Bäurischer Macchiavellus: Lustspiel [Reprint 2019 ed.] 9783110862713, 9783110050516


158 86 7MB

German Pages 143 [148] Year 1966

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
NEMINI
MATERIALIEN ZUM VERSTÄNDNIS DES TEXTES
Editionsbericht
Zur Entstehungsgeschichte
Gattungsgeschichtliche Einordnung
Zur Analyse des Stücks
Zur Wirkungsgeschichte
Literatur (in Auswahl)
Wort- und Sacherklärungen
Kommentar
INHALTSVERZEICHNIS
Recommend Papers

Bäurischer Macchiavellus: Lustspiel [Reprint 2019 ed.]
 9783110862713, 9783110050516

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

KOMEDIÄ 10 C H R I S T I A N WEISE BÄURISCHER MACH1AVELLUS

KOMEDIÄ DEUTSCHE LUSTSPIELE VOM BAROCK BIS ZUR

GEGENWART

Texte und Materialien zur Interpretation Herausgegeben von H E L M U T A R N T Z E N und K A R L P E S T A L O Z Z I

10

1966 WALTER

DE

GRUYTER

& CO. / B E R L I N

VORMALS G . J . G Ö S C H E N * S C H E V E R L A G S H A N D L U N G • J. G U T T E N T A G V E R L A G S B U C H H A N D L U N G • G E O R G R E I M E R • K A R L J. T R Ü B N E R V E I T ic C O M P .

CHRISTIAN W E I S E

B Ä U R I S C H E R MACHIAVELLUS Lust-Spiel

Text und Materialien zuf Interpretation besorgt von WERNER

SCHUBERT

1966 W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. /

BERLIN

VORMALS G. J. G Ö S C H E N * S C H E V E R L A G S H A N D L U N G . J. G U T T E N T A G V E R L A G S B U C H H A N D L U N G • G E O R G R E I M E R . K A R L J. T R Ü B N E R V E I T & COMP.

Archiv-Nr. 3609661 © 1966 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagahandlung J. Guttco tag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J. Trübner - Veit & Comp., Berlin 30, Genthiner Str. 13. Printed in Gennany. Alle Rechte der Übersetzung, de« Nachdruckes, der Anfertigung von Photokopien und Mikrofilmen, auch auszugsweise, vorbehalten. Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30

©jríífúM 2B«fen$/ g a u t i f c () e r M A C H I A V E L L U S , in ciriem 8uft*fflpielc/ ^orgefìellrt ©Ol X V . Febr. M DC L X X Î X . Síttau / ^Sudf)f)ôtiï)(. in Scekeri. f)atiï)(. iti3)t

BÄURISCHER MACHIAYELLUS

Lust-Spiel

NEMINI MEin N i e m a n d laß mir zu / daß ich den Nahmen schreibe / Darauf! diß Werck beruht; den was mein Spiel verlacht / Und was die Feder meint / das ist auf dich gedacht: Gestalt ich allezeit dein stiller Feind verbleibe. Du bist mein eintzigs Ziel / du must getroffen seyn; Und noch zum Uberfluß hab ich die Macht genommen / Daß dein Gedächtnüs soll in diese Zuschrifft kommen / Derhalben sey vergnügt / und geh es willig ein. D u bist der Unglücksmann / der allen Staat verkehret / Der Aempter machen kan / der allen Trug erdenckt / Der Gifft und Gaben nimmt / und doppelt wieder schenckt / Der endlich Geld und Glück in solcher List verzehret. Man schaue nur das Volck der lieben Menschen an / So weit als J e m a n d wohnt; wird jemand wol gefraget / Der folgends solche That zur Antwort von sich saget ? Und also bleibts darbey: Herr Niemand hats gethan. Der Schaden lieget da. Der Nechste wird betrogen / Ein Armer teuschet sich in seiner Zuversicht / Gesetzt ob Ihm das Glück ein süsses Ziel verspricht. Wer da ? Herr Niemand hat den Fuchs Peltz angezogen. Indessen hoff ich noch / daß Jemand in der Welt / Aus dieser Bauer-Lust was wird zu lernen haben: Wol dem der Achtung giebt 1 hier liegt die Kunst vergraben / Die mehr als Bauerwitz in jhren Schalen hält. Den wer die Jugend sol zum Schertzen angewehnen / Der muß im Spielen keusch / im Possen nützlich seyn; Er muß den Zucker bloß auf solche Sachen streun / Darnach sich anderweit gelehrte Geister sehnen. Es ist ein schlechtes Thun / wen ein vergiffter Hohn / Den Nechsten schänden sol / wen grobe Zoten fliegen / Und wen das Ergernüß die Jugend muß betriegen;

Den letzlich hat man nichts als Schimpf und Haß davon. Drum liebster Niemand komm und laß dir solche Schrifften Treu anbefohlen seyn: dich geht der Handel an: Ist jemand welcher sich darauß verbessern kan / Derselbe mag vor dich ein ewig Denckmahl stifften. Nur dieses magstu stets von mir versichert seyn / Daß ich dich immerfort zur Lust vexieren werde / Du bist des Lachens Zweck: Lebt Jemand auf der Erde Der Niemand Höhnisch meint / der stimme mit mir ein. Ach Niemand habe Danck vor sein Politisch Wesen j Wodurch er offtermahls die blöde Welt verführt; Ach Niemand werde nun vor solche Kunst geziert; Ach Niemand wolle Sich in diesem Spiele lesen.

VERZEICHNÜSS EUSEBIUS

DER

PERSONEN.

1

Des Apollinis Commissarien

POLITICUS URANIUS

Der Commissarien gute Freunde

CIVILIS SIMPLEX

Des Machiavelli Ankläger

CANDIDUS FIDELIS INNOCENS

Der Kläger Beystände

INFUCATUS IMMUTABILIS APOLLO,

Der Richter im Parnasso Des Apollinis Abgesandter

MERCURIUS, FAMA

1

CURIOSUS

J

f Des Richters Bediente

RATIONALIS, APPETITUS, STOLIDITAS

Ein Vornehmer von Adel

Dessen untreuer Knecht 1

Zwey gemeine Dirnen

CALLIDITAS ERUDITUS

Des Appetitus Zuchtmeister

SEDULUS SEVERUS MACHIAVELLUS, GENTILLETUS, ANTIQVUS,

Der Beklagte

Der Advocat wieder Machiavellum

Der vermummte Machiavellus

IM ZWISCHEN SPIELE. CIACONI

oder

FRIEDEBORN

PACIFONTIUS

drey Competitores

ZIMBIZIRIBÖ

Der Gerichts Scholtze

PURUS PUTUS,

Seine Frau

SUBSTANTIA, QUANTITAS,

Seine Tochter

DURANDUS,

Der Land Schöppe

Der Schulmeister und Consulent

SCIBILIS, RISIBILIS,

Seine Tochter

Der Rügemeister

EXCIPE,

Der Bier-Schatzer

VADEMECUS,

Der Wege Voigt

EXTRA, INTRA,

Der Einnehmer Der Beysitzer

ADJECTIVUS, NESCIO,

Der Bettelvoigt Der Hr. Pater

JUNIPERUS, ASCANIUS,

Dessen Auffwärter

VOCATIVUS,

Der Pachtmann

ACCUSATIVUS, ZODIACUS,

Der Verwalter

Der Hirte

FRECECERAX,

Ein Gefreyter

ACICULUS,

Ein Schneider

QUONIAM,

Der Thürknecht und Klingelmann

ERSTE HANDLUNG EUSEBIUS.

URANIUS.

EUSEBIUS.

WO sol das Spiel vorgestellet werden?

URANIUS.

Eben aufif diesen Platze.

Und wollen die Personen den Heydnischen Apollo zu Ehren erscheinen?

EUSEBIUS.

URANIUS.

Sie habens willens.

EUSEBIUS.

Das sol gleichwol an Christlichen Orten nicht geduldet

werden.

Man hat Himmlische Sachen genung / die sich bey solchen Gelegenheiten anschauen lassen.

URANIUS.

Ich wil mich doch der Sache recht erkundigen. Dort komt mein guter Freund / der wird vielleicht mit uns einerley Gedancken haben.

EUSEBIUS.

Ja wol / kan Politicus dem Eusebio gute Dienste thun.

URANIUS.

POLITICUS

und

CIVILIS

treten a u f f .

Ich bin zufrieden / daß ich meine Person in dem Schau Spiele sehen lasse.

POLITICUS.

CIVILIS.

So wil ich folgen.

Der Parnassus sol sich eröffnen / und die Tugendhaften sollen den grossen Apollo als jhren Richter ansehen.

POLITICUS.

Ich bedancke mich / daß ich solche annehmliche Sachen sol zu Gesichte bekommen.

CIVILIS.

Ein junger Mensch muß bey Zeiten einen Blick in die Welt thun.

POLITICUS.

Ich wolte wünschen / daß mein Glück mit guten Nutz geschehen möchte.

CIVILIS.

POLITICUS.

diren.

Der Parnassus wird diesen Wunsch getreulich secun-

12

Bäurischer Machiavellus

Ich bin jung; allein aus kleinen Samen sind offtmals ansehnliche Stauden in die Höhe gewachsen.

CIVILIS.

POLITICUS.

Der Himmel helffe / daß dieser köstliche Same Legt

CIVILI

die Hand auf den Kopff.

mit vollem Wachsthum hervor breche. Liebster Bruder / was hat man vor ein Schau-Spiel unter der Hand? sol Apollo auff einem Christlichen Theatro auffgeführet werden?

EUSEBIUS.

POLITICUS.

Warum solte dieses verboten seyn?

Weil die Heydnischen Götter der Himmlischen Majestät zu trotze sind erdacht worden.

EUSEBIUS.

Ich sehe wol / daß die Sache durch eine wolanständige Erklärung muß recommendiret werden.

POLITICUS.

W O der gantze Leib verdorben ist / da wird keine äusserliche Artzney helffen.

EUSEBIUS.

Der Hr. Bruder wird wissen / was der Sinnreiche Italiäner Trajano Boccalini, mit seiner Relation aus dem Parnasso, vor ein Kunststück erwiesen hat.

POLITICUS.

EUSEBIUS.

Es ist nicht alles Christlich / was künstlich ist.

E S ist nicht alles Unchristlich / was von den Heyden abgeborget ist.

POLITICUS.

Dieser Italiäner mag vielleicht noch schlimmer gewesen seyn als ein Hey de.

EUSEBIUS.

Ich sage meine Gedancken. Wer die Heydnischen Götter anbeten wil / der hat sich einer Sünde theilhafftig gemacht. Aber wenn jemand die artigen Erfindungen in solche Nahmen einkleiden wil / so wird ein Christlicher Poete so viel Freyheit haben als ein Heydnischer.

POLITICUS.

EUSEBIUS.

Aber wo stecken die Erfindungen?

Der Parnassus, oder die Versamlung der Tugendhaften / bedeutet die allgemeine Freundschafft der Gelehrten / welche gegen Abend und Morgen ausgebreitet sind / und welche von jedwedem Vorhaben ein kluges Urtheil zu fällen wissen.

POLITICUS.

EUSEBIUS.

Aber was sol ich mir bey dem Apollo einbilden?

Erste Handlung

13

Wenn die Gelehrten unterschiedene Meinungen führen / so muß doch auff einer Seite die Warheit bestehen: Und dannenhero wird Apollo vor den klügsten Consens der Gelehrten / und das ich so reden mag / vor den Kern der klugen Wissenschafft genommen: darum / wenn ich sage / Apollo hat es in dem Parnasso befohlen / so heist es / die vornehmsten und edelsten Gelehrten sind in dieser Meinung einig worden.

POLITICUS.

Ist es möglich / das die Erfinder dergleichen Außlegung

EUSEBIUS.

haben?

E S ist nicht anders. Wer wolte sich einer Heydnischen Gottslästerung theilhafftig machen? Wer wolte aber auch die zulässigen Gedancken / welche bey den Poetischen Gemüthern nicht ungemein sind / alsobald verwerffen?

POLITICUS.

Also werde ich selbst belieben tragen / diesen Apollo in seiner Residenz zu besuchen. Ich weiß mein Uranius wird nicht von mir weichen.

EUSEBIUS.

Ich liebe den Himmel / und umb des Himmels Willen liebe ich die Menschliche Gesellschafft.

URANIUS.

POLITICUS.

Dieser Gang sol uns nicht thauren.

Ach gesegnet sey dieses Bildnüß / da Eusebius und Politicus einander begleiten.

CIVILIS.

Gehen ab. SIMPLEX. CANDIDUS.

FIDELIS.

Die Menschen leben in einer Welt / und haben nicht einerley Gedancken.

SIMPLEX.

Man scheuet sich vor dem Lichte / und fürchtet sich vor der Finsternüß.

CANDIDUS.

Man lobt die Treue / und befleckt sich mit untreuen Verrichtungen.

FIDELIS.

SIMPLEX.

WO

CANDIDUS.

sind die einfältigen Menschen hinkommen?

WO

hat die Auffrichtigkeit jhren Sitz behalten?

Ach / wo darff ein Mensch unter tausenden auch wol einem vertrauen?

FIDELIS.

SIMPLEX.

Ich habe bey den Menschen das Bürger-Recht verlohren.

14 CANDIDUS.

Bäurischer Machiavellus Mein Erbtheil ist mit in der Welt zu Wasser worden.

Und meine Freundschafft ist in allen vier Theilen der grossen Erdkugel biß auff den letzten Mann abgestorben.

FIDELIS.

SIMPLEX. CANDIDUS.

Ich suche Wohnung / aber ich werde verdrungen. Ich suche meines gleichen / aber ich werde betrogen.

Ich liebe / doch meine Zuneigung wird mit Schande und Verachtung belohnet.

FIDELIS.

Der grosse Schöpffer hat uns einen Kopff gegeben / das wir uns vor zweyfältigen Gedancken eyfrig hüten sollen.

SIMPLEX.

Und in dem Kopffe beweget sich nur eine Zunge / das wir nur einerley Sprache führen sollen.

CANDIDUS.

In der Brust wallet nur ein Hertze / das wir die Freundschaft aus einer Quelle heraus leiten sollen.

FIDELIS.

Der Todt macht alles gleich. Warum wird das Leben mit vielfältigen Farben verändert?

SIMPLEX.

Ein jedweder Mensch erschrickt vor dem Grabe: doch wenn er Lasterhafltig ist / so begrabet er sich selber.

CANDIDUS.

Und alle verlangen die Göttliche Treue / wenn sie sterben sollen; niemand aber wil derselben gehorsam seyn / so lange das Leben währet.

FIDELIS.

SIMPLEX.

Woher muß doch diese Veränderung entstanden seyn?

Ich bekenne meine Gedancken offenhertzig heraus: Der betrügliche Machiavellus hat die letzte Grundsuppe der Welt mit diesen Unrathe gekochet und gewürtzet.

CANDIDUS.

Warum reden wir verblühmt? Seit Machiavellus seine Schrifften in der Welt ausgebreitet hat / so ist die Treue verloschen / und an derselben statt Falschheit / Ehrsucht / Geitz und Meineydt eingeführet worden.

FIDELIS.

Hat der Welt verderber nicht verdienet / daß er vor Gericht gezogen wird?

SIMPLEX.

CANDIDUS.

Man hat sich bißhero vor seinen Beyständen gefürchtet.

Und die spitzfündige Welt wil jhren Lehrmeister nicht gerne verdammen lassen.

FIDELIS.

Erste Handlung

15

Auff jhr Brüder / weil der grosse Apollo sein Gerichte hält / so versäumet die Zeit nicht. Hat er uns auff das äuserste verfolget / so mag jhn auch die ernste Straffe gedoppelt über den Hals kommen.

SIMPLEX.

Die finstere Nachteule mag in einem dunckelen Gefängnüsse verschmachten.

CANDIDUS.

Ja / dieser untreue Bösewicht sol unter falschen und grausamen Peinigern die Ewigkeit beschliessen.

FIDELIS.

Wer sol in unsern Nahmen das Wort führen?

SIMPLEX.

Ich bin mit Innocentio Gentilletto bekannt / der hat Muth und Kräffte genung diesen falschen Politicum zu verklagen. Allein er wird aus Furcht der allgemeinen Machiavellisten in frembden Kleidern / wie denn auch in unbekanten Haaren erscheinen müssen.

CANDIDUS.

FIDELIS.

Heist dieses ein Exempel der Auffrichtigkeit ?

Ein Mensch kan zugleich auffrichtig seyn / und falschen Personen in gebührender Klugheit wiederstand thun.

CANDIDUS.

Wolan es bleibe bey den Advocaten, und bey der übrigen resolution. Geben ab.

SIMPLEX.

Der innere Schauplatz eröffnet sich / darinn APOLLO in einem Hellen Throne praesentiret wird. Nach dem die Gesellschafft der Vernünfftigen Menschen jhre Zweifelhafftige Fälle diesen Hellgläntzenden Throne mit unterworffen haben / auch von so vielen Jahren her dieses Licht und diese Majestät von allen Völckern ist verehret / und mit beständigen Gehorsam angeschauet worden: Als will auch uns nicht anders obliegen / denn daß wir die kluge Welt bey diesen Vertrauen erhalten / und durch ein rechtmässiges Regiment die Klugheit von der Unvernunfft / den Irrthum von der Wahrheit und das Menschliche Wesen von der Bestialität unterscheiden: zu welchen Ende auch dieser Ordentliche Gerichts Tag wiederum angestellet ist / daß ein Jedweder auf diesen freyen Parnassum ungehindert herauf steigen / und sich eines unpartheyischen Urtheils getrösten möge. Dannenhero gehet unser Befehl / daß Fama den Gerichts Tag allenthalben ausbreiten und die klagenden Personen biß zu unsern Majestätischen Trohne begleiten möge / daran geschiehet unsre Ernste Meinung.

APOLLO.

Bäurischer Machiavellus

16

Die Scene fält wieder

und verbirgt den Thron.

INNOCENS, INFUCATUS, IMMUTABILIS.

Ich habe mich lange betriegen lassen / nun ist es Zeit / daß mir Hülffe geschieht. Ich heisse Innocens, aber in dem ich der Unschuld ergeben bin / schämen sich andre Leute nicht [j]hre Schuld durch allerhand Unrecht bey mir zu häuffen.

INNOCENS.

Ich bin selbst erfreuet / das ein Advocate kommen ist / welcher den verdamten Machiavellum zur Straffe fodern wird. Ich heisse Infucatus, aber in indem ich die Menschen mit keiner Schmincke betriegen will / wird mir alle Tage / achl wohl alle Stunden ein neues und geschmincktes Blendwerck vor die Augen gestellet.

INFUCATUS.

Unsre Principalen werden den Gerichts Tag mit verlangen erwarten: Ich selbst hätte der Welt gute Nacht gegeben: denn ich heisse Immutabilis, doch jemehr ich in meinen ehrlichen Gemüthe zu einer beständigen Treue befestiget werde / desto mehr muß ich die wanckelmüthige Falschheit beklagen. Allein was erhebt sich vor ein gethöne ?

IMMUTABILIS.

Es wird eine Trompete geblasen

/ FAMA

komt heraus.

E S sey hiermit allen und jedweden Einwohnern der alten und neuen Welt kundbar und zuwissen gemacht / daß der durchlauchtigste Apollo, alsbald von Auffgang der Sonnen / in seinem Hellgläntzenden Parnasso den Majestätischen Richter-Stul eingenommen hat / und werden demnach alle und Jede geb[ü]hrend erinnert / wofern sie in einigem Stücke / die Menschliche Klugheit betreffend / beschweret oder betrogen worden / daß sie den Gerichts Tag nicht versäumen / und bey Erhebung jhrer rechtmässigen Klage eines gerechten Urtheils erwarten wollen.

FAMA.

Dem Himmel sey Danck / daß der Tag eher angesetzet wird / als wir gehoffet haben.

INNOCENS.

Diese Zeitung wird von unsern Principalen frölich angenommen werden.

INFUCATUS.

Es wird aber von nöthen seyn / das wir uns der gewissen Zeit erkündigen.

IMMUTABILIS.

Liebste Freundin hat der Durchlauchtigste Apollo seinen Sitz albereit eingenommen.

INNOCENS.

17

Eiste Handlung

E S ist nichts anders als ich sage. Niemand kömt zugeschwinde: aber will jemand zu langsam kommen / so darff Er den Parnassum wegen des Verzuges nicht beschuldigen.

FAMA.

Es sind etliche Tugendhaffte im begriffe mit einer unterthänigsten Klage zuerscheinen.

INFUCATUS.

Der Weg ist keinem verschlossen: last sie nur kühnlich herzutreten: ich muß weiter fort / und die Zeitung in allen Enden der Welt ausblasen.

FAMA.

F A M A schwinget sieb davon / die Trompete wird wieder geblasen.

Ach jhr Brüder säumet euch nicht / unsre Botschaft wird mit höchster Annehmligkeit gehöret werden.

IMMUTABILIS.

Die Scene eröffnet sieb wieder da

APOLLO

auf dem Throne sitzt.

Was hat doch ein Mensch vor ein kostbares Kleinod an seiner Vernunfft / und wie könte doch derselbige nicht nur über etliche Geschöpffe / sondern über die gantze Welt triumphiren / wenn er die vernünfftige Seele nicht selbst jhrer Gewalt beraubete / und die fleischliche Begierden dem allgewaltigen Schöpffer zu hohen Verdruß über sich regieren liesse. Ach! wie selten wurde dieser Richterstuhl von mir betreten werden / wenn ein jeglicher Mensch den Richter-Stul seines Gewissens / den Anspruch seines Verstandes / und das Gesetze seiner gesunden Vernunfft beobachten wolte.

APOLLO.

GENTILLETUS, SIMPLEX, CANDIDUS, FIDELIS, INNOCENS, INFUCATUS, IMMUTABILIS.

Durchlaucht. Apollo alsbald jhre Majestät diesen allgemeinen Gerichts-Tag ausblasen / und absonderlich die Tugendhafften zu gebührenden Schutze wieder alle Bedrängnüß gnädigst auf fodern lassen / haben gegenwertige Personen Simpl. Cand. Fidelis wie denn auch jhre befreundten Innoc. Infuc. Immutabilis meine Wenigkeit dahin vermocht wieder den Weltberuffenen Machiavellum eine Klage zuerheben / leben auch des un[ter]thänigsten Vertrauens / es werde dieselbige von Ihrer Majestät in aller Huld angenommen / und nach den Regeln der Gerechtigkeit / der gantzen Welt zum herrlichen Exempel / erörtert werden.

GENTILLETUS.

In unserm Parnasso ist es nicht eingeführet / daß man die Vorsprecher zu vor reden läst: wer beleidigt ist / der mag

APOLLO.

z Komedia X

18

Bäurischer Machiavellus

seine Nothdurfft selber vortragen: wird man hernach eines Advocaten bedürftig seyn / so kan auch diese Rechts-Wohlthat den bedrängten Theile zu statten kommen. SIMPLEX. Durchlauch. Apollo, wir sind zu einer rechtmässigen Klage genöthiget worden: denn da ich an meinen Orte unter den Menschen ein rechtschaffenes und einfältiges Vernehmen erhalten möchte / wie den auch der grosse Schöpffer deswegen ein Hertz und ein Haupt gegeben hat: So hat der boßhaffte Machiavellus mit seinen unverantwortlichen Schrifften die Gemüther dergestalt eingenommen / daß nunmehr zweyfältige Gedancken / zweydeutige Reden / mit einen Worte / eine zweyköpffigte Mißgeburth in der allgemeinen Gesellschafft angetroffen wird. CANDIDUS. Eben der boßhafftige Feind hat mich also zu reden von Hauß und Hoff gejagt. Ich heisse Candidus und bin gewiß daß die Redligkeit und ein aufrichtiges Vernehmen gleichsam in dem Panier stehen soll: Ach so hat sich die Welt aus diesem Machiavellischen Buche so weit verführen lassen / das man fast! ach jhre Majestät verzeihe dieser unbesonnenen Rede; daß man fast an eines jedweden Menschen Brust ein gläsernes Fenster wünschen möchte / daß nur die verborgnen Gedancken könten an das Licht gestellet werden. FIDELIS. Durchlaucht. Apollo ich heisse Fidelis und wie der liebreiche Schöpffer durch sein eignes Exempel uns zu lauter Liebe / Treue / Freundschaflt und Gütigkeit anlocken will / also wäre auch mein Wunsch / das ich die vernünfftigen Menschen bey solchen Vorhaben beständig erhalten könte. Allein ich möchte fast blutige Thränen weinen / das die betrügliche Falschheit mich allenthalben aus den rechtmässigen Erbtheile verjaget hat. Machiavellus hat seiner Schrifften wegen in dem Parnasso allbereit seine Straffe erlitten / daß er auch niemahls in die Versamlung kommen darff / wenn er nicht einen gelben Flecken zum Wahrzeichen an dem Kleide trägt: doch wir haben noch nichts vernommen / das er die Welt mit neuer Confusion belästiget hätte. Er soll hergebracht werden / immittelst beredet euch mit euren Vorsprecher / damit das Werck in aller kürtze zu entscheiden sey. Sie treten zusammen biß MACHIAVELLUS kämt.

APOLLO.

Durchl. Apollo auf allergnädigste Citation erscheine ich / und will anhören / wessen ich mit Grund der Wahrheit könne beschuldiget werden.

MACHIAVELLUS.

Erste Handlung APOLLO.

bringen.

19

Hier ist ein Advocat der soll die Klage kürzlich vor-

Durchl. Apollo dieser gegenwärtige Machiavellus hat alle Falschheit List und Betriegerey in der Welt eingeführet / daß numehr ein Tugendhafter Mensch der Welt eher Feind wird / als er mit schuldigen Diensten einige Freundschafft erweisen kan.

GENTILLETUS.

Ein anders ist anklagen / ein anders die Klage durch Beweiß befestigen.

MACHIAVELLUS.

Liegen die Schrifften nicht am Tage? es wäre schädlich wenn man die Tugend im Hertzen hätte: Wohl aber konte es nützlich seyn / wenn man sich äusserlich durch einen Tugendhafften Schein recommandirte / wiewohl mit diesem Bedinge / daß man auf dem Nothfall zu den Lastern greiffen / und die Tugend ohne Beschwerung des Gewissens verjagen könte.

GENTILLETUS.

Was mein Buch betrifft davor hab ich vor diesen Durchl. Richter-Stuhl meine Straffe erlitten. Denn ob ich wohl durch eine Satyrische Schrifft die gewöhnliche Tyranney der Italiänischen Fürsten vor der gantzen Welt prostituren wolte; So hätte ich doch besser gethan / wenn ich in der Schrift nicht so ernstlich und gleich als mit einer gewissen Meinung aufgezogen wäre. Allein wo kömt diese neue Klage her?

MACHIAVELLUS.

SO lange das Buch nicht aus der gantzen Welt verbannet wird / so lange kan ein neuer Schaden erwachsen / und so lange muß der Autor des Buches davor stehen. Ich meine die Parisische Blut-Hochzeit wäre nachblieben / wenn die damahligen Statisten den Machiavellum nicht fleissiger gelesen hätten als die Bibel.

GENTILLETUS.

Aus welchen Buche studirten die Sicilianer jhre Vesper? Denn ich werde mein Buch nicht etliche 100. Jahr zuvor geschrieben haben / eh ich gebohren bin. Oder aus welchen Buche studirte Cain / daß er in Gegenwart seines Vaters mit dem Abel freundlich reden / und jhm hernach mit guter Gelegenheit den Halß brechen solte.

MACHIAVELLUS.

Ich habe genung / was in dem Buche steht / das wird itzund in der Welt practicirt: Also müssen wir den jenigen beschuldigen / welcher den ärgsten Verdacht auf sich geladen hat.

GENTILLETUS.

i*

20

Bäurischer Machiavellus

Was vor meiner Zeit gewesen ist / darin kan ich nimmermehr der Anfänger seyn.

MACHIAVELLUS.

Vor Zeiten lebten andre I.eute / die haben jhre Verführer vor sich gehabt / und darum lassen wir uns unbekümmert: genung / daß wir wissen / woher die itzige Welt betrogen wird.

GENTILLETUS.

Gleich als könte die jtzige Welt den alten Verführern nicht folgen.

MACHIAVELLUS.

Mahomet wird dessentwegen gleichwohl ein Vergenennet / wenn er gleich seinen Alcoran von dem alten Ketzern und Heyden geborget hat: und desto schlimmer solches Buch / darinne die alte Betrügerey gleichsam in essentia wiederum zu Marckte getragen wird.

GENTILLETUS.

führer Jüden ist ein quinta

MACHIAVELLUS.

Ich höre nichts als eitle Muthmassungen.

Nein Machiavelle, auf diese Klage muß etwans deutlicher geantwortet werden.

APOLLO.

Durchlaucht. Apollo die Boßheit der verkehrten Welt wird meinen geringen Buche zugeschrieben: allein ich will die Klage leicht von mir weltzen / wenn ich spreche die Bauern sind nach Innhalt der eingegebnen Klage die ärgsten Machiavellisten / u[n]d ich will mich hoch verwetten / daß kein eintziger meine Schrifft gelesen und dergestalt den Nahmen eines würcklichen Machiavellisten verdienet hat.

MACHIAVELLUS.

Nehmt einen Abtritt / der Bescheid soll euch in kurtzen entdecket werden.

APOLLO.

Die Scene fällt So muß sich numehr ein Fürstlicher und Päbstlicher Secretarius auf die Bauern beruffen?

GENTILLETUS.

In dem Vorgemache geb ich in einem Parteyischen Advocaten keine Antwort. Ich erwarte was der durchlauchtigste Richter beschliessen wird.

MACHIAVELLUS.

CURIOSITAS. EUSEBIUS. URANIUS. POLITICUS.

CIVILIS.

Auff erhobene Klage wieder den Machiavellum und auf erfolgte Antwort / giebt der Durchl. Apollo diesen Bescheid / daß Eusebius und Politicus als verordnete Commissarien in der Welt herum ziehen / und daselbst bey den Bauern Achtung

CURIOSITAS.

Erste Handlung

21

geben sollen / ob sie alle Boßheit mit den andern Menschen gemein haben; darnach / ob sie solches von dem Machiavello, oder von einen andern Lehrmeister begriffen haben: daran geschiehet jhrer Majestät ernster Wille / und sie haben biß auf den künfftigen Gerichts-Tag jhren Abschied. Gebt ab. Wir müssen bey diesem Bescheid acquiesciren: doch werden die Commissarien, nicht anders befinden als daß die Bauern das Machiavellistische Gifft von den übrigen Politicis eingesogen haben.

GENTILLETUS.

Ich erfreue mich / daß meine gerechte Sache durch einen guten Anfang secundiret wird. Geht ab.

MACHIAVELLUS.

Entweder Machiavellus ist der Thäter; oder ein ander muß die Beschuldigung über sich nehmen / von welchen wir hernachmals Satisfaction begehren könten.

GENTILLETUS.

Die Einfalt soll dennoch die Oberhand behalten / wenn sie gleich durch tausendfachen Betrug gedrucket wird.

SIMPLEX.

So lange als die Sonne der Finsternüß zu wieder ist / so lange bin ich in meiner Hoffnung befestiget / das meine Feinde nicht ewig triumphiren werden.

CANDIDUS.

Und so lange sich die Göttliche Majestät die Liebe nennen lasset / so lange werde ich der untreuen Freundschafft zu keinen ewigen Sclaven verkaufft.

FIDELIS.

Sie gehen ab. EUSEBIUS.

SO

machen wir uns auf die Reise ?

Der scharffe Befehl unsers Monarchen lege[t] uns diese nothwendige Schuldigkeit auff.

POLITICUS.

Aber mein liebster Uranius wir werden auf eine kurtze Zeit von einander gesondert.

EUSEBIUS.

URANIUS.

Ich wolte nochfolgen / allein ich bin noch zu schwach.

So lebet in dessen wohl / und gebet Achtung / daß Niemand unterdessen unsre Wohnung im Parnasso verunreinigt.

EUSEBIUS.

Ich will alles genau in acht nehmen / mein Euseb. ziehe glücklich hin / und gedencke an seinen Stuben-Gesellen / dessen Gemüthe sich dem Himmel / und also dem Himmlisch gesinnten Eusebio gewidmet hat. Gehet ab.

URANIUS.

22

Bäurischer Machiavellus

Ihr aber mein liebster Civilis wollet jhr mi[r] das Geleite geben?

POLITICUS.

CIVILIS.

Ach Apollo hat es nicht befohlen.

Aber womit wolt jhr die Zeit vertreiben / denn es möchte kommen / daß wir unterweges aufgehalten würden.

POLITICUS.

Ach mein Politicus ich will genug zu thun finden: bald will ich in meinem Buche lesen / bald auf das Feld gehen / bald will ich auch den Himmel ansehen und beten: Solte wohl einem Menschen bey solchen Geschaffte die Zeit ohne Lust und Liebe dahin gehen?

CIVILIS.

Wer hat euch gesagt daß ein zukünfftiger Weltmann beten muß.

POLITICUS.

Ich sehe daß Eusebius und Politicus beysammen wohnen: und gleich wie sich Eusebius in die Welt schicket / also muß auch Politicus sein Weltliches Glücke bey dem Himmel suchen.

CIVILIS.

Der Himmel erhalte euch in meiner Abwesenheit bey diesen Gedancken.

POLITICUS.

Ach mein Politicus ich nehme Abschied: in wenig Wochen will ich einen Kuß zum angenehmen Willkommen geben. Geht ab.

CIVILIS.

EUSEBIUS.

Wohlan wir befördern unsre Reise.

Doch hab ich Verdruß / das ich mich um geringe und Bäuerische Personen bekümmern soll.

POLITICUS.

Gehen ab.

ANDRE HANDLUNG MUlta tulit, multa tulit heist es bey meinen schweren Ampt Sorgen. Denn ob gleich eine löbliche Gemeine des weitberühmten Marckfleckens Querlequitsch eine schöne Verfassung im Regimente hat / also daß wir unser Collegium Comitiale wohl supra numerum novem Musarum bringen können / so bin ich doch Consulente: das heist mit einen Worte Fac totum, was ich thue / das ist gethan / was ich schreibe das ist geschrieben / und so bald ich meine Handlangung in der Kirche / nebenst meiner Principal Arbeit in der Schule verrichtet habe / so gehen die Sorgen erst in publicis recht an / daß ich auch mit der gantzen Gemeine ein zierliches und feyerliches Pactum aufgerichtet habe / daß mich keiner vor thum oder hoffärtig ausschreyen darf / wenn ich more solito in meinen Cogitationibus herum gehen / und die Salutantes nicht nach Standes und Ehren Gebühr resalutiren möchte. Es bleibt darbey / ego sum versatus in omni scibili, das heist / ich führe den Cantorstecken in der Kirchen / den Grieffel in der Schule / und die Feder auff den Schubäncken / welche pro hic & nunc an statt eines Rathhauses gebraucht werden. CIACONI kämt. Doch was kömt hier vor ein Landsman angestochen / der mich üm eine sonderliche Weißheit ansprechen wird.

SCIBILIS.

Ihre Claritäten vergeben jhren geringen Diener / daß er sich unterstehet dieselbe in andern wichtigen Geschafften zu verhindern.

CIACONI.

Guter Freund gebt euch zufrieden / deßwegen bin ich allgemeiner Consulent, ne quispiam ä facie mea discedat tristis: sagt mir was ist euer anbringen.

SCIBILIS.

Ihre Claritäten sollen mein Verlangen gar kürtzlich vernehmen: Ich höre / daß der bißherige Pickelhering allhier zu Querlequitsch an einen Hochadelichen Hof beruften worden / und dergestalt die Stelle vacant worden: wenn ich denn keinen zweifei trage es werde mit ehesten wegen eines tüchtigen Successoris gedacht werden / und ich gleichwohl meine Exercitia zu solchen Ampte sehr bequem befinde / als wolt ich jhre Claritäten gantz

CIACONI.

Bäurischer Machiavellus

24

höchlich gebeten haben / mich nicht allein bey vorgehender Consultation mit einen wichtigen voto, sondern auch also dann mit einen guten Rathe zu Secundiren / ich werde Ich verstehe den Herrn / was sein Desiderium ist. Quicquid praecipies, esto brevis. er rede nur kurtz. Doch was wolte der Herr sagen?

SCIBILIS.

CIACONI.

schulden.

Ich werde solches Danckbarlich erkennen und ver-

Mein Herr Bivium Herculis, das Anbringen besteht auf zwey Puncten: erstlich verlanget er in unserer Gemeine Pickelhering zu seyn / darnach will er sich gegen mir Danckbar erweisen. Gleich wie nun das letzte in seine Discretion gestellet wird / also sehe ich bey den ersten noch einige Incommoda, welche mir die Sache zweifelhafftig machen.

SCIBILIS.

CIACONI.

lassen.

Ich will hoffen die Incommoda werden sich beylegen

Ich will jhm sagen / mein Herr / ein Pickelhering / oder wie er ins gemein genent wird / ein Druscheman alhier in Querlequitsch / der hat ein wichtiges Ampt.

SCIBILIS.

Er fänget an den Fingern %u%eblen. Tantae molis erat, vors erste muß er zur Leiche bitten / vors ander ist er auf den Trauermahle wohl bestallter Vorschneider / Lichtputzer u[nd] positis ponendis wohl gar Einschencker; vors dritte muß er die Gevatter Briefe schreiben / vors vierdte muß er als ein Essentialis bey dem Tauff Essen / wie den auch bey dem Kirchgange die Gäste empfangen. CIACONI.

Das will ich alles verrichten.

Last mich weiter zehlen mein Freund / Practica est multiplex, es giebt noch viel mehr zuthun: bey der Hochzeit ist er Invitator, hernach Parentator, das heist er muß den Gästen Solenniter dancken / er überreichet das Geschencke / und zeucht endlich der Braut die Schuh aus.

SCIBILIS.

CIACONI.

Ich höre noch von keiner grossen Beschwerligkeit.

Cur me obtundis? Er muß bey der Gemeine die Steuer ansagen; wenn vornehme Personen durchreisen / muß er alten Gebrauch nach das Bier praesentiren / ja es mangelt wenig / so möcht ich sprechen / er wäre mein halber College und der

SCIBILIS.

Andre Handlung

25

unter Consulent. Derhalben bedencket euch wohl / ob jhr zu dergleichen Salutibus & officiis geschickt seyd? es heist bey einen solchen Ampt nicht Testa diu, sondern man muß geschwinde fertig seyn. Ihre Claritäten haben deßwegen keinen Kummer / sie kommen mir nur mit einem guten voto zustatten / ich will indessen zu guten Anfange meiner künfftigen Danckbarkeit jhre Claritäten diesen 7 köpffigten Orts Thaler verehret haben.

CIACONI.

So so mein Herr / Loquere ut te videam, ich habe nicht gewust das er so wohl Studiret hat: er gebe sich zu frieden / wir wollen die Sache bald auf einen Ort bringen.

SCIBILIS.

CIACONI.

Ich habe darum zu bitten.

Das vacirende Dienst muß in plenu consesso vergeben werden / da ist nun zwar der Gerichts-Scholtze das Caput, wie dort geschrieben stehet / Quot capita tot sensus: aber der Mann ist zu glimpflich und leutselig / daß er Niemanden gerne erzürnet. Derhalben fähret jhm der Landschöppe als ein harter Mann mehrentheils durch den Kopff / ich hielte davor der Hr. sähe 10. biß 20. Thaler nicht an / und würffe sie den Landschöppen in die Jacke / so würde das übrige gar leicht werden. Ut ameris amabilis esto das heist auff deutsch / wer schmärt der fährt.

SCIBILIS.

Ihr Claritäten haben grossen Danck vor diesen guten Rath / und ob mich zwar meine Reise viel gekostet hat / daß sich mein Patrimonium wohl über 15. fl. nicht erstrecken wird: doch wolt ich mein Haab und Gut daran Spendiren / wenn meiner Wohlfarth so gut geholffen würde.

CIACONI.

E S ist gut / der Herr Landschöppe wird gleich hier vorbey gehn / wir wollen jhn die Sache vortragen.

SCIBILIS.

DURANDUS körnt. CIACONI.

Wer ist dieser Herr dorte?

SCIBILIS. Est fabula in lupo, dem Herrn Landschöppen meine Freundliche Dienste. DURANDUS.

SCIBILIS.

Habt Danck Herr College, was giebt es neues in publicis ?

Führt jhn auf die

Seite.

E s giebt sich ein Client wegen der Pickelherings Charge bey mir an / der verspricht er will den Herrn Landschöppen 20. Tha-

26

Bäurischer Machiavellus

ler geben / wo er darzu käme / aber Herr Collega sub rosa: quaedam sunt & non dicuntur. Der Vorschlag ist wohl gut / aber wie sagt jhr neulich auf den Schubäncken Multa dicuntur, pauca fiuntur.

DURANDUS.

Herr College, der Mensch ist mir zu ehrlich / und wenn ich sagen solte / wie köstlich er studirt hat / so gefält mir seine Person so wohl / daß ich in guten Ernste sprechen könte: Si ego non essem Alexander, vellem esse hic Diogenes.

SCIBILIS.

DURANDUS.

men. SCIBILIS. CIACONI.

seyn

Die Recommendation ist köstlich / last jhnen herkom-

Domine Candidate accede propius. Ihren Herrligkeiten zu dienen / es wird denselben bekänd

Spart die Worte: der Herr College hat eure Meinung schon angebracht.

DURANDUS.

Ich bedancke mich vor die Mühwaltung / was ich versprochen habe / das will ich halten / oder will meine künftige Besoldung zu Pfände einsetzen.

CIACONI.

Stille stille es ist schon gut / hier ist meine Hand jhr solt unser Druschemann werden.

DURANDUS.

SCIBILIS.

Sed Domine Candidate quod est nomen tuum?

CIACONI.

Ihre Claritäten ich heisse Ciaconi.

SCIBILIS.

Ein Herrlicher Nähme / Nomen & omen habes.

Nun macht die Supplication fertig und übergebt sie dem Consulenten, so wollen wir also dann auf nächste Zusammenkunfft die Sache auf einen guten Ort bringen. Geht ab.

DURANDUS.

SCIBILIS.

Mi Canditate säumet euch nicht / Periculum est in mitrd.

Ich will die Vermahnung annehmen / Ihre Claritäten leben indessen wohl. Gehet ab.

CIACONI.

Dieser Ortsthl. währe verdient: nun werde ich solchen dem Hrn Materialisten zuverwechseln geben / und anstatt des Salarii, oder Aufgeldes ein Gläßgen Kümmelwasser einschencken lassen: denn wo wollen wir Vornehme Leute hin? Vinus Adustus consulentium eqvus.

SCIBILIS.

Andre Handlung

27

PACIFONTIUS steht an des Materialisten Thür.

Aber siehe da / was hat der Hr. Materialist vor einen stattlichen Gast bekommen ? Salutem plurimam Lentulo suo, dem Hrn einen guten Tag.

SCIBILIS.

Schönen Danck mein Hr. Er lasse sich eine geringe Ehre anthun.

PACIFONTIUS.

Honos onos, doch ich schlage es nicht aus / wo ist mein Hr. hieher kommen ?

SCIBILIS.

Wohlweiser Hr. ich bin hieher kommen / mit jhm bekand zu werden / und vornehmlich von euer Wohlweißheiten zu erforschen / ob ich keine Sperantz haben könne Pickelhering zu werden.

PACIFONTIUS.

SCIBILIS.

Spes tua lenta fuit, quod petis alter habet.

Ey Wohlweiser Hr. ich bitte um eine gute Resolution: hier ist ein Thl. mit 24. Kopffen den wil ich spendiren / wofern ich nur einen bequemen Vorschlag hören soll.

PACIFONTIUS.

Ach so so ich versteh den Herrn erst recht / er will gerne Pickelhering werden ?

SCIBILIS.

PACIFONTIUS.

Ja das wäre mein Wunsch / und hier ist mein Thaler.

Quis enim succenset amanti? Ach wer das Ding vor einer halben Stunde gewust hätte I In vertrauen hier geredt / der Landschöppe hat schon Geld drauf genommen / daß er einen andern machen will: doch last sehen / der Herr Gericht Scholtze hat eine Mannbare Tochter / nun seyd jhr ein hübscher qualificirter Mensch / wenn jhr anbeissen wolt / so möchte der Pickelherings Dienst mit in das Praedicamentum Matrimonii eingebracht werden.

SCIBILIS.

Ich würde mich glückseelig schätzen / wenn ich den Dienst und die Wirthin zugleich bekäme.

PACIFONTIUS.

Aber diesen Rath nehmt von mir an / halt es mit der Mutter / der Vater ist ein bißgen zu timax, aber die Mutter ist desto besser loquax, wo sie was drein zureden bekömt / so wird der Landschöppe ein betrogner Storax.

SCIBILIS.

PACIFONTIUS. SCIBILIS.

Wer schafft mir aber einen freyen zutritt ?

Ego ero fax & tuba, last mich nur sorgen.

Bäurischer Machiavellus

28

SUBSTANTIA SCIBILIS.

körnt auf der andern Seile heraus.

Sachte sachte / die Frau Mutter steht an der Thüre.

Ich wolte daß der Hencker die lumpen Leute von der Thüre wegführte / die mir allemahl das Kehricht vor der Nase liegen lassen. Ach käme ich nur darzu / ich wolte den Rabenäsern die Augen auskratzen / oder sie müsten mir die Finger mit samt den Nägeln verschlingen: daß dich botz alles mit einander dadurch eine böse Frau fluchen kan / da liegt halt ich gar ein garstig Pappir: O ist mein Mann Gericht Scholtze / und soll sich nicht darein legen.

SUBSTANTIA.

Hört jhr was sie vor Zähne im Maule hat / und wie sie den Landschöppen mit seinen Clienten ausbeissen wird.

SCIBILIS.

PACIFONTIUS.

Ich höre es / sie mag eine gute Wirthin seyn.

O ja sie geht im Hause herum etc / Est mihi namq; domi: doch wir müssen sie anreden / eh sie das Hauß zumacht. Einen freundlichen guten Tag Fr. Gericht-Scholtzin.

SCIBILIS.

Siehe da Herr Consulent habt jhr schon was neues zuthun? jhr verunruhigt meinen Herrn am allermeisten.

SUBSTANTIA.

Wer das Fac totum ist / der kans nicht ändern: aber ich weiß das mein anbringen itzo was wehrt ist.

SCIBILIS.

Er führt sie auff die Seite. Hui das der Hirte noch einmahl seine Besoldung will verbessert haben.

SUBSTANTIA.

Ach nein / da steht ein ehrlicher Kerl / er hat treflich studiret / man siehts auch an seinen Kleidern / daß er manchen stattlichen Pfennig mag im Beutel haben / der wolte gerne Pickelhering werden: nun hab ich den Vorschlag gethan / er solte sich bei der Fr. Gericht Scholtzin anmelden / ob es nicht Sache wäre daß jhre Jungf. Tochter und der Dienst mit einander vergeben würden. Ich halte ja wohl die Jungf-Tochter wird zum Heil. Ehstande nicht zu kleine seyn.

SCIBILIS.

Grossen Danck Herr Consulent wegen der guten Affection, die er gegen unsre Familie trägt / es ist mir nur leid / das Mädgen möchte noch zu alber seyn: denn numehr hätte ich sie in der Haußhaltung ein bißgen abrichten wollen.

SUBSTANTIA.

SCIBILIS.

Usus facit Artificem. Sie wirds wohl lernen.

Andre Handlung

29

Aber wie heist der frembde Herr?

SUBSTANTIA.

Entweder ich habe nicht gefragt / oder ich habe den Nahmen vergessen.

SCIBILIS.

Last jhn herkommen.

SUBSTANTIA. SCIBILIS.

Quid significas Domine, wie heist der Herr?

Kurtz von meinen Nahmen zu reden / so hat mein seeiger Herr Yater Siegemund Friedeborn geheissen / und ich bin eben mit dem Nahmen getaufft worden / weil ich aber ein gelehrter bin / so hab ich den Nahmen halb griechsch und halb Lateinisch verändert und heisse Nicostomus Pacifontius.

PACIFONTIUS.

Chrysostomus ? Das ist ein Herrlicher Nähme / er wäre mir fast lieber als Ambrosius. Frau Gericht Scholtzin / da ist der liebe Mensch / der um einen sichern Eintritt bey jhrer Jungf. Tochter bitten last.

SCIBILIS.

Wenn er es mit einen jungen Mädgen wagen will / so wollen wir wegen des Dienstes schon gute Verodnung machen.

SUBSTANTIA.

PACIFONTIUS.

seyn. SCIBILIS.

Der Fr. Gericht Scholtzin Wille soll mein Gesetze

Der Herr hat schöne Phrases. Tu bibisti Nectarem.

Ich werde das Mädgen heraus ruffen. Quäntgen wo bistu? du solt heraus kommen.

SUBSTANTIA.

QUANTITAS.

Hinter der Scene. Liebe Mutter was soll ich draussen ?

Komm fort es ist ein Freyer da / binde die weisse Schürtze vor und thue fein Erbar.

SUBSTANTIA.

QUANTITAS QUANTITAS. SCIBILIS.

kämt.

Liebe Mutter da bin ich.

Mein Herr Accede ad ignem propius.

PACIFONTIUS.

Gruß.

QUANTITAS.

Tugendreiche Jungfrau einen freundlichen Ehren Liebe Mutter soll ich dem Kerlen die Hand geben?

Sieht der Herr was ich vor ein gehorsam Kind habe ? da da gib jhm die Hand / er sucht dich in allen Ehren.

SUBSTANTIA.

Bäurischer Machiavellus

30 QUANTITAS.

Herr die Mutter sagte ich solt euch die Hand geben.

Willkommen du edles Kleinod / du Zierde meines Lebens / und du Thorweg zu meiner Beförderung.

PACIFONTIUS.

Das ist schön gesagt: Per hanc portam intramus in Ecclesiam & Rempublicam.

SCIBILIS.

QUANTITAS.

lassen.

Liebe Mutter der Kerl will mir die Hände nicht gehen

Du gehorsames Kind wehre dich immer in Anfange / sonst dächte der frembde Herr du wärst noch so wohlfeil.

SUBSTANTIA.

Serams. Mein Herr Patientia, Virginitas vult rapi, die Jungfern wollen gebethen seyn. PACIFONTIUS.

Ich bin kommen jhre Schönheit anzubeten.

Liebe Mutter / der Kerl redt ein hauffen Dinges das ich nicht versteh.

QUANTITAS.

Geht nur mit einander in das Hauß / ich will euch denn Verstand schon eröffnen.

SUBSTANTIA.

PACIFONTIUS

und

QUANTITAS

gehen ab.

Nun Herr Consulent gebt jhm nur die Einschläge wegen der Supplication, mein Herr soll das andre schon klar machen.

SUBSTANTIA.

Aber zur Nachricht der Herr Landschöppe hat auch einen in Yorrathe.

SCIBILIS.

Was ? der Landschöppe ? er komme nur auffgezogen / er soll erfahren / wer auf unsern Schubäncken der oberste ist. Was wäre zu Querlequitsch vor eine Gemeine / wenn mein Herr thäte? doch seyd jhr ohne Sorgen / der Landschöppe muß verspielen / und wenn ich selber in die Stube hinauff lauffen solte.

SUBSTANTIA.

SCIBILIS.

Also werd ich meine Weißheit neben Ihr anwenden.

SUBSTANTIA.

ES

Kopff waschen.

ist gut / unterdessen will ich meinen Herrn den SCIBILIS

SUBSTANTIA.

geht ab.

Herr / komt doch ein bißgen heraus. PURUS PUTUS

körnt.

Andre Handlung PURUS PUTUS.

31

Mein Schatz was beliebt euch ?

Habt jhr nicht den frembden Herrn gesehen? gelt / der solte unsrer Tochter gut anstehen?

SUBSTANTIA.

PURUS PUTUS.

Ist es ein Freyer?

E S steht in unser Gewalt / ob wir den Vogel fangen wollen. Denn können wir verschaffen / daß er Pickelhering wird / so hat unsere Tochter einen Mann.

SUBSTANTIA.

Es ist eine schwere Condition. Ihr wist wohl wie der Land-Schöppe so verdrießlich ist. Wer weiß ob nicht ein ander bey jhm das Jawort weg hat.

PURUS PUTUS.

Ach daß ich doch so einen elenden Mann habe! Was ist wol ein kahler Landschöppe gegen einen rechtschaffenen Gerichts-Scholtzen ? und ich sags euch / nehmt euer Autorität besser in acht / oder ich wil der Gemeine sehen lassen / daß eine Frau zu Querlequitsch lebet / die sich um keinen Landschöppen hudelt.

SUBSTANTIA.

PURUS PUTUS.

Seyd doch stille / und last die Sache gehen.

Ihr feige Mämme eurentwegen möchte die Haußhaltung und der Kinder jhre Wolfart zu Grunde gehen. Solche Gelegenheiten kommen nicht alle Tage. Werdet jhr euch einen andern überschnarchen lassen / so will ich nicht einmahl sprechen / das jhr mein Mann seyd.

SUBSTANTIA.

PURUS PUTUS.

Ich habe nur eine Stimme / was kan ich thun?

Der Landschöppe hat auch nur eine Stimme / und ich sehe doch / das manches nach seinem Kopffe gehen muß: wer ein Narr ist / und last sich über den Tölpel stossen / der mag sich von den andern auslachen lassen.

SUBSTANTIA.

Ich habe bißher um Friedens willen viel gelitten / aber nun werd ich mein Kind an seiner Wolfart nicht hindern: geht nur zu dem frembden Herrn hinein / und seht / wie jhr die Tochter Unterricht / der junge Narr ist ein bißgen zu schamhafftig.

PURUS PUTUS.

Ich wil das meinige schon darbey thun / gedenckt jhr nur an euer Ampt. Geht ab.

SUBSTANTIA.

Ich mercke es / das die nechste Zusammenkunft grosse weitleufftigkeit geben wird. Denn meine Herrn Collegen sind es nicht gewohnt / das ich viel Obstat halte / ich fürchte /

PURUS PUTUS.

Bäurischer Machiavellus

32

ich fürchte / es wird ärger bey uns zugehen / als in Polen wenn der Reichs-Tag zurissen wird. ZIRIBIZIRIBÖ

kämt heraus / und singt ein Französisches

Liedgen.

Was muß dieses vor ein köstlicher Musicante seyn? Guter Freund wie so lustig?

PURUS PUTUS.

Ach mein Hochweiser Hr. Gerichts-Scholtze / er vergebe mir / das ich meine Lustigkeit so kühne gebrauchet habe. Ich dachte gleich auff Gelegenheit / dem Herrn Gerichts Scholtzen auffzuwarten / und weil ich die gute Hoffnung hatte / etwas bequemes auszurichten / so muste sich meine Fröligkeit durch dieses lustige Liedgen kundbar machen.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Was hat mein Herr vor eine Sache / darin ich sein verlangen etlicher massen secundiren kan.

PURUS PUTUS.

Hochweiser Herr Gerichts Scholtze ich bin ein ehrlicher Kerle / und habe mich in der Welt stattlich versucht. Nun möchte ich auch gerne mein Ruhe Plätzgen finden / also wolte ich vernehmen / ob bey dem vacirenden Pickelherings Ampte an meine Wenigkeit nicht könte gedacht werden.

ZIRIBIZIRIBÖ.

SO SO / der Herr thut gar recht und löblich daran / das er die Gemeine zu Querlequitsch seiner Dienste wil würdig machen. Doch kan ich jhm nicht verhalten / daß die Sache bey mir alleine nicht beruhet: kan er meine Herrn Collegen gewinnen / oder kan ich mit meiner Recommendation was darbey thun / so mag er sich desto gewisser auff mein votum verlassen: er stelle mir nur eine geschriebene Supplication zu / jetzund hab ich andere Sachen zu verrichten. Geht ab.

PURUS PUTUS.

Heysa / das Weibernehmen wird auch an mich kommen. Denn die andern Herrn / haben ihr votum schon zugesagt / da nun der Praesidente selber mit seinem voto keine Difficultät machet, so werden sie gewiß an meiner Person etwas aggreables ersehen haben. Heysa / die expedition ist eines Frantzösischen Liedgens werth.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Er singet. kämt. Sieh da guter Freundt / wo war er hinkommen / ich bin jhm ein Gläßgen Brantewein schuldig blieben.

ZODIACUS

Nun wil ichs sagen. Ich bin bey euren Herrn gewesen / und habe um den Pickelherings Dienst angehalten:

ZIRIBIZIRIBÖ.

Andre Handlung

33

wäre mir der Bettel abgeschlagen worden / so hätte ich mein Maul gewischt / und wäre stillschweigend davon geschlichen; nun ich aber in meiner Verrichtung so glückselig bin / kan ichs einen guten Freunde wol vertrauen. Habt jhr den euren Paßport oder das Parlament wie es heist / schon in Händen?

ZODIACUS.

Ich habe zwar nichts geschriebenes drüber / aber die promessen sind mir so gewiß / als eine vocation.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Herr mich wundert / das ein gereister Kerle die Leute nicht besser kennt: so lange als die Herrn im Hause sind / so theilen sie lauter Aemter aus / aber wenn sie auff jhre Schubäncke nauffkommen / so werden sie gantz andere Menschen / daß sie auch jhre Zusage in Grund hinein vergessen.

ZODIACUS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Solte das möglich seyn?

Ich will euch mein exempel anführen. Ich bin nun gleichwohl 15 Jahr in Querlequitsch gemeiner Hirte / und die rechte Warheit zubekennen / so ist meine Besoldung gar schlecht; drum hielt ich an / sie möchten mir doch eine Zulage thun / und von jedweden Hause / darinnen Vieh gehalten würde / des Jahres ein Brodt geben. Der Gerichts-Scholtze sagte mirs mit Hand und Mund zu / es wäre billich / das mir die Arbeit belohnet würde / er wolte nicht eher ruhen / biß ich die Brodte und wol etwas mehrers zu meiner Besserung erhalten hätte.

ZODIACUS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Da hat er auch geredt / als ein löblicher Regente.

Ja / last mich nur den Außgang erzehlen. Der Gerichts Scholtze kömmt auff die Schubäncke / und thut den Vortrag mit solchen Worten: Ihr Herrn Collegen der Hirte ist bey mir gewesen / und hat seine Besoldung wollen verbessert haben. Nun weiß ich nicht / wie der wunderliche Mann itzund auff die Gedancken kömmt / da ohne diß so schwere Zeiten sind: haben sich die alten Hirten ernehren können / so wird der Kerl auch nicht Hunger sterben. Oder / wäre jhm das Aemtgen zu geringe / so wolten wir jhn an seiner Besserung nicht hinderlich seyn: doch steht den Herrn Collegen frey / was sie beschliessen wollen / befinden sie es vor rathsam / das die Gemeine sol beschweret werden / so muß ich endlich die meisten Pfoten gelten lassen.

ZODIACUS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

gelogen hat. 3 Komcdia X

Wer weiß / wer dieses dem ehrlichen Manne nach-

34

Bäurischer Machiavellus

Ja nachgelogen / der Herr Bierschatzer hatte gleich eine Krancke Kuh / die muste ich gesund machen / da vertraute er mir die Heimligkeit / und schwur hoch und theuer darzu / sie wären alle auff meiner Seite gewesen / aber es hätte nichts helffen wollen. ZIRIBIZIRIBÖ. Was brachte denn der Gerichts Scholtze vor eine Entschuldigung vor. ZODIACUS. Wie das Vieh auff den Abend zu Hause kam / stund er an der Thür / und raffte mich hin / Gevatter / sagte er / es ist mir Leid / das jhr nichts erhalten habt / ich war trefflich auff euer Seite. Aber ich w a r d überstimmet. ZODIACUS.

SO höre ich wol / dem gütigen Herrn ist nicht viel zu trauen. ZODIACUS. Herr glaubt mirs / wenn er mit Worten am freygebigsten ist / so ist er in der That am kärgsten. ZIRIBIZIRIBÖ.

wird mir leyd bey der Sache. Guter Freund / ich spendire euch ein Seidel Brantewein / gebt mir einen Rath.

ZIRIBIZIRIBÖ. E S

Ich weiß / was jhr thun könt: der Schulmeister hat nebenst dem Landschöppen das gröste Wort auff dem Schubäncken / wenn jhr hingienget / und gebet bey seiner Tochter freyens vor / er würde die Herrn gewiß erinnern / das sie jhr Wort halten musten. ZIRIBIZIRIBÖ. Ist aber die Jungfer liebens werth? ZODIACUS.

O ja es ist ein feines Mensch / unter den Jungfern zu Querlequitsch laufft sie noch mitte.

ZODIACUS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

mangeln.

ES

wird mir aber an einem guten Vorsprecher

Je / wenn jhr mich vor voll ansehet / so wil ich dem Herrn Schulmeister wohl davon sagen.

ZODIACUS.

Ich bin zufrieden. Kommt zuvor mit in die Schencke / und Trincket ein bißgen Courage. Gehen ab.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Der Schauplatz praesentiret die Scbuhbäncke. P U R U S PUTUS. D U R A N D U S . S C I B I L I S . E X C I P E . VADEMECUS. E X T R A . INTRA. A D J E C T I V U S . N E S C I O . treten auff / und setzen sich / QUONIAM

bleibet an der Thüre stehen.

Andre Handlung

35

Meine Hrn Collegen wissen bester massen / wie unser bisheriger Pickelhering oder Druscheman anders wohin beruffen worden / und nunmehr unsren Collegio die Ersetzung eines so wichtigen Amtes obliegen will. Wenn denn der itzige Tag dazu angesetzet ist / als hab ich hier eine Supplication, yon einem guten Menschen bey mir / der heist der heist — — der Nähme ist etwas zu lang / en, i, ni.

PURUS PUTUS.

Er buchstabiret

fort.

Nicostomus Pacifontius. Weil nun die Qualitäten sehr gut bey jhm seyn / so zweifiel ich nicht / die Hrn Collegen werden dem guten Menschen seine Beförderung nicht versagen. Mein Hr. College, wir haben sein Anbringen angehöret: aber ich weiß nicht anders / es hat ein ander seine Supplication auch eingegeben / der heist Barrabas Ciaconi.

DURANDUS.

Ja es war einer bey mir / aber er kam zu l a n g s a m .

PURUS PUTUS.

Vor unsern Convent kömt niemand zu langsam / und ich processire darwider. Hr. Ciaconi ist so ein praver Kerle / die Gemeine könt es bey jhren Kinds Kindern nicht verantworten / wenn sie den rechtschaffenen Kerlen nicht zum Pickelhering machten.

DURANDUS.

Hr. Pacifontius ist auch kein Narr / wir wollen die Vota lassen rumgehen: ich spreche Hr. Pacifontius sol Pickelhering seyn.

PURUS PUTUS.

Und ich spreche Hr. Ciaconi sol Pickelhering seyn / und wer jhm sein Votum versagt / der ist mein Feind.

DURANDUS.

Ey was? ein jedweder hat sein frey Votum Hr. Consulente was haltet jhr davon?

PURUS PUTUS.

Nulli tacuisse nocet, Ich wil warten biß die andern votiret haben. Denn es könte kommen / daß der Consulent auff die letzt was zu verbessern hätte.

SCIBILIS.

PURUS PUTUS.

dancken.

EXCIPE.

Ich gebe mein votum — — ich gebe mein votum

PURUS PUTUS. DURANDUS. 3*

Nun Hr. Rügemeister so sagt doch jhr eure Ge-

Hrn Pacifontio.

Hrn Ciaconi.

36

Bäurischer Machiavellus

Hr. Rügemeister gebt das votum nach meinem Kopffe / oder euer Brandtewein-Schanck sol euch geleget werden.

PURUS PUTUS.

Hr. Rügemeister steht jhr auff meiner Seite / oder ich will euch auff euren Gute durch den Landknecht pfänden lassen.

DURANDUS.

SUBSTANTIA

tTlt a u f f .

Mein ehrlicher Thürknecht sind die Hrn beysammen. Ja sie sind beysammen / es setzt harte Reden / der Hr. Landschöppe ist euren Hrn trefflich zuwieder. Ich weiß nicht wer die Oberhand behalten wird.

QUONIAM.

Ach mein Mann die feige Memme / last sich freylich in ein Bockshorn jagen. Ich muß nur selber darzulauffen.

SUBSTANTIA.

Läufft in die Versandung. Ha du schmutzigter Partitenmacher / was hastu vor einen verlauffenen Schelmen / der mich und die meinen verdringen sol. Das soltu wissen / daß mein Mann Gerichts-Scholtze ist / und daß seine Faute besser ist / als wenn deiner Zehen in das Wesen hinein plerren. DURANDUS.

Ein Weib sol in der Gemeine stille schweigen.

Was du kahler Bettelhund / wer wärestu / wenn dir mein Mann nicht hätte zur Frau geholffen? Nun kriegt er den Danck vor seine Wolthaten.

SUBSTANTIA.

Wir sietzen hier in loco sacro, da sollen die Weiber davon bleiben. Ihr Hrn votiret weiter herum.

DURANDUS.

Was wolt jhr machen: ich bitte dem Kerlen Trotz / der mir meinen Herren mit den Lateinischen Nahmen veracht. Ich wil euch weisen / was eine Gerichts-Scholtzin auff den Schubäncken zu thun hat. Flugs / erwehlet mir denselben den mein Hr. haben wil / oder er sol von mir erwehlet werden.

SUBSTANTIA.

Ihr Hrn unser Collegium wird geschimpfft / helffet mir die Bestie hinaus schmeissen.

DURANDUS.

QUONIAM

kömmt gelauffen.

Hr. Consulente es ist ein guter Freund da / der wolte ein Wort mit jhm reden. SCIBILIS.

Mit mir? ich wil bald kommen.

Andre Handlung

37

Es stünde euch auch besser an das jhr meinen Hrn secundirt, und nicht auff beyden Achseln trügt. Mich dünckt / jhr habt von unser Familie mehr genossen / als von dem beschmutzten Bettelhunde da.

SUBSTANTIA.

Ihr Hrn Collegen ich werde abgefodert / ich wil nicht lange verziehen / so werde ich wieder da seyn. Fanget nur in meiner Abwesenheit keine Händel an / denn es möchte darnach an einen Consulenten mangeln.

SCIBILIS.

DURANDUS.

Geht nur fort / wir wollen mit votiren inne halten.

Und komt auch zu rechter Zeit wieder / sonst heisse ich euch einen schlimmen Hund.

SUBSTANTIA.

Hr. Consulente / der Hirte ist draussen und wil was nothwendiges mit euch reden.

QUONIAM.

Boni pastoris est tondere pecus, der Hirte macht einem Consulenten die meiste Ungelegenheit.

SCIBILIS.

komt. Mein Hr. Consulente er vergebe mir / das ich eben an dem Orte so kühne bin / ich habe etwas vorzubringen / welches keinen Verzug leiden wil.

ZODIACUS

Ihr thut mir einen grossen Dienst / wo die Erzehlung fein kurtz abgefasset wird.

SCIBILIS.

Ich höre die Hrn. wollen jetzund einen neuen Pickelhering machen. : nun ist so ein praver lustiger Mensch bey mir / der hat gute Lust zu euer Jungfr. Tochter / wenn jhr jhm nur zu dem Dienste helffen wollet. Er ist als ein Scherschlip verborgener weise durch viel Länder und Königreiche gezogen / und hat über 50. Gulden mit dieser freyen Kunst erworben. Hr. wie meinet jhr?

ZODIACUS.

Tardé venere Subulci! ey ey / warum kömt der liebe Mensch so langsam! Er besinnet sich, doch ich weiß wie der Sache zu rathen ist / sprecht er soi meiner warten / wenn ich von Schubäncken komme / da soi er etwas gutes hören.

SCIBILIS.

Er geht wieder in seine Session. Wir können noch nicht einig werden / Hr. Consulent sagt eure Meinung.

DURANDUS.

Astra regunt homines, in meinen Calender stehet heute eine Zancksüchtige Constellation, lasset das Werck etliche Tage

SCIBILIS.

Bäurischer Machiavellus

38

anstehen / biß der Mond voll wird / ich weiß die Gemüther werden sich besser gewinnen lassen. Hr. Ihr mögt den Vorschlag wohl annehmen / wir bleiben doch auff unsern Kopffe.

SUBSTANTIA.

Mein Hr. Ciaconi fragt auch nichts darnach. Er hat schon so viel Geld übrig / das er so lange darvon leben kan.

DURANDUS.

Ja / wer sich doch in seinem hohen Ammte liesse hoffemeistern. Geht ab mit jhren PURUS PUTUS.

SUBSTANTIA.

DURANDUS.

Ich lasse mir die Gewalt nicht nehmen. Geht ab.

Geht nur fort / es sol einer so viel darvon bekommen als der ander. Apparebit tertius interveniens, quasi D E U S ex machinä. Geht ab.

SCIBILIS.

EXCIPE.

manier.

Ihr Hrn Collegen was dünckt euch von der schönen

VADEMECUS. EXTRA.

SO

Was frag ich darnach / die Hrn mögen sich vergleichen. viel als ich versteh / so hatten alle beyde recht.

E S gefiel mir gar zu wol / das der Hr. Landschöppe solche prave Hundsflöh in den Bart kriegte.

INTRA.

Ich wil hören / was die andern sprechen / darnach wil ich meine Stimme einrichten.

ADJECTIVUS.

NESCIO.

ES

wäre viel davon zureden wer alles wüste.

Die Hrn verzeihen mir / ich habe gleich Arbeiter / die sollen mir an der Wiese einen Graben machen / ich muß gehen.

EXTRA.

Und ich versehe mich eines Schuldmannes / der mir eine alte versessene Zinse abführen sol. Geht ab.

INTRA.

Meine Frau hat Schindeln gekaufft / ich muß gehen / das sie nicht im zehlen betrogen wird. Geht ab.

ADJECTIVUS.

Und ich habe noch einen Braten von der neulichen Hochzeit zu holen / ehe mir die Bettel Leute das beste wegfischen. Geht ab.

NESCIO.

Das war gut / daß ich mit meinen Clienten zu Hause blieb / gelt / der gestrige Hr. war gut genung ?

EXCIPE.

Andre Handlung

39

Ich möchte jhn selber in unser Gemeine wünschen: aber was kunten wir ausrichten?

VADEMECUS.

W O wir nocheinmal zusammen kommen / so kriegen wir einander bey den Köpffen.

EXCIPE.

Ich bin dem Land-Schöppen noch eines schuldig vor das neuliche Bierbrauen / er solte abscheulich getreten werden.

VADEMECUS.

Die Zeit wirds geben / ich springe hinter den Ofen / und halte das Licht herfür / das sie sehen können.

EXCIPE.

Gehen ab. VOCATIVUS, SCIBILIS.

Ich halte die Sache wird sich so auff das beste angreiffen lassen / es ist bekand / flectere sinequeo.

SCIBILIS.

Der Hr. sehe nur auff mich / der Juncker sol einen Befehl herschicken / darin sein zukünftiger Schwieger Sohn zum Pickelhering denominiret wird: Wir wollen sehen / wer sich wiedersetzen sol.

VOCATIVUS.

Et faciles motus mens generosa capit. Der Hr. immer ein Werck der Barmhertzigkeit: Er weiß daß ich das Steuer Register in unser Gemeine umschreiben muß kan jhm schon eine Wolthat dargegen erweisen. Mutuum scabunt ein, beampter hilfft dem andern.

SCIBILIS.

thue jetzt / ich muli

Ich höre schon wo der Hr. hinaus wil / ich nehm es mit Danck an / Morgen auff dem Abend sol er den Befehl in dem Schiebsacke haben. Geht ab.

VOCATIVUS.

ZIRIBIZIRIBÖ

SCIBILIS. RISIBILIS.

haltung. SCIBILIS.

wohl.

bringt des Schulmeisters Tochter R I S I B I L I S an der Hand / und singt ein lustig Lied.

Par nobile fratrum! Woher komt jhr lieben Kindergen ? Da studieren wir schon auff unsre künfftige HaußJa wol; urit maturfe. Was wol erzogen ist / das geräth

Hr. Consulent und zukünfftiger Hr. Vater / wie stehts umb den Befehl?

ZIRIBIZIRIBÖ.

SCIBILIS.

In tempore veniet, quod omnium rerum est primum.

Bäurischer Machiavellus

40

Ihr redet sehr viel Lateinisch / vielleicht verstehts der Hr. nicht.

RISIBILIS.

Quisque suos patimur manes. Ein jedweder Vogel singt / nachdem Ihm der Schnabel gewachsen ist.

SCIBILIS.

Ich habe mein Latein gar über der Frantzösischen Sprache vergessen.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Ja freylich / non possumus simul sorbere & flare: das Latein erfodert einen gantzen Menschen.

SCIBILIS.

Ich hoffe / wenn ich meine Übung wieder haben solte / so könt ich mit der Zeit was vornehmers werden.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Difficile est adversus stimulum calcitrare. Im Alter lernt sichs nicht wol.

SCIBILIS.

Nun wolan / Hr. Vater kommt herein auff ein Kännichen Bier.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Qui ben£ bibit, bene dormit. Wer was guts zu trincken hat / der führt die Braut heim.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ. SCIBILIS.

Guth.

Ich will heute die Zeche bezahlen.

Parcius utaris rapiente veredo, Junges Blut / spar dein

Ey es liegen jhrer viel auff dem Kirchhoff die sich aus Kargheit nicht satt gefressen haben.

ZIRIBIZIRIBÖ.

SCIBILIS.

Ey ey Post fata quiescit, last todte Leute ruhen.

Ja wol / ich halte mehr von den Lebendigen. Wie stehts Mägdgen ein Strohsack im Brautbette ist besser als ein sammtnes Leichentuch?

ZIRIBIZIRIBÖ.

Trahit sua quemque voluptas, Ein jedweder Schäffer lobet seine Keule. Doch last uns gehen. Asinus est in patinis, ich möchte gerne trincken. Gehen ab.

SCIBILIS.

DRITTE HANDLUNG PURUS PUTUS. DURANDUS. EXCIPE. PURUS PUTUS.

zanckten.

DURANDUS.

Waren wir nicht Narren / das wir uns mit einander

Wer hätte sich solcher Händel versehen sollen.

Ich bin ein alter Mann / aber das ist das erste Mahl / daß uns der Juncker mit einem Befehle in unser Gerechtigkeit eingreifft. DURANDUS. Ich merck es wol / unser Hr. Consulent hat das Werck gemeistert / vielleicht ist seine Tochter mit eingedingt.

EXCIPE.

Es ist keinem Menschen zu trauen. Er ist die Ursache an aller unser Keifferey.

PURUS PUTUS.

Aber weiß der Hr. College was wir mit dem Befehle machen wollen. PURUS PUTUS. Ich hab noch nichts erdencken können.

DURANDUS.

Wir wollen zu rücke schreiben / er sol uns mit dem Befehle ungeheyt lassen: Wir wollen doch wol wissen / wo wir einen Pickelhering hernehmen. DURANDUS. Bey leibe nicht / man muß die Obrigkeit respectiren. Wir wollen antworten / der Juncker hätte uns befohlen / wenn wir einen Pickelhering machen wolten / so möchten wir eine gewisse Person bedencken; nun aber hätten wir willens keinen Pickelhering mehr zu machen. EXCIPE.

PURUS PUTUS.

Das wird sich vor unsre Gemeine nicht schicken.

Wir machen wol einen / aber wir geben jhm einen andern Nahmen: unter dessen mag der Juncker in possession bleiben / daß ohne seinen Willen kein Pickelhering gemacht wird.

DURANDUS.

PURUS PUTUS.

werden.

Aber auff solche weise müste Hr. Pacifontius bedacht

Ja hinter sich. Ich habe den Rath gegeben / mein Hr. Ciaconi geht vor.

DURANDUS.

42

Bäurischer Machiavellus

PURUS PUTUS.

Nein mit Gunst ich habe auch was zu reden.

Wir wollen sehen wer die meisten vota kriegt.

DURANDUS.

E y jhr H m / fangt nicht die alte Leyer wieder v o n forne an. Unser Hr. Consulente hat ein Sprichwort: Ridetur chorda qui semper aberrat eadem.

EXCIPE.

E s bedarff keines Streits / der k ü n f t i g e Convent sol es ausweisen.

PURUS PUTUS.

Ich wil es erwarten.

DURANDUS.

D U R A N D U S und E X C I P E gehen ab. PACIFONTIUS.

QUANTITAS.

PUTUS. Siehe da meine Tochter! ich muß auff die Seite treten / und jhrem Gespräche zuhören.

PURUS

Liebstes J u n g f r Quäntgen / die Lust ist in grünen vortrefflich schön.

PACIFONTIUS.

Das weiß ich ohn dem w o l / und wenn ihr mirs gleich nicht gesagt hättet.

QUANTITAS.

PACIFONTIUS. zu reden. QUANTITAS. PACIFONTIUS.

Ich suche Gelegenheit mit meinen liebsten Kinde Wenn haben doch die Narrenpossen ein Ende ? Die Liebe sehnet sich nach keinen Ende.

QUANTITAS. Ich bin der Sachen ein Kind. Schwatzt mir was v o n einem Butterfasse / davon krieg ich was fettes in die Küche. PACIFONTIUS.

S o will ich sie mein liebstes Butterfaß heissen.

Warum nicht euren Quarcksack. Wolt jhr einen Narren haben / so schafft euch einen.

QUANTITAS.

Sie wil sieb loß reissen / der Vater springt hervor. Was machstu / bleib stehen du grobe Keule / und thue erbar / wie die Mutter befohlen hat / oder ich mache dir in 20. Jahren keine Hochzeit.

PURUS PUTUS.

Mein Hr. Vater lasse die J u n g f r Tochter schertzen / sie meint es in Gedancken nicht so böse / als vielleicht die eußerlichen Wercke scheinen.

PACIFONTIUS.

Dritte Handlung

43

Nun so gehet doch hinein / ich habe ohne diß etwas Geheimes mit dem Hr. Sohne zu reden.

PURUS PUTUS. PACIFONTIUS.

Ist etwan meine Vocation schon ausgefertiget.

Freylich hat es an mir nicht gemangelt / aber der Hencker hat uns geritten / das wir den Schulmeister / den Causenmacher zu unsern Consulenten genommen haben.

PURUS PUTUS.

Ey / das ist mein guter Patron, und dem habe ich meine gantze addresse in Qverlequitsch zu dancken.

PACIFONTIUS.

Unser Schulmeister hat ein Sprichwort / Voluntas hominis est ampullatoria, die Gedancken sind wie Aprilwetter. Er hat einen Freyer zu seiner Tochter bekommen / damit hat er einen Befehl von Juncker aus practiciret, daß wir den Scherschlip vor andern bedencken sollen.

PURUS PUTUS.

PACIFONTIUS.

Felde.

Hr. Vater / so steht mein Glücke noch in weiten

Ey / wir haben zu dem Loche schon einen Fleck gefunden. Wir wollen dem Juncker wiederschreiben / die Gemeine brauchte keinen Pickelhering / unterdessen wollen wir einen Ceremonien Meister annehmen / der sol das alte fas und das alte nefas behalten.

PURUS PUTUS.

PACIFONTIUS.

Sol ich aber Ceremonien Meister werden?

Ich hoff es. Aber der Landschöppe ist mir auff das neue zu wieder: Wollet jhr guten Rath gelten lassen / so seht ein bißgen Geld nicht an / und stecht euren Wiedersacher ab. Ihr wist wol wie unser Consulente spricht / Vivat ums Geld.

PURUS PUTUS.

Je wenn der Hr. Vater meint / daß meiner Wolfart damit geholffen wird / so wil ich schon Geld finden. Aber wie gibt man der Sache die rechte forme.

PACIFONTIUS.

Unser College der Bettelvoigt ist bey dem Landschöppen trefflich wol dran / der nehme 3. Kannen Bier an statt der Discretion, und br[ä]chte die Sache zu einem guten Ende.

PURUS PUTUS.

PACIFONTIUS.

So müssen wir nach jhm schicken.

Nein nein / er ist in meinen Hause / und macht meiner Frauen Strohseile / wir wollen jhn bald erlangen. Hr. Bettelvoigt Hr. Ampts College kommt doch auff ein Wort herunter. NESCIO kömmt mit einem Strohseile heraus.

PURUS PUTUS.

44

Bäurischer Machiavellus

Hr. Gerichts Scholtze verhindert mich nicht an meiner Arbeit / w o die Sache nicht nothwendig ist.

NESCIO.

Es gibt 3. Kannen Bier zu verdienen / werfft mir den Plunder hin / die Strohseile warten wol / biß wir morgen von Schuhbäncken kommen.

PURUS PUTUS.

Meinetwegen ich wolte lieber im Bier ersauffen als im Stroh verbrennen. Worin kan ich dienen?

NESCIO.

Ihr wist / was neulich vor ein Streit wegen des Pickelherings war: Nun merck ich wol / daß der Hr. Landschöppe einen befördern wil / davon er etwas zuschneiden gedenckt. Solte es nicht angehen / das er eben so viel von diesen guten Menschen geschenckt nehme?

PURUS PUTUS.

Je warum solte das nicht angehen? ich m[ü]ste einen versuch thun.

NESCIO.

Ey Hr. College seyd gebethen und gehet hin der ehrliche Mensch wird 20. Gülden nicht ansehen.

PURUS PUTUS.

Ich weiß wie der liebe Hr. zu gewinnen ist: er hat ein liebes Söhngen / wenn ich denselben jrgend einen Zeissig spendiren könte / so wäre der Zutritt desto gewisser.

NESCIO.

Seht w o jhr was bekomt / die Unkosten sollen euch ersezet werden.

PURUS PUTUS.

Ich habe eine Amsel vor 8. gl. aber es möchte dem Hrn zu tieff in das Geld reissen.

NESCIO.

PACIFONTIUS.

A c h nein / da habt jhr das Geld / und die 3. Kannen

Bier darzu. Grossen Danck. Gehet nur hinein / und trinckt eins mit einander / ich wil die Sache schon auff einen guten Ort bringen.

NESCIO.

Gehen ab. SciBILIS.

EXCIPE.

Wollen die ehrvergessenen Kerlen den Befehl nicht respectiren?

SCIBILIS.

Wie gedacht / sie wollen jhn respectiren / und wollen doch thun was jhnen gefält.

EXCIPE.

Dritte Handlung

45

Und soll in dem Weltberühmten Marckflecken Querlequitsch kein Pickelhering mehr seyn? das wäre eine fallacia in terminis. EXCIPE. E S wäre besser man bliebe bey den alten Löchern. SCIBILIS.

SCIBILIS.

Ich seuffze! heu prisca fides I Ach wie hübsch war es vor

EXCIPE.

Damit wird aber euer zukünftiger Eydam kein Pickel-

Zeiten!

hering.

Da last mich sorgen. Unius rei multi possunt esse fines, der Fuchs weiß mehr als ein Loch. Kan ich Befehl ausbringen / so kan ich auch die Befehle exequiren lassen.

SCIBILIS.

Ich habe das meinige gethan / und habe euch die Sache bey guter Zeit vertrauet / jhr mögt im übrigen eure Klugheit zu Rathe ziehn. Geht ab.

EXCIPE.

Cuneus Cuneum trudit, ein Schelm kömmt über den andern. Doch ich müste nicht Scibilis heissen / wenn ich die albern Schacher nicht betriegen wolte. Ehe mein Befehl sol schimpffiret werden / ehe wil ich die gantze Bürgerschaft auffwiegeln / das sie durchaus auff einen Pickelhering dringen sollen.

SCIBILIS.

ZODIACUS

kömmt.

Das ist der Mann den ich haben wil. Amicus certus in re incerti cernitur, wenn man der guten Freunde von nöthen hat / so kommen sie.

SCIBILIS.

ZODIACUS.

vexirt.

Hr. Consulente last mich doch mit dem Lateine unge-

Abstine sus, non tibi Spiro. Ich rede das Latein vor mich. Aber wüst jhr was neues?

SCIBILIS.

ZODIACUS.

Ist jrgend ein Unglücke da?

Ich wolte ich hätte einen andern Dienst / der wär ein Schelm / der nicht gleich abdanckte. Artem quaevis terra alit. Wer Patronen hat / kömt wol fort.

SCIBILIS.

ZODIACUS.

Darbey wird unsre Gemeine keine Seyde spinnen.

Quicquid delirant Reges, jhr habt es euren Regenten zu dancken. Sie wollen ietzund die manier auffbringen / daß kein Pickelhering seyn sol: da wird das lumpen Querlequitsch nicht

SCIBILIS.

Bäurischer Machiavellus

46

viel anders seyn / als Herba acida sine farcimine, das ist / eine Hochzeit ohne Spielleute. Da wird die Gemeine auch drum reden.

ZODIACUS.

Os ossis Mündlein / sed os oris devorat Hündlein. Wenn die gemeinen Leute alleine sind / da haben sie immer ein grosses Maul / darnach wil niemand den Fuchs beissen.

SCIBILIS.

Wir wollen sehen ob die Gemeine nicht ein Wort zu sprechen hat.

ZODIACUS.

SCIBILIS.

ander.

Principium fervet. Was einer gut macht / verderbt der

Gebt euch zufrieden / jhr sollet sehen / was wir vor eine[n] Lermen auf den Schuhbäncken machen wollen. Geht ab.

ZODIACUS.

Dulce bellum inexpertis. Gegen grobe Leute muß man Gewalt brauchen. Und sie sollen sehen / wer das meiste zu regieren hat / non decem Achilles, sed decem Nestores, ein Schulmeister ist besser als zehn solche Pralhanse.

SCIBILIS.

VADEMECUS.

Kömmt gelauffen.

Hr. College wüst jhr was neues.

Africa Semper aliquid novi, zu Querlequitsch hat der Hencker immer sein Spiel. Ist etwan der neue Ceremonien Meister schon fertig? oder hat sich der Gerichts-Scholtze mit den Landschöppen herum geschmissen.

SCIBILIS.

Umbgekehrt / sie sind die besten Freunde. Hr. Paselpontius, oder wie der Narr heist / der spendirt dem Landschöppen so viel als der vorige / damit blasen sie in ein Horn.

VADEMECUS.

SCIBILIS.

Juno Moneta,

VADEMECUS.

O

du verfluchtes Geld!

Also wird die Wahl keine Difficultät mehr haben.

Alter mulget hircum, alter supponit cribrum es wird nichts draus.

SCIBILIS.

VADEMECUS.

Der Hr. Wegevoigt ist trefflich gut Freund mit [j]hm.

Vox est praetereaque nihil. Der Narr hat nur ein Votum, und was werden sie zu des Junckers Befehle sprechen? Ne sutor ultra crepitum, es greiffe niemand in frembde Jurisdiction.

SCIBILIS.

Sie wissen schon was neues. Sie wollen bey dem Juncker einen Befehl ausbringen / daß die Lands Kinder vor

VADEMECUS.

Dtitte Handlung

47

den frembden sollen befördert werden / und sol die Clausel drinne stehen / ungeacht aller v o r h e r g e g a n g e n e n Befehle. Ne hoc quidem adversus Parmenontis suem. Damit ist der Hr. Consulent noch nicht überwunden. Acheronta movebo, ich wil den Hrn Pater mit in das Spiel bringen.

SCIBILIS.

VADEMECUS.

Auff eure Gefahr / ich spiele nicht mitte. Geht ab.

Nulla dies sine lineä, Ein jeder Tag hat seine eigene Plage. Doch si tu es Caja, ego sum Cajus. Wurst wieder Wurst. Ich wil den Vögeln eine Wurst braten / sie sollen sich das Maul daran verbrennen.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ SCIBILIS.

kömmt singende heraus.

Vae tibi ridenti, Hr. Sohn es ist nicht Zeit zu singen.

Last mich unverstört / wenn ich Unglücklich bin / so muß ich doppelt singen.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Homo omnium horarum, der Mensch kan alle Verdrießligkeit überwinden.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Was ist vorgefallen / das ich überwinden sol.

Ne Hercules quidem adversus duos. Wer mit dem Gerichts Scholtzen und Landschöppen zugleich in Wiederwertigkeit liegt / der muß ein Hertz in Leibe haben.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

men.

Ich dachte die zwey Kerlen wären Feinde zusam-

Herodes & Pilatus. Wenn es über uns Geistliche geht / so muß alles zu Freunden werden. Aber hört meinen Rath / mein Nachbar hat vor 8. Tagen eine Sau geschlachtet / und hat treffliche Bratwürste davon gemacht / nach dem Vers. Farcimen Querlequitschense decus est & gloria mensae.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Was helffen mich die Würste ?

Die bringt dem Hrn Pater zur Verehrung / damit er den Kerlen stattlich verachtet / der euch die Schuh austreten wil. Denn es ist ein Befehl vor die Lands-Kinder unter der Hand / und wir können nicht leugnen / der alte Friedeborn ist an unsers Junckers Hofe ein Leyer-Mann gewesen: versteht mich nur / Curia Romana non curat ovem sine lana.

SCIBILIS.

48

Bäurischer Machiavellus

Der Hr. Pater solte mir die Wege weisen / wenn ich an dem jetzigen Fasttage mit Bratwürsten auffgezogen käme.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Der Hr. Pater ist gar gut / nodum in scirpo non quaerit, er frist manchmal eine Bratwurst vor eine Lamprete. Legt sie zusammen in eine Fischreuse / ehe der liebe Mann sieht / was er in der Schüssel hat / so sind sie verschlungen. Venter caret auribus, wenn es nur gut schmeckt.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ. SCIBILIS.

Ich nehme die Lehre an / aber auf eure Gefahr.

Rem tuam custodi, Ein jedweder sorge vor seine Haut. Gehen ab.

Ich faste zwier in der Wochen / und wer es nicht glauben wil / der sehe meinen Bauch an. Denn so gern als ich die Faste wolte abbringen / so wil ich doch nicht gerne meine Lateinische Sprache schimpffen / die besteht in 4. Worten; Credo quod Ecclesia credit. Und damit hab ich so viel erworben / als mancher mit einen gantzen Folianten. Das übrige lese ich aus dem Buche / und darum bin ich auch den Gelehrten von Hertzen feind. Denn sie müssen mit jhren Lateinischen Sacke kommen / und da gibt es schwere Gedancken / wenn man bey Ehren bleiben sol. Es ist nicht lang / so reiste ein Ketzer oder sonst ein verlauffner Kerle durch unsern Flecken / und als er mich so gar schöne in der Messe singen hörte / so dachte er / ich hätte alles auswendig gelernet / und kam bey dem Altar zu mir / daß ich vor dem erschrecklichen Lateine kaum in der Kirche bleiben konte. Zu meinen guten Glücke besann ich mich auff mein Vaterland / und sagte / Quitsch querle querlequitsch / da lieff der gute Mensch zu meinem Küster / und fragte ob ich ein Moscowiter wäre? mein Küster sagte Ja: damit stahl er sich aus meinem Gesichte / wie die Katze vom Taubenhause.

JUNIPERUS.

ZIRIBIZIRIBÖ kömmt und hat an statt der Bratwürste vgvey grosse ausgestopffte Würste / wie die Moriones tragen / in die Schüssel gelegt.

Aber / was kömt da vor ein Außländer / hui daß mir seine Sprache beschwerlich ist.

JUNIPERUS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Ehrwürdiger Hr. Vater / hab ich Freyheit ein Wort

zu reden. JUNIPERUS.

Mehr als eines / wenn die Sache angenehm ist.

Ehrwürdiger Hr. Vater / ich habe verlangen mit dessen vornehmer Person bekandt zu werden: drum hab ich

ZIRIBIZIRIBÖ.

Dritte Handlung

49

diese geringe Lampreten / so gut als sie bey dieser Jahres Zeit gefangen werden / zur Verehrung gleich als zu meinen Vorsprechern bringen wollen. In Warheit / es sind schöne Stücke / sie sind gewiß einem Comes Palatinus aus dem Teiche entwischt / der sie legitimirt hat. Ich sehe / der Hr. hat sonst ein Anbringen / er würde mich so köstlich nicht beschencken.

JUNIPERUS.

Ich suche nichts als vornehme Bekandschafit. Könte mir aber darnach mit was gedienet werden / so würde ich meinen Wolthäter nicht verachten.

ZIRIBIZIRIBÖ.

E r sage nur her / mit Gelde kan ich jhm nicht dienen / aber verlanget er einen zehn fachen Segen / den wil ich über jhn sprechen.

JUNIPERUS.

E S ist etwas anders. Denn ich habe von den Gestrengen Juncker einen Befehl das ich sol Pickelhering werden. Aber der Gerichts-Scholtze wil mir ein Lands-Kind vorziehen / der keine andere Qualitäten hat / als daß sein Vater vor 20. Jahren auff den nechsten Dorffschafften vor einen Leyermann gedienet hat. Wenn doch der Hr. Pater den liederlichen Menschen mit lebendigen Farben abmahlen wolte / daß sich die Patronen der schönen Beförderung schämen müsten.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Stille / stille / ich habe genung. Grüst jhr nur euren Hrn Consulenten, und gebt Achtung / ob die Glocken in wenig Tagen nicht anders klingen sollen.

JUNIPERUS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Also lebe der Hr. Pater wol. Gebt ab.

Ich sehe wol / daß dieses Bratwürste seyn / doch weil es die einfältigen Leute vor Fische halten / so gebe ich niemanden Aergernüß / wenn ich heute was davon verzehre. Gebet ab.

JUNIPERUS.

P U R U S PUTUS. P U R U S PUTUS.

DÜRANDUS.

Ob wir den Befehl erwarten?

Es ist nicht von nöthen. Wir wollen jhm die vocation ausantworten. Ein plebisscitum das von dem Obersten abgefasset wird / das sol unsre Wiederpart wol unumgestossen lassen.

DURANDUS.

Aber wer schreibt die vocation? unser Consulente war noch wol so schlimm / und schriebe an statt unsers Clientens seinen Schlipscher hinein / und wenn wir das Siegel drauff druckten / so wären wir gefangen.

P U R U S PUTUS.

4

Komedia X

Bäurischer Machiavellus

50

Der Vogel hat die Künste mit den Briefen gelernet. Ich meine der Einnehmer ist neulich betrogen worden.

DURANDUS.

PURUS PUTUS.

Weiß ich doch nichts davon.

Der Consulente kauffte einen wüsten Garten da waren 15. Gulden Steuer auffgelauifen; die bezahlte er / und machte nach seinem Gefallen eine Quittung / die der Einnehmer unterschreiben muste. Gleich auff den Jahrmarckt / da der Einnehmer am meisten zu thun hat / kommt er wieder / und bringt die Quittung aufF ein Pergament Blat geschrieben / unter dem vorwande / das Papier möchte jhm von Mäusen leicht zerbissen werden / da er doch dieses Document biß auf seine späten Kinds-Kinder auifheben wolte. Der gute Mann nimt sich nicht so viel Zeit / daß er den Brieff ubersiehet / damit ist er zugleich aufF ein Capital von 20. fl. quittiret.

DURANDUS.

PUTUS. Er könte uns noch einen Possen machen. Doch was bringt der Hr. Pater.

PURUS

JUNIPERUS.

Dem Hrn meine freundliche Dienste.

PURUS PUTUS.

Grossen Danck Hr. Pater. Wo so lange gewesen?

Man darff die Hrn in jhren Verrichtungen nicht alle Tage verhindern. Wer weiß ob ich jetzund zu gelegener Zeit komme.

JUNIPERUS.

O wir haben nicht viel zuthun. Wir sorgen nur vor einen neuen Pickelhering.

PURUS PUTUS.

JUNIPERUS.

haben.

Sie werden allbereit eine tüchtige Person im Vorschlage

PUTUS. Ja / des alten Friedeborns / der vor 20. Jahren Leyermuntel hieß / sein Sohn möchte wohl das beste darvon kriegen.

PURUS

JUNIPERUS.

Ey ihr Hrn wie seyd jhr aufF diese Person kommen.

PURUS PUTUS.

Ich hoffe wir sollen nicht betrogen seyn.

Ich begehre zwar an jhrem Amte nichts zu tadeln: doch wenn man bedenckt / wie er seine Jugend so liederlich zugebracht hat / so möchte einem wol grauen / daß man so einen bösen Menschen in der Kirche und in der Gemeine sol vor sich sehen. Ihr Hrn ich bitte euch / um eures Gewissens willen / lasset euers Seelsorgers Erinnerung etwas gelten / und bemüht

JUNIPERUS.

Dritte Handlung

51

euch um eine andere Person. Es wäre uns schlechte Ehre / wenn jhn der Juncker einmal auff Rad und Galgen abfodern liesse. SUBSTANTIA

kömmt rasende heraus gelauffen.

Wo hat mein Schwieger Sohn Rad und Galgen verdient? daß dir alle 27. Elementen in die Kappe fahren. Solstu ehrliche Leute bey jhren Patronen so in das Saltz hacken? Harr ich weiß auch was / ich wil dir bey unsern Juncker ein Hünichen braten / das dich im Leibe reissen sol. Du Capital fresser / du Allmosenfresser: Da steht das böse Ding / und lästert auff ehrliche Leute: darnach trit er vor den Juncker und heulet jhm eins vor / biß er jhm vor etliche Blechatschen Trost in die Jacke wirfft. Du Blechatschen-Flenner.

SUBSTANTIA.

Meine Frau Gerichts-Scholtzin sie besinne sich doch.

JUNIPERUS.

Ey ich habe mich schon besonnen / und wo mein Schwieger Sohn darhinter hingeht / so wil ich auch mein Maul auffthun: jhr wist wol dorte es, a, sa

SUBSTANTIA.

Wenn man guter Meinung wegen nichts erinnern darff / so kan ich wol stille schweigen. Der Pickelhering thut mir an meinem Einkommen keinen Schaden. Geht ab.

JUNIPERUS.

Er komme wieder hat er ein Hertze / ich wil jhm den Peltz waschen / das er seiner Verleumbdung vergessen sol. Gebt ab. S C I B I L I S und Z I R I B I Z I R I B Ö auf der andern Seite.

SUBSTANTIA.

Dum ferrum candet Hr. Sohn / der Pater wird das seinige gethan haben / es ist Zeit / das jhr in der ersten Hitze nach komt. Denn quod corrumpitur in prima concoctione non corrigitur in secunda, der erste Zorn ist hefftiger als der andre.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ. SCIBILIS.

Gebt ab.

Ich wil meinen Fleiß nicht sparen.

Interest & refert, Ihr habt den meisten profit davon.

Meine gebietende Patronen vergönnen jhrem Diener eine kurtze audienz.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Wir haben wenig Zeit übrig / die Rede muß in wenig Worten bestehen.

PURUS PUTUS.

Ich wil es kurtz geben / sie machen mich zu jhrem Pickelhering.

ZIRIBIZIRIBÖ.

4*

Bäurischer Machiavellus

52

Ich halte ihr denckt / wir brauchen ein halb Schock Pickelheringe zu Querlequitsch.

DURANDUS.

Der Hr. Pater wird meiner schon in allen besten gedacht haben / ich bitte sie lassen die gute recommendation gelten.

ZIRIBIZIRIBÖ.

E S ist noch nichts davon gedacht worden, wenn der Hr. Pater seine Person recommendiren wird / und es wäre so dann noch niemand im vorschlage / so könnt jhr euch wieder anmelden.

DURANDUS.

DURANDUS

und P U R U S

PUTUS

gehen ab.

Wie muß der Hr. Pater seine recommendation so schändlich vergessen haben ? hat er meine Bratwürste gefressen / so muß er sie auch verdienen.

ZIRIBIZIRIBÖ.

ASCANIUS

trit an des Hrn Paters Thüre heraus,

Sieh da / ich werde mich gleich bey dem Hrn Pater lassen anmelden. Glück zu mein Freund / ist der Hr. Pater zu Hause ?

ZIRIBIZIRIBÖ.

ASCANIUS.

Nach wem fragt der Hr. ?

ad spect[atores]. Der gute Mensch hört nicht wol / ich muß laut schreyen. ad Ascan[ium]: Ist der Hr. Pater zu Hause?

ZIRIBIZIRIBÖ.

ASCANIUS.

Ich wil darnach sehen. Wer ist der Hr. ?

Ich habe neulich etliche Lampreten gebracht / er wird mich wol kennen.

ZIRIBIZIRIBÖ.

SO SO / er verziehe nur ein bißgen an der Thüre / ich wil den Hrn Pater f r a g e n / ob er zu Hause ist. Geht ab.

ASCANIUS.

Es geht bey diesem Hrn Pater gar Fürstlich zu / man muß sich gar weitläufftig lassen anmelden.

ZIRIBIZIRIBÖ.

ADJECTIVUS

Hause ?

kömmt.

ZIRIBIZIRIBÖ. ADJECTIVUS.

Was macht der Hr. bey diesem Geistlichen

Ich habe mich bey dem Hrn Pater lassen anmelden. Habt jhr schon lang gewartet.

E S war ein junger Mensch haussen / der wolte darnach sehen / ob er zu hause war.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Dritte Handlung

53

Guter Freund / geht ins Wirtshauß davor / so könt jhr die Zeit besser zubringen als hier vor der Th[ü]re.

ADJECTIVUS.

Ich habe bey dem Hrn Pater was zu verrichten. Es ist mir nur leyd / er möchte nicht zu Hause seyn.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Ey / was solte er nicht zu Hause seyn? wie ich daher kam / so guckte er mit der rothen Nase durchs Fenster. Aber es gilt eine Wette / der Bothe wird eine zierliche Lügen bringen: und damit Holla.

ADJECTIVUS.

Der Hr. Pater wird seinen jungen unter gebenen nicht zum lügen anhalten.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Ey / das heist nicht gelogen / es heist nur ein bißgen politisch gespielet. Doch der Diener kömt wieder / heist mich einen Lauer / wo jhr nicht mit einer langen Nase zu rücke müst. Gebt ab. ASCANIUS kömmt.

ADJECTIVUS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

treffen?

Wie stehts guter Freund. Ist der Hr. Pater anzu-

Nein / er ist gleich eine viertel Meile von hier zu einer Adelichen Person geholei worden / und da möchte er sich wol biß gegen den Abend auffhalten.

ASCANIUS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

heraus.

Ich hätte gemeinet / er guckte oben durch das Fenster

Ach nein / ich war oben / und schlug mit einer rothen Fliegen Klatschen eine Wespe todt / die wird durch geschimmert haben.

ASCANIUS.

ZIRIBIZIRIBÖ. ASCANIUS.

Gleichwohl hab ich jhn nicht sehen ausgehen.

Er gehet gemeiniglich zur hinter Thüre hinaus.

ZIRIBIZIRIBÖ.

kömmt.

So muß ich auff dem Wege lauren / wenn er Zunicke

Der Hr. bemühe sich nur nicht / es möchte dem Hrn Pater nicht lieb seyn: er hat gar viel zu thun / darbey er in 8. Tagen keinen Menschen vor sich lassen kan. Gebt ab.

ASCANIUS.

O Schade um meine reformirte Lampreten! O hätte ich sie gefressen / der Bauch wäre mir völler darvon worden / als von den elenden Worten / davon ich nichts habe / als eine Handvoll Schande. Geht ab.

ZIRIBIZIRIBÖ.

54

Bäurischer Machiavellus DURANDUS. PURUS PUTUS. PACIFONTIUS. INTRA.

PURUS PUTUS.

Hr. Einnehmer habt jhr die vocation geschrieben.

Ich habe so was hingemacht / weil es die Hrn vor rathsam erkanten: sonst halt ich wol davor / der Hr. Consulente wäre besser mit zu Rechte kommen / er hätte auch um etliche Groschen Latein darzu gesetzet.

INTRA.

E s wird schofn] gut seyn / wir nehmen jhn zu einen Deutschen Pickelhering an / und darzu mag die vocation immer passiren.

PURUS PUTUS.

Ich behalte den Stylum, dessen wir bey der Einnahme gewohnt sind, und ich gebe mich vor keinen Consulenten aus.

INTRA.

Habt Danck / habt Danck Hr. Einnehmer: aber jhr Hr. Pacifontius hier seht jhr eure vocation. E s mangelt nichts daran als daß sie gesiegelt wird.

PURUS PUTUS.

Wir können etliche aus unsern Collegio darzu nehmen. Der Consulent ist ohne dem nur unser Diener / und gehöret so eigentlich nicht darzu / damit hat es seine Richtigkeit.

DURANDUS.

Nun zukünfftiger Hr. Sohn / er sieht wie jhm das Glücke favorisiret hat / ich gratulire jhm von Hertzen / und wünsche / daß jhm die auffgetragene Ehrenstelle zu lauter Freude / Seegen und vergnügen gereichen möge.

PURUS PUTUS.

Ingleichen habe ich den guten Wunsch zu wiederholen / daß unser vornehmes Collegium nicht allein an seiner Person ein sonderbares Gefallen verspüren / sondern auch die Gelegenheit dergestalt erscheinen möchte / das wir den Hrn allerseits mit Rath und That / und mit anderer guten Beförderung können an die Hand gehen. Gestalt ich jhn meines beharrlichen Wohlwollens / als ein Dienstwilliger Patron wil versichert haben.

DURANDUS.

Cum titulis plenissimis, meine Hochgeneigte Patronen und Beförderer / ich habe mit sonderbaren Freuden verstanden / wie daß meine Wenigkeit vor andern zu dem vornehmen Pickelherings Ammte sey designiret, vociret und beruffen worden. Und wie diese Beförderung in meinem Hertzen eine grosse Freude causiret / verursachet und erwecket; also hab ich meine schuldige Danckbarkeit dagegen sollen bezeigen demonstriren und erweisen / in Hoffnung sie werden mich jederzeit mit mächtiger Hand manuteniren / schützen und handhaben / und mir die Gelegenheit geben / daß ich jhr Beständiger Diener heissen commoriren und verbleiben möge.

PACIFONTIUS.

55

Dritte Handlung

Die Rede war schön gesetzet. Machet euch in dessen auff einen rechten habit ge[f]asset / der Hr. Einnehmer hier sol schon 2. Gülden aus der Gemeinen Casse darzu bezahlen.

DURANDUS.

Der Hr. Gevatter gebe mir nur ein kleines Zettelchen / so wil ich schon sehen wie zuhelffen ist. Es ist zwar jetzo das dürre viertel Jahr / aber auff euer Wort kan ich schon etwas thun / das ich sonst bleiben liesse.

INTRA.

D U R A N D U S und I N T R A gehen

ab.

Ich hätte nicht vermeinet / daß mir das Glücke auff einmal würde so günstig seyn / und daß ich ein A m m t / eine Frau und ein kostbares Ehrenkleid zusammen kriegen solte. Allein was werde ich vor einen Alamode Schneider ausforschen / der mir das Kleid nach einer köstlichen invention verfertigen kan.

PACIFONTIUS.

ACICULUS

kommt.

Wer fragt nach einem Schneider? PACIFONTIUS.

Ich verlange einen Kunstreichen Meister.

Wem mit der Kunst was gedienet ist / der trifft bey mir die Frantzösischen Moden am allerbesten an.

ACICULUS.

PACIFONTIUS.

Hört Meister / könt jhr ein Pickelherings Kleid

machen ? ACICULUS.

Sol etwan der Hr. unser Pickelhering werden?

Stille / stille / die vocation ist zwar schon geschrieben / aber ich darff noch nicht davon reden. Macht jhr nur ein Kleid.

PACIFONTIUS.

Seyd versichert in gantz Deutschland ist kein Meister der jhn besser contentiren könte als ich. Denn ich habe einen Gesellen gleich diese Woche bekommen / der hat beym Könige in Franckreich helffen Comaedien Kleider machen / und der sol die neuste facon von dergleichen Habit angeben: oder ist mir recht / so hat er gar eins bey sich. Er komme nur hinein und gebe mir einen Gülden drauff / damit sol er Morgen geputzt seyn als ein Frantzösischer Cammer-Comoediante.

ACICULUS.

Gehen ah. SciBILIS.

ZlRIBIZIRIBÖ.

Spiritus nec carnem habet nec ossa der Geistliche Hr. Pater hat weder Schande noch Ehre.

SCIBILIS.

Bäurischer Machiavellus

56

Aber auff die Weise werde ich mit meiner Beförderung schlimm bestehen.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Tempus edax rerum. Die Zeit wirds geben. Unterdessen habe ich etliche kluge Anschläge schon fertig. Ich wil den Hirten zum Landschöppen gehen lassen / der sol sprechen / der Gerichts-Scholtze jubilirte so trefflich / daß er jhm folgen müste / und wenn die vocation einmahl volzogen wäre / solte er von dem versprochenen Gelde nicht einen dreyheller zugewarten haben: mitlerweile besinnt euch auff kluge Anschläge ex Arte Ditescendi, damit wollen wir bey dem Landschöppen grosse affection erwerben / daß die Briefe wegen des Pickelherings anders lauten sollen. Gebet ab.

SCIBILIS.

Mein zukünftiger Hr. Schwieger-Vater hat einen witzigen Kopff. Es ist Schade / daß er nicht sol Reichs Cantzler seyn. Ich aber muß nun auch sehen / daß ich meine Person wol darbey spiele. Geht ab.

ZIRIBIZIRIBÖ.

ZODIACUS. DURANDUS.

DURANDUS.

Seyd jhr darbey gewest?

Ja ich bin darbey gewest / es gieng mir durchs Hertze / daß ich die höhnischen Reden solte anhören / ich weiß ja daß der Hr. Landschöppe sonst am meisten gilt / drum wunderte ich mich / warum sich der Gerichts-Scholtze eben so viel einbilden dürffte.

ZODIACUS.

Habt grossen Danck vor den Bericht: ich wil mirs hinter ein Ohre schreiben.

DURANDUS.

Hr. Landschöppe er ist meine Obrigkeit / wenn ich draussen auff der Viehweide bin / drum hab ichs mit guten Gewissen nicht verschweigen können. Gebt ab.

ZODIACUS.

Ich bin gewiß mit meinen Gedancken über Feld gewest / daß mir der Gerichts-Scholtze so einen gefährlichen Eingrie[ff] in meine Gewalt gethan hat. Ich könte der Leute Spot werden / wenn ich stille darzu schwiege. Nein nein / es sol noch anders darvon geredt werden / ehe die Vocation gesiegelt wird / und ich wil gleich befehlen / daß der Einnehmer nicht einen Hellet zum Kleide bezahlet.

DURANDUS.

SCIBILIS. SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Dem Hrn Landschöppen meine freundliche Dienste.

Dritte Handlung DURANDUS.

57

Grossen Danck Hr. College. Was bringt jhr guts ?

Ich komme nur wegen einer wichtigen Sache her / die der ehrliche Mensch da mir vertrauet hat: es sol in seinem Garten ein trefflicher Schatz vergraben seyn / und weil er gute Wissenschafft um solche Sachen hat / wolte er das liebe Gut unter der Erde nicht weiter verschimmeln lassen.

SCIBILIS.

DURANDUS.

Wisset jhr gewiß / daß ein Schatz vergraben ist?

Wenn ich in meiner Kunst nicht bestünde / so wolt ich wenig Worte davon machen.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Ich weiß wol / meine grosse Magd hat jmmer vorgegeben / es solle in dem Garten so unheimlich seyn / ich dürffte bald nach dem Schatze graben lassen.

DURANDUS.

Wenn ich kein Gewissen hätte / so wäre ich die Nacht in den Garten gestiegen / und hätte den Vogel ausgenommen. Aber ich dencke: besser einen kleinen recompens mit Ehren / als einen Kessel voll Geld mit Sünde.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Conscientia mille testes. Ein gewissenhafftiger Mensch ist 1000 Rthlr. werth.

SCIBILIS.

Wie könte aber die Arbeit heimlich fortgesetzet werden? Denn ich fürchte der Juncker würde sich auch mit in unsere Theilung begeben wollen.

DURANDUS.

Clam adsciscit ablativum. Wer den Schatz wegnehmen wil / der muß es Heimlich thun.

SCIBILIS.

Ja Hr. Consulente / wi[e] greifft man aber das Werck heimlich an?

DURANDUS.

Ich hielte davor / doch ohne Maßgebung / der Hr. Landschöppe bemühte sich daß der ehrliche Mensch Pickelhering würde: so könte man sprechen / er wolte sich im Garten auff seine zukünfftige profession exerciren, damit dürffte jhn niemand verstören. Secessum & otia quaerunt, Ein Pickelhering muß ein Stübchen alleine haben.

SCIBILIS.

Der Rath ist sehr gut / alleine ich kan dem Hrn Collegen nicht verhalten / die vocation ist schon einem andern ausgefertiget.

DURANDUS.

Ey ey / und ich habe nichts davon erfahren. Quis messem misit in alienam falcem ? Wer hat die vocation geschrieben ?

SCIBILIS.

Bäurischer Machiavellus

58

Der Hr. Consulente ließ gleich seinen Schweinstall mit Schindeln decken / so wolten wir jhn mit so einer Arbeit nicht beschweren. Aber es ist mir leyd.

DURANDUS.

Serö sapiunt Phryges. Der Hr. Landschöppe muß sich weisen lassen. Denn wie ist die vocation eingericht?

SCIBILIS.

DURANDUS.

Auff eben das modell, wie des vorigen Pickelheringes.

Ich weiß was wir thun. Der Gerichts-Scholtze giebt heute seinen Knechten die Haberkirms. unterdessen wollen wir auff die Schuhbäncke gehen / und einen Schluß machen / der zukünfftige Pickelhering sol sich auff die Music verstehen / daß er in der Kirchen mit auffwarten kan. Ist nun Hr. Pacifontius nicht darzu geschickt / habeat sibi.

SCIBILIS.

Ich bin zu frieden. Da habt jhr meine Hand / jhr solt Pickelhering seyn / und Hr. Consulente schreibet auff allen Fall die vocation. Wenn der punct wegen der Music richtig ist / und der erste Cliente seine Person nicht praesentiren kan / so heist es / in der vocation ist ein defect, der muß verbessert werden. Damit jhr auch sehet das alles gewiß ist / so wil ich den Hrn hiermit Solenniter im Nahmen unsers gantzen Collegii Glück gewünschet haben / daß er bey unser löblichen Gemeine viel Zeit und Jahre dem wichtigen Ambte vorstehen / und den Ruhm dieses vornehmen Marckfleckens in der gantzen Welt ausbreiten möge.

DURANDUS.

Wir bedancken uns beyde gar freundlich und wünschen dem Hrn Landschöppen Mathusalae annos, Argi oculos, Croesi aurum, Codri regnum, das ist: Friede / Freude / Gnade / Segen und alle Wolfarth.

SCIBILIS.

Hr. Consulent jhr sollet bedanckt seyn; machet nur Anstalt wegen der Nachmittägichen Zusammenkunfft. Geht ab.

DURANDUS.

Portam aperuimus aureo malleo. Der Landschöppe hat sich mit einer güldenen Lügen vexieren lassen. Aber am Ende wird es heissen / pro thesauro carbones, der Schatz ist wieder versuncken.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Aber wenn ich nu den Schatz lieffern sol.

Unterdessen habt jhr das Amt weg. Est avis in dextra, wer den Brieff einmal in der Hand hat / der weicht nicht zurück. Wir sprechen die Vocation wäre auff des Junckers Befehl ausgeantwortet.

SCIBILIS.

Dritte Handlung ZIRIBIZIRIBÒ.

Feinden.

59

Man macht sich doch die Leute nicht gerne zum

Ich wil nur dem Hirten Wind darvon geben / der sol bey dem Hrn Pachtman ein Leben davon machen / daß uns der Juncker allen das Schatzgraben verbieten läst. Denckt indessen auff euer Amt. Vulpes facile pirum comest. Ein Consulente kan den Landschöppen leicht betriegen.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÒ.

Nun bin ich wider lustig I

Er singet ein Frant%ösisch Liedgen und gehet hinein.

VIERDTE HANDLUNG EUSEBIUS.

POLITICUS.

Ach wer hätte sich eines solchen Unwesens auch unter gemeinen Personen versehen.

EUSEBIUS.

Die einfältigen Leute sind nur einen Mantelkragen besser als die Bauren / und gleichwohl wissen sie die betrüglichen Stücke so künstlich anzuwenden / daß der Machiavellus selber neuer Klugheit von nöthen hätte / wenn er in einen geringen Marckflecken ohne Schaden und Verhindernüß wohnen solte.

POLITICUS.

Aber achl was solten wir von den Weltlichen Einwohnern gutes weissagen / solte man nicht bey dem allgewaltigen Gott Rath und Hülffe suchen / ehe man sich um ein indisches Glücke bekümmerte.

EUSEBIUS.

Sie wollen einen Unterscheid suchen unter den Geistlichen und Weltlichen Glück. Aber hiemit wollen sie die Göttliche Providenz eines grosses Stückes berauben. Solte der jenige nicht im Politischen Glücke die Oberhand führen / welcher die Fürsten ab und einsetzt / und solte er nicht auff den geringsten Dörffern bey den Aemptern die Hand im Spiele haben / da auch kein unnützer Sperling wieder seinen Willen auff die Erde fallen darff.

POLITICUS.

Wie man die Aempter sucht / so werden sie auch geführt: Verlanget man des Göttlichen Beystandes im Anfang nicht / so wird sich niemand wundern / wenn der Göttliche Segen im Fortgange etwas sparsamer zugemessen wird.

EUSEBIUS.

Die Welt Kinder verlachen den Politicum der beten wil / aber wenn sie hernachmahls jhr Unglück beweinen müssen /so komt die Reue gemeiniglich zu späte.

POLITICUS.

In einem Stücke hab ich mehr befunden als mir lieb ist; aber nun müssen wir doch erforschen / woher die geringen Leute von der Welt diese Boßheit gelernet haben.

EUSEBIUS.

Vielleicht wird dieser unbekandter das unbekandte Werck bekand machen.

POLITICUS.

RATIONALIS

körnt.

Vierdte Handlung

61

Mein Diener Appetitus ist mir aus dem Dienste entlauffen / und wenn ich meine Herrschafft bey jhm mit unterschiedenen Beweißgründen behaupten wil / so muß ich den ärgsten Spott von jhm einfressen. Ich befehle jhm / so wil er über mich herrschen. Ich rühre sein Gewissen / so wil er mich von der Gewalt herunter stossen. Ach / wie schlecht ist es mit einem Herren bewandt / dessen Knechte sich zu einen ewigen Ungehorsam vereiniget haben.

RATIONALIS.

Mein Freund / was vor ein Unglücke zwinget jhm diese Klagen ab?

EUSEBIUS.

Ach Gesegnet sey diese Stunde / da solche werthe Freunde in dieser Gegend ankommen. Hab ich nicht das Glücke / den Eusebius und Politicus zu beneventiren / mit denen ich vormals im Parnasso gute Freundschafft gepflogen habe.

RATIONALIS.

Mein Freund wolle sich nicht verwundern / daß wir an die alte Freundschafft müssen erinnert werden: Denn es scheinet / als wäre das Gesichte / und die übrige Gestalt in wehrender Zeit mercklich verändert worden.

POLITICUS.

Ich armer Rationalis habe von Anfang meiner Geburt die Herrschafft über den muthwilligen Appetitus erlanget / allein jemehr derselbige meinen Gebothen und Vermahnungen zu wieder lebt / desto weniger kan ich meine vorige Gestalt und mein fröliches Angesicht behalten.

RATIONALIS.

Wir sind von dem Durchl. Apollo in einer wichtigen Angelegenheit ausgeschickt. Denn der Machiavellus ist von unterschiedlichen Personen verklaget worden / als wenn die gantze Welt durch jhn verkehret würde. Dieser aber hat sich auf die niedrigsten Leute von der Welt beruffen / welche den Machiavellum nie gesehen hätten / und dennoch in allen listigen Vorhaben jhre Boßheit beweisen könten. Da sollen wir nun di[e] rechte Warheit einholen / und dem Durchlaucht. Richter vollkommene Relation erstatten.

EUSEBIUS.

Der gute Machiavellus ist gewiß unschuldig; Aber mein verlauffener Knecht Appetitus, nebenst 2. gemeinen Dirnen Stultitia und Calliditas, haben sich an einen Kerlen gehangen / ist mir recht / so heist er Antiqvus, und derselbe pfleget unter des MachiäVelli Person vielfältige Masqueraden zu spielen. Sie belieben mir zufolgen / so wird das Geheimnüß gar leicht entdecket werden.

RATIONALIS.

APPETITUS. STULTITIA. CALLIDITAS.

62

Bäurischer Machiavellus

Wer ein Narr wäre / der könte sich zu einem ewigen Knechte verschreiben. Ich armer Appetitus habe nunmehr den hochmüthigen Rationalis lange genung über mich herrschen lassen / und da sonst ein geringer Bauer seinem Gesinde etwan ein Pfingstbier oder eine Liecht-Ganß vergönnet / so hab ich an keine Süssigkeit gedencken können / davon mich dieser eigensinnige Kopff nicht verhindert hätte. Ich kan wol sagen / daß die wilden Thiere bey jhren verächtlichen Zustande weit gluckseliger sind / als ein Knecht / der einen solchen Sauertopffe zu Gebote stehen muß.

APPETITUS.

Wer fragt darnach. Wer einen frölichen Muth hat / der bekümmert sich um keinen Sauertopff.

STULTITIA.

Und wer einen Weg zur Hinterthüre weiß / der bekümmert sich um keinen Herren / der ein Schloß vor die Vorderthüre geleget hat.

CALLIDITAS.

Wer wil die guten Stunden nicht mitnehmen ? Es kömmt wol eine Zeit / da man die Freude wieder seinen Willen versäumen muß.

STULTITIA.

Und wer wil seines Nutzens wegen ein geringes Schelmstückgen so groß auffmutzen?

CALLIDITAS.

Sa / lustig! ein guter Tag / den ich geniesse / ist besser als 10. schlimme Tage die ich erwarten sol.

STULTITIA.

Mann muß sich vor dem bösen Tage wol fürchten 1 Aber der ist ein Narr / der sich von der gegenwärtigen Wollust abtreiben läst.

CALLIDITAS.

W O muß aber unser Hr. Machiavellus seyn / welcher das Commando in unser schönen Compagnie führen sol ?

APPETITUS.

STULTITIA.

kauffen. CALLIDITAS.

Er wird mir gewiß Schellen zu einem Halßbande Und mir ein Glaß zum Perspective. ANTIQVUS

kömmt.

Sieh da / jhr lieben Kindergen / treff ich euch an diesem Orte beysammen an. Wollen wir bald unser Regiment in eine richtige Form bringen?

ANTIQVUS.

Ich bin zufrieden / das Regiment ist mir am liebsten / da ich nach meiner Lust und nach meinen Willen leben kan.

APPETITUS.

Vierdte Handlung

63

Und ich bin also gesinnet. Wenn ein Hr. klüger wil seyn als ich / so bin ich gerne weit davon.

STULTITIA.

Und ich bin mit dem Regiment am besten zufrieden / da man die freye Ober und Unterjagt / das ist / die Betrügerey gegen hohe und niedrige gebrauchen kan.

CALLIDITAS.

Nur bleibt einig, daß Rationalis nimmermehr in seinen vorigen Standt gesetzet wird. Er ist von Person trefflich klein / warum sol ich jhm mit meiner grossen Statur nachgeben. Und warum wolte jemand mein Regiment verachten / da ich alle Gesetze in diesem kurtzen Innhalt begreiffe: Thu was du wilst; Suche was dir gefält; Iß was dir schmäckt; Verfolge was dir zu wieder ist / und bekümmere dich um keinen Schaden / wodurch dein Nutzen nicht verstöret wird. O was vor einen ewigen Ruhm hätte Solon verdienet / wenn er die Athenienser mit solchen Gesetzen erfreuet hätte 1

ANTIQVUS.

EUSEBIUS. POLITICUS.

Ha / du Weltbetrieger / bistu der Unglücks-Vogel / der die Menschen-Kinder so weit von dem Himmel absondert? Ich citire dich hiermit in den Parnassum, allwo deine Bubenstücke vor dem Durchl. Apollo sollen gerichtet werden.

EUSEBIUS.

Was geht mich der Richter Stuhl an / dahin ich nicht geschworen habe. Apollo mag seine Semmeln und Butter Pretzeln in allen Frieden verzehren; Aber ich wil erweisen / das jhm zu Trotze noch ein ander Parnassus sol erbauet werden. Commandiret er über die Tugendhafften / so wil ich die Lasterhafften unter meinen Schutz nehmen / und wir wollen sehen / wer den meisten Anhang / die beste Freude und das lustigste Leben davon bringen wird.

ANTIQVUS.

Ich wil den Tag erleben / da der Durchl. Apollo dein verdammtes Reich zerstören wird. Wir kennen deinen Nahmen und es sollen solche Personen über dich geschicket werden / gegen welche dein Trotz wie Staub und Spreu vor dem Winde dahin fahren sol. Geht ab.

POLITICUS.

So können wir nicht mit Frieden bleiben. Eusebius und Politicus müssen viel Zeit übrig haben / das sie nach frembden Zeitungen in dem Lande können herum gehen.

APPETITUS.

Dessentwegen kein Bein entzwey: Es Donnert nicht allemal / wenn es Wetterleucht.

STULTITIA.

64

Bäurischer Machiavellus

Wenn die Noth an Mann geht / so borg ich dem Politico einen Mantel ab / und verdinge mich zu dem Eusebio in Dienste.

CALLIDITAS.

Diese Rede war schon zu kleinmüthig / last uns die extremität erwarten / wir müssen einmal erfahren / ob Apollo so viel über uns gebiethen kan.

ANTIQVUS.

FÜNFFTE

HANDLUNG

ZODIACUS kömmt heraus und hat sein Horn.

E s ist zuviel / daß ich zugleich Hirte und Stundenruffer seyn muß: drum habe ich die Sache so weit gemittelt / das ich jtzo nur den Morgen abblase. In der Nacht / wen die Leute schlaffen / ist jhnen mit denn Stunden nicht viel gedienet: doch wie sieht der Himmel schon so helle ? Hui das ich zwey Stunden zu lange geschlaffen habel Ich muß zu der Sache thun. Er bläset ins Horn / hernach singet er. Der Tag vertreibt die finstere Nacht / Ihr Männer und Weiber seyd munter und wacht / Alle Dinge währen eine weile. NESCIO kömmt. ZODIACUS. NESCIO.

Nun die Arbeit wäre wieder verricht.

Guten Morgen Gevatter / blaset jhr den Tag erst aus?

E y was sol ich den T a g aus meinen finsteren Hörne blasen / er kömmt wol v o n sich selber.

ZODIACUS.

Ihr seyd vexierlich. Doch warum zerlästert jhr das schöne Lied / und singet: Alle Dinge währen eine weile.

NESCIO.

Siehe da Ehrwürdiger Hr. Bettelvoigt / bekümmert jhr euch um die Lieder: O last mich singen / habe ich doch eure Hundekarbatsche noch nicht getadelt.

ZODIACUS.

NESCIO.

Nun nun seyd nicht böse / es war gut gemeint.

Das jhr doch die Ursache wisset / so war ich v o r 26. Jahren zu Rumpeishausen Richter: in einen Jahre ward ich abgesetzt / und muste bey einen Schalmeyer den andern Discant blasen: Weiter kam ich auf Zippel-Opesitz / und ward auf dem Vorwerge Hofmeister: endlich solte ich zu Bettelsheim Bürgemeister werden / wenn wir nicht zu meinen Unglück hätten eine Glocke giessen lassen. Den da nur am Metall zehn Centner fehleten / so muste ich hieher auf Querlequitsch um Hirten-

ZODIACUS.

5

Komedia X

66

Bäurischer Machiavellus

Ampte: drum wen ich an meine vorige Ehre gedencke / so heist es freylich: Alle Dinge währen eine weile. NESCIO.

SO

gehts / je grösser Ehre / desto grössere Gefahr.

Ich habe nicht Zeit zuwarten: Mein Vieh leufft mir nicht so gehorsam nach / wie euch die Bettelleute. Geht ab.

ZODIACUS.

E S hat sich wol gehorsamt: Das Bettelvolck wird in den letzten Zeiten so böse / das ich mir alle Spenden und Austheilungen drey Tage vor meinem Leben wegzürnen muß. Geht ab.

NESCIO.

Ist die Welt nicht betrüglich! der Pickelherings Dienst ward mir versprochen / und ich habe michs allbereit ein ehrliches kosten lassen I Gleichwol habe ich nun einen Quarg in der andern Handt. Jemehr auch meine Gedancken mit sich selber zu Rathe gehen / destoweniger bin ich geschickt etwas zuerfinden.

CIACONI.

QUONIAM CIACONI. QUONIAM.

kömmt mit dem Korbe und mit dem Glockgen.

Was klingelt jhr? Hr. Geld oder Brodt.

CIACONI.

Mir fehlt beydes. Aber wem wirds gesamlet ?

QUONIAM.

Den armen Leuten / und etlichen bedienten.

Was vor Bedienten? Die armen Leute kriegen das Brod / und von dem Gelde hat die Hebamme / der Thorwärter und der Stundenruffer seine Besoldung. CIACONI. Da habt jhr doch was in die Büchse / aber klingelt mir auch eins zu Ehren.

CIACONI.

QUONIAM.

QUONIAM QUONIAM. CIACONI. QUONIAM.

klingelt.

Herr / das geschah jhm zu Ehren. Die Ehre gibt mir schlechten Trost in meinen Elende. Was hat der Hr. vor Elend?

Ihr könt mir doch nicht helffen. QUONIAM. Manchmal können auch gemeine Leute was gutes rathen. Last mich nur eure Anliegen wissen? Denn ob ich gleich jetzt ein Klingelman bin / so bin ich auff den Schuhbäncken auch

CIACONI.

Fünfte Handlung

67

Thürknecht / und wenn ich bißweilen auskehre / so steubt mir manche Weißheit in Halß / die unsere Herren verzettelt haben. Ich hatte von dem Hrn Landschöppen / ingleichen von dem Hrn Consulenten gewisse Vertröstung / das ich solte Pickelhering werden: Aber nun gehet mir alles zurücke / daß ich vor Hertzeleyd nicht weiß / was ich anfangen sol.

CIACONI.

Die lieben Hrn machen es also. Wer ein Narr ist und sperrt das Maul auff / der muß sich ein Säfftgen nach den andern lassen einstreichen / biß er das reissen im Leibe und einen ledigen Beutel zu Lohne hat. CIACONI. Mit dieser Klage wird mir nicht geholffen. QUONIAM.

Versucht es doch mit unsern Hrn Pachtman auf des Junckers Vorwerge / der solte dem Landschöppen und den Consulenten schon ein Höltzgen stecken.

QUONIAM.

E S möchte was helffen / wenn ich mit dem vornehmen Manne bekandt wäre. QUONIAM. Da ist leichte hinzukommen. Er ist ein trefflicher Liebhaber von Narrenpossen. Geht nur hin / und schwatzt jhm allerhand lose Händel vor / ich weiß / er behält euch bey Tische / und macht euch Pickelhering auff seinem Vorwerge.

CIACONI.

An Possen sol es nicht fehlen / wenn ich dadurch zu meiner Wolfarth gelangen kan.

CIACONI.

Aber jhr müst feine grobe Sau-zoten mit untermengen. Denn wer mit der Sauglocke nicht läuten kan / der hat sich in seinem Hause keiner Kanne Bier zugetrösten.

QUONIAM.

CIACONI.

Ich wil meinen Mann in diesem Stücke schon praesentiren.

Nun guten Tag. Viel Glücks zu euren garstigen Reden / das jhr ein schönes Aemtgen erwerbet. Gebet ab.

QUONIAM.

Sind das nicht possierliche Händel / daß ich mein Brodt mit garstigen Possen verdienen muß. Ja wol muß man alles versuchen / ehe man ein gewisses Ruhplatzgen antrifft / und ich werde auff gut Glücke ein paar Känchen Bier verschlucken / daß mir die losen Händel desto besser einfallen. Gebt ab.

CIACONI.

PACIFONTIUS. PACIFONTIUS.

wohnen? 5*

QUANTITAS.

Mein Kind / wird sie der Fr. Mutter Lehre bald ge-

68

Bäurischer Machiavellus

Die Mutter spricht ich sol euch lieb haben / und ich weiß nicht / was das vor ein Ding ist.

QUANTITAS.

PACIFONTIUS. Ich wil jhr alles mit kurtzen Worten geben. Sie muß jhr Hertze mit mir theilen. QUANTITAS. Warum nicht den Magen und die Plautze auch. Ich lasse mich nicht zuschneiden. Ein solcher Schnitt kan ohne Blut verrichtet werden: sie darff das Messer jhrer Höffligkeit brauchen / damit ist das Hertze getheilet.

PACIFONTIUS.

Im Hofe haben wir kein Messer / wir haben eine Mistgabel / und ein Grabscheidt / damit laß ich mein Hertze nicht entzwey stossen.

QUANTITAS.

Ich muß noch deutlicher reden. Sie sol mich mit Liebes-Augen werffen.

PACIFONTIUS.

QUANTITAS.

Ich dürfite 2. Augen wegschmeissen / so wäre ich

gar blind. PACIFONTIUS.

Mann kan die Augen wegwerffen und zugleich

behalten. Ich müste sie gewiß an einen Zwirnsfaden binden / das man sie könte zurücke ziehen.

QUANTITAS.

PACIFONTIUS. Meine treue Beständigkeit sol jhr an statt des Zwirnsfadens dienen. QUANTITAS.

Ich dachte an statt eines Strohseiles.

Ich bin recht Unglücklich / daß mich die Liebste nicht verstehen wil. Sie sol mich zu jhrem Diener annehmen.

PACIFONTIUS.

Wir haben Knechte genung. Und was wären denn solche Diener nütze? auf einen Mistwagen seyd jhr zu kurtz / und auff einen Karrn zu lang.

QUANTITAS.

S O wil ich recht offenhertzig heraus gehen. Ihr solt meine Haußwirthin werden.

PACIFONTIUS.

Baut doch zuvor ein Hauß / und fragt darnach / ob mirs besser gefällt als bey der Mutter.

QUANTITAS.

ZIRIBIZIRIBÖ PACIFONTIUS.

bringt

RISIBILIS

an der Hand geführt und singt ein Liedgen.

Was kömmt hier vor ein Paar spatzieret ?

Fiinflte Handlung ZIRIBIZIRIBÓ.

69

Serviteur mein Hr. wie steht es um ein gut Leben ?

Gar wol. Wer die Liebste an der Seite führt / der last sichs nicht übel gehen.

PACIFONTIUS.

Ich erfahre es an meinen Exempel. Wenn der Hr. so vergnügt ist als ich / so leben auff der Welt 2. vergnügte Personen.

ZIRIBIZIRIBÓ.

Ja / wo der Hr. seine Vergnügung nach dem Gewichte kriegt / so ist er um einen Centner glückseliger als wir.

RISIBILIS.

Höre doch mein Schatz / es verdreust die Jungfer / das sie nicht so dicke worden ist / wie du.

PACIFONTIUS.

RISIBILIS.

Ach nein / es verlohnte sich der Müh.

Jungfer jhr seyd etwas hönisch / und ich bins nicht gewohnt / das ich viel vertrage.

PACIFONTIUS.

Die Angstläuse werden gewiß dem Hrn im Futterhembde sitzen / daß er so unleidlich ist.

RISIBILIS.

Ich weiß nichts darvon / sie müste mir denn jetzund was zuschantzen.

PACIFONTIUS.

Ach Schade um unsers Scholtzens Tochter / das so ein Bauer bey jhr schlaffen sol.

RISIBILIS.

Schade um unsern Schulmeister / daß seine Tochter von den Zigäunern ist ausgetauschet worden.

PACIFONTIUS.

Du Quacksalber / siehstu mich nicht vor voll an / du darffst mir nicht viel / so räuff ich dir die Haare aus dem Kopffe.

RISIBILIS.

Du Hundefell / kom her / und vergreif! dich an den vornehmen Manne.

QUANTITAS.

Ey hört doch jhr Schultzens Magd / wenn euch die Reden verdriessen / so steigt auf die Schuhbäncke / und fallt mir von oben auf den Halß.

RISIBILIS.

Je du kleines Kofent Krügeigen ich wil dich mit einen Finger entzwey drücken.

QUANTITAS.

Du ungeschicktes Thier / geh und laß dir ein paar Reißen um den Leib legen / der Hencker möchte dich einmal vor ein Schrotfaß gebrauchen wollen.

RISIBILIS.

Bäurischer Machiavellus

70

Monsieur, last euer Jungfer stilschweigen / oder ich nehme mich meiner Liebsten an.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Du verlauffner Scherschlip / ich weiß wol / daß du dem vornehmen Manne da zu Schaden rumgehest. Es stünde dir besser an / du zögest auff den Märckten herum / und trügest Hecheln Ratten und Mäusepulver in die Häuser.

QUANTITAS.

Du ungeschickte Ratte / wo wolte ich eine Falle herkriegen / da so ein tolpisches Rabenaß drin Raum hätte.

ZIRIBIZIRIBÖ.

QUANTITAS.

seyn.

Was ? bin ich eine Ratte ? du magst wohl ein Schelme

Sie fallen über einander her / und schlagen einander.

kommen heraus gelauffen und bringen sie voneinander. SCIBILIS. Aliquid mali propter vicinum malum, das ist ein schön Collegen-Stückgen / daß die meinigen von euren Kindern lauter Ungelegenheit ausstehen müssen.

PURUS PUTUS

und

SCIBILIS

Wir müssen nach der Ursache fragen. Ihr bösen Kinder / was fangt jhr vor Händel an.

PURUS PUTUS.

Mein liebes Töchtergen ists nicht wahr / sie haben dir Ursache dazugeben. Hic est eqvus Trojanus, in dieser grossen Magd steckt viel böses. PACIFONTIUS. Hr. Consulent ich kan auch Lateinisch reden / Tua Pandora habet pyxin, an euer Tochter ist auch nicht viel guts. SCIBILIS.

SCIBILIS.

SUS

Minervatn. Wilstu mit einem Consulenten reden?

Ey wenn jhr euch mit euer erudition so viel wüsset / sagt mir doch was heist Titivillitium auff deutsch! Heist es nicht jrgend einen unnützen Consulenten, den man auff den Schubäncken wol entrathen könte? SCIBILIS. D U elender Kerle / laß dich mit so schweren Lateine unverwirret / sage mir was heist scarabei umbra? PACIFONTIUS.

E S heist eine Kühblume / damit ich dem Herren Consulenten sein Lateinisch Phrases Buch versiegeln wolte.

PACIFONTIUS.

Ihr lieben Kinder / verwirrt euch nicht mit dem Lumpenpacke / olim meminisse juvabit, ich wils jhnen wol gedencken. Dii laneos habent pedes, die Gelehrten können jhren Feinden eine Zeche borgen. Geht ab.

SCIBILIS.

71

Fünffte Handlung

Lumpen-Kerle / warum wartstu nicht / biß meine Schwiegermutter heraus kömmt ?

PACIFONTIUS. D U

Ihr lieben Kinder / gebt euch zufrieden / wir sind exemplarische Leute / es steht uns übel an / wenn andere ein böses exempel von uns nehmen.

PURUS PUTUS.

Gleichwol hat meine Liebste die Ohrfeigen davon

PACIFONTIUS.

kriegt.

Nun nun / gebt euch zu frieden / es ist schon gut / wir wollen auff Mittel dencken wie den bösen Leuten sol begegnet werden.

PURUS PUTUS.

Meine Mutter sol sich nicht lange bedencken / sie wird einmal dem Lumpichten Partitenmacher eine Mistgabel in den Peltz stechen / und wenn er drey Löcher davon bekommen solte.

QUANTITAS.

So geht nur von der Gasse weg / daß die Leute unser ärgerliches Gezäncke nicht gewahr werden.

PURUS PUTUS.

ACCUSATIVUS. VOCATIVUS.

CIACONI.

In Warheit ich habe gelacht / daß mir der Bauch zerbersten möchte.

ACCUSATIVUS.

Ich lasse den guten Menschen nicht / und wenn ich jhm freyen Tisch geben solte. Seyd jhr mit der condition zufrieden?

VOCATIVUS.

CIACONI.

Ich werde die heutigen Tractamenten keinmal ausschlagen.

Aber / ist keine bessere Gelegenheit vorhanden / da man den ehrlichen Kerlen könte zu dem Ehstande befördern.

ACCUSATIVUS.

Mein Hr. Verwalter es wäre wol etwas / der Pickelherings Dienst ist meines wissens noch vacant, wenn die Herren auf jhren Schuhbäncken die gemeine Wohlfarth nur etwan besser in acht nehmen wolten.

VOCATIVUS.

Da wollen wir bald Rath schaffen. Denn ich weiß daß sich kein Mensch besser schickt; Drum werden sie Schande halben einer untüchtigen Person kein Dienst verschreiben.

ACCUSATIVUS.

VOCATIVUS.

Aber die Herren haben etwas wunderliche Köpffe.

Und der Gericht Scholtze hat ein Murmelthier im Hause / das will er durch die Beförderung gerne loß werden.

CIACONI.

72

Bäurischer Machiavellus

E S hat gute wege: ich weiß ein Kunststücke darüber sie gar anders sollen pfeiffen lernen. Herr Pachtman er gehe nur mit seinen zukünftigen Tischpurschen hinein / ich will Gelegenheit suchen / daß ich die Hm Patres auff andre Gedancken bringe.

ACCUSATIVUS.

VOCATIVUS

und

CIACONI

geben ab.

Ich wolte man k[ö]nte die guten Leutgen an einen Orte beysammen antreffen: denn so verdrießlich meine Commission ist / welche der Juncker an sie ergehen last / so furchtsam werden sie meinen Vorschlag wegen des Pickelherings annehmen.

ACCUSATIVUS.

PURUS PUTUS. DURANDUS. PURUS PUTUS.

SCIBILIS.

Was geschrieben ist / das wird Niemand ümstossen.

Ach nein. Per tot discrimina rerum, es ist ein grosser Unterscheid / ob der Consulent was schreibt / oder ob ein ander was hinschmiert mit dem es heist Asinus ad lyram.

SCIBILIS.

Und es kömt eine Ursache darzu wegen der Music, die hätte sollen besser bedacht werden.

DURANDUS.

PURUS PUTUS.

Mein Eydam weicht nicht.

Des Hrn Consulenten sein Eydam ist auch kein Narr: kan euer Sohn einen Pantzer anziehen / so zeucht dieser einen Harnisch an. ACCUSATIVUS. Ihr Hrn was habt jhr vor ein freundlich Gespräch /es wird gewiß die Lands-Nothdurfft betreffen. DURANDUS.

Hr. Verwalter Hr. Amtman Hr. Gevatter / es ist nichts anders / als er sagt.

PURUS PUTUS.

SO komm ich recht zu gelegner Zeit: denn ich habe wegen meines Gestrengen Junckers etwas wichtiges vorzutragen. PURUS PUTUS. Hr. Consulent darauff müst jhr antworten.

ACCUSATIVUS.

Cum nemini obtrudi potest itur ad me. Wenn der GerichtScholtze nicht antworten kan / so kömt die Reihe an den Consulenten. Doch mein Hr. Verwalter Hr. Amtman wir wollen mit unterthänigen Gehorsam erwarten was wird vorgetragen werden.

SCIBILIS.

Ihr werdet wissen / daß die Gemeine zu Querlequitsch / vier grosse Wiesen vor der Kuttel-Pforte viel Jahr nach einander besessen hat / und daß mein Gestrenger Juncker

ACCUSATIVUS.

Fünfite Handlung

73

wegen eines darauf hafftenden Capitals Jährlich 12. Rthlr. davon hat empfangen sollen. Quasi k tripode dictum. Es ist wahr / wir 3. Leute hier bekennen es.

SCIBILIS.

Aber wie habt jhr auf euren Schuhbäncken Haußgehalten / daß die Zinsen über 12. Jahr nicht sind abgeführet worden.

ACCUSATIVUS.

Memoria hominum est labilis, der Hr. besinne sich nur / wir sind nicht ein Jahr schuldig.

SCIBILIS.

ACCUSATIVUS.

Ich finde nichts in meinen Büchern.

Perdite vixi, das rechte Blat wird aus dem Buche verlohren seyn.

SCIBILIS.

Wolt jhr des Junckers Archiv tadeln / und sollen seine Bücher nicht vollkommen seyn?

ACCUSATIVUS.

SCIBILIS.

Rerum testimonia adsunt, wir haben unsere Quittung.

Wenn ich die Quittungen sehe / so will ich mich weisen lassen / nur macht mir keine schlimme Possen / und bringt mir falsche Briefe.

ACCUSATIVUS.

Alienus a literis Wir haben keine Briefe: die Quittungen bestehen in Kerbhöltzern. Denn der vorige Pachtmann konte nicht schreiben / drum liessen wir auf Treu und Glauben die Kerbhöltzer an statt der Quittung passiren.

SCIBILIS.

Ihr Leute / damit sind wir nicht zufrieden / darüber hätte des gestrengen Junckers Meinung sollen vernommen werden. Schafft das Geld / oder eure Wiesen Acker Garten und Weinberge sollen confiscirt werden.

ACCUSATIVUS.

Der vorige Pachtman solls gestehen / daß unsere höltzerne Quittungen recht sind.

PURUS PUTUS.

Aber es wird bey mir beruhen / ob ich mit den Zeugnüß zufrieden bin. Wiewohl itzo muß ich was darzwischen reden: ich höre in euren Collegio gehen artige Stückgen vor wegen des zukünftigen Pickelherings: Drum hab ich von der Obrigkeit Befehl der Sache nachzuforschen / damit alles Unwesen zu guter Zeit möchte abgethan / und das liebe Vaterland vor aller bösen Nachrede befreyet werden.

ACCUSATIVUS.

Bäurischer Machiavellus

74 PURUS PÜTUS.

geschrieben.

Hr. Verwalter Hr. Amtman die Vocation ist schon

Aber wir haben sie noch nicht angenommen / der künfFtige Pickelhering muß musiciren können.

DURANDUS.

Ich weiche nicht / und wenn ichs thun wolte so würde meine Frau nicht zufrieden seyn.

PURUS PUTUS.

Eure Frau hat im Kühstalle zu thun / sie darff unser Collegium nicht reformiren.

DURANDUS.

Alterius non sit qui suus esse potest. Wer einen Schweinstall zuversorgen hat / der bekümmere sich nicht um andre Sachen. ACCUSATIVUS. Ey was will aus diesen Zancke werden? Hiermit soll euch im Nahmen der Obrigkeit aufferlegt seyn / daß jhr eure Clienten fahren lasst / und um besser Einigkeit willen des Hrn Pachtmans Tischpursche als einen Drittemann erwehlet. SCIBILIS.

PURUS PUTUS.

Hr. Gevatter unsre privilegia lauten anders.

Was hastu mir vorzuwerffen ? bin ich dein Gevatter / so bin ich deines Junckers Amtmann: und ich schwere dir / wirstu oder ein ander was dazwischen drehen / so soll euer Vieh auf der Weide nicht sicher seyn. Bedenckt euch wohl: wer seinen Kopffe folgen will / der mag sein Leiden davor haben. Geht ab.

ACCUSATIVUS.

PURUS PUTUS. SCIBILIS.

Ihr Hrn Collegen wie gefiel euch dieser Knall.

Vapulat peculium. Wir kommen üm unsre privilegia.

Wir dürffen uns nicht wiedersetzen / und gleichwohl ist die Nuß etwas hart. PURUS PUTUS. Ich weiß was wir thun: es wird uns Geld abgefodert das wir nicht schuldig seyn / so wollen wir sprechen die Casse vermöchte nicht so viel / daß wir einen Pickelhering besolden könten / und in währender Zeit solte einer aus unsern Collegio nach dem andern die Stelle vertreten.

DURANDUS.

Saepe etiam est olitor valde opportuna locutus, der Gericht-Scholtze bringet seinen Rath zu bequemer Zeit.

SCIBILIS.

Ich kans nicht verbessern / doch der punct muß dem gantzen Collegio vorgetragen werden.

DURANDUS.

PURUS PUTUS

und

SCIBILIS

gehen ab.

Fünfite Handlung

75

DURANDUS. ES ist mir bange bey meinen Schatzgräber / wo seine Beförderung zu nichte wird: denn wo er sieht / was der Verwalter vor Macht hat / so wird jhm der Patron besser gefallen. A l s o ists ein elend u n d J ä m m e r l i c h D i n g üm einen P o l i t i c u m . Geht ab. PURUS PUTUS. SUBSTANTIA.

PACIFONTIUS.

Ich wolte mich ja verantworten: der Kerl kan viel sprechen / wer weiß ob des Junckers Willen darbey ist.

SUBSTANTIA.

Ach ich elender Mensch / ich bin verdorben / 20. Rthir. wären mir lieber als dieser SchimpfF.

PACIFONTIUS.

Nicht so furchtsam nicht so furchtsam: ich gab den Vorschlag / einer üm den andern solte Pickelherings Stelle vertreten: aber last es nur dahin kommen / so wollen wir unsern Hrn Pacifontius in das Collegium nehmen / und jhm die Pickelherings Besoldung heimlich oder öffentlich zuschantzen.

PURUS PUTUS.

A n Gedancken und gespannten Tuche geht viel ab: ich muß einen bessern Weg versuchen. Der Hr. Verwalter ist gleichwohl mein Gevatter.

SUBSTANTIA.

PURUS PUTUS.

Das wird nichts helffen.

Hr. Sohn geht doch ein bißgen zu der Tochter hinein und seht was sie macht.

SUBSTANTIA.

PACIFONTIUS.

Gar gern Frau Mutter. Geht ab.

Der Kerl darf meinen Anschlag nicht wissen: denn seht der Verwalter wird sich schwerlich weisen lassen / und so müste unser Kind entweder sitzen bleiben / oder wir kriegten einen Müssiggänger ins Hauß / den wir ernehren müsten. Ich will hingehen und will bitten wenn des Pachtmanns Tischpursche ja solte Pickelhering werden / so möchten / sie doch meine Tochter mit eindingen.

SUBSTANTIA.

PURUS PUTUS.

SO

wurde aber der gute Pacifontius betrogen.

E S ist besser wir betriegen einen frembden Kerlen / als daß wir unsre Tochter verwahrlosen: last jhr mich nur machen es soll schon auf einen guten Ort / gebracht werden.

SUBSTANTIA.

Seht euch vor / leufft es auff einen SchimpfF hinaus / so will ich kein Theil haben. Geben ab.

PURUS PUTUS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

SCIBILIS.

76

Bäurischer Machiavellus

Ich wolte der Hencker holte die Heyrath / wenn ich so betrogen werde.

ZIRIBIZIRIBÖ.

SCIBILIS.

Connubia sunt fatualia, Das Glücke stifft die Heyrath.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Aber was kan ich hoffen als Unglück?

Perfer & obdura, Schweigt still und verlast euch au ff euren Schwiegervater.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

lassen.

Der Dienst ist verlohren / was sol ich mich ver-

Ich sage es noch einmal / Bella gerant fortes, tu Pari Semper ama, ich wil mich schon Zancken / kommt jhr mit euer Braut zu rechte.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

ES

wird mir sehr leichte gemacht / aber ich fürchte!

Veritas in puteo. Mein Anschlag ist noch verborgen. Sprecht der Consulente ist der leibhafftige Simplicissimus, wo euch jemand den Pickelherings-Dienst nehmen sol. Oderint, dum metuant. Der Gerichts-Scholtze mag böse werden / wenn jhr nur den Dienst habt.

SCIBILIS.

Ich wil mich bey der Nase rumführen lassen / biß das Amt vergeben ist. Geben ab.

ZIRIBIZIRIBÖ.

ACCUSATIVUS.

SUBSTANTIA.

Ey Hr. Verwalter / Hr. Amtman Herr Gevatter / jhr seyd so ein niedlicher Hr. thut mirs immer zu gefallen / und wenn ja des Hrn Pachtmans Tischgänger zu dem Dienste kommen sol / so dingt immer meine Tochter mit ein.

SUBSTANTIA.

Mein liebes Weibgen / die Bitte ist etwas nachdencklich. Wer weiß / ob die Personen einander begehren.

ACCUSATIVUS.

Hr. Gevatter / mit meiner Tochter sols kein bedencken haben / ich bin gut dafür Nun wird sich der andere Hr. auch nicht wehren / wenn jhm die Braut zu dem Dienste geschlagen wird. Ach mein liebes Hertzgen / wir haben ja wol eher einander ein bißgen lieb gehabt: solte denn die alte Bekandschafft nicht so viel werth seyn.

SUBSTANTIA.

Ich zweiffei nur dran / daß mir so ein schweres Werck möglich ist.

ACCUSATIVUS.

77

Fünfte Handlung

Solchen Herren ist alles möglich. Thut nur euer bestes: Ich wil auch euer Liebsten ein Ferckel und noch was von schönen Feder Vieh in die Küche Spendiren.

SUBSTANTIA.

ACCUSATIVUS

schlägt sie auff den Backen.

Du loses Weibgen / du kanst einem das Hertze brechen: geh doch hin / und sprich deine Tochter sol mit ein gedinget werden. Ach grossen Danck / Hochgeehrter Hr. Gevatter / er sol diese Wolthat um unsere Armuth stets zu gemessen haben.

SUBSTANTIA.

Alte Liebe rostet nicht. Was ich thue / das geschiehet in respect einer Sache / die euch besser bekant ist als dem Gerichts-Scholtzen. Gebt ab.

ACCUSATIVUS.

ist doch jungen Leuten nicht zu verdencken / wenn sie bißweilen mit jhren Courtisan ein Gängelgen gehen. Denn hätte mich der Hr. Verwalter nicht lieb gehabt / ey wie schöne wäre meine Tochter hinter dem Glücke hingangen.

SUBSTANTIA. E S

PACIFONTIUS PACIFONTIUS. QUANTITAS.

holen.

und

QUANTITAS

kommen.

Meine Gebieterin wolle mit in den Garten folgen. Was soll ich in dem Garten machen? Sol ich Petersilge

Nein. Sie sol mit mir umgehen wie eine Braut mit jhrem liebsten Bräutigam.

PACIFONTIUS.

Nun / jhr Hertzgen macht euch fein bekand / daß die Leute was zu reden kriegen.

SUBSTANTIA.

PACIFONTIUS.

Frau Mutter wir haben dieses gute Macht.

Wer hat euch die Macht gegeben? Tochter / gehe mir in das Hauß / und suche die Melckgelte davor.

SUBSTANTIA.

Ich bin wol zufrieden / wenn ich den Kerlen gar nicht kriegen solte. Geht ab.

QUANTITAS.

PACIFONTIUS.

Meine zusage wird mir gehalten werden.

Ach pralt nicht zuviel mit euer Zusage. Ihr solt wissen / daß die Sache noch gar in weiten Felde steht. Sagt vor / wie unser Kind sol ernehret werden: darnach geht öffentlich mit jhr spatzieren.

SUBSTANTIA.

Bäurischer Machiavellus

78

Ich sol ja Pickelhering werden.

PACIFONTIUS.

Ach / jhr elender Fantast / wäret jhr ein rechtschaffener Kerle / so müste euch die Frau nicht Zum Manne machen. O lernt vor was / und last das Weibernehmen noch 10. Jahr anstehen. Und hiermit wisset jhr meine Gedancken: Treffe ich euch bey der Tochter an / so wil ich keine ehrliche GerichtsScholtzin seyn / wo euch nicht ein alter Milchtopff nach dem Kopffe fliegen sol. Gebt ab.

SUBSTANTIA.

Die Welt ist betrüglich. Aber / wer weiß wer den andern den besten Vortheil abgewinnt. Der Gerichts-Scholtze hat mir etliche geheime Stückgen vertraut. Er hat auch auff die Leute prave geschmäht / wil er nicht verrathen werden / so wird es heissen / Hr. Gerichts-Scholtze bekehre dich / und halte mir die Zusage. Geht ab.

PACIFONTIUS.

PURUS PUTUS. DURANDUS. SCIBILIS. EXCIPE. PURUS PUTUS.

Ihr Herren eine schwere Sache.

Elementa in suo loco non gravitant. Auff den Schuhbäncken sol uns nichts zuschwer seyn.

SCIBILIS.

DURANDUS.

Wir wollen doch die Zeitung hören.

Der Officirer ist wiederkommen / dem die execution wegen der alten Reste auffgetragen ist.

PURUS PUTUS.

EXCIPB.

Schafft das Geld zusammen / so ist dem Wercke gerathen.

Meine Gedancken gehn etwas weiter. Der vornehme Officirer sol gleichwol im Nahmen unsers Collegii complimentiret und mit dem gewöhnlichen Bier und Brantewein regaliret werden. Wer führet nun das Wort / da kein Pickelhering fertig ist.

PURUS PUTUS.

E S ist wahr / dergleichen vornehme Leute dürffen nicht praeteriret werden.

DURANDUS.

Man müste die Complimente auff die grosse Höltzerne Bier-Kanne zwecken / es ist jhm doch am Geschencke am meisten gelegen.

EXCIPE.

So möchte der Officirer dencken / man fürchte sich vor jhm. Hat der Landschöppe nicht einen bessern Vorschlag ?

PURUS PUTUS.

Es gefiele mir mit dem Zettel / wenn er unter den Teller geleget würde.

DURANDUS.

Fünffte Handlung

79

Oder / er könte dem Bettelvogte an die Brust gehefftet werden.

EXCIPE.

Es geht nicht an. Wir müssen gewiß einen Pickelhering aus dem nechsten Marckflecken verschreiben.

PURUS PUTUS.

Niemand besinnt sich auff unsern Hm Consulenten, er wird ja so geschickt seyn / unser Collegium zu praesentiren.

DURANDUS.

Sieh da Hr. Consulente / die Verrichtung wird euch zufallen. Denn gleichwie der Wegevogt das Vieh austreiben muß wenn der Hirte kranck ist / also muß der Consulente die Rede führen / wenn kein Pickelhering gemacht ist.

PURUS PUTUS.

Non nobis nati sumus, sed patriae. Wer kan dem Vaterlande zu Ehren was versagen. Hodie michi, cras tibi. Heute rede ich / Morgen Pickelhering.

SCXBILIS.

PURUS PUTUS.

heist ja Mihi.

SCIBILIS.

Hr. Consulente warum sprecht jhr den Michi, es

Quis novus hic nostris ? Wer wil mich re[f]ormiren.

PURUS PUTUS.

Buchstabirt doch / em, i, mi, ha, i, hi,

Alia voce Psittacus, alia voce coturnix loquitur. Die Gelehrten reden anders als die Bauren. Buchstabiret doch em, i, mi, achl ha, ichi, Michi.

SCIBILIS.

PURUS PUTUS.

Ich lese wie es geschrieben steht.

Ich kan auch lesen. Aber Didicisse fideliter artes emollit mores, wer was ehrliches studirt, der kriegt eine weiche Zunge. Ich bleibe darbey / es heist Michi.

SCIBILIS.

PURUS PUTUS.

Mihi.

Ich richte mich nach dem Hr. Pater, der spricht auch

Patria est, ubi ben& est, Ich halt es mit dem Pater, wenn er etwas guts zufressen hat: des Lateines halben komme ich zu jhm nicht in die Schule. Ich spreche doch Michi.

SCIBILIS.

PURUS PUTUS.

Tichi.

So dürfft jhr auch nicht sprechen Tibi, sondern

Foenum habes in cornu. Ihr habt Heckerling im Gehirne. Inter B. & H. magna est differentia.

SCIBILIS.

Bäurischer Machiavellus

80

Ihr Hrn Collegen, wenn jhr von dem Lateine disputiren wolt / so seyd jhr auff den Schuhbäncken nichts nütze. Schafft uns einen Pickelhering davor.

DURANDUS.

Es ist schon decretiret, daß ich die Person / auff mich nehmen wil / und damit Holla I Schickt nur den Klingelman mit der Bier-Kanne und dem Branteweinglase zu mir. Caetera quis nescit? das übrige wil ich schon machen.

SCIBILIS.

Der Hr. Officirer ist etwas wunderlich / er nehme sich in Reden in acht.

PURUS PUTUS.

Turpe est Doctori, Es ist eine Schande / daß man den Meister selber eine Regel vorschreiben wil.

SCIBILIS.

DURANDUS.

Doch eine Erinnerung kan nicht schaden.

Si tu hic esses, aliter sentires. Hr. Landschöppe jhr last euch nicht gerne reformiren. EXCIPE. Ich habe nichts dabey zuerinnern / als daß ich jhm zu der schweren expedition viel Glück und Segen wünsche. SCIBILIS.

SCIBILIS.

A jove principium, Der letzte wünscht mir erst Gelücke.

PURUS PUTUS.

turbiren.

Nun er lasse sich in seinen meditationibus nicht Gehen ab.

Meine Collegen seyn prave Leute / wo gefährliche expeditiones seyn / da muß ich hin. Aber mit jhnen heist es: Ante focum si frigus erit, si messis in umbra. Um Essens Zeit kommen sie / und wenn sie Arbeiten sollen kriechen sie in den Winckel. Doch die Commission wil ich nicht umsonst auff mich genommen haben. Es ist gut das der Hr. Wegevogt herkömmt.

SCIBILIS.

EXTRA

kömmt.

Hört guter Freund / jhr geht gleich bey dem Hrn. Gerichts-Scholtzen vorüber / wolt jhr nicht was bestellen?

SCIBILIS.

Wenn es nur das publicum betrifft / so muß ich mir Zeit nehmen.

EXTRA.

Sie werden mir darnach die grosse höltzerne Kanne voll Bier schicken; sagt doch / der Hr. Gerichts Scholtze sol das gemeine Siegel drauff drücken lassen.

SCIBILIS.

EXTRA.

Was sol denn das Siegel auff der Kanne ?

Fünfte Handlung

81

Die Commission kömmt mir nicht zu / ich thue sie nur aus freyen willen. E X T R A . Deswegen braucht man doch kein Siegel. SCIBILIS.

Wenn ein ordentlicher Pickelhering ist / so hat er drauff geschworen / und da weiß man wohl / daß er nichts aus der Kanne sauffen darf; Aber ich könte mit guten Gewissen halb Wasser darunter schütten; Drum last die Kanne verwahren.

SCIBILIS.

Jetzund nehme ich den Handel erst recht ein. Ich wil es erinnern. Gebet ab.

EXTRA.

Hasa; so muß man seine Person spielen. A cane non magno saepe tenetur aper. Das heist / der Wegevogt muß den Gerichts-Scholtzen betriegen. Halt / druckt mir nur das Siegel auff die Kanne / es sol meinem Eydam so gut seyn / als eine vocation zum Pickelherings Dienste.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ

kömmt.

Ach Hr. Vater / quält mich nicht. Sol ich nichts werden / so sagt mirs nur in Zeiten. In portu navigo. Die Sache ist ausgemacht. Gehet flugs in mein Hauß / da hat der vorige Pickelhering seinen ornat auffgehoben / denselben ziehet an / und praesentiret dem Hrn Officirer das Geschenck.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

warte.

Was hab ich davon / das ich andern Leuten auff-

Tua res agitur paries cum proximus ardet. Ach es geht euch gar zuviel an / wenn euer Competitor das Jawort weghat. Drum zieht nur das Kleidt an / ich habe auff die Kanne das gemeine Siegel drücken lassen / damit müst jhr Pickelhering seyn / oder der Officirer nehme es vor einen solchen Schimpff an / darüber er die Schuhbäncke mit den Herren über einen Hauffen würffe.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Wenn aber das Unglück über mich ausgienge?

Procul ä fulmine, Es hat keine Gefahr. Ich wil schon darzu kommen / und die Sache in das gevierdte bringen.

SCIBILIS.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Darauff wil ich eins wagen. Geben ab.

6

Komedia X

82

Bäurischer Machiavellus PACIFONTIUS.

CIACONI.

Warum thut mir aber der Hr. diesen Possen / und verhindert mich an meiner Wolfart?

PACIFONTIUS.

Ein jedweder denckt auff sich. Wenn meine Liebste 2. Männer / oder mein zukünftig Dienst 2. Personen erleyden könte / so wolte ich den Hrn versichern / daß ich meine Freude an seiner Wolfart sehen würde.

CIACONI.

Ich bin gleichwohl eher kommen / und habe viel Unkosten auffgewandt.

PACIFONTIUS.

Da kan ich nicht davor. Ich begehre nicht zu sagen / was mich der Dienst kosten wird. Denn er gibt mir nichts wieder.

CIACONI.

PACIFONTIUS.

Der Hr. könte wol sonst in der Welt fortkommen.

Je hat doch der Hr. auch an seinem Glücke nicht zu verzweifeln. Vielleicht wird er mirs einmal dancken / das ich Ursache gewesen bin / eine bessere Beförderung zu suchen.

CIACONI.

PACIFONTIUS. CIACONI.

wol.

Mein Gemüthe stehet aber nach diesem Orte.

Und mir bekömmt die Lufft zu Qverlequitsch auch gar

E r sehe nur / wie ich mich abgegrämet habe. Ich wolte nicht gerne / daß er an meinem Tode Ursache wäre.

PACIFONTIUS.

Er lebe gesund. Denn was hätte ich von seinem Tode / es wären doch nähere Freunde da / die sich in seinen Mantel und in seine Beinkrausen theileten.

CIACONI.

PACIFONTIUS.

ES

ist kein Mideiden mehr in der Welt.

Ich sol mit jhm klagen / daß er den Dienst nicht kriegt / und er wil sich nicht mit mir erfreuen / das ich die Braut nach Hause führe. Wer sich meines Glückes nicht theilhafftig macht / der mag meinetwegen auch alleine traurig sein.

CIACONI.

Ey er lasse sich doch bewegen / ich wil ihm gerne 20. Thlr. über Haupt spendiren / wenn er mich wil in possession lassen.

PACIFONTIUS.

Er gebe mir das Geld / darnach wil ich jhm die 2 0 . Rthlr. wiedergeben / daß er mich bey dem Dienste bleiben läst.

CIACONI.

Fünflte Handlung

83

Ey der Hr. thue es doch meiner alten Mutter zu Gefallen / daß sie auch vor jhrem Ende eine Freude noch an mir erlebt. CIACONI. Ich wolte es gerne thun / wenn ich meinen Patron erzürnen dürffte / es würde mir schlechte Beförderung geben / wenn ich die itzige Gnade mit Füssen getreten hätte. PACIFONTIUS.

PACIFONTIUS. CIACONI.

Ist also nichts zu erlangen?

Ich habe nichts zu verschencken.

PACIFONTIUS.

Ach Unglück über Unglück I Gebet ab.

Das war noch ein alberner Kerl / daß er mich zu solchen possierlichen Händeln bereden wolte. Ach nein / die Gelegenheiten sind Heutiges Tages gar dünne gesäet; Wer etwas in die Hände bekömmt / ach der greiffe nur feste zu.

CIACONI.

RISIBILIS

kömmt.

Wo wilstu zugreiffen / du Dieb ? du wilst meinen Liebsten um seine Wolfart bringen / und nu wilstu (halt ich) gar die Schuhbäncke ersteigen. Jungfer / der Kerl ist gleich weggegangen mit dem sie sich zancken wil.

CIACONI.

RISIBILIS.

fänger.

Ach nein / er ist noch da / ich meine dich / du Ratten-

Gewiß / die Jungfer kömmt unrecht an / ich wolte sie wäre eine Ratte / sie solte Brieff und Siegel drüber haben / daß ich jhrentwegen keine Falle auffstellen würde.

CIACONI.

Aber ich wolte / daß du in der Falle bey dem Rabensteine hangen bliebest. CIACONI. Ich wil die Jungfer an demselben Orte nicht verdringen.

RISIBILIS.

Wer weiß / wo du dem Galgen entlauffen bist / und nun sollen dir alle ehrliche Hochzeiten und Kindtauffen vertrauet werden. CIACONI. Jungfr. wil sie dem Galgen nicht entlauffen / so bleibe sie dran kleben.

RISIBILIS.

Ich schone meiner / sonst wolt ich dir ein halbschock Maulschellen nach einander geben / biß dir die Gusche aufflieffe wie ein Butterfaß.

RISIBILIS.



84

Bäurischer Machiavellus

Sie sag es doch dem Kerlen dems angehet / was hab ich davon / das ich jhrer lose Worte halben sol Zeuge seyn?

CIACONI.

Packe dich aus unsern Flecken / so darffstu meine losen Worte nicht hören.

RISIBILIS.

CIACONI.

Ich weiß ein gut Mittel vor die losen Worte.

Er kriegt seine Zitier / Risibilis mirfftjbm allerhand häßliche Nahmen an den Halß / jemehr sie aber schreyet / desto schärffer schlägt er die Ziffer und singet rvas lächerliches mit ein. D U Hund / du bist doch gar des Henckers / ich wil dich nicht so gut achten / das du mich weiter hören solst. Geht ab.

RISIBILIS.

CIACONI

singet in die Zitterl

Tausendmal tausendmal fröliche Stunden / Ein böses Weib ist überwunden. Denn diese lustige niedliche Zitter Bewahrt den Herren Hochzeit-Bitter Vor aller Weiber Ungewitter. So werden die Jungfern revengiret Wenn mann dargegen musiciret. Spielt eine Jungfer auff jhren Brumeysen / So kan ich meine Zitter weisen. Darüber ist die Noth verschwunden / Und der ehrliche Ciaconi hat des Schulmeisters Tochter überwunden. Der letzte Vers hatte zu viel Füsse / aber die gute Jungfer hatte auch etliche Sparren zu viel / und dieses wird ein artigs Stückgen vor den Hrn Pachtman seyn. Geht ab. F R E C E C E R A X und FRECECERAX.

ACICULUS.

Sol mir ein kahles Kleid nicht getrauet werden ?

Ihr Gnaden / ich wil es gerne thun / aber wo sol ich die Bezahlung herkriegen?

ACICULUS.

Ich liege auff execution hier / und ich gehe nicht von dannen / biß mir 78 fl. ausgezahlet sind / davon wird ja so viel abtrieffen / das man ein paar Lumpen davor zusammen flicken kan.

FRECECERAX.

Ihr Gnaden / ich zweiffle nicht an jhren Mitteln / aber Sie haben gar zu viel zu thun / daß man sie nicht erinnern kan.

ACICULUS.

Fünflte Handlung

85

Mache mir den Kopff nicht warm / wilstu nicht mit der Schere / so wil ich mit dem Prügel. Du solst wissen / das ich Commendant in Qverlequitsch bin / so lange ich auff execution da liege.

FRECECERAX.

ACICULUS.

Ich armer Mann I

Bistu arm / und wilst nicht arbeiten. Ach es ist eine Schande / daß die armen Leute kein Geld verdienen wollen. Ich rathe dirs / bringe mir Morgen um den Mittag das Kleid / oder ich schicke dir zwey Soldaten über den Halß / die sollen dich exequiren, das weder Ofen noch Fenster im Hause sollen gantz bleiben.

FRECECERAX.

ZIRIBIZIRIBÖ

in Pickelherings Habite, mit einer Kanne Brantewein / mit der hölt^ernen Bier-Kanne.

QUONIAM

Hoch und Wol Mannvester und zu gegenwertiger execution in Querlequitsch wolverordneter Hr. Gefreyeter.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Er schweigt still und besinnt sieb. Redet weiter fort / jhr dürfft vor meiner Person nicht erschrecken / ehrliche Leute sind mir gar angenehm.

FRECECERAX.

Er verzeih mir Hr. Gefreyter / unser Hr. Consulente hat mir eine Rede vorgeschrieben / da ist so viel Lateinisch drinne / ich kan sie nicht behalten: Doch der Innhalt ist etwan dieser. Der Hr. Gerichts-Scholtze nebenst seinen Hrn. Collegen erfreut sich des Hrn. Glücklicher Ankunfft / und schickt jhm hier das Geschencke an Bier und Brantewein.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Ich habe die Personen am allerliebsten / die bey langen Geschencken kurtze Worte machen. Drum bedancke ich mich auch kürtzlich vor das Geschencke / und wil meine execution dahin einrichten / das die sämtlichen Hrn mein gutes Gemüthe daraus erkennen sollen. Komt mit herein / und helfft es auff Gesundheit verzehren. Aber wer kömt hier?

FRECECERAX.

SCIBILIS

kömmt.

ist der Hr. Consulente.

ZIRIBIZIRIBÖ.

ES

FRECECERAX.

Er wird etwas anzubringen haben.

Locus tituli, mein Hr. Gefreyter / es haben die meisten aus unsern Collegio gern verstanden / daß derselbe jhren neuen Pickelhering so gern angenommen habe: sie können aber nicht

SCIBILIS.

86

Bäurischer Machiavellus

verschweigen / daß etliche unruhige Köpffe / den Pickelhering nicht wollen passiren lassen. Weil sie nun leichtlich dencken können / wie schimpfflich dem Hrn Gefreyeten dieses Werck solte vorkommen / wenn er durch einen unrechten Pickelhering wäre complimentiret worden; Als bitten sie / der Hr. Gefreyte wolle nur das Siegel auff der Kanne betrachten / und wolle die andern Meutmacher ernstlich zurücke weisen / wenn sie den ehrlichen Pickelhering in seiner ersten function turbiren wollen. Ich erkenne das Siegel / und ich wil es keinem rathen / der was anders dargegen vornehmen wolte. Ehe muß der gantze Flecken Querlequitsch zu Grunde gehen / ehe ich wil den Nahmen haben / daß mich kein rechter Pickelhering complimentiret hätte.

FRECECERAX.

Geben ab. PURUS PUTUS. DURANDUS.

CIACONI.

Ihr Hrn. jhr habt es in Gegenwart des Hrn. Amtmannes einmal versprochen, und ich wil bey meiner vocation geschutzet seyn. Der leichfertige Vogel hat sich mit Gewalt eingedrungen / ich wil sehen / ob Recht und Gerechtigkeit in diesem Flecken gehandhabet wird.

CIACONI.

Lieber Freund / wir sind in ignorante probabilitate. Hat der Consulente was angefangen / so mag ers verantworten.

PURUS PUTUS.

Deswegen seyd jhr da / daß jhr mich schützen solt: ich weiche nicht von dannen / biß ich meiner Sachen gewiß bin.

CIACONI.

Wir wollen das gantze Collegium zusammen beruffen / und bey dem Hrn Officirer protestiren. Denn wolten wir gleich den Hrn Amtmann darzu gebrauchen / so ist er nicht da / und wer weiß / was anderswo zuverrichten ist.

DURANDUS.

Ich frage nicht darnach / was jhr thun wollet. Bringt jhr nur die Sache dahin / daß ich bey meinem Rechte bleibe. Denn dieses mögt jhr euch wol einbilden / das ich einen erschröcklichen process führen werde / der manchen von Hauß und Hoff bringen solte.

CIACONI.

N U nu Hr. College komt nur fort / wir müssen in rechten Processe dem Hrn Officirer zusprechen.

DURANDUS.

Gehen ab.

87

Fünffte Handlung

Ach hätte ich 20. Rthlr. genommen / denn ich sehe wohl / wenn man den Consulenten am besten betrogen hat / so ist in seinem Kopffe schon was anders fertig / damit er die Leute bezahlet. Aber ich wil hören / was mein Tischwirth dazuspricht. Gehet ab.

CIACONI.

PURUS PUTUS. D U R A N D U S . E X C I P E . V A D E M E C U S . I N T R A . A D J E C T I V U S . NESCIO.

geben alle Gliederweise nacheinander /

QUONIAM

hinten nach.

Thür-Knecht geht hinein / und meldet ein Hochlöbliches Collegium der Gemeine zu Querlequitsch bey dem Hrn Officirer an.

PURUS PUTUS.

Ich sehe / wenn der Hr. Consulente nicht da ist / so muß der Klingelman den Vortrag thun. Gebt hinein.

QUONIAM.

Das Blätgen wird sich bald wenden / und es kan leicht kommen / so wollen wir den Consulenten absetzen.

PURUS PUTUS.

Wenn er uns betrügen wil / so ist er nicht viel nütze. Er hat gleichwol eine ehrliche Besoldung / die manchen unter uns könte zum Biergelde geschlagen werden.

DURANDUS.

Unser Thür-Knecht bleibt lange aussen / er hält gewiß eine lange Rede.

EXCIPE.

VADEMECUS.

Er wird sich zuvor schencken lassen.

Oder der Consulente liegt mit dem Soldaten unter einer Decke / daß er nicht vorgelassen wird.

EXTRA.

Hat er nicht die Glocke bey sich / darff et nicht reden / so mag er klingeln.

INTRA.

ADJECTIVUS.

Vielleicht wird der Consulent um schön Wetter

bitten. Das haben wir davon / daß wir keinen aus unsern Mittel abgeordnet haben.

NESCIO.

FRECECERAX

kämmt heraus.

Ihr verfluchten Bestien, meint jhr daß ein vornehmer Officirer deßwegen auff execution geschickt ist / daß er sich von solchen Holuncken sol schimpffen lassen? davor sol euch Schwefel und Pech auff die vermaledeyten Köpffe regnen. Hr. Landschöppe führt jhr doch das Wort / ich wil gerne hinden an treten.

P U R U S PUTUS.

Bäurischer Machiavellus

88

Nun / was ist den die Ursache / daß ich mich von der lustigen Compagnie sol verstören lassen.

FRECECERAX.

Hr Einnehmer / jhr habt mit den Exequirern mehr zu thun / sagt doch was. Meine Stelle ist hinter dem GerichtsScholtzen.

DURANDUS.

Wie lange sol ich warten / jhr Hunde / dieses sol gewiß der andere Schimpff seyn ?

FRECECERAX.

Wer die meiste Besoldung kriegt / der mag reden. Hastu den Genieß / so hab auch den Verdrieß.

INTRA.

Was murmeln die stummen Hunde? ich halte sie wollen mir zur Bravade der heimlichen Frage spielen. Saget her / warum dieser weitleufftige Process biß an meine Haußthüre ist angestellet worden / oder ich wil meiner Gewalt mißbrauchen.

FRECECERAX.

Er ergreifft

NESCIO

beym Ermel.

Höre Kerls / warum bin ich herausgeruffen worden? Ich weiß nicht / was der Hr. Gerichts-Scholtze vorbringen wil. Ihr Gnaden lassen jhn nur selber Antworten.

NESCIO.

FRECECERAX. NESCIO.

Hastu in deinen Nahmen nichts zu proponiren?

Nein / ich lebe g a r u n v e r w o r r e n .

FRECECERAX. VADEMECUS.

So packe dich zum St. Velten davon. Je wir werden wol auch gehen.

Warum wilstu gehen / ehe ichs befehle ? Hastu mich nicht gefragt wie du bist herkommen / so magstu mich fragen / wenn du wilst weggehen.

FRECECERAX.

VADEMECUS.

Der Hr. Landschöppe hat mich bestalt.

FRECECERAX. SO

komt doch her / und last euer Anbringen hören.

PURUS PUTUS.

Gnädiger Hr. Gefreyter / wir wolten nur gedencken —

FRECECERAX.

Was wolt jhr gedencken?

Wir wolten etwan so gedencken / wie es jrgend seyn möchte Ach Hr. Einnehmer last mich nicht in der Noth stecken / ich weiß gewiß nicht / was ich reden sol.

PURUS PUTUS.

FRECECERAX.

Was hat der Einnehmer gethan?

Fünffte Handlung

89

Nun wollens die Hrn auff mich schieben. Ich wil es doch gleich heraus sagen / sie wollen den Pickelhering nicht passiren lassen / der das Geschencke überbracht hat / und da hatte der Gerichts-Scholtze ein groß Maul wie er processiren wolte.

INTRA.

D U elender Schmutzbart / wilstu wieder mich protestiren ? Wer hat das Gemeine Siegel in der Verwahrung ?

FRECECERAX. INTRA.

Hr. der Gerichts-Scholtze.

Hastu nicht die Bierkanne mit dem Siegel bezeichnet / und sind dieses nicht Uhrkunden genung / daß der Pickelhering ordentlich angenommen ist. Ich schwere euch / wird einer wieder diesen Pickelhering protestiren, so wil ich wei[s]en / was ich vor ein Commendante zu Qverlequitsch bin. Geht ab.

FRECECERAX.

PÜRUS PUTUS. DURANDUS.

Ach der Consulente hat uns betrogen.

Man druckt auch das Siegel auff die Bierkannen.

PURUS PUTUS.

Nach geschehenen Sachen sind wir alle klüger.

Aber nun hat das Vaterland jhrem Gerichts-Scholtzen alles zu dancken.

DURANDUS.

Wenn die Aemter um der Weiber oder um der Geschencke willen vergeben werden / so nimt es einen solchen Außgang.

EXCIPE.

Last nur den Hrn Gefreyten aufT die Schuhbäncke kommen / da haben die Hrn ja allezeit ein lose Maul. Sie haben gewiß die grobe Sprache hinter den Fensterladen versteckt / daß sie auff der Gasse nicht beregnen sol.

VADEMECUS.

Ich wil wol zu Rechte kommen. Ich bin Wegevogt. Wil es nicht anders / so laß ich die Soldaten über die Wiesen marchiren, damit sind wir Freunde.

EXTRA.

Und der Einnehmer wird auch sehen / daß er den Halß aus der Schlinge zeucht.

INTRA.

Bleib ich nur heute ungevexirt / Morgen ist mir nicht leyd / d e n n da w e r d e ich g e w i ß k r a n c k seyn.

ADJECTIVUS.

Und ich verstecke mich unter die Bettel-Leute / so hab ich ein Privilegium wieder die Soldaten. QUONIAM. Wenn es auff den Schuhbäncken was zu verdienen gibt / so bin ich ein Thür-Knecht. Aber wo sich unser Hrn sollen in die Ohrfeigen theilen / da bin ich ein Klingelman.

NESCIO.

Er klingelt und geht ah.

Bäurischer Machiavellus

90 PURUS PUTUS.

So werd ich von allen meinen Collegen verlassen.

Der Consulent hat uns in das Unglück gebracht / er muß uns wieder raußhelffen.

DURANDUS.

PURUS PUTUS.

Ja / wer wil jhn aus dem Hause ruffen ?

Da kömt gleich der Hr. Pater, der mag die Sache vortragen / wo er wil.

DURANDUS.

JUNIPERUS

kömmt.

Was haben die Herren hier zu thun? Hr. Pater, der Gefreyte / der exequiren sol / fängt Händel mit uns an / und der Hr Consulente läst sich wieder uns gebrauchen; Ach wenn sich iemand ins Mittel schlagen wolte.

NESCIO.

Ich bin des Hrn Officirers guter Freund / als ich FeldPrediger war / diente er bey meinem Obersten vor einen Lacquayen. Ich weiß er wird sich gewinnen lassen. Der Hr. Pachtman wird auch zu uns kommen / und da sol euer schon am besten gedacht werden. Geht nur nach Hause / und haltet euch parat, wenn nach euch geschicket wird; Es gibt schlechten respect vor der Gemeine / wenn jhr so schimpflich auffwarten sollet.

JUNIPERUS.

Sie geben ab. SCIBILIS

körnt.

Charitas incipit ä se ipso Ich muß meinen Schwieger Sohn eher helffen / als ich an andre Leute gedencke: aber der Hr. Pater, hätte bald gar zu viel von dem Friede gepredigt: Drum muß ich den Hrn Pachtman hier aufpassen / ehe er in die Compagnie kömmt / sonst möchten meine Consilia pro hic & nunc in die Pültze gehen. VOCATIVUS

kömmt.

Siehe da Hr. Consulent geht er hier spatzieren? ich hätte die Boßheit mit keinem Knebel-Spiesse in jhm gesucht: was hab ich jhm und den Seinigen zu leide gethan / das er meinen Clienten so liederlich hinter das Licht führet? Hr. Pachtman Factum Jnfectumfierinequit, zu geschehenen Sachen soll man das beste reden.

SCIBILIS.

VOCATIVUS.

Hoc fecit nequam Ich muß das schlimste davon reden.

Fünfite Handlung

91

Iliacos intra muros peccatur & extra, Es ist auf beyden theilen mit Kräutern zugegangen. Beati pacifici, wir thun am besten / wenn wir uns vergleichen.

SCIBILIS.

VOCATIVUS.

Ein schöner vergleich da ich alles soll fahren lassen.

Proximus egomet mihi. Die Tochter ist mir näher als jhm der Tischgänger.

SCIBILIS.

Dadurch bin ich nicht gezwungen einen schimpflichen Vergleich einzugehn.

VOCATIVUS.

Amicitia mater oblivionis, wir wollen alles auff die Seite stellen / er helffe nur dazu daß mein Schwieger Sohn Pickelhering bleibt / ich weiß einen bessern Dienst / da sein Schwieger Sohn kan accommodiret werden.

SCIBILIS.

wundert mich warum euer Scherschlip denn bessern Dienst nicht annimt.

VOCATIVUS. E S

In magnis voluisse sat est, Es ist genung das er was höhers verdienet: es wäre mir ein sonderlichs Hauß-Creutze / wenn meine eintzige Tochter gar zu weit weggeführet würde. Denn ich kan keinen Augenblick aus Querleqvitsch bleiben. Diaeta diaetam parit & filia devorat matrem, eine Sorge kömt aus der andern / und eine Sorge verhindert die andere.

SCIBILIS.

Er lasse mich doch hören wo das vornehme Amt zu erwarten ist.

VOCATIVUS.

Ein Dorff heist Oriens das ander Occidens, da sind viel Herrliche Dienste zu vergeben.

SCIBILIS.

SO so / wollen wir mit ein ander dahin / ich kan auch einen Gelehrten im spitzigen Hute die Spitze dagegen bitten. Gebt ab.

VOCATIVUS.

Inter Sacrum & Saxum, nun steck ich zwischen den Gericht Scholtzen und Pachtmanne / doch omnia conando, wer nachdenckt der last sich nicht betriegen. Geht ab.

SCIBILIS.

P U R U S PUTUS

PURUS PUTUS.

mit allen seinen Collegen kömt auff die Schuhbäncke und nimt Session. JUNIPERUS folgt hernacb. Thürknecht bringe dem Hrn Pater einen Stuhl. JUNIPERUS

set^t sieb.

92

Bäurischer Machiavellus

Lieben Freunde ich habe bey dem Hrn Officirer das meinige gethan und es ist jhm leid / daß jhr seinen Schertz etwas ungleich empfunden habt / er erkläret sich durch mich / daß dem löblichen Collegio allhier durchaus kein verdrießlicher Eintrag geschehen soll: nur dieses will er sich reserviret haben / daß jhm zu Schimpffe kein ander Pickelhering soll erwehlet werden. SCIBILIS

und

ZIRIBIZIRIBÖ

körnt.

Ja ja ich habe mit dem Hrn Officirer einerley Gedancken / hier ist der Candidatus welcher von dem Hrn Officirer recommendiret wird. Er setzt sieh.

SCIBILIS.

PÜRUS PUTUS. VOCATIVUS

Wir müssen zufrieden seyn.

und CIACONI kommen

/ PACIFONTIUS

bleibt auf der Seite stebn.

Was? zufrieden seyn? Darin wird der alten Parol nicht nachgelebet.

VOCATIVUS.

PURUS PUTUS.

Hr. Gevatter ich habe nicht gewust / daß der Hr.

VOCATIVUS. E S

ist ein alt Sprichwort: Absentia, praesentia, pestilen-

da ist. tia.

Ich fodre Satisfaction vor meinen Schimpf / mir ist gleichwohl das Amt versprochen worden / und nun steh ich mit der garstigen Hand / daß ich vor Angst einen aus euren Mittel ermorden möchte.

CIACONI.

Res pessimi exempli, So darff man auf den Schuhbäncken nicht reden.

SCIBILIS.

Ich frage / wolt jhr euch zur Satisfaction verstehen vor den Schimpff / oder wolt jhr zu einen höhern Richter mit mir tantzen.

CIACONI.

Quae supra nos nihil ad nos. Ach bleibt mit einen höhern Richter unverworren: wir wollen uns vergleichen. Der Hr. Pater weiß / daß in den Kloster der Verwalter abdancken will; wenn sich Hr. Ciaconi darzu wolte gebrauchen lassen / so ist kein zweiffei / der gegenwertige Tausch würde jhm nicht gereuen.

SCIBILIS.

Ihr Hrn der Vorschlag ist sehr köstlich ausgesonnen / aber ich fürchte / es wird ein Knack darbey seyn.

JUNIPERUS.

Fünffte Handlung

93

Omne tulit punctum. Mann muß den Knack auf die Seite räumen.

SCIBILIS.

J UNIPERUS. Der gute Mensch hat sich mit des Hrn Gericht-Scholtzens Tochter verlobet / wer aber ein Kloster Verwalter bey uns werden will / der muß eine Jungfer freyen nach unsern Willen. P U R U S PUTUS.

Also wird aus dem Vorschlage nichts.

Canis redit ad vomitum, last den jetzigen Liebsten fahren und greifft nach dem ersten. Habet, sua castra cupido, die Liebe hat keine beständige Wohnung.

SCIBILIS.

Wenn dieser Vorschlag fortgeht / so soll Hr. Ciaconi in unsern Kloster Bestallung haben.

JUNIPERUS.

Es ist ein geringes Ding / daß meine Tochter einen Mann bekömt / ich muß zuvor wissen / wie der Mann die Frau ernähren soll.

PURUS PUTUS.

Hic opus hoc labor est, denckt nur nach / es wird sich wohl geben.

SCIBILIS.

P U R U S PUTUS.

Ihr Hrn Collegen wisset jhr was?

Es wäre von nöthen / das wir einen Inspector über die Wetterhähne hätten / denn auf manchen Häusern stehn sie mächtig krum / und also wird ein ehrlicher Mann offt betrogen / wenn der Wetterhahn auff die kalte Seite weist / so geht der Wind aus einen warmen Loche. Allein die Wetterhähne sind hier meistentheils von Bleche / es wurde wenig davon abzuschaben seyn.

DURANDUS.

Wir bedürffen einen guten Kerlen / der des Sommers die Untergerichte im Korne exercirte: aber ich weiß auch nicht wo die Besoldung solte herkommen.

EXCIPE.

VADEMECUS. Wir müssen einen Stempel auf die Bierzapfen drücken / und 6. gr. davon fodern / bey Straffe / daß ein gantzes Faß solte verfallen seyn / welches dergleichen Zapfen nicht hätte. E S wäre gut / wenn ein Inspector über die Stadtmauer gesetzt wurde / der oben die Käfer und unten die Gänse wegjagete: Denn wo dergleichen Ungeziefer überhand nimt / so geht unser Fortification zu Grunde: aber der punctus wegen der Besoldung würde gar schwerlich zu heben seyn: Es wäre denn Sache / daß die Gänse dem Hrn Einseher als ein Accidens gegönnet würden.

EXTRA.

94

Bäurischer Machiavellus

Ich bedürfte in meinem Amte einen treuen Gehülffen / der mir die unterschiednen Sorten von G[e]lde in gewisse Fächer abzehlte / daß mir darnach die Rechnung nicht zu sauer würde / und könte man etwan 18. Pf. von 100. vor die Müh Besoldung geben.

INTRA.

E S wäre einmahl Zeit / daß wir unser Rathhauß wiederbaueten / und da wäre ein guter Baumeister von nöthen / der artige Sprüchlichen an die Wände schreiben liesse.

ADJECTIVUS.

E S kömt vielleicht dem Hrn Consulenten oder auch dem Hrn Pickelhering zu: aber das wäre eine Sache die unsrer Gemeine zu unsterblichen Ruhme gereichen solte / wenn wir einen Gelehrten Kerlen suchten / der die Chronica von Querlequitsch über sich nehme: denn wofern er ausländische Sachen mit einbringen wolte / so könte ich jhm getreulich beystehen. Mann gedencke nur / was der Bettelvoigt ein Jahr lang vor neue Zeitungen von den frembden Bettlern erfahren kan.

NESCIO.

Ihr Hrn halt mirs zu gute / daß ich meine Nothdurfft auch vorbringe: wenn jhr schöne Sprüchlichen bestellt / last mir doch was Lateinisches an meine Glocke schreiben / oder gebt mir zum wenigsten ein Deutsches Reimgen an meinen Brod-Korb.

QUONIAM.

Ihr Hrn ich habe eure Meinungen verstanden / aber weil es meine familie betrifft / so will ich alles jhren Gutdüncken überlassen / was absonderlich der Hr. Pater, der Hr. Pachtman und der Hr. Consulent nebenst dem Hrn Landschöppen vor gut befinden wird.

PURUS PUTUS.

Wäre es nicht möglich / daß der Hr. Gericht-Scholtze einen Substituten annähme.

JUNIPERUS.

Ich will mein Amt schon verrichten / die andern Kinder müssen auch zuvor versorgt werden.

PURUS PUTUS.

Der Hr. Consulent ist gar zu sehr mit Arbeit überhäufft / wenn er Schulmeister würde / und Hr. Scibilis bliebe bey seinen Regiments Sorgen.

VOCATIVUS.

Omnis Apostata est persecutor sui ordinis, Ich mag mit dem Hrn Landschöppen wegen seines Eidams in keinen wiederwillen gerathen / ich hielte davor wenn der Hr. Pachtman das kleine Vorwerg abtreten wolte / der Hr. Gericht-Scholtze hat eine gute Wirthin / die solte jhrer Tochter mit guten Rath an die Hand gehen.

SCIBILIS.

Fünfte Handlung

95

Hr. Consulent jhr seyd gar krum wenn jhr euch bückt: ich mercke wol wo jhr hinauszielt. Nein nein / die Pachtgüter dürffen nicht getheilet werden.

VOCATIVUS.

Wie wäre es / wenn wir an des Junckern Hofe einen Residenten hielten / der unsere Sachen beförderte.

DURANDUS.

Deficiente pecu, deficit omne, nia. Sagt nur wo Geld herkömt? ein Residente muß den Staat führen: ich glaube nicht / daß er ein Jahr lang mit 27. Fl. auskäme.

SCIBILIS.

E S steht auff unsern Brodbäncken noch ein alt verlegnes Capital, wenn wir dasselbe bey den Juncker könten ausbitten / so hätten wir das Jahr 13. Fl. ein jeder schlage so viel vor / so wollen wir das Geld zusammen bringen.

DURANDUS.

Der Juncker hat seinen vorigen Calcanten abgeschafft / wenn der Residente die Müh alle Sontag wolte über sich nehmen / so hätte er das Jahr 1. fl. aus der Kirche / das wären schon 14. fl.

JUNIPERUS.

Der Calcante hat dem Hrn Pater daselbst die Zinsen eingefodert / und hat von den Gülden 6. Pf. Auffgeld gehabt: wenn er bey müssigen Stunden das Accidens mit nehmen wolte / so hätten wir schon 14. fl. 1 1 . gr.

VOCATIVUS.

Adde parum modico, Brocken machen auch Brodt. Er mag die Chronica darbey schreiben / so konte Anstalt gemacht werden / daß jhm von jedweder Leiche 3. pf. von Kind Tauffen 3. pf. und von einer Hochzeit 6. pf. gegeben würde / so hatten wir doch wohl des Jahres latus per se alles zusammen gerechnet / 15. fl. 3. gr.

SCIBILIS.

Ein Handwercks Junge / der von dem Meister auffgenommen wird / könte jhm auch 6. pf. geben / trüge es nun gleich das Jahr nur 2. gr. aus / so wäre es gleichwohl 15.fi. j . gr.

DURANDUS.

Wenn was verkaufft wird an liegenden Gütern / so würde sich niemand wegern 6. pf. zubezahlen / und man lasse dergleichen Falle des Jahrs drey mal kommen so hätten wir schon 18. pf. drüber.

VOCATIVUS.

Ihr Herren wir praesupponiren / daß der Juncker das Capital wird abtreten / und ehe wir damit zurechte kommen / so heist es wir machen die Rechnung ohne den Wirth. Ich weiß ein herrlich Amt vor jhn. Denn es ist bekant was der weitberühmte Marckfleck Querlequitsch vor Privilegia hat / und wie die Bürger vor vielen Städten grosse Freyheit haben. Weil nun

JUNIPERUS.

96

Bäurische! Machiavellus

kein zweiffei ist / es wird sich mancher anderswo vor einen Bürger zu Querlequitsch ausgeben / so wäre es billig daß man einen Revisor machte der alle Jahr gewisse Zeichen austheilte / dabey man die rechtschaffenen Bürger unterscheiden könte. Und was wäre es mehr / wenn ein Bürger solchen Privilegien zu Ehren alle Jahr 18. pf. hingäbe. E s könte nicht schaden / wenn Jemand gewiß Pappier zu verkauffen hätte / darauff alle Testamente / Verträge / Heyraths Notuln / Kauf-Briefe / und dergleichen geschrieben würden: und was wäre es / wenn ein Bogen 6. pf. gülte / der üm einen Heller eingekaufft wäre.

VOCATIVUS.

Lustig I inventum centum boum mactatione dignum, ich hab einen rechten Vorschlag: Unser Apothecker ist gleich weggezogen: wenn wir bey den Juncker anhielten / daß der liebe Mensch ein Monopolius würde über Taback und Brantewein / so wäre jhm in seiner Nahrung geholffen / biß er mit der Zeit in unser Collegium gezogen wurde: Konte jhm doch eine gewisse Taxe vorgeschrieben werden / wie theuer ein und das andre zuverkauffen wäre / ingleichen / daß er allen aus unsern Collegio bey der zusammenkunfft ein Gläßgen Brantewein / ob defectum Spirituum die Lebens Geister zu stärcken / und denn bey dem Abtritt ein Pfeiffgen Taback ob humidum radicale, zu erquickung des Gehirns / geben möchte.

SCIBILIS.

Ich will sehen ob der Juncker damit wird zufrieden seyn / und ich hoffe einen guten Außgang.

VOCATIVUS.

Also wäre der schwere Punctus nunmehr beygelegt. Hr. Ziribiziribö ist unser ordentlicher und rechtmässiger Pickelhering; Hr. Ciaconi ist legitimirter und in Hoffnung approbirter Klosterverwalter; Hr. Pacifontius ist Monopolius Chronicographus & caetera. O das ist ein Herrlicher Tag der mit einen guten Rausche muß beschlossen werden.

PURUS PUTUS.

Quis potest resistere tot armatis, wer kan so einen vortrefflichen vorschlage wiederstreben? der Hr-Gericht-Scholtze schencket selber Bier / es wird sich am besten schicken / daß das Collegium beysammen bleibt.

SCIBILIS.

DURANDUS. Wollen wir die Bürgerschafft hinbescheiden / und den neuen Pickelhering vorstellen / so verschenckt der Hr. GerichtScholtze desto mehr Bier. Der Hr. Pater und der Hr. Pachtman als vornehme Commissarien und Schiedsleute werden sich nicht davon absen-

PURUS PUTUS.

Fünifte Handlung

97

tiren: der Hr. Pater soll gantz frey gehen / und dem Hrn Verwalter will ich die halbe Urthe von meiner Rechnung abziehen lassen. SCIBILIS. Bis dat, qui cito dat, wir werden uns nicht länger auffhalten: Semper honos nomenq; tuum laudesq; manebunt wird uns der Hr. viel Kannen Bier lassen zu gute gehen / so werden wir solches mit grossen Danck erkennen / oder wird sich einer von den Herrn Candidaten angreiffen / non repugnabimus wir wollen seine Liberalität nicht beschämen. Gratiarum actio est ad plus dandum invitatio. S O wollen wir gehen: aber es wäre nicht zu tadeln wenn der Hr. Consulent einen jedweden unter diesen dreyen beförderten Personen ein Ratzel auff gäbe.

JUNIPERUS.

Hic & sum domi Hr. Ziribiziribö rath was ist das? Am Sontage ein groß Maul / am Werckeltage früh eine schwere Hand / nach Mittage einen spitzigen Finger.

SCIBILIS.

Es ist unser Hr. Consulent: des Sontags singt er in der Kirche / des Werckeltages schmeist er früh die Kinder / und des Mittags setzt er den Finger an die Stirne und sucht allerhand kluge Anschläge heraus.

ZIRIBIZIRIBÖ.

Rem acu tetigisti er hat einen Spitz-Finger, aber Hr. Ciaconi rath was ist das: Früh grüne / auffn Mittag schwartz / auff den Abend weiß.

SCIBILIS.

Es ist unser Hr. Pater, der hat Früh in der Messe eine Kappe von grünen Tuche / zu Mittage geht er in einen schwartzen Kleide ins Bierhauß / auff den Abend legt er sich im weissen Hemd ins Bette.

CIACONI.

T U bibisti cicutam Ihr seyd auf den Parnassus gewesen. Aber Hr. Pacifontius rath was ist das: Das kleine wäre mir lieber als das grosse / und nichts wär mir lieber als etwas.

SCIBILIS.

PACIFONTIUS.

ES

ist gewiß eine Ohrfeige.

Mundus regitur opinionibus. Ich sehe die Gelehrten haben unterschiedene Meinungen: ich halte es ist unser Klingelman. Denn die kleine Geld-Büchse ist mir lieber als der grosse Brodkorb / und wenn er weder Korb noch Büchse bey sich hat / und also einen Thürknecht auf den Schuhbäncken bedeutet / so ist er vornehmer als wenn er vor gemeiner Leute Häuser kömt und einen Bettler abgibt. Sed claudite nunc rivos schliesst die

SCIBILIS.

7

Komedia X

98

Bäurischet Machiavellus

Schuhbäncke zu / Sat prata biberunt, der Hr. Gericht-Scholtze hat gut Bier / Vos valete & plaudite die Herrn seyn gebethen und folgen / wie sie unser Hr. Thürknecht verlesen wird. Hier tritt QUONIAM auf und verlieset die Personen folgender Gestalt. Hr. Ziribiziribo als neu bestetigter Pickelhering an seinen Ehrentage wird in der Mitten geführet. Der Hr. Pater und der Hr. Pachtman begleiten Ihn. Der Hr Gericht-Scholtze / Hr Ciaconi an seinen halben EhrenTage / als naher Freund. Der Hr. Landschöppe / Hr. Pacifontius als Freund. Der Hr. Consulent als Freund jedoch an seiner gewöhnlichen Stelle. Summa Summarum die übrigen Hrn werden sich selbsten zu ordnen wissen. Sie geben in der Ordnung etliebemabl herum und lassen den Hirten als Stadt- oder Marckfieckens P f e i f f e r mit dem Hörne vorher blasen.

SCHLUSS-HANDLUNG M A C H I A V E L L U S . ANTIQVUS.

bistu endlich in des Parnassi Gewalt du allgemeiner Landbetrieger / und hab ich also Gelegenheit meine Unschuld an den Tag zu legen / welche durch deinen falsch erdichteten Nahmen ziemlicher massen ist gekräncket worden. Halt / ich wil selbst unter die Kläger treten / und dich zu einer solchen Straffe fodern / darüber dir das Hertz im Leibe brechen sol.

MACHIAVELLUS.

SO

Gemach / Gemach mein Freundt / ich meinte der Machiavellische Nahmen solte durch mich mehr gerühmet als geschimpffet werden. Ich heisse Antiqvus das ist / ich bin der alte Anfänger aller Boßheit / und so wol die Machiavellischen Künste auff dergleichen Schlag gemüntzet seyn / so wol hat Machiavellus die Ehre unter meiner Fahne als ein Soldate zu dienen.

ANTIQVUS.

Weitgefehlet / weitgefehlet / und gesetzt ich hätte dich alten Betrieger auch über meine Klugheit und über meinen Fleiß herrschen lassen / so hat der Durchl. Apollo mich zu einer solchen Straffe verdammet / darbey mir täglich der Haß wieder dich du alter Betrieger verneuert wird. Ich habe mit dir nichts zuschaffen. F A M A last blasen und kömmt heraus.

MACHIAVELLUS.

Machiavelius und Antiqvus werden vor den Majestätischen Richter Stuhl / im Parnasso citiret, um daselbst bey unvermeidlicher Straffe zuerscheinen. Schwinget sich davon.

FAMA.

Ich wil nicht ein beklagter / sondern zugleich ein Kläger seyn. Geht ab.

MACHIAVELLUS.

Aber ich wolte / das der Tyranne / der über mich gebiethen wil / von seinen Thron gestürtzet würde / ehe mir aus seinem grausamen Munde das Urtheil sol verlesen werden. Geht ab. APOLLO praesentirt sieb auff seinem Throne um jhn herum EUSEBIUS. ANTIQVUS.

URANIUS,

POLITICUS,

CIVILIS.

SIMPLEX

INNOCENS.

CANDIDUS.

INFUCATUS. F I D E L I S . IMMUTABILIS, RATIONALIS. 7*

100

Bäutischet Machiavellus

Ist es möglich / das ein allgemeiner Verderber die Menschliche Gesellschafft zu allem Unglück verführet hat.

APOLLO.

Durchlauchtigster Apollo, er wäre zu wünschen / das wir etwas anders berichten könten.

EUSEBIUS.

Und es ist mehr als zuwahr / das auch bey den geringsten Personen List und Gewalt auff das Höchste gestiegen ist.

POLITICUS.

Ein jedweder vertrauet seinen Kräfften / und niemand begehret von dem Himmel einigen Beystand zu erlangen.

EUSEBIUS.

Gleichwohl muß die Liebe des Himmels zum Deckmantel dienen / wen die ärgste Boßheit verübet wird.

POLITICUS.

M A C H I A V E L L U S . ANTIQVUS. APPETITUS

erscheinen.

Ihr Menschen verderber / haben wir endlich euere Boßheit gründlich erforschet / und sollen wir den bedrängten Personen nicht Hülffe und Gerechtigkeit wiederfahren lassen.

APOLLO.

Durchl. Apollo, gleichwie meine Straffe bißhero mit aller Gedult ist ertragen worden / in Betrachtung / daß ich wol mehr als diese gelinde Züchtigung verdienet hätte; gleichwohl ist meine unterthänigste bitte / euer Majestät wolle dero Gehorsamsten Knecht von den übrigen Anklagen befreyen / und die Straffe den jenigen zuerkennen / die bißhero unter dem falschen Deckel meines Nahmens die einfältige Welt verführet haben.

MACHIAVELLUS.

So gehe wiederum als ein verbannter an deinen Ort / und lasse dich nimmermehr gelüsten unter den Tugendhafften einiger Würde theilhafftig zu werden.

APOLLO.

Ich gehe / Aber ach jhr Sterblichen sehet / wie Straffwürdig eine Person werden kan / welche sich in dem Leben nicht gescheuet hat / die schönsten Gaben des Gemüthes schändlicher weise zu mißbrauchen. Ach hätte ich die manier zuschreiben von denn weisen Heyden gelernet / so würde mein Nahmen doch nicht aus der Ordnung der Tugendhafften ausgeschlossen! wiewol ich gehe / und vollbringe den Befehl.

MACHIAVELLUS.

Aber du geiler Appetitus warum hastu dich von deinen rechtmässigen Hrn loßgemachet?

APOLLO.

APPETITUS.

Dieser Hr. ist mir zu kleine.

Schluss-Handlung

101

Die Herrschafft wird nach dem Rechte nicht nach der Grösse geurtheilet. David hat den Goliad überwunden / und Rationalis sol über den Appetitus als ein rechtmässiger Sieges Hr. das Commando haben. Auff Rationalis, lege den unbändigen Knechte solche Ketten an / dadurch er seiner Schuldigkeit erinnert werde.

APOLLO.

Durchl. Apollo, euer Majestät sollen vor dieses Hochvernünfftige Urtheil unterthänigst gerühmet werden.

RATIONALIS.

Er bindet den

an die Kette.

Ach weh / sol ich keiner Freyheit gemessen ?

APPETITUS. RATIONALIS. APPETITUS.

APPETITUS

Nein / als wenn ich damit zu frieden bin. Ach weh die Fessel drücken mich!

Wer wil unsern Schlüsse wiedersprechen? Du aber vermaledeyter Antiqvus, hastu noch bedencken gehabt vor unserm Richter-Stuhle zu erscheinen?

APOLLO.

Ich bin hieher genöthiget worden. Allein ich stehe noch bey mir an / ob ich antworten wil.

ANTIQVUS.

APOLLO.

Hastu nicht die Welt verführet?

Und wenn ich nun dieses gethan hätte ? Kan ich viel verführen / so hat Apollo die Freude / daß er durch seine Künstliche Tugendhafften viel verbessern kan.

ANTIQVUS.

Hochmüthige Bestie, wilstu vor unser Macht noch nicht erzittern.

APOLLO.

Ich erzittere / aber nicht als vor einen Richter / sondern als vor einem Tyrannen.

ANTIQVUS.

Auff / jhr getreuen Diener / Eruditus, Sedulus und Severus 1 Auff / und nehmet dieses unbändige Thier in eure Gewalt.

APOLLO.

Sie kommen hervor. ANTIQVUS. APOLLO.

Ich bin gewohnt zu herrschen.

Aber du bist schuldig zu dienen.

Komm her / und nimm unser Joch auff dich / du solst von mir lernen.

ERUDITUS.

SEDULUS.

Und von mir solstu den Müssigang vergessen.

102 SEVERUS.

Bäurischer Machiavellus Von mir aber solstu gezwungen werden.

Mein zwang ist lieblich; Denn ich sage die Warheit/ und nöthige die Hertzen zu einem unstreitigen Beyfall.

ERUDITUS.

Mein Zwang ist vernünfftig / denn ich rathe zu der gebührenden Arbeit.

SEDULUS.

Mein Zwang ist großmüthig: denn wer mit guten nicht gehorchen wil / der muß den Gehorsam mit seinen Schmertzen lernen.

SEVERUS.

ERUDITUS.

Wer die Lehre annimmt / der wird ein neuer Mensch.

Wer sich zu fleissiger Arbeit gewehnet / der lernet des alten Menschen vergessen.

SEDULUS.

Und wo die Straffe auff den Rücken nachfolget / da muß eine Verdrüßligkeit die andere vertreiben.

SEVERUS.

ERUDITUS.

Auff / und schicke dich / du bist unser Gefangener.

ANTIQVUS.

Du bringst mir Lehren vor / die ich nicht glaube.

Strecke deine Glieder an / die Zeit ist vorbey / da man die müssigen Stunden auf einem faulen Polster verschlaffen hat.

SEDULUS.

ANTIQVUS. SEVERUS.

Ich wolte lieber sterben als arbeiten. Vielleicht auch lieber sterben als Straffe fühlen.

Sehet her jhr Sterblichen / so muß die Wurtzel der alten Begierden ausgerissen werden.

ERUDITUS.

SEDULUS.

Ach / seyd fleissig / damit die Laster keine Zeit finden.

Unterwerffet euch der Züchtigung / damit die Laster ausgerottet werden.

SEVERUS.

Folget guten Lehren / damit eine neue Fruchtbarkeit entstehen möge.

ERUDITUS.

SEDULUS.

Der Himmel verkaufft das seine durch Arbeit.

SEVERUS.

Und aus der Straffe quellen süsse Früchte hervor.

Absonderlich wenn die Lehre den Safft in die Früchte fliessen last.

ERUDITUS.

SEDULUS.

Auff Sclave, du must wandern.

Schluss-Handlung ANTIQVUS.

Ach weh / wie lange sol ich gezwungen seyn.

ERUDITUS.

Biß dir der Zwang nicht sauer ankömmt.

103

Und biß deine Gestalt dem Parnasso annehmlich wird.

SEDULUS.

Ach weh dem / der zu langsam unter meine Bothmässigkeit geschicket wird.

ERUDITUS.

SEDULUS.

Weh dem / der zuspät meine Regeln ergreifien sol.

ERUDITUS. SEDULUS.

Ein alter lernet übel. Und ein alter Müssiggänger arbeitet übel.

Und weh dem / der in dem Zuchthause die Arbeit zu erst lernen sol.

SEVERUS.

Geben ab. Ihr aber liebsten Söhne / nachdem der allgemeine Feind unter gewisse Ketten also verschlossen wird / daß man auff allen Seiten / wo nicht einer vollen Besserung / dennoch einer bessern Hoffnung gemessen kan / so kommet etwas näher auff unsern Parnassum, und lasset euch zu der Freundschafft aller Tugendhafften hinbegleiten.

APOLLO.

Ach gelobet sey diese Majestät / die endlich der Einfalt einen Beständigen Platz zu erkennet.

SIMPLEX.

Gelobet sey der Richter / bey dem die ehrliche partey den besten Lohn davon trägt.

CANDIDUS.

Und gelobet sey derselbige Thron / der nichts als Liebe mit Tausendfachen Strahlen hervorblicken läst.

FIDELIS.

Wer die Tugend in Hertzen behalten wil / der muß einfältig seyn.

SIMPLEX.

Wer die Einfalt im Wercke practiciren wil / der muß offenhertzig seyn.

CANDIDUS.

Und wer sein offenhertziges Gemüthe wil erkennen lassen / der muß sein Licht / das ist / Treu und Liebe vor den Menschen leuchten lassen.

FIDELIS.

Und wer in meinem Parnasso wohnen wil / muß euch dreye in beständigen Verbündnüsse zu Freunden haben. Doch jhr liebsten Commissarii was habet jhr durch diese Mühwaltung

APOLLO.

104

Bäurischer Machiavellus

verdienet? bittet umb eine Gnade / so viel als unser Parnassus in vermögen hat / so viel soll euch zur Vergnügung unversaget seyn. Durchl. Apollo, die Vergeltung ist in dem schon erwiesen worden / daß unsere geringschätzigen Dienste mit Genädigen Augen sind angesehen worden.

EUSEBIUS.

Verachtet unsre Müdigkeit nicht / wir wollen wissen in welchem Stücke eure Lust am Höchsten blühen könne.

APOLLO.

Durchl. Apollo, weil uns die hohe Gnade angeboten wird / so wolle eure Majestät gnädigst vergönnen / daß wir beyde so wohl in dieser Hochgeschätzten Versandung / als auch insgemein bey der Hochwehrten Stadt Zittau einer beständigen Wohnung möchten gewürdiget werden.

EUSEBIUS.

Auff Mercuriusl Eusebius, und Politicus sollen die gedachte Stadt in unverrückter Freundschafft bewohnen / und dannenhero mag dieser Schluß jhnen sämtlichen auf das schleunigste vorgehalten werden.

APOLLO.

Hochgeschätzte Anwesende / nach dem Eusebius das ist der Liebhaber des Göttlichen Worts und Politicus das ist der kluge Werckmeister der zeitlichen Glückseligkeit / in der Hochlöblichen Stadt Zittau einen belieblichen Sitz von dem Durchlauchtigsten Apollo erhalten haben / auch numehro durch meine Botschafft gleichsam die endliche Anweisung geschehen soll: Als bin ich von Hertzen erfreuet / daß dergleichen angenehme Post um diese Hochschätzbare Gegend erklingen sol. Denn gleich wie die wohlbestelte Kirche / neben der immerblühenden Schule lange verdienet hat / daß Eusebius sein Ebenbild unter so viel Personen richtig antreffen möchte; Ebenfals hat auch dieses tapffere Rathhauß so viel Strahlen einer Väterlichen und klugen Sorgfalt hervordringen lassen / darbey sich Politicus als bey der lieblichsten Sonne viel Zeit und Jahre ergötzen wird. Sie belieben diese Gäste mit freudigen Hertzen anzunehmen und leben darbey versichert / so lange Eusebius in der Stadt / seinen Auffenthalt antreffen wird / so lange soll der Seegen des Himmels mit zeitlicher und ewiger Gnade / nicht anders als ein lieblicher Regen / herab fliessen: und so lange der ungefärbte und rechtmäßige Politicus die Einwohner dieser Stadt unter seine Freunde zehlen wird / so lange soll Reichthum und die Fülle / Fried und Sicherheit / Ruhm und Ehre / von Tage zu Tage in einen höhern Grad gebracht werden: Und also wird der Durchl. Lands-Vater

MERCURIUS.

Schluss-Handlung

105

(dessen Tage GOtt noch ferner segnen und vermehren wolle) durch das Wachsthum dieser unterthänigsten Stadt / als ein Vater erfreuet / als ein Hr. gerühmet / und als ein irrdischer Apollo mit Demüthigsten Gehorsam angebetet werden. Lebet wohl bey diesem Geschencke / und lasset in allen Gassen die fröliche Post erschallen / daß Eusebius und Politicus jhren Sitz allhier genommen haben. Gehet zurück. Liebster Bruder / wie frölich ist mir die bißherige Müh vergolten worden.

EUSEBIUS.

POLITICUS. EUSEBIUS.

Und wie lieblich wird numehr unsre Wohnung seyn. Mein Uranius ich kan euch nicht verlassen.

Ich bleibe / wo Eusebius bleibt / denn ich habe mich schon längst in diese Stadt gesehnet / die sich dem Himmel so schön zu befehlen weiß.

URANIUS.

POLITICUS.

SO

werde ich meinen Civilis auch nicht zurücke lassen.

Ach ja mein Politicus, ich will in Zittau wohnen / ich will meine Lust an denn allgemeinen Glücke sehen. Wenn die Sonne aufgehet / will ich die gesegnete Gegend in mein Gebeth einschliessen / und wenn die Nacht einfällt / soll meine beständige Andacht noch an keinen Schlaff gedencken. Ich selbst will mich bemühen / und bey GOtt und Menschen dieselbige Gnade suchen / damit einmahl diese geliebte Stadt meines Fleisses / meines Lebens / und meines Segens könne Zeuge seyn.

CIVILIS.

Ach lasset uns die Himmlische Majestät inbrünstig anruffen / daß er unsern Einzug glücklich machen / und die zugedachte Freude viel doppelt vermehren wolle.

EUSEBIUS.

Sie fallen sämtlichen auf die Knie / so lange als folgende Arie gesungen wird. Und wird ^wischen jeglicher Strophe die Melodey mit Trompeten und Paucken nach gespielet. I. DU Friede-Fürst HErr JEsu CHrist / Wir bringen Danck und Preiß / Daß man allhier in langer Frist / Von keinem Kriege weiß; Und daß wir noch kein frembdes Joch / Auff unserm Rücken fühlen.

106

Bäurischer Machiavellus II. Du gibst dem Landes Vater Kraft / Daß Er nach Frieden strebt / Und daß die werthe Bürgerschafft In sicherm Stande lebt; Ja daß dein Wort noch immerfort / In unsern Kirchen schallet. III. Ach JEsu wohn' uns ferner bey Und tritt zugleich ins Spiel / Wenn irgend Trotz und Schmeicheley / Die Ruh verstören wil / Daß weder Feind / noch falscher Freund An uns sein Müthlein kühle. IV. Laß Zittau stets gesegnet seyn / Beschütze dieses Hauß / Und schütte Deinen Gnaden-Schein Auff alle Väter auß / Die spath und früh durch jhre Müh / Viel Heil und Gutes stifften. V. Der theure Chur-Fürst lebe lang' So freut sich unsre Stadt / Die Seinetwegen hohen Danck / Bey Dir zu leisten hat / Dieweil der Glantz den Rauten-Krantz Fast täglich höher ziehret. VI. Wolan Du hoher Friede-Fürst Wir rühmen deine Treu / Daß Du uns nicht verlassen wirst / Steh' unsern Vätern bey / Daß Sie viel Jahr der jungen Schaar / Die Lust verstatten mögen.

MATERIALIEN ZUM VERSTÄNDNIS DES TEXTES Editionsbericht Der Zittauer Schulrektor Christian Weise (1642—1708), einer der berühmtesten Männer seiner Zeit, wird heute fast nur noch in Literaturgeschichten zitiert, obwohl er »in gantz Europa einen grossen Ruhm erworben hatte«. Die »Zahl seiner Schrifften ist weit grösser als die Zahl seiner Jahre«1, doch seine Werke haben ihren Schöpfer nicht lange überlebt. Manche von ihnen sind verschollen, einige nur handschriftlich überliefert, und weitaus die meisten wurden seit mehr als zweihundert Jahren nicht wieder aufgelegt. In jüngerer Zeit erschienen einzelne Neudrucke seiner Schriften und seiner poetischen Werke, z. B . in K Ü R S C H N E R S »Deutscher National-Litteratur«, in den »Neudrucken deutscher Litteraturwerke des X V I . und XVII. Jahrhunderts« und in »Deutsche Literatur . . . in Entwicklungsreihen«. Alle diese Ausgaben erschließen aber lediglich einen bescheidenen Teil des Gesamtwerkes2. Von vornherein stellen sich jeder neuen Ausgabe von Werken des Dichters bestimmte Schwierigkeiten entgegen. Es gibt keine zuverlässigen Drucke, keine Ausgabe, die Weise als endgültig betrachtet hätte. Selbst auf überlieferte Manuskripte dürfen wir uns nicht ohne weiteres verlassen. Weise schrieb seine Werke nicht mit eigener Hand, sondern diktierte sie einem Gehilfen, und nur selten korrigierte er die Niederschriften. Das geschriebene Wort kümmerte ihn wenig, so daß wir ihn kaum für den Buchstaben seiner Werke verantwortlich machen können. Im großen und ganzen ließ er die Orthographie seines Schreibers gelten, und außerdem gab es zur damaligen Zeit kein allgemein verbindliches Regelbuch für »richtiges« Deutsch. Liegen von einem Werk mehrere Drucke vor, dann unterscheiden sie sich meist erheblich in der Schreibweise, aber auch innerhalb eines Druckes finden wir solche Unterschiede. 1 Samuel Großer, Lausitzische Merkwürdigkeiten, Leipzig und Budißin 1714, HI. Teil, S. 155L 2 Eine aufschlußreiche Liste der poetischen Werke bietet Walther Eggert (Christian Weise und seine Bühne. Germanisch und Deutsch, 9. Heft, Berlin und Leipzig 1935, S. 1—20).

108

Materialien

Diese Gründe haben L U D W I G F U L D A bewogen, einen gut lesbaren Text des Bäurischen Machiavellus herzustellen, indem er die Drucke aus den Jahren 1681, 1714 und 1725 miteinander verglich. E r versuchte, »eine einheitliche Rechtschreibung durchzuführen . . ., welche sich aber von allem Modernisieren altertümlicher Formen ferngehalten hat«. Sein Bäurischer Machiavellus (im 39. Band von KÜRSCHNERS »Deutscher National-Litteratur«) verzichtete folglich darauf, »die Schreibart der Ausgaben getreu wiederzugeben, die so inkonsequent und verworren ist, wie in allen Drucken aus dieser gänzlich unorthographischen Zeit« 3 . Der entstandene Text ist gewiß nicht weniger zuverlässig als die Texte der Ausgaben von 1681, 1714 oder 1725 (sofern man überhaupt bei Werken aus jener Zeit von philologischer oder editorischer Zuverlässigkeit reden kann). Gegen F U L D A läßt sich einwenden, er habe das (äußere) historische Kolorit weitgehend zerstört und eine Fassung geschaffen, die mit keinem der verglichenen Drucke völlig übereinstimmt. Als erste Drucke des Bäurischen Machiavellus nennt die WeiseLiteratur im allgemeinen nur die Ausgaben von 1681, 1714 und 1725. Die beiden letzten Drucke können von Weise nicht beeinflußt worden sein, so daß als einigermaßen verläßliche Textgrundlage die erstgenannte Ausgabe bliebe: Christian Weisens / Bäurischer M A C H I A V E L L U S , in einem LustSpiele Vorgestellet Den X V . Febr. M. DC. L X X I X . Leipzig / In Verlegung Christoph Miethens / Buchhändl. in Dreßden. Druckts Gallus Niemann / 1681. Bisher galt allgemein dieser Druck als die früheste Ausgabe des Bäurischen Machiavellus, Doch im Jahre 1681 erschien auch in Zittau eine Ausgabe dieses Werkes: ihr Titelblatt unterscheidet sich von der Leipziger Ausgabe nur durch den Erscheinungsort. EGGERT erwähnt noch einen undatierten Druck 4 , der als handschriftlichen Zusatz die Jahreszahl 1708 trägt. Fraglich bleibt allerdings, ob diese Zahl das Erscheinungsjahr angeben soll oder etwa das Todesjahr Weises. Der erwähnte Druck ist möglicherweise identisch mit der (undatierten) Ausgabe, die unserem Text zugrunde liegt: Christian Weisens / Baurischer MACHIAVELLUS, in einem Lust-Spiele / Vorgestellet Den XV. Febr. M DC LXXIX. Zittau / In Verlegung Joh. Christoph Miethens / Buchhändl. in Dreßden. Druckts Michael Hartmann.5 3 Ludwig Fulda, Einleitung zum 38. Band von Kürschners »Deutscher National-Litteratur«, S. X X X I X . Siehe auch Einleitung zum 39. Band, 4 S. L X X X . Eggert, a. a. O., S. 8, Lfd. Nr. 9. 6 Die Thüringische Landesbibliothek in Weimar stellte das Werk freundlicherweise für den Abdruck zur Verfügung.

Editionsbericht

109

Am Ende dieses Werkes finden wir eine Anrede an den geneigten Leser: ICb hatte mir vorgesetzt / etwas von dem Kunst-Stücke der Comoedien, ingleichen von den Lustigkeiten in Possen-Spielen vyigedencken: Allein weil ich anit^o erst erwarten muß / wie diese Invention gefallen möchte / und ob ich bald meinen Jephtba, ingleichen den Marschall D'Ancre heraus geben dürfte; so mag auch dieser Vorsatz biß auf bequemere Zeit verschoben seyn. Indeßen bleiben wir allerseits Gottes Obhut / Ich aber deiner Affection befohlen. Hieraus geht hervor, daß die beiden erwähnten Stücke, der »Jephta« und der »Ancre«, noch nicht erschienen waren. Beide Werke sind 1679 veröffentlich worden6. Der angeführte Druck des Bäurischen Machiavellus müßte also zeitlich v o r diesen Stücken und nach dem 15. Februar 1679 liegen, vermutlich erschien er kurze Zeit nach der Aufführung. Es dürfte sich dabei um den frühesten Druck des Bäurischen Machiavellus handeln, um den Abdruck des Weiseseben Manuskriptes. Die späteren Ausgaben wären also (direkt oder indirekt) von diesem frühen Druck abhängig. Wir haben den Text im ganzen unverändert übernommen, die abgekürzten Namen der Personen jedoch ausgeschrieben und einheitlich durch Kapitälchen wiedergegeben — auch in den Regieanmerkungen (die im Original meist in Klammern stehen und oft mit kleinem Buchstaben beginnen). Offensichtliche Druckfehler wurden stillschweigend berichtigt. Im Personenverzeichnis und gelegentlich auch in den Regieanmerkungen weicht unsere Interpunktion von dem zugrunde liegenden Text ein wenig ab. Einige Abkürzungen des Originals sind aufgelöst. Wir lesen also en, etc, mm, nn, . . .que, um, umb statt e, sc, m, h, . . . ü, um. Alles übrige, was im Text ergänzt werden mußte oder wegen des schlechten Druckes nicht eindeutig zu erkennen war, ist in eckigen Klammern eingeschlossen. Hervorhebungen des Originals gibt unser Text sinngemäß wieder, wobei die Wörter, die im Fraktursatz des Originals in Antiqua erscheinen (Fremdwörter beispielsweise), nicht berücksichtigt werden. Unbeachtet blieb, was nur der Verzierung des Druckbildes dienen sollte (besondere Initialen zum Beispiel). Daß unsere Ausgabe eine andere Schrift (und andere Schriftgrade) verwendet als das Original, versteht sich am Rande. Auf die Wiedergabe der Noten zum Schlußlied und einer Anmerkung, die Melodie des Liedes betreffend, wurde verzichtet.

• Vgl. Eggert, a. a. O., S. jL, Lfd. Nr. 7 und 8.

110

Materialien

Zur Entstehungsgeschichte Einem Rufe folgend, kehrte Christian Weise im Jahre 1678 an das Gymnasium seiner Vaterstadt zurück, um das verwaiste Rektorat zu übernehmen. Schon zu dieser Zeit war er ein weitbekannter und geachteter Lehrer, berühmt nicht zuletzt wegen seiner pädagogischen Romane. Aber auch in der dramatischen Poesie hatte er sich versucht, bevor er in Zittau als Rektor wirkte. Eine alte, etwa zweihundertjährige Tradition des Theaterspielens fand Christian Weise in seiner Heimatstadt vor, eine Tradition, die ihm schon als Kind vertraut war. Er hatte während seiner Schulzeit viele Aufführungen erlebt und wahrscheinlich in einigen mitgespielt. Aus jenen Jahren stammte seine Neigung zum Theater und zur dramatischen Kunst. Weise führte die überkommene Tradition weiter — und zielbewußter als seine Vorgänger im Rektorat. V o r allem bemühte er sich, das Schauspiel in seine allgemein-pädagogischen Absichten einzuschließen. Die Schulbühne, eine besondere Form des Theaters, die sich ungefähr um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Zittau durchgesetzt hatte, kam den Wünschen des neuen Rektors entgegen. Alljährlich in der Fastnachtswoche — so wollte es die Überlieferung — wurden drei Stücke aufgeführt. Christian Weise berichtet: »Weil es eingeführet ist, dass man drey Tage nach einander was Neues hat sehen wollen: So machte ich bald im Anfange die Eintheilung, dass erstlich was Geistliches aus der Bibel, darnach was Politisches aus einer curiösen Historie, letztlich ein freies Gedichte und in solchen allerhand nachdenkliche Moralia die Zuschauer bei dem Appetit erhalten möchten.«7 Weise hielt es für nötig, hin und wieder durchblicken zu lassen, daß ihn sein Amt zum Komödienschreiber mache, weil das Stückeschreiben ebenso zu seinen beruflichen Pflichten als Rektor gehöre wie das Theaterspielen. Wir dürfen solche Äußerungen aber nicht allzu wörtlich nehmen8 und etwa glauben, die »Veranlassung für Christian Weise, sich im Verfassen von Dramen zu versuchen«, sei »nicht aus innerem Drang entsprungen«, sondern habe »auf seiner Stellung« beruht9. Das Rektorat (und mehr noch die Tradition) verpflichtete ihn lediglich, die Spiele vorzubereiten und zu veranstalten: die Stücke jedoch hätte er nach eigenem Ermessen aus der überlieferten oder zeitgenössischen Dramatik wählen können. Aber 7 Zit. bei Ernst Wilhelm Hermann Kornemann, Christian Weise als Dramatiker, Diss. Marburg 1855, S. 51. 8 Vgl. Ludwig Fulda, Einleitung zum 39. Band von Kürschners »Deutscher National-Litteratur«, S. XXI. 8 Kornemann, a. a. O., S. 48.

Zur Entstehungsgeschichte

111

gerade das wollte er nicht. Was an Stücken vorhanden war, erschien ihm ungeeignet für das Zittauer Gymnasium, für die Zwecke der Schulbühne überhaupt und für seine erzieherischen Absichten. Seine Dramen verdanken ihr Entstehen also zunächst einmal der Zittauer Tradition, zum anderen seinem schulmeisterlichen oder auch pädagogischen Eifer und nicht zuletzt seiner Lust am Theaterspielen. Weise hatte frühzeitig erkannt, welche pädagogischen Möglichkeiten im Schultheater lagen, und er wollte nach besten Kräften (und mit seinen eigenen Dramen) diese Möglichkeiten systematisch nutzen. Wenn er seine Neigung zum Theater nie hervorhebt, sondern sie im Gegenteil hinter einer vorgeblichen Pflicht seines Amtes verbirgt, dann wahrscheinlich deshalb, um seinen Gegnern, die ihn als Komödienschreiber zu verleumden suchten, keine Blöße zu geben. Ohnehin wurde er wegen seiner Theaterarbeit vielfach angefeindet und angegriffen. Aber nicht allein aus diesen Gründen lehnte er ab, ein Poet zu heißen. Er fühlte sich ganz und gar als Schulmeister und strebte mehr nach bürgerlichen Ehren als nach dem Lorbeer des Poeten. Seine poetischen Bemühungen faßte er als Teil seines pädagogischen Berufes auf — Pflicht und Neigung stimmten bei ihm allerdings glücklich überein. Das alles müssen wir bedenken, hören wir seine eigene Darstellung (aus »Lust und Nutz der spielenden Jugend«): »In regard meiner Profession ist mirs keine Schande, wenn die Leute sprechen, ich könne Komödien machen. Denn sie geben mir ein Zeugniss, dass ich mich in den Stylum, in den Unterschied der Gemüther, in die Affekten und in die politische Oratorie finden kann. Hingegen werde ich keinen Schimpff verdienen, wenn ich sage, dass mich meine inclination nicht antreibe mit dem agiren selbst viel Wesens zu machen. In Weissenfeis war ich Professor Poesos, da hätte mir solches vor andern wohl angestanden. Ich war zugleich Professor Politices, da hätten mich allerhand politische Begebenheiten darzu antreiben sollen. Allein ich kunte mich nicht darzu bereden lassen. Warum? Ich hatte keine inclination darzu, dass ich mich also bemühen, und was anderes dabei unterlassen sollte. Nach der Zeit bin ich von Gott an einen andern Ort beruffen worden, da man von hundert Jahren her die Jugend mit Komödien aufgemuntert hat, und da wol vor diesem dem Rectori gleichsam ein Defect gezogen worden, wenn er sich zu solchen exercitiis etwas beschwert hat befinden wollen. Also habe ich der Gewohnheit nach gelebet, und weil sich fremde Stücke mehrentheils weder auf den Ort, noch auff die Personen, am allerwenigsten auff die gute intention zu schicken pflegen: So habe ich die unvergleichliche Gedult über mich genommen, bei gesuchten Nebenstunden ohne

112

Materialien

den geringsten Abgang meiner ordinair- und extraordinair-Arbeit alle Jahre 3 Spiele meinem Amanuensi in die Feder zu dictiren.«10 Neben Geduld war aber vor allem eine gewaltige Arbeit erforderlich, um die selbstgewählte Aufgabe lösen zu können — und Weise bewältigte diese Arbeit. Dabei vernachlässigte er keineswegs die Pflichten seines Berufes. Er war ein ausgezeichneter Lehrer und »zog Leute, die in allen Facultäten nützlich employret werden konten« 11 . Neben zahlreichen Lehrbüchern, Abhandlungen und Gedichten schrieb er während seiner Zittauer Tätigkeit mindestens fünfzig Dramen. Die meisten von ihnen studierte er mit seinen Schülern ein und führte sie auf. Seine Leistung ist um so erstaunlicher, als er nicht einfach drauflosschreiben konnte, sondern die Bedingungen seiner Schulbühne berücksichtigen mußte. Außerdem hatte er den Ehrgeiz, mit seinen Dramen bestimmte Zwecke zu verwirklichen, wobei er weder seine Schüler (die Schauspieler) noch sein Publikum langweilen durfte. Offensichtlich versuchte er, die verschiedenartigen Stücke, die jeweils an drei Tagen aufgeführt werden sollten, inhaltlich aufeinander abzustimmen und Scherz und Ernst wohlabgewogen darzubieten, um die Zuschauer »bei dem Appetit« zu erhalten. Es hieße aber die Sachlage vereinfachen, wollten wir annehmen, er sei in seinen Komödien in erster Linie darauf bedacht gewesen, sein Publikum zu amüsieren, »nachdem er es in seinen biblischen und politischen Stücken (die jedesmal vor den Komödien gespielt wurden) belehrt hatte«12. Denn er bemühte sich, mit all seinen Stücken zu lehren, auch und gerade mit seinen Komödien. Das erste Drama Weises, das in Zittau über die Bühne ging, war »Der Tochter-Mord, welchen Jephta unter dem Vorwande eines Opfers begangen hat«. Am 13. Februar 1679 wurde dieses biblische Stück aufgeführt, einen Tag später das historische Trauerspiel »Der gestürtzte Marggraff von Ancre« und am 15. Februar 1679 der Bäurische Machiavellus. Mit diesen drei Werken begann Christian Weise seine Zittauer Theaterarbeit. Gattungsgeschichtliche Einordnung Der Bäurische Machiavellus ist ein Lust-Spiel — so jedenfalls wurde das Werk vom Dichter bezeichnet. Freilich wissen wir nicht, ob Weise damit sein Drama als literarische oder literarhistorische Gattung bestimmen und mehr sagen wollte als das, was die Zeitge10

Zit. bei Kornemann, a. a. O., S. 48t. Samuel Großer, a. a. O., S. 134. 12 A. H. J. Knight, Das Komische in Christian Weises Lustspielen. Germanisch-Romanische Monatsschrift, 23 (1935), Heft 3/4, S. 116. 11

Gattungsgeschichtliche Einordnung

113

nossen, seine Zittauer Mitbürger und sein Publikum unter einem Lustspiel verstanden: ein Spiel, in welchem das heitere, das lustige oder auch possenhafte Element überwiegt und alles zu einem guten Ende kommt. Die Stücke, die Weise in Zittau geschrieben hat, gehören zur sogenannten Schuldramatik oder Schulbühne. Damit ist allgemein die literarische Gattung bezeichnet, die neben den Komödien und Tragödien auch andere Formen des dramatischen Spiels umfaßt. Heute verstehen wir unter einem Schuldrama meist irgendein Stück aus der Literaturgeschichte, das für Aufführungen oder für die Lektüre an Schulen geeignet erscheint. Eine solche Bedeutung hat »Schuldrama« auch in der Vergangenheit gehabt. Daneben aber bezeichnete es eine bestimmte Gattung von Dramen, die aus der Schule entstanden und für die Schule geschrieben waren. In Deutschland bildete sich diese besondere Form der Schuldramatik im 16. und 17. Jahrhundert heraus und wirkte bis ins 18. Jahrhundert hinein. Nicht so sehr »der Umstand, daß die Darsteller Schüler sind, macht ein Schuldrama aus; es muß vielmehr 'den Schulen gemäß' sein, muß den Zwecken der Schule dienen« 13 . In den Anfängen der Schulbühne wurden mit Vorliebe die Werke römischer Autoren gespielt (in lateinischer Sprache), Komödien des Terenz etwa. Bald jedoch entwickelte sich, beginnend mit Ubersetzungen lateinischer Lustspiele, ein Schuldrama in deutscher Sprache. Diese Stücke hatten den Zweck, zu bestimmten äußerlichen »Tugenden« zu erziehen, eine gewählte Sprache und Ausdrucksweise, ein gutes Benehmen zu lehren. Außerdem sollten sie die allgemeine sittliche und religiöse Erziehung unterstützen, weshalb man oft auch biblische Stoffe bearbeitete. Das Jesuitentheater beeinflußte dabei sehr stark die deutsche Schuldramatik 14 . Während aber die Jesuitenbühne als Agitationsmittel zu allen Zeiten eine betont kirchlich-religiöse Tendenz vertrat, setzte sich im deutschen Schultheater mehr und mehr die weltliche Tendenz durch: der »'vielseitig gebildete, zu praktischen Zwecken erzogene Weltmann' wurde zum Ideal« 16 und bestimmte schließlich 13 P. Exp. Schmidt, Die Bühnenverhältnisse des deutschen Schuldramas und seiner volkstümlichen Ableger im sechzehnten Jahrhundert. Forschungen zur neueren Literaturgeschichte, Berlin 1903, S. 5. Schmidt bezieht sich hier auf eine ältere Definition des Schuldramas. 14 Vgl. Willi Flemming, Geschichte des Jesuitentheaters in den Landen deutscher Zunge, Berlin 1923 (Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte, Bd. 32). 16 Walter Gerlach, Das Schuldrama des 18. Jahrhunderts unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung der Jugendliteratur. Zeitschrift für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts, Berlin 1915, 2. Heft, S. 95.

S Komedia X

114

Materialien

(im Ausgang des 17. Jahrhunderts) das Bildungsziel — ein Bildungsziel mit weitgehend bürgerlichem, antihöfischem Gehalt. Ungefähr in dem gleichen Maße, in welchem sich die deutsche Sprache das Schultheater erobert, treten die kirchlich-religiösen und oratorischen Absichten zurück. Die Schulaufführungen ordnen sich immer stärker in das allgemeine Lehr- und Lernprogramm der Schulen ein, wobei in allen Stücken die pädagogischen Ziele unverhüllt hervorkommen. Ebenso deutlich erkennen wir ein Schema, nach welchem die Stücke »gemacht« worden sind — als Übungsstücke für wohlgesetztes Reden, feines Benehmen und als Lehrstücke mit dem eng umgrenzten Ziel, ein bestimmtes Wissen zu vermitteln. Dennoch geht es nie allein um bloßes Unterrichten. Zu den Gründen für die Schulaufführungen gehört ebenfalls das Vergnügen am Spiel, die Freude am Theater. Der Charakter dieser Spiele mußte sich notwendig in dem Augenblick wandeln, da man verzichtete, überlieferte Werke auszuwählen, die für den Unterricht in Rhetorik und Stilistik geeignet erschienen. Sobald originale Schuldramen entstehen, bilden die pädagogischen Absichten die Anfangsgründe der Stücke. Nunmehr wird von vornherein das Lehrprogramm mit den Möglichkeiten der jeweiligen Schulbühne abgestimmt, so daß wir im einzelnen durchaus eigentümliche Werke haben (entsprechend den unterschiedlichen Verhältnissen an den Schulen und der »Geschicklichkeit« des Verfassers). Im ganzen aber sind sie sich ähnlich, bedingt durch die gleiche pädagogische Tendenz, durch die gleichen Rücksichten auf Schüler und Publikum und auch durch gleiche künstlerische Mängel. Diese Schuldramatik bildet zwar eine eigene literarische Gattung, doch es wäre falsch, sie von der übrigen Literatur zu trennen; denn immer war die Schulbühne ein Teil des literarischen oder kulturellen Lebens und existierte niemals unabhängig von der allgemeinen Entwicklung. Auch das sogenannte Kunstdrama des Barock wurde in den Schulen aufgeführt und gepflegt, und viele Dichter sind aus dem Schultheater hervorgegangen (wie G R Y P H I U S , der als Schüler bei Aufführungen mitspielte). Andererseits orientierten sich natürlich die Autoren der Schulbühne an der zeitgenössischen Dramatik und am Theater ihrer näheren und weiteren Umgebung. So finden wir bei Christian Weise gelegentlich Themen und Motive, die an SHAKESPEARE erinnern. Freilich können wir dabei kaum von einem wirklichen und unmittelbaren Einfluß reden. Weise hat von SHAKESPEARE vermutlich nur das gekannt, was die Wanderbühne brachte (in einer verstümmelten, für ihre Zwecke zurechtgestutzten Form). Wie groß und nachhaltig die Einflüsse der Wanderbühne auf das Schultheater gewesen sind, läßt sich im

Gattungsgeschichtliche Einordnung

115

einzelnen nicht bestimmen. Auf jeden Fall aber gab sie den Schulen ständig neue Impulse; denn sie trug das eigentliche Theaterleben in der damaligen Zeit. Unter Christian Weise erlebte die sächsische Schulkomödie eine neue und letzte Blüte, angeregt sicherlich auch von dem erfolgreichen Jesuitentheater, das im benachbarten Schlesien wirkte. Dort hatten sich die Jesuiten (etwa seit dem zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts) festsetzen können, indem sie Gymnasien gründeten und eifrig agitierten — vornehmlich mit ihren Schulaufführungen, die öffentlich waren und viele Zuschauer anlockten. Die protestantischen Gymnasien begannen mit dem Jesuitentheater zu wetteifern, die Schulbühne überwand vielfach ihre Eintönigkeit, und eine neue Zukunft schien ihr bevorzustehen. Inhalt und Funktion der Stücke erklären, weshalb die Aufführungen an protestantischen Gymnasien weit früher eingestellt wurden als an katholischen. Die protestantische Schulbühne sank entweder zum formalen Unterrichtsmittel ab und erstarrte, oder sie versuchte, über die Schule hinaus zu wirken, und ging bald in der allgemeinen literarischen Entwicklung auf. An katholischen Gymnasien hielten sich die Aufführungen länger und mit der immer gleichbleibenden Tendenz, die alleinseligmachende Kirche zu verherrlichen. Von diesen Dramen führte keine Brücke zur Aufklärung, die schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts das literarische Leben im wesentlichen prägte. Die Komödien Christian Weises folgen durchaus der Tradition: hinter ihnen steht eine bestimmte pädagogische Absicht -— freilich in einem viel umfassenderen Sinn als im bisherigen Schuldrama. Seine Stücke beschränken sich nicht mehr darauf, die äußerlichen Fertigkeiten (wie richtiges Benehmen oder geschicktes Auftreten) zu lehren. Sie wollen einen Spiegel des menschlichen Lebens bieten und mit dessen Hilfe zur »Weltklugheit« erziehen. Die Belehrung geht also über das eigentliche Schulprogramm hinaus und soll offenbar — neben den Schülern — ein größeres Publikum erreichen. Nicht eine rhetorisch verkündete Moral, sondern allein die Wirklichkeit des Lebens, die auf der Bühne vorgestellt wird, ermöglicht für Weise die Nutzanwendung der Komödie. Er predigt kein abstraktes Tugendideal und wendet sich von der schematischen »barocken« Vorstellungswelt zur lebendigen Wirklichkeit (was •— mit einigem Recht — als naturalistische Opposition bezeichnet worden ist). Im Bäurischen Machiavellus werden die Moraldiskussionen in die Rahmenhandlung verbannt, in die Allegorie, wo die »barocken«18 Elemente vorherrschen, die Deklamation, die Klage über 16 Vgl. Heinz Otto Burger, Die Geschichte der unvergnügten Seele. Ein Entwurf. Erlanger Universitätsreden. Neue Folge. Erlangen 1961, S. 6. 8*

116

Materialien

eine unauflösbare Spannung zwischen Geist und Welt, Ideal und Leben. Das allegorische Reich, wo ein oberster Richter das Gute und das Böse eindeutig zu scheiden vermag, liegt jenseits der Realität von Querlequitscb. Christian Weise erfüllte das Schultheater für kurze Zeit mit neuem Leben. Indem er aber seine Komödien über den engen Schulzweck hinausführte, nahm er ihnen gleichzeitig die ursprüngliche Bestimmung und zerstörte ihre traditionelle Form. So bezeichnen seine Stücke nicht allein die Wende zur Aufklärung, sondern auch den Übergang vom Schuldrama zur bürgerlichen Komödie des 18. Jahrhunderts. Weise unterscheidet kaum zwischen seinen biblischen und historischen Stücken und seinen »freien Gedichten«, wenn er über Wesen und Zweck des Theaters spricht. Was er von den Dramen und von den Komödien im allgemeinen sagt, gilt ebenso für seine »lustigen Erfindungen«, zu denen der Bäurische Machiavellus gehört. Der Dichter ist überzeugt vom »sonderlichen Nutzen«, den Komödien bei der Jugend haben, zumal »nicht zu verachten« sei, »daß junge Leute mit guter Bequemlichkeit einen Blick in das gemeine Leben tun, welches ihnen sonst ohne große Müh und Kosten nicht in die Augen fället« 17 . Solche und ähnliche Bemerkungen lassen erkennen, wie sehr Weise in der dramatischen Poesie die Nützlichkeit betonte. Der unmittelbar-praktische Nutzen für Schauspieler und Publikum erschien ihm als der eigentliche Zweck des Theaterspiels. Natürlich war der Zittauer Rektor viel zu sehr Poet, als daß er völlig das Vergnügen hätte leugnen können, das ihm (und anderen) sein dramatisches Schaffen bereitete. Doch über dieses Vergnügen spricht er nur selten und oft nur andeutungsweise. Sicher wollte er (aus den bekannten Gründen) keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, welcher Ernst im Bühnenspiel und Komödienschreiben liege. In der Vorrede zu seiner Dramensammlung »Neue Proben von der vertrauten Redens-Kunst« lesen wir: »Wenn ich curiösen Gemüthern zu Gefallen bey dieser Gelegenheit gedachten Nutzen aus den Komödien etwas deutlicher ausführen sollte, so ist es allerdings bekannt, dass wir erstlich einen guten Weg zur galanten Manier in unserer deutschen Sprache finden, weil die Redensarten in solchen ungezwungenen Gesprächen nicht nur von Ausländern, sondern auch von unseren Landsleuten selbst sehr wohl können gemerkt und geübet werden. Ferner finden wir 17 Christian Weise, Von Verfertigung der Komödien und ihrem Nutzen. Deutsche Literatur . . . in Entwicklungsreihen, Reihe Aufklärung, Bd. i, Leipzig 1958, S. 128t.

Gattungsgeschichtliche Einordnung

117

etwas so wohl in Tugend-Lehren als in den Politischen Anschlägen, darinnen sich mancher scharfsinniger Kopf wohl vergnügen kann, indem einer nach dem andern sein schönes oder sein hessliches Ebenbild unter einer frembden Person betrachten und den ganzen Verlauff zu seiner Besserung ansehen mag. Endlich haben wir einen oratorischen Nutzen, darvon ich vorjetzo meistens reden will. Denn es bleibt darbey, wer sich in dergleichen Sachen auch nur zum Zeitvertreib umbsehen kann, der hat unvermerkt einen trefflichen Vortheil in der Redens-Kunst oder doch in der also genannten Prudentia oratoria zu gewarten.« 18 Und seinen Schülern gibt er den Rat: »So lernt zu guter letzt, worinn das Werk besteht. Die süsse Poesie sol euch nur munter machen, Damit ihr allerseits die Reden und die Sachen Geschickt verbinden könnt: sie sol der Zucker seyn, Den müst ihr auff den Safft der andern Künste streun. Drum lacht die andern aus, die nur im blossen Reimen Den armen Kopff bemühn, und alles sonst versäumen Was gut und nützlich ist.« 19 Die Stücke Weises erhalten ihre Eigenart weitgehend von dem Zweck, den sie erfüllen sollen. Für den Dichter bleibt ihre Nützlichkeit ein Gebot, dem er seine dramaturgischen Ansichten unterordnet. Seine Muse ist weitaus mehr als »ein derbes, mutwilliges Naturkind« 20 , und nicht allein seine Schuldramatik wird von bestimmten Zielen und Überzeugungen geprägt. Er hat zwar keine eigentliche Poetik verfaßt, aber die zahlreichen Bemerkungen zur dramatischen Poesie, die wir besonders in den Vorreden zu seinen Werken finden, erklären die Grundgedanken und Leitsätze hinreichend, von denen er ausgeht. Allgemein können wir sagen, daß er sich in seinen theoretischen Erwägungen wie in seinem praktischen Schaffen von einem — recht eng aufgefaßten — Prinzip des Lebensechten und Naturwahren führen läßt. Aus Gründen der »Lebensechtheit« verzichtet er beispielsweise darauf, eine Komödie in Versen zu schreiben: »Drum habe ich auch keine Komödie in Versen vorgestellet, ob ich gleich solches um so viel desto leichter hätte schaffen können, weil ich constructionem prosaicam niemals verlassen darf. Doch ich finde keinen casum im menschlichen Leben, da die Leute mit einander Zit. bei Kornemann, a. a. O., S. 50. Zit. bei H. Palm, Christian Weise. Eine litterar-historische Abhandlung. Schulprogramm, Breslau 1854, S. 8. 20 Ludwig Fulda, Einleitung zum 39. Bd. von Kürschners »Deutscher National-Litteratur«, S. IH. 18 19

118

Materialien

Verse machen. Und wenn ich etwas von Arien mit eingemischet habe, so wird ein jedweder wissen, daß die Leute zum Zeitvertreib oft ein Lied singen. J a man findet bei dieser Abwechselung etwas Angenehmes, dadurch die Aktion selbst zu einem besseren Applausu gelangen kann. Wie dem allen, eben darum habe ich bei meinen edierten Sachen mehrenteils dahin reflektieret, daß ich die Stücke vom gemeinen Leben lieber als andre guten Freunden durch den Druck lasse bekannt werden. Sie sehen schlecht aus und dürfen nicht gar zu prächtige Kleider, auch wenig kostbare Maschinen. Gleichwohl kann sich ein jedweder selbst in solchen Bildern betrachten und manchen Antrieb zur Geduld, zur Klugheit, zur Behutsamkeit mit nach Hause nehmen.« 21 Weise strebte danach, das lustige Spiel auf der Bühne dem alltäglichen Geschehen anzugleichen, die Wirklichkeit getreu wiederzugeben. Die eigentümlichen Gesetze der Komödie — als einer literarischen Gattung — erkennt er nicht, ebensowenig überdenkt er die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Kunst und »Natur«. Das »gemeine Leben« gilt ihm als unmittelbares und einfach nachzuahmendes Vorbild seiner Lustspiele. Gerade in dieser Hinsicht ähnelt er seinem späteren Gegner J O H A N N C H R I S T O P H G O T T S C H E D . Weises Komödien sind zu »Lust und Nutz« entstanden. Damit sie aber ihren Zweck erreichen können, müssen sie (nach Meinung des Dichters) »natürlich« sein. »Natürlichkeit« heißt das künstlerisch-ästhetische Prinzip seines Schaffens. V o r allem bemühte er sich um eine natürliche Sprache seiner dramatischen Gestalten. Aus diesem Grunde schrieb er seine Stücke nicht selbst nieder, sondern diktierte sie, und er ließ die Niederschrift meist unverändert, weil er glaubte, die lebendige Rede werde durch eine »unnatürliche« Glättung beeinträchtigt. Seine Gestalten auf der Bühne sollen wie »natürliche« Menschen reden, wie die Zuschauer im Saal. Weise empfahl sogar, den sprachlichen Ausdruck seiner Stücke abzuändern, wenn er nicht mit der Redeweise des Publikums übereinstimme. Nach seiner Erfahrung wirkt ein Lustspiel am besten durch »gewöhnliche Pronunciation«. E r berichtet: »Ich habe die Zeit meines Lebens nur eine Komödie von den meinigen auf einem frembden Theatro gesehen, doch ich lief davon, ehe der letzte Aktus sollte vorgestellet werden. Ach es ist unmöglich, daß der Accent, der Dialektus und andere Kleinigkeiten lebendig heraus kommen, wenn nicht ein jedweder seine Partie mit einer freimütigen Gelassenheit 21 Christian Weise, Von Verfertigung der Komödien und ihrem Nutzen, a. a. O., S. 131.

Gattungsgeschichtliche Einordnung

119

auszuführen weiß, wie man solches im gemeinen Leben gewohnet ist.«22 Weise versuchte, die Sprache des alltäglichen Umgangs in die Komödie einzuführen, nicht zuletzt in der Absicht, seine Schüler und sein Publikum den rechten Ausdruck zu lehren. Die Regeln seiner poetischen Sprache erläutert er anschaulich in einem Gedicht: »Doch liebstes Vatter-Land, ich werde dir gefallen, Daß ich im Schreiben nicht ein Sprach Tyranne bin, Ich folge deiner Zier, und richte mich in allen Aufif alte Reinigkeit und neue Kurtzweil hin, Ich bin so Eckel nicht, ich lasse mir belieben, Was die Gewohnheit jetzt in langen Brauch gebracht, Hätt unser Alterthumb nicht so und so geschrieben, So hätt es dieser Kiel auch anders nachgemacht. Und weil die Teutschen viel auß andern Sprachen borgen, So muß ich ebenfalls mich auch darzu verstehn: Ein ander, dems verdreust, mag sich zu todte sorgen, Gnug, daß die Verse gut, die Lieder lieblich gehn . . .«2S Die Sprache der Weiseschen Stücke ist ungewöhnlich in ihrer Zeit, jedenfalls in der Literatur. Aber die Komödien des Zittauer Rektors unterscheiden sich nicht allein durch ihren Stil, durch ihre Sprache von der herkömmlichen Dramatik. Das allgemeine ästhetische Glaubensbekenntnis Christian Weises lautet, die Kunst müsse in allen ihren Äußerungen der Natur folgen. »Man muß die Sachen also vorbringen / wie sie naturell und ungezwungen sind: sonst verliehren sie alle grace, so künstlich als sie abgefasset werden. Ein Mahler wäre nicht klug wen er die Rosen mit güldenen Knöpfgen abmahlete; ob er gleich dencken möchte / es kähme friescher und ansehnlicher herauß: denn die naturlichen Rosen wären dem Bilde nicht ähnlich.«24 Die Komödien, die Weise für die Zittauer Schulbühne geschrieben hat, kehren den »barocken« Dramenstil gewissermaßen um: die aufgeblähte Sprache mit ihren zahlreichen erlesenen Beiwörtern wird von kräftigen, derben Ausdrücken erfüllt, die Entfremdung vom natürlichen Sprechen ist einer oft betont naturalistischen Rede gewichen — Zeichen des unbedingten Strebens nach Realität. Was man als barocke sprachliche Wucherung bezeichnet hat, in den 22 Christian Weise, Von Verfertigung der Komödien und ihrem Nutzen, a. a. O., S. 131. 23 Christian Weise, Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, eingeleitet von Max Freiherr von Waldberg. Neudrucke deutscher Litteraturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts, Halle 1914, S. I7if. 21 Eine andere Gattung von den überflüssigen Gedancken / In etlichen Gesprächen vorgestellet, Leipzig 1682, Vorrede.

120

Materialien

Werken der HOFMANNSWALDAU und L O H E N S T E I N beispielsweise, findet sich aber — in anderer Form — auch bei Weise: als Häufung drastischer Ausdrücke und grober Redensarten. An den Lustspielen des Zittauer Rektors fällt zunächst die ungekünstelte Sprache auf, die eigenwillige Gestaltung und ein souveräner Verzicht auf überkommene Regeln. Weise formte seine Stücke nach eigenem Ermessen im Rahmen der Bedingungen und Möglichkeiten, die ihm das Schultheater bot. Die Lustspiele mit ihren Haupt- und Nebenhandlungen, mit ihren Konflikten und Lehren erfand er selbst. Seine dramatischen Gestalten brauchte er jedoch nicht zu erfinden: sie waren in seinen Schülern vorhanden. Das heißt natürlich nicht, im Zittauer Gymnasium hätten sich dieselben Spitzbuben und Gauner befunden, die in manchen seiner Stücke auftreten, sondern er wurde lediglich durch seine Schüler zu bestimmten dramatischen Personen angeregt, und er versuchte, seine Gestalten in ihrem Wesen, ihrer Eigenart oder auch nur in ihrer Redeweise den künftigen Schauspielern so weit anzupassen, daß jeder Schüler seine Rolle ohne große Schwierigkeit spielen und sich wie im »gemeinen Leben« verhalten konnte. Natürlicherweise eigneten sich nicht alle Schüler gleichermaßen zum Spiel auf der Bühne, aber Weise bemühte sich, jedem die passende Rolle zu geben, denn alle sollten mitspielen. Deshalb treten in seinen dramatischen Werken sehr viele Personen auf. Sie brauchen eine breit angelegte Handlung, um wirken zu können. Noch ehe also Weise ein Schauspiel zu entwerfen begann, kannte er im wesentlichen die Gestalten, die es bevölkern würden. Selbst in den »freien Erfindungen« schweifte er nicht ins Reich der Phantasie, sondern blieb von vornherein an reale Personen gebunden — und mehr noch an äußere Umstände. Denn viele Rücksichten mußte er nehmen: auf die Adligen, denen er keine »niedrige« Rolle zuteilen durfte, auf die Obrigkeit, auf die Freunde und Verwandten seiner Schüler und nicht zuletzt auf die Schüler selbst. Doch alle Schwierigkeiten wurden vom Dichter gemeistert, weil er vom Nutzen seiner Komödien überzeugt war. Mit seinem Wirken als Lehrer, Poet und Erzieher hatte er nicht mehr und nicht weniger im Sinn, als eine nützliche Arbeit zu leisten: » . . . wir lernen nicht darum, dass wir in der Schule wollen vor gelehrt angesehn seyn; sondern dass wir dem gemeinen Leben was nütze werden. Vielleicht würden auch die Gelehrten an vielen Orten nicht so veracht seyn, wenn sie mit ihren thun erwiesen, dass die Welt ihrer nicht entrathen könte.«26 28

Zit. bei H. Palm, a. a. O., S. 5.

Zur Analyse des Stücks

121

Z u r A n a l y s e des Stücks Christian Weise teilt im Bäurischen Machiavellus die Personen in zwei Gruppen. Zuerst werden die allegorischen Figuren genannt, die auf dem Parnassus erscheinen; danach folgen die Leute von Querlequitscb2e, die Personen im Zwischen Spiele. Diesen zwei Gruppen entsprechen zwei verschiedene Handlungen, von denen die eine, der allegorische Rahmen, durchaus wegbleiben könnte. Dann allerdings wäre das Geschehen in Querlequitscb nur ein heiteres Spiel ohne tiefere Bedeutung, ein Intrigenstück mit vielen lustigen Einfällen, aber ohne die leicht erkennbare Lehre, ohne die nachdrücklich formulierte Moral von der Geschichte. Die Ereignisse in Querlequitscb beginnen, als die Stelle des Pickelberings frei geworden ist. Nach und nach tauchen drei Bewerber für dieses Amt auf, und jeder findet seinen Gönner. Dem Schulmeister Scibilis, der Hauptgestalt in diesem Intrigenspiel, gelingt es schließlich mit List und Betrug, seinen Kandidaten durchzubringen. Damit aber auch die anderen beiden (und ihre Gönner) zufrieden sind und nicht leer ausgehen, werden für sie neue Ämter geschaffen. Dieser einfachen und anspruchslosen Handlung fügt Weise viele Episoden hinzu, so daß ein abwechslungsreiches Lustspiel entsteht, dessen Vielfalt jedoch nie verwirrt. Alles bleibt übersichtlich, gut gegliedert und auf das Hauptgeschehen orientiert. Daß im einzelnen manches unmotiviert erscheint, ist für das Ganze und für den Gesamteindruck bedeutungslos. Weniger turbulent als in Querlequitscb geht es auf dem Parnassus zu: viel ernster und nicht so amüsant. Hier werden philosophische Fragen erörtert. Die Gestalten dieser Handlung sprechen im Grunde ebenso wie die Leute in Querlequitscb, aber sie benehmen sich würdiger. Ein hohes Gericht ist versammelt, und Machiavellus wird angeklagt, weil seine Schriften alle Falschheit List und Betriegerey in der Welt eingeführt hätten. Der Angeklagte bezeichnet jedoch die Bauern als die ärgsten Macbiavellisten. Um diese Behauptung zu prüfen, werden zwei Kommissare in die Welt geschickt. Sie erleben die Ereignisse in Querlequitscb als unsichtbare Zeugen. Der allegorische Rahmen, soweit er nicht bloß traditionelles Rudiment ist, verweist auf die Lehren der dramatischen Vorgänge, er kommentiert, was im Zwischen Spiele geschieht, und erläutert ausführlich das Thema der Komödie: den Machiavellismus. Dieses Thema lag dem Dichter offenbar am Herzen. Schon sein vorhergehendes 26 Zur Bedeutung des Namens »Querlequitsch« vgl.: O. Weise, Firlefanz, Quirlequitsch, Tripstrille. Zeitschrift für Deutsche Wortforschung, 3. Bd., Straßburg 1902, S. izzff.

122

Materialien

Drama, »Der gestürtzte Marggraff von Ancre«, hatte machiavellistische Intrigen vorgestellt — allerdings unter »hohen« Personen. In der Literatur des 17. und auch des 18. Jahrhunderts finden wir häufig das Thema des Machiavellismus — als Ausdruck bestimmter gesellschaftlicher Machtverhältnisse; denn: »Machiavelli hat. . . den 'Machiavellismus', die Trennung der politischen Praxis von den christlichen Idealen, nicht erfunden — jeder kleine Renaissancefürst war ein fertiger Machiavellist. Nur die Doktrin des politischen Rationalismus gewann durch ihn ihre erste Formulierung, und nur die bewußte, planmäßige realistische Praxis fand in ihm ihren ersten nüchternen Anwalt. Machiavelli war nur ein Exponent und Wortführer seiner Zeit. Wenn seine Lehre nichts als der bizarre Einfall eines geistreichen und grausamen Philosophen gewesen wäre, hätte sie nicht die erschütternde, an das Gewissen jedes moralischen Menschen rührende Wirkung gehabt, die sie tatsächlich hatte.«27 Um die Ideen M A C H I A V E L L I S kennenzulernen, »war es übrigens durchaus nicht nötig, Machiavellis Schriften selbst zu lesen — was ja auch die wenigsten getan haben; der Gedanke des politischen Realismus und der 'doppelten Moral' war Gemeingut, es wurde den Leuten auf den unkontrollierbarsten Wegen zugetragen. Machiavelli hat in allen Bezirken des Lebens Schule gemacht; man witterte allerdings die Teufelsschüler auch da, wo sie niemals gewesen sind; jeder Lügner schien die Sprache Machiavellis zu sprechen, jeder Scharfsinn war verdächtig.«28 Der florentinische Staatsmann wurde zum Inbegriff des Bösen, der politischen Gewalttätigkeit, des Intrigengeistes und zum Begriff des Atheistischen29. Zahllose Streitschriften gegen M A C H I A V E L L I versuchten ihn und seine Lehre zu widerlegen. Erwähnt sei der Anti-Machiavellus von I N N O C E N C E G E N T I L L E T , da Weise diese Schrift wahrscheinlich gekannt hat: sein Advocat wieder Macbiavellum heißt Gentilletus. Aufschlußreich für die zeitgenössische Meinung über den Florentiner sind die Worte von G E O R G I U S N I G R I N U S , der G E N T I L L E T S Werk ins Deutsche übersetzte: »Zu Alexandri vnd Juli) Zeiten lebte zu Florentz Nicolaus Machiauellus / ein Gottloser bube / war der Florentiner Secretarius / hat etliche bücher geschrieben von der regierung / da er die Weltlichen Herrn zu Heuchlern vnnd Tyrannen / ja zu lautern Heyden macht / welche jetzunder der Walen vnd Frantzosen richtschnur seind. Dise Gottlose lehrn seind 27

Arnold Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München 1953, Bd. 1, S. 399. 28 Arnold Hauser, a. a. O., S. 401. 29 Vgl. Friedrich Meinecke, Die Idee der Staatsräson in der neueren Geschichte, 3. Auflage, München und Berlin 1929, S. 156t.

Zur Analyse des Stücks

123

von einem frommen gelehrten Mann widerlegt in Frantzösischer vnnd Lateinischer sprach / wolte Gott daß alle Fürsten / Herrn / Rhät vnnd Edelleut fleissig lesen vnd behielten: ist hernach von mir geteuschet / vnd genent Regenten künst.«30 Ob Weise die Übersetzung des N I G R I N U S gekannt hat, bleibe dahingestellt. Sehr wahrscheinlich aber wurde die Rahmenhandlung im Bäurischen Machiavellus angeregt oder beeinflußt von B O C C A L I N I S »Ragguagli di Parnaso«, die 1644 auch in deutscher Sprache erschienen waren. Während aber B O C C A L I N I den Machiavellus zum Feuertode verurteilt, kommt er bei Weise glimpflicher davon. Zwar gehört er zu den Menschen verderbern, aber der Hauptschuldige heißt Antiqvus, der alte Anfänger aller Boßheit, und Machiavellus ist nur ein Soldate unter dessen Fahne. Indem Weise ein ursprüngliches Prinzip des Bösen als Ursache der irdischen Unmoral nennt, erklärt und bestätigt er, daß auch die geringsten Personen, die niemals eine Schrift von Machiavelli gelesen haben, machiavellistisch handeln können. Damit verzichtet er weitgehend auf eine Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen, aus denen der Machiavellismus entstanden ist. Mit seinem Spiel in Querlequitsch entschuldigt er sogar in gewissem Sinne den herrschenden Feudaladel: denn auch geringe und Bäuerische Personen sind Missetäter. Die Übel in der Welt entstehen aus dem Prinzip des Bösen, das von Anbeginn unter den Menschen wirkt, nicht aber aus den gesellschaftlichen Verhältnissen, die Herrscher und Beherrschte kennen. In Querlequitsch triumphieren List, Bosheit und Betrug. Die Übeltäter erreichen ihr ¡Ziel. Von einem Siege der Gerechtigkeit hören wir nichts. Das Geschehen in Querlequitsch lehrt jedenfalls keine Moral, sondern gibt nur ein schlechtes Beispiel für weltliches Treiben. Lediglich im allegorischen Rahmen, in einer anderen Welt, siegen Tugend und Gerechtigkeit (und mit Antiqvus werden auch die Ereignisse in Querlequitsch verurteilt). Die beiden Commissarien haben schlimme Kunde von ihrer Weltfahrt mitgebracht. Doch bei den Bauern waren sie nicht. Im ganzen Stück finden wir keinen einzigen Bauern, obwohl sehr oft über sie gesprochen wird. Für Weise sind Bauern die niedrigsten Leute von der Welt, und in seiner Komödie soll bäurisch das Niedrige und Gemeine schlechthin bezeichnen, den Widerspruch zum Hohen und Edlen, zur Tugend, die ihren Wohnsitz auf dem Parnassus hat. Der lehrhafte Zweck des Bäurischen Machiavellus tritt im Zwischen Spiele etwas hinter den unterhaltsamen Geschehnissen zurück, aber in der Schluß-Handlung werden, jedem verständlich, noch einmal 30 Georgius Nigrinus, Papistische Inquisition vnd gulde Flüs der Römischen Kirchen, o. O., Anno MDLXXXIX, S. 609.

124

Materialien

alle Lehren vorgetragen, so daß kein Zweifel entstehen kann über den rechten Weg zur Tugend, zu der Freundschafft aller Tugendhaften. Zur Wirkungsgeschichte Der Bäurische Machiavellus gehört zu den besten und bekanntesten Stücken des Dichters und fand »wegen seiner artigen und muntern Ausführung große Approbation und Beyfall« 31 . Im Jahre 1725 wurde das Lustspiel »auf Verlangen ein und andrer wiederum zum Druck befördert«32. Die Vorrede zu dieser Ausgabe deutet an, wie aktuell das Thema noch war: »So verhaßt der Name des Machiavelli fast überhaupt bey allen Menschen ist, so beliebt ist im Gegentheil bey denen allermeisten seine Lehre. . . . Denn gehen wir alle Stände in der Welt durch, von dem Vornehmsten biß zu dem Geringsten, von Fürsten und Herrn an biß zu denen Bauern, so werden wir allenthalben Machiavellisten gnug antreffen, so daß wir uns nicht etwa einbilden dürffen, als ob sie nur unter denen Regenten, Hoffleuten und Juristen zu suchen wären.«38 Der Bäurische Machiavellus eignete sich kaum für eine Aufführung außerhalb des Schultheaters; denn Weise hatte sein Drama völlig den Bedingungen der Schulbühne angepaßt: in Zahl und Eigenart seiner dramatischen Personen, in Aufbau und Umfang. Dies erschwerte natürlich jede Aufführung des Werkes an einem anderen Theater. Die meisten Stücke des Dichters wurden nur einmal gespielt, aber viele, besonders die frühen, erschienen im Druck und wirkten so auf die Zeitgenossen. Heute freilich ist von seinem Werk nichts mehr lebendig. Es kann im allgemeinen nicht mehr erwecken als literarhistorisches Interesse. Schon in den Jahren, da G O T T S C H E D über die deutsche Literatur herrschte, war der Ruhm des Zittauer Rektors verblaßt. G O T T S C H E D empfahl zwar, ihn zu lesen, »um dadurch auf manchen guten Einfall zu kommen«, doch er verurteilte seine Regellosigkeit: ». . . wie ihm überhaupt die Regeln der alten Redekunst und Poesie unbekannt gewesen; so ist er auch bey seinem selbstgewachsenen Witze geblieben, und hat lauter unrichtige Stücke gemacht. Man will ihn mehrentheils damit entschuldigen, daß er sich genöthiget gesehen, allen seinen Schülern etwas zu thun zu geben: allein, wer nöthigte ihn dazu, sie alle in 31 Christian Weisens Bäurischer Machiavellus, Erflurth 1725, Vorrede (vom 1. Juni 1724). 32 ebd., Titel. 33 ebd., Vorrede.

Literatur (in Auswahl)

125

einer K o m ö d i e zu brauchen? E r hätte sie wechselsweise in verschiedenen anbringen, und etwas rechtes machen können.« 34 GOTTSCHED übersieht aber, daß ihn vieles mit Weise verbindet. Nicht bloß in ihrer Ansicht v o m lehrreichen Z w e c k , den ein Schauspiel haben müsse, stimmen sie überein, sondern auch in der Uberzeugung v o m Nutzen der Poesie. Und Weise erfüllt mit seinem Bäurischen Machiavellus bereits, was GOTTSCHED später fordert. E r verzichtet auf den Hanswurst, den bloßen Possenreißer, der keine dramatische Funktion im Stück hat, sondern unmotiviert auftritt und die Einheit der Handlung sprengt. Im Bäurischen Machiavellus haben, ganz im Sinne v o n GOTTSCHEDS Forderung, alle Personen ihren Anteil an der Handlung. Das A m t des Pickelherings ist sogar zum Angelpunkt des Stückes geworden, löst die Geschehnisse aus und bewirkt die Intrigen. Weise führte die Poesie zum »gemeinen Leben« zurück und gab ihr eine nützliche Funktion. Mit ihm »tritt eine neue Generation in ein neues Zeitalter ein« 38 . Bürgerliche Welt- und Lebensansichten, aufklärerische Z w e c k e bestimmen seine Werke, trotz all ihrer »barocken« Elemente, und sein poetisches Wirken und Wollen ist »aufgehoben« in der Literatur des 18. Jahrhunderts.

L i t e r a t u r (in Auswahl) EGGERT, WALTHER: Christian Weise und seine Bühne. Germanisch und Deutsch, 9. Heft, Berlin und Leipzig 1935. (Unentbehrliche Darstellung der Theaterverhältnisse, sehr materialreich.) HAXEL, HEINRICH: Studien zu den Lustspielen Christian Weises (1642 bis 1708). Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Schuldramas. Stettin 1952. (Gründliche Untersuchung, die auch die voraufgegangenen Forschungsergebnisse kritisch einschließt.) KNIGHT, A. H. J. : Das Komische in Christian Weises Lustspielen. Germanisch-Romanische Monatsschrift 23 (1935) Heft 3/4. (Knapp zusammenfassende Darstellung ohne Einzelinterpretation.) KORNEMANN, ERNST WILHELM HERMANN: Christian W e i s e als D r a m a t i k e r .

Diss. Marburg 1853. (Versuch, das dramatische Werk zusammenfassend darzustellen. Keine tiefergehende Analyse.) LEVINSTEIN, KURT: Christian Weise und Molière. Eine Studie zur Entwicklungsgeschichte des deutschen Lustspiels. Diss. Berlin 1899. (Abhandlung über den Einfluß von Gryphius und Molière auf Weises Lustspiele; nicht immer überzeugend.)

34 J. Chr. Gottsched, Versuch einer Critischen Dichtkunst, 4. Auflage, Leipzig 1751, S. 642. 35 Franz-Josef Neuß, Strukturprobleme der Barockdramatik (Andreas Gryphius und Christian Weise), Diss. München 1955 (Masch.), S. 40.

126

Materialien

NEUSS, FRANZ-JOSEPH: Strukturprobleme der Barockdramatik (Andreas

Gryphius und Christian Weise). Diss. München 1955 (Masch.). (Eingehende Untersuchung des Bäurischen Machiavellus und der literarhistorischen Stellung Weises.) PALM, H.: Christian Weise. Eine litterar-historische Abhandlung. Schulprogramm, Breslau 1854. (Gute Einführung in das Gesamtwerk.) SCHAEFER, KLAUS: D a s Gesellschaftsbild in den dichterischen Werken

Christian Weises. Diss. Berlin i960 (Masch.). (Darstellung vor allem der gesellschaftskritischen Bedeutung Weises.) WICH, JOACHIM: Studien zu den Dramen Christian Weises. Diss. Erlangen-Nürnberg 1962 (Masch.). (Versuch einer »form- und geistesgeschichtlichen Gesamtdarstellung« der dramatischen Werke.)

W o r t - und S a c h e r k l ä r u n g e n absentiren: fernhalten, ausschließen. Accidens: Nebeneinnahme accommodtren: einfügen. auf beyden Achseln tragen: heucheln, es beiden Seiten recht machen wollen. acquiesciren: gefallen lassen, sich beruhigen. Affection: Neigung, Stimmung. aggreable: angenehm. Alcoran: Der Koran. alamode: modisch. angestochen: (schnell) gelaufen. Angstläuse: heimliche Angst. Aufgeld: Betrag, der beim Geldwechseln bezahlt werden muß. beneventiren: willkommen heißen. Blechatsche: kleine Münze. botz: Interjektion, eigtl. Gotts. Bravade: Trotz, Herausforderung. Brumeysen: primitives Musikinstrument, auch Maultrommel genannt. Calcant: Bälgetreter der Orgel. Cammer-Comoediante: Schauspieler an einem fürstlichen Hof. Causenmacher: einer, der Ausflüchte macht. causiren: verursachen. Citation: Vorladung. Claritäten: svw. »Erlaucht« oder »Exzellenz«; nach »clarissimus«, dem Titel hoher Staatsbeamter in der römischen Kaiserzeit. Commission: Auftrag. commoriren: bleiben. Condition: Bedingung, Lage. Confusion: Verwirrung. Consens: Zustimmung, Übereinkunft. contentiren: zufriedenstellen. Convent: Versammlung.

Wort- und Sacherklärungen

127

danmnhero: deshalb. decretiren: verfügen. denominiren: ernennen. designiren : bezeichnen. Difficultät: Schwierigkeit. Drittemann: Schiedsrichter. Drusebemann: beamteter Spaßmacher, auch Hochzeitsbitter, besonders in Schlesien. eindingen: (in einen Vertrag) einbeziehen. Einfält: Einfachheit, Schlichtheit. einfältig: schlicht, arglos. Einschlag: Ratschlag. Erudition: Gelehrsamkeit. Exekution: Vollziehung, Pfändung. exequiren: vollstrecken, pfänden. Exequirer: Gerichtsvollzieher, Steuereintreiber. exerciren: üben. Expedition: Unternehmung. Faute: svw. Rede. favorisiren: begünstigen. Fleck: Flicken. gelber Fleck: Zeichen, das die Juden an der Kleidung tragen mußten, wenn sie das Ghetto verließen. Fortification: Befestigung. den Fuchs beissen: tapfer angreifen. Gevatter Briefe: Einladungen zur Patenschaft oder auch die Glückwünsche (mit Geldgeschenk) der Paten für den Täufling. in dasgevierdte bringen: passend machen. gewöhnen: gewohnt sein. Grabscheidt: Spaten. Grundsuppe: Grundursache, Grundsubstanz. Gusche: Maul. Haberkirms: Fest, das gefeiert wurde, wenn der Hafer auf dem Felde reifte (Ende Juli, Anfang August) oder wenn er geerntet war. habit: Kleidung. Harr: drohende Interjektion, svw.: Warte nur! Herrligfeeiten: gebildet nach lat. majestas; Titel und Anrede. ein Hölingen stecken: ein Hindernis bereiten. hudeln: scheren, kümmern. Hundekarbatscbe: Hundepeitsche. Hunds flöh in den Bart: Schelte. ein Hänichen braten: Schwierigkeiten machen, in Mißkredit bringen, eine Streitsache austragen. Intention : Erfindung. Jurisdiction: Gerichtsbarkeit. in die Kappe fahren: hart zusetzen. Knack: Schwierigkeit.

128

Materialien

Knebel-Spieß: Spieß mit einem Querholz (Knebel) hinter dem Eisen; alte Jagd- und Bauemwaffe. Kofent: ein Dünnbier, eigtl. Klosterbier. mit Kräutern: mit Nachhilfe, nicht mit rechten Dingen. Ktibblume: Kuhfladen. Kuttel-Pforte: Tor zum Kuttelhof (Schlachthaus). Lamprete: Neunauge (fischähnliches Wirbeltier). Landknecbt: Gerichtsdiener, Häscher. Lauer: einer, der auf der Lauer liegt. Liecht-Ganß: wurde zu Beginn der Zeit gegeben, da bei Licht gearbeitet werden mußte, meist zu Michaeli (29. Sept.), aber auch zu Martini (11. Nov.). Mannvester: als Anrede gebraucht, wie Ehrenfester. manuteniren: handhaben. Materialist: Händler mit Waren des täglichen Gebrauchs, sog. Materialwaren. Melckgelte: Melkeimer. Mensch: Das neutrale Substantiv »Mensch« war im 17. Jh. noch ohne verächtlichen Nebensinn. Meutmacher: Aufrührer, Aufwiegler. nachbleiben: unterbleiben. Notul: Vertrag. Obstat: Widerstand. Partitenmacher: Ränkeschmied. ¡¡um Perspective: zum Hindurchsehen, zur Fernsicht. Pfingstbier: Bier zum Pfingstfest. Pickelhering: Name der komischen Person im Drama. Im Bäurischen Macchiavellus ist er ein beamteter Spaßmacher, ein Gehilfe bei Feiern usw. (vgl. Druschemanri). Plautste: Lunge, überhaupt Eingeweide. praesupponiren: voraussetzen. praeteriren: übergehen. Principale: Obere, Fürsten. Promess: Zusage. proponiren: vorbringen. prostituren: bloßstellen. Providern^: Vorsehung. in die Pült%e gehen: verloren gehen. qualißz'rt: geeignet. Quarcksack: Sack aus starker Leinwand, der zur Quarkbereitung gebraucht wird. Rabenstein: (gemauerter) Richtplatz unter dem Galgen. Rauten-KrantBezeichnung für das sächsische Wappen, das einen Rautenkranz enthielt. Recommendation: Empfehlung. recommendiren: empfehlen.

Kommentar

129

regatiren: bewirten. Relation: Bericht. resalutiren: wiedergrüßen Resolution: Entschließung. revengiren: vertreiben, bestrafen. sich ein Säfftgen lassen einstreichen: sich schonend etwas geben oder sagen lassen. in das Saltz hacken: verleumden. Satisfaction: Genugtuung, Buße. Sauertopff: Griesgram. mit der Sauglocke läuten: Zoten reißen. Scherschlip: Scherenschleifer. Schiebsack: weite Tasche in einem Kleidungsstück. Schlipscher: Umkehrung von Scherschlip. schmären: Nebenform zu schmieren. die Schub austreten: zuvorkommen. Scbu{b)häncke: (überdachte) Verkaufsstände der Schuhmacher. secundiren: unterstützen. Seidel: altes Maß für Flüssigkeiten. Sperantz: Hoffnung. Substitut: Stellvertreter. Supplication: Bittschrift. thauren: reuen. über den Tölpel stoßen: übervorteilen. Tractament: Bewirtung, Belohnung. turbiren: stören. überschnarchen: aufreden, aufdrängen. ungeheyt: unbehelligt Urthe: Zeche, Kosten. vacirend: vakant, leer stehend. St. Velten: Valentin, Tag des hl. Valentin, des Schutzherrn gegen Pest und Epilepsie (14. Febr.). verdrungen: hinweggedrängt. Vernehmen: Einvernehmen. verziehen: zögern. vexieren: foppen, zum besten haben. vexierlieh: spaßig, ärgerlich. Vocation: Berufung. Vorscbneider: der den Braten zerlegt, das Brot schneidet usw. Vorwerg: Vorwerk, ein vom Hauptgut getrennter Wirtschaftshof, der oft nur aus Schafställen besteht. votiren: abstimmen. Zeitung: Nachricht. Zwecken: (mit Zwecken) anheften. Z>»ier: zweimal. 9 Komedia X

130

Materialien

Kommentar (Erläuterungen zum Personenverzeichnis, Übersetzungen der lateinischen Wörter und Wendungen, Nachweise der Zitate und Anspielungen. Walther = Hans Walther, Proverbia sententiaeque latinitatis medii aevi, Teil i—3, Göttingen 1963—65. Wander = Karl Friedrich Wilhelm Wander, Deutsches SprichwörterLexikon, 5 Bde., Darmstadt 1964.) S. 7: NEMINI: An den Niemand. Das Pronomen »niemand« ist schon in alter Zeit auch substantivisch aufgefaßt und personifiziert worden. Es findet sich in dieser Form oft im Sprichwort, wie z. B. »Der Niemand ist an allem schuld«. Das Substantiv bezeichnet ferner eine Gestalt, deren wirklicher Name nicht genannt werden kann oder darf. Vgl. etwa Homer, Odyssee IX, 366. S. 9: EUSEBIUS: »der Fromme«. POLITICUS: »der Weltkundige«. URANIUS: »der Himmlische«. CIVILIS: »der Bürgerliche«. SIMPLEX: »der Einfache«, »der Schlichte«. CANDIDUS: »der Aufrichtige«. FIDELIS: »der Treue«. INNOCENS: »der Unbescholtene«. INFUCATUS: »der Ungeschminkte«. IMMUTABILIS: »der Beständige«. APOLLO: griech. Gott, der u. a. die sittliche Ordnung schützte und weissagte; Führer der Musen. Parnassus: Der Parnaß war dem Apollo und den Musen geweiht und galt als ihr Sitz. MERCURIUS: röm. Gott des Handels (griech. Hermes: Bruder Apollos, Götterbote). FAMA: der Ruf, das Gerücht. CURIOSUS: »der Wißbegierige«. RATIONALIS: »der Vernünftige«. APPETITUS: der Trieb, die Begierde. STOLIDITAS: die Tölpelhaftigkeit. CALLIDITAS: die Schlauheit. ERUDITUS: »der Gebildete«. SEDULUS: »der Emsige«, »der Fleißige«. Zuchtmeister: Erzieher. SEVERUS: »der Ernste«. ANTIQVUS: »der Alte«. S. 10: CIACONI: vielleicht gebildet nach lat. ciconia, der Storch, oder in Anlehnung an ital. ciacona = ein alter Tanz aus dem 16. Jh., der — als Ballettchaconne — oft auf der Bühne zu sehen war. PURUS PUTUS: sprichwörtlicher Ausdruck: »lauter und rein«. SUBSTANTIA: die Substanz. QU ANTITAS: die Menge, die Größe. DU RAN DUS: einer, der aushalten, der hart werden soll; von lat. durare.

Kommentar

131

SCIBILIS: eigtl. »wißbar«, hier svw. »der Alleswisser«; vgl. ital. scibile = Gesamtheit des Wissens. RISIBILIS: lächerlich, lachend. EXCIPE: lat. excipere = wegfangen, einen Einwand erheben. VADEMECUS: geh mit mir. EXTRA: außerhalb. INT RA: innerhalb. ADJECTIVUS: »der Beigefügte«; Wortart. NESCIO: ich weiß nicht. JUNIPERUS: Wacholder. ASCANIUS: Name des Sohnes von Aeneas. VOCATIVUS: »der Rufer«; Kasusbezeichnung. ACCUSATIVUS: »der Kläger«; Kasusbezeichnung. ZODIACUS: der Tierkreis. ACICULUS: svw. »kleine Nadel«. QUONIAM: weil ja, nachdem nun. Competitor: Mitbewerber. Gerichts Schölt??: Gerichts-Schultheiß; Vorsteher eines Gerichts, Verwalter des Richteramtes. Land Schöppe: Beisitzer eines Dorfgerichts, eines Gerichts auf dem Lande. Consulent: (Rechts-)Berater. Rügemeister: Richter an einem Rügegericht. Bier-Schätzer: Beamter, der mit Hilfe der »Schätzung« die Biersteuer festlegt. Wege Voigt: Wege- oder Straßenaufseher. Einnehmer: Einnehmer der Steuer, des Zolls usw. Bettelvoigt: Der Bettelvogt hatte die Aufgabe, das Betteln zu verhindern. Pachtmann: Pächter. Klingelmann: Gemeindediener, der die Kollekte sammelt. S. 12: Relation aus dem Parnasso: Die »Ragguagli di Parnaso« erschienen 1612—13 (teilweise ins Deutsche übersetzt 1617, vollständig 1644). S. 19: eine Satyrische Schrifft: »II principe«, erschienen 1532. Parisische Blut-Hochzeit: die Ermordung der Hugenotten in der Bartholomäusnacht, der Nacht zum 24. August 1572. Vesper: Der als Sizilianische Vesper bezeichnete Volksaufstand gegen die Franzosen begann in Palermo um die Vesperstunde am Ostermontag, dem 30. März 1282. S. 20: Alcoran: Der Koran, das heilige Buch des Islam, ist von jüdischem und christlichem Denken beeinflußt. Secretarius: Machiavelli war mehrere Jahre Sekretär einer florentinischen Staatskanzlei. Im Auftrag von Kardinal Giulio de Medici (als Papst Klemens VII.) schrieb er später die »Istorie Fiorentine«. CURIOSITAS: die Neugier; im Personenverzeichnis: CURIOSUS. S. 23: MUlta tulit, multa tulit: Er hat viel ertragen, er hat viel ertragen; Horaz, Ars poetica, 413: Multa tulit fecitque puer, sudavit et alsit; 9*

132

Materialien E t hat viel ertragen und getan, (schon als) Knabe, geschwitzt und gefroren. Collegium Comitiale: Ratsversammlung, Wahlkollegium. Die »comitia« waren Versammlungen der römischen Bürgerschaft. Sie hatten die Aufgabe, Gesetze zu beschließen oder zu verwerfen, Beamte zu wählen u. ä. supra numerum novem Musarum: über die Zahl der neun Musen hinaus ; bedeutet hier svw. »mehr als bisher vorhanden«. Gelegentlich wurde den klassischen Musen eine »zehnte Muse« scherzhaft beigegeben; vgl. etwa Gryphius, Horribilicribrifax II, 7. Fac totum: mache alles. in publicis: in der Öffentlichkeit. more solito: in gewohnter Art und Weise. cogitatioms: Gedanken. Salutantes: Grüßenden. ego sum versatus in omni scibili: ich bin gewandt in allem Wissen. pro hic & nunc: für hier und jetzt. ne quispiam a facie mea discedat tristis: damit keiner von meinem Angesicht traurig weggeht. Successor: Nachfolger. Exercitia: Übungen.

S. 24: voto: lat. votum = (Wahl)stimme, Urteil. Desiderium: Verlangen, Anliegen. Quicquid praecipies, esto brevis: Was du auch vorbringen wirst, es soll kurz sein; Horaz, Ars poetica, 335; vgl. auch Wander 2, 1730. Bivium Herculis: Scheideweg des Herkules. Nach einer Erzählung von Prodikos ging der junge Herkules in die Einsamkeit hinaus, unschlüssig, ob er den Weg der Tugend oder den Weg des Lasters für die Zukunft wählen solle. Tugend und Laster nahten sich ihm in Gestalt von Frauen, und jede suchte ihn für sich zu gewinnen. Vgl. Xenophon, Erinnerungen an Sokrates II, 1 , 2 1 . Incommoda: Unannehmlichkeiten. Tantae molis erat: So schwer war es; Vergil, Aeneis I, 33: tantae molis erat Romanam condere gentem; so schwer war es, das römische Volk zu gründen. positis ponendis: svw. »um alles aufzuzählen«. ein Essentialis: svw. »ein wesentlicher Mann«. Practica est multiplex: die Tätigkeit, die Verfahrensweise ist vielfältig; mlat. Sentenz; vgl. Walther 3, 9 1 1 . Imitator: Einlader. Parentator: svw. »Veranstalter der Totenfeier«; lat. parentatio = Totenfeier, Totenopfer. Solermiter: feierlich. Cur me obtundis ? Warum belästigst du mich ? S. 25: Salutibus