommen werden: I 67,28–32 – in die Löwenhaut verkleiden: IV 48,40 Luder – im Luder liegen: III 94,28 lügen, Lüge, Lügner – die Lüge fiedern (Federn verleihen): III 88,56 – Lügner müssen ein gutes Gedächtnis haben: III 79,29f. – Wer zwei- oder dreimal lügt, dem glaubt man nicht: I 62,39–43 – Die Lüge hinkt auf einem Bein: III 29,33 Made (siehe Mönch) Magen (siehe Holz, Katze, Rom) mahlen – Wer zuerst (zur Mühle) kommt, mahlt zuerst: IV 73,90; IV 83,73

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Malz (siehe Hopfen) Mann (siehe Frau, selbst) Mantel – Den Mantel (Hut) nach dem Wind hängen, kehren: IV 7,111; IV 75,150 Markolf – Bruder Markolf: I 56,58 Maß (siehe messen) Matte – von der Matte auf das Stroh kommen: IV 8,76 Mauer (siehe Kopf) Maul (siehe Mund) Maultier (siehe Pferd) Maus (siehe Katze, Mönch) Mäusedreck – Der Mäusedreck mengt sich unter den Pfeffer: IV 48,36 Mens (siehe Verstand) messen, Maß (siehe auch Alter, Musik) – böse Malter messen: IV 86,10; IV 99,268 – Maß ist bei allen Dingen gut: II 15,26 – Mit dem Maß, mit dem man misst, wird man selbst gemessen: I 27,45f.; IV 9,33f. – Jeder messe sich mit seinen eigenen Füßen: I 63,18; III 60,15; Variation: Jeder sehe auf die Länge seiner Füße: IV 95,323 – das rechte Maß halten: I 72,16 Messer (siehe auch Schwert) – neue Messer haben scharfe Schneiden: IV 52,48 – sein Messer in fremde Scheiden stecken: IV 16,47 – Messer wetzen: IV 13,56; IV 14,70 Mette – jemandem die Mette lesen: II 60,58 Milch (siehe Kuh) Misthaufen (siehe Hahn) Mönch (siehe auch Abt) – Mönche, Mäuse, Motten und Maden scheiden selten ohne Schaden: IV 22,47f.

410 – Mönche (Franziskaner) müssen paarweise zum Teufel fahren: IV 4,115f.; IV 69,27f. Mores – jemanden Mores lehren: I 85,12; III 42,14; IV 96,104 Most (siehe Laur) Motte (siehe Mönch) Mücke (siehe auch Kamel, Honig) – Magere Mücken beißen sehr: II 85,30; IV 52,32 Mühe (siehe Kuh) Mühlsteine (siehe Stein) Müller (siehe Zöllner) Mund, Maul (siehe auch Backofen, Biss, kalt, Schwert, Spinnennetz) – jemandem das Maul (die Mäuler) schmieren: I 11,57; II 18,29 – das Maul verbrennen: IV 17,25 – Wer seinen Mund zur rechten Zeit halten kann, bewahrt seine Seele: II 11,73f. – Der Mund beginnt einem zu wässern: IV 100,66 – zwischen Mund und Becher (ereignet sich manch Unglück): I 83,20f. Münze – mit gleicher Münze bezahlen: III 96,70 Mus – jemandem das Mus kochen: III 16,35 – das Mus versalzen: IV 58,37f. – das Mus verschütten: I 55,49; III 37,16; IV 81,151 Muße – Mit Muße kommt man weit (Eile mit Weile): III 76,28 Musik – Musik und ähnliche Künste sind gut, wenn man sie maßvoll gebraucht: III 20,15f. Muskat(nuss) (siehe auch Kuh) – Lieber eine kleine Muskatnuss als eine große süße Rübe: III 66,9f. Mut, Mütlein – den Mut (das Mütlein) kühlen: III 84,20; IV 53,37

Register Nachbar (siehe auch Flachs, Kuh, Wiese) – Besser daheim viel Kummer erleiden, als böse Nachbarn haben: II 97,17f. – Wer einen bösen Nachbarn hat, der lobt sich selbst: II 19,43f.; IV 57,63f. – Wer wissen möchte, wer er ist, frage seine Nachbarn: III 60,13f. Nächste – Jeder ist sich selbst der Nächste (niemand liebt seinen Nächsten wie sich selbst): II 86,41f. Nacht (siehe auch Stunde) – eine gute Nacht für 25 gute Tage nehmen: IV 30,40–42 nackt – Der Nackte singt vor den Räubern: I 9,95 Nagel – Freudennagel: II 62,39 – Ein Nagel treibt den andern hinaus: I 25,34 – mit einem stumpfen Nagel stechen: IV 33,5 Narr (siehe auch hoffen) – Ein Narr fragt mehr, als zehn Weise antworten können: IV 95,10–12 – Ein Narr hält alle anderen für ebenfalls dumm: II 61,26 – Die Strafe ist beim Narren vergeblich: I 1,34 – Die Zahl der Narren ist unendlich: II 8,54; IV 95,274 – Zwei Narren in einem Haus sind zuviel: II 85,22 Narrenseil (siehe Seil) Nase – sich an (bei) der (eigenen) Nase fassen (nehmen): II 61,22 – bei (an) der Nase (herum) führen: IV 69,204 – die Nase rümpfen: IV 96,121; IV 100,136 – eine wächserne Nase machen: IV 18,70; IV 75,158.

Phraseologismen (Sprichwörter, Redensarten u. Ä.) Natur (siehe auch Teufel) – Art lässt (schlägt) nicht von Art (Die Natur kann man nicht aufgeben): II 60,73; IV 3,25; IV 93,207. – (Lange) Gewohnheit wird zur (zweiten) Natur; Variation: Die Gewohnheit wird transformiert und der Natur ›eingeleibt‹: IV 93,40f. – Natur übertrifft Gewohnheit: II 22,52 – Wenn man die Natur verbieten will, tritt sie umso stärker hervor: II 60,71f. Nesseln – sich in die Nesseln verkriechen: III 67,6 Nest – Wer zuerst zum Nest kommt, nimmt die jungen Vögel: IV 73,87f. Nesteln – Alle Nesteln werden kurz: III 94,40; IV 15,22 nichts – Mir nichts, dir nichts: II 24, 34 Not – Ein Freund in der Not ist wichtig: III 11,47 – In der Not gehen viele Freunde auf ein Lot: I 12,67f. – Not lehrt einen schwer tragen: III 95,51 – aus der Not eine Tugend machen: IV 28,38 – Der wahre Freund lässt sich erst in der Not erkennen: I 94,51 Nussbaum (siehe Frau) obenhinaus – obenhinaus (wollen führt zu nichts): III 79,23 Ochse – gleiche (zwei) Ochsen ziehen gleich (gleichmäßig): II 59,24 Ofen (siehe Backofen, Brot) Ohr (siehe auch Esel) – bis über die (beide) Ohren: II 61,28 – sich hinter den Ohren kratzen: II 74,13; IV 73,42

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– In ein fremdes Ohr schneidet man wie in einen Filzhut: IV 35,27f. – Ohrenbläser, Ohrenblasen: II 57,19; IV 100,141 Öl – mit Öl das Feuer löschen: III 61,45 Ostereier – viele Ostereier gegessen haben: IV 91,22 Ostern – Da war selten Ostern: II 60,14 Paar, paarweise (siehe Mönch) panis (siehe Brot) Partecken – Partecken lesen: IV 47,23 Pech – abgehen wie warmes Pech: II 4,90 – Wer Pech berührt, trägt Spuren davon: I 53,19f. Pelz (siehe Bärenhaut, Laus, Zobelpelz) Perle – Perlen sind Schweinen ungesund / soll man nicht den Schweinen vorwerfen: I 1,38 Pfeife, pfeifen – kleiner pfeifen: IV 19,118. – die Pfeife in den Sack ziehen: II 28,40 – nach der Pfeife tanzen: II 39,12; IV 1,275; IV 66,204; IV 81,186; IV 96,25 – Wenn einer gerne tanzt, ist ihm leicht zu pfeifen: IV 37,21 Pfeil – seinen Pfeil in fremde Köcher stecken: IV 16,49 Pferd (siehe Auge, faul) – wie die Pferde einander schaben (Ein Maultier kratzt das andere): IV 1,268; Variation: wie die Esel einander reiben: IV 94,312. Pflicht – die Pflicht leisten: II 56,7 Pfund – mit seinem Pfund wuchern: III 90,62

412 Placebo – Placebo singen: I 55,35 Plan – Nicht alle Pläne gehen in Erfüllung: IV 63,54; IV 80,132 potz (siehe botz) Prophet – beschissner Prophet: I 16,32 Prügelsuppe – mit einer Prügelsuppe laben: IV 74,80 Rabe, Rappe (siehe auch cras, Weihe) – Wenn der Rabe still frisst, bekommt er selten fremde Gäste: IV 89,39f. – einen Raben weiß baden (waschen) wollen: II 60,69 – ein weißer Rabe, ein schwarzer Schwan: I 94,33 Rad, Rädlein – das Rädlein treiben: III 98,12; IV 60,132f. Rapuse – in die Rapuse werfen: II 22,27 Rat (siehe auch Jugend) – Auch Schwache und Geringe (Kleine, Arme) können guten Rat geben: III 14,15f.; IV 79,40 – Rat nach der Tat kommt zu spät (ist töricht): II 27,135–138; III 62,14 Räuber (siehe nackt) Recht (siehe Gewalt, gleich, Herr) Regen – aus dem Regen laufen und ins Wasser fallen: I 76,31f.; II 51,23f.; Variante: Mancher weicht einem kleinen Regen aus und kommt bald in einen größeren: IV 41,25f. – Nach dem Regen scheint die Sonne (heller und wärmer): III 52,26 – wie der Regen (Hagel) in die Stoppeln kommen: II 27,137f. – Nach Sonnenschein folgt Regen (Dunst, Nebel): II 93,38

Register Reichtum, reich (siehe auch Armut, Brot, Geld) – Wer reich sein will, fällt in Angst und schwere Pein: I 9,89f. reiten (siehe auch Esel) – ungehunken reiten: I 18,34 Reuel – am Reuel kauen: I 18,42; II 85,24 Rhein – Da läuft noch viel Wasser den Rhein hinab: IV 88,50 – Weder Elbe noch Rhein waschen es ab: II 22,60; III 99,66; IV 6,66f.; IV 40,28– 30 Riemen – Aus fremder Haut schneidet man breite (lange) Riemen: IV 35,26 – zweifache Riemen schneiden: IV 13,57 Ritt – Fluchformel: hab den Ritten: II 75,7; III 89,27; Varianten: Gott geb den Ritt: IV 43,25; IV 59,35; es will den Ritten haben: IV 46,33; der Jarritt gehe dich an: III 98,60 Rocken – Was jemand an den Rocken gebunden hat, muss er selbst spinnen: II 23,29f. Rom – als ob’s zu Rom gedonnert hätte: IV 65,22 – Man bringt dreierlei von Rom mit: einen bösen Magen, einen leeren Säckel und ein schlechtes Gewissen: IV 24,8f. – Je näher Rom, je böser Christ: IV 24,92 – Zu Rom schadet einem keine Sünde, außer dass man kein Geld mehr hat: IV 24,68 Rute – Die starke Rute bricht beim Biegen: I 100,39 Sache (siehe auch Wort) – eine Sache (den Wagen) in den Graben führen: I 55,47f. – eine Sache wird aus übel ärger: IV 36,23

Phraseologismen (Sprichwörter, Redensarten u. Ä.) Sachsen (siehe Feder) Sack (siehe auch Pfeife, Schwein, Wunsch) – immer vier Zipfel vom Sack haben wollen: II 24,28 Salz – viele Scheffel Salz mit jemandem essen: III 19,16 Sand – den Sand(strand) pflügen: IV 95,174 Sau – Die Sau hat spinnen gelehrt: IV 45,30 Saus – in vollem Saus / im Saus leben: III 94,29; IV 15,38; IV 19,27; IV 69,29; IV 70,23; IV 74,27 schabab – schabab bleiben: II 38,36; III 92,14 – schabab sein: II 46,46 Schaden (siehe auch Spott) – Gemeinsamer Schaden (Unglück) ist leichter zu ertragen (zu wagen): III 95,49 – Ein kleiner Schaden ist besser als ein großer: I 18,53f. – mit Schaden klug/gelehrt werden (Schaden macht vorsichtig und weise): I 11,76; I 33,38; I 38,49; I 47,12f.; I 79,24.34; IV 73,94; IV 99,522; variiert: III 63,27–30 – Wer im Schaden schwimmt, hat gerne, dass viele mit ihm baden: IV 86,51f. – aus einem Schaden zwei machen: III 93,206 Schaf – Außen ein Schafskleid, innen ein Wolf: II 92,25f.; III 2,17f.; IV 49,147; vgl. auch I 90,81–84 – die Schafe selber scheren: IV 66,242 – seine Schafe einen anderen weiden lassen: IV 16,48 – den Wolf auf die Schafe hetzen: III 61,47 – seine Schafe zusammenbringen: IV 4,98

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Schalk – den alten Schalk (Adam) ausfegen: IV 3,102 – Je größer der Schalk (Schurke), desto mehr Glück hat er: IV 73,81 – Manch Schalk wandert in der Welt: III 90,32 – Schalk über Schalk: I 27,38 – Wer einen Schalk mit Schalk betrügen will, muss vorsichtig sein: IV 2,195f. – in der Schalkshaut stecken (mit einer Schalkshaut überzogen sein): III 90,56; IV 81,52; Variation: ein Schelm in seiner Haut sein: IV 83,91 – Darin ist der Schalk verborgen: III 81,11 scharf (siehe auch Messer) – Das Scharfe bekommt zuerst Scharten: III 95,48. Schatten (siehe Baum) Schein – Der Schein trügt (bescheißt): II 70,23f. schenken (siehe Gut) Scherbe (siehe Topf) Schiffleute – Die Schiffleute führen Diebe in die Städte, der Henker führt sie wieder hinaus: IV 13,12–14 schlagen, Schlag (siehe Genäsch, Hund) schleifen – zugleich schleiffen und wenden (können): IV 7,125; IV 75,154. Schmerz (siehe Gewohnheit) Schmutz, schmutzig (siehe Dreck) schnell (siehe behende) Schönheit, schön – Nichts ist von allen Seiten schön: I 18,38 – Schönheit ohne Tugend ist nichts wert: I 28,18 Schreibfeder – Die Schreibfeder muss Königin bleiben: III 92,186

414 Schuh (siehe auch Hund, Schuster) – Der Schuh drückt einen: II 45,37 – Man soll die alten Schuhe nicht wegwerfen, bevor man ein neues Paar hat: II 77,31f. schuldig – Der Schuldige zittert / dem Schuldigen schuttert stets die Haut: IV 98,138 Schulter (siehe Achsel, Stein) Schüssel (siehe Löffel) Schuster – Schuster bleib bei deinem Leisten. Variante: Schuster, urteile nur über Schuhe: II 33,38 schwach, Schwäche (siehe Licht, Rat) Schwalbe – Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer: III 71,15 Schwan (siehe Rabe, Sperling) Schwanz – den Schwanz hängen (einziehen): I 55,54 schwarz (siehe weiß) Schwein (siehe auch Perle, Treber) – Wenn einem ein Schwein angeboten wird, dann soll man den Sack (Mantel, Strick) bereithalten; Variation: Dank nicht für das Schwein, bevor du es in den Sack geschoben hast: IV 88,51f. Schwert – mit dem eigenen Schwert geschlagen werden: I 38,50; II 9,30; III 22,18f. – Wenn man mit dem Schwert (Zunge) in der Waffel (Mund) quatscht, kriegt die Scheide (Lippen) einen ›Maultatschen‹: II 91,35f. – Ein Schwert hält das andere in der Scheide (Messer verhindert Zusammenstoß): II 48,19f. – Wer das Schwert nimmt, kommt durch das Schwert um: II 34,23f. Schwielen (siehe Arbeit) Schwimmer – Oft ertrinken gerade die guten Schwimmer: I 36,52

Register Segen – den Segen mit den Füßen geben: IV 32,84 sehen (siehe hören) Seil – jemanden übers Seil rücken: IV 94,6 – an einem Strick ziehen; Variation: am Bubenseil ziehen: IV 39,10; am Narrenseil ziehen: IV 81,172 selbst – Selbst ist der Mann: III 94,268 Siegel (siehe Brief) Simeon – Der Simeon muss das Kreuz tragen: II 37,16 singen (siehe cras, Eli, Jugend, Lied, Placebo) Skylla – zwischen Skylla und Charybdis: II 51,25f. Sohn (siehe Frau) Sommer (siehe Schwalbe, Wunsch) Sonne (siehe auch Butter, Regen) – Nicht leiden können, dass (einem anderen) die Sonne ins Wasser scheint: I 64,21f. Sorge (siehe Brot, Geld, Herr, Reichtum, Zobelpelz) sparen (siehe auch fasten) – Der Sparer muss einen Zehrer haben: IV 15,10 Sperling (siehe auch Zaun) – besser einen Sperling in der Hand als eine Gans draußen auf dem Sand: I 4,35f.; Variante: … als einen Schwan …: I 83,18f. Spiegelfechten – ein Spiegelfechten machen: I 90,41; IV 18,77 Spieß – in den eigenen Spieß fallen: III 69,21 – im kurzen Kasten lange Spieße suchen: IV 12,16 – selbst einen Spieß darum brechen: IV 53,34

Phraseologismen (Sprichwörter, Redensarten u. Ä.) spinnen (siehe auch Rocken, Sau) – aus einem toten Rosskopf gesponnen: IV 2,40 Spinnennetz – kein Spinnennetz vor dem Maul (wachsen) lassen: II 57,14 – Spinnennetze lassen große Tiere durch und fangen nur die kleinen: IV 44,62– 64 Splitter – den Splitter im Auge des andern sehen, den Balken im eigenen nicht: I 88,13f.; IV 5,99f. Spott (siehe auch Gott, Häher) – den Spott und den Schaden haben / den Spott zum Schaden haben (hören, kriegen): I 11,48; II 69,18; III 46,27f.; III 58,28; III 86,38; IV 87,34; variiert: I 33,34f. Spötter – Des Spötters Haus brennt auch: IV 79,36 Spottvogel – einen zum Spottvogel machen: II 55,22 Sprung, springen – Man schreie nicht ‚gelungen!‘, bevor man hinüber gesprungen ist: II 74,27f. Stachel (siehe auch Honig) – wider den Stachel löcken: II 99,22 stammeln (siehe Homer) Stand – Jeder bleibe bei seinem Stand: I 13,55; II 87,19 stark – Vor dem Starken soll man sich krümmen: II 80,43 stehen – Wer steht, gebe acht, dass er nicht falle: I 33,48 Stegreif – sich des Stegreifs nähren: IV 34,20 steigen (siehe auch Zaun) – Wer zu hoch steigt, fällt: I 29,23f.; Variante: Die besten Kletterer fallen: I 36,51

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Stein (siehe auch Hund) – Ein kleiner Stein stürzt oft einen großen Wagen: II 13,25f.; III 7,37f. – Man kann leichter einen Stein erweichen, als ein böses Herz gut machen: III 4,15f. – den Stein auf beiden Schultern (Achseln) tragen: IV 7,124; IV 75,151 – Es möchte einen Stein erbarmen: II 31,94 – den ersten Stein werfen: I 85,32 – jemandem einen Stein in den Garten werfen: III 44,35 – Wer einen schweren Stein nicht heben kann, soll ihn liegen lassen: II 35,29ff. – Wer einen Stein über sich wirft, dem fällt er auf den Kopf: I 35,41f.; II 80,41f. – Zwei (gleich) harte (Mühl)Steine mahlen nicht gut: I 100,41f. Stich, stechen (siehe auch Honig, Nagel, Zaun) – Stich um Stich geben: IV 65,13 Stiefmutter – Wer eine Stiefmutter hat, hat auch einen Stiefvater: IV 70,37f. – Der hat eine Stiefmutter / stiefmütterlich behandeln: IV 70,57–62 Stiel (siehe Axt) Stoppeln (siehe Regen) Strafe (siehe Narr, Tat) Strebkatze – die Strebkatze mit jemandem spielen: I 94,14. Strick (siehe Seil) Stroh – vom Stroh aufs Bett kommen: IV 15,44 – leeres Stroh dreschen: II 88,36 Stuhl – zwischen zwei Stühlen sitzen (und hinunterfallen): IV 39,94; Variation: beim Stuhl niedersitzen: III 93,234 – nicht unter den Stuhl stecken: IV 75,85 Stunde (siehe auch Nacht) – eine böse Stunde für 25 böse Jahre nehmen: IV 67,51f.

416 Sturz – den Sturz gewinnen: III 94,39 Sünde (siehe Rom) Suppe – Suppenfresser: IV 100,65 Tag (siehe auch Nacht) – Gute Tage sind schwer zu ertragen: IV 90,201f. tanzen (siehe auch Esel, Pfeife) – Man soll nicht vor dem Essen tanzen: IV 87,32 und 40 Tasche – jemandem die Tasche fegen: III 23,12 Tat, Missetat (siehe auch Jugend, Rat, Verrat) – Der Missetat folgt zurecht die Strafe nach: IV 20,158 Tatze (siehe Katze) taub – so viel wie der Taube von den Orgelpfeifen weiß; IV 84,10f. Taube (siehe Huhn, Weihe) Teufel (siehe auch Hochmut, Kirche, Mönch) – Der Teufel kam zu seiner Mutter: II 80,2 – Wo der Teufel drinsteckt, wird er schwerlich ausgetrieben: III 4,17f. – Wenn der Teufel gesund ist, kehrt er zu seiner alten Art zurück: IV 3,115– 118 Tod (siehe Hund, Leben) Topf (siehe auch Deckel, kochen) – da geht der Topf zu kleinen Scherben: IV 6,40 – Zerbrochene Töpfe findet man überall: III 28,18 Treber – Wer sich unter die Treber mengt, den fressen die Schweine: I 60,27f. Treue (siehe auch Untreue) – auf Treu und Glauben: III 96,6.8 Tropf – ich armer Tropf: IV 88,39

Register – ein armer, heilloser, fauler (usw.) Tropf: I 76,15; II 80,14; III 86,3; IV 29,20; IV 41,11; IV 90,130; IV 92,54 Tugend (siehe Jugend, Not, Schönheit) Tun – Was dir der andere tun soll, das tue ihm auch (Goldene Regel): I 27,43f. Tür – (erst) vor der eigenen Tür kehren: I 85,31; II 61,24; IV 33,48 – die Tür verfehlen: II 70,22 Überfluss (siehe Fülle) übersehen – Wer nicht übersehen kann, taugt zu keinem Übermann: II 69,23f. Undank, undankbar (siehe auch Gemeinschaft, Kind) – Alles ist verloren, was man dem Undankbaren erweist: II 94,18 und 19f. Unglück (siehe auch Geduld, Glück, Schaden) – Ein Unglück kommt nicht allein: I 85,22; III 31,18 – Selig ist der, der aus dem Unglück anderer lernt: I 73,35–40 Unkraut – das Unkraut bis zur Ernte beim Weizen stehen lassen: III 90,58 Untreue – Untreue trifft / schlägt ihren eigenen Herrn (Untreue fällt auf den Untreuen zurück): I 35,45f.; II 5,46; II 9,35; IV 71,52 – Seit die Untreue geboren ist, hat die Treue das Feld verloren: I 94,49f. Vater (siehe auch Frau) – des Vaters Unglück: II 60,22 Vaterland (siehe Verrat) verachten, Verachtung (siehe auch Drohung, wohlfeil) – Man verachte niemanden: I 99,31 verlieren, Verlust (siehe Hopfen, klein, Liebe)

Phraseologismen (Sprichwörter, Redensarten u. Ä.) Verrat – Es gibt keinen größeren Missetäter als einen Vaterlandsverräter: III 75,17f. versalzen (siehe Mus) Verstand – Ein gesunder Verstand in einem gesunden Körper: II 20,26 verzehren (siehe auch sparen) – Viel verzehren und nichts erwerben hilft zu Armut und Verderben: IV 51,21f. Vettel (siehe Fuchs) Virgas – Virgas geben: III 39,45 Vogel (siehe auch Aas, Häher, Nest) – Böser Vogel, böses Ei (wie der Vogel, so das Ei): III 42,20 vorne – Vorne lecken, hinten kratzen: III 44,42 Wagen (siehe Sache, Stein) wagen – Wer viel haben will, muss viel wagen: IV 3,50 Wahrheit – Wahrheit findet keine Herberge: IV 75,146–148 Wald (siehe auch Holz) – Der Wald gibt stets einen Widerhall (wie einer in den Wald hineinruft, so antwortet man ihm): IV 38,55f. warm (siehe kalt, Pech, Wunsch) waschen (siehe Haare, Hand, Lauge, Löffel, Rabe, Rhein, Ziegel) Wasser (siehe auch Regen, Rhein, Sonne) – Stille Wasser gründen tief: II 36,30 – Das Wasser geht über die Körbe: II 74,20 – jemandem nicht das Wasser reichen (können): II 70,12; II 84,21f. – ins Wasser schreiben: IV 95,176 – nicht gegen das Wasser (den Strom) schwimmen: II 80,44 – umsonst sein Wasser vergießen: III 4,14

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Wassertrunk – mit einem starken Wassertrunk laben: IV 50,64 Weber (siehe Zöllner) Weg – den breiten Weg gehen: II 17,68 – auf halbem Wege hängen bleiben: IV 58,52 – Wer öffentlich am Weg baut, muss sich nicht ärgern, wenn alle ihn beurteilen: IV 95,297–300 Weihe – Die Weihe bekriegt die Tauben und lässt die Raben fliegen: I 2,39f. Wein (siehe Fass, Laur) Weinkauf – den Weinkauf getrunken haben: III 25,36 weiß (siehe auch Rabe) – schwarz und weiß auseinanderhalten können: I 81,29 Weisheit (siehe Jugend, Narr) Welt – Die Welt geht auf und ab: II 46,47 wenden (siehe schleifen) Wiese – Die Wiese des Nachbarn hat besseres Gras: I 75,49 – in der Wiese des Nachbarn grasen: IV 16,51 Wind (siehe auch Gedanke, Mantel) – in den Wind schlagen: III 98,127 wohlfeil – wohlfeil macht alle Dinge verächtlich: III 92,207 Wolf (siehe Hunger, Schaf) Wort – viel Worte machen um eine Sache: IV 39,67 wuchern (siehe Geld, Hauptsumme, Pfund) Wunde (siehe Arzt) Wunsch – Wünsche, Verlangen, warme Sommertage, davon gehen viele in einen Hopfensack: IV 63,63f.

418 Wurf (siehe Kegel) Wurzel – Die Wurzel beharrt stets, bis man sie in die Erde scharrt: IV 3,97f. zahlen, bezahlen (siehe List, Münze) Zaum – jemandem den Zaum zu lang lassen: IV 95,124 Zaun – heimlich durch den Zaun stechen: III 69,19 – jemandem einen Sperling auf dem Zaun weisen: IV 8,12 – etwas vom Zaune brechen: IV 37,28; IV 97,13 – über den Zaun steigen, wo er am niedrigsten ist: I 2, 41f.; II 37,17 Zehnten – gemäß der Notdurft den Zehnten geben: I 64,27

Register Zeit – Es hat alles seine Zeit: II 56,16; III 49,21; III 71,17 Ziegel – einen Ziegel weiß waschen wollen: II 88,35 [siehe auch Rabe] Zobelpelz – Zobelpelz und goldenes Kleid sind oft mit Leid und Sorgen gefüttert: I 9,103f. Zoll (siehe Gedanke) Zöllner – Wenn 25 Zöllner, 25 Müller, 25 Weber und 25 Zinspflichtige ihren Beruf vorteilhaft ausüben, ergibt das genau 100 Diebe: IV 86,55–60 zwei (siehe Hund, lügen, Narr, Ochse, Riemen, Schaden, Stein, Stuhl) Zwiebel – Zwiebeln hintragen und Knoblauch zurückbringen: IV 24,4 Zwietracht (siehe Einigkeit)

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4. Fabelakteure Bei der keineswegs immer eindeutig möglichen Bestimmung der Fabelakteure wurde Sprechen oder Handeln in der Narratio als formales Kriterium zugrunde gelegt. So ist der Wiedehopf nicht aufgenommen, obwohl er in II 76 in der Überschrift genannt ist, hingegen werden Nebenpersonen aufgeführt, die für den Gang der Handlung oder die argumentative Pointe der Geschichte unwichtig sind (etwa Knechte). Mehrere einzelne Vertreter einer Spezies, die in der gleichen Fabel auftreten (etwa Affe, Affenmuter, Affenkinder), sind unter dem Grundwort aufgeführt. Kollektive von Akteuren der gleichen Gattung, aus denen ein einzelner agierend hervortritt, sind nicht eigens verzeichnet. Das dem einzelnen Handelnden entgegentretende, nicht differenzierte Kollektiv von Akteuren, die gemeinsam handeln oder sprechen, wird mit ›turba‹ gekennzeichnet.

Aal II 48 Abt III 92; IV 89 Äbtissin IV 33 Achatius von der Trenck IV 24 Ackerleute siehe Bauern Adler I 10. 34. 59. 63. 87; II 26. 57. 76; III 7. 47 Advokat IV 38 Affe I 41; II 22. 25. 49; III 58; IV 7. 75 bI¿Q$IIHQNLQGHU I 81; II 16; IV 26 Alte (Frau) I 76; II 64; IV 50. 53. 68. 95 Alter (Mann) II 55. 56. 100; III 17. 25. 53; IV 81. 85. 91 Ameise I 30. 70. 84 Äpfel IV 48 Apfelbaum I 68; III 78 Apollo III 30 Apotheker IV 23 Arion II 30 Armer (siehe auch Tagelöhner) II 31; III 51 Arzt I 72; II 89; III 54. 62 Balken II 42. 74 Bäcker Martin IV 90 Bär I 94; II 69; III 21 Bauch I 40 Bauer I 7. 26. 39. 52. 57. 60. 68. 80. 92. 97; II 4. 10. 12. 14. 15. 33. 34. 36. 38. 58; III 1. 15. 65. 72. 77. 80. 84. 100;

IV 9. 25. 26. 38. 46. 48. 57. 58. 74. 84. 99 Bäuerin IV 22 Bauern (turba) I 62; IV 98 Baum (siehe auch Apfelbaum, Birnbaum, Nussbaum, Tanne, Weide) II 43 Bekannter siehe Freund Berge I 21 Bettler IV 47. 80 Biber II 52; III 34 Biene II 69; III 20. 69. 85 Birnbaum III 78 Bischof II 75; IV 39 Bleicher I 53 Blindenführer IV 92 Blinder IV 61. 92 Bock (siehe auch Schafbock, Widder) I 5. 49. 85. 98 Bohne III 97 Boreas siehe Nordwind Bote I 89; III 38 Braut III 23; IV 16 Brüder III 94. 99 Bube, böser siehe Verbrecher Bürger II 43. 67; IV 4 Bürger (turba) IV 68. 69 Bürgermeister II 82 Campeggio, Lorenzo IV 17 Curtisan IV 83

420 Delphin II 30 Dieb I 19; II 9; III 61; IV 13 Diener III 15 Dornbusch II 3; III 42. 78 Drache siehe Lindwurm Drossel II 59; III 37 Eber I 12; II 12 Edelmann IV 10. 24 Ehefrau (siehe auch Stiefmutter) III 83; IV 11. 19. 27. 29. 32. 42. 60. 66. 71. 81. 82. 90. 99 Ehemann III 23. 83; IV 30. 37 Eiche I 82. 100 Eichhörnchen IV 88 Einsiedler IV 5 Elster I 71; II 37. 57 Enten I 60. 80 Erde III 61 Esel I 8. 12. 13. 33. 52. 73. 75. 77. 90; II 24. 39. 49. 82. 90. 93. 94; III 31; IV 1. 57 Eule II 27 Fechtmeister IV 72 Fechtschüler IV 72 Feile I 37 Feinde III 55 Feldmaus I 9 Fisch I 83; II 51. 52 Fischer I 83; II 23; III 50. 52; IV 79 Fledermaus I 34 Fliege I 30; II 47. 99; III 70. 84 Fliegen/Mücken (turba) IV 52. 57 Floh III 82 Fluss II 83 Franziskaner IV 4. 18. 21. 69 Frau (siehe auch Alte, Bäuerin, Braut, Ehefrau, Freundin, Nachbarin) II 40. 45. 46. 86. 91; III 54. 98; IV 12. 30. 37. 59. 67 Freund II 53. 54. 88; III 33. 62; IV 51 Freunde (turba) I 72; II 60; III 11; IV 67. 97 Freundin II 46

Register Frosch I 3. 17. 23. 31. 69. 91; II 65 Fuchs I 11. 27. 35. 41. 43. 44. 58. 59. 73. 91; II 2. 20. 21. 40; III 12. 13. 27. 41. 42. 43. 44. 47. 58. 66. 73. 91; IV 1. 2. 7. 8. 34. 44. 49. 52. 56. 73. 77. 78. 88. 94. 99 Fuhrmann I 33; III 10; IV 29. 73 Fürsprech siehe Advokat Fürst III 92 Fürsten (turba) IV 76 Gans IV 54. 87 Gärtner I 75; IV 23 Gaukler siehe Lotterbube Gefährten I 94 Geier I 48. 79 Geistlicher II 100 Geiß siehe Ziege Geiziger II 5 Geldsack III 26 Gelehrter III 1 Geselle II 11. 24; IV 15. 35. 36. 45. 59. 63; IV 27. 75 Gesinde I 13. 80 Gicht siehe Podagra Glatzkopf II 99 Glieder I 40 Glück I 97; III 56 Goldschmied IV 60 Graf IV 86 Grille siehe Heuschrecke Guardian IV 4 Habicht I 18; II 34. 38; IV 44 Häher I 29 Hahn (siehe auch Masthahn) I 1. 61. 76; III 28. 67; IV 2 Hase I 22. 23. 91; III 12. 13. 76; IV 56. 96 Hecht III 8; IV 79 Henne siehe Huhn Herr (siehe auch Fürst) I 13. 42. 68 Herr (Pferdebesitzer) I 33 Heuschrecke I 84 Hirsch (siehe auch Rehkalb) I 25. 36. 42. 45; III 68; IV 94

Fabelakteure Hirte, Schafhirte I 35. 62; III 9 Hofmann IV 100 Holzfäller III 44. 72 Hornisse (siehe auch Wespe) III 80. 85 Huhn IV 93 Hund (siehe auch Jagdhund) I 4. 13. 19. 47. 48. 56. 64. 65. 92; II 18. 63. 67. 71; III 5. 12. 46. 59. 63. 89. 93; IV 3. 55. 78. 99 Hunde (turba) I 36. 38. 57. 92; II 16. 21. 63; III 46. 89; IV 34. 56 ›Ich‹ IV 24. 28. 50 Igel II 98; IV 52 Jagdhund I 22 Jäger (siehe auch Vogelfänger) I 22. 36; II 2. 8; III 44; IV 34. 56 Jemand III 36. 82 Jesus IV 95 Jude IV 20 Jüngling I 46. 50; II 55; III 16. 29. 40. 71. 88 Juno IV 93 Jupiter I 17. 66. 75. 81. 93; II 26. 97; III 13. 51. 69. 81 Käfer (siehe auch Mistkäfer) II 26 Kalb II 17 Kamel I 93 Kaninchen III 7 Kapitän siehe Schiffskapitän Kaplan IV 31 Kardinal II 54 Karl von Burgund (Herzog) IV 10 Katze I 50. 61; II 21. 92; III 57; IV 62 Kaufmann III 96; IV 11. 65. 71 Kind (siehe auch Knabe, Mädchen, Sohn, Tochter) I 86. 90; IV 11. 26. 70 Knabe (siehe auch Blindenführer) II 9. 72. 87; III 17. 39. 74; IV 31. 71 Knecht I 42; II 61. 67; IV 21. 35. 43. 74. 81. 82. 99 Koch I 46; III 46; IV 55 Kohle III 97

421 Köhler I 53; IV 60 König II 22; III 24; IV 20. 97 Krähe I 10. 65; II 7. 85 Krämer (siehe auch Theriakkrämer) IV 51 Krammetvogel IV 20 Kranich I 6. 60. 80. 99 Kranker I 72 Krebs I 88; IV 79 Kuckuck II 38 Kuh IV 3. 58 Kumpane IV 31 Kupplerin IV 27 Kürbis II 28 Kürschner IV 15 Lahmer IV 61 Lamm I 2. 49 Landpfleger III 24 Landsknecht (siehe auch Soldaten) II 79; III 87; IV 6. 12. 16. 21. 67 Landstreicher siehe Lotterbube Legat II 53 Leinenweber IV 68 Leopard II 25 Leute I 21; II 64; III 16. 23. 39; IV 50. 55. 62. 90 Lindwurm IV 99 Lotterbube II 75; IV 4 Löwe I 5. 8. 12. 14. 32. 43. 58. 69. 73. 78. 85. 98; II 1. 6. 8. 18; III 19. 21. 64. 65; IV 77. 96 Löwin III 66 Luchs II 20; III 43. 56 Mädchen IV 91 Magen siehe Bauch Magd I 76; IV 19. 48. 60 Mann (siehe auch Alter, Bürger, Ehemann, Freund, Gefährte, Geselle, Jemand, Jüngling, Nachbar) I 45; II 67. 88; III 33. 45. 47. 89; IV 27. 70 Markolf II 22 Masthahn II 41 Matrose siehe Seemann

422 Maultier III 60 Maulwurf II 49; III 79 Maus (siehe auch Stadtmaus, Feldmaus) I 3. 14. 21. 50; II 13. 32. 92; III 57 Mäuse (turba) I 67 Meerkalb (siehe auch Seehund) II 19 Meerschwein III 35 Merklin, Balthasar IV 17 Merkur II 23; III 72 Metze (Dirne) IV 24. 39. 89 Metzger I 47 Mistkäfer II 68 Mönch (siehe auch Franziskaner) II 60. 79; III 90. 100; IV 21. 22. 24. 36. 65. 89 Mücke (siehe auch Fliegen/Mücken) III 20 Müller I 90; IV 47. 66. 86 Mutter I 86; III 39; IV 19 Nachbar, Nachbarin II 62; III 6; IV 58 Nachtigall III 18 Neider II 5 Nikolaus vom Sturm (Schultheiß) IV 14 Nonne IV 30. 33. 40 Nordwind I 89 Nussbaum II 91 Observant siehe Franziskaner Ochse (siehe auch Stier) I 31. 42. 85. 93. 98; II 1. 13. 17. 42. 74; III 64. 86 Pardel siehe Leopard Petrus IV 69. 95 Pfaffe, Pfarrherr II 77; III 87; IV 6. 9. 11. 14. 17. 21. 37. 39. 46. 66. 84. 98 Pfau I 29. 66. 71. 99 Pfeifer III 49 Pferd I 32. 33. 45. 52. 77; II 70. 78; III 14. 31. 84; IV 48. 99 Pferdeapfel IV 48 Pferdehändler III 14 Pilger IV 64 Podagra II 31 Quelle II 83

Register Rabe I 11. 63; II 29. 66 Rat (Gremium) IV 67 Räuber (siehe auch Dieb) III 51 Redner IV 76 Rehkalb III 68 Reicher II 31. 61. 89; III 11; IV 82 Reiher IV 54 Reiter I 77. 95; II 70 Reiter (turba) I 95 Richter I 48; IV 67 Rind (siehe auch Kuh, Ochse, Stier) I 5. 64; II 39 Rohr I 82. 100 Rossdreck siehe Pferdeapfel Satyr II 11 Sau I 20; II 71. 78 Sauhirte III 92 Schaf, Schafbock (siehe auch Bock, Widder) I 5. 25. 38. 48. 49. 65; III 9 Schäfer (siehe auch Hirte) I 63; III 2. 5 Schiffsherr IV 13 Schiffskapitän II 50 Schlange I 7. 26. 37. 54; II 48. 98; III 81 Schleie II 19 Schlossherr IV 31 Schmied III 59; IV 32. 62 Schnecke I 10. 87; II 65. 97; III 76 Schneider III 98; IV 43 Schultheiß IV 14. 19. 21 Schuster (siehe auch Tagelöhner) III 97; IV 42 Schwalbe I 16; II 35 Schwan II 44 Schwein siehe Sau Seehund (siehe auch Meerkalb) III 35 Seemann II 30; IV 13 Sekretär IV 17 Skorpion III 74 Sohn I 51; III 4. 48. 88; IV 32. 41. 85 Soldaten I 55 Sonne I 89; III 61 Sperber III 18. 22 Sperling II 68 Spinne II 31. 35

Fabelakteure Stachelschwein II 95 Stadtmaus I 9 Star III 28 Steinbock III 27 Steuermann III 55 Stiefmutter IV 70 Stieglitz II 72 Stier (siehe auch Ochse) I 12; II 10; III 3. 86; IV 58 Storch I 17. 27. 60; II 44. 65; IV 94 Strohhalm III 97 Student IV 66

423 Venus I 50; IV 93 Verbrecher II 84; III 30 Vögel (turba) I 16. 34. 71. 79; II 27. 33. 52. 68. 76. 85 Vogelfänger I 54. 70; II 73; III 18. 37. 75

Untertan IV 97. 100

Wacholderdrossel siehe Krammetvogel Wachs II 81 Wachtel II 4; III 75. 80 Wagen III 10. 95 Wahrsager III 36 Wal III 8 Wald I 39 Waldkirch (Kanzler), siehe Merklin, Balthasar Wegweiser IV 64 Weide III 77 Weihe I 3. 15. 18. 48; II 96; IV 53 Wespe III 80 Widder (siehe auch Bock, Schafbock) I 63. 74; III 3. 86 Wiesel I 44. 67 Wirt, Wirtin III 96; IV 18; IV 21. 28. 35. 45. 65. 83 Witwe, Witwer II 62. 80; III 6. 32; IV 41 Wolf I 2. 6. 20. 24. 25. 28. 35. 38. 48. 49. 56. 62. 74. 86; II 29. 95; III 2. 63. 91. 93; IV 1. 3. 7. 8. 34. 49. 73. 77. 78. 87. 94 Wucherer III 26; IV 63

Vater I 51; II 45. 87; III 4. 16. 40. 48. 88

Ziege I 24. 78; II 6; IV 25. 95

Tagelöhner IV 82 Tanne II 3. 28 Taube I 18. 54. 70; II 37; III 22; IV 90 Teufel II 64. 84; IV 12. 83 Theriakkrämer IV 50 Tiere (Landtiere, Vierfüßler) I 34; II 52 Tiere (turba) I 43. 81. 90. 91. 93; II 2. 90; III 19; IV 7. 77. 94 Tiger II 2 Tochter IV 22 Tod II 86; III 25. 53 Topf I 96 Trompeter I 55 Truchsess IV 20 Tyrann IV 100

424

Register

5. Namen und Orte Aufgenommen sind auch fiktive Namen sowie solche, die der autoritativen Absicherung oder dem Zitatnachweis (etwa Paulus, Horaz) dienen.

Abel IV 96. 100 Achaia II 30 Achatius von der Trenck IV 24 Achilles IV 20 Adam IV 100 Adolf (Heiliger) II 50 Afrika II 11. 18 Agathopous Das Leben Esopi Ägypten II 11. 22 Albertus Magnus II 54 Alexander VI. (Papst) IV 1 Allendorf Vorrede Alpen IV 1. 84 Amoria Das Leben Esopi Amsterdam IV 50 Argus II 88 Aristoteles III 94 Asien Das Leben Esopi; III 85 Äsop Das Leben Esopi; II 31; III 78; IV 94 Assisi III 100 Augsburg IV 1. 17. 27 Bacchus I 72 Barbara (Heilige) II 50 Basel IV 32 Bayern IV 27 Beraldus (Pater, Guardian) IV 4 Bethlehem II 21 Biesen IV 90 Bologna IV 66 Breslau IV 23 Burgos IV 4 Campeggio, Lorenzo IV 17. 18 (nicht namentlich) Ceylon siehe Sri Lanka Christophorus (Heiliger) IV 84 Christophorus de Forolivio siehe Numai da Forlí, Christophorus

Christus I 80. 90; II 11. 30. 35. 50. 96; III 22. 92. 100; IV 18. 83. 84. 95 Cicero IV 95 Clemens (Heiliger) II 50 Dädalus I 63 Damerau IV 19 David I 59; II 11. 26; III 7; IV 96 Delphi Das Leben Esopi; III 30 Deutschland II 18. 89; III 100; IV 24. 65 (nicht namentlich). 83 Diana III 85 Diokletian IV 1 Dölpelbach IV 90 Don II 18 Einbeck IV 50 Einsiedeln IV 84 Elbe II 22; III 8. 99 Elbing IV 23 Ellenbogen siehe Malmö Elsass II 32; IV 86 England III 100 Ephesus Das Leben Esopi; III 85 Esau IV 96 Eulenspiegel IV 75 Euripides IV 20 Eva IV 81 (nicht namentlich) Finnland II 18 Francisco de Angelis siehe Quiñones, Francisco (de Angelis) Franziskus von Assisi (Heiliger) IV 4. 18. 69 Frankfurt/M. IV 2. 65. 93 Frankreich I 91; IV 4 Franz I. (König) III 87 Freiburg/Br. IV 4. 32 Freidank II 11

Namen und Orte Friaul IV 6 Frumhold (Heiliger?) IV 3 Galen I 91; II 21 Ganges III 26 Gath II 26 Gellius, Aulus II 30 Gerbellius II 31 Geten II 18 Goliath I 59; II 26; III 7 Gotland IV 13 Gregor IX. (Papst) III 100 Griechenland Das Leben Esopi; II 30; III 85 Hadrian IV 1 Halberstadt IV 21 Haman IV 77 Hans von Dänemark siehe Johann I. von Dänemark Harz IV 62 Heidelberg IV 7 Heinrich vom langen Gras (Wirt) IV 19 Hekabe IV 20 Henoch IV 100 Herkules IV 72 Hermann von Hessen (Landgraf) IV 10 Herodias III 16 Hessen Vorrede; IV 29. 68 Hildesheim IV 39 Hiob IV 19 Hippokrates I 91 Hochrappoltstein siehe Rappoltstein Holland IV 50 Homer III 92; IV 76 Horaz I 45. 62; II 35; IV 89 Ibykos IV 20 Ikarus I 63 Indien I 66; III 26; IV 4 Ingolstadt IV 27 Isaak IV 96 Isebel III 16 Ismael IV 96

425 Israel II 26; III 50 Italien II 18. 30; III 100; IV 65 (nicht namentlich). 66. 83 Jakobus II 11. 16; III 93; IV 96 Janus IV 69 Jeremia II 17 Jerusalem II 26 Johann Butt(e) Vorrede Johann I. von Dänemark (König) IV 67 Johannes Duns Scotus IV 69 Justinian II 21 Kain IV 96 Kalkutta I 66 Kappadokien Das Leben Esopi Karl der Kühne (Herzog) IV 10 Karneades von Kyrene IV 75 Kaspisches Meer II 18; IV 95 Katharina von Siena (Heilige) III 100 Kilian (Heiliger) II 50 Köln III 92; IV 60 Königsberg IV 19 Korinth II 30 Kroesus Das Leben Esopi ; I 40; III 78 Laban III 93 Landsberg/Lech IV 1 Landskrona IV 67 Lauingen II 54 Lazarus II 21. 30 Lechfeld IV 1 Lechowo siehe Lichtenau Leo X. (Papst) IV 46 Lesbos II 30 Libyen IV 69 Lichtenau IV 14 Lissabon II 18; III 88 Litauen II 18 Livland Vorrede; II 18 Lübeck IV 13. 42. 82 Luther, Martin IV 69. 83 Lycerus Das Leben Esopi Lydien Das Leben Esopi Lysandros I 67

426 Magdeburg IV 15 Mailand III 87 Mainz IV 26. 65 Malmö IV 67 Mantua IV 2 Mardocheus siehe Mordechai Maria I 87; IV 12 Markolf IV 87 Maro I 72 Martin (Bäcker) IV 90 Matthäus I 80 Maximilian I. (Kaiser) IV 6. 17 Merklin, Balthasar IV 17 Midas I 40 Montpellier I 91 Mordechai IV 77 Moskau II 18 Mustoro IV 95 Naumburg IV 38 Neuss IV 10 Niederlande IV 65 Nikolaus (Heiliger) II 50; III 51 Nikolaus vom Sturm (Schultheiß) IV 14 Noah IV 2 Numai da Forlí, Christophorus IV 4 Nürnberg III 92; IV 1. 17. 80 Oder IV 23 Offenburg IV 6 Ohrdruf IV 80 Ostsee IV 59 Ovid I 67; III 8. 86; IV 78. 90 Paracelsus IV 24 Paris I 91; IV 4 Paulus I 9. 40; II 26; IV 24 Pavia IV 2 Periander II 30 Perillus IV 77 Petrus IV 4. 24. 66. 83. 95 Phalaris IV 77 Phrygien Das Leben Esopi; II 18 Plinius II 44 Polen II 18

Register Polydoros IV 20 Polymestor IV 20 – Söhne des Polymestor IV 20 Polyxena IV 20 Portugal II 18 Preußen II 18; IV 19 (nicht namentlich) Priamos IV 20 Quinctius Cincinnatus, Lucius IV 90 Quiñones, Francisco (de Angelis) IV 4 Rappoltstein IV 86 Regensburg II 54 Reussen II 18 Reval II 18 Rhein II 22. 32; III 8. 99; IV 4. 6. 10. 28. 29. 40. 50. 65. 88. 90 Rhipei Montes II 18 Rhodos III 29 Riga Vorrede; II 18; IV 13 Rom II 30. 54. 94; IV 1. 24. 46. 65. 83. 90 Sachsen III 58; IV 19 (nicht namentlich). 21. 39. 46. 51 Salomon II 1. 11. 22; III 39; IV 11. 75. 81. 95 Samogitien II 18 Samos Das Leben Esopi; III 78 Samson II 8; IV 81 Samuel III 50 Santiago de Compostela IV 3 Sarmatien II 11. 18 Saul III 50; IV 96 Schlettstadt IV 86 Schonen IV 67 Schwabach IV 1 Schwaben II 18. 32; IV 66 Schwarzes Meer II 18 Schweden II 18 Schweiz (nicht namentlich) III 87 Schweizer Gebirg IV 84 Seth IV 100 Simon von Kyrene II 36

Namen und Orte Sinon IV 83 Sizilien II 30 Sodom IV 17 Sokrates I 95 Sorostrates III 85 Spanien II 18; IV 4 Speyer IV 16. 28 Sri Lanka I 66; IV 69 Strassburg IV 93 Strauß (Bürger) IV 4 Syrakus II 30 Taprobana siehe Sri Lanka Thabor II 50 Thrakien IV 20 Thüringen IV 38. 80 Troja IV 20. 83 Türke, der schwarze IV 6 Türkei II 18

427 Vatikan IV 1 Venedig II 31; IV 6 (nicht namentlich). 50 Venus I 72 Vergil I 100; II 17 Waldis, Burkard IV 100 Waldkirch (Kanzler) siehe Merklin, Balthasar Welschland (siehe auch Italien) I 91 Werra Vorrede Westfalen II 18 Worms IV 28 Würzburg IV 83 Xanthus Das Leben Esopi Xenophon III 94 Zenas Das Leben Esopi Zürich IV 84

428

Register

6. Motive Aufgenommen wurden Gegenstände, Sachverhalte und Abstrakta, die den Gang der Handlungen in den Narrationes beeinflussen. Wo es sich anbot, wurde durch eine mittlere Abstraktionsebene (etwa Essen, Jagd, Kleidung, Recht) ein Zusammenhang zwischen einzelnen Lemmata hergestellt. So ist ›Mantel‹ unter ›Kleidung‹ aufgeführt, ›Schinden‹ unter ›Strafen‹. Berücksichtigt wurden insbesondere (topologische, nicht topographische) Orte, Zeiten, Sachen und Formen der Kommunikation.

Aas I 94 Aberglaube III 33 Ablass IV 14. 17. 36 Acht siehe Strafen Acker I 16. 57. 60. 62. 80. 97; II 4. 33 Adel IV 49 Almosen siehe Betteln Alter I 22. 32; III 25. 53 Ämter siehe Tierämter Ämterkauf IV 4. 83. 90 Arbeit I 30. 75. 76. 77; II 4. 17. 93. 94; III 59. 95; IV 62. Armut I 9; IV 42 Arzt I 91 Axt I 26. 39; III 72 Atem siehe Mundgeruch August I 84 Bach siehe Gewässer Bann siehe Strafen Baum I 11. 54. 59. 70. 89. 94; II 64. 66; III 7. 73; IV 2. 53. 56. 57 Befreien I 14; II 96; IV 99 Begräbnis II 87; III 62 Beichte IV 1. 9. 11. 14. 36. 46. 65. 84 Belauschen I 24. 86; IV 77 Beleidigung siehe Spott Bestechung IV 94 Betrug IV 43. 47. 86. 92 Bett siehe Haus Betteln II 75; IV 18. 21. 22. 45. 47. 61. 80. 92 Beute siehe Essen Beute teilen siehe Jagd

Bezahlung IV 62 Biber III 34 Bienenstock II 69 Bischof, Bischofswahl IV 90 Blendung siehe Strafen Bocksblut IV 50 Brand III 36 Brief I 43; IV 30 Brücke, Steg (siehe auch Lügenbrücke) III 88; IV 48 Brunnen I 70; II 9; III 27; IV 8 Buchwissen III 29 Diebstahl (siehe auch Betrug) I 46. 47; III 5. 17. 39; IV 25. 32 – Raub IV 20. 34 Dressur II 22; III 89 Durst I 70; IV 21 Edelstein (siehe auch Perle) I 87 Eggen I 97 Ehe II 56. 80; III 16. 23. 61. 65. 83. Ehre II 78. 88 Eid I 46 Eier, goldene II 15 Eigenlob II 19. 20; III 43 Eimer IV 8. 29 Einsiedler IV 5 Eltern II 16 Endzeit IV 2 Erbe, Mitgift III 71. 94; IV 15 Ernte I 84 Erzählen IV 49 Erziehung II 10; III 39

Motive Esel IV 97 Essen – Beute, Rohes I 10. 35. IV 9 – Brot I 19. 48 – Eier IV 9. 91 – einfache Speisen I 9; II 31 – Fastenspeise, fleischlose Speise IV 1. 2. 3. 94 – Fisch I 27; IV 54 – Fleisch I 4. 46. 47; II 40; IV 1. 2. 3. 49. 73. 78. 94. 96 – Käse I 11; IV 8. 22 – Korn, Körner I 25; IV 54. 90. 93 – Mus I 27 – Nahrung I 40. 56. 64. 80. 84; II 66; III 93 – Obst I 68; II 77; III 73 – Speisen, Zubereitetes, Mahl I 9. 30. 44. 57; II 11. 12. 23. 40. 77. 80; III 90; IV 7. 14. 18. 19. 20. 21. 42. 63. 66. 78. 92 – Vieh I 57; IV 10 – Wurst IV 55 Faden I 51 Falle III 58 Fastenspeise siehe Essen Fastenzeit IV 11 Fastnacht II 40. 41; IV 56. 87 Faulheit siehe Müßiggang Fechtkampf siehe Krieg, Kampf Federn siehe Körperteile Feld I 14 Fell siehe Körperteile Felsen I 78 Fenster I 74 Fest II 76. 77 Feuer I 59 Fischfang siehe Jagd Flachland I 78 Flachs I 16; IV 68 Fliegen I 99; IV 57 Flöhe IV 50 Fluss siehe Gewässer Franziskaner siehe Mönch Freiheit II 18

429 Freundschaftsprobe III 11 Frühchristentum IV 5 Frühling siehe Jahreszeiten Frühmesse siehe Messe Fuchsschwanz siehe Körperteile Fuhrwerk II 47; III 10 Fußspuren I 43 Garn (siehe auch Jagd) IV 68 Gastfreundschaft III 64 Gaukler (siehe auch Spielleute) II 82 Gebet II 14; IV 13. 21. 88 Geburtswehen III 24 Geiseln siehe Krieg, Kampf Geißel III 84 Geld IV 21. 27. 32. 36. 55. 82 Geldbeutel IV 21. 27. 41 Gelehrte III 1. 92 Gelübde III 38. 51 Gemälde I 28; III 40 Generalkapitel IV 4 Gericht siehe Recht Gesang I 66; III 18 Geschirr IV 76 Gespräch (Frage – Antwort) II 48. 57. 70. 91; III 23. 42. 68. 85; IV 38. 59 Gestank siehe Mundgeruch Gewässer III 49. 50. 52. 72 – Bach I 4. 100; II 36. 77; III 97; IV 48 – Fluss I 96; IV 54 – Meer II 19; III 8. 35; IV 13; IV 20 – Quelle I 2. 36; IV 5 – See, Teich, Tümpel I 3. 17. 23; II 65; III 56; IV 79 Geweih siehe Körperteile Gift I 7 Glaube IV 46 Gnade siehe Recht IV 67 Gold I 33; II 15; IV 20. 38. 63. 100 Goldene Pforte IV 1 Goldenes Jahr siehe Jubeljahr Götzenbild III 45 Grenzräume siehe Baum, Brücke, Brunnen, Grube, Hecke, Zaun Grube (siehe auch Brunnen) IV 3

430 Habgier III 92 Handel (siehe auch Weinkauf) IV 32 Handwerk IV 15. 17 Hängen siehe Strafen Haus (siehe auch Wirtshaus) I 7. 13. 16. 19. 24. 56. 79. 86; II 92; III 57; IV 29 – Bauernhaus II 31. 58 – Bett I 15; IV 16. 19. 41 – Bürgerhaus II 31 – Gartenhaus III 1 – Haus – Ferne I 99 – Haus – Schloss I 30 – Keller IV 82 – Kornkammer I 44. 67 – Küche III 46. 64 – Mietwohnung IV 82 – Saal II 22 – Schlafzimmer IV 16. 22 – Stall I 42. 85; II 13. 70 – Werkstatt I 28. 37 – Wohnung I 53 Hausrat II 31 Hecke I 14; IV 3. 56 Heiligenverehrung II 50; III 100 Heiliges Grab III 29 Herbst siehe Jahreszeiten Herrscher I 55 Heu I 42 Hilfeleistung I 52; III 31 Himmel I 87; IV 4. 69 – Himmel – Erde I 30 Hitze I 2. 7. 89; IV 57. 80 Hochzeit II 76. 77; III 61. 63. 81; IV 16. 56 Hofstaat IV 75 Höhle, Loch I 26. 34. 35. 43. 44. 84. 98; II 11. 98; IV 99 Hölle (siehe auch Nobishaus) III 87; IV 12 Hören III 98 Hühnerkorb IV 53 Hundehaltung II 67 Hunger I 44. 84; IV 10. 49. 95 Jagd I 5. 22. 36. 54. 67. 73. 80; II 2. 12; III 40; IV 56. 88 – Beute teilen (siehe auch Teilen) I 5. 73

Register – Fischfang I 83; II 48; III 52. 91; IV 79 – Garn, Netz, Schlinge I 14. 16 – Vogelfang I 16. II 27. 34. 73; III 18. 37 Jahreszeiten – Frühling II 93; III 83 – Herbst I 16; II 93; IV 65 – Sommer I 16. 70. 84; II 93; III 71. 80; IV 50. 57. 71 – Winter I 7. 56. 84; II 11. 93. 98; III 20. 91; IV 8. 49. 73 Jakobstag I 84 Johannistag I 16 Jubeljahr III 94; IV 1 Jugend I 22 Jungfräulichkeit IV 16 Jüngster Tag siehe Endzeit Jurist III 15 Käfig II 72 Kälte (siehe auch Winter) I 7; II 11; IV 49. 73 Karren I 33 Karwoche IV 14 Kasten II 32; IV 62 Katechismus IV 46. 84 Kaufhaus von Worms IV 28 Kaufmannschaft IV 11. 49. 65. 71. 80 Keller siehe Haus Keuschheit II 60. 88 Kirche IV 92. 98 Kirchweih IV 51. 92 Kleidung (siehe auch Mönchskutte) IV 38. 49. 69 – Haube IV 81 – Mantel I 89; IV 81 – Maskerade, Verkleidung I 90; III 2; IV 81 – Pilgerausrüstung IV 1 – Schleier IV 28. 33 – Schuh I 70 – Unterhose IV 33 Kloster IV 30. 32. 33. 40. 89. 95 Knüppel I 13. 22; IV 98 Kochen II 51 Königsrat III 19

Motive Königswahl I 71; II 85 Konkubinat IV 17. 39 Konsulat IV 90 Konzil (siehe auch Generalkapitel) IV 2 Köpfen siehe Strafen Korn, Körner siehe Essen Kornkammer siehe Haus Körpereigenschaften I 93; II 49. 65; III 13. 41. 68; IV 56 Körperteile – Bauch, Magen I 40 – Beine I 22. 36 – Federn I 29. 66. 71. 99 – Fell IV 77 – Fuchsschwanz III 41 – Geweih I 36 – Haare III 83 – Herz II 12 – Ohr (siehe auch Körpereigenschaften) III 39 – Schambereich I 41 – Schnabel I 6. 27 – Schwanz I 41 – Zunge I 27 Krankheit, Verletzung (siehe auch Pest, Wunden) I 6. 15. 72; II 60. 86. 89. 90; III 10. 51. 54; IV 19. 40. 77 Krieg, Kampf (siehe auch Streitrede) I 3. 12. 18. 34. 38. 45. 55. 77; II 24. 39. 52. 68. 95; III 3. 21. 22. 67. 86. 87; IV 12. 72. 78 – Belagerung IV 10 – Fechtkampf IV 72 – Geiseln I 38 – Landsknecht II 79 – Plünderung IV 12 – Sturmangriff I 34; IV 6 Krippe I 42. 64 Krug I 27; IV 5 Küche siehe Haus Kuh IV 12. 37. 52 Küken IV 53 Kunst II 8 Kürschner III 43

431 Landsknecht siehe Krieg, Kampf Latein II 31; IV 23 Leder IV 42 Leimrute siehe Jagd Leinsamen I 16 Liebe (natürliche) III 39 Lob III 12 Loch siehe Grube, Höhle, Schlupfloch Lohn siehe Bezahlung Löwenhaut I 90 Lügenbrücke III 97 Magie IV 66 Markt, Marktplatz (siehe auch Messe) III 36. 89; IV 50. 60 Mäuse, Gold fressende III 96 Medizin I 91; II 89; III 33. 34. 62; IV 23. 40. 50 – Rezept IV 23 Meer siehe Gewässer Messe (Gottesdienst) IV 31. 33. 98 Messe (Markt) IV 65 Messer IV 25 Messkelch IV 31 Miete IV 35 Mietwohnung siehe Haus Mitgift siehe Erbe Mittwoch IV 25 Mönch IV 4 – Franziskaner III 100; IV 4; IV 69 – Mönchskutte IV 89 – Mönchstum III 100 Mond IV 8 Mord IV 20. 67 Mörser IV 27 Mücken IV 57 Mühlenwesen IV 47. 86 Mundgeruch IV 42 Musik III 20. 49 Müßiggang I 30; IV 19 Nachbarschaft II 97; III 15 Nahrung siehe Essen Narbe I 56 Narrheit II 61

Register

432 Nest I 54 Netz siehe Jagd Neujahr II 75; III 26 Nobishaus III 87 Opfergabe III 38. 51 Orakel III 30 Ordensleute (siehe auch Mönch) IV 4 Osterzeit IV 9. 14. 36; IV 84 Palmesel IV 84 Palmsonntag IV 14 Palmsonntagsprozession IV 84 Papisten III 100 Paradies IV 4 Perle I 1 Perücke I 95 Pest IV 65 Pferd IV 32. 59. 83 Pferdemarkt III 14 Pfründe IV 32. 39. 83. 90 Pilgerausrüstung siehe Kleidung Plünderung siehe Krieg, Kampf Predigt, Prediger III 4; IV 37. 98 Prügel I 7. 29. 55. 90; IV 7. 19. 22. 60. 73. 74. 75. 81. 99 Quelle siehe Gewässer Rache II 69. 83; III 7. 51 Rat II 6 Rätsel III 92 Raub siehe Diebstahl Recht (siehe auch Schiedsspruch, Strafen) – Gericht I 25. 48; III 54; IV 20. 67. 94 – Gnade IV 67 – Richter IV 44. 94 – Urteilsspruch IV 94 Rede IV 76 Regen IV 29 Reichstag IV 17. 80 – Reichstag der Tiere III 58 Reichtum I 9; IV 42. 49 Reliquien III 94 Rezept siehe Medizin

Richter siehe Recht Rose III 81 Saal siehe Haus Saat I 80 Samstag IV 28 Sattel I 45; IV 89 Saufen IV 19. 31. 70 Schäferei III 9 Schafshaut siehe Verkleidung Schatz I 97; III 48. 51. 58; IV 20. 100 Schelle I 92 Schiedsspruch IV 99 Schifffahrt II 30. 50; III 55; IV 13 Schinden siehe Strafen Schlaf IV 32. 74 Schlafzimmer siehe Haus Schlinge siehe Jagd Schloss III 40 Schlupfloch I 44; IV 3. 99 Schmutz I 53 Schnabel siehe Körperteile Schnee IV 71 Schule III 39 Schwanengesang II 44 Schwangerschaft IV 33 Schwanz siehe Körperteile See siehe Gewässer Segen II 75 Seife I 53 Selbstverstümmelung III 34. 41. 65. 91 Sexualität II 56. 60. 62; III 6; IV 16. 17. 22. 27. 30. 33. 39. 40. 60. 81. 89 Silber IV 20. 100 Simonie siehe Ämterkauf Singen I 84; III 93 Sinne III 79 Sitzordnung II 76 Sommer siehe Jahreszeiten Sonne IV 80 Sonntag IV 28. 37. 80. 85. 92. 98 Speisen siehe Essen Spiegel I 4 Spielleute (siehe auch Gaukler) II 53 Spineta siehe Stachelschwein

Motive Spott I 8; II 17. 26. 38. 55. 61. 71. 74. 83. 99; III 6. 14. 17. 36. 66 Sprichwort II 91 Spur siehe Fußspuren Stachelschwein II 95 Stadt IV 49 – Stadt – Land I 9; II 12 – Stadt – Kloster IV 30 Stall siehe Haus Steuern III 24 Stiefmutter IV 70 Stimme I 90 Strafen (siehe auch Recht) IV 44 – Acht IV 80 – Blendung IV 20 – Hängen III 2; IV 32. 44. 86 – Köpfen (?) IV 67 – Schinden IV 77. 94 Streitrede II 3. 8. 18. 28; III 78 Strick I 51. 54 Studium IV 76 Sturm I 100; II 50; III 55; IV 13 Tagelöhner IV 82 Tageszeiten – Mitternacht I 76 – Morgen I 76; IV 24. 25. 28. 49. 56. 74. 96 – Nacht I 17. 56. 86; IV 8. 31. 33. 49. 66. 71. 81 – Nacht – Tag I 34 – Tag I 56; IV 33 Tanz, Tanzen I 84; III 49; IV 87 Tapferkeit II 63 Tarant siehe Stachelschwein Teich siehe Gewässer Teilen (siehe auch Jagd) IV 21 Teufelsbeschwörung IV 66 Teufelspakt II 84 Theriak IV 50 Tierämpter II 27 Tierfriede II 1 Tod, Sterben II 44. 45. 46. 86. 87; III 26. 70; IV 6. 46. 65 Tonsur IV 69

433 Topf (Fleischtopf) III 70 Totstellen I 94; II 25; III 57 Traum III 40. 51. 76; IV 32. 32. 80 Treue II 88 Trinität IV 84 Trinken (siehe auch Saufen) I 2; III 80; IV 21 Tuch IV 43 Uneheliche IV 17 Unfall II 64 Urchristentum IV 5 Urteilsspruch siehe Recht Verdauung I 44. IV 23 Verkleidung siehe Kleidung Verletzung siehe Krankheit Verleumdung I 48 Verrat III 44. 75 Verschwendung III 26. 71 Versprechen III 80 Vieh siehe Essen Vogelfang siehe Jagd Völlerei IV 19. 23. 68. 69. 92 Vorfahren III 43 Vorsicht II 7 Vorzeit I 17. 21. 39; II 11. 27; IV 5. 55. 96 Wagen IV 73 Wald I 23. 36. 38. 39. 54. 56. 57. 86; II 11. 24; III 18. 37; IV 20. 25. 49. 64. 73. 75 Wegscheide IV 64 Weide I 31. 38. 45. 62. 78; II 39; IV 95 Weihnachten IV 49 Weinberg III 48 Weinkauf IV 32. 74 Werkstatt siehe Haus Wettlauf III 14. 60. 76 Wind I 23. 89 Winter siehe Jahreszeiten Wirtshaus, Taverne (siehe auch Kaufhaus von Worms) II 40; IV 20. 21. 24. 32. 35. 45 Wohnung siehe Haus

Register

434 Wunden IV 52. 56 Wunsch I 93; II 5; III 69 Zaumzeug I 33. 45 Zaun IV 52. 78 Zeugen, Zeugenschaft I 48; II 64; III 29; IV 21

Ziegel II 81 Zimmermann II 74 Zucht, Viehzucht IV 58 Zweig I 70

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7. Moralia Das Register soll erschließen, vor welchen Normenhorizont der partikuläre Einzelfall der Narratio in der kommentierenden Bewertung jeweils gestellt wird. Berücksichtigt sind wertbesetzte Abstrakta wie Tugenden und Laster sowie Moralia aus den Bereichen Soziales, Religion und Bildung, die in den Auslegungen der Fabeln behandelt werden.

Achtung II 13. 83; III 21; IV 79 Alter I 22. 84; II 56; III 83; IV 72. 85. 91 Amt IV 47. 90 Angst I 23. 69; II 68; III 68 Anpassung I 82. 100; III 89 Arbeit II 17; III 48. 99; IV 15. 42. 55. 58. 74 Armut I 9. 30. 41. 44. 45. 56. 59. 80. 96; II 31. 41. 55; IV 82 Außen siehe Innen-Außen

Faulheit I 1; III 48. 59. 80; IV 37. 41. 57. 58. 74 Feindschaft I 12. 32. 38; III 77 Frau II 45. 46. 86. 88. 91; III 23. 98; IV 11. 19. 27. 29. 67. 70. 81. 84 Freigebigkeit I 41; IV 62 Freiheit I 45; II 18. 31. 72 Freundschaft I 12. 14. 58. 94; II 52. 59. 60; III 11. 19; IV 78 Frömmigkeit I 15. 71

Barmherzigkeit II 30; IV 62 Bescheidenheit I 56; II 33. 73 Besitz IV 80. 88 Bestechung III 15; IV 14. 94 Betrug, Betrügerei I 6. 43. 79. 90. 94; II 9. 37. 75; III 12. 44. 54. 91. 100; IV 1. 8. 9. 50. 63. 69. 71. 86 Bosheit III 4. 18. 22. 45. 61. 82. 90

Geduld I 6. 8. 100; III 9 Geiz (siehe auch Habgier) I 4. 19. 41; II 53; III 26. 93 Gelegenheit I 16; II 57; III 7. 49; IV 73 Gemeinwohl I 22. 40. 51; III 37 Gerechtigkeit I 54. 65; II 34 Geschicklichkeit I 67; IV 73. Geschwätzigkeit II 58. 91 Gewissen IV 98 Gewohnheit I 50; II 22. 89; III 6. 95; IV 6. 34. 43. 84. 93 Glauben IV 46. 84 Gleichheit I 1. 53. 58. 60. 96; II 60; III 3. 83 Gleichmut I 8. 95; II 42. 51. 69; III 9. 28. 52. 70; IV 5 Glück I 12. 14. 33; II 24. 74. 93; III 50. 52. 67. 92; IV 61. 78 Gott I 46. 48. 59. 65. 66; II 93; III 13. 40; IV 53 Gottesfurcht II 21. 22; III 30; IV 6 Gotteslästerung II 50; IV 4. 6. 18. 31 Gottvertrauen I 94; II 14. 50. 75. 79 Groß – Klein I 48; II 13. 77; III 66. 78. 86; IV 44. 79 Güte I 14

Dankbarkeit I 66. 70. 97; II 83 Demut I 100 Diebstahl IV 34. 86 Dienst II 39. 85 Ehe II 62; III 16; IV 11. 29. 30. 60. 67 Ehre I 11; II 78; III 85. 99; IV 48. 57. 68 Eigeninitiative II 4. 14; III 94 Eigennutz I 10. 49; II 6; IV 100 Eigenverantwortung siehe Verantwortung Einigkeit I 3. 51; II 1 Eitelkeit I 11. 81 Eltern (siehe auch Stiefmutter) I 86; II 16 Erbsünde II 17; IV 81 Erfahrung I 47. 73. 79; II 12; III 57 Erziehung II 16. 22. 71; III 39; IV 19. 85

436

Register

Habgier (siehe auch Geiz) I 36. 66. 68; II 5. 15. 24. 30. 40. 46; III 72. 93. 100; IV 14. 20. 36. 50. 63. 82. 94 Hass I 35; III 55 Heimat II 32 Herrschaft I 2. 5. 14. 71; IV 44. 49. 52. 96 Heuchelei III 100; IV 4. 7. 17. 24. 69. 75 Hilfe I 52. 98; II 4; III 31; IV 61 Hochmut I 29. 33. 36. 59. 65. 87. 99; II 26. 28. 54. 55; III 58. 84. 93; IV 90 Hunger IV 10. 87

Narr I 1. 81; II 8; IV 81. 95 Natur I 13. 50; II 22. 30. 60. 61. 66. 81; III 61; IV 30. 93 Neid I 64; II 5; IV 77

Innen – Außen I 28. 71; II 20. 29. 36. 70. 76. 90. 92; III 2. 5. 12. 43. 44; IV 1. 4. 49

Rat I 16. 42. 55. 78; II 6. 27; III 14. 62. 74. 78 Recht I 48; II 8; III 18; IV 53. 94 Rede, falsche/ wahre II 11. 29. 90; III 29 Reichtum I 9. 36. 41. 44. 56. 59. 80. 96; II 31. 41; IV 78. 82 Reue II 79; IV 3. 6

Jugend I 84; II 71; IV 85 Kaufmannschaft I 4; IV 49 Kirchenkritik (siehe auch Pfaffen, Zölibat) III 90. 100; IV 1. 17. 22. 24. 30. 46. 83. 96 Kloster siehe Kirchenkritik Klugheit I 73; II 2. 7; IV 2. 7. 21 Krankheit III 10 Krieg, Kriegswesen I 38; III 87. 89 Leben II 86; III 53 Lehrer, Lehren II 10. 12; IV 64. 72. 76 Leichtgläubigkeit I 10. 20. 49. 78. 79; II 25; III 43 Leidensbereitschaft III 95; IV 52 List I 25. 89; II 2; III 69 Lohn I 57. 65; II 34. 64; IV 34 Lüge I 62; II 8; III 29. 51. 79. 88. 91 Maß I 30. 33. 44. 63. 72; II 15 Mord IV 20 Mut I 23. 69; II 63; III 68 Nachbarschaft II 97 Nächstenliebe I 7. 40. 52. 98; II 30; IV 62

Obrigkeit (siehe auch Herrschaft) I 17. 40; III 37 Papsttum siehe Kirchenkritik Pfaffen IV 31. 36. 39. 66. 69 Prahlerei I 21. 29. 90. 91. 92; II 8. 19. 47. 76; III 79. 84; IV 23. 48. 56 Prediger IV 64

Schaden I 54. 76; II 67. 68. 69; III 46. 57. 63. 69; IV 92 Schicksal III 40 Schmeichelei I 11. 19. 32. 79; II 36. 58; III 5; IV 7. 75 Schönheit I 28; II 20. 43; IV 28 Schwäche II 26. 99 Selbsterkenntnis I 63. 85. 88. 90; II 62; III 60; IV 5. 33. 95 Selbstsorge III 36 Selbsttäuschung I 81; IV 32. 54. 80 Selbstüberschätzung I 37. 74. 91; II 23. 33. 35; III 84. 86; IV 26. 95 Sexualtrieb II 62; IV 30. 40 Spott II 56. 74. 99; III 35. 41. 46. 55. 58; IV 38. 59 Stand (ordo) I 13. 18. 29. 30. 31. 75. 77. 87. 93. 96; II 3. 38. 49. 81. 87; III 8. 86; IV 49. 95 Stärke I 67. 82. 89. 100; II 2. 7. 26. 99; III 7. 76 Stiefmutter IV 70

Moralia Strafe I 50; II 10. 84; III 17. 24. 72. 82. 87; IV 13. 16. 39 Strafe Gottes II 30; IV 53 Studien I 1. 84; II 21; III 1. 20. 92; IV 76 Sünde I 46; II 84. 100; III 38; IV 3 Tanz IV 87 Tod II 44. 86; III 25. 34. 53; IV 65 Treue I 5. 57 Undank I 6. 7. 22. 39. 57. 97; II 94. 96. 98; III 47; IV 99 Unglück I 42. 73; II 51. 93; III 9. 41. 46. 70. 95 Untreue I 26. 34. 35. 39. 94; IV 71. 78 Unzufriedenheit I 17. 18. 75 Verantwortung II 4. 14. 23. 65; III 56. 94; IV 12 . 35 Vergeltung I 25. 27. 32. 34; II 34. 94. 96; III 18. 33. 96; IV 9. 20. 34. 53 Verkehrte Welt IV 45

437 Verrat III 75 Verschwendung II 82; III 23; IV 15. 51 Verschwiegenheit IV 89 Verzicht III 73 Völlerei I 72; III 32. 99; IV 19. 55 Voraussicht I 84; II 23. 35. 66. 95. 99; III 27. 42. 56. 88. 93. 97; IV 73. 97 Vorsicht I 14. 24. 26. 43. 47; II 48. 80; III 63. 64. 65. 67. 74. 81. 91; IV 1. 2. 8. 21. 89. 92 Vorsorge I 84 Vorteil I 38 Wahrheit IV 75. 83. 96 Weisheit I 1. 67. 84 Zeit III 71; IV 73 Zölibat IV 17 Zufriedenheit I 4. 77. 83. 93. 99; II 3. 31. 38. 39. 40. 41. 43. 49. 66; III 13. 93. 95; IV 25. 52. 82. 9

Register

438

8. Sachregister zum Stellenkommentar Im Sachregister sind die Stellen des Kommentars erfasst, in denen Dinge, Namen oder Sachverhalte erklärt werden. Es wird jeweils die Fabelnummer angegeben. Für die Lemmata wurde einerseits eine mittlere Abstraktionsebene gewählt, um das Register nicht ausufern zu lassen und zugleich den Zusammenhang der Einzelkommentare zu wahren. Im Register aufgeführt ist also nicht der Kloben, sondern ›Jagd‹; nicht Mandelreis, sondern ›Essen‹. Andererseits soll das Sachregister der Forschung Anschluss bieten; Stichwörter, für die sich kein Oberbegriff anbot oder wo ein solcher die Erschließbarkeit des betreffenden Sachverhalts womöglich behindert hätte, wurden daher nicht subsumiert; so sind unter ›Liebe‹ auch ›Liebesnarr‹, ›Liebeskrankheit‹ und ›natürliche Liebe‹ eigens lemmatisiert. Aus dem gleichen Grund sind generell auch Namen, Dinge und Sachverhalte aufgenommen, die nicht nachgewiesen werden konnten; so z.B. der ›schwarze Türke‹, die ›steinerne Sonne‹ oder das ›Leymdecker Buch‹. Einiges Unklares ließ sich nicht auf ein Schlagwort reduzieren und konnte keine Aufnahme finden; etwa das Bild vom mageren Mann, der (nur) diejenigen frisst, die sich nicht vor ihren Frauen fürchten (IV 81,175–179).

ABC, goldenes I 94 Ablass II 75; IV 4. 9 Achatius von der Trenck IV 24 Acht siehe Strafen Adam, alter IV 3. 24 Affe von Heidelberg IV 7 Albertus Magnus II 54 Alexander VI. (Papst) III 94 Allegorese III 99; IV 94 Altväterleben siehe Vitaspatrum Ameise siehe Naturkunde Antichrist II 50 Apolog siehe Fabel Arno (Flussgottstatue) IV 1 artes liberales III 15 Assisi III 100 Atheismus IV 24 Ätiologie I 16 Augsburg IV 17 Bann siehe Strafen Basilisk IV 4 Beichte IV 1. 14 Beraldus (Pater, Guardian) IV 4 Bettelorden III 100

Biber siehe Naturkunde Biberhoden siehe Medizin Bier siehe Trinken Bildung I 28 Bocksblut siehe Medizin Brot II 81 – Schillingswecken IV 19 – Weck IV 18. 92 Buch IV 93 Buchsack IV 21 Buße IV 1. 14 Butzbirne IV 81 Calcedon (Teufelsname) IV 66 Campeggio, Lorenzo IV 17 Ceylon siehe Taprobana Cherubim I 46 Damerau IV 19 Deutscher Orden IV 24 Dichtungstheorie I 79; III 1 Dominikus (Heiliger) III 100 Donat IV 23 Dreireim I 10

Sachregister zum Stellenkommentar Edelsteine I 87; III 17; IV 66 Ehe IV 29. 81 – eheliche Pflicht I 64 – widerspenstige Ehefrau II 67 – Zölibat IV 17 Einfuß-Bauer II 18 Elbinck IV 23 Epikur III 99 Erfahrung I 79 Erziehung III 39 Eschatologie IV 2. 18 Essen (siehe auch Brot) I 9; IV 19 – fettes Essen III 93; IV 7 – Tischgebet IV 88 Eucharistie IV 31 Eulenspiegel IV 75 Euripides (Hekabe) IV 20 Fabel II 31 – als Fiktion I 23 – als Gleichnis III 92; IV 54. 94 – Apolog I 55 – Fabeltheorie I 79; III 2 Fasten II 60 Fastnachtspiel II 67 Fauna siehe Tierreich Fechten IV 72 Federlesen I 11 Fiktion I 23 Fiktionalität I 45 Flachs I 16 Fliege I 30 Fluch I 11; II 75 Flussgott siehe Arno, Tiber Forster, Georg III 92 Fortuna siehe Glück Frankfurt/M. IV 2 Franz I. (König) II 87 Franziskaner III 100 – Ordensgeschichte IV 4 – Ordensregel IV 21. 69 – Ordenstracht III 90 Franziskus (Heiliger) III 100 Freiburg/Br. IV 4 Freundschaft I 31

439 Friede, goldener I 40 Friedrich I 55 Friedrich III. (Kaiser) II 69 Frühchristentum IV 5 Fuchsschwänzen I 11 Galen I 91 Galgenreue II 79 Gebet siehe Tageszeitengebete Gegenwartsklage I 5 Gelegenheit, occasio I 16 Gemeinnutz IV 100 Generalkapitel IV 4 Gewalt I 25 Gift I 26 Glück I 23. 97; III 52 – unbeständiges I 12 – Glücksrad, rota fortunae I 33; IV 8 Goldene Regel I 7 Goldenes Jahr siehe Jubeljahr Götter I 15 Gregor IX. (Papst) III 100 Gründonnerstagsbulle IV 83 Guardian IV 4 Handel (siehe auch Hanse) III 51. 98 – Weinkauf III 25 Hängen siehe Strafen Hanse IV 13. 67 Harnschau II 89 Hasentöter, Johann IV 59 Haustein IV 24 Heiligenverehrung II 50; III 100 Heilsberg IV 14 Heinrich vom langen Gras (Wirt) IV 19 Herodias III 16 Herostratos III 85 Hildesheim IV 39 Himmelschöre III 100 Hippokrates I 91 Historie, historia I 14; III 92; IV 17 Hochmut, superbia I 30 – Ikarus als Exempelfigur I 63 Hofkritik II 57 Honig I 26

Register

440 Hose siehe Textilien Hühnerkorb IV 53 humilitas I 87 Ibykos IV 20 Ikarus siehe Hochmut Intratextuelle Verweise III 91 Isebel III 16 Jagd I 32; III 94; IV 56 – Vogelfang I 16; II 73; III 37. 75 Jahreszeiten I 84 Jakobsweg IV 1 Jakobus d. Ä. (Heiliger) I 84 Johannessegen, Johannestrunk I 49 Johannistag I 16 Jubeljahr III 94; IV 1 Jupiter I 17 Kalender I 79 Kalkutta I 66 Kardinalshut IV 4 Karl der Kühne (Herzog) IV 10 Katharina von Siena (Heilige) III 100 Kauderwelsch IV 24 Kindbett siehe Wöchnerin Kinderbischof IV 75 Kirchenrecht IV 1. 9. 17 Kleidung siehe Textilien Kloster III 100 Konzil IV 2. 46 Kosenamen I 24 Kranz IV 49 Kranzwirtschaft IV 28 Kriegshandwerk siehe Militaria Kroesus I 40 Kunst I 28; III 20; IV 57. 66 Kurie IV 1 Kurtisanen IV 1 Landsknecht I 55; III 87. 89 Lasten (Tiere) IV 34 late biosas I 30 laudatio temporis acti I 5 Laudes siehe Tageszeitengebete

Leibeigenschaft II 18 Lektion, lectio I 79 Leo X. (Papst) III 100 Lesen, Leser III 1 Leymdecker buch II 22 Liber conformitatum III 100 Liber generationis IV 23 Lichtenau IV 14 Liebe I 81 – Liebe, natürliche III 39 – Liebeskrankheit IV 40 – Liebesnarr IV 81 Liturgie III 98; IV 31. 90 LMU IV 27 Lübeck IV 13 Luther, Martin IV 4. 24. 36. 69 Magnificat I 87 Mantel siehe Textilien Maria I 87 Markolf I 56; II 22 Märtyrer IV 96 Maulwurf siehe Naturkunde Maximilian I. (Kaiser) IV 6. 17 Medizin I 44. 91; II 60; IV 19. 23. 77 – Biberhoden III 34 – Bocksblut IV 50 – Enzian III 94 – Harnschau II 89 – Knochenmark IV 91 – Medizin-Studium I 91 – Säftelehre IV 92 – Sympathie III 33 – Theriak IV 50 – Wurmkraut II 46 Merklin, Balthasar IV 17 Mette siehe Tageszeitengebete Midas I 40 Mietwohnung IV 82 Militaria – Kriegsführung I 34 – Rüstung II 78; III 9 – Waffen III 100 Miserere IV 19 Mühlenwesen IV 47. 73. 86

Sachregister zum Stellenkommentar Mummenschanz III 25 Mündlichkeit I 45 Münzwesen I 27 Musik II 82 Namen I 24 Narr II 61 Nationalbewusstsein IV 17 Naturdeutung II 69 Naturkunde (siehe auch Tierreich) III 66 – Ameise I 30 – Ameise, Gold grabende III 26 – Biber III 34 – Bocksblut IV 50 – Maulwurf II 49 – Proprietätenlehre IV 66 – Schnecke I 87 – Zimtbaum IV 50 Naumburg/Saale IV 38 Neidhart I 6 Neujahrsbrauch II 75; III 26 Neuss IV 10 Nikolaus vom Sturm (Geistlicher) IV 14 Nikolaus von Flüe I 44 Nobishaus III 87 Numai da Forlí, Christophorus IV 4 Nürnberg IV 17 Obrigkeit I 40 Offenburg IV 6 Palmesel IV 84 Papier IV 91 Papsttum IV 83. 90. 96 Parasell, Paracelsus IV 24 Pferdekopf IV 2 Pferdekunde I 33 Pfründe IV 83 Philosophie IV 95 Physiognomik IV 67 Pilgerfahrt im Geist siehe Wallfahrt Placebo I 55 poeta doctus III 1 Politik II 69 Polizei I 40

441 Pranger siehe Strafen Predigtformel I 16 Priamel IV 91. 93 Probana siehe Taprobana Proprietätenlehre siehe Naturkunde Quiñones, Francisco (de Angelis) IV 4 Rad der Fortuna siehe Glück Rätsel II 12; III 92 Recht (siehe auch Ruf, Strafen) I 25; III 96; IV 94 – Strafrecht I 8; III 5; IV 67 – Zivilprozess IV 76 Rechtfertigungslehre I 70; IV 69 Reichstag IV 17 Reisen IV 20 Reliquienkult II 50 Rhetorik II 45; III 29; IV 76 Rom IV 1. 24 Rotes Meer I 87 Ruf, Hilferuf I 62. 77; III 93 Sachsen IV 19 Salomon I 56 Sapphische Ode I 36 Schäfer in der Neuenstadt IV 81 Schicksalsbuch I 66 Schillingswecken siehe Brot Schinden siehe Strafen Schlagfluss I 44 Schnecke siehe Naturkunde Schöpfungsbericht I 81 Schule IV 76 – Schulbuch III 39; IV 23 Schwabe im Elsass II 32 Schwanengesang II 44 Schwankliteratur II 67 Schwärmer III 100 Schweizer, der I 65 Seefahrt III 51. 55 Seilziehen I 94 Selbsterkenntnis I 29 Sexualität (siehe auch Ehe) II 62 – Metaphorik III 6. 83; IV 8. 40

Register

442 – Sexualtrieb II 60; III 6 Sibilit IV 13 Siemann IV 70 Sigismund (Kaiser) II 69 simplicitas I 65 Sokrates I 95 sola scriptura I 90 Sonne, steinerne IV 1 Sprachen I 90 Sri Lanka siehe Taprobana Stabat mater III 18 Steuern I 60. 64 Stoff siehe Textilien Strafen – Acht I 34 – Gefangenenstock II 84 – Hängen III 5 – Pranger I 63 – Schinden III 43 – Steintragen IV 67 Strauß, Jakob IV 4 Strebkatz I 94 Student III 98 Studium III 15 Sumatra I 66 superbia siehe Hochmut Sympathie III 33 Tabulatur IV 46 Tageszeitengebete IV 19 – Laudes IV 19 – Mette III 98; IV 19 Taprobana I 66 Taube I 18 Teufel (siehe auch Calcedon) II 84; IV 66 – Teufelspakt IV 99 Textilien I 53. 99; II 54; III 95 – Hose I 17 – Mantel, Jacke I 89; III 41 Theriak siehe Medizin Tiber (Flussgottstatue) IV 1

Tierkunde III 97 Tiernamen I 59; III 5. 27 Tierreich I 81; III 74. 80 Totentanz II 86 Trauerzeit IV 19 Trinken – Bier IV 19. 21. 23. 42 – Bierbrauen I 60 – Saufen IV 19 – Wein (siehe auch Weinkauf) III 95; IV 30. 32 – Zutrinken IV 19 Truchsess IV 20 Türke, schwarzer IV 6 Verbannung siehe Strafen Verkehrte Welt I 13 Verwandtschaft I 31 Visipatenten IV 3 Vitaspatrum IV 5 Vorzeit I 39 Vogelfang siehe Jagd Waldkirch (Kanzler) siehe Merklin, Balthasar Wallfahrt IV 1 – Pilgerfahrt im Geist IV 1 Weberei siehe Flachs Wegbildlichkeit II 17; IV 3. 64 Weinkauf siehe Handel Weltmetapher IV 100 Weltwunder III 85 Werkgerechtigkeit IV 69 Wöchnerin IV 7 Worms (Kaufhaus) IV 28 Zehnt siehe Steuern Zivilprozess siehe Recht Zölibat IV 17 Zutrinken siehe Trinken Zwei-Schwerter-Lehre IV 96

443

9. Nummern der Bearbeitungsverzeichnisse Zu beachten ist, dass für jede ›Fabel‹ nur e i n Bearbeitungsverzeichnis angegeben wird. In den meisten Fällen ist dies das Fabelverzeichnis von Gerd Dicke und Klaus Grubmüller (DG). Weist DG eine ›Fabel‹ nicht nach – das ist bei jenen Texten der Fall, die nicht im engeren Sinn zur Gattung der Fabeln zu rechnen sind –, wird das von Hans-Jörg Uther neu bearbeitete Verzeichnis der Erzähltypen nach Aarne und Thompson (ATU) angegeben. Ist die ›Fabel‹ in beiden Verzeichnissen nicht nachgewiesen, erfolgt der Nachweis – sofern möglich – nach Tubach und Pauli. Gut einhundert ›Fabeln‹ konnten in keinem Verzeichnis nachgewiesen werden. Es handelt sich vor allem um Erzählungen, die Waldis aus Abstemius, Valla und Rinucius übertragen oder – im neuen Teil der Fabeln – vielleicht selbst erfunden hat.

DG 1 DG 4 DG 6 DG 13 DG 18 DG 28 DG 35 DG 37 DG 38 DG 40 DG 42 DG 48 DG 49 DG 50 DG 51 DG 52 DG 54 DG 56 DG 57 DG 59 DG 66 DG 77 DG 81 DG 88 DG 95 DG 96 DG 100 DG 102 DG 103 DG 106

II 48 II 26 I 63 II 16 III 58 IV 75 I 84 I 70 III 78 II 83 II 69 I 39 II 42 II 74 II 10 I 60 III 77 I 21 III 34 III 69 III 97 III 37 I 82, I 100 II 57 II 93 I 13 II 49 I8 IV 57 II 82

DG 107 DG 109 DG 110 DG 111 DG 112 DG 117 DG 118 DG 120 DG 125 DG 131 DG 137 DG 139 DG 142 DG 143 DG 147 DG 149 DG 150 DG 152 DG 153 DG 158 DG 159 DG 162 DG 164 DG 167 DG 168 DG 171 DG 174 DG 176 DG 177 DG 179

II 24 III 21 II 94 I 75 I 77 I 90 I 52, III 31 II 39 II 90 II 27 II 31 III 35 II 52 I 83 I 34 II 47 I 30 II 99 III 70 III 82 II 19 I 17 I 91 I3 I 31 I 59, III 7 I 41 III 27 III 42 IV 88

Register

444 DG 182 DG 183 DG 186 DG 188 DG 189 DG 191 DG 195 DG 196 DG 198 DG 199 DG 201 DG 205 DG 211 DG 212 DG 214 DG 216 DG 220 DG 223 DG 224 DG 226 DG 227 DG 229 DG 231 DG 234 DG 238 DG 241 DG 243 DG 248 DG 249 DG 256 DG 260 DG 262 DG 264 DG 265 DG 267 DG 272 DG 276 DG 277 DG 282 DG 285 DG 287 DG 290 DG 295 DG 296 DG 297

II 40 IV 2 IV 44 III 12 III 13 IV 56 IV 52 II 21 III 43 I 58 I 43 I 11 III 41 I 27 III 73 I 44 I 35 IV 8 III 91 IV 73 III 10 II 15 III 26 II 34 II 38 III 67 III 28 I 61 I1 III 76 I 23 IV 96 IV 79 III 8 IV 93 I 36 I 42 I 25 III 68 III 61 III 85 I 22 I 19 III 89 IV 78

DG 298 DG 300 DG 301 DG 302 DG 303 DG 305 DG 306 DG 307 DG 311 DG 316 DG 321 DG 323 DG 328 DG 329 DG 333 DG 335 DG 347 DG 348 DG 349 DG 350 DG 359 DG 360 DG 361 DG 362 DG 364 DG 369 DG 370 DG 373 DG 377 DG 378 DG 384 DG 386 DG 390 DG 391 DG 392 DG 393 DG 394 DG 402 DG 403 DG 407 DG 408 DG 409 DG 410 DG 411 DG 414

III 46 II 67 I 64 III 5 IV 55 I 48 I 92 I4 III 63 I 57 II 98 II 2 II 17 I 93 II 41 I 50 III 74 II 72 I 71 II 85 I 65 II 7 II 59 I 99 I 88 II 28 I 49 II 20 I 12 III 65 I 69 I 78, II 6 II 8 I 14 III 64 I 32 III 19 I 5, I 73 III 66 III 57 I 40 III 47 I 26 III 60 III 84

Aesopus Dorpii: Nummern, Titel, Konkordanz DG 415 DG 420 DG 421 DG 422 DG 426 DG 431 DG 434 DG 435 DG 436 DG 438 DG 442 DG 443 DG 445 DG 450 DG 457 DG 461 DG 462 DG 465 DG 470 DG 480 DG 481 DG 486 DG 488 DG 490 DG 491 DG 499 DG 500 DG 502 DG 504 DG 511 DG 512 DG 518 DG 521 DG 522 DG 525 DG 532 DG 534 DG 539 DG 541 DG 544 DG 550 DG 552 DG 555 DG 558 DG 559

III 79 II 58 II 32 II 92 II 96 I7 III 20 III 18 I 37 II 91 IV 85 I 85, I 98 II 13 II 1 I 66 I 33 I 45 IV 48 I 29 I 79 II 29 II 66 III 75 IV 54 II 70 II 71 II 78 III 9 I 38 III 81 IV 99 II 65 II 97 I 16 II 44 I 89 III 22 II 35 I9 III 3, III 86 II 3, II 43 II 37 I 18 IV 1 I 96

445 DG 566 DG 569 DG 575 DG 576 DG 582 DG 584 DG 587 DG 590 DG 599 DG 600 DG 606 DG 608 DG 609 DG 612 DG 621 DG 625 DG 627 DG 631 DG 632 DG 633 DG 639 DG 642 DG 645 DG 647 DG 650 DG 651

II 68 II 4 II 81 III 95 I 15 III 80 II 76 I 67 IV 77 IV 3 I 74 IV 34 IV 49 IV 94 III 44 I 56, II 18 III 93 I6 I2 I 28 I 20 III 2 II 95 I 86 I 24 IV 87

ATU 56A* ATU 165B* ATU 179 ATU 217 ATU 227 ATU 295 ATU 335 ATU 729 ATU 754 ATU 774D ATU 778

vgl. II 25 III 16 I 94 II 22 IV 87, IV 88 III 97 III 25 III 72 IV 82 IV 95 III 51, III 51,35–62 III 39 III 53 III 11 III 48 IV 52,58–94 III 94

ATU 838 ATU 845 ATU 893 ATU 910E ATU 910M ATU 910N

Register

446 ATU 922 ATU 934 ATU 960 ATU 960A ATU 1142 ATU 1288 ATU 1331 ATU 1333 ATU 1339D ATU 1342 ATU 1354 ATU 1358C ATU 1362 ATU 1367* ATU 1373A ATU 1394 ATU 1420A ATU 1430(2) ATU 1456* ATU 1525J(2) ATU 1540 ATU 1543A ATU 1546 ATU 1566A* ATU 1574A(2) ATU 1592 ATU 1621* ATU 1643 ATU 1698G/N

III 92 III 40 IV 20 IV 20,69–136 und 140–158 IV 83 IV 90,51–74 II 5 I 62 III 90 II 11 II 86 IV 66 IV 71 IV 67 IV 19 III 83 IV 27 IV 80 III 54 II 9 vgl. IV 4 IV 32 IV 63 I 76 IV 43 III 96 II 12,55–84 III 45 III 98

ATU 1738 ATU 1750B ATU 1804 ATU 1804E ATU 1804** ATU 1833D ATU 1836 ATU 1853 ATU 1862A ATU 1920J

vgl. IV 4 IV 97 IV 14 vgl. IV 17 IV 36; vgl. IV 9 IV 84 IV 31 IV 47, IV 86 IV 50 III 88

Tubach 717 Tubach 1304 Tubach 1726 Tubach 1784 Tubach 2455 Tubach 3420 Tubach 3646

II 12 IV 12 II 30 IV 32,46–84 IV 39 II 54,37–88 II 14

Pauli 53 Pauli 84 Pauli 116 Pauli 304 Pauli 311 Pauli 344 Pauli 463 Pauli 464 Pauli 514 Pauli 707

III 32 II 64 IV 77,117–134 III 51,35–62 IV 72 II 75 vgl. IV 4 vgl. IV 4 IV 45 IV 21

447

10. Aesopus Dorpii: Nummern, Titel, Konkordanz In der linken Spalte stehen die Nummern der Fabeln des Aesopus Dorpii; die Nummerierung ist nicht historisch, sondern wurde von uns eingefügt. In der zweiten Spalte finden sich ggf. Verweise auf Bearbeitungen desselben Stoffes, die im Aesopus Dorpii an früherer oder späterer Stelle abgedruckt sind; diese doppelten, manchmal sogar drei- oder vierfachen Bearbeitungen, die aus der Zusammenstellung verschiedener Fabelœuvres resultieren, wurden von Waldis gewöhnlich nicht übertragen. In der dritten Spalte folgen die lateinischen Titel; hier erscheint auch die interne Nummerierung der verschiedenen Sammlungen (Abstemius 1–100, Valla 1–33 und Rinucius 1–100). In der vierten Spalte sind die Blattzahlen der Ausgabe Straßburg 1522 angegeben. In der Spalte ganz rechts stehen die entsprechenden Nummern der Fabeln von Waldis; mit Ausrufezeichen (!) versehen wurden Bearbeitungen, die nicht der Reihenfolge im Aesopus Dorpii entsprechen. Die Namen der Bearbeiter bzw. Verfasser der lateinischen Fabeln werden vor Beginn jedes Sammlungsteils genannt. Zum Verhältnis von Aesopus Dorpii und Waldis’ Esopus siehe auch die Einleitung, S. 15. Nr.

vgl. Nr.

Titel

Blatt

Waldis

De Gallo gallinaceo De Lupo et Agno De Muribus et Ranis De Cane et Umbra De Leone et quibusdam aliis De Lupo et Grue De Rustico et Colubro De Apro et Asino De Mure urbano et Mure rustico De Aquila et Cornicula De Corvo et Vulpecula De Leone senectute confecto De Cane et Asino De Leone et Mure De Milvo aegroto De Hirundinibus De Ranis et earum Rege De Columba et Milvis De Fure et Cane De Lupo et Sucula De Partu montium De Cane Venatico De Leporibus et Ranis

Bl. 1a Bl. 1af. Bl. 1b Bl. 1bf. Bl. 2a Bl. 2a Bl. 2b Bl. 2b Bl. 2bf. Bl. 3af. Bl. 3bf. Bl. 4a Bl. 4b Bl. 4bf. Bl. 5a Bl. 5b Bl. 5bf. Bl. 6af. Bl. 6b Bl. 6b Bl. 7a Bl. 7af. Bl. 7b

I1 I2 I3 I4 I5 I6 I7 I8 I9 I 10 I 11 I 12 I 13 I 14 I 15 I 16 I 17 I 18 I 19 I 20 I 21 I 22 I 23

Goudanus 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

Register

448 Nr.

vgl. Nr.

Titel

Blatt

Waldis

De Hoedo et Lupo De Cervo et Lupo De Rustico et Angui De Vulpecula et Ciconia De Lupo et Capite picto De Graculo De Musca et Formica De Rana et Bove De Equo et Leone De Equo et Asino De Avibus et Quadrupedibus De Lupo et Vulpe De Cervo De Vipera et Lima De Lupis et Agnis De Silva et Rustico De Membris et Ventre De Simia et Vulpecula De Cervo et Bobus De Leone et Vulpecula De Vulpecula et Mustela De Equo et Cervo

Bl. 7bf. Bl. 8a Bl. 8a Bl. 8b Bl. 8b Bl. 8bf. Bl. 9af. Bl. 9b Bl. 9bf. Bl. 10af. Bl. 10b Bl. 10bf. Bl. 11a Bl. 11af. Bl. 11b Bl. 11b Bl. 11bf. Bl. 12a Bl. 12af. Bl. 12bf. Bl. 13af. Bl. 13b

I 24 I 25 I 26 I 27 I 28 I 29 I 30 I 31 I 32 I 33 I 34 I 35 I 36 I 37 I 38 I 39 I 40 I 41 I 42 I 43 I 44 I 45

De duobus Adulescentibus De Cane et Lanio De Cane et Ove De Agno et Lupo De Adulescente et Cato De Patre et Filiis De Rustico et Equo De Carbonario et Fullone De Aucupe et Palumbo De Buccinatore De Lupo et Cane De Agricola et Canibus De Vulpe et Leone De Vulpe et Aquila De Agricola et Gruibus De Gallo et Cato De Opilione et Agricolis De Aquila et Corvo

Bl. 14a Bl. 14af. Bl. 14b Bl. 14b Bl. 15a Bl. 15af. Bl. 15b Bl. 15bf. Bl. 16a Bl. 16af. Bl. 16bf. Bl. 17af. Bl. 17b Bl. 17bf. Bl. 18a Bl. 18af. Bl. 18b Bl. 18bf.

I 46 I 47 I 48 I 49 I 50 I 51 I 52 I 53 I 54 I 55 I 56 I 57 I 58 I 59 I 60 I 61 I 62 I 63

Goudanus (Fortsetzung) 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 Barlandus 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63

Aesopus Dorpii: Nummern, Titel, Konkordanz Nr.

vgl. Nr.

Titel

449 Blatt

Waldis

De Cane invido et Bove De Cornice et Ove De Pavone et Luscinia De Mustela seniculo et Muribus – ohne Titel – De Leone et Rana De Formica De Avibus De Aegroto et Medico De Leone at aliis De Haedo et Lupo De Asino De Anu et Ancillis De Asino et Equo De Leone et Capra De Vulture aliisque Avibus De Anseribus De Iove et Simia De Quercu et Arundine De Piscatore et Pisciculo De Formica et Cicada De Leone et Tauro

Bl. 19a Bl. 19a Bl. 19af. Bl. 19b Bl. 19bf. Bl. 20a Bl. 20af. Bl. 20b Bl. 20b Bl. 20bf. Bl. 21a Bl. 21af. Bl. 21b Bl. 21bf. Bl. 22a Bl. 22a Bl. 22b Bl. 22b Bl. 23a Bl. 23af. Bl. 23b Bl. 23bf.

I 64 I 65 I 66 I 67 I 68 I 69 I 70 I 71 I 72 I 73 I 74 I 75 I 76 I 77 I 78 I 79 I 80 I 81 I 82 I 83 I 84 I 85

De Nutrice et Lupo De Testudine et Aquila De Cancris matre et filio De Sole et Aquilone De Asino De Rana et Vulpe De Cane mordaci De Camelo De duobus Amicis et Urso De Equite calvo De Duabus Ollis De Rustico et Fortuna De Tauro et Capro De Simia et eius Prole De Pavone et Grue De Quercu et Arundine De Tigride et Vulpe De Tauris et Leone

Bl. 24a Bl. 24af. Bl. 24b Bl. 24b Bl. 25a Bl. 25a Bl. 25af. Bl. 25b Bl. 25b Bl. 25bf. Bl. 26a Bl. 26af. Bl. 26b Bl. 26bf. Bl. 27a Bl. 27a Bl. 27af. Bl. 27b.

I 86 I 87 I 88 I 89 I 90 I 91 I 92 I 93 I 94 I 95 I 96 I 97 I 98

Barlandus (Fortsetzung) 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 Goudanus 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103

ĺ 81

I 99 I 100 II 2 (!) II 1 (!)

Register

450 Nr.

vgl. Nr.

Titel

Blatt

Waldis

Bl. 27bf. Bl. 28a Bl. 28af. Bl. 28b Bl. 28b Bl. 28bf. Bl. 29a Bl. 29af. Bl. 29b Bl. 29b Bl. 30a Bl. 30a Bl. 30b Bl. 30b Bl. 30b Bl. 31a Bl. 31af. Bl. 31b Bl. 31b Bl. 32a

II 3

Goudanus (Fortsetzung) 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123

ĺ 83

ĺ 84

De Abiete et Dumo De Piscatore et Pisciculo De Alite et Pullis eius De Avaro et Invido De Leone et Capella De Cornice et Urna De Leone et Venatore De Puero et Fure De Rustico et Iuvenco De Satyro et Viatore De Apro et Rustico De Tauro et Mure De Rustico et Hercule De Ansere De Cicada et Formica De Simia et duobus eius natis De Bove et Iuvenco De Cane et Leone De Piscibus De Pardo et Vulpecula

II 4 II 5 II 6 II 7 II 8 II 9 II 10 II 11 II 12 II 13 II 14 II 15 II 16 II 17 II 18 II 19 II 20 (?)

Erasmus 124 125 126 127 128 129 130 131 132

De Vulpecula et Pardale De Vulpe et Fele De Rege et Simiis De Asino et Viatoribus De Piscatoribus ĺ 90 De Asino De Scarabeo et Aquila De Simiis et Pardale ĺ 113, 250 De Satyro et Rustico

Bl. 32a Bl. 32af. Bl. 32b Bl. 33a Bl. 33a Bl. 33af. Bl. 33b Bl. 34a Bl. 34af.

II 20 (?) II 21 II 22 II 24 (!) II 23 (!) II 26 (!) II 25 (!)

Aulus Gellius 133

ĺ 106

– ohne Titel –

Bl. 34b–36a

– ohne Titel –

Bl. 36af.

II 27

– ohne Titel –

Bl. 36bf.

II 28

Angelus Politianus 134 Petrus Crinitus 135

Aesopus Dorpii: Nummern, Titel, Konkordanz Nr.

vgl. Nr.

Titel

451 Blatt

Waldis

II 29

Johannes Antonius Campanus 136 137

ĺ 21

De Corvo et Lupis De Partu Terrae

Bl. 37a Bl. 37af.

ĺ 40

De Membris et Ventre

Bl. 37b

De Arione et Delphino

Bl. 37b–38b II 30

De Aranea et Podagra

Bl. 39a–40a II 31

– ohne Titel – 1. De Mure in cista nato 2. De Rustico impetrante, ut triticum absque aristis nasceretur 3. De Accipitre Columbam insequente 4. De Aranea et Hirundine 5. De Rustico amnem transituro 6. De Columba et Pica 7. De Cuculo et Accipitre 8. De Asino et Vitulo 9. De Vulpe et Mulieribus gallinam edentibus 10. De Caponibus pinguibus et macro 11. De Trabe et Bobus eam trahentibus 12. De Arboribus pulchris et deformibus 13. De Cycno in morte canente comprehenso a Ciconia 14. De Muliere virum morientem flente et Patre eam consolante 15. De Muliere amatoris discessum flente 16. De Musca, quae quadrigis insidens pulverem se excitasse dicebat 17. De Anguilla conquerente, quod magis quam Serpens infestaretur 18. De Asino, Simia et Talpa 19. De Nautis sanctorum auxilium implorantibus 20. De Piscibus e sartagine in prunas desilientibus

Bl. 42bf. Bl. 44a Bl. 44a

IV 52 (!) II 32 II 33

Bl. 44b Bl. 44b Bl. 44bf. Bl. 45a Bl. 45a Bl. 45b Bl. 45b

II 34 II 35 II 36 II 37 II 38 II 39 II 40

Bl. 45bf. Bl. 46a Bl. 46af. Bl. 46b

II 41 II 42 II 43 II 44

Bl. 46bf.

II 45

Bl. 47a Bl. 47af.

II 46 II 47

Bl. 47b

II 48

Bl. 47b Bl. 47bf.

II 49 II 50

Bl. 48a

II 51

Livius 138

Aulus Gellius 139 Nikolaus Gerbelius 140 Abstemius 140a 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160

Register

452 Nr.

vgl. Nr.

Titel

Blatt

Waldis

Bl. 48af.

II 52

Bl. 48b Bl. 48bf.

II 53 II 54

Bl. 49a Bl. 49a Bl. 49b Bl. 49b

II 55 II 56 II 57 II 59 (!)

Bl. 49bf. Bl. 50af. Bl. 50b Bl. 50bf. Bl. 51a

II 58 (!) II 60 II 61 II 62 II 63

Bl. 51af. Bl. 51b Bl. 51bf.

II 64 II 65 II 66

Bl. 52a Bl. 52af. Bl. 52b Bl. 52bf. Bl. 53a Bl. 53a Bl. 53af. Bl. 53b Bl. 53bf. Bl. 54a Bl. 54af. Bl. 54b Bl. 54bf. Bl. 55af.

II 67 II 68 II 69 II 73 (!) II 70 (!) II 71 (!) II 74 (!) II 72 (!) II 75 II 76 II 77

Bl. 55b Bl. 55bf. Bl. 56a Bl. 56b Bl. 56b Bl. 56bf.

II 79 II 80

Abstemius (Fortsetzung) 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195

ĺ 77

ĺ 82 ĺ 271, 364

21. De Quadrupedibus societatem adversus aves cum Piscibus ineuntibus 22. De Legato avaro Tubicines decipiente 23. De Viro, qui ad Cardinalem nuper creatum gratulandi gratia accessit 24. De Iuvene Senis curvitatem ridente 25. De Sene Puellam in uxorem accipiente 26. De Aquila et Pica 27. De Turdo amicitiam cum Hirundine ineunte 28. De Rustico et Mure 29. De Eremita virgine aegrotante 30. De Divite quodam et Servo 31. De Vidua virum petente 32. De Canibus urbanis villaticum insequentibus 33. De Anu Daemonem accusante 34. De Testudine et Ranis 35. De Gliribus Quercum eruere volentibus 36. De Cane et Hero 37. De Avibus Scarabeos timentibus 38. De Urso et Apibus 39. De Aucupe et Fringilla 40. De Milite et Equo 41. De Sue et Cane 42. De Trabe Boum pigritiam increpante 43. De Carduele et Puero 44. De Scurra et Episcopo 45. De Upupa indigne honorata 46. De Sacerdote et Piris 47. De Mulo et Equo 48. De Porco et Equo 49. De Coriario emente pellem Ursi venatore nondum capti 50. De Eremita et Milite 51. De Viro et Uxore et bigamis 52. De Leone et Mure 53. De Ulmo et Silere 54. De Cera duritiem appetente 55. De Agricola militiam et mercaturam affectante

II 78

II 81

Aesopus Dorpii: Nummern, Titel, Konkordanz Nr.

vgl. Nr.

Titel

453 Blatt

Waldis

56. De Asino et Scurra 57. De Amne suum Fontem conviciis lacessente 58. De Viro maligno et Daemone 59. De Avibus plures reges eligere volentibus 60. De Muliere, quae pro viro se mori velle dicebat 61. De Adolescente in funere matris canente 62. De Viro zelotypo, qui uxorem dederat custodiendam 63. De Viro clisteria recusante 64. De Asino aegrotante et Lupis visitantibus 65. Quod Nuci, asino et Mulieri prosunt verbera 66. De Asino laborum finem non inveniente 67. De Mure, quae cum Fele amicitiam contrahere volebat 68. De Asino, qui hero ingrato servierat 69. De Lupo suadente Histrici, ut tela deponeret 70. De Mure liberante Milvum 71. De Cochlea petente ab Iove, ut suam domum secum ferre posset 72. De Erinacio Viperam hospitem eiciente 73. De Lepore sese Vulpi praeferente ob pedum velocitatem

Bl. 57af. Bl. 57b

II 82 II 83

Bl. 57bf. Bl. 58a

II 84 II 85

Bl. 58a

II 86

Bl. 58b

II 87

Bl. 58bf.

II 88

Bl. 59a Bl. 59a

II 89 II 90

Bl. 59b

II 91

Bl. 59bf.

II 93 (!)

Bl. 60a

II 92 (!)

Bl. 60af. Bl. 60b

II 94 II 95

Bl. 60bf. Bl. 61a

II 96 II 97

Bl. 61af.

II 98

74. De Sene ob impotentiam libidinem carnis relinquente 75. De Agricola et Poeta 76. De Lupo ovis pelle induto, qui gregem devorabat 77. De Patre Filium ad virtutes frustra hortante 78. De Cane oves Domini sui occidente, a quo suspensus est 79. De Ariete cum Tauro pugnante

Bl. 61bf.

II 99 (!) II 100

Bl. 62a Bl. 62a

III 1 III 2

Bl. 62b

III 4 (!)

Bl. 62bf.

III 5 (!)

Bl. 63a

III 3 (!)

Abstemius (Fortsetzung) 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213

214 215 216 217 218 219

Bl. 61b

Register

454 Nr.

vgl. Nr.

Titel

Blatt

Waldis

Bl. 63af. Bl. 63bf. Bl. 64a

III 6 III 7 III 8

Bl. 64af. Bl. 64b Bl. 64bf. Bl. 65a

III 9 III 10 III 11 III 12

Bl. 65b

III 13

Bl. 65b

III 14

Bl. 65bf.

III 15

Bl. 66af.

III 16

Bl. 66bf.

III 17

Bl. 67a

III 18

Bl. 67a Bl. 67af.

III 19 III 20

Bl. 67b Bl. 67bf.

III 21 III 22

Bl. 68a

III 23

Bl. 68af. Bl. 68b Bl. 68bf.

III 24 III 25 III 26

Bl. 70af. Bl. 70bf. Bl. 70bf. Bl. 71a Bl. 71af. Bl. 71b Bl. 71bf.

III 27

Abstemius (Fortsetzung) 220 221 222

80. De Vidua et Asino viridi 81. De Aquila filios Cuniculi rapiente 82. De Lupo pisce fluvii maris regnum affectante 83. De Ove Pastori conviciante 84. De Auriga et Rota currus stridente 85. De Viro Amicos experiri volente 86. De Vulpe carnem Leporis Cani laudante 87. De Lepore calliditatem et Vulpe celeritatem a Iove petentibus 88. De Equo inculto, sed veloci, et ceteris eum irridentibus 89. De Rustico per vocem Haedi ad iurisconsultum admisso 90. De Adulescente ex coitu infirmo et Lupo 91. De Sene Iuvenem poma sibi surripientem satis deiciente 92. De Luscinia cantum Accipitri pro vita pollicente 93. De Leone Porcum sibi socium eligente 94. De Culice cibum et hospitium ab Ape petente 95. De Asino tubicine et Lepore tabellario 96. De Accipitribus inter se inimicis, quos Columbae pacaverant 97. De Muliere ignem in Mariti domum ferente 98. De Praetore repetundarum damnato 99. De Sene Mortem differe volente 100. De Viro avaro sacculum nummorum alloquente

223 224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240

Valla 241 242 243 244 245 246 247

ĺ 58 ĺ 28 ĺ 53

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

De Vulpe et Capro De Vulpe et Leone De Gallo et Perdice De Vulpe et Capite reperto De Carbonario et Fullone De Viro iactabundo De Viro Apollinem tentante

III 28

III 29 III 30

Aesopus Dorpii: Nummern, Titel, Konkordanz Nr.

vgl. Nr.

Titel

455 Blatt

Waldis

Valla (Fortsetzung) 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273

ĺ 83

8. 9. ĺ 113, 132 10. ĺ 123, 124, 11. 297 ĺ 50 12. ĺ 57, 303 13. ĺ 51, 304 14. 15. 16. ĺ 94, 307 17. ĺ 46, 308 18. ĺ 82, 101, 19. 310 ĺ 55 20. ĺ 54 21. 22. 23. ĺ 47 24. 25. 26. ĺ 32, 351 27. 28. 29. 30. ĺ 195, 364 31. 32. ĺ 95 33.

De Piscatore De Equo et Asino De Viro et Satyro De Vulpe et Pardo

Bl. 72a Bl. 72af. Bl. 72b Bl. 72b

De Fele in feminam mutata De Agricola et Canibus De Agricola saeviente in filios De Muliere et Gallina De Homine, quem Canis momorderat De duobus Amicis et Urso De Adulescentibus et Coquo De Arundine et Olea

Bl. 73a Bl. 73a Bl. 73b Bl. 73b Bl. 74a Bl. 74af. Bl. 74b Bl. 74b

De Tubicine De Aucupe et Vipera De Castore virilia sibi amputante De Thynno et Delphino De Cane et Lanione De Vate quodam De Aegroto et Medico De Asino et Lupo De Aucupe et Merula De Viatore et Pera inventa De Puero et Matre De Pastore artem nauticam exercente De Filio cuiusdam senis et Leone De Calvo crines externos gerente pro nativis

Bl. 74bf. Bl. 75a Bl. 75af. Bl. 75b Bl. 75bf. Bl. 76a Bl. 76a Bl. 76b Bl. 76bf. Bl. 77a Bl. 77af. Bl. 77b Bl. 77bf. Bl. 78a

De Aquila et Vulpe De Aquila et Corvo De Aquila et Scabrone De Philomena et Accipitre De Vulpe et Trago De Vulpe et Leone De Cato et Gallo De Vulpe sine cauda De Piscatore et Ismaryde pisciculo De Vulpe et Rubo De Vulpe et Crocodilo

Bl. 79af. Bl. 79b Bl. 79bf. Bl. 80af. Bl. 80bf. Bl. 81a Bl. 81af. Bl. 81b Bl. 81bf. Bl. 82a Bl. 82a

III 31

III 32 III 33

III 34 III 35 III 36

III 37 III 38 III 39 III 40

Rinucius 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284

ĺ 59 ĺ 63 ĺ 130 ĺ 232 ĺ 241 ĺ 58 ĺ 61 ĺ 83

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.

III 41 III 42 III 43

Register

456 Nr.

vgl. Nr.

Titel

Blatt

Waldis

De Vulpe et Venatoribus De Gallis et Perdice De Vulpe et Larva De Homine et ligneo Deo De Cane ad cenam vocato De Aquila et Homine De Viro agricola De Carbonario et Lotore De Vulpe esuriente De Piscatore quodam De Piscatoribus quibusdam De Viro inope et infirmo De Vulpe et Pardo

Bl. 82af. Bl. 82b Bl. 83a Bl. 83a Bl. 83af. Bl. 83b Bl. 83bf. Bl. 84a Bl. 84a Bl. 84af. Bl. 84b Bl. 84bf. Bl. 85a

III 44

De Piscatoribus quibusdam De Ranis Regem petentibus De Cata in feminam mutata

Bl. 85af. Bl. 85b Bl. 85bf.

III 52

De Sene Mortem vocante De Muliere et Medico De Agricola et Canibus De Agricola et Filiis De Muliere et Gallina – ohne Titel – De duobus Amicis et Ursa De Adulescentibus duobus et Coquo De duobus Inimicis De Calamo et Oliva

Bl. 86a Bl. 86af. Bl. 86b Bl. 86bf. Bl. 87a Bl. 87af. Bl. 87b Bl. 87bf. Bl. 88a Bl. 88af.

III 53 III 54

De Vitula et Bove De Puero et Fortuna De Muribus et Cato De Simia et Vulpe De Cervo et Leone De Agricola et Pelargo De Agno et Lupo De Iove et Corvo De Tubicine quodam De Fabro et Cane De Mula quadam De Thunno et Delphino

Bl. 88b Bl. 88b Bl. 88bf. Bl. 89af. Bl. 89b Bl. 89bf. Bl. 90a Bl. 90af. Bl. 90b Bl. 90bf. Bl. 91a Bl. 91a

Rinucius (Fortsetzung) 285 286 287 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322

12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. ĺ 53 19. ĺ 44 20. 21. 22. 23. ĺ 123, 124, 24. 251 25. ĺ 17 26. ĺ 50 27. ĺ 252 28. 29. ĺ 57, 253 30. ĺ 51, 254 31. ĺ 255 32. ĺ 256 33. ĺ 94, 257 34. ĺ 46, 258 35. 36. ĺ 82, 101, 37. 259 ĺ 120 38. 39. 40. 41. ĺ 36 42. ĺ 60 43. ĺ 74 44. ĺ 29 45. ĺ 55 46. 47. 48. ĺ 263 49.

ĺ 243 ĺ 28

III 45 III 46 III 47 III 48

III 49 III 50 III 51

III 55

III 56 III 57 III 58

III 59 III 60 III 61 (!)

Aesopus Dorpii: Nummern, Titel, Konkordanz Nr.

vgl. Nr.

Titel

457 Blatt

Waldis

Bl. 91af. Bl. 91b Bl. 91bf. Bl. 92a Bl. 92af. Bl. 92b Bl. 92bf. Bl. 93a Bl. 93a Bl. 93af. Bl. 93b Bl. 94a Bl. 94af.

III 62

Rinucius (Fortsetzung) 323 324 325 326 327 328 329 330 331 332 333 334 335 336 337 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354 355 356 357 358 359 360 361 362 363

ĺ 54 ĺ 262 ĺ 62 ĺ 11 ĺ 15 ĺ4 ĺ 69 ĺ 43 ĺ 73

ĺ6 ĺ2 ĺ 265 ĺ 70

ĺ 266 ĺ 75 ĺ 77 ĺ 32, 267 ĺ 117 ĺ 91

ĺ 269 ĺ 110

ĺ 270

50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90.

De Medico quodam De Aucupe De Castore De Puero oves pascente De Corvo et Vulpe De Cane et Lupo De Corvo aegrotante De Cane carnes portante De Leone et Rana De Leone sene De Leone et Tauro De Leone, Asino et Vulpe De Leone cuiusdam Rustici filiam amante De Leaena et Vulpe De Lupo et Grue De Lupo et Agno De duobus Gallis intra se certantibus De Vate quodam De Formica et Columba De Vitulo et Cerva De Ape et Iove De Musca De Adulescente quodam et Hirundine De Aegroto et Medico De Lignatore quodam De Asino et Iove De Leporibus et Ranis De Asino et Equo De Asino et Lupo De Muliere et Gallina De Rana et Vulpe De Serpente et Agricola De Gallina et Vulpe De Viatore De Leone et Homine De Vulpe quadam De Puero et Scorpione De Venatore et Perdice De Lepore et Testudine De Salice et Securi De Puero quodam fure

Bl. 94b Bl. 94b Bl. 94bf. Bl. 95af. Bl. 95b Bl. 95bf. Bl. 96a Bl. 96af. Bl. 96b Bl. 96b Bl. 96bf. Bl. 97af. Bl. 97b Bl. 97bf. Bl. 98af. Bl. 98b Bl. 98b Bl. 98bf. Bl. 99a Bl. 99af. Bl. 99b Bl. 99bf. Bl. 100a Bl. 100a Bl. 100af. Bl. 100b Bl. 100bf. Bl. 101af.

III 63

III 64 III 65 III 66

III 67

III 68 III 69 III 70 III 71 III 72

III 73 III 74 III 75 III 76 III 77

Register

458 Nr.

vgl. Nr.

Titel

Blatt

Waldis

Rinucius (Fortsetzung) 364 365 366 367 368 369 370 371 372 373

ĺ 195, 271

ĺ 119

ĺ 84

91. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98. 99. 100.

De Pastore et Mari De Punica et Malo arboribus De Talpa et Matre De Vespis, Perdicibus et Agricola De Iove De Simia De Pulice De Pulice et Homine De Formicis et Cicada De Viro et Uxoribus

Bl. 101b Bl. 101b Bl. 101bf. Bl. 102a Bl. 102af. Bl. 102b Bl. 102b Bl. 103a Bl. 103a Bl. 103af.

III 78 III 79 III 80 III 81 III 82

III 83

5. Bibliographie Das Verzeichnis dient dem bibliographischen Nachweis und der Auflösung der verwendeten Abkürzungen. Aufgenommen ist mehrfach zitierte Literatur. Alle übrigen Titel sind im Stellenkommentar oder in der Einleitung vollständig angeführt.

1. Texte und Editionen Aesopus Dorpii

Fabularum quae hoc libro continentur interpretes, atque authores sunt hi. Guilielmus Goudanus. Hadrianus Barlandus. Erasmus Roterodamus. Aulus Gellius. Laurentius Valla. Angelus Politianus. Petrus Crinitus. Ioannes Antonius Campanus. Plinius s[e]cundus nouocomensis. Nicolaus Gerbelius Phorcensis. Laurentius Abstemius. Rimicius Iam denuo additus Aesopi uita ex Max. Planude excerpta, et aucta, [hg. von Martinus Dorpius] Straßburg 1522.

Agricola, Sprichwörter

Johannes Agricola, Die Sprichwörtersammlungen, 2 Bde., hg. von Sander L. Gilman, Berlin – New York 1971 (Ausgaben deutscher Literatur des 15. bis 18. Jahrhunderts).

Alberus, Der Barfuser M)nche Eulenspiegel

Erasmus Alberus, Der Barfuser M)nche Eulenspiegel vnd Alcoran […], Wittenberg 1542.

Alberus, Dictionarium

Erasmus Alberus, Novum Dictionarii genus. Nachdruck der Ausgabe Frankfurt 1540. Mit einem Vorwort von Gilbert de Smet, Hildesheim – New York 1975.

Alberus, Fabeln

Erasmus Alberus, Die Fabeln. Die erweiterte Ausgabe von 1550 mit Kommentar sowie die Erstfassung von 1534, hg. von Wolfgang Harms und Herfried Vögel in Verbindung mit Ludger Lieb, Tübingen 1997 (Frühe Neuzeit 33).

Bibliographie

460

Alciatus, Emblematum Libellus

Andreas Alciatus, Emblematum Libellus. Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Paris 1542, Darmstadt 1987.

BDN

Konrad von Megenberg, Das Buch der Natur. Die erste Naturgeschichte in deutscher Sprache, hg. von Franz Pfeiffer, Stuttgart 1861.

Bebel, Fazetien

Heinrich Bebel, Fazetien. Drei Bücher, übersetzt und eingeleitet von Manfred Fuhrmann, Konstanz 2005 (Bibliotheca suevica 13).

Brant, Fabeln

Sebastian Brant, Fabeln. Carminum et fabularum additiones Sebastiani Brant – Sebastian Brants Ergänzungen zur Aesop-Ausgabe von 1501, mit den Holzschnitten der Ausgabe von 1501 hg., übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Bernd Schneider, Stuttgart-Bad Cannstatt 1999 (Arbeiten und Editionen zur Mittleren Deutschen Literatur N.F. 4).

Brant, Narrenschiff

Sebastian Brant, Das Narrenschiff. Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben, hg. von Manfred Lemmer, 3. erweiterte Aufl., Tübingen 1986 (Neudrucke deutscher Literaturwerke N.F. 5).

Camerarius, Fabulae

Aesopi Phrygis Fabularum celeberrimi autoris Vita. Fabellae Aesopicae plures Quadringentis […] a Ioachimo Camerario Pabergensi […], Tübingen 1538. Appendix Fabularum Aesopicarum nuper editarum a Ioachimo Camerario […], Tübingen 1539 [Zitate sind stillschweigend normalisiert; in eckigen Klammern die entsprechende Nummer in späteren Ausgaben].

Dorpius

siehe Aesopus Dorpii.

Erasmus, Adagia

Erasmus von Rotterdam, Adagia, 9 Bde. [wechselnde Herausgeber], Amsterdam u.a. 1981–2005 (Opera omnia Desiderii Erasmi Roterodami recognita et adnotatione critica instructa notisque illustrata II 1–9).

Erk/Böhme, Liederhort

Deutscher Liederhort. Auswahl der vorzüglicheren Deutschen Volkslieder, nach Wort und Weise aus der Vorzeit und Gegenwart gesammelt und erläutert von Ludwig Erk. Nach Erk’s handschriftlichem Nachlasse und auf Grund

Texte und Editionen

461

eigener Sammlung neubearbeitet und fortgesetzt von Franz M. Böhme, 3 Bde., Leipzig 1893–1894, Nachdruck Hildesheim 1963. Eyering, Proverbia

Eucharius Eyering, Proverbiorum Copia, Etlich viel Hundert Lateinischer und Teutscher schöner und lieblicher Sprichwörter. Mit einem Vorwort von Wolfgang Mieder, 3 Bde., Nachdruck der Ausgabe Eisleben 1601–1604, Hildesheim – Zürich – New York 2003.

Faustbuch

Romane des 15. und 16. Jahrhunderts, nach den Erstdrucken mit sämtlichen Holzschnitten hg. von Jan-Dirk Müller, Frankfurt/M. 1990 (Bibliothek deutscher Klassiker 54 / Bibliothek der Frühen Neuzeit 1).

Flugblätter

Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts, hg. von Wolfgang Harms, Bd. I: Die Sammlung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Kommentierte Ausgabe, Teil 1: Ethica. Physica, hg. von Wolfgang Harms und Michael Schilling zusammen mit Barbara Bauer und Cornelia Kemp, Bd. II: Die Sammlung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Kommentierte Ausgabe, Teil 2: Historica, hg. von Wolfgang Harms zusammen mit Michael Schilling und Andreas Wang, Bd. III: Die Sammlung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Kommentierte Ausgabe, Teil 3: Theologica. Quodlibetica. Bibliographie. Personen- und Sachregister, hg. von Wolfgang Harms und Michael Schilling zusammen mit Albrecht Juergens und Waltraud Timmermann, Tübingen 1985–1989 [Bd. II, München 1980].

Franck, Chronica

Sebastian Franck, Chronica. Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Ulm 1536, Darmstadt 1969.

Franck, Sprichwörter

Sebastian Franck, Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe mit Kommentar [Leitung der Edition: Hans-Gert Roloff], Bd. 11: Sprichwörter, Text-Redaktion: Peter Klaus Knauer, Bern u.a. 1993.

Franziskus von Assisi, Bullierte Regel

Lothar Hardick OFM / Engelbert Grau OFM, Die Schriften des heiligen Franziskus von Assisi. Einführung, Übersetzung, Erläuterungen, 9. Aufl., Werl/Westfalen 1994 (Franziskanische Quellenschriften 1), S. 162–173.

462

Bibliographie

Gerichtsordnung (Carolina)

Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. und des Heiligen Römischen Reichs von 1532 (Carolina), hg. und erläutert von Friedrich-Christian Schroeder, Stuttgart 2000.

Gesner, Fischbuch

Gesneri Redivivi, aucti et emendati Tomus IV. et ultimus Oder Vollkommenes Fisch=Buch […].Vormahls durch den hochber(hmten Herrn D. Conradum Gesnerum, Jn Lateinischer Sprache beschrieben/ und nachgehends durch eine andere Hand/ der Teutschen Welt zu Gute (bersetzet: Anjetzo aber/ nach dem Lateinischen Drucke von neuem (bersehen/ an gar vielen Orten/ dem Lateinischen Grund=Texte/ und der gewissen Erfahrung gem ß/ verbessert/ und auß der alten gar unverst ndlichen Dolmetschung/ in eine recht deutliche und saubere Teutsche Sprache gebracht/ auch mit sehr vielen neuen Figuren/ theils bekanter/ meistentheils aber fremder und außl ndischer gar seltzamer Fische und ihrer Beschreibung/ gezieret und vermehret/ Durch Georgium Horstium, M. D. Frankfurt/M. 1570, Nachdruck Hannover 1981.

Conrad Gesner, Historia animalium. Liber I: De QuadruGesner, Historia animalium pedibus viviparis. Liber II: De Quadrupedibus oviparis. Liber III: De Avium natura. Liber IV: De Piscium et Aquatilium animantium natura, Zürich 1551–1558. Gesner, Tierbuch

Gesnerus Redivivus auctus et emendatus. Oder: Allgemeines Thier=Buch […]. Vormahls durch den Hochber(hmten Herrn D. Conradum Gesnerum, Jn Lateinischer Sprache beschrieben/ und nachmahls/ durch den Hochgel hrten Herrn Conradum Forerum Med. D. ins Teutsche (bersetzt: Anitzo aber/ nach dem Lateinischen Exemplar/ von neuem (bersehen/ an vielen Orten/ nach der gewissen Erfahrung/ verbessert/ und von der alten dunckeln und unverst ndlichen Redens=Art gereiniget/ und in die heutige zierliche und helle Teutsche Sprache gebracht/ auch mit mehr/ als 100. Figuren außl ndischer Thieren und deren Beschreibung gezieret und erweitert/ durch Georgium Horstium, Med. D. Frankfurt/M. 1669, Nachdruck Hannover 1980.

Gesner, Vogelbuch

Gesneri Redivivi, aucti et emendati Tomus II. Oder Vollkommenes Vogel=Buch […]. Vormahls durch den hochber(hmten Herrn D. Conradum Gesnerum, Jn Lateinischer Sprache beschrieben/ und nachgehends durch

Texte und Editionen

463

eine andere Hand/ der Teutschen Welt zu gute (bersetzet: Anjetzo aber/ nach dem Lateinischen Drucke/ von neuem (bersehen/ an gar vielen Orten/ dem Lateinischen Grund=Texte/ und der gewissen Erfahrung gem ß/ verbessert/ und/ auß der alten gar unverst ndlichen Dolmetschung/ in eine recht deutliche und saubere Teutsche Sprache gebracht/ auch mit sehr vielen neuen Figuren/ theils bekannter/ meistentheils aber fremder und außl ndischer gar seltzamer Vgel und ihrer Beschreibung/ gezieret und vermehret/ Durch Georgium Horstium, M. D. 2 Teile. Frankfurt/M. 1669, Nachdruck Hannover 1981. Grimmelshausen, Simplicissimus

Grimmelshausen, Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch und Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi. 2., durchgesehene und erweiterte Aufl., hg. von Rolf Tarot, Tübingen 1984.

Herodot, Historien

Herodot, Historien. Griechisch-deutsch, hg. von Josef Feix, 2 Bde. [durchgezählt], München 1963.

Horaz, De arte poetica

siehe Horaz, Epistulae.

Horaz, Epistulae

Q. Horatius Flaccus, Satiren, Briefe. Sermones, Epistulae. Lateinisch-deutsch, übersetzt von Gerd Herrmann, hg. von Gerhard Fink, Düsseldorf – Zürich 2000.

Horaz, Oden

Q. Horatius Flaccus, Oden und Epoden, hg. und übersetzt von Gerhard Fink, Düsseldorf – Zürich 2002.

Juvenal, Satiren

Juvenal, Satiren. Lateinisch – deutsch, hg., übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Joachim Adamietz, München 1993.

Keller, Fastnachtspiele

Fastnachtspiele aus dem fünfzehnten Jahrhundert, [hg. von Adelbert von Keller] 3 Teile, Stuttgart 1853 (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart 28–30).

Koldewey

siehe Waldis, Streitgedichte.

Kurz

Esopus von Burkhard Waldis, hg. und mit Erläuterungen versehen von Heinrich Kurz, 2 Bde., Leipzig 1862 (Deutsche Bibliothek 1/2).

Bibliographie

464

Lutherbibel

Martin Luther, Die gantze Heilige Schrifft Deudsch. Wittenberg 1545. Letzte zu Luthers Lebzeiten erschienene Ausgabe, hg. von Hans Volz unter Mitarbeit von Heinz Blanke, Textredaktion Friedrich Kur, 2 Bde. [durchgezählt], München 1972 [alle deutschen Bibelzitate nach dieser Ausgabe].

Münster, Cosmographei

Sebastian Münster, Cosmographei oder beschreibung aller l nder […], Basel 1550. Nachdruck mit einer Einführung von R. Oehme, Amsterdam 1968 (Mirror of the World I 5).

Murner, Narrenbeschwörung

Thomas Murner, Narrenbeschwörung, hg. von M. Spanier. Mit einem Briefe Murners in Handschriftendruck, Berlin – Leipzig 1926 (Kritische Gesamtausgaben Elsässischer Schriftsteller des Mittelalters und der Reformationszeit. Thomas Murners Deutsche Schriften 2).

Murner, Schelmenzunft

Thomas Murner, Die Schelmenzunft, hg. von M. Spanier, Berlin – Leipzig 1925 (Kritische Gesamtausgaben Elsässischer Schriftsteller des Mittelalters und der Reformationszeit. Thomas Murners Deutsche Schriften 3).

Ovid, Ars amatoria

Publius Ovidius Naso, Liebeskunst. Ars amatoria, Heilmittel gegen die Liebe. Remedia amoris. Lateinischdeutsch, hg. und übersetzt von Niklas Holzberg, 4., überarbeitete Aufl., Düsseldorf – Zürich 1999.

Ovid, Epistulae

Publius Ovidius Naso, Briefe aus der Verbannung. Tristia, Epistulae ex Ponto. Lateinisch und deutsch, übertragen von Wilhelm Willige, eingeleitet und erläutert von Niklas Holzberg, 4. Aufl., Düsseldorf – Zürich 2005.

Ovid, Metamorphosen

Publius Ovidius Naso, Metamorphosen, hg. und übersetzt von Gerhard Fink, Düsseldorf – Zürich 2004.

Ovid, Tristia

siehe Ovid, Epistulae.

Pauli

Johannes Pauli, Schimpf und Ernst, 2 Teile [durchnummeriert], hg. von Johannes Bolte, Nachdruck der Ausgabe Berlin 1924, Hildesheim – New York 1972.

Petri

Friedrich Petri (Peters), Der Teutschen Weißheit. Faksimiledruck der Auflage von 1604/05, hg. und eingeleitet von Wolfgang Mieder, Bern – Frankfurt/M. 1983 (Nachdrucke deutscher Literatur des 17. Jahrhunderts 46).

Texte und Editionen

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Plinius, Naturalis Historia

C. Plinii Secundi Naturalis Historiae Libri XXXVII. C. Plinius Secundus d.Ä., Naturkunde. Lateinisch – deutsch, hg. und übersetzt von Roderich König, 37 Bde., München, seit 1994 Zürich 1973–1996, Gesamtregister, hg. von Karl Bayer und Kai Brodersen, Düsseldorf – Zürich 2004.

Reinke de vos

Reinke de vos, nach der Ausgabe von Friedrich Prien neu hg. von Albert Leitzmann. Mit einer Einleitung von Karl Voretzsch, Halle/S. 1925 (Altdeutsche Textbibliothek 8).

Rinucius, Fabulae Aesopicae

Rinucius Aretinus, Fabulae Aesopicae, hg. [und ins Italienische übersetzt] von Maria Pasqualina Pillolla, Genua 1993 (Favolisti latini medievali e umanistici 4 / Pubblicazioni del D.AR.FI.CL.ET. Nuova serie 151).

Rollenhagen, Froschmeuseler

Georg Rollenhagen, Froschmeuseler, mit den Holzschnitten der Erstausgabe hg. von Dietmar Peil, Frankfurt/M. 1989 (Bibliothek deutscher Klassiker 48 / Bibliothek der Frühen Neuzeit 12).

Sachs, Werke

Hans Sachs, hg. von Adelbert von Keller, ab Bd. 13 hg. von Adelbert von Keller und Edmund Goetze, 26 Bde., Tübingen 1870–1908 (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart 102–106 / 110 / 115 / 121 / 125 / 131 / 136 / 140 / 149 / 159 / 173 / 179 / 181 / 188 / 191 / 193 / 195 / 201 / 207 / 220 / 225 / 250), Nachdruck Hildesheim 1964. Alphabetischer Registerband, von Roger A. Crockett, Hildesheim – New York 1982.

Schade, Satiren

Oskar Schade, Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit, 3 Bde., 2. Ausgabe, Hannover 1863.

Silva allegoriarum

Hieronymus Lauretus, Silva allegoriarum totius Sacrae Scripturae, Barcelona 1570. Fotomechanischer Nachdruck der zehnten Ausgabe Köln 1681, Einleitung von Friedrich Ohly, München 1971.

Steinhöwel

Steinhöwels Äsop, hg. von Hermann Österley, Tübingen 1873 (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart 117).

Tittmann

Esopus. Von Burchard Waldis, hg. von Julius Tittmann, 2 Bde., Leipzig 1882 (Deutsche Dichter des sechzehnten Jahrhunderts 16/17), Nachdruck Nendeln 1974.

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Bibliographie

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Vergil, Aeneis. Lateinisch – Deutsch, in Zusammenarbeit mit Maria Götte hg. und übersetzt von Johannes Götte, 4. verbesserte Aufl., München 1979.

Vergil, Bucolica

Vergil, Landleben. Catalepton, Bucolica, Georgica, hg. von Johannes und Maria Götte. Vergil-Viten, hg. von Karl Bayer. Lateinisch und deutsch, Zürich 1995.

Vulgata

Biblia Sacra iuxta vulgatam versionem, 2 Bde. [durchgezählt], hg. von Robert Weber OSB, 3., verbesserte Aufl. besorgt von Bonifatius Fischer OSB zusammen mit H. I. Frede, Jean Gribomont OSB, H. F. D. Sparks und W. Thiele, Stuttgart 1983.

WA

D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, 73 Bde. [wechselnde Herausgeber], Weimar 1883–2009.

WA Briefe

D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Briefwechsel, 12 Bde. [wechselnde Herausgeber] Weimar 1930–1967.

WA Tischreden

D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, D. Martin Luthers Tischreden, 6 Bde. [wechselnde Herausgeber], Weimar 1912–1921.

Wackernagel

Philipp Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts. Mit Berücksichtigung der deutschen kirchlichen Liederdichtung im weiteren Sinne und der lateinischen von Hilarius bis Georg Fabricius und Wolfgang Ammonius, 5 Bde., Leipzig 1864–1877, Nachdruck Hildesheim 1964.

Waldis, Das P pstisch Reÿch

Das P pstisch Reÿch. Jst ein Buch lüstig zu lesen allen so die warheit lieb haben/ Darin der Babst mit seinen gelidern/ leben/ glauben/ Gottsdienst/ gebreüchen vnd Cerimonien/ so vil m)glich/ warhafftig vnd auffs kürtzeste beschrieben/ getheilt in vier B)cher/ Durch Thomam Kirchmair, o.O. 1555.

Waldis, Der verlorene Sohn

Burkard Waldis, Der verlorene Sohn, hg. von Arnold E. Berger, in: ders., Die Schaubühne im Dienste der Reformation. Erster Teil, Leipzig 1935 (Deutsche Literatur. Sammlung literarischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Entwicklungsreihen. Reihe Reformation 5), S. 143–206 [Text], 209–220 [Kommentar].

Forschung und Nachschlagewerke

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Waldis, Streitgedichte

Streitgedichte gegen Herzog Heinrich den Jüngern von Braunschweig von Burkard Waldis (1542), hg. von Friedrich Koldewey, Halle/S. 1883 (Neudrucke deutscher Litteraturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts 49).

[Zachariä], Fabeln

[Friedrich Wilhelm Zachariä], Fabeln und Erzehlungen. In Burkard Waldis Manier, Frankfurt/M. – Leipzig 1771

2. Forschung und Nachschlagewerke Alberti

Hans-Joachim von Alberti, Maß und Gewicht. Geschichtliche und tabellarische Darstellungen von den Anfängen bis zur Gegenwart, Berlin 1957.

Arbusow, Aktion

Leonid Arbusow jr., Die Aktion der Rigaschen Franziskaner gegen das Vordringen des Luthertums und ihre Folgen, in: Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands aus dem Jahre 1913, Riga 1914, S. 21–70.

Arbusow, Einführung

Leonid Arbusow jr., Die Einführung der Reformation in Liv-, Est- und Kurland, Leipzig 1921 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 3), Neudruck Aalen 1964.

ATU

Hans-Jörg Uther, The Types of International Folktales. A Classification and Bibliography. Based on the System of Antti Aarne and Stith Thompson, 3 Bde., Helsinki 2004 (FF Communications 284–286).

Brüggemann

Theodor Brüggemann in Zusammenarbeit mit Otto Brunken, Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur. Vom Beginn des Buchdrucks bis 1570, Stuttgart 1987.

Buchenau

Georg Buchenau, Leben und Schriften des Burcard Waldis, Marburg 1858.

Dalby

David Dalby, Lexicon of the Mediaeval German Hunt. A Lexicon of Middle High German terms (1050–1500), associated with Chase, Hunting with Bows, Falconry, Trapping and Fowling, Berlin 1965.

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Dietz

Ph. Dietz, Wörterbuch zu Dr. Martin Luthers Deutschen Schriften, zweite unveränderte Aufl., erster Band und zweiter Band, Lieferung 1: A–Hals. Nebst einem ausführlichen, die Eigenheit der Sprache Lth’s behandelnden Vorworte und einem Verzeichnisse der benutzten zahlreichen Originaldrucke Lth’scher Schriften und Handschriften, Hildesheim 1961, Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1870–1872.

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Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache [bisher 11 Bde., wechselnde Bearbeiter], hg. von der Preußischen Akademie der Wissenschaften, ab Bd. 4 hg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ab Bd. 6 hg. von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Weimar 1914–2007.

DWb

Jacob Grimm / Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, 16 Bde. [wechselnde Bearbeiter], Leipzig 1854–1960, Quellenverzeichnis, Stuttgart 1971, Nachdruck in 32 Bänden [zitiert] und Quellenverzeichnis [Bd. 33], München 1984.

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Adalbert Elschenbroich, Die deutsche und lateinische Fabel in der Frühen Neuzeit, Bd. 1: Ausgewählte Texte, Bd. 2: Grundzüge einer Geschichte der Fabel in der Frühen Neuzeit. Kommentar zu den Autoren und Sammlungen, Tübingen 1990.

EM

Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, hg. von Kurt Ranke, ab Bd. 6 (1990) mit Unterstützung der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen hg. von Rolf Wilhelm Brednich, bisher 13 Bde., Berlin – New York 1977–2010.

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Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, hg. von Arthur Henkel und Albrecht Schöne im Auftrage der Göttinger Akademie der Wissenschaften, Stuttgart 1967, Supplement Stuttgart 1976.

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Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hg. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel und Oskar Reichmann, ab Bd. 2 [1994] hg. von Ulrich Goebel und Oskar Reichmann [einzelne Lieferungen zusammen mit Anja LobensteinReichmann, bisher 4 Bde., Einzellieferungen, wechselnde Bearbeiter], Berlin – New York 1989–2009.

HDA

Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hg. unter besonderer Mitwirkung von E. Hoffmann-Krayer und Mitarbeit zahlreicher Fachgenossen von Hanns BächtoldStäubli, 10 Bde., Berlin – Leipzig 1927–1937 [Bde. 1–8], Berlin 1938–1942 [Bde. 9–10].

Henkel

Nikolaus Henkel, Studien zum Physiologus im Mittelalter, Tübingen 1976 (Hermaea N.F. 38).

Holtorf

Arne Holtorf, Neujahrswünsche im Liebesliede des ausgehenden Mittelalters. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte des Neujahrsbrauchtums in Deutschland, Göppingen 1973 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 20).

HRG

Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 5 Bde. [wechselnde Herausgeber], Berlin 1971–1998.

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H. W. Janson, Apes and Ape Lore in the Middle Ages and the Renaissance, London 1952 (Studies of the Warburg Institute 20), Nachdruck Nendeln 1976.

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Klaus Kipf, Cluoge geschichten. Humanistische Fazetienliteratur im deutschen Sprachraum, Stuttgart 2010 (Literaturen und Künste in der Vormoderne 2).

Kluge

Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearbeitet durch Elmar Seebold. 24., durchgesehene und erweiterte Aufl., Berlin – New York 2002.

Kropaþ

Ingo Herbert Kropaþ, Mühlen und Mühlenrecht in der Steiermark während des Mittelalters, Graz 1983 (Dissertationen der Karl-Franzens-Universität Graz 61).

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Bibliographie

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Oeconomische Encyclop die, oder allgemeines System der Land= Haus= und Staats=Wirthschaft, in alphabetischer Ordnung, aus dem Franzsischen (bersetzt, und mit Anmerkungen und Zus tzen vermehrt, auch nthigen Kupfern versehen von Johann Georg Kr(nitz [wechselnde Fortsetzer], 242 Bde. [ab Bd. 33: Oekonomisch=technologische Encyklop die, oder allgemeines System der Stats= Stadt= Haus= und Land=Wirthschaft und der Kunst=Geschichte, in alphabetischer Ordnung, ab Bd. 74: konomisch=technologische Encyklop die, oder allgemeines System der Staats= Stadt= Haus= und Landwirthschaft, wie auch der Erdbeschreibung, Kunst= und Naturgeschichte, in alphabetischer Ordnung, ab Bd. 77: ökonomisch=technologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats=, Stadt=, Haus= und Landwirthschaft, und der Kunstgeschichte, in alphabetischer Ordnung], Berlin 1773–1858.

Lasch/Borchling

Agathe Lasch / Conrad Borchling (Hgg.), Mittelniederdeutsches Handwörterbuch. Fortgeführt von Gerhard Cordes [ab 2004 hg. von Dieter Möhn], bisher 2 Bde., Einzellieferungen [wechselnde Bearbeiter], Hamburg, später Neumünster 1928–2007.

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Lexer

Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Zugleich als Supplement und alphabetischer Index zum Mittelhochdeutschen Wörterbuche von Benecke-MüllerZarncke, 3 Bde., Leipzig 1872–1878.

Lieb

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Forschung und Nachschlagewerke

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Mittler

Franz Ludwig Mittler, Nachwort, in: ders., Herzog Heinrichs von Braunschweig Klagelied. Mit einem Nachworte über das Leben und die Dichtungen des Burkard Waldis. Vermehrter Abdruck aus dem Hessischen Jahrbuche für 1855, Kassel 1855, S. 13–49.

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Jan Mohr, Gnomologie und Histörchen. Zur Rezeption von Burkard Waldis’ Esopus im 18. Jahrhundert, in: Die europäische Fabel des 18. Jahrhunderts zwischen Pragmatik und Autonomisierung. Traditionen, Formen, Perspektiven, hg. von Dirk Rose, Bucha bei Jena 2010 (Palmbaum Texte. Kulturgeschichte 26), S. 55–82.

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Johannes Müller, Schwert und Scheide. Der sexuelle und skatologische Wortschatz im Nürnberger Fastnachtspiel des 15. Jahrhunderts, Bern u.a. 1988 (Deutsche Literatur von den Anfängen bis 1700 2).

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Dietmar Peil, Untersuchungen zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik in literarischen Zeugnissen von der Antike bis zur Gegenwart, München 1983 (Münstersche Mittelalter-Schriften 50).

RE

Paulys Realencyclopädie der Classischen Altertumswissenschaft, neue Bearbeitung unter Mitwirkung zahlreicher Fachgenossen hg. von Georg Wissowa [ab Bd. 7 weitere und andere Herausgeber], 1. Reihe, 24 Bde., Stuttgart 1894–1963, 2. Reihe [R–Z], 10 Bde., Stuttgart 1920–1967 [Bde. 1–9], München 1972 [Bd. 10], Supplement, 15 Bde., Stuttgart 1903–1970 [Bde. 1–12], München 1973–1978 [Bde. 13–15], Register der Nachträge und Supplemente, von Hans Gärtner und Albert Wünsch, München 1980, Gesamtregister I: Alphabetischer Teil, erarbeitet von Tobias Erler u.a., Stuttgart – Weimar 1997.

RLW

Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte, Bd. 1, gemeinsam mit Harald Fricke, Klaus Grubmüller und Jan-Dirk Müller hg. von Klaus Weimar, Bd. 2, gemeinsam mit Georg Braungart, Klaus Grubmüller, Jan-Dirk Müller, Friedrich Vollhardt und Klaus Weimar hg. von Harald Fricke, Bd. 3, gemeinsam mit Georg Braungart, Harald Fricke, Klaus Grubmüller, Friedrich Vollhardt und Klaus Weimar hg. von Jan-Dirk Müller, Berlin – New York 1997–2003.

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Friedrich von Schrötter (Hg.), Wörterbuch der Münzkunde, Berlin – Leipzig 1930.

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Arthur Ludwig Stiefel, Über den Esopus des Burkhard Waldis, in: Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte 3 (1903), S. 486–495.

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Arthur Ludwig Stiefel, Zu den Quellen des ›Esopus‹ von B. Waldis, in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen Neue Serie 9 (1902), S. 249–279.

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Rudolf Suntrup, Die Bedeutung der liturgischen Gebärden und Bewegungen in lateinischen und deutschen Auslegungen des 9. bis 13. Jahrhunderts, München 1978 (Münstersche Mittelalter-Schriften 37).

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Paul Thoen, Aesopus Dorpii. Essai sur l’Esope latin des temps modernes, in: Humanistica Lovaniensia 19 (1970), S. 241–320.

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TPMA

Thesaurus Proverbiorum Medii Aevi. Lexikon der Sprichwörter des romanisch-germanischen Mittelalters, begründet von Samuel Singer, hg. vom Kuratorium Singer der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften, 13 Bde., Quellenverzeichnis, Berlin – New York 1995–2002.

TRE

Theologische Realenzyklopädie, in Gemeinschaft mit Horst Robert Balz u.a. hg. von Gerhard Krause und Gerhard Müller, ab Bd. 13 (1984) von Gerhard Müller, 36 Bde., Berlin – New York 1977–2004. Gesamtregister, 2 Bde., Berlin – New York 2006–2007.

Tubach

Frederic C. Tubach, Index Exemplorum. A Handbook of Medieval Religious Tales, Helsinki 1969 (FF Communications 204).

VD 16

Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts (VD 16), hg. von der Bayerischen Staatsbibliothek in München in Verbindung mit der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, I. Abteilung. Verfasser – Körperschaften – Anonyma, Bd. 1: Aa–Az, Stuttgart 1983.

Vögel

Herfried Vögel, Natur, Gesellschaft, Moral und die Ambivalenz der Sprache in Fabeln des Erasmus Alberus, in: Ordnung und Unordnung in der Literatur des Mittelalters, hg. von Wolfgang Harms, C. Stephen Jaeger und Horst Wenzel in Verbindung mit Kathrin Stegbauer, Stuttgart 2003, S. 207–223.

Walther

Proverbia sententiaeque Latinitatis Medii Aevi. Lateinische Sprichwörter und Sentenzen des Mittelalters in alphabetischer Anordnung, gesammelt und hg. von Hans Walther, 6 Bde., Göttingen 1963–1969 (Carmina Medii Aevi posterioris Latina II 1–6).

Wander

Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Ein Hausschatz für das deutsche Volk, hg. von Karl Friedrich Wilhelm Wander, 5 Bde., Leipzig 1867–1880.