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German Pages 210 Year 1995
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 676
Bundesverwaltung unter Landesgewalt Exekutive des Bundes als Adressat und als Vollzugsinstanz des Landesrechts
Von
Klaus Schoenenbroicher
Duncker & Humblot · Berlin
KLAUS SCHOENENBROICHER
Bundesverwaltung unter Landesgewalt
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 676
Bundesverwaltung unter Landesgewalt Exekutive des Bundes als Adressat und als Vollzugsinstanz des Landesrechts
Von Klaus Schoenenbroicher
Duncker & Humblot • Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schoenenbroicher, Klaus: Bundesverwaltung unter Landesgewalt : Exekutive des Bundes als Adressat und als Vollzugsinstanz des Landesrechts / von Klaus Schoenenbroicher. - Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 676) Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08272-9 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-08272-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©
Vorwort Die Schrift ist von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn i m Sommersemester 1994 als Dissertation angenommen worden. Das Manuskript ist auf dem Stand von Anfang April 1994. Spätere Rechtsprechung und Literatur sind bis Ende September 1994 in den Fußnoten berücksichtigt. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Josef Isensee, danke ich herzlich für die außerordentlich fürsorgliche Betreuung der Arbeit und für die stete Förderung und Unterstützung, die ich in den Jahren an seinem Lehrstuhl erfahren habe. Herrn Professor Dr. Jürgen Salzwedel gebührt mein besonderer Dank dafür, daß er in sehr kurzer Zeit das Zweitgutachten zu der Arbeit erstattet hat. M e i n Dank gilt auch Herrn Professor Norbert Simon für die Aufnahme in die „Schriften zum Öffentlichen Recht". Schließlich danke ich dem Rektor der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn und dem Bundesministerium des Innern, die die Veröffentlichung der Arbeit gefördert haben.
Stuttgart, i m Oktober 1994
Klaus Schoenenbroicher
Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einleitung A. Gegenstand der Abhandlung ..
15
I. Ausgang: Die „Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern" II. Der bundesstaatliche Gesichtspunkt III. Behandlung des Untersuchungsgegenstands in der Literatur B. Gang der Untersuchung
17 20 29 30
Zweiter Teil Bestandsaufnahme A. Bundesverwaltung I. Eisenbahnen des Bundes
32 33
II. Bundespost
37
ID. Verteidigung
38
IV. Bundeswasserstraßenverwaltung
40
B. Maßgebliche Landeshoheit I. Landesrecht
41 41
1. Bauordnungsrecht
41
2. Denkmalschutzrecht
42
3. Straßen-und Wegerecht
43
4. Polizei- und Ordnungsrecht
43
5. Wasserrecht
44
6. Recht des Naturschutzes und der Landschaftspflege
44
7. Weitere Rechtsgebiete
45
II. Landesverwaltung C. Bewertung
46 46
8
Inhaltsverzeichnis Dritter Teil Die föderal-kompetentiellen Vorgaben für das Verhältnis von Bundesverwaltung und Landesrecht
A. Die These von der generellen Freistellung der Bundesverwaltung
48
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
51
C. Die Bedeutung der Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes und der Länder
56
I. Problemaufriß II. Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur 1. Rechtsprechung
56 56 56
a) Bundesverfassungsgericht
56
b) Bundesverwaltungsgericht
57
2. Literatur
59
3. Eigener Vorschlag: Distinktion nach dem Vorliegen einer speziellen bundesgesetzlichen Ausführungsvorschrift
63
III. Kompetenzabgrenzung beim Aufeinandertreffen einer bundesrechtlichen Vorschrift über die Aufgabenerfüllung und einer landesrechtlichen Beachtensvorschrift (eigentlicher kompetentieller Konfliktfall)
65
1. Vorrangigkeit der Auslegung der Kompetenznormen
65
2. Einwände gegen die ,3undestreuelösung" und die „Abwägungslösung" ...
68
3. Kriterien für die Auslegung der Gesetzgebungskompetenznormen
74
4. Folgerungen - Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse am Beispiel praktisch bedeutsamer bundesrechtlicher Ausführungsvorschriften a) § 4 AEG n.F. (§ 38 BBahnG a.F.)
84 84
aa) Geltung materieller landesrechtlicher Vorschriften für die Eisenbahnen des Bundes
85
bb) Geltung formellrechtlicher Vorschriften des Landesrechts; Anordnungsbefugnisse der Landesbehörden
87
b) § 48 WaStrG 5. Ergebnis IV. Bindung der Bundesverwaltung an das Landesrecht bei NichtVorliegen einer speziellen bundesgesetzlichen Ausführungsregelung (scheinbarer kompetentieller Konfliktfall)
90 90
90
1. Vorüberlegung
91
2. Nichterlaß eines Bundesgesetzes als „Indiz" für die fehlende Unerläßlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung?
92
3. Doppelzuständigkeiten von Bund und Ländern?
93
Inhaltsverzeichnis 4. Zuständigkeit der Länder im Regelfall aus einer (Verfassungs-)Analogie zu Art. 74 Nr. 14 GG
95
a) Die Bedeutung des Art. 74 Nr. 14 GG
95
b) Voraussetzungen der Analogie
96
5. Die Bedeutung des Bundestreueprinzips
99
6. Folgerungen
100
7. Ergebnis
100
V. Die Bedeutung landesrechtlicher Befreiungs-oder Milderungsnormen VI. Zuständigkeitsabgrenzungen durch Vereinbarungen
101 102
VII. Zusammenfassung: Die föderal-kompetentiellen Vorgaben für das Verhältnis von Bundesverwaltung und Landesrecht 103
Vierter
Teil
Die bundesstaatlichen Vorgaben für das Verhältnis von Bundesverwaltung und Landesverwaltung A. Problemaufriß
105
B. Die Bedeutung der Regelzuständigkeit der Länder und die allgemeinen Grundlagen der Abgrenzung der Verwaltungskompetenzräume von Bund und Ländern 106 I. Die Regelzuständigkeit der Länder zum Gesetzesvollzug (Art. 30, 83 ff. GG) 106 II. Die Abgrenzung der Bundes- und Landesverwaltungskompetenzbereiche
107
C. Unterscheidung nach dem Vorliegen einer bundesgesetzlichen Vollzugszuweisungsvorschrift 108 D. Ausdrückliche Vollzugszuweisung an die Bundesverwaltung
108
I. Verlagerung des Vollzugs von Bundesrecht
108
II. Verlagerung des Vollzugs von Landesrecht
112
1. Die grundsätzliche Problematik
112
2. Die Zuständigkeitskonzentration in der Planfeststellung als föderales Problem
112
a) Die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit des Bundes für die Zuständigkeitskonzentration - die Vorteile der Zuständigkeitskonzentration 113 b) Die konkrete Reichweite der Erstreckung der Zuständigkeitskonzentration in den Landesbereich - Notwendigkeit einer Bundeskompetenz für das materielle sekundäre Landesrecht
118
c) Verfassungswidriger Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden?
126
10
Inhaltsverzeichnis d) Mißbrauchsschranken
132
e) Klagemöglichkeiten der Länder gegen Planfeststellungsbeschlüsse der Bundesverwaltung 133 3. Die Befugnis des Eisenbahn-Bundesamtes zur Erteilung landesrechtlicher Genehmigungen nach § 4 Abs. 2 AEG (n.F.)
144
E. Zuständigkeit im Falle des Fehlens einer ausdrücklichen Vollzugszuständigkeitszuweisung an den Bund 145 I. Fehlende bundesgesetzliche Regelung als „Indiz" für die fehlende Verwaltungskompetenz des Bundes? 145 II. Die Lehre vom institutionellen Gesetzesvorbehalt als Begrenzung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes 146 F. Zusammenfassung: Die bundesstaatlichen Vorgaben für das Verhältnis von Bundesverwaltung und Landes Verwaltung
149
Fünfter Teil Art und Umfang der Gesetzesbindung der Bundesverwaltung A. Problemaufriß
150
B. Die Bindung der Bundesverwaltung an das Landesrecht als „schlichter Normadressat" 152 I. Meinungsstand
152
1. Rechtsprechung
152
2. Literatur
154
II. Die Bedeutung des Art. 20 Abs. 3 GG und die Tauglichkeit der zur Rechtfertigung eines allgemeinen Abwägungsvorbehalts vorgetragenen Argumente
156
1. Fragestellung, Prüfungsprogramm
156
2. Der dogmatische Ausgangspunkt: Art. 20 Abs. 3 GG
157
3. Die Tauglichkeit der zur Begründung eines allgemeinen AbwägungsVorbehalts vorgebrachten Argumente 157 III. Gesetzesbindung nach der einfachrechtlichen Ausgangslage und dem Geltungsanspruch der landesrechtlichen Beachtensvorschrift 161 1. Explizite spezielle bundes- oder landesrechtliche Regelung mit Bezug auf die landesrechtliche Beachtensvorschrift 161 2. Keine explizite Regelung
162
a) Die Berücksichtigung der Bundesbelange bei Beachtensvorschriften mit unbestimmten Rechtsbegriffen 163 b) Die Berücksichtigung der Bundesbelange im Rahmen von Ermessensentscheidungen
164
Inhaltsverzeichnis c) Die Berücksichtigung der Bundesbelange bei strikt gebundener Verwaltung IV. Ergebnis
165 166
C. Art und Umfang der Gesetzesbindung bei der Anwendung von Landesrecht in Planfeststellungsverfahren der Bundesverwaltung 166 I. Meinungsstand
167
1. Rechtsprechung
167
2. Literatur
170
IL Stellungnahme
171
III. Ergebnis
174
D. Zusammenfassung: Art und Umfang der Gesetzesbindung
174
Sechster Teil Die Befugnis der Landesverwaltung zur Einwirkung auf die Aufgabenerfüllung der Bundesverwaltung (Ingerenzbefugnisse im weitesten Sinne) A. Die Befugnis der Landesverwaltung zum Erlaß von Maßnahmen, insbesondere Geund Verboten 175 I. Rechtsprechung n. Literatur III. Stellungnahme
176 180 184
1. Spezielle Regelungen hinsichtlich der Eingriffsbefugnisse
184
2. Keine ausdrückliche Regelung
184
a) Veränderung der rechtlichen Ausgangslage
184
b) Ausgangspunkt: Art. 20 Abs. 3 GG
185
c) Die Untauglichkeit der für ein Eingriffsverbot vorgetragenen Argumente
186
d) Die Untauglichkeit der von der Rechtsprechung vorgenommenen Differenzierungen
188
3. Exkurs: Bedeutung des § 4 AEG (n.F.) IV. Ergebnis
189 189
B. Die Verpflichtung der Bundesverwaltung zur Einholung von Genehmigungen, Erlaubnissen, Dispensen usw 190 I. Ausdrückliche Regelung
190
1. Ausdrückliche bundesgesetzliche Regelung
191
2. Ausdrückliche landesgesetzliche Regelung
191
12
Inhaltsverzeichnis II. Keine explizite einfachrechtliche Regelung
192
1. Die Gesetzesbindung der Bundesverwaltung aus Art. 20 Abs. 3 GG
192
2. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 82, S. 266 ff.)
195
3. Kritik an der Langeoog-Entscheidung III. Ergebnis
im Langeoog-Fall 196 198
C. Vollstreckungsbefugnisse der Landesverwaltung
198
D. Zusammenfassung
199
Literaturverzeichnis
201
Abkürzungen Es werden die in der juristischen Fachsprache allgemein üblichen Abkürzungen verwendet. In Zweifelsfällen wird verwiesen auf Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Aufl. 1993.
Erster Teil
Einleitung A. Gegenstand der Abhandlung Die Frage, ob und wie weit die Verwaltung des Bundes 1 an das Recht der Länder gebunden und der Rechtsanwendung durch die Länderbehörden ausgesetzt ist, ist i n der bundesstaatlichen Grundordnung der Bundesrepublik von stets bleibender Aktualität, wie gerade in jüngster Zeit das vielbeachtete Langeoog-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 2 gezeigt hat. I n dem hier vorliegenden komplizierten Problembereich 3 der vielfältigen Überlagerung und Verschränkung von Bundesund Landeszuständigkeiten 4 , der Gesetzgebung wie der Verwaltung, hat man es mit mehreren voneinander zu unterscheidenden Aspekten zu tun: - Z u m einen sind die kompetenzrechtlichen Rahmenbedingungen der Aufgabenerfullung der Bundesverwaltung i m föderalistisch gegliederten Staatswesen der
1
Zum Begriff der Bundesverwaltung (vgl. die Überschrift zum VIII. Abschnitt des GG): Darunter werden im weitesten Sinne sämtliche Einrichtungen des Bundes verstanden. Neben den in Art. 87 ff. GG genannten Gegenständen werden dazu etwa auch die Verfassungsorgane des Bundes gerechnet, soweit sie einen territorialen Bezug aufweisen und deswegen mit Landesrecht und Landesverwaltung in Berührung kommen können (als Beispiel sei die Auseinandersetzung um den Abriß des Plenarsaales des Bundestagsgebäudes genannt, dazu sogleich unter II. 9.). Synonym dazu wird, falls es sich nicht um eine Stelle handelt, die lediglich fiskalisch tätig wird, der Begriff ,3undesbehörde" gebraucht; auch darunter werden im weitesten (über § 1 Abs. 4 VwVfG hinausgehenden, funktionellen) Sinne alle Einrichtungen des Bundes verstanden (zum Behördenbegriff: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 1994, §21 Rn. 31, 33). 2 BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - 7 C 65. 88 - , BVerwGE 82, S. 266 ff. 3 Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 106. Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 6, 32 spricht im vergleichbaren Zusammenhang davon, daß Grundfragen der verfassungsrechtlichen Kompetenzkoordination von Bund und Ländern ungeklärt seien und rechtsdogmatischer Bearbeitung bedürften, im ähnlichen Sinne Salzwedel, NWVBL 1988, S. 97 (99). 4
Die Begriffe „Kompetenz" und „Zuständigkeit" werden hier synonym verwendet. Zu diesen Begriffen: Rengeling, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 100 Rn. 6; s. a. Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts HI, 1988, § 57 Rn. 140 ff.; Kirchhof, ebd., § 59 Rn. 19 ff. Kritisch zum Begriff der Kompetenz (aus Sicht der „Rechtsverhältnislehre"): Bauer, Die Bundestreue, 1992, S. 282 ff., 286 ff.; Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 58. Krit. auch Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 35 ff.
Erster Teil: Einleitung
16
Bundesrepublik zu untersuchen. Es geht hier darum, welche bundesstaatlichkompetentiellen Vorgaben hinsichtlich der Bindung der Bundesverwaltung an Landesrecht5 und der „Unterworfenheit" unter Akte der Landesverwaltung6 anzuerkennen sind. - Der Untersuchungsgegenstand hat weiterhin eine allgemein-organisationsrechtliche Seite. Diese, nicht auf das Verhältnis von Bundes- und Landesverwaltung beschränkt, ist unter dem Schlagwort der „Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern" 7 bekannt. Dabei sind wiederum zwei Bereiche voneinander zu trennen: Einmal fragt es sich, wie die Bindung von Behörden an das allgemeine fachfremde, nicht sie spezifisch betreffende Recht genau ausgestaltet ist. Davon zu unterscheiden sind die Eingriffsbefugnisse der Behörden, die das allgemeine fachfremde Recht auszuführen haben (hier die Landesverwaltung), und die Frage, ob die Behörden des Bundes verpflichtet sind, danach an sich notwendige Genehmigungen, Erlaubnisse, Dispense8 usw. bei der Landesverwaltung einzuholen. Die „Polizeipflichtigkeit", bereits in einer frühen Entscheidung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts 9 behandelt, wurde schon zur Jahrhundertwende diskutiert 10 , während der föderale Gesichtspunkt, jedenfalls was die Pflicht der Einrichtungen des Zentralstaats zur Beachtung der Gesetze der Gliedstaaten angeht, erst relativ spät erkannt wurde 11 . Um einen Überblick über den Untersuchungsgegenstand zu geben und zugleich am Beispiel praktisch relevanter Streitfragen in das Thema einzuführen, empfiehlt es sich, vor der eigentlichen systematischen Befassung die Entwicklungslinien in der Rechtsprechung in konzentrierter Form nachzuzeichnen.
5
Synonym dazu wird auch von der Pflicht der Bundesverwaltung zur Beachtung des Landesrechts gesprochen. 6 Landesrecht und Landesverwaltung werden im folgenden auch zusammenfassend als „Landeshoheit" bezeichnet. 7 Z. B. Rudolf, Polizei gegen Hoheitsträger, 1965; Wagner, Die Polizeipflicht von Hoheitsträgern, 1971. Zu diesem Schlagwort zu Recht kritisch Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (184 f.): „ Mit dem Schlagwort „Polizei gegen Hoheitsträger" oder „Polizeipflicht von Hoheitsträgern" ist das Polizei- und Sicherheitsrecht wohl etwas zu einseitig zur Konfliktsituation „par excellence" abgestempelt worden, ohne daß mit den dramatischen Überschriften schon ein konkreter Konfliktfall beschrieben wäre". Im modernen Umweltstaat nimmt es nicht wunder, daß die altehrwürdige „Polizeipflichtigkeit" zur „Umweltpflichtigkeit" des Staates mutiert (Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992). 8 Dazu vgl. hier nur: Kloepfer, Umweltrecht, 1989, § 4 Rn. 45 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 1994, § 9 Rn. 51 ff. 9 PrOVG, Endurth. v. 5. Mai 1877, OVGE 2, S. 399 ff. 10 Vgl. insbes. Anschütz, VerwArch. 5 (1897), S. 1 (96); Vogels, PrVBl. 1913, S. 706 f. 11
Dazu sogleich unter II.
A. Gegenstand der Abhandlung
17
I. Ausgang: Die „Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern" 1. Noch heute grundlegende Bedeutung für die Frage, ob staatliche Einrichtungen die für alle geltenden Gesetze zu beachten haben und Eingriffsbefugnissen anderer Behörden unterliegen, hat das Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. M a i 1877, der „Schießplatz-Fall" 1 2 . In dem Fall ging es um folgendes: Einem in der Stadt B. „garnisonirenden" Infanterie-Regiment war zu Schießübungen ein Platz angewiesen worden, der innerhalb des Stadtbezirkes lag. Nachdem bei diesen Übungen fortgesetzt Kugeln über die Scheibenstände hinweg in den benachbarten Amtsbezirk eingeschlagen waren, erließ dessen Amtsvorsteher an den Militärfiskus eine Verfügung, wonach die Schießübungen auf jenem Platz zu unterlassen waren, für den Fall des Zuwiderhandelns wurden Geldbußen angedroht. Kreisausschuß und Bezirks Verwaltungsgericht hatten die Klage des M i litärfiskus dagegen abgelehnt, das Oberverwaltungsgericht hob die letztere Entscheidung auf und setzte unter Abänderung der Entscheidung des Kreisausschusses die angefochtene Verfügung außer Kraft: Es unterliege keinem Zweifel, daß „der Staat als Subjekt von Privatrechten, der Fiskus als solcher, regelmäßig keine Ausnahmestellung" 1 3 von Einwirkungen der Polizeibehörden einnehme. Etwas anderes gelte dagegen für die hoheitliche Aufgabenerfüllung staatlicher Dienststellen, wozu auch die Schießübungen gehörten. Hier ergebe sich aus dem „Rechtsbegriffe der Polizei und aus der gesetzlich feststehenden Organisation der Staatsverwaltung 1 4 , daß bei Kollisionsfällen von staatlicher Aufgabenerfüllung und polizeilicher Gefahrenabwehr nicht „einseitige Entscheidungen einzelner Staatsbehörd e n " 1 5 maßgeblich sein könnten. „Das Gesetz" räume keiner der kollidierenden öffentlichen Interessen eine so absolute Bedeutung ein, „daß demselben die anderen Rücksichten des Staatswohls unbedingt zu weichen hätten, weil es also nach dieser Lage der Gesetzgebung regelmäßig auf einen Ausgleich der kollidirenden öffentlichen Interessen nach Gesichtspunkten ankommt, welche das Staatswohl in allen Beziehungen umfassen" 1 6 . Der Ausgleich jener kollidierenden öffentlichen Interessen ergebe sich aus dem „gesetzlichen Organismus der Staatsverwaltung"; er sei letztlich i m Staatsministerium als dem „einheitlichen Organe" zu treffen 1 7 . Diese Rechtsgrundsätze ergäben sich aus dem Rechtsbegriff der Polizei und aus der gesetzlich feststehenden Organisation der Staatsverwaltung. Damit war zweierlei grundsätzlich festgelegt: Z u m einen kam es stets darauf an, ob die handelnde Behörde fiskalisch oder hoheitlich tätig wurde. Handelte es sich um hoheitliche Aufgabenerfüllung, so schied zweitens eine einseitige Verfügung 12 OVGE 2, S. 399 ff. 13 OVGE 2, S. 399 (407). 14 15 16 17
OVGE 2, S. 399 (409). OVGE 2, S. 399 (408). OVGE 2, S. 399 (408). OVGE 2, S. 399 (408 f.).
2 Schoenenbroicher
18
Erster Teil: Einleitung
der Polizeibehörde grundsätzlich aus; die Kollision der widerstreitenden öffentlichen Interessen war im staatsinternen Bereich zu suchen. Interessant ist, daß das Preußische Oberverwaltungsgericht daran auch noch festhielt, als es sich auf den Gesichtspunkt der Einheit der Verwaltung nicht mehr berufen konnte, weil das Militär inzwischen (1926) Reichssache geworden war 18 . 2. Eine dogmatische Verfeinerung dieser Grundsätze brachte nach 1945 der „Hannoveraner Paketpostamtfall" 19. a) Hier hatte das Verwaltungsgericht Hannover ohne weitere Erörterung die Polizeipflichtigkeit der Bundespost wegen des von einem Paketpostamt ausgehenden nächtlichen Lärms bejaht und den beklagten Regierungspräsident verpflichtet, die Stadt Hannover anzuweisen, der beigeladenen Oberpostdirektion das Entladen der Pakete zwischen 20 und 7 Uhr zu untersagen20. b) Daraufhin legte die Bundespost im Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg ein Rechtsgutachten Werner Webers vor 21 . Weber trennt, anders als das Preußische OVG, scharf zwischen der materiellen Polizeipflicht und der Frage, ob die Polizei- und Ordnungsbehörden befugt sind, mit polizeilichen Ge- und Verboten auf die hoheitliche Tätigkeit anderer Verwaltungen Einfluß zu nehmen22. Unter der materiellen Polizeipflicht versteht Weber die Pflicht zur Beobachtung eines Verhaltens, das keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung heraufführt, sowie die Verantwortlichkeit für den ordnungsgemäßen Zustand einer Sache 23 . Sie erfasse auch den Staat und die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, und zwar auch, soweit die Verwaltungsträger in ihren hoheitlichen Funktionen betroffen seien: Wenn schon den Privatpersonen sub titulo „Polizeipflicht" eine Verantwortlichkeit für die ungestörte und ungefährdete öffentliche Sicherheit und Ordnung auferlegt werde, so seien Behörden und öffentliche Körperschaften und Anstalten erst recht gehalten, ihre Tätigkeit so einzurichten, daß Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vermieden würden. Diese grundsätzliche Bindung erfährt allerdings zwei Einschränkungen 24. Die eine Einschränkung betrifft die materielle Polizeipflichtigkeit selbst. Es sei zu bedenken, daß die sachgerechte Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung selbst zum Bestand der öffentlichen Ordnung gehöre. Die Unterbindung
18 dolf, 19 20
PrOVG, Urt. v. 28. Januar 1926 - IV C 30/24 OVGE 80, S. 253 ff.; dazu auch RuPolizei gegen Hoheitsträger, 1965, S. 24 Fn. 57. Das Verfahren ist dokumentiert in: APF 1958, S. 62 ff. VG Hannover, Urt. v. 14. April 1955 - A I V 157/54 - , APF 1958, S. 62 ff.
21 Teilw. abgedruckt in APF 1958, S. 65 ff. 22 APF 1958, S. 65 (66 f.). 23 Zum nachfolgenden APF 1958, S. 65 (66). 24 Weber, APF 1958, S. 65 (66).
A. Gegenstand der Abhandlung
19
notwendiger Betätigungen öffentlicher Verwaltungen und Anstalten könne selbst zu einer schweren Störung „im Ablauf der öffentlichen Lebensfunktionen" 25 führen. Daher komme es stets auf eine Abwägung an. Es sei zu fragen, ob der Verzicht oder die Beschränkung staatlicher Betätigungen das öffentliche Leben in stärkere Unordnung bringen würde als das Ertragen der mit ihnen verbundenen Beeinträchtigungen. Falls die von der an sich störenden Behörde verfolgten Belange überwiegen, liegt eine Störung der öffentlichen Ordnung nach Weber nicht vor. Da in dem Gutachtenfall die Einstellung des nächtlichen Verladebetriebs die völlige Desorganisation des Paketverkehrs in Hannover zur Folge gehabt hätte, gab es nach Weber keine materielle Polizeipflichtigkeit, die der Postverwaltung auferlegte, ihre vorrangige öffentliche Aufgabe durch Stillegung der in ihrem Betrieb unvermeidbaren nächtlichen Paketanfuhr sachwidrig zu vernachlässigen. Die andere Einschränkung betrifft die Befugnis der Polizei- und Ordnungsbehörden, mit polizeilichen Ge- und Verboten auf die hoheitliche Tätigkeit anderer Verwaltungen Einfluß zu nehmen. Zwar dürften die Polizeibehörden Verfügungen an Hoheitsträger erlassen, wenn diese fiskalisch tätig würden. Polizeiliche Ge- und Verbote seien jedoch unzulässig, soweit damit in die hoheitlichen Aufgaben anderer Verwaltungen selbst eingegriffen werde. Zum einen handle es sich nicht um die Aktualisierung des allgemeinen Gewaltverhältnisses; der Staat stehe sich vielmehr selbst, im eigenen Innenbereich, gegenüber. Zum anderen würde sich die Polizeibehörde, die mit Ge- und Verboten in das „hoheitliche Walten" einer anderen Behörde oder Anstalt hineinwirken wolle, die Rolle einer „allgemeinen Oberbehörde" 2 6 anmaßen, sie würde die Zuständigkeit und Verantwortung anderer Dienststellen „aufbrechen und eine Zuständigkeitsusurpation zu ihren Gunsten vornehmen" 27 . Auf diese Weise würde die ganze Ordnung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Behördensystem bis hinein in die verfassungsrechtlichen Probleme der Ressortaufgliederung und des Verhältnisses von Bundes- und Länderverwaltung sowie von Staats- und Selbstverwaltung „in Verwirrung geraten" 28. Dies wäre nicht nur unzweckmäßig, sondern auch rechtswidrig, weil das in der Verfassung und den Gesetzen geordnete Behördengefüge mit seinen genau bemessenen Zuständigkeiten, Handlungsvollmachten und Verantwortlichkeiten empfindlich gestört würde. Der Grundsatz des Nichteingriffs sei im übrigen in Rechtsprechung und Literatur seit langem anerkannt, er sei so selbstverständlich, daß er meist nur beiläufig und ohne besondere Betonung ausgesprochen werde. Man brauche für seine Anerkennung keine Bresche zu schlagen, man brauche ihn nicht gegen Angriffe zu verteidigen, denn seine Geltung sei evident 29 .
25 Weber, APF 1958, S. 65 (66). 26 Weber, APF 1958, S. 65 (67). 27 Weber, APF 1958, S. 65 (67). 28 Weber, APF 1958, S. 65 (67). 29 Weber, APF 1958, S. 65 (67). 2*
20
Erster Teil: Einleitung
c) Diese Ausführungen Werner Webers wurden dann nicht nur vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg weitgehend übernommen, das das erstinstanzliche Urteil abänderte und die Klage abwies30. Sie wurden darüber hinaus, wie noch gezeigt wird 3 1 , für die gesamte spätere Rechtsprechung richtungweisend.
II. Der bundesstaatliche Gesichtspunkt 1. Aus der Weimarer Zeit verdient vor allem das Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Oktober 1932 Beachtung32. Das Gericht hatte hierin über die Reichweite der Freistellung von Anlagen der Reichsbahn (Reklameschild an einer Eisenbahnüberführung) von Anordnungen der Länderbehörden zu entscheiden. Es stellte fest, daß nach § 37 RBahnG 1924/1930 nur die planfeststellungsbedürftigen Bauten der Reichsbahn (Reichseisenbahnanlagen im Sinne des § 37 Abs. 2 RBahnG 33 ) von landesbehördlichen Abnahmepflichten ausgenommen seien. Hier ersetze die Planfeststellung und die Verpflichtung der Reichsbahn-Gesellschaft, die „technische und polizeimäßige Güte ihrer so festgestellten Bauten zu gewährleisten" 34, die besondere behördliche Prüfung und Genehmigung. Zu den Reichseisenbahnanlagen gehörten jedoch keine Reklameschilder, die aus „Erwerbsrücksichten" 35 außerhalb des Brückengeländers einer Eisenbahnüberführung angebracht würden. 2. In bundesstaatlich-kompetentieller Hinsicht wurde in der Weimarer Republik desweiteren die Reichweite der Konzentrationswirkung der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung diskutiert. Maßgebliche Bedeutung erlangte hier der Beschluß des Reichsgerichts vom 17. Dezember 193236. Ausgangspunkt war ein Antrag des Landes Baden, der darauf abzielte, durch das Reichsgericht feststellen zu lassen, daß wasserrechtliche und bauordnungsrechtliche Genehmigungen auch bei der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung nach § 37 Abs. 2 RBahnG 1924/1930 eingeholt werden müßten. Das Deutsche Reich hatte dagegen beantragt festzustellen, daß die einschlägigen Bestimmungen des badischen Wassergesetzes mit Art. 94 Abs. 1 WRV und § 37 Abs. 2 RBahnG 1924/30 unvereinbar seien, soweit sie sich auf den Bau und die Verän30 OVG Lüneburg, Urt. v. 18. Juni 1957 - I I OVG 47/55 - , APF 1958, S. 68 ff. 31 S. sogleich unter II. sowie unten im Fünften Teil unter B. I. 1. und im Sechsten Teil sub A. I. 32 PrOVG, Urt. v. 6. Oktober 1932 - IV. C. 78/32 OVGE 90, S. 400 ff. 33 Dazu zählte das PrOVG nur die „im Bahnbereich liegenden und unmittelbar dem Verkehr dienenden Anlagen, wie Bahnhöfe, Stellwerke, Wassertürme, Schienenanlagen usw.": PrOVG, OVGE 90, S. 400 (402). 34 PrOVG, Urt. v. 6. Oktober 1932 - IV. C. 78/32 - , OVGE 90, S. 400 (403). 35 PrOVG (Fn. zuvor). 36 RG, Beschl. v. 17. Dezember 1932 - V Tgb. 4/32 RGZ 139, S. 136 ff.
A. Gegenstand der Abhandlung
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derung von Reichseisenbahnanlagen im Sinne des § 37 Abs. 2 RBahnG 1924/1930 bezögen; ferner, daß die bauordnungsrechtlichen Normen sich ebenfalls nur auf Bauten bezögen, die nicht zu den Reichseisenbahnanlagen im Sinne des § 37 Abs. 2 RBahnG 1924/1930 gehörten. Das Reichsgericht gab dem Reich recht: Ein wesentlicher Teil der dem Reich zustehenden Eisenbahnhoheit (Art. 94 WRV) sei das Recht zur Planfeststellung. Das sei bereits nach der Vorläufervorschrift des Art. 94 WRV so gewesen: § 24 des Gesetzes vom 31. Mai 1911 über die Verfassung ElsaßLothringens 37 habe bestimmt, daß die Landesbehörden nur anzuhören gewesen seien, die Entscheidung habe bei der Reichsverwaltung gelegen. Nach Art. 94 WRV und § 37 Abs. 2 RBahnG 38 gelte nichts anderes, die Landespolizeigesetze seien nicht anwendbar, die Landespolizeibehörden hätten keinen bestimmenden Einfluß auf die Planfeststellung. Das Reichsgericht lehnte darüber hinaus auch die Zuständigkeit des Landes Baden zur Erteilung wasserrechtlicher Verleihungen und Genehmigungen ab. Allerdings folge daraus keine Zuständigkeitsverschiebung in der Weise, daß das Reich im Rahmen des an sich bestehen bleibenden wasserrechtlichen Verfahrens entscheiden würde, denn dies sei „nach dem ganzen Aufbau des Verfahrens nicht wohl möglich" 39 , da dann dem Reich zu Unrecht auch die Entscheidung über das Privateigentum übertragen werde 40 . Da es mit der Wirkung der Planfeststellung jedoch nicht vereinbar sei, daß Baden und Reich neben- und miteinander entschieden, sei nach dem Grundsatz „Reichsrecht bricht Landesrecht" (Art. 13 Abs. 1 WRV) das Planfeststellungsrecht des Reiches als das vorgehende und stärkere zu erachten. Weil den Ländern bei der Planfeststellung keine Entscheidungen polizeilicher Art verblieben seien, könne das Land Baden auch keine Akte der Verleihung und Genehmigung mehr ausüben. Entsprechendes gelte für das Verhältnis von Reichseisenbahnanlagen und Landesbaurecht41. 3. Besondere Berücksichtigung fand der bundesstaatliche Gesichtspunkt nach 1945 erstmals in dem Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 15. März 1957 42 , wiederum zum Verhältnis von Bundesbahn und Landeshoheit. Hier hatten Mitarbeiter der Deutschen Bundesbahn ohne Genehmigung der Naturschutzbehörde die Bodendecke am Bahnkörper einer Bundesbahnstrecke abgebrannt 43 . Das Amtsgericht hatte die Angeklagten von der Anklage wegen einer Übertretung der bayerischen Naturschutzverordnung freigesprochen. Diese Ent37 RGBl. 1911, S. 225. 38 Sowohl in der Fassung von 1924 als auch in der von 1930, vgl. RGZ 139, S. 136 (147). 39 RG, Beschl. v. 17. Dezember 1932 - V Tgb. 4/32 - , RGZ 139, S. 136 (146). 40
An badischen Gewässern bestand (mit Einschränkungen) Privateigentum im Sinne des bürgerlichen Rechts. RG, Beschl. v. 17. Dezember 1932 - V Tgb. 4/32 - , RGZ 139, S. 136 (148 f.). 42 BayObLG, Urt. v. 15. März 1957 - RReg. 3 St. 244 a,b/1956 - , BayVBl. 1957, S. 295 ff. 43 Die Fallgestaltung mag auf den ersten Blick antiquiert erscheinen, ist es aber durchaus nicht: Was früher abgebrannt wurde, wird heute mittels der „chemischen Gleisentkrautung" beseitigt, vgl. nur BT-Drucks. 11/4919 und 11/5016 zum Spritzmitteleinsatz der Deutschen Bundesbahn.
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Erster Teil: Einleitung
Scheidung bestätigte das Bayerische Oberste Landesgericht. Eine Verurteilung komme nicht in Betracht, da die Dienststellen der Deutschen Bundesbahn zum Abbrennen von Hängen an Bahndämmen keiner Genehmigung der zuständigen Naturschutzbehörde bedurft hätten, wie sich aus den Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes ergebe. Dem Bund stehe zum einen nach Art. 73 Nr. 6 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz bezüglich der Deutschen Bundesbahn zu. Der Landesgesetzgebung sei der Eingriff in Gebiete verboten, die ihrem Wesen nach zum Kernbereich der Bundesbahn gehörten, insbesondere in den Bereich, der unmittelbar der Aufrechterhaltung und Sicherheit des eigentlichen Betriebs der Bundeseisenbahn auf Schienen diene. Zu diesem Kernbereich gehörten jedenfalls die Maßnahmen zur Instandhaltung und Sicherung der baulichen und technischen Betriebsanlagen, also auch der Außenstrecken mit ihrem Unterbau einschließlich der Böschungen. Zudem besäßen die Dienststellen der Bundesbahn Bundesverwaltungshoheit (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG). Da die Länder bei der bundeseigenen Verwaltung gemäß Art. 86 GG ganz ausgeschaltet seien, seien die Bundesbehörden bei der Ausübung ihrer Verwaltungstätigkeit der Gewalt der Länder insoweit entzogen, als die Länder weder gesetzgebend noch verwaltend in die Tätigkeit der Bundesbahndienststellen als Bundesbehörden eingreifen könnten, es sei denn, der Bundesgesetzgeber lasse Ausnahmen zu. Die Tätigkeit von Landesbehörden finde ihre Grenze, wo sie auf die Verwaltungstätigkeit einer Dienststelle der Bundesbahn einzuwirken beginne. Wie sich aus §§ 4 und 38 BBahnG ergebe, könnten die Bundesbahndienststellen kraft ihrer Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit darüber entscheiden, was zur Sicherheit des Bahnbetriebs notwendig sei. An Genehmigungen anderer Behörden seien sie dabei nicht gebunden44. Der Umstand, daß den Ländern gegenüber der Bundesverwaltung keine Entscheidungen polizeilicher Art im weiten Sinne der Entscheidung über alle öffentlichen Interessen zuständen 45 , mache es unmöglich, daß Verwaltungsbehörden der Länder noch Akte der Genehmigung für die Tätigkeit der Bundesbahndienststellen ausübten. Es sei mit der öffentlichrechtlichen Verpflichtung, ihren Betrieb sicher zu führen, unvereinbar, wenn sie in ihren, zuweilen keinen Aufschub duldenden Entscheidungen darüber, wie die Sicherheit des Betriebs zu gewährleisten sei, von der Genehmigung einer Landesbehörde abhängig seien46. 4. Das Bundesverwaltungsgericht hatte dann erstmals 47 in der Entscheidung vom 29. August 1961 48 , dem Hamburger Brückenwerbungs-Fall, Gelegenheit, zu 44 BayObLG, BayVBl. 1957, S. 295 (296). 45 Verweis auf RGZ 139, S. 136 (144). 46 BayObLG, BayVBl. 1957, S. 295 (297). Ob diese weitausholenden verfassungsrechtlichen Erwägungen zur Fallösung überhaupt notwendig waren, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls hat man in der Lit. dem Gericht vorgeworfen, übersehen zu haben, daß die Bahn nach § 6 des damaligen NatSchG ohnehin von der Genehmigungspflicht befreit war, s. Reigl, DÖV 1967, S. 397 (398). 47 Soweit dies aus der veröffentlichten Rechtsprechung ersichtlich ist. 48 BVerwG, Urt. v. 29. August 1961 - 1 C 167/59 - , NJW 1962, S. 552 ff.
A. Gegenstand der Abhandlung
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der Frage Stellung zu nehmen, ob und inwieweit Bundesbehörden das Landesrecht zu beachten haben und der Landesverwaltung unterworfen sind. Dem Rechtsstreit zwischen der klagenden Deutschen Bundesbahn und der beklagten Stadt Hamburg lag ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde wie der erwähnten Entscheidung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 6. Oktober 1932 49 : Die Beklagte hatte ein Gesetz über Außenwerbung an Brücken erlassen, in dessen einzigem Paragraphen bestimmt war, daß an Brücken, die über öffentliche Straßen, Plätze, Grünanlagen, Wasserläufe und sonstige öffentliche Rächen führen, Werbemittel nicht angebracht werden durften. Die Klägerin hatte bei der Beklagten Anträge auf Genehmigung der Anbringung von Werbetafeln gestellt, die abgelehnt worden waren. Die Klage auf Aufhebung der Bescheide war erfolglos; das Bundesverwaltungsgericht führt in diesem Zusammenhang aus 50 : Das Brückenwerbungsgesetz verletze nicht die Bundesbahnhoheit. Es sei nach Art. 73 Nr. 6 GG und §§ 36, 38 BBahnG zweifelsfrei, daß die Schienenwege der Bundesbahn von Einwirkungen der Landesgesetzgebung eximiert seien und als dem Eisenbahnbetrieb gewidmete öffentliche Sachen eine bundesrechtlich geregelte Sonderstellung genießen würden. Zu prüfen sei nur, wie weit die bundesrechtliche Sonderregelung sachlich gehe, ob sie auch die Werbeanlagen an der Außenseite von Eisenbahnbrücken erfasse. Dabei gehe es um das Verhältnis der Eisenbahnhoheit (Bundesbahnhoheit) zur Polizeihoheit im hergebrachten Sinne, hier u.a. zur Baupolizei. Daß zugleich das Bund-Länder-Verhältnis betroffen sei, habe keine Bedeutung, denn in ihrer wirtschaftlichen Betätigung als Bauherrin und als Eigentümerin baulicher Anlagen unterliege die Bundesrepublik auch mit ihrem Bundesbahn-Sondervermögen den allgemeinen Gesetzen, seien sie Bundes- oder Landesgesetze, falls sie nur in Wahrung der Gesetzgebungskompetenzen entstanden seien. Bei der Abgrenzung von Eisenbahnhoheit (Bund) und Polizeihoheit (Land) folgt das Bundesverwaltungsgericht dann der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts51. Die Werbeschrift an einer Eisenbahnbrücke gehöre, anders als die Brücke selbst, nicht zu den Bahnanlagen im Sinne der §§ 36, 38 BBahnG, denn es fehle an der Zweckbestimmung, dem Betrieb des Eisenbahntransports zu dienen. Daher sei die Werbeanlage der landesbaupolizeilichen Genehmigungspflicht unterworfen. 5. Zum leading case für „Landeshoheit und Bundesverwaltung" und für die „Polizeipflichtigkeit" gleichermaßen wurde die Entscheidung des 1. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Januar 1968 52 , das „Forstpolizei-Urteil". Die klagende Bundesrepublik war Eigentümerin eines Waldgrundstücks, das mit Ausnahme einer Parzelle 254/2 im Waldverzeichnis nach dem württ. Forstpolizeigesetz eingetragen war und das seit 1956 von der Bundeswehr als Munitionsanstalt
49 PrOVG, Urt. v. 6. Oktober 1932 - IV. C. 78/32 - , OVGE 90, S. 400 ff. so Zum nachfolgenden BVerwG, NJW 1962, S. 552 (554). 51 PrOVG, Urt. v. 6. Oktober 1932 - IV. C. 78/32 OVGE 90, S. 400. 52 BVerwG, Urt. v. 16. Januar 1968 - 1 A 1.67 - , BVerwGE 29, S. 52 ff., m. Anm. Menger/ Erichsen, VerwArch. 60 (1969), S. 89 (92 ff.); Scholz, DVB1. 1969, S. 115 ff.
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Erster Teil: Einleitung
genutzt wurde. Im Jahre 1962 unterstellte die Forstpolizeibehörde des beklagten Landes Baden-Württemberg die genannte Parzelle der Forsthoheit des Landes und nahm sie in das Waldverzeichnis auf. Die Klage auf Aufhebung dieser Verfügung wurde als unbegründet zurückgewiesen: Zwar sei die Bundesrepublik nicht nur in ihrer fiskalischen Eigenschaft als Waldbesitzerin betroffen, da die Grundstücksparzelle der unmittelbaren Verteidigungstätigkeit des Bundes diene: die „Haltung und Pflege des tarnenden Waldes" 53 sei hoheitlicher Art. Gleichwohl greife die angefochtene Verfügung nicht in die Verteidigungshoheit der Klägerin ein. Auch die Träger öffentlicher Aufgaben und ihre Organe seien bei hoheitlicher Betätigung nicht von der Beachtung solcher Gesetze freigestellt, die speziell für andere als die jeweils von ihnen betreuten einzelnen Lebens- oder Rechtsgebiete erlassen seien54. Allerdings könnten verschiedene rechtlich geschützte Belange miteinander kollidieren und Normen der verschiedenen Rechtsmaterien konkurrieren. Zur „Wahrung der Harmonie" 55 müsse dann das gelten, was das Preußische Oberverwaltungsgericht 56 über die Kompetenzverteilung zwischen Militär- und Zivilbehörden ausgeführt habe: Das Gesetz, im Sinne der Gesamtrechtsordnung, habe, von Ausnahmefällen abgesehen, keiner der kollidierenden öffentlichen Interessen eine so absolute Bedeutung eingeräumt, daß die anderen Rücksichten des Staatswohls unbedingt zu weichen hätten. Es komme daher, wie Weber 57 zu Recht ausgeführt habe, regelmäßig auf einen Ausgleich der kollidierenden öffentlichen Interessen nach solchen Gesichtspunkten an, die das Staatswohl in allen seinen Beziehungen umfaßten. Diese Erkenntnis von der grundsätzlichen materiellen Geltung auch „fachfremden" Rechts für hoheitliche Tätigkeiten unter dem Vorbehalt einer Abwägung widerstreitender öffentlicher Interessen habe sich weitgehend durchgesetzt58. Die Ansicht des Bayerischen Obersten Landesgerichts 59, die Länder seien bei der bundeseigenen Verwaltung ganz ausgeschaltet, sie könnten weder gesetzgebend noch verwaltend in die Tätigkeit der Bundesverwaltung eingreifen, lehnt das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich ab. Bund und Ländern stünden sich vielmehr gleichgeordnet gegenüber; für die Gebundenheit komme es nur auf die Wahrung der Gesetzgebungskompetenz an 60 . Materiellrechtlich seien somit Bund, Länder und andere Träger öffentlicher Aufgaben sowie ihre Organe auch bei hoheitlicher Tätigkeit an die jeweils fachfremden und allgemeinen Gesetze ohne Rücksicht darauf, auf welcher Normsetzungsebene diese entstanden seien, mit dem Vorbehalt gebunden, daß die im Einzelfall kollidierenden Interessen gegeneinan53 BVerwGE 29, S. 52 (54). 54 BVerwGE 29, S. 52 (56). 55 BVerwGE 29, S. 52 (57). 56 Verweis auf PrOVG, Endurth. v. 5. Mai 1877, OVGE 2, S. 399 ff. 57 Weber, APF 1958, S. 65 ff. 58 Verweis auf Rudolf, Polizei gegen Hoheitsträger; Reigl, DÖV 1967, S. 397 ff.; Folz, JuS 1965, S. 41 ff. 59 BayVBl. 1957, S. 295 ff. 60 BVerwGE 29, S. 52 (58).
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der abzuwägen seien61. Die Abwägung habe nach solchen Gesichtspunkten zu erfolgen, die das Wohl der Allgemeinheit in allen seinen Beziehungen umfaßten. Sie werde je nach dem Gewicht, das den kollidierenden Interessen vom Standpunkt der Allgemeinheit aus beizumessen sei, entweder ergeben, daß die von dem betreffenden Hoheitsträger betreuten Belange den von dem fachfremden Gesetz geschützten einen mehr oder weniger weitgehenden Vorrang einräumen müßten, oder aber daß umgekehrt das fachfremde Gesetz auf die hoheitliche Tätigkeit materiell nur in beschränktem Maße oder gar nicht anwendbar sei. „In der Kompetenzfrage" 6 2 (seil.: ob die Landesbehörde mit Ge- und Verboten gegen eine Bundesbehörde vorgehen darf) folgte der Senat schließlich der „von jeher herrschenden Meinung" 63 , daß - von Sonderfällen, z.B. Gefahr im Verzug abgesehen - eine Hoheitsverwaltung nicht mit Anordnungen oder Zwang in die hoheitliche Tätigkeit einer anderen Hoheitsverwaltung, sei es derselben, sei es einer anderen Körperschaft, eingreifen dürfe. Für die Beachtung auch der fachfremden Gesetze sei in der Regel die jeweils tätig werdende Hoheitsverwaltung selbst zuständig und verantwortlich, nicht die fremde Fachbehörde. Auf den Ausgangsfall angewendet, hielt der Senat die angegriffene Verfügung für rechtmäßig, weil die Unterstellung und Aufnahme der Parzelle noch nicht auf die hoheitliche Verteidigungstätigkeit der Klägerin einwirke 64 . Diese Lösung: allgemeiner Abwägungsvorbehält und grundsätzliches Eingriffsverbot, die in der Literatur allerdings nicht ohne Widerspruch blieb 65 , wandte das Bundesverwaltungsgericht in allen späteren Fällen an 66 . Herausgegriffen seien beispielhaft die beiden wohl bekanntesten Entscheidungen. 6. In der „Gronau-Entscheidung" 67 verlangte die klagende Stadt „Gronau (Leine)" von der beklagten Deutschen Bundesbahn, die Bahnhofsbezeichnung ihrem - mit Erlaß des niedersächsischen Innenministers - geänderten Namen anzupassen68. Die Bundesbahn war dazu nur unter der Bedingung bereit, daß die Klä-
61 BVerwGE 29, S. 52 (58). 62 BVerwGE 29, S. 52 (59). 63 Verweis auf PrOVGE 2, S. 399 (409) sowie Weber, Rudolf, Reigl, Folz, jew. aaO. 64 Vgl. i. e. BVerwGE 29, S. 52 (59 f.). 65 Vgl. insbes. Menger / Erichsen, VerwArch 60 (1969), S. 92 ff. Fundamentale Kritik jüngst von Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 109 ff. Ausf. dazu unten im Fünften und Sechsten Teil. 66 Vgl. BVerwG, Urt. v. 28. Juni 1968 - IV C 11.65 DÖV 1969, S. 206 ff.; BVerwG, Urt. v. 14. Februar 1969 - IV C 215.65 - , BVerwGE 31, S. 263 (271); BVerwG, Urt. v. 8. Februar 1974 - BVerwGE 44, S. 351 (357 ff.); BVerwG, Urt. v. 30. Juli 1976 - I V A 1/75 - , NJW 1977, S. 163; BVerwG, Urt. v. 29. Oktober 1982 - 4 C 4/80 - , NVwZ 1983, S. 474 ff.; BVerwG, Beschl. v. 23. März 1984 - 4 B 43.84 - , DÖV 1984, S. 814; BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - I C 65.88 BVerwGE 82, S. 266 ff.; BVerwG, Beschl. v. 3. April 1992 - 7 NB 1/92 - , NVwZ-RR 1992, S. 405; BVerwG, Beschl. v. 23. März 1993 - 7 B 126.92 DÖV 1993, S. 826 f. 67 BVerwG, Urt. v. 8. Februar 1974 - V I I C 16.71 - , BVerwGE 44, S. 351 ff.
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Erster Teil: Einleitung
gerin 75 v.H. der Umbenennungskosten übernehme, womit sich wiederum die Klägerin nicht einverstanden erklärt hatte 69 . Das Bundesverwaltungsgericht entschied, daß die Beklagte es zu unterlassen habe, die bisherige Bahnhofsbezeichnung in dem nach außen gerichteten Dienstbetrieb weiter zu verwenden. Dem Begehren der Klägerin stehe insbesondere nicht entgegen, daß die Beklagte bei der Bezeichnung von Bahnhöfen hoheitlich tätig werde und dabei grundsätzlich an das Recht gebunden sei, das das Land im Rahmen seiner Kompetenz erlassen habe 70 . Das Namensrecht der Kommunen gehöre zum Kommunalrecht, worüber wiederum allein die Länder die Gesetzgebungszuständigkeit besäßen; an die Benennung der Kommunen durch die zuständige Landesbehörde seien andere Träger öffentlicher Verwaltung daher grundsätzlich gebunden71. Eine Einschränkung des Grundsatzes, daß der Bund und seine Behörden auch im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit das Landesrecht zu beachten hätten, scheide hier aus. Zwar sei die Bindung der Bundesbehörden an Landesrecht bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeit durch den Vorbehalt eingeschränkt, daß die im Einzelfall kollidierenden öffentlichen Interessen gegeneinander abzuwägen seien72, was dazu führen könne, daß sich fachfremde Gesetze auf die hoheitliche Tätigkeit materiell nur in beschränktem Umfang oder überhaupt nicht auswirkten. Wenn jedoch die Beklagte die amtliche Bezeichnung der Klägerin verwenden müsse, könne sich hieraus eine Kollision mit ihren Interessen und Aufgaben grundsätzlich nicht ergeben. Das Begehren, es zu unterlassen, einen nicht mehr bestehenden Gemeindenamen zu verwenden oder einen nichtamtlichen Zusatz zu führen, schränke die Organisationsgewalt der Bundesbahn nicht ein. Vielmehr könne sie ihre Interessen (an der Benennung eines Stadtbahnhofs) in dem Namensänderungsverfahren vor der zuständigen Landesbehörde geltend machen. Nur im Ausnahmefall könne die Bahn berechtigt sein, einen anderen als den kommunalrechtlich richtigen Namen für die Bezeichnung des Bahnhofs zu verwenden 73. 7. Auch in der „Langeoog-Entscheidung" wandte das Bundesverwaltungsgericht die von ihm entwickelte Abwägungslehre an 74 . Hier hatte die beklagte Inselgemeinde Langeoog die Straßen vom Kraftfahrzeugverkehr entwidmet. Lediglich für 68
Die Bahn bezeichnete auch nach der Namensänderung der Stadt den Bahnhof mit „Gronau (Han.)". 69 Eine typische Konstellation: Bei Durchsicht der einschlägigen Entscheidungen fällt ins Auge, daß es im Hintergrund häufig um finanzielle Interessen geht. 70 Verweis auf BVerwG, Urt. v. 29. Juni 1967 - IV C 36.66 - , BVerwGE 27, S. 253 (256); 29, S. 52 (56); 31, S. 263 (271); BVerwG, Urt. v. 27. Juni 1969 - V I I C 20.67 - , BVerwGE 32, S. 252; BVerwG, DÖV 1969, S. 206 (207). 71 BVerwGE 44, S. 351 (357 f.). 72 Verweis u.a. auf BVerwGE 29, S. 52 (58). 73 Zu den Ausnahmen i. e. BVerwGE 44, S. 351 (359). 74 BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 -IC 65.88 - , BVerwGE 82, S. 266 ff., m. Anm. Lorenz, DÖV 1990, S. 517 ff.; Schoenenbroicher, DVB1. 1990, S. 811 ff. Zu dieser Entsch. auch Bauer, Die Bundestreue, 1992, S. 188 f., 296 ff.; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 108 mit Fn. 278.
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bestimmte Nutzungsarten wurde eine Sondernutzungserlaubnis erteilt (Feuerwehr, Landwirtschaft usw.). Der Streit zwischen der Inselgemeinde und der klagenden Bundespost entzündete sich an der Frage, ob die Post einen VW-Transporter mit Elektromotor benutzen dürfe oder ob sie sich mit einem „Elektrokarren" behelfen müsse. Weil man an diesem Punkt zu keiner Einigung kam, klagte die Deutsche Bundespost auf Feststellung, daß sie für Postfahrzeuge im dienstlichen Einsatz einer Sondernutzungserlaubnis nicht bedürfe. Das Bundesverwaltungsgericht gab (im Unterschied zur Vorinstanz 75) der Klage statt: Jeder Träger öffentlicher Verwaltung sei an den im Bundesstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Bundestreue und die daraus folgende Pflicht staatlicher Organe zu „gemeinschaftsfreundlichem Verhalten" 76 gebunden. Diese Pflicht zu Kooperation, Abstimmung und gegenseitiger Rücksichtnahme verbiete es, die im Allgemeininteresse unumgängliche Benutzung einer öffentlichen Straße als die von einer Erlaubnis abhängige Gewährung eines Nutzungsrechts anzusehen, wie dies in der Rechtskonstruktion der Sondernutzungserlaubnis angelegt sei. Vielmehr sei ein zulassungsfreier „Allgemeingebrauch" für bestimmte öffentliche Aufgaben von vornherein mit jeder Widmung einer Straße zum öffentlichen Verkehr eröffnet; die im dienstlichen Einsatz verwendeten Kraftfahrzeuge der hoheitlich tätig werdenden Deutschen Bundespost zählten zum Kreis der derart Berechtigten. Die Befugnis der Bundespost, auch Straßen, die für den Kraftfahrzeugverkehr nicht zugelassen seien, zu dienstlichen Zwecken zu befahren, bestehe jedoch nicht uneingeschränkt 77. Die Pflicht zur Kooperation und Abstimmung verlange eine wechselseitige Rücksichtnahme auf die Erfordernisse, die sich für die Aufgabenerfüllung des jeweils anderen Verwaltungsträgers ergäben. Auch die Post als Einrichtung des Bundes sei grundsätzlich an Landes- und Ortsrecht gebunden. Im Konfliktfall bedürfe es einer Abwägung der kollidierenden Verwaltungsbelange mit dem Ziel, den für das Gemeinwohl insgesamt besten Ausgleich der verschiedenen öffentlichen Interessen zu erreichen 78. Danach sei es der Post zuzumuten, Elektrofahrzeuge zu benutzen. Den Gebrauch von „Elektrokarren" hält das Gericht nicht für erforderlich 79. Auf Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor könne zurückgegriffen werden, wenn dies, wie bei Bau- oder Unterhaltungsarbeiten, unvermeidbar sei; über den Einsatz der Fahrzeuge entscheide letztlich die Post. 8. Schließlich ist auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Klagebefugnis der Länder gegen Planfeststellungsbeschlüsse der Bundesverwaltung hinzuweisen80. Die Länder hatten mehrfach versucht, Entscheidun75 OVG Lüneburg. 76 BVerwGE 82, S. 266 (268). 77 Zum nachfolgenden BVerwGE 82, S. 266 (270). 78 Verweis u.a. auf BVerwGE 29, S. 52 (56 f.). 79 Vgl. i. e. BVerwGE 82, S. 266 (271 f.). so BVerwG, Urt. v. 14. April 1989 - 4 C 31.88 - , BVerwGE 82, S. 17 ff.; BVerwG, Beschl. v. 7. Januar 1992 - 7 B 153.91 - , NWVBL 1992, S. 202; BVerwG, Urt. v. 29. April 1993 7 A 2/92 - , NVwZ 1993, S. 890 f. Zur Berücksichtigung des Landesrechts in Planfeststellun-
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gen von Planfeststellungsbehörden, in denen an sich landesrechtlich geschützte Belange ihrer Ansicht nach nicht hinreichend beachtet worden waren, gerichtlich anzugreifen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in sämtlichen Verfahren die Klagebefugnis des jeweiligen Landes verneint, weil es durch die angegriffene Maßnahme nicht in subjektiven öffentlichen Rechten betroffen sei 81 . 9. Von den Streitfragen im Bereich von Landeshoheit und Bundesverwaltung, die nicht die Gerichtsebene erreichten, ist an dieser Stelle besonders die Kontroverse um den Abriß des Plenarsaales des Deutschen Bundestages zu nennen. Nachdem der Deutsche Bundestag in der Sitzung vom 5. Juni 1987 beschlossen hatte, den alten Plenarsaal, der unter Denkmalschutz stand, abzureißen und an gleicher Stelle ein neues Gebäude zu errichten, wurde das Zustimmungsverfahren nach § 75 BauO NW und das Erlaubnisverfahren nach § 9 DSchG NW eingeleitet82. Die zuständigen Landesbehörden hielten den Abbruch zunächst für nicht erlaubnisfähig, weil das nach § 9 Abs. 2 lit. b DSchG NW erforderliche überwiegende öffentliche Interesse nicht vorliege. Die Maßstäbe dafür, wann ein überwiegendes öffentliches Interesse das Zurückdrängen der denkmalschützerischen Belange verlange, waren nach Ansicht der Landesbehörden allein aus dem Landesgesetz zu entwickeln und gegenüber allen Rechtsunterworfenen gleich anzuwenden; ein Sonderrecht für Einrichtungen des Bundes gebe es nicht. Demgegenüber nahm der Deutsche Bundestag eine Abwägungsprärogative dafür in Anspruch, daß das öffentliche Interesse an Abriß und Neubau des Plenarsaals gegenüber denkmalschützerischen Belangen überwiege. Die Entscheidung des Souveräns für die Neubaulösung begründe einen hinreichenden Vorrang gegenüber entgegenstehenden denkmalschutzrechtlichen Gesichtspunkten. Nachdem Salzwedel ein Rechtsgutachten erstattet hatte, in dem er sich für die Zulässigkeit des Abrisses ausspricht, wurde die entsprechende Genehmigung erteilt 83 . Die kurze Darstellung nur der wichtigsten Fälle aus der Praxis läßt erkennen, daß die Probleme um Kompetenzabgrenzung, Gesetzesbindung und Eingriffsbefugnisse im Bundesstaat im Laufe der Zeit keineswegs geringer geworden sind oder gar verschwunden wären. Zwar mag es so sein, daß sich insbesondere seit dem Forstpolizei-Urteil 84 auch in der Bundesverwaltung die Erkenntnis durchgesetzt hat, an Landesrecht gebunden und auch verwaltungsmäßig nicht „autark" zu sein 85 . Doch hat gerade das Langeoog-Urteil 86 gezeigt, daß die Vorstellung, der gen des Bundes vgl. im übrigen an dieser Stelle nur: BVerwG, Urt. v. 29. Juni 1967 - IV C 36.66 BVerwGE 27, S. 253 (256); BVerwG, Urt. v. 28. Juni 1968 - IV C 11.65 - , DÖV 1969, S. 206 (207); BVerwG, Urt. v. 14. Februar 1969 - IV C 215.65 - , BVerwGE 31, S. 263 (266 ff., 271 ff.). Ausf. im Vierten Teil sub D. II. 2. und im Fünften Teil sub C. 81
Nachweise in der Fn. zuvor. S2 Zum Sachverhalt s. Salzwedel, NWVBL 1988, S. 97. 83 Vgl. Salzwedel, NWVBL 1988, S. 97 ff. 84 BVerwG, Urt. v. 16. Januar 1968 - 1 A 1.67 - , BVerwGE 29, S. 52 ff. 85 Nach Erinnerungen Älterer bezog sich die in den fünfziger und sechziger Jahren z. T. propagierte „Überordnung" des Bundes über die Länder durchaus nicht nur auf die rechtliche
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Bundesverwaltung müsse „irgendwie" eine Sonderrolle zukommen, noch längst nicht als ad acta gelegt angesehen werden kann. Ob derartige Vorstellungen auf sicherem verfassungsrechtlichem Grund ruhen, wird zu untersuchen sein.
I I I . Behandlung des Untersuchungsgegenstands in der Literatur Betrachtet man die einschlägige Literatur, so ist festzustellen, daß eine Reihe kürzerer Stellungnahmen vorliegt 87 , eine neuere geschlossene zusammenfassende monographische Darstellung der bundesstaatlichen und organisationsrechtlichen Aspekte der Frage des Verhältnisses von Bundesverwaltung und Landeshoheit allerdings fehlt. Das Schwergewicht der ausführlicheren Abhandlungen, die allerdings sämtlich bereits älteren Datums sind, liegt entweder auf der bundesstaatlichen Fragestellung (Kompetenzabgrenzung)88, oder bei der (allgemeinen) Frage der Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern, ohne daß auf die bundesstaatlichen Gesichtspunkte näher eingegangen wird 8 9 . Diese Lücke zu schließen, ist Ziel der vorliegenden Arbeit. Dabei kann es allerdings nicht darum gehen, mit dem Anspruch auf Vollzähligkeit alle Konfliktmaterien zu behandeln und auszuleuchten. Angesichts der vielfältigen Überschneidungsfelder und der Besonderheiten der zahlreichen einschlägigen Rechtsgebiete ist ein solches Unterfangen gar nicht zu leisten. In der Arbeit soll vielmehr der Versuch unternommen werden, die Leitlinien, die es allgemein zu berücksichtigen gilt, darzustellen. Besonderes Augenmerk wird dabei den eingangs referierten Fällen aus der Praxis gewidmet; diese Fälle werden auch zur Verdeutlichung der Ausführungen herangezogen werden. Auf eine eingehende inhaltliche Darstellung der in der Literatur vertretenen Auffassungen zur Bindung der Bundesverwaltung an Landesrecht und Landesver-
Seite, sondern mitunter auch auf die Art und Weise und den Ton des Auftretens von Vertretern des Bundes. 86 BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - I C 65.88 BVerwGE 82, S. 266 ff. 87 An dieser Stelle seien insbes. erwähnt: Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 104 ff.; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1983, Art. 83 Rn. 83; ders., in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1992, Art. 87 Rn. 78 mit Fn. 107 und Rn. 106 mit Fn. 227; Salzwedel, NuR 1984, S. 165 ff.; ders., NWVBL 1988, S. 97 ff.; Schoenenbroicher, DVB1. 1990, S. 811 ff. 88 Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968; Scheurer, Unterwerfung der Bundesverwaltung unter Landesrecht ?, Diss. Heidelberg 1965; Zielfleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, Diss. München 1972. 89 So etwa von Rudolf, Polizei gegen Hoheitsträger, 1965, S. 7; Wagner, Polizeipflicht von Hoheitsträgern, 1971, S. 130. So auch in der Lehrbuchliteratur zum Polizeirecht, vgl. etwa Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 240 ff., 294 ff.; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. 1993, Rn. 222 ff.; Riegel, Polizei- und Ordnungsrecht, 1981, S. 81. Kurze Bemerkungen jüngst bei Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 193 ff.
30
Erster Teil: Einleitung
waltung wird an dieser Stelle verzichtet 90. Angesichts der Vielschichtigkeit der ganzen Problematik wäre eine Darstellung hier wenig förderlich. Die Schrifttumsäußerungen werden vielmehr systematisch an der entsprechenden Stelle in der Arbeit referiert und gewürdigt.
B. Gang der Untersuchung I. Eine sinnvolle Befassung mit dem Untersuchungsgegenstand erfordert zunächst, Klarheit über die verfassungsrechtlich und einfachrechtlich einschlägigen Rechtsgrundlagen zu gewinnen. Deswegen ist in einer „Bestandsaufnahme", die den Zweiten Teil der Arbeit bildet, das vorhandene Normenmaterial erst einmal zu sichten und zu ordnen. Es wird darzustellen sein, welche ausdrücklichen bundesgesetzlichen Regelungen mit Bezug auf Landesrecht und Landesverwaltung bereits vorliegen. Gleiches gilt für die landesrechtliche Seite: Hier werden die hauptsächlich einschlägigen landesrechtlichen Rechtsgebiete mit etwa bestehenden Ausnahmeregelungen für die Bundesverwaltung vorzustellen sein; auch ist kurz auf die „Ausgangsposition", in der sich die Landesverwaltung befindet, einzugehen. Anschließend ist die Rechtslage, so wie sie sich nach den geschriebenen Normen darstellt, kurz zu bewerten. II. Im Dritten Teil ist dann zu klären, wie es um die bundesstaatlich-kompetentiellen Vorgaben für das Verhältnis von Bundesverwaltung und Landesrecht steht. Hier wird zu prüfen sein, ob die Bundesverwaltung, etwa wegen einer sich aus dem Grundgesetz ergebenden „Überordnung" des Bundes, der Landeshoheit a priori nicht unterworfen ist. Falls dies zu verneinen ist, ist zu überlegen, ob sich aus den Vorschriften über die Verwaltung (Art. 87 ff. GG) bzw. über die Gesetzgebung (Art. 73 ff. GG) hinsichtlich der dort genannten Zweige der Bundesverwaltung eine Freistellung („Exemtion" 91 ) der Bundesverwaltung von Vorschriften des Landesrechts und Anordnungen der Landesbehörden ergeben kann. „Exemtion" bedeutet dabei, daß sich die Landeshoheit wegen einer grundgesetzlichen Be90 Vgl. aus der Lit. außer den bereits erwähnten Stellungnahmen insbes.: Blümel, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 101 Rn. 11 ff.; Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 ff.; Bothe, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 30 Rn. 29 ff.; Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 96 ff.; Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, insbes. S. 25 ff.; Fluck, NJW 1987, S. 2352 ff.; Folz, JuS 1965, S. 41 ff.; Gebhard, DÖV 1986, S. 545 ff.; Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, insbes. S. 54 ff., 76 ff.; Klein, DÖV 1977, S. 194 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, 1989, § 4 Rn. 280 ff.; Kölble, DÖV 1962, S. 661 ff.; Röttgen, JöR N.F. 3 (1954), S. 67 (84 f.); ders., JöR N.F. 11 (1962), S. 173 (214 f.); Kopp, NuR 1991, S. 449 ff.; Küchler, DÖV 1977, S. 187 ff.; Lang, NuR 1981, S. 158 ff.; v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz II, 2. Aufl. 1966, S. 1490 f.; Reigl, DÖV 1967, S. 397 ff.; Scholz, DVB1. 1968, S. 732 ff.; ders., DVB1. 1969, S. 115 ff. 91 Der Begriff bei: Röttgen, JöR N. F. 11 (1962), S. 173 (214); s. a. Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 9 und passim.
B. Gang der Untersuchung
31
schränkung nicht auf eine bestimmte Tätigkeit einer Verwaltung des Bundes erstrecken kann. Für die jeweilige Bundesverwaltung gilt dann hinsichtlich eines bestimmten Bereichs ihrer Aufgabenerfüllung nicht das allgemeine Landesgesetz; sie ist Verwaltungstätigkeiten der Landesverwaltung nicht ausgesetzt. IIL Danach können wir uns im Vierten Teil den verfassungsrechtlichen Vorgaben für das Verhältnis von Bundesverwaltung und Landesverwaltung zuwenden. Hier interessiert in erster Linie, ob und unter welchen Voraussetzungen Verwaltungsbefugnisse, die nach der grundgesetzlichen Aufgabenverteilung an sich den Landesbehörden zustehen, auf Bundesbehörden übergehen können. Praktisch relevant ist dies in Hinblick auf die mit der Planfeststellung verbundene Zuständigkeitskonzentration. Daher wird darauf das Schwergewicht der Untersuchung liegen. IV. Nachdem so die genuin bundesstaatlichen Gesichtspunkte behandelt wurden, können wir uns dann weiteren Fragestellungen widmen, die nicht im Kern föderalkompetentieller Art sind, sondern die Gesetzesbindung staatlicher Einrichtungen allgemein betreffen. Wie der Überblick über die Entwicklungslinien in der Rechtsprechung gezeigt hat, ist das Bundesverwaltungsgericht der Ansicht, daß die Gesetzesbindung der Verwaltung unter einem umfassenden allgemeinen Abwägungsvorbehalt steht92. Ob dem gefolgt werden kann oder es nicht vielmehr auf den Geltungsanspruch der allgemein zu beachtenden Vorschriften ankommt, ist im Fünften Teil zu prüfen. V. Die Darstellung der Entwicklung der Rechtsprechung hat außerdem ergeben, daß nach Meinung des Bundesverwaltungsgerichts ein grundsätzliches Eingriffsverbot einer Stelle öffentlicher Verwaltung gegen eine andere bestehen soll 93 . Zudem soll, folgt man dem Langeoog-Urteil, es nicht notwendig sein, an sich erforderliche Genehmigungen bei der Landesverwaltung einzuholen94. Es wird, wiederum unter allgemein-organisationsrechtlichem, nicht genuin föderalem Blickwinkel, im Sechsten Teil zu prüfen sein, ob dies zutrifft.
92 S. o. sub A. II. 5. - 8. 93 S. o. sub A. U. 5. 94 S. o. sub A. IL 7.
Zweiter Teil
Bestandsaufnahme Vor der eigentlichen systematischen Untersuchung ist es angezeigt, sich der verfassungsrechtlichen und einfachrechtlichen ausdrücklich geschriebenen Normen zu vergewissern, soweit sie den „Überschneidungsbereich" von Bundesverwaltung und Landeshoheit betreffen. Es soll zunächst die Rechtslage bezüglich der hauptsächlich betroffenen Einrichtungen des Bundes dargestellt werden. Besonderer Wert ist dabei darauf zu legen, ob in den Aufgabengesetzen bereits Regelungen mit Bezug zum allgemeinen fachfremden Landesrecht (Beachtensvorschriften) und zur Verteilung der Verwaltungszuständigkeiten enthalten sind. Anschließend sind die einschlägigen Bereiche des Landesrechts und die Rolle der Landesverwaltung aufzuzeigen. Auch dabei ist besonders von Bedeutung, ob und wie landesrechtlich vorgesehen ist, daß die allgemeinen Vorschriften in Hinblick auf die Bundesverwaltung nicht gelten (Freistellung) bzw. ihren Geltungsanspruch in einer bestimmten Weise zurücknehmen (Milderung). Abschließend sind die gewonnenen Erkenntnisse zu bewerten.
A. Bundesverwaltung In erster Linie sind die drei großen Verwaltungseinrichtungen des Bundes mit territorialem Bezug betroffen: die Eisenbahnen des Bundes (Art. 73 Nr. 6 a, 87 e GG), die Bundespost (Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Verteidigungsbereich: die Bundeswehr (Art. 73 Nr. 1, 87 a GG) und die Bundeswehrverwaltung (Art. 73 Nr. 1, 87 b GG). Daneben kommen noch weitere Gegenstände der bundeseigenen Verwaltung in Betracht: die Bundeswasserstraßenverwaltung (Art. 74 Nr. 21, 87 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 2 und 3 GG), der Bundesgrenzschutz (Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) und die Luftverkehrsverwaltung (Art. 73 Nr. 6, 87 d). Schließlich können auch Verfassungsorgane des Bundes (bzw. ihre nachgeordneten Stellen) in Konflikt mit Landesrecht und Landesverwaltung treten, wie der Streit um den Abriß des früheren Plenarsaales des Deutschen Bundestages gezeigt hat1. Die Darstellung soll hier auf die drei erstgenannten Verwaltungszweige und die Bundeswasserstraßenverwaltung beschränkt werden.
i Vgl. oben im Ersten Teil sub A. II. 9.
A. Bundesverwaltung
33
I. Eisenbahnen des Bundes2 Vor der Eisenbahnneuordnung3 waren insbesondere im Bundesbahngesetz Regelungen mit Bezug auf Landesrecht und Landesverwaltung enthalten. So war in § 36 BBahnG (a.F.) das Planfeststellungsrecht der Deutschen Bundesbahn niedergelegt. Bei der Durchführung von Planfeststellungsvorhaben hatte die Bahn nach § 36 Abs. 1 Satz 3 BBahnG (a.F.) die Belange des Denkmalschutzes zu berücksichtigen4. Nach § 38 Satz 1 BBahnG (a.F.) hatte die Deutsche Bundesbahn dafür einzustehen, daß ihre dem Betrieb dienenden baulichen und maschinellen Anlagen5 sowie die Fahrzeuge allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügten; nach § 38 Satz 2 BBahnG (a.F.) fanden Baufreigaben, Abnahmen, Prüfungen und Zulassungen durch andere Behörden für die Eisenbahnanlagen und Schienenfahrzeuge nicht statt. Die Reichweite dieser Vorschrift in bezug auf Landesrecht und Landesverwaltung war umstritten 6. Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20. Dezember 19937 bereitete der Verfassunggeber dann den Weg zu der umfassenden Bahnreform, die mit dem Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 19938 vollzogen wurde. Um Klarheit über die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu gewinnen, empfiehlt es sich, die Bahnreform, soweit hier von Interesse, in den Grundzügen darzustellen. 2
Die Eisenbahnen in Deutschland blicken auf eine höchst interessante und wechselvolle Geschichte zurück, auf die in dieser Arbeit aber nicht weiter eingegangen werden kann. Aus neuerer Zeit vgl. dazu: Schmidt-Aßmann / Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, 1986, S. 14 ff.; Ronellenfitsch, VerwArch. 84 (1993), S. 537 (539 ff.). Zur Geschichte der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung vor 1945: Blümel, Die Bauplanfeststellung I, 1961, S. 158 ff. Schrifttum zur Eisenbahnneuordnung: Fromm, DVB1. 1994, S. 187 ff.; Fromm / Seilmann, NVwZ 1994, S. 547 ff.; Heinze, BayVBl. 1994, S. 266 ff.; Schmidt-Aßmann / Röhl, DÖV 1994, S. 577 ff. 3 Soweit dies zum Verständnis notwendig ist, wird die durch das Eisenbahnneuordnungsgesetz erfolgte Änderung der Rechtslage durch die Zusätze (a.F.) und (n.F.) kenntlich gemacht. 4 Vgl. zu der Einfügung dieser Vorschrift im Jahre 1980 hier nur: Moench, NJW 1980, S. 2343. 5 Zum Begriff der Betriebsanlagen: OVG NW, Beschl. v. 15. März 1974 - X B 32/74 - , DÖV 1974, S. 564 f.; OVG NW, Urt. v. 6. Oktober 1988 - 4 A 2966/86 - , GewArch 1989, S. 128 (129 f.); OVG Lüneburg, Urt. v. 16. Dezember 1992 - 7 L 3734/91 NVwZ-RR 1993, S. 405 (406); VGH BW, Urt. v. 24. Februar 1989 - 5 S 958/88 - , NVwZ 1990, S. 585; VG Freiburg, Urt. v. 22. Dezember 1988 - 3 K 1/88 - , NVwZ 1990, S. 594 f.; Finger, Kommentar zum Allgemeinen Eisenbahngesetz und Bundesbahngesetz, 1982, § 36 BbG Anm. 2. 6 Vgl. hier nur Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 69 f. Ausf. dazu noch unten im Dritten Teil sub C. III. 4. und im Vierten Teil sub D. I., II. 2. und 3. 7 BGBl. 1993 I, S. 2089. s Eisenbahnneuordnungsgesetz (ENeuOG) vom 27. Dezember 1993, BGBl. 1993 I, S. 2378.
3 Schoenenbroicher
34
Zweiter Teil: Bestandsaufnahme
Durch die Grundgesetzänderung wird dem Bund in einem neuen Art. 73 Nr. 6 a GG die Gesetzgebungskompetenz für den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege zugewiesen. Neue Rechtsgrundlage hinsichtlich der Verwaltungskompetenz für die Eisenbahnen des Bundes ist nunmehr Art. 87 e GG. Danach wird die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes in bundeseigener Verwaltung geführt (Art. 87 e Abs. 1 Satz 1 GG). Nach Art. 87 e Abs. 3 werden Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form geführt. Sie stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt (Art. 87 e Abs. 3 Satz 2 GG). Nach Art. 1 § 1 ENeuOG9 werden das unter dem Namen „Deutsche Bundesbahn" als nicht rechtsfähiges Sondervermögen verwaltete Bundeseisenbahnvermögen sowie das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn zu einem nicht rechtsfähigen Sondervermögen des Bundes zusammengeführt und vom Bund unter dem Namen „Bundeseisenbahnvermögen" verwaltet. Dieses Bundeseisenbahnvermögen ist gegliedert in einen unternehmerischen Bereich, der das Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen sowie das Betreiben der Eisenbahninfrastruktur umfaßt, und einen Verwaltungsbereich (Art. 1 § 3 ENeuOG). Nach Art. 2 § 1 ENeuOG 10 sind aus dem Eisenbahnvermögen die Teile, die zum Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen und zum Betreiben der Eisenbahninfrastruktur notwendig sind 11 , auf eine dadurch gegründete neue Aktiengesellschaft, die die Firma „Deutsche Bahn Aktiengesellschaft" führt, auszugliedern. In § 2 „Gesetz über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes" (Art. 3 ENeuOG) 12 ist vorgesehen, daß ein dem Bundesministerium für Verkehr unterstehendes Eisenbahn-Bundesamt als selbständige Bundesoberbehörde für Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung errichtet wird. Es ist nach Art. 3 § 3 ENeuOG Aufsichts- und Genehmigungsbehörde u.a. für die Eisenbahnen des Bundes. Ihm obliegen eine Reihe von Aufgaben (Art. 3 § 3 ENeuOG), von denen an dieser Stelle zu nennen sind: die Durchführung der Planfeststellung für die Schienenwege von Eisenbahnen des Bundes (Art. 3 § 3 Abs. 2 Nr. 1 ENeuOG 13 ), die Ausübung 9 Dem „Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen", BGBl. 1993 I, S. 2378. 10 Dem „Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (Deutsche Bahn Gründungsgesetz - DBGrG)", BGBl. 1993 I, S. 2386. 11 Zu den Ausnahmen s. dort und Art. 1 § 20 ENeuOG. 12 BGBl. 1993 I, S. 2394.
13 In Art. 3 § 3 Abs. 3 ENeuOG ist hierzu bestimmt, daß das Eisenbahn-Bundesamt im Planfeststellungsverfahren die Pläne für den Bau neuer oder die Änderung bestehender Be-
A. Bundesverwaltung
35
der Eisenbahnaufsicht, einschließlich der technischen Aufsicht und der Bauaufsicht für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes (Art. 3 § 3 Abs. 2 Nr. 2 ENeuOG) sowie, damit korrespondierend, die Aufgaben nach § 4 Abs. 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (Art. 5 ENeuOG). Nach § 4 Abs. 1 dieses neuen Allgemeinen Eisenbahngesetzes (Art. 5 ENeuOG 14 ) sind die Eisenbahnen verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen und die Eisenbahninfrastruktur, Fahrzeuge und Zubehör sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu halten. In § 4 Abs. 2 AEG (n.F.) ist bestimmt, daß Baufreigaben, Abnahmen, Prüfungen und Zulassungen nach Maßgabe anderer Gesetze und Verordnungen für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes und Schienenfahrzeuge der Eisenbahnen des Bundes dem Eisenbahn-Bundesamt obliegen; die Reichweite dieser Vorschrift wird noch näher zu untersuchen sein 15 . In den §§ 18 ff. AEG 1 6 ist nunmehr die eisenbahnrechtliche Planfeststellung geregelt. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG dürfen Schienenwege von Eisenbahnen einschließlich der für den Betrieb der Schienenwege notwendigen Anlagen und der Bahnstromfernleitungen (Betriebsanlagen der Eisenbahn) nur gebaut oder verändert werden, wenn der Plan zuvor festgestellt worden ist. Dabei sind nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Durch Art. 6 ENeuOG 17 werden eine Reihe von weiteren Vorschriften des Bundesrechts geändert. Im vorliegenden Zusammenhang sind, da Berührungspunkte mit Landesrecht und/oder Landesverwaltung aufweisend, bedeutsam: § 79 BSeuchenG wird in der Weise neu gefaßt, daß im Bereich der Eisenbahnen des Bundes der Vollzug des Bundes-Seuchengesetzes für Schienenfahrzeuge sowie für ortsfeste Anlagen zur Befüllung von Schienenfahrzeugen dem Eisenbahn-Bundesamt obliegt, soweit die Aufgaben des Gesundheitsamtes und der zuständigen Behörden nach den §§ 11, 12 BSeuchenG betroffen sind (Art. 6 Abs. 24 ENeuOG 18 ). Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 AtomG (Art. 6 Abs. 77 ENeuOG 19 ) obliegt die Beaufsichtigung der Beförderung radioaktiver Stoffe im Schienen- und Schiffsverkehr der Eisenbahnen dem Eisenbahn-Bundesamt, wobei dies nicht gilt für die Beförderung ratriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes der nach Landesrecht zuständigen Behörde des Landes, in dem die Betriebsanlagen liegen, zur Durchführung des Anhörungsverfahrens zuzuleiten hat, wenn die Pläne nicht nur den Bereich der Eisenbahnen des Bundes berühren. Das Eisenbahn-Bundesamt stellt den Plan fest (Art. 5 (Allgemeines Eisenbahngesetz - AEG) ENeuOG (BGBl. 1993 I, S. 2396)), erteilt die Plangenehmigung (§ 18 Abs. 2 AEG) oder trifft die Entscheidung nach § 18 Abs. 3 AEG. 14 BGBl. 1993 I, S. 2396. 15 S. u. im Dritten Teil unter C. III. 4. sowie im Vierten Teil sub D. I., II. 2. und 3. 16 BGBl. 1993 I, S. 2401. 17 BGBl. 1993 I, S. 2405. 18 BGBl. 1993 I, S. 2409. 19 BGBl. 1993 I, S. 2413. 3*
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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme
dioaktiver Stoffe durch nichtbundeseigene Eisenbahnen, wenn der Verkehr ausschließlich über Schienenwege dieser Eisenbahnen führt. Nach dem neuen Satz 3 der Vorschrift gilt Satz 2 auch für die Genehmigung solcher Beförderungen, soweit eine Zuständigkeit des Bundesamtes für Strahlenschutz nach § 23 AtomG nicht gegeben ist. Eine Reihe von Sonderrechten der Bahn mit Bezug zur Landesverwaltung wird als Folge der Privatisierung gestrichen 20. Andere spezielle Regelungen sind dagegen geblieben, so etwa die Kompromißvorschrift des § 38 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, nach dem Flächen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes ausschließlich oder überwiegend Zwecken des öffentlichen Verkehrs als wichtige öffentliche Verkehrswege dienen oder die in einem verbindlichen Plan für die genannten Zwecke ausgewiesen sind, in ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung nicht beeinträchtigt werden dürfen 21 . Sinn der Vorschrift ist, die privilegierten „Altnutzungen" nicht der Entscheidungskompetenz der Naturschutzbehörden zu überantworten. Die Vorschriften über Naturschutz und Landschaftspflege sind, soweit die Privilegierung reicht, nicht anzuwenden; dies gilt auch für landesnaturschutzrechtliche Genehmigungsvorbehalte 22. Insgesamt läßt sich feststellen, daß mögliche Überschneidungen von Bundesund Landeshoheit und die daraus entstehenden Zweifelsfragen durch die Bahnreform weder beseitigt worden sind noch abgenommen haben. Es handelt sich bei der Reform um eine bahninterne Aufteilung der Zuständigkeiten auf den unternehmerischen Bereich und die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes, die durch die angestrebte Privatisierung erforderlich wurde. Sowohl die Deutsche Bahn AG als privatrechtlich organisierte Einrichtung des Bundes (Art. 87 e Abs. 3 GG) als auch die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes (Art. 87 e Abs. 1 GG), also das Bundeseisenbahnvermögen-Verwaltungsbereich bzw. das Eisenbahn-Bundesamt23, können, wie vordem das Sondervermögen Deutsche Bundesbahn, in Konflikt mit der Landeshoheit gelangen. Bei der Deutschen Bahn AG stellt sich in erster Linie die Frage, ob sie als Eigentümerin der in Art. 2 § 1 ENeuOG (DBGrG) genannten Liegenschaften dem formellen und materiellen Landesrecht bzw. der Rechtsanwendung durch die Landesbehörden un20
Vgl. die Änderungen der (auf § 24 GewO gestützten) Dampfkesselverordnung, der Druckbehälterverordnung, der Aufzugsverordnung usw. (Art. 6 Abs. 68 ff., BGBl. 1993 I, S. 2412 f.). Zu diesen Vorschriften und ihrer Bedeutung für die Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung allgemein: Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 49 ff. 2
1 Zu diesen „Altnutzungen": Salzwedel, NuR 1984, S. 165 (173); vgl. auch Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 130 f. 22 Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 122 f ; vgl. auch BT-Drucks. 7/5251, S. 15; Salzwedel, NuR 1984, S. 165 (173); a. A.: HessVGH, Beschl. v. 19. April 1984 - 4 TH 824/ 84-, NuR 1986, S. 31 (33). 23 Zur Terminologie: Der Einfachheit halber wird, kommt es auf die Aufteilung des Eisenbahnvermögens nicht an, im weiteren Verlauf der Arbeit auch von der „Bahn" gesprochen.
A. Bundesverwaltung
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terliegt; dies ist identisch mit der nach früherem Recht bereits problematischen Reichweite des § 38 BBahnG (a.F.). Hinsichtlich der Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes interessiert besonders, wie weit deren Vollzugszuständigkeit nach § 4 AEG (n.F.) in Abgrenzung zur Zuständigkeit der Länderbehörden reicht 24 . Auch dies war bereits unter der Geltung des vergleichbaren § 38 Satz 2 BBahnG (a.F.) umstritten 25; ob sich hier durch die Formulierung „nach Maßgabe anderer Gesetze und Verordnungen" eine sachliche Änderung gegenüber § 38 Satz 2 BBahnG (a.F.) ergibt, wird zu untersuchen sein 26 . Die umfangreiche und bis heute keineswegs geklärte Problematik, ob und inwiefern landesrechtlich geschützte Belange in Planfeststellungsverfahren der Bundesverwaltung berücksichtigt werden dürfen oder müssen27, wird durch die Neuregelung der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung in §§ 18 ff. AEG (n.F.) ohnehin nicht berührt.
II. Bundespost28 Für den Bereich der Deutschen Bundespost hat der Gesetzgeber eine §§38 BBahnG (a.F.) bzw. 4 AEG (n.F.) entsprechende Vorschrift nicht erlassen. Besondere Regelungen für die Bundespost mit Bezug zu dem Landesrecht bzw. der Landesverwaltung finden sich nur vereinzelt 29, so etwa bezüglich der straßenverkehrsrechtlichen Befugnisse in § 35 Abs. 7 StVO, wonach Fahrzeuge der Deutschen Bundespost, die der Beförderung von Postsendungen oder dem Bau oder der Unterhaltung von Fernmeldeeinrichtungen dienen, auf allen Straßen und Straßenteilen zu allen Zeiten fahren und halten dürfen, soweit ihr Einsatz dies erfordert. Nach § 1 Satz 1 TWG ist die Deutsche Bundespost TELEKOM befugt, die Verkehrswege für ihre zu öffentlichen Zwecken dienenden Fernmeldelinien zu benutzen, soweit nicht dadurch der Gemeingebrauch der Verkehrswege dauernd beschränkt wird 3 0 . Vor der Benutzung eines Verkehrsweges zur Ausführung neuer 24 Zu entsprechenden Vollzugsverlagerungen auf den Bund bereits Köttgen, JöR N.F. 11 (1962), S. 173 (214 ff.). 25 Vgl. hier nur BVerwG, Beschl. v. 20. September 1989 - 7 B 135/89 - , NVwZ 1990, S. 563 f.; BayVGH, Urt. v. 14. Juli 1989 - 23 B 87.03012 - , DÖV 1990, S. 157 f.; OVG Lüneburg, Urt. v. 16. Dezember 1992 - 7 L 3734/91 - , NVwZ-RR 1993, S. 405 ff.; Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 69 f., 205 f. 26 S. u. im Vierten Teil sub D. I. 27 Dazu im Vierten Teil unter D. II. 2.
28 Zu Geschichte, Aufgabenstellung und zu den Reformvorhaben bezüglich der Deutschen Bundespost vgl. hier nur: Großfeld/ Janssen, DÖV 1993, S. 424 ff.; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980; Steiner, in: Isensee / Kirchhof III, 1988, § 81 Rn. 32 ff. 29 Vgl. auch den Befund bei Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 109: Der Bundesgesetzgeber habe von der Annexzuständigkeit, Rechtsanwendungsnormen zu erlassen, in unterschiedlichem Maße Gebrauch gemacht, reichlich im Bereich der Bahn, zurückhaltend im Bereich der Post.
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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme
Fernmeldelinien oder wesentlicher Änderungen vorhandener Fernmeldelinien hat die Deutsche Bundespost TELEKOM ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 TWG) 3 1 . Dabei dürfen nach § 38 Abs. 1 Nr. 7 BNatSchG insbesondere wiederum Altnutzungen in ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung durch Naturschutz und Landschaftspflege nicht beeinträchtigt werden.
I I I . Verteidigung Für den Verteidigungsbereich bestehen eine ganze Reihe von Vorschriften mit Bezug zu Landesrecht und Landesverwaltung 32. So ist in § 17 a WHG bestimmt, daß eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung unter bestimmten Voraussetzungen nicht erforderlich ist bei Übungen und Erprobungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Zivilschutzes. Die Vorschrift ist unmittelbar geltendes Recht 33 ; sie wurde zur VerwaltungsVereinfachung geschaffen 34, befreit die Bundeswehr allerdings nur bei geringfügigen nachteiligen Veränderungen 35. In § 21 Abs. 4 WHG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, daß die behördliche Überwachung im Sinne dieser Vorschrift bei Anlagen und Einrichtungen, die der Landesverteidigung dienen, zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung gehörenden Stellen übertragen wird. Ganz ähnlich § 59 BImSchG: Danach wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, daß der Vollzug des Gesetzes und der darauf gestützten Rechtsverordnungen bei Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, Bundesbehörden obliegt 36 . Ähnlich auch § 24 Abs. 3 AtomG, wonach für den Dienstbereich der Bundeswehr die in § 24 Abs. 1 und 2 AtomG bezeichneten Zuständigkeiten der Landesbehörden durch den Bundesminister für Verteidigung oder die von ihm bezeichneten Dienststellen im Be30
Hier ist zwischen Bund und Ländern streitig, ob die Nutzung der Verkehrswege für die Kabelverlegung der TELEKOM in Zukunft entgeltlich erfolgen soll, vgl. FAZ v. 18. März 1994, S. 15. 3 1 Vgl. dazu nur BVerwG, Urt. v. 29. Juni 1967 - IV C 36.66 - , BVerwGE 27, S. 253 ff.; BVerwG, Urt. v. 18. März 1987 - I C 28.85 - , BVerwGE 77, S. 128 ff. 32 Umfassend zum Verhältnis von Landesverteidigung und Landeshoheit: Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, insbes. S. 26 ff., 48 ff., 121 ff., 146 ff., 173 ff., 186 ff. S. a. etwa Lang, NuR 1981, S. 158 ff. 33 Vgl. Gieseke/ Wiedemann /Czychowski, WHG, 6. Aufl. 1992, § 17 a Rn. 1. 34 Vgl. BT-Drucks. 7/888, S. 17; BT-Drucks. 7/1088, S. 15. 35 Vgl. Gieseke /Wiedemann /Czychowski, WHG, 6. Aufl. 1992, § 17 aRn. 7, 13. 36
Zur kompetentiellen Verortung von § 59 BImSchG, § 24 AtomG und ähnlichen Vorschriften: Lerche, FS Diirig, 1990, S. 401 ff.
A. Bundesverwaltung
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nehmen mit dem für die kerntechnische Sicherheit und den Strahlenschutz zuständigen Bundesminister wahrgenommen werden. Den zuständigen Dienststellen der Bundeswehr obliegt nach § 15 Abs. 3 TSchG auch die Durchführung des Tierschutzgesetzes für Tiere, die sich im Bereich der Bundeswehr befinden. Nach § 29 a Abs. 1 AbfG ist der Bund, falls es Gründe der Verteidigung zwingend erfordern, für einzelne Abfälle aus dem Bereich der Bundeswehr entsorgungspflichtig; der Bundesminister der Verteidigung oder die von ihm bestimmte Stelle ist insoweit die für die Ausführung zuständige Behörde. In § 70 Abs. 1 Satz 1 BLG ist bestimmt, daß die „Truppen" 37 bei Manövern oder anderen Übungen, die nach § 69 BLG angemeldet sind, die öffentlichen Verkehrswege mehr als verkehrsüblich benutzen dürfen, soweit dies zur Erreichung des Übungszweckes unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dringend geboten ist und nicht einschränkende Bedingungen nach § 66 Abs. 1 oder Beschränkungen nach § 68 Abs. 2 entgegenstehen. Nach § 70 Abs. 1 Satz 2 BLG dürfen öffentliche Verkehrswege allerdings nur aufgrund einer Vereinbarung mit den zuständigen Behörden ganz oder teilweise für den öffentlichen Verkehr gesperrt werden; die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung dieser Vereinbarung treffen die zuständigen Behörden. Neben der straßenverkehrsrechtlichen Bedeutung der Vorschrift weist diese auch einen Bezug zum Straßen» und Wegerecht der Länder auf, da eine mehr als verkehrsübliche Benutzung im allgemeinen eine Benutzung ist, die über den Gemeingebrauch hinausgeht38. Allerdings muß eine Sondernutzungserlaubnis nicht eingeholt werden, da in den Straßen- und Wegegesetzen der Länder (vgl. allein § 21 StrWG NW) vorgesehen ist, daß eine derartige Erlaubnis nicht eingeholt werden muß, falls nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts eine Erlaubnis für eine übermäßige Straßenbenutzung oder eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist 39 . Falls die Bundeswehr außerhalb von Manövern usw. Straßen benutzt, ist sie (wie etwa auch der Bundesgrenzschutz) von den Vorschriften der StVO befreit, soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist (§ 35 Abs. 1 StVO) und nicht mehr als 30 Fahrzeuge im Verband fahren bzw. sonst eine übermäßige Straßenbenutzung mit Ausnahme der nach § 29 Abs. 3 Satz 2 StVO vorliegt, ferner, soweit entsprechende Vereinbarungen getroffen sind (§ 35 Abs. 3 StVO) 40 .
37
Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 BLG sind „Truppen" uniformierte Verbände oder Einheiten. 38 Bauch /Danckelmann /Kerst, BLG, 2. Aufl. 1965, § 70 Anm. 1 (S. 166). 39 Zum Zusammenspiel von wegerechtlicher und straßenverkehrsrechtlicher Erlaubnispflicht: Lorenz, DÖV 1990, S. 517 (519). 40 Die Ausnahmen von den Ausnahmen in § 35 Abs. 4 StVO, die man auch als akribische Über-Regelungen bezeichnen könnte, interessieren hier nicht weiter.
40
Zweiter Teil: Bestandsaufnahme
In § 45 Abs. 1 BWaldG 41 ist bestimmt, daß u.a. auf Flächen, die der Verteidigung dienen, die nach den §§ 6, 7 und 9 bis 13 des Gesetzes erlassenen Landes Vorschriften nur anzuwenden sind, soweit dadurch die bestimmungsgemäße Nutzung nicht beeinträchtigt wird. Falls derartige Waldflächen anders genutzt bzw. aufgeforstet oder Schutzwald oder Erholungswald nunmehr für Verteidigungszwecke genutzt werden sollen, ist nach § 45 Abs. 2 BWaldG die höhere Forstbehörde (lediglich) zu hören. Über eine Abweichung von der Stellungnahme entscheidet nach § 45 Abs. 2 Satz 2 BWaldG der zuständige Bundesminister im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministern und im Benehmen mit der nach Landesrecht zuständigen obersten Landesbehörde. In § 45 Abs. 3 BWaldG ist schließlich ausdrücklich bestimmt, daß Behörden des Bundes und der bundesunmittelbaren Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts bei Planungen und Maßnahmen, die eine Inanspruchnahme von Waldflächen vorsehen oder die in ihren Auswirkungen Waldflächen betreffen können, die Vorschriften des § 8 zu beachten haben; nach dieser Vorschrift haben die Träger öffentlicher Vorhaben bei entsprechenden Planungen und Maßnahmen die Funktionen des Waldes angemessen zu berücksichtigen (§ 8 Nr. 1 BWaldG) und insbesondere die zuständigen Forstwirtschaftsbehörden zu unterrichten und anzuhören (§ 8 Nr. 2 BWaldG). Die komplizierte heutige Fassung des § 45 BWaldG geht auf das Forstpolizei-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zurück 42 . Der Gesetzgeber hat sich in „nacheilendem Gehorsam" bemüht, die tragenden Erwägungen dieses Urteils in Gesetzesform zu gießen. Schließlich ist noch kurz zu erwähnen, daß verschiedene bundesrechtliche Vorschriften besondere inhaltliche Regelungen zu allgemein zu beachtenden Bundesgesetzen enthalten (z. B. § 60 BImSchG, § 30 LuftVG).
IV. Bundeswasserstraßenverwaltung 43 Ausbau und Neubau der Bundeswasserstraßen als Verkehrswege sind nach Art. 74 Nr. 21 4 4 , 87 Abs. 1 Satz 1 und 89 GG und § 12 WaStrG Hoheitsaufgaben des Bundes. Dabei ist bereits grundgesetzlich in Art. 89 Abs. 3 GG eine „Pflicht zum Miteinander" 45 festgelegt, die in § 4 WaStrG einfachrechtlich noch einmal wiederholt wird: Bei der Verwaltung, dem Ausbau und dem Neubau von Wasserstraßen sind die Bedürfnisse der Landeskultur und der Wasserwirtschaft im Einvernehmen 41 42 43
Zu dieser Vorschrift insbes. Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 31 ff., 65 ff. Vgl. Klose/Orf, Forstrecht, 1982, § 45 Rn. 2.
Zur Bundeswasserstraßenverwaltung allgemein: Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S.184 ff. 44 Zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes insoweit: BVerfG, Urt. v. 30. Oktober 1962 2 BvF 2/60,1,2,3/61 BVerfGE 15, S. 1 ( 9 f.); Friesecke , BWaStrG, 2. Aufl. 1981, Einl. Rn. 7. 45 Es soll sich um einen Fall grundgesetzlich erlaubter „Mischverwaltung" handeln: Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1£83, S. 186 m. w. Nachw.
B. Maßgebliche Landeshoheit
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mit den Ländern zu wahren 46. Ausbau oder Neubau von Bundeswasserstraßen bedürfen der Planfeststellung (§§ 14 ff. WaStrG); hier stellen sich in bezug auf Landesrecht und Landesverwaltung die gleichen Probleme wie bei der eisenbahnrechtlichen und der fernmelderechtlichen Planfeststellung. Einen besonderen Bezug zu Landesrecht und Landesverwaltung hat auch § 48 WaStrG 47. Die Vorschrift, strukturell verwandt mit §§ 38 BBahnG (a.F.) und 4 FStrG 48 , bestimmt, daß die Wasserund Schiffahrtsverwaltung des Bundes dafür verantwortlich ist, daß die bundeseigenen Schiffahrtsanlagen und Schiffahrtszeichen sowie die bundeseigenen wasserbaulichen Anlagen allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen (§ 48 Satz 1 WaStrG), und daß es behördlicher Genehmigungen, Erlaubnisse und Abnahmen nicht bedarf. Die genaue Reichweite dieser Vorschrift wird ebenfalls zu prüfen sein.
B. Maßgebliche Landeshoheit Nachfolgend sollen die relevanten Materien des Landesrechts kurz dargestellt und die Bedeutung der Landesverwaltung umrissen werden.
I. Landesrecht 1. Bauordnungsrecht Zu Überschneidungen von Bundesverwaltung und Landesrecht kommt es immer wieder in Hinblick auf das Bauordnungsrecht 49. Allerdings ist hier sogleich zu vermerken, daß die Bauordnungen der Länder ihren materiellen und formellen Gel46 Hierzu: Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 186 f.; Friesecke, Aufl. 1981, Einl. Rn. 12. 47
BWaStrG, 2.
Zur Bedeutung von § 48 WaStrG in bezug auf das Bauordnungsrecht der Länder und die Notwendigkeit der Einholung des gemeindlichen Einvernehmens bei Bauvorhaben der Bundeswasserstraßen Verwaltung (Umbau des Helgoländer Leuchtturms): OVG Lüneburg, Beschl. v. 30. Mai 1983 - 3 OVG A 38/83 NuR 1984, S. 110 f. 4 « Vgl. Friesecke, BWaStrG, 2. Aufl. 1981, § 48 Rn. 1. 49 1. Bundesbahn und Bauordnungsrecht der Länder: BVerwG, Urt. v. 29. August 1961-1 C 167/59 - , NJW 1962, S. 552 ff.; PrOVG, Urt. v. 6. Oktober 1932 - IV. C. 78/32 - , OVGE 90, S. 400 ff.; OVG NW, Beschl. v. 15. März 1974 - X B 32/74 - , DÖV 1974, S. 564 f.; OVG NW, Urt. v. 6. Oktober 1988 - 4 A 2966/86 - , GewArch. 1989, S. 128 ff.; Kaiser, NJW 1976, S. 87 ff.; Küchler, DÖV 1977, S. 187 ff. 2. Landesverteidigung und Landesbaurecht: BVerwG, Urt. v. 22. April 1966 - I V A 1.65 - , DVB1. 1967, S. 292 f.; BVerwG, Urt. v. 30. Juli 1976 - I V A 1/75 - , NJW 1977, S. 163; OVG NW, Beschl. v. 24. November 1967 - X B 622/67 - , DVB1. 1968, S. 528 ff.; Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 146 ff.; 3. Bundeswasserstraßen Verwaltung und Landesbaurecht: OVG Lüneburg, Beschl. v. 30. Mai 1983 - 3 OVG A 38/83 - , NuR 1984, S. 110 f.
42
Zweiter Teil: Bestandsaufnahme
tungsanspruch in bestimmter Weise zurücknehmen: In den Vorschriften über den Anwendungsbereich ist regelmäßig bestimmt, daß die Gesetze nicht gelten für Anlagen des öffentlichen Verkehrs und ihre Nebenanlagen, mit Ausnahme von Gebäuden, Überbrückungen und Stützmauern (z. B. § 1 Abs. 2 Nr. 1 BauO NW; § 1 Abs. 2 Nr. 1 BauO BW); weiter nicht bezüglich Leitungen, die der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Gas, Elektrizität, Wärme, der öffentlichen Abwasserbeseitigung oder dem Fernmeldewesen dienen, einschließlich ihrer Masten, Unterstützungen sowie unterirdischen Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BauO NW). Daneben ist in formeller Hinsicht vorgesehen, daß öffentliche Bauherren grundsätzlich keiner Baugenehmigung, sondern, falls bestimmte weitere Voraussetzungen eingehalten sind, (nur) einer Zustimmung bedürfen (vgl. i. e. § 75 Abs. 1 BauO NW). Weitergehend sind bauliche Anlagen sowie andere Anlagen und Einrichtungen, die unmittelbar der Landesverteidigung dienen, (lediglich) der oberen Bauaufsichtsbehörde in geeigneter Weise zur Kenntnis zu bringen; im übrigen wirken die Bauaufsichtsbehörden nicht mit (§ 75 Abs. 5 BauO NW).
2. Denkmalschutzrecht Ein Bereich, in dem es ebenfalls häufig zu Konflikten kommt, ist das Denkmalschutzrecht, das zur „Kulturhoheit" der Länder gezählt wird 5 0 . Danach sind Denkmäler in Denkmallisten einzutragen (§ 3 DSchG NW); falls damit zu rechnen ist, daß ein Denkmal in die Denkmalliste eingetragen wird, soll die Untere Denkmalbehörde anordnen, daß das Denkmal vorläufig als eingetragen gilt (§ 4 Abs. 1 DSchG NW). Die Veränderung usw. eines Denkmals bedarf der Erlaubnis der Unteren Denkmalbehörde (§ 9 Abs. 1 DSchG NW), darauf verzichtet der Gesetzgeber allerdings insbesondere, falls die erlaubnispflichtige Maßnahme im Wege einer Planfeststellung zu realisieren ist (§ 9 Abs. 3 DSchG NW). In erster Linie ist hier die Bahn betroffen: So hatten OVG NW und Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden, ob die vorläufige Eintragung einer Betriebsanlage der Bahn rechtens ist 5 1 .
so Art. 18 Abs. 2 Verf NW ; vgl. auch Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 69 ff. m. w. Nachw. 5i BVerwG, Beschl. v. 23. März 1984 - 4 B 43.84 - , DÖV 1984, S. 814; OVG NW, Urt. v. 15. Dezember 1983 - I I A 1949/83 - , DÖV 1984, S. 475 f. Zur Bedeutung des Denkmalschutzrechts in der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung: BVerwG, Beschl. v. 7. Januar 1992 - 7 B 153.91 - , NWVBL 1992, S. 202. Aus der Lit. insbes. Hoppe, Rechtsgutachten, 1992; Klein, DÖV 1977, S. 194 ff.; ferner Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. 45 ff.; Stähler, Denkmalbegriff, denkmalschutzrelevante Satzungen und Denkmalschutz bei Bundesbehörden, Diss. Münster 1985, S. 155 ff. - Deutsche Bundespost und Denkmalschutzrecht: VGH BW, Urt. v. 29. Juni 1992 - 1 S 2245/90-,UPR 1993, S. 36 f. - Landesverteidigung und Denkmalschutzrecht: Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 92 f.
B. Maßgebliche Landeshoheit
43
3. Straßen- und Wegerecht Das Straßen- und Wegerecht ist Ländersache. Dazu gehören insbesondere die Vorschriften über den Gemeingebrauch und die Sondernutzung 52. Ob sich daran auch Einrichtungen des Bundes zu halten haben, ist eine Frage, die durch das Langeoog-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 53 in das allgemeine Bewußtsein getreten ist 5 4 .
4. Polizei- und Ordnungsrecht Das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht liegt in der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder. Ob Landesbehörden, insbesondere auf die polizeirechtliche Generalklausel gestützt, Anordnungen an Bundesbehörden erlassen können, wird, wie im Ersten Teil gezeigt, „seit jeher" diskutiert. Zu beachten ist, daß in einigen Vorschriften polizeirechtlicher Natur Sonderregelungen für Gegenstände der bundeseigenen Verwaltung vorgesehen sind. Nach § 37 Abs. 2 des Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung bei Unglücksfällen und öffentlichen Notständen NW (FSHG NW) z. B. finden die Vorschriften über Betriebs- und Werkfeuerwehren und deren Einrichtung (§§ 14, 15 FSHG NW), die überörtliche Hilfe der Feuerwehren (§ 17 FSHG NW) und die Brandschau (§ 23 FSHG NW) auf die Bahn, die Bundespost, die Bundesfernstraßenverwaltung und die Bundeswasserstraßenverwaltung keine Anwendung. Auch ist in verschiedenen landesrechtlichen SmogVerordnungen vorgesehen, daß die allgemeinen Verkehrsverbote nicht gelten sollen z. B. für Dienstfahrzeuge der Bundespost, wenn die Fahrten zur Aufgabenerfüllung erforderlich und unaufschiebbar sind (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 SaarlSmog-Veiordnung; § 9 Abs. 1 Nr. 5 SmogVO NW) 5 5 . 52 BVerfG, Beschl. v. 9. Oktober 1984 - 2 BvL 10/82 BVerfGE 67, S. 299 (314 ff., 321 ff.); BVerwG, Urt. v. 26. Juni 1981 - 7 C 27.79 - , BVerwGE 62, S. 376 (378 f.). 53 BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - 7 C 65.88 - , BVerwGE 82, S. 266 ff. 54 Vgl. Lorenz, DÖV 1990, S. 517 ff.; Schoenenbroicher, DVB1. 1990, S. 811 ff. Zum Thema Bundesverwaltung und Wegerecht vgl. im übrigen auch: BVerfG, Beschl. v. 15. Juli 1969 - 2 BvF 1/64 - , BVerfGE 26, S. 338 ff. 55 Diese Vorrechte der Deutschen Bundespost verstoßen nach Ansicht der Rechtsprechung nicht gegen Rechte von Wettbewerbern: BVerwG, Beschl. v. 3. April 1992 - 7 NB 1/92 - , NVwZ-RR 1992, S. 405 (unter ausdrücklicher Berufung auf das Langeoog-Urteil wird ausgeführt, die Umorganisation der Deutschen Bundespost ändere nichts daran, daß sie gemäß Art. 87 Abs. 1 GG nach wie vor Teil der bundeseigenen Verwaltung sei und ihre Fahrzeuge die Sonderrechte des § 35 Abs. 7 StVO genössen). Vgl. in ähnlichem Zusammenhang auch OVG NW, Urt. v. 28. Juni 1993 - 13 A 1558/92 - , NWVBL 1994, S. 27 ff.: Ein privater Zustelldienst hat keinen Anspruch auf allgemeine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigungen, die es ihm - ähnlich wie dem Paketdienst der Deutschen Bundespost nach § 35 Abs. 7 und 8 StVO - ermöglichen, zum Zwecke der Zustellung oder Abholung von Paketen entgegen den Verkehrszeichen und -anordnungen zu halten, parken oder zu fahren.
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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme
5. Wasserrecht Besondere Bedeutung kommt auch dem Wasserrecht der Länder zu 5 6 . Das Wasserrecht gehört zur Rahmengesetzgebungszuständigkeit des Bundes (Art. 75 Nr. 4 GG), der von seiner Kompetenz durch den Erlaß des Wasserhaushaltsgesetzes Gebrauch gemacht hat. In Ausfüllung dieses Gesetzes haben die Länder Landeswassergesetze erlassen 57. Soweit darin Anforderungen an die Nutzung von Gewässern selbständig aufgestellt werden 58, fragt es sich, ob diese Vorschriften in materieller wie formeller Hinsicht auch für die Bundesverwaltung gelten 59 . Soweit das Wasserhaushaltsgesetz selbständig vollzugsfähig ist 6 0 , ist insbesondere fraglich, ob die Bundesverwaltung nach diesem Gesetz erforderliche Erlaubnisse usw. bei den zuständigen Landesbehörden einholen muß. In beiden Fällen ist zu berücksichtigen, daß, wie gezeigt, in dem Wasserhaushaltsgesetz einige spezielle Vorschriften „befreiender" Art insbesondere für die Bundeswehr enthalten sind.
6. Recht des Naturschutzes und der Landschaftspflege
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Das Recht des Naturschutzes und der Landschaftspflege ist ebenfalls eine Materie, die in der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes liegt (Art. 75 Nr. 3 GG). Der Bund hat von seiner Zuständigkeit durch den Erlaß des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) Gebrauch gemacht. Neben dem bereits angesprochenen, unmittelbar (§ 4 Satz 3 BNatSchG) geltenden § 38 BNatSchG ist die nicht direkt geltende62 sog. Eingriffsregelung in § 8 56 1) Bahn und Landeswasserrecht: BayVGH, Urt. v. 25. Oktober 1966 - Nr. 132 VIII 65 BayVBl. 1967, S. 170 f.; Bickel, Kommentar zum Hessischen Wassergesetz, 1987, § 25 Rn. 7; Gieseke / Wiedemann / Czychowski, WHG, 6. Aufl. 1992, § 19 Rn. 62 und § 21 Rn. 52. 2) Landesverteidigung und Landeswasserrecht: Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 186 ff. 57 Vgl. Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, 6. Aufl. 1992, Einl. V. 2. (S. 47). 58 Vgl. Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, 6. Aufl. 1992, Einl. V. 1. (S. 46). 59 Zur Geltung von Festsetzungen von Wasserschutzgebieten für die Landesverteidigung und zur Geltung sonstiger wasserrechtlicher Regelungen: Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 186 ff. 60 Vgl. Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, 6. Aufl. 1992, Einl. IV. 2. (S. 46). 61 Allgemein zum Thema Bundesverwaltung und Naturschutzrecht: Salzwedel, NuR 1984, S. 165 ff.; ferner auch Gassner, NuR 1981, S. 6 (8 f.). Zur Geltung des Naturschutzrechts für die Bahn vgl. auch Kunz, vr 1985, S. 337 ff.; zur Bedeutung des Naturschutzrechts in Planfeststellungen von Bundesbehörden s. BVerwG, Urt. v. 14. April 1989 - 4 C 31.88 - , BVerwGE 82, S. 17 ff.; BVerwG, Urt. v. 29. April 1993 - 7 A 2/92 NVwZ 1993, S. 890 f.; Breuer, NuR 1980, S. 89 ff. Zu Landesverteidigung und Naturschutz umfassend Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, insbes. S. 31 f., 33 f., 54 f., 64 f., 77 ff., 121 ff., 138 ff., 141 ff.; zur Verpflichtung der Bundesverteidigungsverwaltung zur Zahlung einer landesnaturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe: BVerwG, Urt. v. 20. Januar 1989 - 4 C 15.87 - , BVerwGE 81, S. 220 (226); Breuer, NuR 1980, S. 89 (96 f.); Eckardt, NuR 1979, S. 133 ff.
B. Maßgebliche Landeshoheit
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BNatSchG63 für die Aufgabenerfüllung der Bundesverwaltung, insbesondere bei der Durchführung von Planfeststellungsverfahren 64, von Interesse. Ob die landesrechtlichen Vorschriften des besonderen Naturschutzes 65, etwa die über die Wirkungen der Schutzausweisung (vgl. § § 1 2 - 1 8 BNatSchG, § 34 LG NW) auch für Bundesbehörden gelten, wird ebenfalls immer wieder problematisiert 66. Zu berücksichtigen ist schließlich, daß das Bundesnaturschutzgesetz in § 31 BNatSchG eine unmittelbar (§ 4 Satz 3 BNatSchG) geltende Vorschrift enthält, wonach von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes und den darauf gestützten Rechtsvorschriften 67 Befreiung insbesondere dann gewährt werden kann, wenn überwiegende Gründe des Gemeinwohls die Befreiung erfordern 68.
7. Weitere Rechtsgebiete Zu erwähnen ist noch, daß die Verpflichtung der Bundesverwaltung zur Berücksichtigung mancher landesrechtlich geregelter Belange außerhalb jeder Kontroverse stehen dürfte, mögliche Streitigkeiten zumindest nicht bekannt geworden sind. Dazu gehört etwa die Geltung der Feiertagsgesetze der Länder für die Verwaltung des Bundes (insbesondere die Bahn). Hier ist festzustellen, daß in den Feiertagsgesetzen durchweg Rücksicht auf die Belange der Bahn genommen wird; so ist in § 4 Nr. 2 FeiertagsG NW bestimmt, daß an Sonn- und Feiertagen die Arbeiten der öffentlichen und privaten Unternehmen des Verkehrs erlaubt sind, Instandsetzungsarbeiten sind jedoch nur zugelassen, soweit sie für die Weiterfahrt erforderlich sind. Auch die Geltung landesrechtlicher Abgaben vor Schriften 69 für die Behörden des Bundes wird inzwischen allgemein bejaht, falls die Vorschrift kompetenzgemäß erlassen und die die Gebührenpflicht auslösende Maßnahme selbst zulässig ist 7 0 . 62 Hinsichtlich der Ausführungsbestimmungen der Länder vgl. etwa §§ 4 ff. Landschaftsgesetz NW. 63 Dazu insbes. Breuer, NuR 1980, S. 89 ff. 64 Vgl. Breuer, NuR 1980, S. 89 ff.; Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 64 ff.
65 Vgl. dazu Salzwedel, NuR 1984, S. 165 (172 f.). 66 S. Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 173 ff. 67 Eine Ausnahme gilt für § 21 Abs. 1 und 3 BNatSchG. 68 Zu den Auswirkungen dieser Vorschrift auf die Bundesverwaltung vgl. Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 79 ff.; Salzwedel, NuR 1984, S. 165 (173). 69
Zu der Geltung landesrechtlicher Abgabenvorschriften: BVerfG, Beschl. v. 9. Juli 1969 - 2 BvL 25,26/64 - , BVerfGE 26, S. 281 ff.; BVerwG, Urt. v. 22. April 1966 - I V A 1.65 - , DVB1. 1967, S. 292; BVerwG, Urt. v. 27. Juni 1969 - V I I C 20.67 - , BVerwGE 32, S. 252 ff.; BVerwG, Urt. v. 21. April 1972 - VII C 43/70 - , NJW 1972, S. 1482 f.; BVerwG, Urt. v. 10. Mai 1974 - V I I C 56/72 - , VerwRspr 26 (1975), S. 446 ff.; BVerwG, Urt. v. 11. Dezember 1987 - 8 C 85.86 - , BVerwGE 78, S. 321 ff.; BVerwG, Beschl. v. 20. September 1989 - 7 B 135/89 - , NVwZ 1990, S. 563 f. Auf die gerade in letzter Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnende Frage der Voraussetzungen von Erstattungsansprüchen von Bundes- und Landesbehörden gegeneinander ist in
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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme
II. Landesverwaltung Hinsichtlich der Landesverwaltung werden die Voraussetzungen zu klären sein, unter denen diese Anordnungen an die Bundesverwaltung erlassen darf, bzw., in umgekehrter Sichtweise, die Bundesverwaltung verpflichtet ist, gesetzlich vorgesehene Genehmigungen usw. einzuholen. An dieser Stelle ist besonders darauf aufmerksam zu machen, daß die Landesverwaltung in Hinblick auf den ihr an sich obliegenden Vollzug von Landes- wie Bundesrecht betroffen sein kann. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Normbetroffenheit der Bundesverwaltung als schlichter Normadressat wie auch hinsichtlich der Bewertung von Zuständigkeitsverlagerungen auf die Bundesverwaltung. Die allgemein-organisationsrechtlichen, nicht spezifisch bundesstaatlichen Erwägungen, die im Fünften und Sechsten Teil der Arbeit anzustellen sein werden, können sich daher auch auf den Vollzug von allgemeinem fachfremdem Bundesrecht durch Fachbehörden der Länder gegenüber der Bundesverwaltung beziehen. Zu der hier behandelten Landesverwaltung gehört auch die Kommunalverwaltung 71 . Ob die Gesetzesanwendung an sich Stellen der unmittelbaren Landesverwaltung oder den Kommunen als mittelbare Staatsverwaltung 72 obliegt, macht für unser Thema keinen Unterschied.
C. Bewertung Es sollte aufgezeigt werden, welche ausdrücklich geschriebenen Rechtsvorschriften von Interesse sind. Danach ergibt sich folgendes Bild: Auszugehen ist von der allgemeinen, nicht kompetenzspezifischen bundes- oder landesrechtlichen Vorschrift, die von der gesamten Exekutive, des Bundes wie der Länder, Beachtung verlangt. Allerdings kann der Anspruch zurückgenommen sein, indem bestimmte Bundesbehörden von materiellen oder formellen Anforderungen ganz freigestellt oder die Vorschriften doch zumindest gemildert sind. Auch bundesrechtlich kann derartiges bestimmt sein, und zwar sowohl in einer bundesbehördlichen Ausführungsvorschrift wie auch in einem allgemeinen fachfremden Gesetz. Eine dieser Arbeit nicht weiter einzugehen, vgl. dazu insbes.: BVerwG, Urt. v. 15. März 1989 7 C 42.87 - , BVerwGE 81, S. 312 ff.; BVerwG, Urt. v. 30. November 1990 - I C 4.90 - , JZ 1993, S. 947 m. Anm. Faber; BVerwG, Urt. v. 6. November 1991 - I C 1.91 - , JZ 1992, S. 460 ff. m. Anm. Lorenz. 70 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 20. September 1989 - 7 B 135/89 - , NVwZ 1990, S. 563. 71 Konflikt zwischen kommunalen Behörden und Einrichtungen des Bundes beispielsweise in: BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - I C 65.88 - , BVerwGE 82, S. 266 ff.; BVerwG, Beschl. v. 20. September 1989 - 7 B 135/89 - , NVwZ 1990, S. 563 f. 72 Zum Begriff der mittelbaren Staatsverwaltung: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 1994, § 23 Rn. 1.
C. Bewertung
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Reihe entsprechender Vorschriften insbesondere in Hinblick auf eine Zuständigkeitsverlagerung besteht für den Verteidigungsbereich; weniger für Bahn und Bundeswasserstraßenverwaltung, kaum für die Post. Eine bestimmte Systematik in Hinblick auf „Freistellungen" oder,»Milderungen" ist nicht zu erkennen. Immerhin ist festzustellen, daß in praktisch wichtigen Bereichen wie dem Bauordnungsrecht und dem Naturschutzrecht spezielle Regelungen mit Bezug auf die Bundesverwaltung vorhanden sind. Gleiches gilt für das Denkmalschutzrecht, bei dem die Genehmigungspflichtigkeit insbesondere bei Durchführung einer Planfeststellung zurückgenommen ist. In Hinblick auf die polizeirechtliche Generalklausel ist bereits an dieser Stelle festzustellen, daß die Bundesbelange entweder auf der Tatbestandsebene oder zumindest beim Entschließungsermessen zu berücksichtigen sind. Insoweit ist also für die Berücksichtigung der Bundesbelange „gesorgt".
Dritter Teil
Die föderal-kompetentiellen Vorgaben für das Verhältnis von Bundesverwaltung und Landesrecht Ausgangspunkt aller weiteren Erwägungen ist der rechtsstaatliche Eckpfeiler, der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Art. 20 Abs. 3 GG. Danach ist auch und gerade die Exekutive verpflichtet, das für alle geltende Gesetz zu beachten, sie ist daran gebunden. Für ihren Bereich existiert keine Sonderrechtsordnung, sie handelt nicht nach eigenen Vorstellungen oder Verwaltungsvorschriften, sondern auch sie unterliegt den allgemeinen Rechtsnormen. Bei dem Verhältnis von Bundesverwaltung und Landeshoheit handelt es sich allerdings, und das macht die Besonderheit aus, im föderalistischen Koordinatensystem des Staatsaufbaus der Bundesrepublik um ein Problem der - möglichen Überordnung der Länder über den Bund1. Die „bundesstaatlich prekäre Situation"2 liegt darin begründet, daß der Bund nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung a priori von dem Landesrecht ausgenommen sein kann. Aus dem Grundgesetz kann sich ergeben, daß die Bundesverwaltung - global bezogen auf alle Aspekte ihrer Aufgabenerfüllung oder sektoral hinsichtlich bestimmter Tätigkeiten - von der Beachtung der Landesgesetze freigestellt ist.
A. Die These von der generellen Freistellung der Bundesverwaltung In den fünfziger und sechziger Jahren ist in der Literatur versucht worden, eine generelle Freistellung der Bundesverwaltung von der Bindung an Landesrecht zu begründen. Nach dieser sehr weitgehenden Ansicht soll die Bundesverwaltung hinsichtlich ihrer gesamten Aufgabenerfüllung von Einwirkungen der Länder, seien sie gesetzlicher oder administrativer Art, freigestellt sein3. Dies folge aus der „prinzipiellen Überordnung" 4 des Bundes, der, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, als „Oberstaat" den Ländern stets vorgehe. Die Überordnung er1
Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 104. Isensee (Fn. zuvor). 3 Kölble, DÖV 1962, S. 661 ff.; Scheurer, Unterwerfung der Bundesverwaltung unter Landesrecht?, Diss. Heidelberg 1965, insbes. S. 65 ff. und passim. 4 Kölble , DÖV 1962, S. 661 (663); Scheurer, Unterwerfung der Bundesverwaltung unter Landesrecht?, Diss. Heidelberg 1965, S. 65. 2
A. Die These von der generellen Freistellung der Bundesverwaltung
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gebe sich aus einer Reihe von Indizien im Grundgesetz5 und basiere schließlich auch auf völkerrechtlichen Grundsätzen6. Die Ansicht ist jedoch zurückzuweisen. I. Zum einen ist bereits der Auslegung der zur Begründung herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu folgen. Das Gericht hat im Neugliederungsurteil 7 zwar tatsächlich die Bemerkung gemacht, der Bund sei als Oberstaat den Ländern prinzipiell übergeordnet. Von dieser nicht näher begründeten Ansicht ist es in späteren Urteilen jedoch zumindest stillschweigend wieder abgewichen. So hat es in mehreren Entscheidungen ausgeführt, in einem so betont föderalistischen Staat wie der Bundesrepublik ständen die Verfassungsräume des Bundes und der Länder grundsätzlich selbständig nebeneinander8. Die Bemerkung aus dem Neugliederungsurteil muß daher als überholt gelten. Letztlich kann allerdings auf sich beruhen, ob und welchen Bundesstaatsbegriff das Bundesverfassungsgericht vertrat oder vertritt. Auch auf den heute erledigten unfruchtbaren Gelehrtenstreit 9 über die ,gichtige" Bundesstaatstheorie muß nicht weiter eingegangen werden. Zur Entkräftung des Arguments, die Freistellung des Bundes folge aus einer „prinzipiellen Überordnung" des Bundes über die Länder, reicht vielmehr eine Besinnung auf die im Grundgesetz angeordnete Doppelfunktion des Bundes als Gesamtstaat und als Teilstaat aus 10 . Bei einer Bestandsaufnahme der im Grundgesetz enthaltenen föderalistisch bedeutsamen Vorschriften ist festzustellen, daß die Verfassung zum einen Vorschriften zur Organisation der Bundesorgane aufweist, z.B. in Hinblick auf die Bundesverwaltung (Art. 87 GG). In dieser Hinsicht ist das Grundgesetz selbst Teilrechtsordnung, ist der Bund, als Zentralstaat, (lediglich) als Glied des Ganzen anzusehen 11 . Insoweit stehen die Verfassungsräume von Bund und Ländern grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander, sind die Beziehungen zwischen Bund und Ländern koordinationsrechtlich zu verstehen. Darüber hinaus eröffnet das Grundgesetz jedoch noch eine weitere Ebene. Dabei geht es nicht, wie zuvor, um die Befugnisse des Zentralstaates und der Länder, 5
Scheurer, Unterwerfung der Bundesverwaltung unter Landesrecht?, Diss. Heidelberg 1965, S. 65 ff. 6 Vgl. die Andeutungen in diese Richtung bei Krüger, FG Kaufmann, 1950, S. 239 (243 f.). 7 BVerfG, Urt. v. 11. Juli 1961 - 2 BvG 2/58 BVerfGE 13, S. 54 (78 f.). s Vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 19. Juli 1967 - 2 BvR 639/66 - , BVerfGE 22, S. 267 (270); BVerfG, Beschl. v. 29. Juni 1983 - 2 BvR 1546/79 - , BVerfGE 64, S. 301 (317). 9 Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 83; ähnlich Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (269 mit Fn. 119): Die Konstruktionsversuche im Sinne eines zwei- oder dreigliedrigen Bundesstaates seien für das Verständnis der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes nicht unbedingt ergiebig. 10 Grdl. nunmehr Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 81 ff. h Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 84. 4 Schoenenbroicher
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
sondern es legt hier die rechtlichen Regeln für das Nebeneinander der Kompetenzträger Bund (als Zentralstaat) und der Länder selbst fest. Solche Regelungen enthalten etwa die Vorschriften über die Verteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen (Art. 30, 70 ff., 83 ff. GG) oder die Normen über die Kompetenz-Kompetenz (Art. 31, 79 Abs. 3, 84 Abs. 3 GG). In dieser Hinsicht ist das Grundgesetz Gesamtverfassung. Der Bund ist 1 2 nicht nur Zentralstaat, sondern in Realunion auch Gesamtstaat, „Glied des Ganzen und sein Garant" 13 . Nur insoweit hat das Verhältnis von „Bund" und Ländern subordinationsrechtlichen Charakter, ist der Bund, in Ausführung der in der Gesamtverfassung festgelegten Zuständigkeit des Gesamtstaates, den Ländern übergeordnet. Daraus ergibt sich bezüglich der behaupteten prinzipiellen Überordnung des Bundes: Die Aufgabenerfüllung der Bundesverwaltung betrifft den Bund (lediglich) als Zentralstaat, nicht als Gesamtstaat. Als Zentralstaat ist er den Ländern gleichgeordnet. Vorrangbefugnisse könnten zwar aus den Vorschriften über die Verteilung der Gesetzgebungsvorschriften abzuleiten sein; darauf stellen die Vertreter der Ansicht von der „prinzipiellen Überordnung" jedoch an dieser Stelle gerade nicht ab 14 . II. Die von Scheurer in seiner Dissertation zum Thema entwickelte These, die globale Freistellung ergebe sich aus einer Reihe von „Indizien" 15 im Grundgesetz 16 , nämlich Art. 31, 37 Abs. 1, 84 Abs. 3 GG, ist auch zurückzuweisen. Zum einen ist bereits das methodische Vorgehen nicht statthaft. Es ist unzulässig, bestimmte in der Verfassung ausdrücklich normierte Aufsichts- und Vorrangrechte als „Indizien" für eine Entscheidung in einem ganz anderen Sachbereich heranzuziehen. Die Frage der Gesetzesbindung hat mit den zur Stützung der These von der Freistellung vorgetragenen Vorschriften nichts zu tun. Mit ebenso gutem Recht wie Scheurer kann man im Gegenteil behaupten, daß sich gerade daraus, daß eine ausdrückliche Vorschrift im Grundgesetz nicht vorhanden sei, zwingend schließen lasse, daß von der Freistellung der Bundesverwaltung wegen einer prinzipiellen Überordnung des Bundes eben nicht auszugehen sei. Schließlich ist die Ausübung der Staatsgewalt nach dem Grundgesetz grundsätzlich Sache der Länder (Art. 30, 70, 83 GG), der Bund muß die von ihm in Anspruch genommenen Kompetenzen einzeln und positiv im Grundgesetz nachweisen17. Aus der genauen Nor12 Als „Theorem" (Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 83). 13 Isensee (Fn. zuvor). 14 Scheurer, Unterwerfung der Bundesverwaltung unter Landesrecht?, Diss. Heidelberg 1965, S. 21; s. a. Kölble, DÖV 1962, S. 661 (663). 15 So Scheurer, Unterwerfung der Bundesverwaltung unter Landesrecht?, Diss. Heidelberg 1965, S. 65. 16 Vgl. i. e. Scheurer, Unterwerfung der Bundesverwaltung unter Landesrecht?, Diss. Heidelberg 1965, S. 63 ff. 17 BVerfG, Beschl. v. 9. Juli 1969 - 2 BvL 25,26/64 - , BVerfGE 26, S. 281 (297); s.a. Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 105.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
51
mierung einzelner beschränkter Herrschaftsbefugnisse des Bundes gegenüber den Ländern kann daher nur der Schluß gezogen werden, daß dem Bund nur diese festumrissenen Befugnisse zukommen, nicht aber eine allgemeine grundsätzliche Überordnung, aus der dann weitere Einzelbefugnisse abgeleitet werden könnten18. Selbst wenn man darüber noch hinwegsähe, wäre der Ansicht Scheurers nicht zu folgen, und zwar wegen der soeben beschriebenen, für das bundesstaatliche Verständnis grundlegenden und klarstellenden Unterscheidung zwischen den Befugnissen des Bundes als Gesamtstaat und als Zentralstaat. Die von Scheurer vorgebrachten Aufsichts- und Vorrangbefugnisse kommen in der Tat allein dem Bund in seiner übergeordneten Funktion als Gesamtstaat zu. Dagegen handelt es sich bei der Frage der Gesetzesbindung um die Bundesverwaltung als Einrichtung des Bundes als Zentralstaat. Nimmt man die genaue Unterscheidung vor, so wird unmittelbar deutlich, daß die gesamte Argumentation Scheurers ins Leere zielt, denn er hat sich, freilich ohne dies zu bemerken, allein mit den Aufsichts- und Vorrangrechten des Bundes als Gesamtstaat befaßt, während bei der Frage der Gesetzesbindung der Bund in seiner Rolle als Zentralstaat betroffen ist. III. Völkerrechtliche Gesichtspunkte sind schließlich auch nicht heranzuziehen. Die direkte oder analoge Anwendung völkerrechtlicher Regelungen für die staatsrechtlichen Binnenbeziehungen ist allenfalls denkbar, wenn das Verfassungsrecht Lücken aufweist 19. Das ist hier nicht der Fall, weil sich aus Art. 20 Abs. 3 GG und den Kompetenzbestimmungen ergibt, was rechtens ist 20 .
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes I. Für die in Art. 87 ff. GG genannten Gegenstände verfassungsobligatorischer unmittelbarer Bundesverwaltung soll sich nach Ansicht mancher Autoren und Gerichte die Freistellung der Bundesverwaltung von Landesrecht (und Landesverwaltung) unmittelbar aus den Vorschriften über die Verwaltungsbefugnisse des Bundes ergeben 21. Durch die grundgesetzliche Zuweisung eigener Verwaltungszuständigkeiten seien die Gegenstände der bundeseigenen Verwaltung dem Landesregime 18
Zutr. Breuer (Fn. zuvor). 19 Vgl. Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 33 m. w. Nachw. 20 Im Ergebnis ebenso Bothe, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 30 Rn. 30. 21 BayObLG, Urt. v. 15. März 1957 - RReg 3 St.244 a,b/1956 BayVBl. 1957, S. 295 (296). Vgl. auch Blümel, DVB1. 1960, S. 697 (707); Kaiser, NJW 1976, S. 87 ff.; Kölble, DÖV 1962, S. 661 (664 f.); Kunz, VR 1985, S. 337 (338); mglw. auch v. Mangoldt / Klein, GG, Das Bonner Grundgesetz II, 2. Aufl. 1966, Art. 73 Anm. X I I 2 b (S. 1490). Bezüglich der Freistellung der Bahn von Verwaltungsbefugnissen der Länder auch VG Freiburg, Urt. v. 22. Dezember 1988 - 3 K 1/88 - , NVwZ 1990, S. 594 f. sowie OVG Lüneburg, Urt. v. 16. Dezember 1992 - 7 L 3734/91 - , GewArch. 1993, S. 373 f. 4*
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
entzogen22. Andernfalls käme es im Ergebnis zu einem verfassungswidrigen Vollzug von Landesgesetzen durch Bundesbehörden23. II. Den Vorschriften über die Verwaltungszuständigkeiten wird damit eine Bedeutung zugemessen, die ihnen nicht zukommt. Zudem wird das Verhältnis von Verwaltungs- und Gesetzgebungszuständigkeiten nicht richtig gesehen. Zu einem Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden kommt es auch nicht, wenn man die Bundesverwaltung für an das Landesrecht gebunden hält. 1. Die Vorschriften über die Verwaltungszuständigkeiten haben in dreierlei Richtung Gehalt: materienbezogen föderal (zuständigkeitsrechtlich 24), spezifisch bundesorganisationsrechtlich und staatsaufgabenrechtlich 25. Durch die föderale Komponente wird festgelegt, daß eine bestimmte Materie abweichend von Art. 83 GG durch Behörden des Bundes vollzogen wird 2 6 ; die bundesorganisationsrechtliche Seite des Art. 87 Abs. 1 GG betrifft die vom Bund einzuhaltende Organisationsform; unter der staatsaufgabenrechtlichen Komponente wird diskutiert, ob und inwieweit in den Art. 87 ff. GG zugleich Staatsaufgaben vorgeschrieben sind 27 . Für die Frage der Gesetzesbindung könnte höchstens die föderale Komponente Bedeutung haben. Auch diese aber ist tatsächlich nicht betroffen. Die Befugnis der Bundesverwaltung, die ihr übertragenen Aufgaben wahrzunehmen, wird nicht berührt. Die Länder maßen sich nicht an, in eigener Regie Eisenbahnen oder Postdienste einzurichten und zu betreiben, sondern fordern lediglich die Beachtung des für alle geltenden allgemeinen Rechts. Über diesen Punkt jedoch verhalten sich die Vorschriften über die Verwaltungszuständigkeiten nicht. Durch die Einrichtung einer eigenen Verwaltung des Bundes wird allenfalls bestimmt, daß die Erfüllung der jeweiligen Aufgabe alleinige Sache der dazu geschaffenen Einrichtung sein soll. Sie bedeutet, daß der Bund auf diesem Sachgebiet zur Wahrnehmung der Verwaltungsfunktionen zuständig ist. Dagegen wird keine Aussage darüber getroffen, welche - allgemeinen - formellen und materiellen Regelungen zu beachten sind 28 . Hier ist vielmehr der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Art. 20 Abs. 3 GG, einschlägig. Danach sind alle Stellen staatlicher Verwaltung an Gesetz und 22 Vgl. Kölble, DÖV 1962, S. 661 (664 f.).
23 Kölble, DÖV 1962, S. 661 (664 f.). 24
Schmidt-Aßmann / Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, 1986, S. 54 f. 25 Vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1992, Art. 87 Rn. 13 ff.; zu ähnlichen Unterscheidungen in der Lit. insbes. Ossenbühl, FS Lukes, 1989, S. 525 ff. (532); Schmidt-Aßmann / Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, 1986, S. 53 ff. 26 Vgl. BVerwG, Urt. v. 23. Oktober 1981 - I C 67.79 - , BVerwGE 64, S. 176 (180); Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1992, Art. 87 Rn. 14. 27 Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1992, Art. 87 Rn. 17 (S. 27) spricht davon, daß die Statuierung zumindest im Kern verbindlicher Staatsaufgaben hier ihre Basis finde. 28 So auch Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 29; Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 105.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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Recht, und damit auch an das Recht der Länder gebunden29, sofern aus Gründen der Gesetzgebungszuständigkeit nicht etwas anderes gilt 3 0 . 2. Darüber hinaus spricht ein praktisch-methodisches Argument gegen die Verortung der Abgrenzung der Kompetenzen in den Vorschriften über die Verwaltungszuständigkeiten. Das Bundesverfassungsgericht hat - im Anschluß an Scheuner - im 1. Fernsehurteil festgestellt, nach einem Grundsatz des deutschen Verfassungsrechts reichten die Bundeskompetenzen zur Gesetzgebung weiter als die der Verwaltung 31. Die Verwaltungskompetenzen des Bundes folgen danach den Gesetzgebungsbefugnissen, nicht umgekehrt die Gesetzgebungs- den Verwaltungsbefugnissen. Hält man dies für richtig, so kommt es für die Bestimmung der Reichweite der Kompetenzen, abgesehen von den wenigen, hier nicht interessierenden Ausnahmefällen, in denen aus den Vorschriften über die Verwaltungszuständigkeiten Gesetzgebungskompetenzen fließen (vgl. etwa Art. 87 b GG) 3 2 , letztlich entscheidend auf die Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes an. Falls der Bund für ein bestimmtes Sachgebiet nicht die Gesetzgebungszuständigkeit hat, ist er auch nicht befugt, verwaltend tätig zu werden. Berücksichtigt man dies, spricht mehr dafür, die Abgrenzung nach den jeweiligen Gesetzgebungszuständigkeiten von Bund und Ländern vorzunehmen. Stellt man auf die Verwaltungskompetenz ab, so muß stets noch geklärt werden, ob überhaupt eine entsprechende Gesetzgebungszuständigkeit besteht. Dann aber kann man gleich bei den Gesetzgebungszuständigkeiten ansetzen33. Zutreffend hat daher das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung zum Hamburger Brückenwerbungsgesetz auf die Bundeszuständigkeit nach Art. 73 Nr. 6 GG (a.F.) und den §§ 4, 36, 38 BBahnG (a.F.) abgestellt. Auf die Verwaltungszuständigkeit des Bundes aus Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG (a.F.) ist es zu Recht nicht eingegangen34. Die Reichweite der Verwaltungskompetenzen des Bundes wird demnach erst Bedeutung erlangen, wenn es um die Abgrenzung der Kompetenzen von Bundesverwaltung und Landesverwaltung geht 35 .
29 So auch Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (169); Bothe, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 30 Rn. 30; Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 29. 30 Zur Wechselwirkung von kompetentieller Zuordnung und Gesetzmäßigkeitsprinzp vgl. sogleich sub C. III. 3. 3 1 BVerfG, Urt. v. 28. Februar 1961 - 2 BvG 1,2/60 - , BVerfGE 12, S. 205 (229); ebenso BVerfG, Urt. v. 30. Oktober 1962 - 2 BvF 2/60,1,2,3/61 - , BVerfGE 15, S. 1 (16); vgl. dazu Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 105; ferner Klein, FG BVerfG II, S. 277 (285); F. Klein, AöR 88 (1963), S. 377 (409 f.); Lerche, in: Maunz / Dtirig, GG, Stand: 1983, Art. 83 Rn. 31. 3 2 Dazu Lerche, FS Dürig, 1990, S. 401 ff. 33
Vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch F. Klein, AöR 88 (1963), S. 377 (400). BVerwG, Urt. v. 29. August 1961 - 1 C 167/59 - , NJW 1962, S. 552 (554 f.). 3 5 S. u. im Vierten Teil sub D. II. 34
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
3. Es bleibt das Argument, es käme zu einem verfassungswidrigen Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden, wäre die Bundesverwaltung an das Landesrecht gebunden. Ob ein solcher Fall des Gesetzesvollzugs grundsätzlich ausgeschlossen oder unter bestimmten Kautelen anzuerkennen ist, ist umstritten 36. Darauf muß an dieser Stelle aber auch nicht weiter eingegangen werden. Denn es handelt sich nicht um „Gesetzesvollzug", wenn die Bundesverwaltung Landesrecht zu beachten hat. a) Mit dem Bundesverfassungsgericht ist zwischen der „Anwendung", der „Ausführung" (gleichbedeutend: dem „Vollzug" 37 ) und der „Beachtung" von Gesetzen zu unterscheiden 38. „Anwendung" ist der Oberbegriff. „Ausführung" bezeichnet den eigentlichen verwaltungsmäßigen Vollzug der Gesetze nach Art. 83 ff. GG 3 9 . Um einen Fall der bloßen „Gesetzesbeachtung" handelt es sich, wenn Behörden als schlichte Normadressaten, in der Rolle des „Jedermann" 40, des privaten Rechtsunterworfenen, die für alle geltenden Gesetze zu beachten und einzuhalten haben41. b) Wendet man diese Vorgaben hier an, zeigt sich, daß verschiedene Konstellationen zu unterscheiden sind. Erstens: Soweit es um die Bindung des Bundes als schlichter Normadressat an das materielle Landesrecht geht, handelt es sich eindeutig um bloße Gesetzesbeachtung, nicht um Gesetzesvollzug42. Der Bund tritt dabei als Normadressat, wie ein privater Bürger, in Erscheinung. Er vollzieht die Gesetze nicht (weder gegen36
Ausf. dazu im Vierten Teil sub D. II. 2. c., vgl. hier nur Blümel, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 101 Rn. 15; Salzwedel, FS Partsch, 1989, S. 581 ff. 37 Zur Terminologie insoweit: v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz III, 2. Aufl. 1974, S. 2070. Zum konstitutionalistischen Staatsverständnis in diesem Zusammenhang vgl. Gusy, JuS 1983, S. 189 f. 38 BVerfG, Urt. v. 28. Februar 1961 - 2 BvG 1,2/60 - , BVerfGE 12, S. 205 (221); BVerfG, Urt. v. 11. April 1967 - 2 BvG 1/62 - , BVerfGE 21, S. 312 (327); vgl. auch BVerfG, Urt. v. 30. Juli 1958 - 2 BvG 1/58 - , BVerfGE 8, S. 122 (131). Aus der Lit. vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1983, Art. 83 Rn. 56 f. 3 9 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. März 1960 - 2 BvG 1/57 - , BVerfGE 11, S. 6 (15). 40 Kategorie des Jedermann": BVerfG, Beschl. v. 21. September 1976 - 2 BvR 350/76 - , BVerfGE 42, S. 312 (334); Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 108 mit Fn. 274. 41 Vgl. auch BVerfG, Urt. v. 30. Juli 1958 - 2 BvG 1/58 - , BVerfGE 8, S. 122 (131); BVerfG, Urt. v. 28. Februar 1961 - 2 BvG 1,2/60 - , BVerfGE 12, S. 205 (221); Blümel, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 101 Rn. 17, 21; v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz III, 2. Aufl. 1974, S. 2073. Ein weiterer Bedeutungsgehalt findet sich in BVerfGE 21, S. 312 (327): Der Bund habe zu „beachten", daß das Hessische Verwaltungsgebührengesetz ein Landesgesetz sei, das nur von hessischen Behörden vollzogen werden dürfe. 42 BVerwG, Urt. v. 16. Januar 1968 - 1 A 1.67 - , BVerwGE 29, S. 52 (58); Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 29; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 104, 105.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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über einem Dritten noch sich selbst gegenüber), sondern beachtet sie, folgt ihnen, trägt ihnen Rechnung. Von der „Vollziehung" von Gesetzen im Sinne der Art. 83 ff. GG kann nicht gesprochen werden. Zweitens: Ebenso ist zu entscheiden, wenn eine Einrichtung des Bundes zwar das materielle Landesrecht beachten muß, allerdings ein verfassungsgemäßes Bundesgesetz oder ein Landesgesetz bestimmt, daß die Bundesverwaltung von der Verpflichtung zur Einholung von Erlaubnissen usw. bzw. von Anordnungen der Landesverwaltung freigestellt ist. Soweit es sich um eine derartige bloße Freistellung von formellen Anforderungen des Landesrechts handelt, liegt ebenfalls kein Fall des Gesetzesvollzugs im Sinne der Art. 83 ff. GG vor. Es bleibt bei der Gesetzesbeachtung. Drittens: Schwieriger ist die Entscheidung bei ZuständigkeitsVerlagerungen, falls eine echte Delegation einer Landeszuständigkeit auf den Bund vorliegen sollte. Dies sind einmal die Fälle, in denen eine Genehmigung nach Landesrecht erteilt werden muß; § 4 Abs. 2 AEG (n.F.) könnte dazu gehören, wenn, was zu prüfen sein wird, das Eisenbahn-Bundesamt der Deutsche Bahn AG Genehmigungen nach Landesrecht erteilen darf 43 . Daneben zählt die Anwendung von Landesrecht in Planfeststellungsverfahren der Bundesverwaltung hierher 44 ; weiteres Beispiel: Die Anwendung der Eingriffsregelung der Landesnaturschutzgesetze in Verwaltungsverfahren von Bundesbehörden45. In diesen Fällen fragt es sich allerdings, ob die Bundes-(Planfeststellungs)behörde Landesrecht vollzieht, wenn sie unter Berücksichtigung von Landesrecht eine Genehmigung erteilt bzw. im Rahmen der Abwägungsentscheidung46 über das Vorhaben auch landesrechtlich geschützte Belange berücksichtigt 47. Allerdings zwingt auch dieser Gesichtspunkt nicht, die allgemeine Gesetzesbindung der Bundesverwaltung an dieser Stelle zu verneinen. Wenn überhaupt, kann mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit nur die Zuständigkeitsverlagerung auf die Bundesbehörde angegriffen werden, nicht die Gesetzesbindung. Bei der Zuständigkeitsverlagerung aber handelt es sich um ein Problem, das seinen dogmatisch zutreffenden Sitz bei der Behandlung des bundesstaatlichen Verhältnisses von Bundesverwaltung und Landesverwaltung hat und dort vertieft behandelt werden wird 4 8 . Hinsichtlich des Landesrechts als solchen bleibt es dabei: Die Bundesverwaltung „beachtet" Landesrecht - wenn sie es zu beachten hat -, sie „vollzieht" es jedenfalls nicht.
« S. u. im Vierten Teil sub D. II. 3. 44
S. u. im Vierten Teil sub D. II. 2. 5 S. Salzwedel, FS Partsch, 1989, S. 581 ff.
4
46 Richtiger: Im Rahmen des abwägenden Nachvollziehens der Planung des Vörhabenträgers (vgl. Kühling, Fachplanungsrecht, 1988, Rn. 180, 307). 47 Vgl. an dieser Stelle zum Problem nur: BVerfG, Beschl. v. 15. Juli 1969 - 2 BvF 1/64 - , BVerfGE 26, S. 338 (364 f., 367 f.); Blümel, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 101 Rn. 15; Salzwedel, FS Partsch, 1989, S. 581 (583, 589 ff.). 4
« S. u. im Vierten Teil sub D. II. 2.
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
Im Ergebnis ist festzuhalten, daß die Gesetzesbindung nicht wegen der grundgesetzlichen Zuweisung eigener Verwaltungsräume verneint werden kann.
C. Die Bedeutung der Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes und der Länder I. Problemaufriß Sedes materiae für die Bestimmung des verfassungsrechtlichen Verhältnisses von Bundesverwaltung und Landesrecht sind die Gesetzgebungskompetenznormen des Grundgesetzes (Art. 30, 70 ff. GG). Darüber besteht heute in der Lehre auch weitgehend Einigkeit 49 . Übereinstimmung besteht weiter darin, daß eine trennscharfe Abgrenzung zwischen Bundes- und Landeszuständigkeit ausgesprochen schwierig ist 5 0 . Nicht zuletzt deswegen wird recht kontrovers diskutiert und ist wohl auch bis heute nicht abschließend geklärt, wie diese Abgrenzung zu leisten ist.
II. Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur 51 1. Rechtsprechung a) Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht hat sich bislang direkt mit der Fragestellung noch nicht auseinandersetzen müssen. In der Entscheidung zum Eisenbahnkreuzungsgesetz hat es sich allerdings in ausführlicher Weise zu der Reichweite der 49 Vgl. Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (179); Bothe, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 30 Rn. 33; Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 30 ff.; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 108 f. so Vgl. etwa die Bemerkungen von Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (176 ff.); Bothe, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 30 Rn. 33; Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 30, 32 ff.; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 106, 109. 5i Auf die Rechtslage im bundesstaatlich gegliederten Ausland kann nicht vertieft eingegangen werden. Zur Lage in der Schweiz: Hangartner, Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen, 1974, S. 207 ff.; Hauser, Die Bindungen des Bundes an das kantonale Recht, Winterthur 1962; Österreich: Funk, Das System der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung im Lichte der Verfassungsrechtsprechung, Wien 1980, S. 33 f.; USA und Kanada: vgl. die Hinweise bei Bothe, Die Kompetenzstruktur des modernen Bundesstaates in rechtsvergleichender Sicht, 1977, S. 130 mit Fn. 9; Scheurer, Unterwerfung der Bundesverwaltung unter Landesrecht?, Diss. Heidelberg 1965, S. 23 ff.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Eisenbahnen geäußert 52; darauf wird zurückzukommen sein.
b) Bundesverwaltungsgericht Das Bundesverwaltungsgericht hat in recht unterschiedlicher Weise Stellung genommen. aa) Hinsichtlich der Bahn hat der 1. Senat im Brückenwerbungs-Urteil ausgeführt, es sei zweifelsfrei, daß deren Schienenwege von Einwirkungen der Landesgesetzgebung eximiert seien und als dem Eisenbahnbetrieb gewidmete öffentliche Sachen eine bundesrechtlich geregelte Sonderstellung inne hätten 53 . Das ist eine weitreichende Feststellung, die man gebiets-, nämlich auf den gesamten Bereich der Betriebsanlagen bezogen verstehen könnte, die allerdings doch eher nur auf den konkret vorliegenden Fall der Überschneidung von Bundesbahnbefugnissen und materiellem Landesbauordnungsrecht gerichtet gewesen sein sollte. Die grundsätzliche Aussage im Forstpolizei-Urteil vom 16. Januar 196854, Bundesbehörden seien materiellrechtlich an kompetenzgerecht erlassene fachfremde und allgemeine Gesetze gebunden, läßt sich mit dem Brückenwerbungs-Urteil nicht a limine vereinbaren 55. Die Forderung, das entsprechende Landesgesetz müsse kompetenzgerecht erlassen sein, wolle es Beachtung verlangen, hat der Senat darin eher beiläufig erhoben. Auf die kompetentielle Abgrenzung der Zuständigkeit des Bundes für die Bundeswehr (Art. 73 Nr. 1 GG) und der Landeszuständigkeit für die (insbesondere feuerpolizeiliche) Sicherheit des Waldes ist er nicht weiter eingegangen, sondern hat implizit die Landeszuständigkeit für gegeben gehalten. Spätere Urteile befassen sich wiederum mit der Reichweite der Freistellung der Bahn vom Landesrecht. So hat der 7. Senat entschieden, daß § 38 BBahnG (a.F.) die in einer gemeindlichen Entwässerungssatzung vorgesehenen Kontrollmaßnahmen an einer Betriebszwecken dienenden Abwasserreinigungsanlage der Bahn nicht zulasse. Die Bahn sei von den Regelungen der kommunalen Abwassersatzung freigestellt und habe mit eigenen Kräften für die Erfüllung der Anforderungen an Sicherheit und Ordnung einzustehen56. Eine genaue Klärung der dogmatischen Struktur des § 38 BBahnG (a.F.) und die Bestimmung der Reichweite der 52 BVerfG, Beschl. v. 15. Juli 1969 - 2 BvF 1/64 - , BVerfGE 26, S. 338 (368 ff.). 53 BVerwG, Urt. v. 29. August 1961 - 1 C 167/59 - , NJW 1962, S. 552 ff. 54 BVerwG, Urt. v. 16. Januar 1968 - 1 A 1.67 - , BVerwGE 29, S. 52 ff. 55 In der Lit. ist man der Meinung, daß das Gericht die entsprechende Äußerung im Brükkenwerbungs-Fall seit dem Forstpolizei-Urteil nicht mehr aufrechterhalten wolle: Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 200 f. 56 BVerwG, Beschl. v. 20. September 1989 - 7 B 135/89 - , NVwZ 1990, S. 563 f. Ebenso bereits die Vorinstanz: BayVGH, Urt. v. 14. Juli 1989 - 23 B 87.03012 - , DÖV 1990, S. 157 f.
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
Vorschrift hat der Senat nicht vorgenommen. Dazu führt er lediglich aus: „Daß die dem Eisenbahnbetrieb gewidmeten öffentlichen Sachen eine in den §§36 und 38 BBahnG bundesrechtlich geregelte, verfassungsrechtlich in Art. 73 Nr. 6 GG begründete Sonderstellung genießen, entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 47 = NJW 1962, S. 552); die Kompetenz des Bundes zum Erlaß der - hier von den Regelungen der kommunalen Entwässerungssatzung eximierenden - Regelung in § 38 BBahnG ist hiernach bereits geklärt" 57 . Dem läßt sich entnehmen, daß der 7. Senat offenbar doch eine umfassende, gebietsbezogene Exemtion der Bahn, soweit es die Betriebsanlagen betrifft, vom Landesrecht anzunehmen scheint58. Auf der anderen Seite hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts nichts dagegen gehabt, daß eine Betriebsanlage der Bahn (vorläufig) in eine Denkmalliste eingetragen wurde 59 . Das OVG NW als Vorinstanz hatte hierzu gemeint, der Bund besitze nicht die Gesetzgebungskompetenz, das Denkmalschutzrecht an Bahnanlagen zu regeln, denn es lasse sich vernünftigerweise nicht annehmen, daß die Eisenbahnen des Bundes nicht ohne Berücksichtigung des Denkmalschutzes für Betriebsanlagen geregelt werden könnten. Falls man § 38 BBahnG (a.F.) gegensätzlich interpretiere, sei die Vorschrift in dieser Auslegung verfassungswidrig60. Das Bundesverwaltungsgericht stellt demgegenüber stärker auf die Reichweite der planfeststellungsrechtlichen Konzentrationswirkung (§ 36 BBahnG a.F.) ab 61 : Diese verdränge die sachlich-rechtlichen Vorschriften anderer Rechtsbereiche nicht, vielmehr sei von der grundsätzlichen Bindung an materielle Anforderungen des Landesrechts auszugehen, allerdings unter dem Vorbehalt, daß die im Einzelfall kollidierenden öffentlichen Interessen gegeneinander abzuwägen seien. Außerdem hielt das Gericht es für maßgebend, daß die Eintragung in die Denkmalliste keinen verfahrensrechtlichen Eingriff in das eisenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren darstellt. In der Langeoog-Entscheidung62 schließlich hat der 7. Senat eine Kompetenzabgrenzung zwischen der Zuständigkeit des Bundes für die Deutsche Bundespost und der wegerechtlichen Zuständigkeit des Landes ganz unterlassen. Er stellt hier vielmehr allein auf den Grundsatz der Bundestreue und die daraus folgende Pflicht staatlicher Organe zu gemeinschaftsfreundlichem Verhalten ab. bb) Eine klare Linie läßt sich dieser Rechtsprechung nicht entnehmen. Sie weist allenfalls insoweit eine gewisse Stetigkeit auf, als die Betriebsanlagen der Bahn 57 BVerwG, Beschl. v. 20. September 1989 - 7 B 135/89 - , NVwZ 1990, S. 563 (564). 58 Ähnlich VG Freiburg, Urt. v. 22. Dezember 1988 - 3 K 1/88 - , NVwZ 1990, S. 594 (595): Nichtgeltung des Abfallgesetzes BW für Betriebsanlagen der Bahn. 59 BVerwG, Beschl. v. 23. März 1984 - 4 B 43.84 - , DÖV 1984, S. 814. 60 OVG NW, Urt. v. 15. Dezember 1983 - I I A 1949/83 - , DÖV 1984, S. 475. Obwohl es sich nicht um eine Planfeststellung handelte, sondern die Bahn lediglich als schlichter Normadressat betroffen war. 62 BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - I C 65.88 - , BVerwGE 82, S. 266 ff.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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vom Landesrecht freigestellt sein sollen; allerdings fehlen genaue Aussagen zur konkreten Reichweite, auf welche landesrechtlichen Tatbestände sich dies denn nun i. e. erstrecken soll. Die Begründung für die „Exemtion" ist allein historisch: Betriebsanlagen seien gewissermaßen schon immer, man könnte sagen: „Bundesräume", gewesen. Man gewinnt den Eindruck, daß das Gericht die Kompetenzfrage im übrigen für unergiebig hält und entscheidend darauf abstellt, ob die sich aus der Gesetzesbindung ergebende Rechtsfolge in lediglich „neutraler" Weise auf die Aufgabenerfüllung der Bundesverwaltung einwirkt oder ob sie einen „Eingriff' darstellt. Ein gewisser Paradigmenwechsel ist mit dem Langeoog-Urteil verbunden: Hierin hat das Gericht aus der Bundestreue, also einem Verfassungsprinzip, entwickelte Rücksichtnahmepflichten streitentscheidend sein lassen. Möglicherweise ist dies, angesichts der in der Literatur geübten Kritik an seiner Abwägungslehre 63 , bewußt geschehen; es könnte sein, daß das Gericht seine Abwägungslösung damit auf etwas sichereren verfassungsdogmatischen Grund stellen wollte.
2. Literatur a) Manche Autoren stellen die Kompetenzabgrenzung in den Vordergrund, setzen daneben und ergänzend allerdings durchaus noch andere Kriterien ein. aa) Isensee64 ist der Meinung, die Fiskaltätigkeit (Finanzvermögen und erwerbswirtschaftliche Hilfsgeschäfte, nicht der verwaltungsprivatrechtliche Bereich) des Bundes werde von der Gesetzgebungs- und Verwaltungshoheit der Länder vorbehaltlos erfaßt. Weiterhin könne das Land die Bundesbehörden in seine Regelungen einbeziehen, wenn es von der Aufgabe her sachgerecht sei und der Bund nicht in seiner spezifischen Hoheitsfunktion, sondern unspezifisch, wie der private „Jedermann", betroffen sei, so etwa die Bundespost als Straßenbenutzerin. Damit es nicht zu einer Funktionsbeeinträchtigung der Bundesverwaltung komme, sei den Ländern zu empfehlen, Ausnahmetatbestände und Dispensmöglichkeiten vorzusehen. Im übrigen müsse der Vorbehalt der Funktionsbeeinträchtigung als verfassungsrechtlich vorgegebene Schranke der Landeskompetenz anerkannt und ein Regelungsüberhang des Landesgesetzes im Wege verfassungskonformer, restriktiver Auslegung abgebaut werden. Die Verbindlichkeit des Landesrechts scheitere auch nicht von vornherein an der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die hauptsächlich betroffenen Verwaltungsbereiche. Denn die Ausschließlichkeit beziehe sich nur auf die jeweiligen Staatsaufgaben, nicht auf Randtätigkeiten, die nicht aufgabenspezifisch seien und im Kontakt der Dienststellen zu der Außenwelt bedeutsam werden könnten, wie die Verkehrssicherheit von Bundeswehrtransporten, die Außenwerbung an Eisenbahnbrücken, die bauliche Gestal-
63 Vgl. hier nur Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 40 ff.; Menger / Erichsen, VerwArch. 60 (1969), S. 89 (92 ff.). 64 Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 107 ff.
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
tung von Bahnhöfen, die Wegereinigung vor Postgebäuden. Es sei zu unterscheiden zwischen einem aufgabenspezifischen Kompetenzkern, der dem Landesgesetzgeber schlechthin unzugänglich sei, und einem unspezifischen Kompetenzfeld, das zugunsten des Bundes Kompetenzannexe enthalten könne. Die allein in diesem Randbereich auftretenden Konflikte seien zu vermeiden, wenn sich jede Seite darauf beschränke, nur funktionsnotwendige Regelungen zu erlassen. bb) Lerche stellt die einfachrechtliche Lage in den Vordergrund 65. Die Entscheidung über die Bindung liege zunächst in der Hand des Bundesgesetzgebers, denn das auszuführende Bundesgesetz könne Regelungen darüber enthalten, ob vorhandene oder künftige landesgesetzliche Bestimmungen zu beachten seien. Sei anzunehmen, daß das allgemeine Landesgesetz auch die Bundesverwaltung im Lande erfassen wolle, und eine bundesgesetzliche Regelung nicht vorhanden, könne jene Abwägung kollidierender öffentlicher Interessen durchgeführt werden, die das Bundesverwaltungsgericht im Forstpolizei-Urteil in allgemeiner Weise fordere. Zu berücksichtigen ist nach Lerche auch, daß der Bund aus materiellen Verfassungsbindungen wie der Bundestreue und dem Willkürverbot gehindert sein kann, Exemtionen von allgemeinen landesrechtlichen Normen vorzunehmen. cc) Bothe tritt ebenfalls für eine Lösung des Kompetenzproblems nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ein 66 . Daneben soll das Prinzip der Bundestreue heranzuziehen sein, daß Bund und Länder verpflichte, gegenseitig aufeinander Rücksicht zu nehmen67. Zu dem danach geforderten kooperativ-bundesstaatlichem Handeln gehöre es auch, durch den frühzeitigen Erlaß gesetzlicher Exemtionsregeln mögliche Konflikte zwischen den Verwaltungen gar nicht erst entstehen zu lassen68. dd) Nach Breuer, der sich mit der Abgrenzung der Kompetenzen in Hinblick auf die Reichweite der planfeststellungsrechtlichen Konzentrationswirkung beschäftigt 6 9 , ist zur Abgrenzung der Zuständigkeiten auf das Kriterium eines Kernbereichs der Bundeszuständigkeit abzustellen, der der Landesgesetzgebung schlechthin verschlossen sein soll 70 . Diesen sachlichen Kernbereich gelte es im Wege einer teleologischen Interpretation der Kompetenzzuweisungsnormen abzugrenzen. Hier spricht sich Breuer dafür aus, die Kompetenzen des Bundes so weit zu interpretieren, wie es sich um die Normierung von Fragen handle, mit deren Regelung die eigenverantwortliche Wahrnehmung der fachlichen Belange der betreffenden Sachbereiche stehe und falle. Negativ könne man dies dahin formulieren, daß die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht mehr gegeben sei, wenn eine zu re65 Lerche , in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1983, Art. 83 Rn. 83; vgl. auch ders ., in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1992, Art. 87 Rn. 78, 106. 66 Bothe, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 30 Rn. 33 und Art. 70 Rn. 7 ff. 67 Bothe, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 30 Rn. 33. 68 Bothe, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 30 Rn. 32, 33. 69 Vgl. Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 94 ff., 96 ff., 106. 70 Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 123.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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gelnde Frage die Belange der Bundesgesetzgebungsmaterie nur so entfernt und mittelbar berühre, daß die Regelung dieser Frage weder ernsthafte Hindernisse noch eine nennenswerte Förderung für die Wahrnehmung gerade der fachlichen Belange der Bundesgesetzgebungsmaterie schaffen könne. Breuer nimmt hier i m Ergebnis eine recht weitgehende Bundeszuständigkeit a n 7 1 , weil er die Betroffenheit des Bundes als schlichter Normadressat und die Reichweite der Zuständigkeitskonzentration in der Planfeststellung ineins setzt 7 2 . ee) In dogmatisch ähnlicher Weise wie Breuer (Kompetenz kraft Sachzusammenhangs sei maßgeblich) haben sich Zielfleisch 7 3 und Delbrück 7 4 geäußert. Während Zielfleisch sich hierbei unter Ausklammerung grundsätzlicher Überlegungen einer Untersuchung der jeweils konkreten Überschneidungsbereiche zuwendet 7 5 , spricht sich Delbrück insbesondere in Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG für eine deutlich restriktive Bemessung der Bundeszuständigkeiten aus 7 6 . b) Für einen wesentlich weitergehenderen Einsatz der Bundestreue spricht sich Brohm aus 7 7 . Er hält es nicht für praktikabel, zwischen einem „Kernbereich", in dem jede Landesgesetzgebung unzulässig wäre, und „Randzonen" der Bundeszuständigkeit zu unterscheiden. Eine solche Lösung hätte zur Folge, daß nach den Grundsätzen über die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs das allgemein geltende Landesrecht in den „Randbereichen" auch für die Bundesverwaltung verbindlich wäre, sofern es nicht durch eine bundesgesetzliche Regelung verdrängt würde, die dem Maßstab der Erforderlichkeit standhielte; i m „Kernbereich" dagegen käme das Landesrecht wegen der Sperrwirkung des Art. 71 GG in keiner Weise zur Geltung. Eine hinreichend präzise, willkürfreie und überzeugende Trennung zwischen Kernbereich und Randzonen, die dieses unterschiedliche Ergebnis rechtfertigen könnte, sei aber nicht zu leisten 7 8 . Außerdem komme es bei raumbedeutsamen Vorhaben der Bundesverwaltung stets in irgendeiner Form zu Interdependenzen mit dem Landesrecht. Es sei häufig vom Zufall abhängig und daher nicht einzusehen, warum dann in dem einen Fall das Landesrecht nicht zur Anwendung kommen solle (etwa wenn das Planfeststellungsrecht der Bundesbahn nach § 36 BBahnG betroffen sei), i m anderen Fall dagegen das Landesrecht beachtet werden müsse 79 . Brohm spricht sich deswegen dafür aus, die Bundeszuständigkeiten für
71 72 73
Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 121 ff. Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 106, 115. Zielfleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, Diss. München 1972, S. 26 f.,
40 ff. 74
Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 197 f., allerdings restriktiver zu den Bundeskompetenzen als Breuer und Zielfleisch. 75 Zielfleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, Diss. München 1972, S. 37 ff. ™ Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 69 f., 193 ff. 77 Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, insbes. S. 31 ff. 78 Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 33. 79 Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 34.
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
Verteidigung, Bundesbahn und Post im Sinne einer umfassenden Regelungskompetenz zu verstehen 80. Der Bund soll hinsichtlich sämtlicher Überschneidungsbereiche die Gesetzgebungszuständigkeit besitzen. Allerdings sei der Bund wegen des aus dem Grundsatz der Bundestreue folgenden Rücksichtnahmeprinzips und um einen verfassungswidrigen Wettbewerbsvorsprung der Bundesverwaltung gegenüber Privaten zu vermeiden, gehalten, in der Ausübung seiner umfassenden Gesetzgebungskompetenzen auf das allgemein geltende Landesrecht Rücksicht zu nehmen81. Der Bund dürfe darum in den Überschneidungszonen nicht ohne Notwendigkeit von der allgemeinen Ordnung des Landes abweichen82. Abweichungen seien nur erlaubt, wenn sie zur Ausübung der dem Bund übertragenen Verwaltungsfunktionen erforderlich und inhaltlich hinreichend bestimmt seien. Andererseits sei der Bund in dem Fall, daß er von dem Landesrecht nicht abweichen wolle, auch nicht verpflichtet, dem Landesrecht inhaltsgleiche Regelungen zu erlassen. Dies wäre überflüssig und ließe nur die Normenflut ins Unermeßliche steigen83. Der Verbindlichkeit des Landesrechts steht nach Brohm auch nicht die Sperrwirkung des Art. 71 GG entgegen. Es wäre wenig praktisch, wollte man diese Sperrwirkung immer schon annehmen, wenn der Bund in den Überschneidungszonen Regelungen treffen könnte, denn ob eine Abweichung vom Landesrecht funktionsnotwendig sei, könne im Einzelfall durchaus zweifelhaft sein, die Verwaltung bedürfe aber möglichst klarer Rechtsverhältnisse. Auch gäbe es bei dieser Auffassung für die Bundesverwaltung vielfach überhaupt keine gesetzlichen Regelungen, was vom rechtsstaatlichen Standpunkt aus nicht gerade anzustreben sei. Man müsse daher davon ausgehen, daß der Bund, soweit er keine abweichenden Regelungen getroffen habe, diese auch nicht für erforderlich halte und daher das Landesrecht gelte. c) Wiederum andere Autoren sprechen sich für eine Abwägung der widerstreitenden Interessen auf der Verfassungsebene aus. aa) Nach Blumenwitz wird eine „vorsichtige, an der delikaten Föderalstruktur ausgerichtete Interpretation der Art. 70 Abs. 1 und 73 GG" 8 4 den festen Bestand der Zuständigkeitsbereiche von Bund und Ländern „zurückhaltend, eher einengend" 85 umreißen, um vom Kernbereich in Rand- und Überschneidungszonen vorzustoßen. Blumenwitz hält es für nicht möglich, in konkreten Überschneidungsfällen Ergebnisse streng axiomatisch herzuleiten. Daher habe man sich einer spezifisch rationalen Methode zu bedienen, wobei das Ergebnis in aller Regel „dialektisch" 86 durch eine am Problem sich orientierende Abwägung der verschiedenen 80 81 82 83
Brohm, Brohm, Brohm, Brohm,
Landeshoheit Landeshoheit Landeshoheit Landeshoheit
und Bundesverwaltung, und Bundesverwaltung, und Bundesverwaltung, und Bundesverwaltung,
Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (179). 55 Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (180). 56 Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (181).
1968, S. 34. 1968, S. 36 f., 39. 1968, S. 39. 1968, S. 40.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
63
einschlägigen Gesichtspunkte der kollidierenden Bereiche zu finden sei. Die Legitimation dieser einschlägigen Gesichtspunkte87 leite sich nicht notwendigerweise aus Rechtssätzen höheren Ranges ab, sondern aus ihrer einverständlichen Anerkennung unter den Verständigen eines bestimmten Sach- oder Planungsbereiches88. Dieser Weg der sich am Problem orientierenden konkreten Abwägung verwirkliche die föderale Ordnung besser als eine abstrakte Grenzziehung, die in Anbetracht der Verflochtenheit immer nur zu Lasten des einen oder anderen Bereichs gehen könne. bb) Auch Salzwedel spricht sich hinsichtlich der Bindung wohl letztlich für eine Abwägung auf der Verfassungsebene aus, betont jedoch auch die Notwendigkeit der kompetentiellen Zuordnung 89. Hinsichtlich der Ausübung der Kompetenzen im Einzelfall kommt nach Salzwedel dem Grundsatz der Bundestreue, dessen Geltung als Kompetenzausübungsschranke unbestritten sei, besondere Bedeutung zu 90 . In dem Rechtsgutachten zum Abriß des alten Bundestags-Plenarsaales91 leitet Salzwedel aus der Forstpolizei-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts einen „bundeshoheitlichen Abwägungsvorrang" ab, den die Landesbehörde bei ihrer Entscheidung über die Erteilung der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung zu beachten habe.
3. Eigener Vorschlag: Distinktion nach dem Vorliegen einer speziellen bundesgesetzlichen Ausführungsvorschrift
Die eigentliche crux liegt in der Reichweite des Art. 71 GG. Zieht man die Bundeskompetenzen weit, scheinen weite Bereiche des Landesrechts wegen der Sperrwirkung dieser Vorschrift leerzulaufen. Das ist nicht unbedingt wünschenswert, weil der Bund entsprechende Bundesgesetze nicht erlassen hat und das Handeln der Bundesbehörde sich daher weithin im rechtsfreien Raum abspielen würde. Definiert man die Bundeskompetenzen in Hinblick auf die Gesetzesbindung dagegen eher eng, entsteht die Gefahr, daß die Bundesverwaltung durch die weitgehende Geltung in unvorhersehbarer und unzumutbarer Weise in ihrer Aufgabenerfüllung beeinträchtigt werden könnte. Die Stellungnahmen in der Literatur muß man als Lavieren zwischen diesen beiden Alternativen begreifen. Festzustellen ist, daß die Abgrenzung der Kompetenzräume nach den gerade vorgestellten Ansichten entweder aus den Kompetenzbestimmungen unmittelbar oder aus in der Reichweite doch recht unbestimmten Verfassungsprinzipien wie 87
Blumenwitz, aaO, S. 181 bezeichnet sie auch als „Topoi". Blumenwitz, AöR96(1971), S. 161 (181). 89 Salzwedel, NuR 1984, S. 165 (167); ders. NWVBL 1988, S. 97 ff.; s. auch ders., ZfW 1965, S. 92 ff. 90 Salzwedel, NuR 1984, S. 165 (168). 88
91 Auszugsweise veröffentlicht in: NWVBL 1988, S. 97 ff.
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
der Bundestreue bewerkstelligt werden soll. Kompetentiell zu rechtfertigen hat sich dabei immer die landesrechtliche Beachtensregelung: Es soll geprüft werden, ob die jeweilige landesrechtliche Norm insoweit verfassungswidrig ist, als sich ihr Geltungsanspruch auch auf eine bestimmte Tätigkeit der Bundesverwaltung bezieht. Geht man so vor, darf es freilich nicht verwundern, wenn man sogleich in das geschilderte Dilemma hineingerät und es erhebliche dogmatische Schwierigkeiten bereitet, wieder hinauszufinden. Das gilt besonders für die Lösung von Brohm 92 , der sich zwar sehr viel Mühe gegeben hat, den Art. 71 GG zu „entschärfen", dessen Lösung aber doch, wie zu zeigen sein wird, mehr Fragen aufwirft als gelöst werden. Um diese Probleme zu vermeiden, bietet es sich demgegenüber, eine Anregung Lerches 93 aufgreifend, an, in erster Linie von der einfachgesetzlichen Lage bezüglich der Bundesverwaltung auszugehen und daraus Folgerungen für die Gesetzesbindung zu ziehen. In umgekehrter Sichtweise als bisher soll der Blick zunächst darauf gerichtet werden, ob eine spezielle bundesgesetzliche Vorschrift über die Art und Weise der Aufgabenerfüllung mit direktem Bezug zum Landesrecht (wie etwa § 1 TWG) vorhanden ist, die eine andere Bestimmung trifft als die landesrechtliche Beachtensvorschrift. Die Berechtigung zu diesem Ansatz folgt aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Art. 20 Abs. 3 GG. Diesem fundamentalen Verfassungsgrundsatz kommt auch unter dem Gesichtspunkt der Kompetenzabgrenzung ausschlaggebende Bedeutung zu 9 4 . Zwar ist die Kompetenzabgrenzung vorrangig: Die Bindung an die Landesnorm besteht nur, die Beachtung kann nur eingefordert werden, wenn die Vorschrift eben auch kompetenzgemäß, und zwar in Hinblick auf die Aufgabenerfüllung der Bundesverwaltung, ist. Doch ist die Kompetenzabgrenzung selbst wiederum „im Lichte" und mit Rücksicht auf Art. 20 Abs. 3 GG vorzunehmen. Die „Wechselwirkung" zwischen Gesetzmäßigkeitsprinzip und Kompetenzabgrenzung ist nicht zu verkennen. Es ist stets zu berücksichtigen, daß ein einschlägiges allgemeines Gesetz, wenn auch eines anderen Kompetenzträgers, vorliegt, das festlegt, was rechtens ist. Das Land hat hier eine erste gesetzgeberische Entscheidung getroffen. Soll dieses Gesetz für an sich Rechtsunterworfene nicht gelten, müssen sich dafür Gründe finden lassen. Bei einem „direkten Konflikt" zwischen einem die Aufgabenerfüllung regelnden Gesetz und der landesrechtlichen Beachtensvorschrift ist Art. 20 Abs. 3 GG „ausgeblendet". Etwas anderes kann dagegen gelten, eine andere rechtliche Einschätzung geboten sein, wenn eine spezielle bundesrechtliche Vorschrift nicht vorliegt.
92
Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968. 93 Vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1983, Art. 83 Rn. 83; s. a. Schoenenbroicher, DVB1. 1990, S. 811 ff. 94 Die Bedeutung des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes für die Gesetzesbindung der Bundesverwaltung betont auch Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1980, Art. 20 V I Rn. 89.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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Das Handeln der Bundesverwaltung kann somit in einem sie betreffenden speziellen Bundesgesetz abweichend von einem allgemein zu beachtenden Landesgesetz geregelt sein, so daß es zu einem direkten einfachrechtlichen Konflikt von Bundes- und Landesrecht kommen kann. Diese Situation läßt sich als „eigentlicher kompetentieller Konfliktfall" bezeichnen. Dann ist zu entscheiden, welche dieser Vorschriften kompetenzgemäß ist; man kommt um die kompetentielle Entscheidung nicht herum (nachfolgend unter II.). Eine andere Situation ist gegeben, wenn ein Bundesgesetz, das die Tätigkeit der Bundesverwaltung abweichend vom Landesrecht ausdrücklich regelt, nicht vorliegt. Dafür kann die Bezeichnung „scheinbarer kompetentieller Konfliktfall" verwendet werden. Für den Bereich der Post etwa hat der Bundesgesetzgeber eine Ausführungsvorschrift wie § 4 AEG (n.F.) nicht erlassen. Es wird zu untersuchen sein, ob die Gesetzesbindung bereits aus dem Fehlen einer solchen Vorschrift folgt (unter III.).
I I I . Kompetenzabgrenzung beim Aufeinandertreffen einer bundesrechtlichen Vorschrift über die Aufgabenerfüllung und einer landesrechtlichen Beachtensvorschrift (eigentlicher kompetentieller Konfliktfall) Es ist nun auf die erste Konstellation einzugehen, daß in einem Bundesgesetz Bestimmungen getroffen sind, die die Bundesverwaltung von der Gesetzesbindung zu befreien scheinen. Hier fragt sich zunächst, welcher der drei oben vorgestellten Ansichten zu folgen ist: ob also die Kompetenzabgrenzung nach den herkömmlichen Methoden, maßgeblich durch die Bundestreue oder durch Abwägung zu leisten ist. 7. Vorrangigkeit
der Auslegung der Kompetenznormen
Es bedarf keiner weiteren Darlegung, daß bei jeder Rechtsanwendung vom geschriebenen Text auszugehen ist. Dies gilt ebenso selbstverständlich für die Anwendung der Kompetenzvorschriften. Ergibt sich, daß die Fassung des Wortlauts nicht eindeutig ist, so ist die Vorschrift auszulegen. Die Auslegung der Verfassung hat zuvörderst, wie bei der allgemeinen Gesetzesauslegung, nach den allgemein anerkannten, überkommenen canones der juristischen Hermeneutik zu erfolgen 95 ; dazu gehören die grammatische, logische, systematische, historische, genetische, komparative und die teleologische Interpretation 96. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 97 sind die Kompetenzvorschriften grund95 Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland I, 2. Aufl. 1984, § 4 III 1 (S. 123 f.). 96 Vgl. statt aller Stern (Fn. zuvor), § 4 III 1 (S. 125 f.). 97 Vgl. nur BVerfG, Urt. v. 28. Februar 1961 - 2 BvG 1,2/60 - , BVerfGE 12, S. 205 (228); BVerfG, Urt. v. 19. Oktober 1982 - 2 BvF 1/81 - , BVerfGE 61, S. 149 (174). 5 Schoenenbroicher
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
sätzlich „strikt" auszulegen98. Die formalen Methoden99 werden ergänzt durch materiale Direktiven 100 : So sind Verfassungsrechtsnormen, die Funktionen zuweisen oder Organe mit Kompetenzen ausstatten, mit Rücksicht auf die einheitsstiftende Wirkung (Integration) der Verfassung auszulegen; dazu sind Bund und Länder insbesondere durch das Prinzip der Bundestreue gehalten 101 . Aus der Bundestreue können sich, wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung judiziert, besondere Voraussetzungen und Schranken für die Ausübung von Kompetenzen ergeben. Im deutschen Bundesstaat soll nach dieser Rechtsprechung das gesamte verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen dem Gesamtstaat und seinen Gliedern durch den ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz der wechselseitigen Pflicht des Bundes und der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten beherrscht sein. Diese Pflicht soll verlangen, daß sowohl der Bund als auch die Länder bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen die gebotene und ihnen zumutbare Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundesstaates und auf die wechselseitigen Belange nehmen 102 . Zu Recht ist man sich allerdings darin einig, daß die Bundestreue niemals kompetenzbegründenden, sondern allenfalls kompetenzbeschränkenden oder -modifizierenden Charakter haben kann 103 . Sie stellt eine Ausübungsschranke dar, keine 98 So bereits Triepel, FG Laband II, 1908, S. 249 (282); vgl. dazu auch Scholz, FG BVerfG II, 1976, S. 252 (253). Krit. dazu Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland II, 1980, § 37 II 4 (S. 607). Umstritten ist, ob eine Vermutung für eine Kompetenz der Länder spricht: - In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts klingt dies an: BVerfG, Urt. v. 29. Juli 1959 - 1 BvR 394/58 - , BVerfGE 10, S. 89 (101); BVerfG, Beschl. v. 9. Juli 1969 - 2 BvL 25,26/64 - , BVerfGE 26, S. 281 (297): „Die grundgesetzliche Ordnung geht vom Prinzip der Länderkompetenz aus ; es streitet also eine Vermutung für die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder."; BVerfG, Beschl. v. 10. März 1976 - 1 BvR 355/67 - , BVerfGE 42, S. 20 (28): „Nach der Systematik des Grundgesetzes streitet bei Zweifeln zwar eine Vermutung zugunsten der Zuständigkeit der Länder, nicht aber zugunsten einer Bundeskompetenz." - Abi. zu einer Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder dagegen die Lehre: Angesichts der klaren Zuständigkeitsverteilung in der Verfassung könne eine Vermutung allenfalls die Dezision verschleiern (so Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968, S. 228 f.). Ebenfalls ablehnend und ausführlich zum Thema: Löwer, Jahrbuch der Dt. Bundespost 1989, S. 41 (62). Teilweise ist man der Meinung, diese Meinungsverschiedenheit sei ohne größere Bedeutung, so v. Münch, in: v. Münch III, GG, 2. Aufl. 1983, Art. 70 Rn. 15. 99 Dazu insbesondere Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland I, 2. Aufl. 1984, §4111 (S. 131). 100 Dazu ebenfalls Stern (Fn. zuvor), § 4 III (S. 127 f.). 101 BVerfG, Urt. v. 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/88 - , BVerfGE 81, S. 310 (337 f.) m. w. Nachw. - Aus der Lit. dazu etwa Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland I, 2. Aufl. 1984, § 4 n i (S. 134); vgl. auch Starck, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VII, 1992, § 164 Rn. 18. Sehr weitgehend Brohm, DÖV 1983, S. 525 (528): Alle Kompetenzen unterlägen einer Art Gemeinschaftsvorbehalt. 102 BVerfG, Urt. v. 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/88 - , BVerfGE 81, S. 310 (337) m. w. Nachw. 103 Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 157 nennt sechs Kriterien, unter denen die Bundestreue überhaupt nur eingesetzt werden darf:
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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Handlungsermächtigung. Die Bundestreue weist keine Kompetenzen zu, sondern hat Bedeutung allein für die konkrete Art und Weise der Kompetenzausübung 1 0 4 . Die Anwendung des Bundestreueprinzips ist daher stets subsidiär gegenüber der Lösung nach den Normen des geschriebenen Rechts 1 0 5 . Die Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen mithilfe eines „hochabstrakten" 1 0 6 , zuweilen diffusen, i n Begründung und Reichweite recht umstrittenen 1 0 7 Instituts wie der Bundestreue liefe auf eine Unterhöhlung der verfassungsrechtlich festgelegten Kompetenzordnung hinaus. Damit wäre die normative Kraft der Verfassung insgesamt gefährdet.
- Es muß ein Rechtsverhältnis vorliegen und nicht erst durch die Bundestreue geschaffen werden (akzessorischer Charakter); - die Bundestreue ist keine Handlungsermächtigung, sondern lediglich Ausübungsschranke; - sie hat keine kompetenzbegründende Funktion; sie ist nur subsidiär anwendbar, soweit nicht konkretere Vorschriften zur Lösung des bundesstaatlichen Konflikts bereitstehen (Lückenfüllungsfunktion); - der Bundestreuegrundsatz hat Transformationsfunktion, da er objektive Strukturelemente der Bundesverfassung, wie Staatsgleichheit und Solidargemeinschaft, in praktikable und justitiable Pflichten umsetzt; - der Grundsatz ist keine subsumtionsfertige Norm, sondern auf weitere Konkretisierung angewiesen, etwa durch weitere Grundsätze wie „pacta sunt servanda" oder die „clausula rebus sie stantibus"; - schließlich setzt der Nachweis eines Verstoßes kein Verschulden voraus. Vgl. ferner BVerfG, Urt. v. 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/88 - , BVerfGE 81, S. 310 (337) m. w. Nachw.; Bauer, Die Bundestreue, 1992, S. 371 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 19. Aufl. 1993, Rn. 268 ff.; ders., Der unitarische Bundesstaat (1962), in: ders., Ges. Schriften, 1984, S. 116 (122); Starck, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VII, 1992, § 164 Rn. 52. 104 s. BVerfG, Urt. v. 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/88 - , BVerfGE 81, S. 310 (337 f.): „Denn der Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens ändert nichts an der im Grundgesetz festgelegten Kompetenzverteilung"; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 157; Rengeling, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 100 Rn. 24; Starck, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VII, 1992, § 164 Rn. 52. ios So zu Recht auch Bauer, Die Bundestreue, 1992, S. 371 f. 106 Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 157. i° 7 Dazu auch Hesse, Der unitarische Bundesstaat (1962), in: ders., Gesammelte Schriften, 1984, S. 116 ff. Jüngst hat Bauer, Die Bundestreue, 1992, einen erneuten Versuch gemacht, Geltungsgrund und Anwendungsbereich der Bundestreue einer dogmatischen Klärung zuzuführen. Danach ist die Bundestreue nicht etwa auf das bundesstaatliche Prinzip zurückzuführen, sondern auf das auch im Öffentlichen Recht geltende Prinzip von Treu und Glauben (vgl. insbes. S. 252 ff.). Bauer will damit (und in der weiteren Anwendung der Rechtsverhältnislehre auf die Bundestreue, vgl. insbes. S. 270 ff.) den Anwendungsbereich der Bundestreue zurückdrängen. Der Absicht kann zugestimmt werden, ob es freilich dazu des Rückgriffs auf den Grundsatz von Treu und Glauben und des Einsatzes der - ihrerseits umstrittenen - Rechtsverhältnislehre bedurfte, könnte bezweifelt werden, vgl. auch Schmidt-Jortzig, DÖV 1993, S. 445. Zum relationalen Gehalt von Begriffen wie der Bundestreue, deren Funktion nicht zuletzt darin besteht, neue Diskussionsebenen zu eröffnen, auf denen dann durch „Abwägung" der widerstreitenden Interessen entschieden werden kann: Denninger, FS Wassermann, 1985, S. 279 (289, 292). *
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
Soweit bundesstaatsrechtliche Streitigkeiten daher bereits anhand geschriebener Verfassungssätze entschieden werden können, wie im Fall der Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern, ist der Rückgriff auf die Bundestreue bzw. den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens 108 daher nicht nur überflüssig, sondern auch unzulässig, weil er gegen den um der Rechtsklarheit und Rechtsgewißheit willen bestehenden Vorrang des spezielleren Rechtssatzes bei der richterlichen Entscheidungsfindung verstößt 109 .
2. Einwände gegen die „Bundestreuelösung" und die „Abwägungslösung" Wendet man diese Grundsätze an, erheben sich Bedenken gegen die Ansichten, nach denen die Kompetenzabgrenzung mit Hilfe der Bundestreue 110 bzw. durch eine Abwägung der von den beteiligten Behörden vertretenen widerstreitenden Interessen geleistet werden soll 1 1 1 . a) Brohm nimmt zwar verbal eine Kompetenzabgrenzung mittels Auslegung vor, indem er ausdrücklich betont, es sei von einer „weiten" Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung nach Art. 73 Nr. 1, 6 1 1 2 , 7 GG auszugehen113. Dabei handelt es sich aber um kaum mehr als um eine façon de parier. Denn nach Brohm fällt alles, was irgendwie - und sei es auch nur am Rande, nicht spezifisch auf die Bundesverwaltung bezogen - mit Bahn, Post oder Bundeswehr zu tun hat, unter die Regelungskompetenz des Bundesgesetzgebers. Dies ist in Wirklichkeit keine Kompetenzabgrenzung, sondern stellt die einseitige, pauschale Zuweisung einer (sektoralen) Allzuständigkeit an den Bund dar. Man könnte dem lediglich folgen, wenn Brohm Recht mit seiner These hätte, gerade diese umfassende, allseitige Ausgestaltung der Kompetenzen zu Bahn, Post und Bundeswehr sei im Grundgesetz angelegt 114 . Brohm führt dazu aus, bei der Fassung des Grundgesetzes sei der Verfassunggeber bemüht gewesen, die Zuständigkeiten des Bundes möglichst vollständig und detailliert aufzuzählen, um eine weite Auslegung der Kompetenzbestimmungen zu vermeiden. Allerdings falle auf, daß man gerade bei den Gesetzgebungskompetenzen für die Bundesverwaltung auf Präzisierungen verzichtet habe. So habe man zwar die einheitliche Gesetzge108
Zu der unterschiedlichen Terminologie: Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 151; vgl. insbes. auch die Bezeichnung von Lerche, VVDStRL 21 (1964), S. 66 (88): „Bundessinn". 109 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 19. Aufl. 1993, Rn. 270. Ebenso Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 157 (unter 3.). no BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 -IC 65.88 - , BVerwGE 82, S. 266 ff.; Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 29 ff. m Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (179); Salzwedel, NWVBL 1988, S. 97 ff. ii2 Jetzt: Art. 73 Nr. 6 a GG. h 3 S. Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 34 f. 114 So Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 34 f.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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bungsbefugnis, die die Weimarer Verfassung für die Eisenbahnen enthalten habe, in eine ausschließliche für die Bundesbahnen und in eine konkurrierende für die sonstigen Schienenbahnen mit Ausnahme der Bergbahnen aufgeteilt, der sachliche Bereich der Eisenbahnen sei aber nicht spezifiziert worden. Darin könne man zumindest ein Indiz dafür erblicken, daß die weite Interpretation der Weimarer Verfassung habe beibehalten werden sollen; das gleiche gelte auch für das Postwesen und die Verteidigung. Auch der Zweck der Bundeskompetenzen lege eine Auslegung nahe, die eine allseitige Regelung dieser Sachgebiete ermögliche; schließlich habe man gerade die Zuständigkeit des Bundes gewählt, um eine einheitliche Wahrnehmung dieser Funktionen zu erreichen. Dies werde nur gewährleistet, wenn die Regelungen nicht fragmentarisch bleiben müßten. Das historische Argument vermag nicht zu überzeugen. Daß der Verfassunggeber auf Präzisierungen verzichtet hat, erklärt sich daraus, daß eine Verfassung notwendig fragmentarischen, unvollständigen115 oder, nach anderer Lesart, Rahmencharakter 116 hat. Die konkrete Ausgestaltung der in der Verfassung getroffenen grundlegenden Wertentscheidungen dagegen ist regelmäßig dem einfachen Gesetzgeber überantwortet 117. Der Hinweis auf eine angeblich vor der Geltung des Grundgesetzes herrschende „weite" Auslegung wird fragwürdig, wenn man sich genauer mit Rechtsprechung, Lehre und Staatspraxis in der Zeit vor dem Erlaß des Grundgesetzes befaßt. Wenn überhaupt, wäre eine solche „weite" Auslegung höchstens für die Bahn anzunehmen. Doch wußten bereits Reichsgericht und Preußisches Oberverwaltungsgericht beispielsweise zwischen den „eximierten" spezifischen Reichsbahnanlagen und dem Bereich, in dem die Reichsbahn der allgemeinen Polizeipflicht unterlag, zu unterscheiden 118. Würde man sich allein nach der historischen Situation vor 1945 richten, könnte man daher allenfalls für den Bereich der Betriebsanlagen der Bahn zu einer gewissen Exemtion gelangen, deren genauer Umfang freilich auch erst noch, in Auseinandersetzung mit den beiden Urteilen, genau bestimmt werden müßte, insbesondere in Hinblick auf den Unterschied zwischen der Betroffenheit der Bahn als schlichter Normadressat und dem „Schicksal" des Landesrechts und der „Ausschaltung" der Landesverwaltung in der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung; außerdem wäre noch zu prüfen, welche Bedeutung die Neuregelung in Art. 73 Nr. 6 a GG in diesem Zusammenhang besitzt. Für die anderen Zweige der Bundesverwaltung gäbe es jedenfalls keine entsprechenden historischen Vorgaben. Insbesondere dürfte es nicht zulässig sein, das Schießplatz-Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts als Grundlage für eine Exemtion der Bundeswehr vom Iis Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 19. Aufl. 1993, Rn. 19 f. 116 Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VII, 1992, § 162 Rn. 43 ff.; Starck, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VII, 1992, § 164 Rn. 5 f. 117
Vgl. Isensee (Fn. zuvor). Iis PrOVG, Urt. v. 6. Oktober 1932 - IV C 78/32 - , OVGE 90, S. 400 ff.; RG, Beschl. v. 17. Dezember 1932 - V Tgb. 4/32 - , RGZ 139, S. 136 (145 ff.).
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
Landesrecht anzuführen, denn in diesem Urteil wurde der föderale Aspekt, um den es hier geht, überhaupt nicht angesprochen 119. Zudem ist in rechtsmethodischer Hinsicht daran zu erinnern, daß die historische Auslegungsmethode keineswegs die einzige ist. Würde man allein auf die Kompetenzzuweisung in der Weimarer Verfassung bzw. auf die Staatspraxis in der Weimarer Republik abstellen, so könnte es zu einer sicherlich unerwünschten „Zementierung" längst abgelebter und unzeitgemäßer Einrichtungen kommen. Ein Wandel in den rechtlichen Anschauungen muß insbesondere über die teleologische Auslegungsmethode in die Verfassungsinterpretation Eingang finden 120. Die von Brohm vorgenommene Verabsolutierung der überkommenen verfassungsrechtlichen Situation ist auch aus diesem Blickwinkel abzulehnen121. Ist somit das historische Argument zurückzuweisen, so wird man dem teleologischen Argument ebenfalls kaum folgen können. Die Zuweisung von Gesetzgebungskompetenzen an den Bund (Art. 73 Nr. 1, 6 a, 7 GG) muß nicht notwendig die umfassende Freistellung der Bundesverwaltung von der Pflicht zur Beachtung des Rechts der Länder enthalten. Hier wird man vielmehr auf den jeweiligen Einzelfall abstellen müssen. Es ist in jedem Einzelfall zu klären, ob und inwieweit die Annahme einer Exemtion tatsächlich angezeigt ist 1 2 2 . Weitere Gesichtspunkte sprechen gegen die Konzeption Brohms. Brohm nimmt zunächst ohne zureichenden verfassungsrechtlichen Anhaltspunkt und ohne Not eine tatsächlich nicht bestehende umfassende Zuständigkeit des Bundes an. Um diese gleich wieder einzuschränken, zieht er das Kriterium der „Funktionsnotwendigkeit" heran, von dem er aber selbst sagt, daß es im Einzelfall „durchaus zweifelhaft" 123 sein könne, wann eine Regelung funktionsnotwendig ist 1 2 4 . Hier übersieht Brohm bereits, daß die „Funktionsnotwendigkeit" nichts anderes sein kann als das, was im Rahmen einer teleologischen Auslegung der Kompetenzen des Bundes ohnehin berücksichtigt werden muß. Zudem scheitert die ganze Konzeption letztlich auch an Art. 71 GG, obwohl sie ersichtlich gerade darauf gerichtet ist, um die Sperrwirkung für den Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes herumzukommen. Weil es nämlich so schwierig sein soll, das Kriterium der Funktionsnotwendigkeit anzuwenden, soll nach Brohm in den Fällen, in denen der Bund keine abweichende Regelung getroffen hat, das Landesrecht gelten. Zu diesem wichtigen Punkt macht Brohm keine weiteren Ausführungen. Er scheint aber der Auffassung zu sein, daß der Bundesgesetzgeber in die119 PrOVG, Endurth. v. 5. Mai 1877, OVGE 2, S. 399 ff. 120 Vgl. Ossenbühl, Bestand usw., 1980, S. 31 ff. und sogleich unter 3. 121 Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (266) ist daher zu Recht der Ansicht, Brohm habe die Bundeskompetenzen insofern als zu weitgehend angenommen. 122 So auch Zielfleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, Diss. München 1972, S. 41 ff. 123
Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 41. 124 Vgl. auch die Kritik daran von Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (179 Fn. 84).
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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sem Fall auf die Ausübung der Gesetzgebungskompetenz - gewissermaßen durch bloßes „Schweigen" - verzichten kann. Dies widerspricht klar dem Wortlaut des Art. 71 GG. Dort ist unmißverständlich angeordnet, daß die Länder im Fall der ausschließlichen Bundeszuständigkeit die Gesetzgebungsbefugnis nur haben, wenn sie dazu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden. Damit ist die Annahme eines „stillschweigenden" Verzichts durch schlichten Nichterlaß eines eximierenden Gesetzes unvereinbar. Es ist denn auch allgemeine Meinung, daß der Bundesgesetzgeber nicht gegen den Wortlaut des Art. 71 GG durch bloßes „Schweigen" auf seine Gesetzgebungsbefugnis verzichten kann, sondern die Ermächtigung ausdrücklich durch förmliches Bundesgesetz erfolgen muß 1 2 5 . Da Brohm keine andere dogmatisch zureichende Begründung dafür liefert, weshalb es ausnahmsweise zulässig sein könnte, von Art. 71 GG abzuweichen, scheitert die ganze Konzeption somit an Art. 71 GG 1 2 6 . b) Die Bundestreue-Lösung, die das Bundesverwaltungsgericht in dem Langeoog-Fall 127 angewendet hat, ist aus den gleichen Gesichtspunkten zurückzuweisen, zumal das Gericht noch nicht einmal eine Begründung dafür gibt, warum eigentlich aus einem so wolkigen, aus einer ganz anderen staatsrechtlichen Epoche 1 2 8 stammenden Institut wie der Bundestreue die Notwendigkeit zur Beantragung einer Genehmigung entfallen soll. c) Der oben herausgearbeitete Vorrang der Auslegung der Kompetenznormen spricht auch gegen die Ansichten, die in der Kompetenzfrage mit einer Abwägung arbeiten wollen 129 . Kompetenzen sind grundsätzlich abwägungsresistent, jeder Gewichtung und Quantifizierung unzugänglich 130 . Es ist zu unterscheiden zwischen der Zuordnung und Eingrenzung der Kompetenz und den öffentlichen Aufgaben und Interessen, die sich in der Kompetenz verkörpern und die in einem einfachen Bundes- oder Landesgesetz Ausdruck gefunden haben können. Zwischen diesen möglicherweise divergierenden Inhalten kann eine Abwägung in Betracht kommen, bei der Zuweisung der Kompetenz dagegen nicht 1 3 1 . Die kompetentielle und die einfachgesetzliche Lage sind hier sorgfältig auseinander zu halten: Abwägung - der widerstreitenden Belange, nicht hinsichtlich der Gesetze selbst - ist nur auf der Ebene des einfachen Rechts möglich, nicht auf der Verfassungsebene. Auf der letzteren ist aller: Jarass / Pieroth, GG, 2. Aufl. 1992, Art. 71 Rn. 4. 126 So im Ergebnis auch Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (179); Zielfleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, Diss. München 1972, S. 31. 127 BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1 9 8 9 - I C 65.88-, BVerwGE 82, S. 266ff. 128 Vgl. zur Geschichte der Bundestreue im deutschen Staatsrecht: Hesse, Der unitarische Bundesstaat (1962), in: ders., Gesammelte Schriften, 1984, S. 116 ff.; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 152 f. 129 Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (179); Salzwedel, NWVBL 1988, S. 97 (98 f.). 130 Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 106. 125 statt
131 Isensee (Fn. zuvor).
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
allein die kompetentielle Zuordnung, die Abgrenzung nach den Auslegungsregeln, zulässig. aa) Diese Überlegungen sprechen gegen die von Blumenwitz 132 favorisierte Lösung, mit Hilfe von „Abwägungstopoi" zu entscheiden, welcher der widerstreitenden Interessen im Einzelfall der Vorzug zukommt. Was mit „Topoi" gemeint sein kann und welche Bedeutung sie bei der Verfassungsauslegung haben können, mag zweifelhaft sein. Selbst diejenigen, die damit im Verfassungsrecht arbeiten wollen, räumen jedenfalls ein, daß dadurch die Kompetenzverteilung der Verfassung nicht ausgehebelt werden dürfe 133 . Gerade dies aber wäre hier der Fall, auch wenn Blumenwitz einen abwägungsfesten, allerdings „eher einengend" zu umreißenden Kernbereich der Bundeszuständigkeit anerkennen w i l l 1 3 4 . Zur Unterstützung seiner These führt Blumenwitz die Rechtslage in Kanada an. Dort sei eine „double-aspect doctrine" entwickelt worden, nach der bei der Kompetenzabgrenzung in Überschneidungszonen die Fallabgrenzung nicht generell mit logischen Mitteln erfolgen solle; die Logik könne nur verschiedene Qualifikationsmöglichkeiten aufdecken, wobei die Auswahl sich im einzelnen nach dem „Allgemeininteresse" und den „politischen Notwendigkeiten" richte135. Hierzu ist zu sagen, daß, falls diese Gesichtspunkte tatsächlich einschlägig sein sollten, dies im Rahmen der teleologischen Auslegung zu berücksichtigen wäre. Von der Vorrangigkeit der Auslegung und damit vom methodengerechten Arbeiten mit dem Rechtstext darf darum nicht abgewichen werden. Der weitere Hinweis von Blumenwitz, ein Großteil der höchstrichterlichen Rechtsprechung demonstriere geradezu klassisch eine sich am Problem orientierende Abwägung der einschlägigen „Topoi" 1 3 6 , vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Blumenwitz stützt sich hierzu auf die Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, OVGE 2, S. 399 f . 1 3 7 , des Bundesverwaltungsgerichts zum Forstpolizeigesetz 138, des Bayerischen Obersten Landesgerichts zum Abbrennen von Bodenbelägen an Bahndämmen139 und des OVG Lüneburg im Paketpostamtfall 1 4 0 . Wie bereits herausgearbeitet 141, verhalten sich jedoch die genannten Entscheidungen, mit Ausnahme des Urteils des Bayerischen Oberlandesgerichts, nicht explizit zu der kompetenzrechtlichen Problematik. Vielmehr haben die Gerichte
132 Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (179 ff.). 133
Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 19. Aufl. 1993, Rn. 66 ff. 134 Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (179 f.). 135 Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (180 Fn. 87). 136 aaO, S. 181, Hervorhebung im Original. 137 Zum Sachverhalt s.o. im Ersten Teil sub A. I. 1. 138 BVerwGE 29, S. 52 ff. 139 BayObLG, BayVBl. 1957, S. 295 ff. 140 APF 1958, S. 68 ff. 141 S.o. im Ersten Teil sub A. I. und II.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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sie teilweise nicht gesehen, wie im Fall des Preußischen Oberverwaltungsgerichts und im Paketpostamtfall. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Forstpolizei-Urteil die Landeskompetenz grundsätzlich für gegeben gehalten, ohne darauf weiter einzugehen. Dies läßt sich der Passage entnehmen: „Bund und Länder stehen mit den ihnen vom Grundgesetz zugewiesenen Kompetenzen gleichrangig nebeneinander, soweit sich nicht aus dem Grundgesetz selbst ein Vorrang bestimmter Bundeskompetenzen ergibt. Bei den in die Landesgesetzgebung fallenden Materien, wie hier bei der Forstpolizei, besteht kein Vorrang für den Bund" 1 4 2 . Die von diesen Gerichten vorgenommene Abwägung bezog sich mithin nicht auf das Kompetenzthema, sondern auf die Anwendung des einfachen Landesrechts. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat zwar erwogen, daß es zu Überschneidungszonen von Bundes- und Landesrecht kommen könne, dies letztlich jedoch dahingestellt sein lassen, denn falls eine solche Überschneidung vorliege, habe die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes den Vorrang 143 . Auch in dieser Entscheidung wird damit nicht die Aussage getroffen, die Blumenwitz ihr beilegen will. Allenfalls könnte man die spätere Langeoog-Entscheidung144 hier nennen, doch ist die dort enthaltene Berufung auf die Bundestreue bereits als methodenwidrig bezeichnet worden. bb) Der Abwägungslösung, die Salzwedel in dem Gutachten zum geplanten Abriß des Plenarsaales des Deutschen Bundestages vertreten hat 1 4 5 , wird man aus den soeben dargelegten Gründen ebenfalls nicht zustimmen können. Eine Abwägung der widerstreitenden öffentlichen Belange mag auf der Ebene des einfachen Rechts zulässig sein; darauf werden wir noch zurückkommen 146. Im Bundesstaat aber kommt man in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht umhin, vor der Abwägungsentscheidung die Kompetenzfrage zu stellen, und diese wiederum läßt sich durch Abwägung der Zuständigkeiten nicht lösen. d) Im Ergebnis ist daher festzuhalten: Methodisch hat die Abgrenzung von Bundes- und Landeszuständigkeit durch Auslegung der Kompetenzvorschriften zu erfolgen. Die Bundestreue hat keine kompetenzbegründende Bedeutung, sondern allenfalls in Hinblick auf die konkrete Ausübung einer bestehenden Kompetenz. Die Zuweisung von Zuständigkeiten mittels der Bundestreue oder durch Abwägung der verschiedenen Belange ist dagegen nicht statthaft.
142 143 144 145 146
BVerwGE 29, S. 52 (58). BayObLG, BayVBl. 1957, S. 295 (296). BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - 7 C 65.88 Salzwedel, NWVBL 1988, S. 97 ff. Vgl. im Fünften Teil sub B.
BVerwGE 82, S. 266 ff.
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
3. Kriterien für die Auslegung der Gesetzgebungskompetenznormen Nachdem geklärt ist, daß es vorrangig auf die Auslegung der Gesetzgebungskompetenznormen ankommt, hat man sich der Frage zuzuwenden, welche Maßstäbe hierbei zu beachten sind. Bei der Abgrenzung der Kompetenzen kann man zunächst von einem aufgabenspezifischen Kompetenzkern der Bundeszuständigkeit ausgehen, der jeder Landesgesetzgebung entzogen ist, weil es sich um Essentialien der Aufgabenerfüllung der Bundesverwaltung handelt. Dem Einwand, ein solcher Kompetenzkern oder Kernbereich sei kaum hinreichend zu bestimmen 147 , kann man begegnen, indem man ihn eng auffaßt und auf den zweifelsfrei durch Auslegung zu bestimmenden Bereich beschränkt, der mit der Landesgesetzgebung nicht in Berührung kommt 1 4 8 . Dadurch ist zwar noch nicht sehr viel gewonnen, weil damit noch nichts über die eigentlich problematischen Fälle des Überschneidens von Bundes- und Landesinteressen gesagt ist, aber zur Abschichtung und Klarstellung der schwierigen Problematik eignet sich das „Kernbereichs-Kriterium" allemal. Der dann verbleibende, eigentlich problematische Überschneidungsbereich, die Schnittzone von Bundes- und Landesinteressen, ist dadurch gekennzeichnet, daß einerseits eine Bundeszuständigkeit wegen der Betroffenheit der Bundesverwaltung gegeben sein könnte, auf der anderen Seite jedoch auch eine „allgemeine" Landeszuständigkeit besteht und nur fraglich ist, ob diese sich auch auf das Handeln der Bundesverwaltung erstreckt. Hier hilft lediglich eine genaue Kompetenzabgrenzung; die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts und der Lehre sind zunächst aufzuzeigen. a) Das Bundesverfassungsgericht geht bei der Abgrenzung der Kompetenzen in der Regel in zwei Schritten vor. aa) Es prüft zunächst, ob ein bestimmter Sachverhalt einer „ausdrücklich" 149 geschriebenen Kompetenznorm nach dem Wortsinn oder unter historischen Gesichtspunkten - gewissermaßen „direkt" - zugeordnet werden kann 150 . Dabei entscheiden der Zweck 1 5 1 bzw. das Z i e l 1 5 2 der Regelung darüber, ob eine Gesetzes147
Dieser Einwand wird insbesondere von Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 32 f. und Zielfleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, Diss. München 1972, S. 26 ff. erhoben. 148 Anders z. B. Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 123, bei dem der Kernbereich identisch ist mit der gesamten Zuständigkeit des Bundes, die auch mithilfe der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs zu ermitteln sei. Das aber ist bereits begrifflich kein „Kernbereich" der Bundeszuständigkeit mehr, sondern die Bundeszuständigkeit selbst. Insofern ist auch die Kritik am Kernbereichskriterium von Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 195 berechtigt. Diese Kritik geht allerdings ins Leere, wenn man den Kernbereich in der oben im Text beschriebenen Weise eng auffaßt. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 9. Juli 1969 - 2 BvL 25,26/64 - , BVerfGE 26, S. 281 (300). 150 Vgl. etwa BVerfGE (Fn. zuvor).
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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norm oder eine andere staatliche Tätigkeit einem bestimmten Kompetenzthema zuzuordnen ist 1 5 3 . In Hinblick auf den historischen Gesichtspunkt soll zu berücksichtigen sein, daß der Gesetzgebungskatalog des Grundgesetzes in stetem Rückblick auf die Weimarer Reichsverfassung formuliert worden sei. Soweit das Grundgesetz Materien aus der Weimarer Reichsverfassung übernommen habe, müsse daher angenommen werden, daß sie in demselben Sinn zu verstehen seien, wie dies unter der Weimarer Reichsverfassung der Fall war 1 5 4 . Bei der Klassifizierung der einzelnen Materien der Rechtsetzung kommt nach Ansicht des Gerichts dem Merkmal des „Traditionellen" oder „Herkömmlichen" besondere Bedeutung zu 1 5 5 . Entstehungsgeschichte und Staatspraxis gewinnen für die Auslegung somit besonderes Gewicht 156 . bb) Läßt sich nicht feststellen, ob der Prüfungsgegenstand nach diesen Vorgaben dem Kompetenztitel (direkt) unterfällt, so fragt das Gericht danach, ob die Bundeszuständigkeit aufgrund von „Annexkompetenzen", einer „Kompetenz kraft Sachzusammenhangs" oder aus der „Natur der Sache" gegeben ist 1 5 7 . An das Vorliegen einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs stellt es unterschiedliche Anforderungen. Im Baurechtsgutachten 158 hat das Gericht ausgeführt, 151 BVerfG, Beschl. v. 29. April 1958 - 2 BvO 3/56 - , BVerfGE 8, S. 143 (148 f.). 152 BVerfG, Urt. v. 30. Juli 1958 - 2 BvF 3,6/58 - , BVerfGE 8, S. 104 (117). 153 Hierzu auch Bothe, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 70 Rn. 16. 154 BVerfG, Beschl. v. 9. Juli 1969 - 2 BvL 25,26/64 - , BVerfGE 26, S. 281 (299); BVerfG, Beschl. v. 15. Juli 1969 - 2 BvF 1/64 - , BVerfGE 26, S. 338 (370 ff., 374 ff.): die Kompetenzen des Bundes für die Bundeseisenbahnen entsprächen hinsichtlich der Planfeststellung denen des Reichs nach Art. 7 Nr. 19 und Art. 90, 94 Abs. 1 WRV. 155 BVerfG, Beschl. v. 18. Februar 1970 - 1 BvR 226/69 - , BVerfGE 28, S. 21 (32) m. w. Nachw. 156 S. insbes. BVerfG, Urt. v. 19. Oktober 1982 - 2 BvF 1/81 - , BVerfGE 61, S. 149 (175); BVerfG, Beschl. v. 12. Dezember 1984 - 1 BvR 1249 u.a./83 - , BVerfGE 68, S. 319 (328). Vgl. auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland I, 2. Aufl. 1984, § 4 III (S. 126). 157 So bes. deutlich etwa in dem Fernsehurteil v. 28. Februar 1961 - 2 BvG 1,2/60 - , BVerfGE 12, S. 205 (238); ebenso Urt. v. 30. Oktober 1962 - 2 BvF 2/60,1,2,3/61 - , BVerfGE 15, S. 1 (19 f.); Beschl. v. 9. Juli 1969 - 2 BvL 25,26/64 - , BVerfGE 26, S. 281 (298 ff.). Der Begriff „Annexkompetenz" in: BVerfG, Beschl. v. 29. April 1958 - 2 BvO 3/56 - , BVerfGE 8, S. 143 (148 f.); BVerfG, Urt. v. 18. Juli 1967 - 2 BvF 3 u.a./66 u.a. - , BVerfGE 22, S. 180 (210). In der Lehre bestehen unterschiedliche Anschauungen darüber, ob der Begriff „Annexkompetenz" den Oberbegriff bildet für die Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs und aus der Natur der Sache, ob es sich um einen Unterfall der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs handelt, oder ob die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs und die Annexkompetenz etwas sachlich ganz Verschiedenes bezeichnen, vgl. Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (243); Degenhart, Staatsrecht I, 9. Aufl. 1993, Rn. 100 ff.; Lerche, FS Dürig, 1990, S. 401 (409 f.); v. Münch, in: v. Münch III, GG, 2. Aufl. 1983, Art. 70 Rn. 20.; v. Mutius, Jura 1986, S. 498 ff. Kritisch zu der Entgegensetzung von Bundeskompetenzen kraft Auslegung der Kompetenzklauseln und Bundeskompetenzen kraft Sachzusammenhangs: Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (246 f.).
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
ein sogenannter Sachzusammenhang vermöge eine Zuständigkeit des Bundes nur dann zu stützen, wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden könne, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt werde. Ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien müsse unerläßliche Voraussetzung sein für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie; die bloße Erwägung, es sei zweckmäßig, mit einer dem Bund ausdrücklich zugewiesenen Materie gleichzeitig auch eine verwandte Materie zu regeln, reiche zur Begründung einer Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nicht aus 159 . In anderen Entscheidungen stellt das Gericht demgegenüber darauf ab, ob die Regelungsmaterie in stärkerem Sachzusammenhang mit der Bundeskompetenz oder mit der Landeskompetenz steht 160 ; auch, ob eine „Annexregelung" notwendig ist, kann nach der Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Jugendwohlfahrtsgesetzes maßgebliches Kriterium sein 161 . Eine Kompetenz des Bundes aus der Natur der Sache ist nur in Ausnahmefällen zu bejahen; Voraussetzung ist, daß es sich um eigenste, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit a priori entrückte Bundesangelegenheiten handelt 162 . Schlußfolgerungen aus der Natur der Sache müssen begriffsnotwendig sein und eine bestimmte Lösung unter Ausschluß anderer Möglichkeiten sachgerechter Lösungen zwingend fordern; die Erwägung, eine bundesrechtliche und daher einheitliche Regelung sei zweckmäßig, reicht für die Annahme einer solchen Kompetenz nicht aus 163 . b) In der Literatur bietet sich ein breites Spektrum von Meinungen zu der Auslegung der Kompetenzvorschriften 164. Streitig geworden ist, welchen Stellenwert die historische Auslegung haben kann. Gelegentlich wird zwar geltend gemacht, die Auslegungsgesichtspunkte hätten grundsätzlich gleichen Rang 165 . In jüngster Zeit wird allerdings zunehmend gefordert, der historischen Auslegungsmethode iss BVerfG, Rechtsgutachten vom 16. Juni 1954 - 1 PBvV 2/52 - , BVerfGE 3, S. 407 (420 f.). 159 Das Kriterium des unerläßlichen Zusammenhangs verwendet das Gericht auch in BVerfG, Urt. v. 30. Oktober 1962 - 2 BvF 2/60,1,2,3/61 - , BVerfGE 15, S. 1 (20). 160 BVerfG, Beschl. v. 29. April 1958 - 2 BvO 3/56 - , BVerfGE 8, S. 143 (148 f.): Ordnungsrecht als ,Annex" eines Gebietes, das dem Bund zugewiesen sei; Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (241) spricht dabei vom „formelfreien" Sachzusammenhang. 161 BVerfG, Urt v. 18. Juli 1967 - 2 BvF 3,4,5,6,7,8/66, 2 BvR 139,140,334,335/62 - , BVerfGE 22, S. 180 (210). Zu dem Paradigmenwechsel vgl. insbes. Bullinger, Die Mineralölfernleitungen, 1962, S. 68; v. Mutius, Jura 1986, S. 498 (499). 162 BVerfG, Beschl. v. 10. Mai 1960 - 2 BvO 6/56 BVerfGE 11, S. 89 (99); eingehend dazu Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (268 ff.). 163 BVerfG (Fn. zuvor). 164 Auf die grundsätzlichen Auseinandersetzungen um die Auslegung des Verfassungsgesetzes muß hier nicht weiter eingegangen werden, vgl. dazu etwa Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 ff.; Ossenbühl, NJW 1976, S. 2100 ff. 165 Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland I, 2. Aufl. 1984, § 4 III (S. 126).
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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nicht die entscheidende Bedeutung zuzumessen wie das Bundesverfassungsgericht im Eisenbahnkreuzungsurteil 166. Hinsichtlich der „Annexe-Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs bzw. aus der Natur der Sache kann vorab festgestellt werden, daß man sich im Schrifttum, bei terminologischen Abweichungen im einzelnen 167 , zumindest verbal weitgehend an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientiert 168 ; allerdings gibt es auch Stimmen, die insbesondere die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs für überflüssig halten, weil die entsprechenden Gesichtspunkte insbesondere im Rahmen der teleologischen Auslegung ohnehin zu berücksichtigen seien 169 . Was daraus nun konkret zu folgern ist, kann selbstverständlich nur im Einzelfall festgelegt und daher hier nicht i. e. dargestellt werden. Immerhin ist festzustellen, daß man sich z. T. für eine eher restriktive Anwendung der Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs und aus der Natur der Sache ausspricht 170 ; insbesondere soll zur Einschränkung der Bundeszuständigkeiten das „Unerläßlichkeitskriterium" des Bundesverfassungsgerichts strikt gehandhabt werden 1 7 1 . Andere scheinen demgegenüber eine nicht ganz so restriktive Linie zu vertreten 172 . Bullinger 173 etwa führt aus, die Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes seien nicht notwendig eng auszulegen, sondern dürften bis zur Grenze des Zwecks der Kompetenzzuweisungen ausgeschöpft werden, jedoch müsse eine „Aushöhlung" der Landeskompetenzen vermieden werden. Dies wäre der Fall, 166 So insbes. Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 201 f. So auch bereits Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (258 f.); Zielfleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, Diss. München 1972, S. 41. 167 Vgl. etwa Degenhart, Staatsrecht I, 9. Aufl. 1993, Rn. 100 ff.; Rengeling, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 100 Rn. 55 ff. 168 Es ist nicht zu übersehen, daß es eine gewisse Tendenz gibt, unter ausdrücklicher Berufung auf die Rechtsprechung das gewünschte Ergebnis unter allen Umständen darunter zu subsumieren. Angesichts der selbst nicht klaren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fällt dies in der Regel nicht schwer. Zum ganzen auch v. Mutius, Jura 1986, S. 498 (499). 169 Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (246 ff.) ist der Meinung, alle Gründe, die gegen einen überwiegenden Zusammenhang sprächen, seien ohnehin schon im Rahmen einer schulmäßigen Auslegung zu erörtern ; ebenso ders., Die Mineralölfernleitungen, 1962, S. 66: „Der Streit um den Sachzusammenhang ist also, wenn man hinter die Wortkulissen dringt, ein Streit um die enge oder weite Auslegung von Kompetenzbestimmungen." Ähnlich auch Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 118; Schweitzer / Meng, DVB1. 1975, S. 940 (944). Vgl. weiterhin auch Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 428 ff. 170 S. in diesem Zusammenhang auch den Befund bei v. Mutius, Jura 1986, S. 498 (499). 171 Vgl. Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 197; Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 51 ff.; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1982, Art. 70 Rn. 45. 172 Vgl. etwa Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 120 f., der sich zwar für die Anwendung des „Unerläßlichkeits"- Kriteriums ausspricht, wegen eines von ihm angenommenen Vorgehens der Bundeskompetenzen aus „systematisch-logisch(en)" (aaO, S. 120) Gründen dann allerdings zu weitgehenden Präferenzen des Bundes gelangt (aaO, S. 121 ff.). 173 Bullinger, Die Mineralölfernleitungen, 1962, S. 66.
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
wenn der Bund alles regeln könnte, was einen noch so schwachen Zusammenhang mit seiner Kompetenz aufwiese. Daher dürfe der Bund in solchen Randgebieten seiner Kompetenz, die in einer Gemengelage mit Materien der Landesgesetzgebung ständen, im allgemeinen nur tätig werden, wenn der Sachzusammenhang der fraglichen Angelegenheit mit der Bundeskompetenz stärker sei als der Sachzusammenhang mit der Landeskompetenz. In ähnlicher Weise stellen andere Autoren darauf ab, welcher Kompetenzbereich die größere Sachnähe für den zu regelnden Fragenkomplex hat 1 7 4 , wo der Schwerpunkt der Regelung liegt 1 7 5 bzw. welche Materie spezieller ist 1 7 6 . c) Wendet man diese Vorgaben an, so ist zunächst ein Wort zu den sog. Annexkompetenzen erforderlich: Eine Kompetenz aus der Natur der Sache kommt in unserem Zusammenhang aus tatsächlichen Gründen nicht in Betracht. Auf sie könnte es allenfalls im Zusammenhang mit der denkmalschutzrechtlichen Zulässigkeit des Plenarsaal-Abrisses ankommen, doch ist dazu kein einfaches Bundesgesetz ergangen, so daß auch insoweit auf die Kompetenz aus der Natur der Sache nicht weiter eingegangen werden muß 1 7 7 . Die Begründung einer eigenständigen Kategorie „Kompetenz kraft Sachzusammenhangs" durch das Bundesverfassungsgericht hat mehr Verwirrung gestiftet und damit geschadet als genutzt. Einer solchen Kategorie bedarf es nicht; die künstliche Trennung des Wortlauts und der historischen Interpretation von teleologischen Erwägungen ist schlicht überflüssig. Die herkömmlichen Mittel der Verfassungsinterpretation hätten es auch getan 178 . Die Materie „Denkmalschutz an Bahnbetriebsanlagen" etwa gehört entweder zur Bundeszuständigkeit für die Eisenbahnen nach Art. 73 Nr. 6 a GG oder zur Residualkompetenz der Länder („Kulturhoheit"). Was richtig ist, entscheidet sich nach den Kriterien der juristischen Auslegungslehre, insbesondere nach dem Wortlaut, der Systematik, nach historischen und teleologischen Gesichtspunkten. Was das ganze Gerede von einem „Hinübergreifen" in einen „fremden" Kompetenzbereich usw. soll, ist unerfindlich. Wem der Rechtsan174
So z. B. Bettermann / Goessl, Schulgliederung, Lehrerbildung und Lehrerbesoldung in der bundesstaatlichen Ordnung, 1963, S. 171. 175 Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 28 f.; H. Schneider, NJW 1965, S. 937 (939 f.) läßt ebenfalls entscheidend sein, in welchem Bereich das zu überprüfende Gesetz seinen Schwerpunkt hat. i™ Bothe, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 70 Rn. 16: Nach ihrem alleinigen oder vorherrschenden Zweck sei die gesetzliche Regelung der Kompetenzmaterie zuzuordnen, die sie speziell, nicht allgemein thematisiere. 1 77 Nach der hier vorgenommenen Differenzierung steht der landesrechtlichen Vorschrift kein spezielles Bundesgesetz gegenüber, so daß die Konstellation gegeben ist, die unten sub IV. erörtert werden wird. 1 78 Im Rahmen der teleologischen Auslegung wäre insbesondere zu prüfen, zu welchem Kompetenztitel der Lebenssachverhalt den stärkeren Bezug aufweist, vgl. Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (248 f.). Auch spezifische Gesichtspunkte wie die Gefahr der Aushöhlung der Residualkompetenz durch weite Auslegung der Bundeszuständigkeiten wären hier zu berücksichtigen.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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wender beim Einsatz der herkömmlichen Methoden die Zuständigkeit für den konkreten Lebensbereich zuweist, der besitzt sie eben. Es bestand insbesondere kein Grund, durch Schaffung einer eigenständigen Kategorie zu vernebeln, daß auch bei der Kompetenzauslegung teleologische Erwägungen anzustellen sind 179 . Da die Lehre dem Bundesverfassungsgericht jedoch in diesem Punkt die Gefolgschaft überwiegend 180 nicht versagt hat, sondern sich z. T. sogar noch um Verfeinerungen bemüht 181 , mag dies auf sich beruhen. Die eigentlichen Probleme bei der Gesetzesauslegung in Hinblick auf die Beachtenspflicht liegen auf anderen Gebieten: Erstens fragt sich, nach welchen materialen Kriterien bei der teleologischen Auslegung vorzugehen ist, wie streng also die Voraussetzungen für eine Bundeskompetenz sein müssen. Zweitens ist die erst jüngst grundsätzlich problematisierte Frage nach dem Verhältnis der historischen zu der teleologischen Auslegung zu beantworten. Drittens ist auf die Bedeutung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots bei der Gesetzesauslegung einzugehen. aa) Wendet man sich zunächst den materialen Kriterien zu, so hat man sich zuvörderst des „Unerläßlichkeits"-Kriteriums zu bedienen. Es spricht dabei mehr dafür, dieses Kriterium, was die materiellen wie die formellen Vorschriften des Landesrechts angeht, strikt auszulegen und die Kompetenzen des Bundes eher einengend zu umreißen. Angesichts der Tatsache, daß in den als solche regelmäßig eindeutig verfassungsmäßigen Landesgesetzen klare gesetzliche Regeln für einen bestimmten Sachbereich aufgestellt sind, wird man verlangen müssen, daß die Bundeszuständigkeit „unerläßlich" sein muß in dem Sinne, daß die Normbefolgung für die Bundesverwaltung „unerträglich" ist, daß die Geltung des Landesrechts für die Bundesverwaltung also „unvereinbar" ist mit deren Aufgabenerfüllung, damit der Bund befugt sein soll, eine davon abweichende Regelung zu treffen. Es wird nicht ausreichen, daß es für die Bundesverwaltung gewisse Schwierigkeiten, „Lästigkeiten", mit sich bringt, dem landesrechtlichen Normbefehl nachzukommen, denn das ist eine allgemeine Folge der Landesgesetze, die jeden Normunterworfenen, den »Jedermann", trifft 1 8 2 . 179
Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Lehre von den „implied powers" (Triepel, FG Laband II, 1908, S. 249 (271, 286, 293 f.)) bezog sich ebenfalls auf die enge oder weite Auslegung der Kompetenzen und darauf, ob ein Vorrang des Bundes anzuerkennen sei, vgl. insbes. Triepel, aaO. Auch dies nötigte nicht zu der Entwicklung eigenständiger Annexkompetenzen, s. Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (246 f.). Zur Fragwürdigkeit der Übertragbarkeit der „doctrine of implied powers" auch v. Mutius, Jura 1986, S. 498 (499). 180 Vgl. jedoch auch Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (246 ff.). 181 Vgl. Degenhart, Staatsrecht I, 9. Aufl. 1993, Rn. 100 ff. 182 Zutr. Reigl, DÖV 1967, S. 397 (400 mit Fn. 54). Der Gedanke und mögliche Einwand, daß der Bund die „Annex"-Kompetenz für ordnungsrechtliche Regelungen habe, führt demgegenüber nicht weiter. Einmal behandelt BVerfG, Beschl. v. 29. April 1958 - 2 BvO 3/56 - , BVerfGE 8, S. 143 ff. eine ganz andere Konstellation. Selbst wenn man darüber noch hinwegsähe: Würde man der Bundesverwaltung eine weite Zuständigkeit für alle ordnungsrechtlichen Fragen zugestehen, wäre man im Ergebnis wieder bei der gebietsbezogenen globalen Exemtion, die ad acta gelegt sein sollte.
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
Unter diesen Vorzeichen hat auch das in der Lehre entwickelte Gebot der Funktionsnotwendigkeit183 seinen Platz und seine Berechtigung, wobei nur einen anderen Blickwinkel einnimmt, wer verlangt, daß die Anwendung einer landesrechtlichen Norm nicht zu einer „Funktionbeeinträchtigung" der Bundesverwaltung führen darf 184 . „Funktionsbeeinträchtigung" muß freilich bedeuten: nicht bloße Erschwerung, Lästigkeiten, Mühen, sondern Gefährdung des gesetzlichen Auftrags als solchen. Weiterhin kann auch eine Rolle spielen, wie der „technische Sachverstand" der Bundesverwaltung in dem konkreten Normbereich beschaffen ist. Beispielsweise bauen die Eisenbahnen des Bundes seit jeher ihre Betriebsanlagen nach eigenen Vorschriften, nicht nach den materiellrechtlichen Vorschriften der Landesbauordnungen, wenn diese auch berücksichtigt werden 185 . Hier hat sich die Abweichung vom Landesrecht bewährt - ein Gesichtspunkt, der für eine Bundeskompetenz sprechen kann. bb) Der historische Gesichtspunkt sollte gegenüber den teleologischen Erwägungen nur mit besonderer Vorsicht Berücksichtigung finden. Erstens muß die rein historische gegenüber der sachlich-rationalen Sichtweise in unserem Zusammenhang ohnehin zurückstehen. Ohne daß es hierzu weiterer grundsätzlicher rechtsmethodischer Ausführungen bedürfte, zeigt sich dies schon an dem Beispiel der Herleitung der „Eisenbahnhoheit" im Eisenbahnkreuzungsurteil des Bundesverfassungsgerichts 186. Das Gericht bestimmt darin den Gehalt des Art. 73 Nr. 6 GG (a.F.), ebenso wie und unter deutlicher Anlehnung an die Entscheidung des Reichsgerichts vom 17. Dezember 1932 zur eisenbahnrechtlichen Planfeststellung 187, letztlich mit Rückgriff auf § 24 Abs. 3 Satz 1 der Verfassung Elsaß-Lothringens vom 31. Mai 1911. Dies mag mancher als Beispiel verfassungsrechtlicher Kontinuität ansehen, und, bezogen auf die Zuständigkeitskonzentration in der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung, mag die Herleitung eine gewisse Berechtigung haben (dazu aber auch sogleich). Doch wird man sich hüten müssen, derartige Ableitungen zum Leitbild der Auslegung zu machen, will man eine „Zementierung" und „Versteinerung" längst abgelebter Institutionen und Rechtsvorstellungen vermeiden 188 . 183
Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 41; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 109. IS* Vgl. Bothe, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 30 Rn. 33; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 108. 18 5 Finger, Kommentar zum Allgemeinen Eisenbahngesetz und Bundesbahngesetz, 1982, § 36 BbG Anm. 6; Gädtke / Böckenförde / Temme, BauO NW, 8. Aufl. 1989, § 1 Rn. 29; Küchler, DÖV 1977, S. 187 ff. Vgl. auch bereits RG, Beschl. v. 17. Dezember 1932 - V Tgb. 4/32 - , RGZ 139, S. 136 (148 f.). S. dazu auch sogleich sub 4. 186 BVerfG, Beschl. v. 15. Juli 1969 - 2 BvF 1/64 - , BVerfGE 26, S. 338 (368 ff.). ist RG, Beschl. v. 17. Dezember 1932 - V Tgb. 4/32 - , RGZ 139, S. 136 (145). iss Ebenso Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (258), für den das Eisenbahnkreuzungs-Urteil ein „Beispiel für die Übernahme des unter einer anderen Verfassungsordnung „eingefro-
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Demgemäß ist zweitens darauf hinzuweisen, daß Wandlungen der Rahmenbedingungen in die Auslegung einfließen müssen 189 . Gerade solche Wandlungen hat es jedoch seit dem Jahre 1932, in dem die erwähnte, oftmals für eine weite Bundeszuständigkeit für die Bahn reklamierte Entscheidung des Reichsgerichts zur Frage der Vereinbarkeit des badischen Wasser- und Bauordnungsrechts mit den Eisenbahnvorschriften (Art. 90, 94 WRV, § 37 Abs. 2 RBahnG) 190 erging, in Fülle gegeben191. Man braucht nur daran zu denken, daß es Materien wie den Denkmalschutz oder den Natur- und Landschaftsschutz zur damaligen Zeit nicht gab oder ihnen, und darüber hinaus insbesondere dem gesamten Umweltrecht, im Vergleich zu heute doch eine erheblich mindere Bedeutung zukam. Ganz besonders aber ist wiederum hinsichtlich der Bahn mit der Eisenbahnneuordnung und der Aufteilung in einen Verwaltungs- und einen Dienstleistungsbereich eine ganz neue Rechtslage gegeben. Historische Gesichtspunkte werden hier ganz besonders streng zu prüfen sein. Drittens: Soweit man sich z. B. bezüglich der Reichweite der Gesetzgebungskompetenz für die Bahn auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Eisenbahnkreuzungsgesetz192 beruft, ist zu bedenken, daß das Gericht dort über die Zuständigkeitskonzentration in der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung, also weder über die Reichweite der materiellen Normen noch über die Beachtenspflichten der Bahn als schlichter Normadressat zu entscheiden hatte 193 . Das Urteil kann daher auch nur zur Rechtfertigung der Zuständigkeitskonzentration in der eisfcnbahnrechtlichen Planfeststellung herangezogen werden 194 . Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß das Verhältnis von Reichs Verwaltung und Landesrecht vor 1945 keineswegs so eindeutig und rechtlich geklärt war, wie dies gelegentlich behauptet wird und auch in der Eisenbahnkreuzungsentscheidung195 teilweise anklingt. Wie Blümel umfassend nachgewiesen hat, war im Gegenteil bereits in der Weimarer Republik ständig (und sogar innerhalb der und unter den beteiligten Reichsministerien) streitig, wie weit die Zuständigkeitskonzentration in der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung reichte und ob die Planfeststellungsbehörde an sich landesrechtlich geschützte Belange in die Planfeststellung einstellen durfte und mußte 196 . Das Urteil des Reichsgerichts vom 17. Dezember 1932 brachte hier in erster Linie eine renen Sachzusammenhangs ohne genauere Überprüfung anhand des Grundgesetzes" darstellt (Hervorhebung im Original). Vgl. auch Ossenbühl, Bestand usw., 1980, S. 31 ff. 189 So zu Recht Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (258); Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 201. 190 RG, Beschl. v. 17. Dezember 1932 - V Tgb. 4/32 RGZ 139, S. 136 (145). 191 Diesen Gesichtspunkt betont zu Recht Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 96 ff., 201. 192 BVerfG, Beschl. v. 15. Juli 1969 - 2 BvF 1/64 - , BVerfGE 26, S. 338 (369 ff., 373). 193 Dazu auch Klein, DÖV 1977, S. 194 (197 f.). 194 Dazu im Vierten Teil sub D. II. 2. b. 195 BVerfG, Beschl. v. 15. Juli 1969 - 2 BvF 1/64 - , BVerfGE 26, S. 338 (372 f.). 196 Blümel, Die Bauplanfeststellung I, 1961, insbes. S. 175 ff. 6 Schoenenbroicher
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Entscheidung lediglich bezüglich der Planfeststellung, und auch dies nur für das Verhältnis von eisenbahnrechtlicher Planfeststellung und Landeswasserrecht bzw. Bauordnungsrecht 197. Eine klare begriffliche Trennung zwischen der Rechtslage bei der bahnrechtlichen Planfeststellung und den allgemeinen Beachtenspflichten, außerhalb von Planfeststellungen, hat das Gericht nicht vorgenommen, so daß die Ausführungen bezüglich der allgemeinen Beachtenspflichten auch der anderen Gegenstände bundeseigener Verwaltung kaum heranzuziehen sind. cc) Besondere Beachtung bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit bundesrechtlicher Ausführungsvorschriften erfordert der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz. Generalklauselartige, unbestimmt weite „eximierende" Normen des Bundes, durch die die Bundesverwaltung möglicherweise von der Geltung des allgemeinen Rechts global befreit sein könnte, wird man aus diesem Blickwinkel nicht ohne weiteres akzeptieren können. Erforderlich ist vielmehr eine genaue Prüfung hinsichtlich der Reichweite der „Befreiung" der betreffenden Bundesverwaltung von jedem einzelnen landesrechtlich geschützten Belang. Dieser Gesichtspunkt wird bei der Untersuchung der Reichweite des § 4 AEG (n.F.) oder des § 48 WaStrG, die ihrem Wortlaut nach doch sehr weitgehend formuliert sind, zu beachten sein. d) Es fragt sich, ob noch weitere Kriterien heranzuziehen sind. In Betracht kommen: aa) Gebot der Funktionsnotwendigkeit einer bundesgesetzlichen Regelung Das Gebot der Funktionsnotwendigkeit, das hier vielfach genannt wird, wurde bereits als Gesichtspunkt angesprochen, der im Rahmen der teleologischen Auslegung zu berücksichtigen ist. bb) Die Unterscheidung zwischen fiskalischer und öffentlichrechtlicher Tätigkeit Als weiterer Gesichtspunkt, der für die Abgrenzung Bedeutung gewinnen könne, wird, wie bereits kurz anklang, der Umstand genannt, ob der Bund fiskalisch oder öffentlichrechtlich tätig wird 1 9 8 . Hinsichtlich des in engerem Sinne fiskalischen Handelns (das erwerbswirtschaftliche Handeln, das Finanzvermögen und Beschaffungswesen) erfasse die Gesetzgebungshoheit der Länder vorbehaltlos die Tätigkeit des Bundes. Eine Exemtion vom Landesgesetz wäre inkonsequent und sub specie von Art. 3 GG willkürlich 199 . Diese Ansicht ist allerdings nicht unbestritten. Dagegen wird geltend gemacht, daß die Frage der Gesetzgebungszuständigkeit mit der Rechtsform der Aufgaben197 Vgl. RG, Beschl. v. 17. Dezember 1932 - V Tgb. 4/32 - , RGZ 139, S. 136 (145 ff.). 198 Isensee, in: Isensee / Kirchhof IV, 1990, § 98 Rn. 107; Kölble, DÖV 1962, S. 661 (662 f.). 199 Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 107. Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 30. November 1990 - I C 4.90 - , BVerwGE 87, S. 181 (186 f.): Wasserpolizeilicher Zustandshaftung des Bundes als Gewässereigentümer stehen keine kompetentiellen Bedenken entgegen (insbes. nicht Art. 104 a Abs. 1 GG).
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erfüllung nichts zu tun habe 200 . So führt Brohm aus, das Begriffspaar hoheitlich und fiskalisch könne sinnvoll nur im Verhältnis zum Bürger, nicht aber zur Abgrenzung von Kompetenzbereichen verwendet werden 201 . Der Streit muß nicht entschieden werden, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Umstand, daß die Bundesverwaltung „lediglich" fiskalisch betroffen ist, bei der Prüfung berücksichtigt werden muß, ob eine Bundeszuständigkeit „unerläßlich" ist. Der Gesichtspunkt des fiskalischen Betroffenseins hat folglich im Rahmen der Prüfung der „Unerläßlichkeit" der Bundeszuständigkeit durchaus seine Bedeutung. Dies wird gerade im Hinblick auf die Eisenbahnneuordnung zu berücksichtigen sein 202 . Damit erhellt zugleich auch, daß das Argument, Art. 3 GG sei verletzt, wenn man eine Exemtion bei bloß fiskalischer Betätigung annehme 203 , seine Berechtigung hat: Der Grundrechtsbezug ist stets zu berücksichtigen. Wenn ein öffentliches Interesse als sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Gesetzesbindung entfällt, ist eine gleichwohl stattfindende „Exemtion" der Bundesverwaltung im engeren fiskalischen Bereich gleichheitswidrig. cc) Die Kompetenzabgrenzung nach „Eingriffen" und „neutralen" Maßnahmen Kein taugliches Mittel im Rahmen der Kompetenzabgrenzung ist die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anklingende Unterscheidung nach „Eingriffen" und „neutralen" Maßnahmen204. Einmal ganz davon abgesehen, daß die Unterscheidung kaum an objektiven Kriterien festgemacht werden kann, handelt es sich nicht um ein spezifisch kompetentielles Kriterium. Hier muß aus föderal-kompetentieller Sicht allein gelten: Wenn die Bundeszuständigkeit „unerläßlich" ist, kommen Eingriffe nicht in Betracht; wenn ersteres nicht der Fall ist, dagegen sehr wohl. dd) Die Bundestreue Die Bundestreue als selbständiges Instrument zur Zuweisung von Zuständigkeiten kann nicht anerkannt werden. Gleichwohl ist sie keineswegs bedeutungslos. Sie kommt ins Spiel, wenn die Kompetenzabgrenzung erst einmal vorgenommen ist, als Ausübungsschranke, als Regulativ zur Berücksichtigung und zur Wahrung der Interessen der anderen Seite, als Pflicht zum Miteinander, nicht Gegeneinan-
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Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 40 mit Fn. 104; vgl. auch Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1983, Art. 83 Rn. 83 a. E.; Reigl, DÖV 1967, S. 397 (398). 201 Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 40 Fn. 104. 202 Dieser Gesichtspunkt wird auch bei der weiteren Privatisierung der Post im Auge zu behalten sein. Im Augenblick mag die Verkehrs- (§ 35 Abs. 7 StVO) und immissionsschutzrechtliche (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 SaarlSmogVO) Privilegierung gegenüber privaten Anbietern hinzunehmen sein: BVerwG, Beschl. v. 3. April 1992 - 7 NB 1/92 - , NVwZ-RR 1992, S. 405 f.; OVG NW, Urt. v. 28. Juni 1993 - 13 A 1558/92 - , NWVBL 1994, S. 27 ff. 2 «3 Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 107. 204 Nachweise oben unter II. 1. b. 6*
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
der 2 0 5 . So wird man ihr ganz selbstverständlich die Pflicht der Bundesverwaltung entnehmen können, die Landesverwaltung von Vorhaben in Kenntnis zu setzen, damit die letztere über alle ihren Tätigkeits- und Zuständigkeitsbereich betreffenden Unternehmungen unterrichtet ist. Soweit die Bundesverwaltung die materiellen und formellen Anforderungen des Landesrechts zu beachten hat, ist die Landesverwaltung selbstverständlich gehalten, bei der Entscheidung über eine Genehmigung usw. die Interessen der Bundesverwaltung zu berücksichtigen, wobei dies allerdings keine genuin föderale Angelegenheit ist, sondern derartige Pflichten wohl auch in einem Einheitsstaat zu beachten wären. Wenn man aber so will, kann man, da es im Bundesstaat keine gemeinsame Verwaltungsspitze gibt, auch dies als Ausfluß der Bundestreue bezeichnen206.
4. Folgerungen - Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse am Beispiel praktisch bedeutsamer bundesrechtlicher Ausführungsvorschriften Nachdem die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Abgrenzung der Kompetenzräume geklärt wurden, können die gewonnenen Erkenntnisse an zwei in der Praxis bedeutsamen Vorschriften erläutert werden 207 .
a) § 4 AEG n.F. (§ 38 BBahnG a.F.) Zunächst kann man sich dem Bereich der Eisenbahnen des Bundes zuwenden. Einfachrechtliche Grundlage für eine Freistellung war bis zur Eisenbahnneuordnung § 38 BBahnG, an dessen Stelle jetzt § 4 AEG getreten ist. Nach § 4 Abs. 1 AEG (n.F.) sind die Eisenbahnen verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen und die Eisenbahninfrastruktur, Fahrzeuge und Zubehör sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu halten. Gemäß § 4 Abs. 2 AEG (n.F.) obliegen Baufreigaben, Abnahmen, Prüfungen und Zulassungen nach Maßgabe anderer Gesetze 205 Als Grenze der gesetzgebenden Zuständigkeiten des Bundes, wie jüngst von Lerche, in: Maunz / Dtirig, GG, Stand: 1992, Art. 87 Rn. 106 mit Fn. 227 gefordert, wird man die Bundestreue nicht unbedingt einsetzen müssen, wenn man die Wechselwirkung zwischen Gesetzmäßigkeitsprinzip und Kompetenzabgrenzung bedenkt und die Bundeskompetenzen daher eng definiert. 206 Eine weitere Bedeutung kommt der Bundestreue wohl auch im Planungsbereich zu, vgl. § 5 Abs. 4, § 6 ROG ; die verfassungsrechtlichen Bedenken Blümeis in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 101 Rn. 18 mögen daher nicht unbedingt durchschlagend sein. Zum Thema allg. auch Follmann, Umweltschutzkoordination im Bundesstaat, Diss. Trier 1988, insbes. S. 169 ff. 207 Selbstverständlich können hier nicht sämtliche Konfliktmaterien untersucht werden. Dies verbietet sich angesichts der eingangs beschriebenen vielfältigen Überschneidungskonstellationen von vornherein. Zum Thema Landesverteidigung und Landeshoheit vgl. etwa die Studie von Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988; zur Bedeutung des Naturschutz- und Landschaftspflegerechts für die Bundesverwaltung: Salzwedel, NuR 1984, S. 165 ff.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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und Verordnungen für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes und Schienenfahrzeuge der Eisenbahnen des Bundes dem Eisenbahn-Bundesamt. Den Vorschriften liegt eine unterschiedliche rechtliche Ausgangsposition zugrunde: § 38 BBahnG (a.F.) bezog sich auf die Betriebsanlagen einer Behörde des Bundes, während § 4 AEG (n.F.) zwei Adressaten im Blick hat, nämlich die Deutsche Bahn AG als (privatrechtliche) Eigentümerin der Betriebsanlagen und das Eisenbahn-Bundesamt als aufsichtführende Behörde des Bundes. Das gilt es zu berücksichtigen. Weiter ist zu berücksichtigen, daß der Wortlaut des Kompetenztitels für die Eisenbahnen des Bundes sich geändert hat; nach Art. 73 Nr. 6 a GG hat der Bund die Zuständigkeit für den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege. aa) Geltung materieller landesrechtlicher für die Eisenbahnen des Bundes
Vorschriften
Geht man einmal vom Wortlaut des § 4 AEG (n.F.) aus, so spricht wenig für die Annahme, die Eisenbahnen des Bundes seien zur Beachtung des allgemeinen Landesrechts nicht verpflichtet: In § 4 Abs. 1 AEG (n.F.) werden allgemeine Verhaltens- und Sorgfaltsanforderungen statuiert, die jeden Eigentümer von Liegenschaften treffen 208 ; allenfalls könnte man der Vorschrift entnehmen, daß Anordnungen der Landesbehörden in den Bereich der Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes nicht statthaft sind, wobei aber noch zu klären wäre, wie weit diese Freistellung reichte. § 4 Abs. 2 AEG bezieht sich, ebenso wie seine Vorläufervorschrift in § 38 Satz 2 BBahnG, nach dem Wortlaut allein auf die Zuständigkeit zur Erteilung von Genehmigungen (im weitesten Sinne), also auf das formelle Recht, nicht auf die Pflicht zur Beachtung materiellrechtlicher Regeln. Eine globale Freistellung der Eisenbahnen vom gesamten materiellen Landesrecht läßt sich auch nicht mit dem Hinweis auf historische Gegebenheiten begründen, wie oben bereits dargelegt. Festzuhalten bleibt daher, daß man § 4 AEG (n.F.), wenn überhaupt, dann nur in sehr zurückhaltender Weise eine „Exemtion" vom materiellen Landesrecht entnehmen kann. Am ehesten wird man dies noch für den Bereich des Bauordnungsrechts der Länder bejahen können. Hier ist zunächst zu berücksichtigen, daß Art. 73 Nr. 6 a GG dem Bund nunmehr auch ausdrücklich die Zuständigkeit für den „Bau" der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes zuweist. Unter dem teleologischen Gesichtspunkt ist nicht zu verkennen, daß hinsichtlich der bahnspezifischen Anlagen der größere Sachverstand bei den Verwaltungseinrichtungen der Bahn angesiedelt ist. Dann können diese Stellen auch gleich die technischen Regelwerke aufstellen, die beim Bau solcher Anlagen Verwendung finden 209 . Etwas anderes gilt für die 208 Vgl. Koschella, DÖV 1964, S. 194 ff. 209 Vgl. auch Küchler, DÖV 1977, S. 187 ff.; Mlitzko, DÖV 1964, S. 730 (731).
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
nicht spezifischen Bahnanlagen, also die nicht zu den Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes im Sinne des § 4 Abs. 2 AEG (n.F.) gehörenden sonstigen Anlagen, bezüglich deren im Gegenteil nicht einzusehen ist, weshalb das allgemeine Bauordnungsrecht der Länder keine Anwendung finden soll. Auch dies ist mit dem Wortlaut des neuen Art. 73 Nr. 6 a GG, der nur von dem Bau der Schienenwege spricht, zu vereinbaren. Es erweist sich somit, daß die seit jeher von der Rechtsprechung durchgeführte Unterscheidung von spezifischen Bahnanlagen (Betriebsanlagen) und sonstigen Anlagen hier ihre Berechtigung und ihren Sinn hat 2 1 0 . Diese Überlegung hat denn auch dazu geführt, daß heute zwischen Bund und Ländern unstreitig ist, daß das materielle Bauordnungsrecht für die spezifischen Betriebsanlagen der Bahn nicht gilt, es auf die nicht spezifischen sonstigen Bauten der Bahn dagegen sehr wohl anwendbar ist 2 1 1 . Dementsprechend haben die Länder den Geltungsbereich ihrer Landesbauordnungen zurückgenommen 212. Dagegen werden sich Sachgesichtspunkte, die für eine Exemtion der Bahn vom materiellen Recht des Naturschutzes und der Landschaftspflege der Länder sprechen könnten, kaum aufzeigen lassen. Die Bahn unterliegt den in Ausfüllung des BNatSchG ergangenen landesrechtlichen Vorschriften vielmehr nach der Maßgabe des § 38 BNatSchG, wonach (lediglich) die „Altnutzungen" durch Naturschutz und Landschaftspflege in ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung nicht beeinträchtigt werden dürfen. Entsprechendes gilt für alle weiteren landesrechtlich geordneten Materien mit Bezug zur Aufgabenerfüllung der Bahn: so beispielsweise für das Landeswasserrecht, das Straßen- und Wegerecht, das Landesimmissionsschutzrecht, das Denkmalschutzrecht, das Feiertagsrecht und das Gebührenrecht. Zu diesen Rechtsgebieten haben die Länder detaillierte Regelungen213 erlassen. Es ist nicht einzusehen, weshalb diese materiellen Vorschriften nicht auch für die Bahn maßgeblich sein sollten, wobei auch zu berücksichtigen ist, daß es nach der Eisenbahnneuordnung um Verhaltenspflichten der Deutsche Bahn AG als nunmehr privatrechtlicher Einrichtung geht. Nimmt man etwa den Denkmalschutz, so ist unmittelbar einsichtig, daß die Länder ein Interesse daran haben, Verkehrs- und industriegeschichtlich bedeutsame Bauwerke für die Nachwelt zu erhalten 214 . Dagegen ist, wie das OVG 210
Dagegen kann die alleinige Berufung darauf, es handle sich um Betriebsanlagen, nicht als Begründung für eine „Exemtion" angesehen werden, wie dies aber in der Rechtsprechung mitunter geschieht (BVerwG, Beschl. v. 20. September 1989 - 7 B 135/89 - , NVwZ 1990, S. 563 (564); BayVGH, Urt. v. 14. Juli 1989 - 23 B 87.03012 - , DÖV 1990, S. 157 f.; VG Freiburg, Urt. v. 22. Dezember 1988 - 3 K 1/88 - , NVwZ 1990, S. 594 (595)). Hier schwingen noch überkommene Vorstellungen von einer gebietsbezogenen Exemtion der Bahn mit. Auch die Exemtion der Betriebsanlagen ist, was in den genannten Urteilen durchgehend nicht beachtet wird, aufgaben-, nicht gebietsbezogen rechtfertigungsbedürftig. Dies gilt erst recht nach der Eisenbahnneuordnung. 211 Statt aller: Gädtke /Böckenförde /Temme, LBauO NW, 8. Aufl. 1989, § 1 Rn. 26, 34. 2 2
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Z. B. § 1 Abs. 2 Nr. 1 BauO N W ; § 1 Abs. 2 Nr. 1 BauO BW. Hinsichtlich des Wasserrechts in Ausfüllung des WHG.
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NW zu Recht feststellt, der Betrieb der Bahn offensichtlich unabhängig davon, ob eine Einrichtung ein Denkmal ist, und daß sich vernünftigerweise nicht annehmen läßt, daß die Eisenbahnen des Bundes nicht ohne Berücksichtigung des Denkmalschutzes für Betriebsanlagen geregelt werden könnten 215 . Im übrigen hat die hier vertretene Lösung den Vorteil, daß auch bezüglich dieser Rechtsmaterien jederzeit klar ist, was für die Bahn rechtens ist. Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird nachgewiesen werden, daß die Bahninteressen gleichwohl hinreichend berücksichtigt werden können, daß hinsichtlich des Denkmalschutzes etwa keineswegs die Gefahr besteht, daß die Bahn wegen der Pflichten zur Erhaltung von technisch veralteten Anlagen in die Rolle eines „Museumswärters" gedrängt wird 2 1 6 . In den Polizeigesetzen schließlich sind die allgemeinen Regeln über die Gefahrenabwehr - gleich, aus welcher Sphäre die Gefahr stammt - niedergelegt. Es wäre ebenfalls nicht einzusehen, weshalb die Bahn, auch bezüglich der Betriebsanlagen, daran nicht gebunden sein sollte. Dies meint das Bundesverwaltungsgericht denn auch mit seiner im Forstpolizei-Urteil aufgestellten, im Kern richtigen These von der allgemeinen Gesetzesgebundenheit der Bundesverwaltung 217. Insgesamt läßt sich daher festhalten: § 4 AEG (n.F.) ist so zu verstehen, daß die Bahn nur von dem materiellen Bauordnungsrecht der Länder freigestellt ist, und dies auch nur hinsichtlich ihrer Betriebsanlagen. Im übrigen unterliegt die Bahn den allgemeinen materiellrechtlichen Normen. bb) Geltung formellrechtlicher Vorschriften des Landesrechts; Anordnungsbefugnisse der Landesbehörden Es fragt sich weiter, ob und wie weit die in § 4 Abs. 1 AEG (n.F.) möglicherweise anklingende Freistellung von den Anordnungsbefugnissen der Landesbehörden und die in § 4 Abs. 2 AEG (n.F.) ausgesprochene Freistellung von formellen Anforderungen unter dem kompetentiellen Gesichtspunkt reichen kann. An dieser Stelle geht es (noch) nicht um die mögliche Zuständigkeitsübertragung von den Länderbehörden auf das Eisenbahn-Bundesamt, sondern zunächst einmal überhaupt um die Genehmigungspflichtigkeit der Deutsche Bahn AG. Die Frage, welche Behörde die Genehmigungen usw. zu erteilen hat, wird im Vierten Teil behandelt. Bauordnungsrechtlich ist die Rechtslage klar: Da das materielle Recht nicht gilt, können die formellen Vorschriften auch nicht gelten und haben die Landesbehör214 Zu der denkmalschutzrechtlichen Bedeutung von Betriebsanlagen der Bahn: Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 6 ff. 215 OVG NW, Urt. v. 15. Dezember 1983 - I I A 1949/83 - , DÖV 1984, S. 475; a. A. Stähler, Denkmalbegriff, denkmalschutzrelevante Satzungen und Denkmalschutz bei Bundesbehörden, Diss. Münster 1985, S. 169 ff., aber nicht zutreffend, weil den historischen Gesichtspunkt verabsolutierend und zudem die Beachtenspflicht als schlichter Normadressat mit der Zuständigkeitskonzentration in der Planfeststellung verwechselnd. 216 S. u. im Fünften Teil sub B. III. 2. 217 BVerwG, Urt. v. 16. Januar 1968 - 1 A 1.67 - , BVerwGE 29, S. 52 (58).
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
den keine Anordnungsbefugnisse. Um diesen Tatbestand auch für die Landesbehörden deutlich herauszustellen, enthalten die Landesbauordnungen durchweg eine Bestimmung, wonach bei öffentlichen Bauherren von dem Genehmigungserfordernis abgesehen wird 2 1 8 . Eine Befreiung von den formellen Anforderungen des Landeswasserrechts kommt, auch bezüglich der planfeststellungsbedürftigen Betriebsanlagen der Bahn, soweit nicht ein Planfeststellungsvorhaben durchgefühlt wird, nicht in Betracht 219 . Daß dies auch der Bundesgesetzgeber so sieht, ergibt sich schon daraus, daß er im WHG ausdrücklich und, so ist zu folgern, abschließend vorgesehen hat, in welchen Fällen eine erlaubnisfreie Benutzung vorliegt (§ 17 a WHG: insbesondere bei Übungen für Zwecke der Verteidigung). Im Gegenschluß bedeutet dies, daß die Bahn von den formellen Anforderungen des Landesrechts nicht freigestellt ist, soweit das Eisenbahn-Bundesamt nicht ein Planfeststellungsverfahren durchführt. In dem letzteren Fall ergibt sich aus der Konzentrationswirkung der Planfeststellung und § 14 W H G 2 2 0 , daß die Zuständigkeit insoweit übergeht; daß dies verfassungsgemäß ist, wird hier einmal vorausgesetzt. Folgt somit bereits aus den feinziselierten Regelungen im WHG eindeutig, daß die Bahn bei wasserrechtlich bedeutsamen Vorhaben die erforderlichen Bewilligungen usw. einholen muß, so kommt man bei einer teleologischen Betrachtungsweise zu dem gleichen Ergebnis. Angesichts der Größe der von der Bahn in Anspruch genommenen Flächen 221 könnte es nicht hingenommen werden, daß die Bahn wasserrechtlich relevante Tatbestände verwirklicht, ohne daß die zuständigen Fachbehörden der Länder die Möglichkeit haben sollten, hierauf Einfluß zu nehmen. Dem kann auch nicht entgegenhalten werden, es sei praktisch unmöglich oder doch mit wesentlichen Schwierigkeiten verbunden, daß die Bahn bezüglich jeden Streckenabschnitts bei der zuständigen Behörde um die erforderliche Bewilligung usw. einkäme. Es könnten insoweit in Abstimmung zwischen dem Eisenbahn-Bundesamt und den obersten Wasserbehörden Richtlinien erarbeitet werden, die eine einheitliche Bewilligungspraxis sicherstellten 222. Was für die Genehmigungserfordernisse gilt, muß in 218 Vgl. § 75 BauO NW. Diese Vorschriften sind auch verfassungsgemäß, soweit sie Anzeigepflichten usw. vorsehen. Derartige Pflichten rechtfertigen sich, wie oben dargelegt, aus dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens. In den landesrechtlichen Vorschriften ist darum nur deklaratorisch die Verfassungsrechtslage wiedergegeben. 219 Wie hier Bickel, Kommentar zum Hessischen Wassergesetz, 1987, § 25 Rn. 7; Gieseke / Wiedemann / Czy chow ski, WHG, 6. Aufl. 1992, § 19 Rn. 63; anders, aber verfehlt, weil die Rolle als schlichter Normadressat mit der Planfeststellungsbefugnis gleichsetzend: BayVGH, Urt. v. 25. Oktober 1966 - Nr. 132 VIII65 - , BayVBl. 1967, S. 170 f. 22 0 Zur Bedeutung dieser Vorschrift vgl. hier nur Ossenbühl, DVB1. 1991, S. 833 (837 f.); Steinberg, Das Nachbarrecht der öffentlichen Anlagen, 1988, Rn. III 97; Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (430). 221
Vgl. allein die Angaben für den Bereich der Deutschen Bundesbahn vor der Wiedervereinigung bei Kunz, vr 1985, S. 337 (339). 222 Zu einem derartigen Vorgehen im Rahmen von § 19 Abs. 2 WHG: Gieseke / Wiedemann / Czy chowski, WHG, 6. Aufl. 1992, § 19 Rn. 63.
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kompetentieller Hinsicht im übrigen auch für die Anordnungsbefugnisse der Landesbehörden z.B. nach § 21 WHG gelten 223 . Weiterhin kann § 4 Abs. 2 AEG nicht so ausgelegt werden, daß die Bahn von den formellen Anforderungen des Denkmalschutzrechts freigestellt ist. Die Bahn hat insbesondere die Eintragung in die Denkmalliste hinzunehmen, auch soweit es planfestgestellte Betriebsanlagen betrifft 224 . Davon wiederum zu unterscheiden ist die Rechtslage bei der Veränderung eines unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes bei der Planfeststellung 225. Eine Situation wie bei dem Plenarsaal-Abriß kann daher im Bahnbereich gar nicht eintreten. Jede wesentliche bauliche Veränderung, die eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung erfordern würde, ist grundsätzlich im Wege eines Planfeststellungsverfahrens durchzuführen 226. Dieses verdrängt das an sich erforderliche denkmalschutzrechtliche Genehmigungsverfahren 227. Dieses schöne Zusammenspiel von der Planfeststellung auf der einen und der Bindung an die formellen Erfordernisse außerhalb der Planfeststellung auf der anderen Seite 228 haben das Preußische Oberverwaltungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht in den Brückenwerbungs-Fällen, bezüglich des Bauordnungsrechts, richtig erkannt 229 ; es ist auch hier zu beachten. Daß damit den Bahninteressen in genügender Weise Rechnung getragen wird, wird noch gezeigt 230 . Gleiches gilt weiterhin auch für die formellen Anforderungen des Natur- und Landschaftsrechts der Länder 231 . Schließlich ist auch kein bundesstaatlich-kompetentieller Grund ersichtlich, der für die Freistellung der Bahn von den Anordnungsbefugnissen nach den Vorschriften des allgemeinen Polizeirechts streiten könnte. Hier ist im Gegenteil darauf hinzuweisen, daß gerade auch aus dem Bereich von Bundesbehörden Gefahren für die allgemeine Sicherheit (und Ordnung) entstehen können. Es ist aus bundesstaatlichen Gründen nicht einzusehen, weshalb die zuständigen Polizeibehörden die Anordnungsbefugnisse zur Gefahrenabwehr nicht haben sollen. Das Recht und die Pflicht der Bahn zur Planfeststellung wird man kaum als Gegenargument vorbringen können: Falls von einer Bahnanlage tatsächlich ein die Allgemeinheit gefährdender Zustand ausgeht, hat die Bahn selbstverständlich sofort für Abhilfe zu sor223 Vgl. Gieseke / Wiedemann / Czychowski, WHG, 6. Aufl. 1992, § 21 Rn. 52. Ob sich aus weiteren allgemein-organisationsrechtlichen Überlegungen eine Einschränkung der Anordnungsbefugnis ergibt, wird zu prüfen sein, s. im Sechsten Teil sub A. III. 2. 224 Zutr. OVG NW, Urt. v. 15. Dezember 1983 - I I A 1949/83 - , DÖV 1984, S. 475 f. 225 Zur Verfassungsmäßigkeit s. u. im Vierten Teil sub D. II. 2. 226 Vgl. auch zu den hier nicht interessierenden Ausnahmen § 18 AEG (n.F.). 227 Vgl. im Vierten Teil sub D. II. 2. 228 Vgl. auch Klein, DÖV 1977, S. 194 ff. 229 PrOVG, Urt. v. 6. Oktober 1932 - IV. C. 78/32 - , OVGE 90, S. 400 ff.; BVerwG, Urt. v. 29. August 1961 - 1 C 167/59 NJW 1962, S. 552 (554). 230 s. im Vierten Teil sub D. II. 2.; im Fünften Teil unter B. III. 2. 231 Vgl. auch Salzwedel, NuR 1984, S. 165 (172).
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
gen, ohne zuvor ein langwieriges Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Ob sich aus allgemein-organisationsrechtlichen Überlegungen Einschränkungen der Anordnungsbefugnisse ergeben, wird zu prüfen sein 232 . b) § 48 WaStrG Die Vorschrift hat den gleichen Gehalt wie § 4 AEG (n.F.). Es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die dafür sprechen könnten, die Bundeswasserstraßenverwaltung anders zu behandeln als die Bahn. Daher gelten die Ausführungen dazu auch hier. 5. Ergebnis Ob die Bundes- oder Landeszuständigkeit zur Regelung einer bestimmten Tätigkeit der Bundesverwaltung, die mit dem Landesrecht in Berührung kommt, gegeben ist, ist allein nach den herkömmlichen Mitteln der Verfassungsauslegung zu ermitteln. Eines Rückgriffs auf die Bundestreue oder einer Abwägung der kollidierenden öffentlichen Belange bedarf es nicht. Wegen der Vorrangigkeit der Auslegung ist es darum methodisch unzulässig, der Bundestreue kompetenzzuweisende Funktion zuzuerkennen; die Abwägung der konfligierenden öffentlichen Belange auf der Kompetenzebene ist ebenfalls nicht statthaft. Bei der Auslegung „eximierender" bundesrechtlicher Vorschriften kommt dem teleologischen Kriterium besondere Bedeutung zu; historische Gesichtspunkte sind nur eingeschränkt und mit Vorsicht heranzuziehen. Die Bundesverwaltung hat das materielle und formelle Landesrecht danach zu beachten, wenn dies nicht zu einer mit ihren gesetzlichen Aufgaben unvereinbaren Funktionsbeeinträchtigung führt. Ausnahmen können daneben anzuerkennen sein, wenn die Bundesverwaltung seit jeher aufgrund eigener Regelwerke tätig wird bzw. der größere Sachverstand eindeutig bei ihr liegt. Eine verfassungsgerechte Auslegung der §§4 AEG (n.F.), 48 WaStrG ergibt, daß Bahn und Bundeswasserstraßenverwaltung lediglich von den Anforderungen der Landesbauordnungen befreit sind.
IV. Bindung der Bundesverwaltung an das Landesrecht bei Nichtvorliegen einer speziellen bundesgesetzlichen Ausführungsregelung (scheinbarer kompetentieller Konfliktfall) Wir können uns nun der zweiten Fallgruppe zuwenden: Ein spezielles Gesetz, das die Art und Weise der Aufgabenerfüllung der Bundesverwaltung abweichend vom Landesrecht regelt, ist nicht vorhanden, und das Landesgesetz, dessen Beachtung die Landesverwaltung einfordert, nimmt seinen Geltungsanspruch insoweit auch nicht zurück. 232 s. im Sechsten Teil unter A. III.
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1. Vorüberlegung Ausgangspunkt der Überlegungen ist, daß in den einschlägigen Streitfällen ein Landesgesetz regelt, was für diejenigen (Private wie Hoheitsträger) rechtens ist, die eine bestimmte Tätigkeit verrichten wollen. Ob Baudenkmäler - also auch das Bundestagsgebäude - abgerissen werden dürfen, ist in dem Landesdenkmalschutzgesetz geregelt 233 . Das Landesrecht sieht ebenfalls vor, in welchen Fällen eine Straßennutzung sondererlaubnispflichtig i s t 2 3 4 usw. Damit ist eine erste legislative Entscheidung getroffen. Dagegen hat der Bundesgesetzgeber in vielen Bereichen keine Vorschriften erlassen, die davon abweichend besondere Regeln für die Bundesverwaltung aufstellen. In dem Langeoog-Fall 235 etwa gibt es kein Bundesgesetz, in dem festgelegt wäre, daß für den Betrieb von Postfahrzeugen auf Landesstraßen eine Sondernutzungserlaubnis nicht erforderlich ist 2 3 6 . Daß es mit der Beachtenspflicht der Bundesverwaltung sein Bewenden haben und eine weitere Kompetenzabgrenzung unmittelbar aus der Verfassung unterbleiben sollte, liegt nahe, wenn man sich das Zusammenspiel der Gesetzgeber des Bundes und der Länder vergegenwärtigt: Der Landesgesetzgeber hat mit dem Erlaß des von allen Beachtung einfordernden Gesetzes eine erste legislatorische Entscheidung getroffen, die man in Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG für grundsätzlich verbindlich auch für die Bundesverwaltung halten muß. Es ist klar, was nun für diese rechtens ist. Will sich der Bund damit nicht abfinden, so wird man fordern können, daß die legislatorische Entscheidung des Landes nur durch eine solche des Bundes überboten werden darf. So zwingt man den Bund dazu, sich darüber klar zu werden, wie weit die Aufgabenerfüllung der Bundesverwaltung überhaupt in den landesrechtlich geschützten Bereich hineinreichen soll und darf. Einen derartigen Gesetzesvorbehalt zu postulieren, rechtfertigt sich aus mehreren Gründen: In föderaler Hinsicht wird so das Verhältnis von Bundes- und Landesverwaltung auf eine sichere gesetzliche Grundlage gestellt. Unabhängig von diesem bundesstaatlichen Aspekt ist desweiteren auch in allgemein-organisationsrechtlicher Hinsicht klar, ob und inwieweit die allgemeine Behörde von der Bundesverwaltung die Beachtung eines fachfremden allgemeinen Gesetzes verlangen kann. Schließlich sind auch grundrechtliche Aspekte im Spiel. Gerade in Hinblick auf die bereits durchgeführten und die weiter anstehenden Privatisierungsvorhaben bei Bahn und Post wird man es für unerläßlich ansehen müssen, daß Geltungseinschränkungen - und damit auch potentielle Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten - ausdrücklich normiert sind. 233
Vgl. zu den erlaubnispflichtigen Maßnahmen etwa § 9 DSchG NW. 234 Vgl. etwa §§ 6, 14, 18 StrWG NW. 23
5 BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - 7 C 65.88 - , BVerwGE 82, S. 266 ff.
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Vgl. aber früher §§ 16, 17 Gesetz über das Postwesen des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871, RGBl. 1871, S. 346 (351), die man nach heutigem Verständnis u. U. als Befreiung von wegerechtlichen Vorschriften ansehen könnte.
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
In der Lehre wird einem ersten gesetzgeberischen Tätigwerden der Länder in vergleichbaren Sachverhalten ebenfalls durchaus Bedeutung zugemessen. So spricht sich Isensee dafür aus, falls die Länder auf dem Gebiet der konkurrierenden Zuständigkeit Vorschriften erlassen hätten, Art. 72 Abs. 2 GG so zu verstehen, daß eine nachfolgende bundesgesetzliche Regelung zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit nur erlaubt sei, wenn der Bund eine bessere und wirksamere Regelung anbiete 237 . Wenn der Subsidiaritätsentscheidung des Art. 72 Abs. 2 GG überhaupt noch ein Spurenelement von Normativität innewohnen solle, müsse sich hier der Vorrang der Länder auswirken und im Zweifel für sie entschieden werden, da sie bereits gehandelt hätten 238 . Dieser Gedanke läßt sich auf den vorliegenden Zusammenhang übertragen. Auch hier haben die Länder bereits gehandelt, auch hier bietet es sich an, die legislative Festlegung als Ausgangspunkt für die Verbindlichkeit zu nehmen. Widerstand gegen unseren Ansatzpunkt könnte sich nur mit Blick auf Art. 71 GG formieren, nach dem im Bereich der hier hauptsächlich betroffenen ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur haben, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden. Daraus könnte man folgern, daß in jedem einzelnen Streitfall, unabhängig von dem Vorliegen einer „eximierenden" bundesrechtlichen Regelung, geklärt werden müsse, ob eine Bundeszuständigkeit gegeben ist. Ob Art. 71 GG tatsächlich eine derartige Sperrwirkung entfaltet, wird zu prüfen sein. Zuvor ist allerdings noch auf Ansichten einzugehen, die das Problem, was kompetentiell zu gelten hat, wenn eine direkte bundesrechtliche Regelung fehlt, auf andere Weise als hier vorgeschlagen lösen wollen.
2. Nichterlaß eines Bundesgesetzes als „Indiz" für die fehlende Unerläßlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung? Zum Teil wird die Auffassung vertreten, die Tatsache, daß eine spezielle bundesgesetzliche Ausführungsregelung nicht vorliege, stelle ein „Indiz" dafür dar, daß die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nicht gegeben sei 2 3 9 . Auf den ersten Blick scheint dies überzeugend. Es erscheint naheliegend, die Entscheidung von der Einschätzung des Bundesgesetzgebers selbst abhängig zu machen: Falls dieser keine Regelung erlassen hat, sollte man mit Recht davon ausgehen können, daß eine Zuständigkeit des Bundes auch nicht gegeben ist. Ein verfassungsdogmatisches Bedenken ergibt sich jedoch bereits daraus, daß man die konkrete Reichweite der Gesetzgebungszuständigkeiten weitgehend vom 237
Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968, S. 236. Isensee (Fn. zuvor). 239 Vgl. die Überlegungen bei Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 197 f. 238
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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Willen des Bundesgesetzgebers abhängig machen würde. Dadurch würde ein Moment der subjektiven Beliebigkeit in die Verfassungsauslegung hineingebracht, das dort seinen Platz nicht haben sollte. Die Zuweisung von Zuständigkeiten darf nur von objektiven Kriterien, nicht von der subjektiven Einschätzung und dem Willen beteiligter Verfassungsorgane abhängig sein. Genau dies aber wäre der Fall, würde man dem gesetzgeberischen Handeln oder Nichthandeln des Bundes die beschriebene Indizwirkung beilegen. Konsequent zu Ende gedacht, könnte der einfache Bundesgesetzgeber über seine Kompetenz durch Nichthandeln verfügen. Dies würde dem Grundsatz der Unverfügbarkeit der Kompetenzen240 widersprechen. Das „Indiz"-Kriterium ist bereits deshalb zurückzuweisen. Ein weiterer Einwand gesellt sich hinzu. Der Bundesgesetzgeber kann aus den verschiedensten Gründen gesetzgeberisch untätig geblieben sein, obwohl nach objektiver verfassungsrechtlicher Sachlage eine Kompetenz an sich gegeben wäre: Der Nichterlaß kann auf politischen Gründen beruhen; auf der Einschätzung, daß die Vorschrift, weil bloß deklaratorisch, schlicht überflüssig sei; oder einfach darauf, daß, wie in dem Langeoog-Fall 241 , in der Rechtspraxis ein konkretes Problem auftritt, an das man bisher noch nicht gedacht hatte. Nach der Ansicht, die mit dem „Indiz"-Kriterium arbeiten will, wäre dem Bundesgesetzgeber für alle Zeiten die Kompetenz entzogen, wenn er nicht frühzeitig eine einfachrechtliche Vorschrift erlassen hat. Es ist jedoch weder verfassungsdogmatisch noch praktisch einzusehen, weshalb der Bund eine an sich ihm zustehende Kompetenz nicht soll ausüben können, nur weil er sie bisher - aus welchen Gründen auch immer - nicht in Anspruch genommen hat. So würde in nicht hinzunehmender Weise die Kompetenzlage zu Lasten des Bundes „zementiert". Auch deshalb ist dieser Ansicht nicht zu folgen.
3. Doppelzuständigkeiten
von Bund und Ländern?
Man könnte erwägen, im Schnittbereich von Bundes- und Landeszuständigkeit Doppelkompetenzen von Bund und Ländern anzunehmen. So könnte man die Frage der landesrechtlichen Sondernutzungserlaubnispflicht für Postfahrzeuge als Kompetenzthema des Bundes wie des Landes auffassen: als zur Kompetenz des Bundes gehörend, weil die Organisation etwa der Postzustellung und des Baus und der Unterhaltung von Fernmeldeeinrichtungen betroffen ist, zur Landeszuständigkeit zählend, weil das Landeswegerecht betroffen ist. Hielte man derartige Doppelkompetenzen für zulässig, so wären Bund und Land gleichermaßen zur Regelung befugt. Falls beide legislatorisch tätig würden, wäre der Konflikt nach Art. 31 G G 2 4 2 zu entscheiden: das Bundesgesetz würde sich gegenüber dem Landesgesetz 240 Vgl. hier nur Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 106; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1983, Art. 83 Rn. 86. 241 BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1 9 8 9 - I C 65.88-,BVerwGE 82, S. 266ff. 242 Zur Bedeutung des Art. 31 GG bei Kompetenzkonflikten: Pietzcker, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 99 Rn. 26 ff. Zur Herkunft des Satzes
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
durchsetzen. Da z.B. in dem Langeoog-Fall ein Bundesgesetz, das die wegerechtlichen Befugnisse der Post auf Landesstraßen regelt, nicht vorhanden war, käme das Landeswegegesetz zur Anwendung mit der Folge, daß die Interessen der Post in dem Sondernutzungserteilungsverfahren zu berücksichtigen wären. Nun ist die Frage, ob Doppelkompetenzen mit der grundgesetzlichen Kompetenzordnung (Art. 30 GG) überhaupt vereinbar sind, umstritten 243 . Dafür hat sich vor allem Pestalozza ausgesprochen 244. Er unterscheidet zwischen „allgemeinem Recht" und „Sonderrecht". Ein Gesetz sei nur derjenigen Materie zuzuordnen, die es sonderrechtlich regele; eine Materie, die von einem Gesetz nicht in ihrer Besonderheit, sondern gerade ohne Rücksicht darauf getroffen werde, für die sich die Regelung also als allgemeines, insoweit „für alle" geltendes Recht darstelle, gebe für die kompetenzrechtliche Qualifikation keinen Ausschlag. Dieser „Sonderrechtstest" sei auch anzuwenden, wenn Landesgesetze Bundesmaterien lediglich „allgemein" berührten und Sonderrecht allein für die ihnen vorbehaltenen Bereiche setzten. Doppelkompetenzen seien nur im Bereich des Sonderrechts möglich. Hierbei gelangt Pestalozza zu der Auffassung, daß für das Verhältnis von Bundesverwaltung und Landesrecht regelmäßig nicht von Doppelkompetenzen auszugehen ist. Den allgemeinen Landesgesetzen könne sich der Bund nicht mit dem Hinweis auf die fehlende Gesetzgebungszuständigkeit der Länder entziehen. So werde die polizeirechtliche Qualifikation eines Gesetzes oder seine Einordnung in die Landessteuerkompetenz durch wirtschaftliche Reflexe nicht in Frage gestellt, nicht die Zuordnung einer Vorschrift zum Landesbaurecht, weil sie auch Verteidigungsbauten des Bundes erfasse, nicht das Landesverwaltungsgebührenrecht, das u.U. auch Bundesbahn und -post treffe 245 . Da somit in der dogmatisch wohl gründlichsten Untersuchung über die Möglichkeit von Doppelzuständigkeiten eine Doppelzuständigkeit für den hiesigen Zusammenhang abgelehnt wird, stellt es sich nicht als erforderlich dar, zu entscheiden, ob nach dem grundgesetzlichen Kompetenzverteilungssystem Doppelzuständigkeiten überhaupt zulässig sein können. Die
„Reichsrecht bricht Landesrecht" (Art. 13 Abs. 1 WRV), der ursprünglich für das Verhältnis des lokalen und territorialen zum gemeinen Recht galt: Schmitt, Verfassungslehre, 5. Aufl. 1970, S. 381. 243 _ Doppelkompetenzen sind ausgeschlossen, weil die Kompetenzverteilung im Grundgesetz ausschließlich auf Bund oder Länder lückenlos ist, tertium non datur: BVerfGE 36, S. 193 (202 f.); 61, S. 149 (204); Brohm, DÖV 1983, S. 525 (527); Heintzen, NJW 1990, S. 1448 (1449); März, Bundesrecht bricht Landesrecht, 1989, S. 131 ff.; v. Münch, in: v. Münch, GG III, 2. Aufl. 1983, Art. 70 Rn. 7 b ; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland I, 2. Aufl. 1984, § 19 III 3 a (S. 676). - Doppelkompetenzen sind in bestimmten Ausnahmefällen möglich: insbes. Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 ff.; ferner Bothe, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 30 Rn. 27 und Art. 70 Rn. 21; Lerche, JZ 1972, S. 468 (471); Pietzcker, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 99 Rn. 30 f.; Scholz, FG BVerfG II, 1976, S. 252 (256). 244 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 ff. 245 Pestalozza, aaO, SM 86 f.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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umstrittene Figur der Doppelkompetenzen spielt somit in vorliegendem Zusammenhang keine Rolle.
4. Zuständigkeit der Länder im Regelfall aus einer (Verfassungs-)Analogie zu Art. 74 Nr. 14 GG Einen bemerkenswerten Vorschlag zur Lösung macht Bullinger 246 . Er führt aus, in bezug auf die Kompetenz zur Spezialregelung etwa hinsichtlich der Bundesbahn müßten die Maßstäbe für das Überwiegen des Sachzusammenhangs, insbesondere die größere Sachnähe und der Gesichtspunkt des Schutzes der Landeskompetenzen, intensiver geprüft und in höherem Maße bedacht werden. Es könne sich als erforderlich erweisen, den Gesichtspunkt der Notwendigkeit des Sachzusammenhangs besonders zu akzentuieren, gerade für Bundeskompetenzen. Eine ausschließliche Bundeskompetenz wie die für die Bundeseisenbahnen, das Post- und Fernmeldewesen oder die Verteidigung möge unter diesen Aspekten kraft Sachzusammenhangs zwar die Befugnis zur Spezialregelung im Bereich des sonst den Ländern vorbehaltenen Rechts wie des Naturschutz- oder Wegerechts geben, soweit es für die zweckentsprechende Durchführung der Kompetenz notwendig sei, aber nicht als Teil der ausschließlichen, sondern als lediglich konkurrierende Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs. Zugunsten der Länder sei eine Analogie zu Art. 74 Nr. 14 GG zu erwägen, nach dem die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Enteignung auch dann nur konkurrierend sei, wenn die Enteignung auf einem Sachgebiet der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes erforderlich werde. Dies hätte zur Folge, daß die Länder, solange Spezialregelungen des Bundes fehlten, ihre allgemein geltenden Vorschriften auch auf die Anlagen der Bundesbahn, der Bundespost und der Verteidigung beziehen und anwenden könnten. Der Vorschlag von Bullinger stimmt mit unserer oben aufgestellten These, daß das Landesrecht verbindlich ist, solange der Bund kein eximierendes Gesetz erläßt, überein. Sollte er sich als zutreffend erweisen, hätten wir mit der analogen Anwendung des Art. 74 Nr. 14 GG eine verfassungsdogmatische Rechtfertigung gefunden.
a) Die Bedeutung des Art. 74 Nr. 14 GG Nach Art. 74 Nr. 14 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auf das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt. Das gesetzestechnisch Interessante an der Vorschrift ist, daß die Kompetenz des Bundes auch dann eine nur konkurrierende ist, wenn der Bund auf dem Gebiet der eigentlichen Hauptmaterie die ausschließliche Zu246 Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (265 f.).
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
ständigkeit besitzt. Dies bedeutet, daß das Enteignungsrecht eines Landes auch dann anwendbar ist, wenn es sich um eine Enteignung etwa zugunsten der Bahn handelt, sofern und solange kein entsprechendes (spezielles) Enteignungsgesetz des Bundes vorliegt. Der Bund hat es damit hinsichtlich der Rechtsnormen, die bei einer Enteignung Anwendung finden, in der Hand, ob er Sonderregeln für Zweige der Bundesverwaltung aufstellt. Zugleich wird durch Art. 74 Nr. 14 GG der Anwendungsbereich des Art. 71 GG eingeschränkt. Entgegen der Anordnung in dieser Vorschrift ist dem Landesgesetzgeber für einen begrenzten Bereich die Rechtsetzung in Materien der ausschließlichen Bundeszuständigkeit (Art. 73 GG) nicht verwehrt. Dem läßt sich entnehmen, daß der Verfassunggeber selbst die Regel, die Art. 71 GG aufstellt, nicht ausnahmslos vorgegeben hat. Vielmehr wird erkennbar, daß der Verfassunggeber durchaus Sachverhalte anerkannt hat, in denen von Art. 71 GG abgewichen werden kann.
b) Voraussetzungen der Analogie aa) Bereits Triepel 247 hat die Bildung von Analogien im Rahmen der Kompetenzbestimmungen für statthaft gehalten. Er wollte die Analogie an die Stelle des Begriffs der Natur der Sache setzen, um sicherzustellen, daß auch die lückenfüllende Interpretation der Kompetenzkataloge eng an die expressis verbis verzeichneten Zuständigkeiten und damit an die Grundgedanken der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung gebunden bleibe 248 . Auch das Bundesverfassungsgericht hat in einigen Entscheidungen eine Gesetzgebungszuständigkeit „in Analogie" zu geschriebenen Kompetenznormen bejaht. So hat es die Gesetzgebungszuständigkeit für Volksbefragungen „in Analogie" zu der Kompetenzverteilung für Statistik und Enteignung (Art. 73 Nr. 11, Art. 74 Nr. 14 GG) beurteilt und Bund und Ländern jeweils als Annex zu ihren Hauptkompetenzen zugesprochen 249. In der Literatur hat sich eingehend Bullinger mit dem Problem des Analogieschlusses im Rahmen der Kompetenzbestimmungen befaßt und diesen grundsätzlich für zulässig gehalten 2 5 0 . Auch Lerche erkennt hinsichtlich der Auslegung der Kompetenzvorschriften an, daß es zwingende Analogien geben kann 2 5 1 . Die analoge Heranziehung einer Kompetenznorm zu der Lösung einer anderen, ausdrücklich nicht geregelten Problematik im Bereich der grundgesetzlichen Kompetenzbestimmungen ist dementsprechend für zulässig zu halten. Der Analogie247 Triepel, FG Laband II, 1908, S. 249 (324 f.). 248 Vgl. zu diesem Ansatz bei Triepel auch Bullinger, Die Mineralölfernleitungen, 1962, S. 76. 249 BVerfG, Beschl. v. 29. April 1958 - 2 BvO 3/56 - , BVerfGE 8, S. 104 (118 f.); weit. Beispiele bei Bullinger, Die Mineralölfernleitungen, 1962, S. 76 f. 250 Bullinger, Die Mineralölfernleitungen, 1962, S. 76 f. 251 Lerche, FS Dürig, 1990, S. 401 (409 m. Fn. 36): Rückführbarkeit der §§ 59 BImSchG, 24 Abs. 3 AtomG auf Art. 87 b Abs. 2 GG im Wege der Analogie.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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Schluß ist eine in der juristischen Methodenlehre allgemein anerkannte Art der Rechtsfindung 252. Gegen die Anwendbarkeit im Bereich der Kompetenznormen sprechende Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil, es ist auch hier keineswegs ausgeschlossen, daß sich eine Lücke auftut, die durch die analoge Anwendung einer anderen Norm zu schließen ist. bb) Es fragt sich, ob die weiteren Voraussetzungen der Gesetzesanalogie253 vorliegen. Es dürften keine Zweifel daran bestehen, daß die Sachlage, die Art. 74 Nr. 14 GG regelt, mit der vorliegenden Problematik vergleichbar ist. In Art. 74 Nr. 14 GG ist angeordnet, daß der Bund bezüglich eines bestimmten Teilbereichs einer Materie, für die er an sich die ausschließliche Zuständigkeit hat, zwar zuständig ist, aber bis zu dem Erlaß eines entsprechenden Gesetzes das Landesrecht verbindlich ist. Eine entsprechende Rechtsfolge bietet sich hier an. Es erscheint sinnvoll, die Bundesverwaltung in dem Überschneidungsbereich von Bundes- und Landeszuständigkeit an das allgemein geltende Landesrecht zu binden, falls der Bund - in Ausübung seiner Gesetzgebungsbefugnis etwa aus Art. 73 Nr. 7 GG - kein spezielles Gesetz erlassen hat, daß das Handeln der Bundesverwaltung, abweichend vom Landesrecht, regelt. Man gelangte auch insoweit zu einer sektoral begrenzten konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes: Die Bindung besteht, die Bundesverwaltung hat das Landesgesetz zu beachten, bis der Bundesgesetzgeber ein spezielles abweichendes Bundesgesetz erläßt und die Bundesverwaltung so einem anderen Rechtsregime unterstellt. Ob eine Lücke im Grundgesetz, eine planwidrige Unvollständigkeit, vorliegt, könnte dagegen zweifelhaft sein, weil in Art. 71 GG angeordnet ist, daß im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur haben, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt sind. Da eine solche ausdrückliche Ermächtigung nicht vorliegt und eine sonstige geschriebene Ausnahme von Art. 71 GG ebenfalls nicht gegeben ist, könnte man der Ansicht sein, daß ein Analogieschluß nicht gerechtfertigt ist 2 5 4 . Eine Lücke ist dementgegen jedoch sehr wohl gegeben. Denn Art. 71 GG ist in Wirklichkeit hier gar nicht anwendbar. Der Verfassunggeber hatte bei Erlaß der Vorschrift ein ganz anderes Regelungsfeld als die Gesetzesbindung der Bundesbehörden im Auge. Das ist evident, wenn man sich den sachlichen Gehalt von Art. 71 GG als für die bundesstaatliche Kompetenzverteilung und die Kompetenzausübung grundlegende Vorschrift vergegenwärtigt. Der Verfassunggeber definiert darin den Begriff der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes. Soweit das
252 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 381 ff. 253 Vgl. Larenz (Fn. zuvor). 254 So wohl Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (179); wohl auch Klein, DÖV 1977, S. 194 (196), beide allerdings ohne weitere vertiefte Erörterung des Problems. 7 Schoenenbroicher
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
Grundgesetz dem Bund eine solche ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit verleiht, sind Landesgesetze unzulässig und nichtig 255 . Regelungsgehalt des Art. 71 GG ist mithin, dem Bund die Zuständigkeiten umfassend zu sichern, die ihm der Verfassunggeber zugewiesen hat. Die Länder sollen weder gesetzgebend noch in sonstiger Weise in die ausschließliche Rechtsetzungsbefugnis des Bundes eingreifen dürfen. Dieser Regelungsgehalt wird nicht verletzt, wenn man annimmt, daß das Landesrecht für die Bundesverwaltung stets verbindlich ist, wenn der Bund kein abweichendes Gesetz erlassen hat. Eine durch Art. 71 GG verbotene Ingerenz liegt in diesem Fall nicht vor, denn in die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes wird nicht eingegriffen. Die Länder maßen sich keine dem Bund zustehenden Gesetzgebungsbefugnisse an. Sie setzen nicht dort Recht, wo allein der Bund dies dürfte, sondern sie fordern lediglich die Beachtung ihres allgemeinen Rechts auch von der Verwaltung des Bundes. Wenn die Landesbehörde somit die Beachtung des allgemeinen Wegerechts auch von einer Bundesbehörde einfordert, so bedeutet dies nicht, daß das Land damit Recht auf dem Feld der potentiellen Bundeszuständigkeit setzt. Es handelt sich weder um einen Akt der Rechtsetzung, noch um eine sonst unzulässige Form des Einwirkens in den Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung. Art. 71 GG betrifft, kurz gesagt, den Schutz der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, nicht den Schutz der Bundesverwaltung vor der Pflicht zur Beachtung von allgemeinem Landesrecht. Daraus folgt, daß Art. 71 GG der vorgeschlagenen Lösung nicht entgegensteht. Damit ist eine Lücke gegeben. Die analoge Anwendung von Art. 74 Nr. 14 GG ist somit statthaft. Damit kommen wir zu dem Ergebnis, daß das allgemeine Landesrecht in dem Überschneidungsbereich von Bundes- und Landeszuständigkeit für die Bundesverwaltung verbindlich ist, solange der Bund nicht von seiner Gesetzgebungskompetenz zur Regelung eines bestimmten Sachbereichs Gebrauch macht und ein „eximierendes" Bundesgesetz erläßt. In diesem Fall muß keine Abgrenzung der Gesetzgebungszuständigkeiten von Bund und Ländern vorgenommen werden; es besteht insoweit ein Gesetzesvorbehalt. Dieses Ergebnis läßt sich methodisch mit einer analogen Anwendung des Art. 74 Nr. 14 GG begründen. Um die Nichtanwendbarkeit des Art. 71 GG und die hierin liegende Besonderheit auch terminologisch treffend zu zeichnen, kann von einer ,,Reservezuständigkeit" der Länder gesprochen werden 256 . Erläßt der Bundesgesetzgeber keine Regelung für die strittige 255 Die Sperrwirkung gilt auch für sonstige Aktivitäten der Länder: So dürfen die Länder nicht durch Organisation von Volksbefragungen politischen Druck auf Bundesorgane im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes ausüben: BVerfG, Urt. v. 30. Juli 1958 - 2 BvF 3,6/58 - , BVerfGE 8, S. 104 (117 f.); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, 2. Aufl. 1992, Art. 71 Rn. 2. 256 Schoenenbroicher, DVB1. 1990, S. 811 (814 ff.). Der Begriff der „Reserve-" oder „Ersatzzuständigkeit" bzw. „Reservekompetenz" ist in der verfassungsrechtlichen Dogmatik keineswegs unbekannt. Zur Möglichkeit einer „Ersatzzuständigkeit aus dem Subsidiaritätsprinzip" (verneinend): Isensee, Subsidiaritätsprinzip und
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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Materie im Überschneidungsbereich von Bundes- und Landeszuständigkeit, so ist das Landesgesetz verbindlich. Regelt der Bund hingegen durch Gesetz den Problembereich, so läuft das Landesgesetz leer. 5. Die Bedeutung des Bundestreueprinzips Auch hier kann man sich fragen, welche Bedeutung dem so oft beschworenen Institut der Bundestreue zukommt. Sie ist eher gering zu veranschlagen. Unterliegt die Bundesverwaltung den Anforderungen des Landesrechts, so hat sie dessen Normbefehl grundsätzlich nachzukommen. Setzt man hier einmal voraus, daß in allgemein-organisationsrechtlicher Hinsicht keine Bedenken gegen Eingriffsbefugnisse der Landesverwaltung sowie die Genehmigungspflichtigkeit der Bundesverwaltung bestehen257, so ist weiter festzustellen: Falls das Landesrecht Genehmigungserfordernisse vorsieht, so hat die Landesbehörde bei der Entscheidung darüber die Aufgabenerfordernisse der Bundesverwaltung angemessen zu berücksichtigen. Ebenso verhält es sich bei Anordnungen der Landesverwaltung. Das aber wäre dann nicht nur im Verhältnis von Bundes- zu Landesbehörden so, sondern würde für alle Fälle gelten, in denen eine Behörde den Tatbestand einer Norm verwirklicht, über deren Einhaltung eine andere Behörde zu wachen hat. Der Rechtsgrund für die Rücksichtnahmepflicht der normanwendenden Behörde folgte daher nicht notwendig aus der Bundestreue, sondern aus allgemeinen staatsorganisatorischen Überlegungen. Im Ausnahmefall kann es allerdings notwendig werden, eine Landesnorm in Hinblick auf die Belange einer Bundesbehörde verfassungskonform auszulegen. Hierbei kommt es auf die Ermittlung des Geltungsanspruchs der Landesnorm und auf eine ebensolche verständige Ermittlung der von der Bundesverwaltung geltend gemachten Belange an 2 5 8 . Auch dies aber müßte nicht unbedingt mit der Bundestreue begründet werden, sondern stellt im Grunde eine bundesstaatliche Selbstverständlichkeit dar. Man sieht: Der Bundestreue kommt auch hier kaum die Bedeutung zu, die man ihr oftmals beimessen will. Wird erst einmal eine genaue Distinktion der verschiedenen in Betracht kommenden Fallgruppen geleistet, und werden die unterschiedlichen Ausgangslagen jeweils einer rechtlichen Lösung zugeführt, bedarf es nicht mehr des Rückgriffs auf „wabernde Bundesstaatsmythen"259. Verfassungsrecht, 1968, S. 234 f.; zur Frage einer „Reservekompetenz des Bundes" im Rundfunkrecht: Bullinger, AfP 1985, S. 1 (12). 257 Dazu unten im Sechsten Teil unter B. 258 Vgl. dazu auch Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 182: Verfassungskonforme Auslegung des § 37 HessNatSchG dahingehend, daß bereits die materielle Duldungspflicht des Bundes durch wichtige Erfordernisse der Landesverteidigung beschränkt ist. 259 So in vergleichbarem Zusammenhang die Formulierung von Bethge, NJW 1994, S. 180. 7*
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
6. Folgerungen Auch hier sollen die erarbeiteten Grundsätze am konkreten Fall überprüft werden. In erster Linie ist dabei die Bindung der Post an das materielle und formelle Landesrecht anzusprechen. Der Bundesgesetzgeber hat keine § 4 AEG (n.F.) oder § 48 WaStrG entsprechenden Vorschriften erlassen. Soweit auch sonst spezielle verfassungsgemäße Vorschriften nichts Abweichendes bestimmen 260 , hat die Post daher das Landesrecht grundsätzlich zu beachten und ist daran gebunden, und zwar sowohl in formeller wie in materieller Hinsicht. Im Ergebnis zutreffend hat denn auch etwa der Verwaltungsgerichtshof BadenWürttemberg, freilich ohne weitere Überlegungen dazu anzustellen, die Bindung der Post an das Denkmalschutzgesetz BW bejaht 261 . Aus bundesstaatlich-kompetentiellen Gründen 262 lag demgemäß auch kein Grund vor, die Post von der Bindung an die formellen Anforderungen des Landeswegerechts freizustellen, wie dies jedoch der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in der Langeoog-Entscheidung263 getan hat: Die Bundestreue vermag, wie gezeigt, die Kompetenzabgrenzung ohnehin nicht zu ersetzen, und Art. 71 GG steht der Gesetzesbindung auch nicht entgegen. Wendet man die gefundenen Maßstäbe auf weitere Zweifelsfälle aus der Praxis wie den Plenarsaal-Abriß 264 an, so ist festzustellen, daß der Bund in kompetentieller Hinsicht den materiellen und formellen Anforderungen des Denkmalschutzgesetzes NW bereits deshalb unterworfen war, weil ein entsprechendes spezielles Bundesgesetz nicht vorlag. Freilich ist damit erst die Kompetenzfrage geklärt. Ob sich aus sonstigen Rechtsgründen ergibt, daß der Bund von der Pflicht zur Einholung der an sich erforderlichen Genehmigung befreit war, und welche Überlegungen für die Entscheidung der Denkmalschutzbehörde leitend sein mußten, wird noch zu untersuchen sein 265 . 7. Ergebnis Falls kein spezielles eximierendes Gesetz vorliegt, ist die Bundesverwaltung aus kompetentiellen Gründen nicht von der Gesetzesbindung ausgenommen. Die Länder haben insoweit zumindest eine konkurrierende Zuständigkeit. Art. 71 GG steht dem nicht entgegen. 260 Vgl. etwa § 1 TWG. 261 VGH BW, Urt. v. 29. Juni 1992 - 1 S 2245/90 - , UPR 1993, S. 36 f. Das Gericht hat sogar geprüft, ob der Deutschen Bündespost über die privaten Eigentümerpflichten hinausgehende Pflichten zur Erhaltung geschützter Denkmäler obliegen, dies allerdings verneint. 262 Vgl. im übrigen im Sechsten Teil sub B. II. 2. und 3. 263 BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - I C 65.88 - , BVerwGE 82, S. 266 ff. 264 S. o. im Ersten Teil sub A. II. 9. 265 S. u. im Fünften Teil unter B. III. 2.
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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V. Die Bedeutung landesrechtlicher Befreiungs- oder Milderungsnormen Zu untersuchen bleibt, inwiefern die Länder Auseinandersetzungen um die Bedeutung des Landesrechts für die Aufgabenerfüllung der Bundesverwaltung a priori verhindern können und möglicherweise sogar verhindern müssen, indem sie in den Fachgesetzen befreiende oder den Geltungsanspruch abmildernde Normen zugunsten der Bundesverwaltung verankern; Vorschriften etwa wie § 75 Abs. 5 BauO NW, wonach bauliche und andere Anlagen und Einrichtungen, die unmittelbar der Landesverteidigung dienen, der oberen Bauaufsichtsbehörde (lediglich) in geeigneter Weise zur Kenntnis zu bringen sind und die Bauaufsichtsbehörden im übrigen nicht mitwirken. Der Erlaß solcher Normen entspricht sicherlich einem Gebot verfassungspolitischer und verwaltungstechnischer Klugheit. Potentielle Konfliktfelder können so von vornherein vermieden werden. Die betroffenen Landesbehörden, die zunächst stets in ihr „eigenes" Gesetz schauen und schauen müssen, können beruhigt feststellen, daß der Landesgesetzgeber den Geltungsanspruch seines Regelwerks selbst zurücknimmt. Einen unzulässigen Übergriff in den Kompetenzbereich eines anderen Hoheitsträgers stellen diese Vorschriften auch nicht dar, jedenfalls soweit sie sich deklaratorisch auf die Wiedergabe der Kompetenzverhältnisse beschränken. Dies aber wird regelmäßig der Fall sein. Es wird praktisch kaum vorkommen, daß ein Landesgesetzgeber auf die Ausübung einer Kompetenz „verzichtet", die er gar nicht besitzt. In der Literatur wird mitunter weitergehend darauf hingewiesen, die Ländergesetzgeber könnten sogar verpflichtet sein, zugunsten der Bundesverwaltung eximierende Vorschriften zu erlassen 266. Wiederum wird dies aus der Bundestreue geschlossen: Aus ihrer Funktion als Kompetenzausübungsschranke könne sich die Verpflichtung der Länder ergeben, Ausnahmetatbestände zugunsten der Bundesverwaltung vorzusehen. Dies werde insbesondere in Betracht kommen, wenn für den Landesgesetzgeber vorhersehbar sei, daß seine materiellen Regelungen oder von ihm vorgeschriebene Genehmigungserfordernisse letztlich gegenüber den Interessen des Bundes im Hoheitsbereich zurückzustehen hätten. Falls feststehe, daß das Funktionieren der Bundesverwaltung durch landesrechtliche Genehmigungsverfahren in Frage gestellt werden könne, sollten sich die Länder bemühen, entsprechenden Sachzusammenhangsregelungen durch den Bund zuvorzukommen 267. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, daß die Landesexekutive - aus rechtlichen wie politischen Gründen 268 - sehr wohl der Meinung sein kann, daß sich das 266 So z. B. Salzwedel, NuR 1984, S. 165 (170); ähnlich auch Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 108. 267 Salzwedel, NuR 1984, S. 165 (170). 268 Zu der politischen Dimension des föderalistischen Staatsaufbaus der Bundesrepublik vgl. insbes. Hesse, Der unitarische Bundesstaat (1962), in: ders., Gesammelte Schriften, 1984, S. 116 ff.
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
Landesrecht auch auf die Bundesverwaltung bezieht. Falls diese Einschätzung nicht völlig abwegig ist, wird man den Ländern kaum verwerfen können, daß sie keine Vorschriften erlassen, die die Pflicht der Bundesverwaltung zur Normbefolgung abmildern oder diese davon ganz freistellen 269 . Ein etwaiger Streit zwischen Bundes- und Landesbehörden ist dann entweder durch gütliche Einigung beizulegen oder verwaltungsgerichtlich zu schlichten. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Handlungsmöglichkeiten des Bundes zu verweisen 270 . Falls der Bund der Meinung ist, daß Gegenstände seiner Verwaltung in unzumutbarer Weise bei ihrer Aufgabenerfüllung durch die Landesgesetzgebung eingeschränkt und behindert werden, mag er selbst von seiner - möglicherweise gegebenen - Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen und eine Vorschrift erlassen, die die bestimmte Verwaltung in der konkret beschriebenen Weise von dem allgemeinen Landesgesetz ausnimmt und einem besonderen Regime unterwirft. Ob er die Kompetenz zu Recht in Anspruch genommen hat, mag dann gegebenenfalls gerichtlich geklärt werden.
VI. Zuständigkeitsabgrenzungen durch Vereinbarungen In der Praxis wird gelegentlich der Versuch unternommen, regelmäßige Konfliktfelder zwischen Bundesverwaltung und Landesgesetzgebung durch Vereinbarungen der betroffenen Bundes- und Landesbehörden über die Verbindlichkeit des Landesrechts zu „entschärfen" 271. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Derartige Vereinbarungen entsprechen dem bundesstaatlichen Leitbild zur gegenseitigen Unterrichtung, zur Absprache und zur Kooperation, zum Miteinander, nicht Gegeneinander 272. Zu beachten ist freilich, daß die Kooperation nicht zu einer Verlagerung der grundgesetzlich vorgegebenen Zuständigkeiten führen darf. Die vom Verfassunggeber verliehenen Kompetenzen sind bindend zugewiesen und der Verfügungsgewalt der sie ausübenden staatlichen Stellen grundsätzlich entzogen 273 . Darauf ist im Einzelfall sorgfältig zu achten. 269 Deswegen wird man den Ländern auch keineswegs nahelegen müssen, etwa die Post, wie in § 18 BremLStrG geschehen, von der wegerechtlichen Erlaubnispflicht a priori auszunehmen. Anders wohl Lorenz, DÖV 1990, S. 517 (521). 2 ™ Vgl. auch Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1983, Art. 83 Rn. 83. 271 Vgl. Dörge, DÖV 1961, S. 527 (528); Gieseke / Wiedemann / Czy chow ski, WHG, 6. Aufl. 1992, § 19 Rn. 63; s. a. OVG Lüneburg, Urt. v. 8. November 1990 - 3 L 105/89 ZfW 1992, S. 317 (318). 272 Zur bundesstaatlichen Kooperation Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98 Rn. 151 ff. Zu den Grenzen vertraglicher Kooperation im Bundesstaat vgl. insbes.: Kisker, Kooperation im Bundesstaat, 1971, insbes. S. 135 ff. 273 Vgl. BVerfGE 1, S. 1 (35); 4, S. 115 (139); 32, S. 145 (156); 39, S. 96 (109); 55, S. 274 (301); 63, S. 1 (39); Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 98
B. Die Bedeutung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes
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In diesem Bereich sind die beteiligten Bundes- und Landesbehörden im übrigen in noch sehr viel stärkerer Weise gefordert. Wie die Vielzahl der bis in die jüngste Zeit ergangenen Gerichtsurteile zeigt, ist das Verhältnis offensichtlich häufig von überzogenem Ressortdenken und dem für Außenstehende nicht unbedingt nachvollziehbaren Pochen auf Eigenständigkeit („noli me tangere") gekennzeichnet. Unter diesem Blickwinkel ist z. B. nicht unbedingt verständlich, daß die Bundespost bis zum Bundesverwaltungsgericht 274 darauf beharrt, zu einer nach Landesrecht an sich sondernutzungserlaubnispflichtigen Tätigkeit keiner Erlaubnis zu bedürfen 275 , statt, wenn sie die Einschätzung der Inselbehörde denn tatsächlich als so unerträglich für ihre Aufgabenerfüllung ansah, (lediglich) einen Prozeß um die fehlerfreie Ermessensbetätigung zu führen 276 .
VII. Zusammenfassung: Die föderal-kompetentiellen Vorgaben für das Verhältnis von Bundesverwaltung und Landesrecht Ausgangspunkt aller Überlegungen ist der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Danach haben auch Behörden das für alle geltende Recht, und damit auch das Recht der Länder, zu befolgen. Ausnahmen bedürfen der Rechtfertigung. In föderaler Hinsicht kann die Bindung an das Landesrecht nur entfallen, wenn dem Land die Gesetzgebungszuständigkeit fehlt und damit auch die Fähigkeit, den Bund zu verpflichten. Ob und wie weit die Bundesverwaltung das Landesrecht zu beachten hat, ist, in föderal-kompetentieller Hinsicht, allein eine Frage der Abgrenzung der Gesetzgebungszuständigkeiten. Allerdings muß die Abgrenzung der Zuständigkeiten wiederum „im Lichte" des Art. 20 Abs. 3 GG vorgenommen werden; insoweit besteht eine „Wechselwirkung" von Gesetzmäßigkeitsprinzip und Kompetenzabgrenzung. Daher sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden. Fallgruppe 1 (eigentlicher kompetentieller Konfliktfall): Hat der Bund eine Vorschrift mit konkretem Bezug zum Landesrecht erlassen, stellt sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift. Maßgeblich ist dabei, ob die Bundes-
Rn. 106; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1983, Art. 83 Rn. 86; Löwer, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, 1987, § 56 Rn. 30; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1984, Art. 74 Rn. 29 f.; Rengeling, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 100 Rn. 12; Schmidt-Aßmann / Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, 1986, S. 131; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland II, 1980, S. 601; Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 294 f., 299 ff. 274 BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - I C 65.88 - , BVerwGE 82, S. 266 ff. 275 Nachdem sie zuvor die Erlaubnis regelmäßig beantragt hatte, offensichtlich ohne an ihrer entsprechenden Verpflichtung zu zweifeln, vgl. BVerwGE 82, S. 266 (267). 276 Den sie m. E. hätte gewinnen müssen, vgl. Schoenenbroicher, DVB1. 1990, S. 811 (817). Es soll allerdings nicht verkannt werden, daß das prozessuale Verhalten der Post - zunächst den weitergehenden Antrag zu stellen - an sich vernünftig war.
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Dritter Teil: Kompetenzen: Bundesverwaltung und Landesrecht
Zuständigkeit „unerläßlich" ist zur Wahrnehmung der Aufgaben der Bundesverwaltung. Es reicht nicht aus, daß die Gesetzesbeachtung „Lästigkeiten" für die Bundesverwaltung mit sich bringt, da diese Folge gerade im Landesrecht angelegt ist und alle Rechtsunterworfenen trifft. Fallgruppe 2 (scheinbarer kompetentieller Konfliktfall): Eine spezielle bundesgesetzliche Regelung zur Aufgabenwahrnehmung der Bundesverwaltung mit Bezug zum Landesrecht liegt nicht vor. Dann folgt aus Art. 20 Abs. 3 GG direkt die Beachtenspflicht der Bundesverwaltung. Die erste legislatorische Entscheidung des Landes kann nur durch eine solche des Bundes überboten werden. Ob der Bund an sich gesetzgebungszuständig wäre, ist unerheblich und braucht nicht geprüft zu werden. Verfassungsrechtlicher „Aufhänger" ist eine Gesetzesanalogie zu Art. 74 Nr. 14 GG. Art. 71 GG steht dieser Lösung nicht entgegen, da die Vorschrift den Bund vor einer Zuständigkeitsusurpation der Länder in den Bereich seiner ausschließlichen Zuständigkeit schützen, nicht dagegen die Einrichtungen des Bundes vor der Normbefolgung bewahren will.
Vierter
Teil
Die bundesstaatlichen Vorgaben für das Verhältnis von Bundesverwaltung und Landesverwaltung A. Problemaufriß In dem vorangegangenen Kapitel wurde das Verhältnis von Bundesverwaltung und Landesrecht in föderaler Hinsicht untersucht. In gleicher Weise ist nun zu klären, wie es um die bundesstaatlichen Vorgaben für das Verhältnis von Bundesverwaltung und Landesverwaltung bestellt ist. Auch insoweit können sich die Zuständigkeiten überschneiden. Es fragt sich, nach welchen Kriterien sich beurteilt, ob in den jeweiligen Überschneidungsfällen der Bundes- oder der Landesverwaltung Völlzugsbefugnisse zustehen. Dabei kann es sich um den Vollzug von Landes- wie Bundesrecht, in „einfachen" Verwaltungsverfahren wie in Planfeststellungsverfahren, handeln. Eine Vorschrift über die Verlagerung der Zuständigkeit für die Ausfuhrung von Bundesrecht findet sich in § 59 BImSchG, weitere Regelungen dieser Art z. B. in § 29 a Abs. 1 AbfG und § 24 Abs. 1 Satz 2 AtomG 1 . Schließlich könnte auch § 4 Abs. 2 AEG (n.F.) möglicherweise so zu verstehen sein, daß die Entscheidungszuständigkeiten der an sich zum Vollzug von Bundesgesetzen (etwa des Abfallgesetzes) berufenen Landesbehörden „global" auf das Eisenbahn-Bundesamt übergehen und dieses die entsprechenden Genehmigungen an die Deutsche Bahn AG zu erteilen hat. Als Beispiel für eine Verlagerung der Vollzugszuständigkeit bezüglich des Landesrechts mag § 45 Abs. 2 BWaldG dienen. Eine besondere Beachtung erfordern die Planfeststellungsvorschriften, die bestimmten Gegenständen der Bundesverwaltung das Recht geben und die Pflicht auferlegen 2, ein bestimmtes Vorhaben in einem besonderen Verwaltungsverfahren zu verwirklichen 3. Hauptmerkmal der Planfeststellung ist die sog. Konzentrations1 S. o. i. Zweiten Teil sub A. I. und III. Zu letzterem (Verbot mit Erlaubnis vorbehält): Kühling, Fachplanungsrecht, 1988, Rn. 307. 3 Bundesrechtliche Planfeststellungen, die von Bundesbehörden durchgeführt werden: §§ 18 ff. AEG (n.F.), § 7 TWG, §§ 14 ff. WaStrG, Planfeststellung nach § 2 Gesetz über den spurgeführten Verkehr (BGBl. 1976 I, S. 241). Bundesrechtliche Planfeststellungen, die im Auftrag des Bundes von Landesbehörden durchgeführt werden, sind insbesondere die fern2
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i e r Teil: Kompetenzen: Bundes und L a n d e s e t
Wirkung: Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwVfG, der für alle Planfeststellungen der Bundesverwaltung nach den Fachplanungsgesetzen einheitlich gilt 4 , sind andere behördliche Entscheidungen, insbesondere öffentlichrechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen nicht erforderlich. Es stellt sich die dogmatisch bislang wohl noch nicht so recht bewältigte5 Frage, ob die Planfeststellungsbehörden des Bundes befugt sind, bei ihrer Entscheidung über die Planfeststellung - unter „Ausschaltung" der an sich zuständigen Landesbehörden - auch über landesrechtlich geschützte Belange zu befinden. Daneben ist weiterhin denkbar, daß ausdrückliche Zuständigkeitsverlagerungsvorschriften nicht vorliegen, die Bundesverwaltung jedoch gleichwohl Zuständigkeiten, die an sich den Landesbehörden zustehen, für sich reklamiert. Falls eine ausdrückliche Vollzugsverlagerungsvorschrift nicht vorliegt, wie etwa bei der Beförderung von Abfällen durch die Bahn (vgl. §§ 12, 29 a AbfG), fragt es sich, ob der Bundesverwaltung gleichwohl „stillschweigende" Vollzugsbefugnisse zustehen können. Da hier eine Reihe von grundsätzlichen und schwierigen bundesstaatlichen Problemen angesprochen werden, ist es angezeigt, vor einer systematischen Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen Fragen zunächst die grundsätzliche Aufteilung der Verwaltungskompetenzen auf Bund und Länder kurz nachzuzeichnen.
B. Die Bedeutung der Regelzuständigkeit der Länder und die allgemeinen Grundlagen der Abgrenzung der Verwaltungskompetenzräume von Bund und Ländern I. Die Regelzuständigkeit der Länder zum Gesetzesvollzug (Art. 30,83 ff. GG) Nach der grundlegenden Kompetenzverteilungsvorschrift des Art. 30 GG 6 steht die Ausübung der staatlichen Befugnisse im Regelfall den Ländern zu. Der Bund besitzt lediglich die ihm zugewiesenen Kompetenzen. Der unbenannte Rest (Residualkompetenz) liegt bei den Ländern 7. Dies gilt bezüglich der gesetzesakzessoristraßenrechtliche Planfeststellung nach § 17 ff. BFStrG (dazu insbes. Schweitzer / Meng, DVB1. 1975, S. 940 ff.) und die Planfeststellung nach § 9 b AtomG (dazu insbes. Ossenbühl, DVB1. 1991, S. 833 ff.). Zum ganzen auch Battis, Verw. 21 (1988), S. 23 (25 ff.). 4 Statt aller: Bonk, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 4. Aufl. 1993, § 75 Rn. 10. 5 Vgl. den Befund bei Ossenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (112, 116). 6 Zur Bedeutung von Art. 30 GG insbesondere: Heintzen, NJW 1990, S. 1448 f.; Pauly, DÖV 1989, S. 884 (886). 7 Vgl. auch BVerfG, Urt. v. 28. Februar 1961 - 2 BvG 1,2/60 - , BVerfGE 12, S. 205 (244); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, 2. Aufl. 1992, Art. 30 Rn. 1.
B. Die Bedeutung der egzuständigkeit de
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sehen wie der gesetzesfreien Verwaltung 8. Aus Art. 30 GG ergibt sich weiter, daß die Ausführung von Landesgesetzen grundsätzlich Sache der Landesverwaltung ist 9 . Nach Art. 30 GG und Art. 83 GG liegt die Zuständigkeit zum Vollzug der Bundesgesetze schließlich ebenfalls grundsätzlich bei den Ländern (Landeseigenverwaltung). In diesem Verwaltungstyp setzt sich der Grundgedanke der Regelzuständigkeit der Länder am stärksten durch. Dagegen handelt es sich bei der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 GG um einen besonderen Fall der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder; sie zeichnet sich durch eine weiterreichende Bundesaufsicht und ein Weisungsrecht des Bundes aus 10 . Ausnahmen vom Regelvollzug sind nur soweit anzuerkennen, als das Grundgesetz selbst sie „trifft" oder „zuläßt" (Art. 30 GG). Als solche Ausnahmen sind in dem hier interessierenden Zusammenhang insbesondere die Vorschriften über die Gegenstände der bundeseigenen Verwaltung (Art. 87 ff. GG) anzusehen. Hierbei handelt es sich um den Bundesvollzug von Bundesgesetzen durch bundeseigene Behörden 11.
II. Die Abgrenzung der Bundes- und Landesverwaltungskompetenzbereiche Ebenso wie bei den Gesetzgebungskompetenzen bereitet die Bestimmung der konkreten Reichweite der (obligatorischen) Bundesverwaltungskompetenzen und die trennscharfe Abgrenzung der Verwaltungsräume angesichts des dürftigen Wortlauts der Verwaltungskompetenznormen häufig Probleme. Zur Lösung wird auch hier wieder vorgeschlagen zu prüfen, ob, sowohl hinsichtlich der gesetzesakzessorischen wie der gesetzesfreien Verwaltung, eine stillschweigend mitgeschriebene Verwaltungskompetenz des Bundes (oder des Landes) kraft Sachzusammenhangs oder aus der Natur der Sache gegeben ist 1 2 . Eine Verwaltungskompetenz kraft Sachzusammenhangs soll gegeben sein, wenn sie „unerläßlich" ist für die Aufgabenerfüllung der Bundesverwaltung 13; eine Kompetenz aus der Natur der 8 Vgl. BVerfG (Fn. zuvor) S. 246; BVerfG, Urt. v. 4. März 1975 - 2 BvF 1/72 - , BVerfGE 39, S. 96 (109); BVerwG, Urt. v. 18. Dezember 1986 -3 C 39.81 - , BVerwGE 75, S. 292 (298); Blümel, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 101 Rn. 7; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1983, Art. 83 Rn. 29; Kölble, DÖV 1963, S. 660 (665). 9 Vgl. hier nur BVerfG, Beschl. v. 11. April 1967 - 2 BvG 1/62 - , BVerfGE 21, S. 312 (325, 328); Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1983, Art. 83 Rn. 25. 10 Zur Bundesauftragsverwaltung vgl. hier nur: BVerfG, Urt. v. 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/ 88 - , BVerfGE 81, S. 310 ff.; Lerche, BayVBl. 1987, S. 321 ff.; Ossenbühl, DVB1. 1991, S. 833 ff.; Pauly, DÖV 1989, S. 884 ff. h Vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1983, Art. 83 Rn. 24. 12 Zu den „stillschweigend mitgeschriebenen" Verwaltungszuständigkeiten des Bundes: Kölble, DÖV 1963, S. 660 ff.; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Stand: 1983, Art. 83 Rn. 39 f., 43. 13 Vgl. Kölble, DÖV 1963, S. 660 (667); Lerche, in: Maunz / Dürig,.GG, Stand: 1983, Art. 83 Rn. 45; v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz III, 2. Aufl. 1974, Art. 83
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Sache, wenn der Zweck eines Gesetzes durch das Verwaltungshandeln eines Landes überhaupt nicht erreicht werden kann, wobei es nicht ausreicht, daß die Ausführung durch den Bund zweckmäßiger wäre 14 .
C. Unterscheidung nach dem Vorliegen einer bundesgesetzlichen Vollzugszuweisungsvorschrift Bei der Abgrenzung der Gesetzgebungszuständigkeiten hat es sich als sinnvoll erwiesen, nach der einfachrechtlichen Rechtslage zu differenzieren und den Blick darauf zu richten, ob in einem Bundesgesetz besondere Regelungen für die Gesetzesbindung der Bundesverwaltung enthalten sind. Auch in Hinblick auf die Abgrenzung der Verwaltungsbereiche kann danach unterschieden werden. Ist in einem Gesetz vorgesehen, daß der Bundesverwaltung Vollzugsbefugnisse bezüglich des an sich von Landesbehörden auszuführenden Bundes- oder Landesrechts zustehen sollen, so ist eine andere Sachlage gegeben als in der Situation, daß eine derartige Vorschrift nicht vorliegt. An diese unterschiedliche tatsächliche Ausgangslage können sich verschiedene Rechtsfolgen knüpfen. Die Differenzierung nach dem Vorliegen einer einfachrechtlichen Regelung bietet sich daher als Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung an.
D. Ausdrückliche Vollzugszuweisung an die Bundesverwaltung Zunächst ist zu untersuchen, was zu gelten hat, wenn der Bundesgesetzgeber den Vollzug eines Landesgesetzes oder eines Bundesgesetzes von der im allgemeinen dafür zuständigen Landesbehörde auf eine Bundesbehörde überträgt.
I. Verlagerung des Vollzugs von Bundesrecht Falls lediglich die Verlagerung der Zuständigkeit für die Ausführung von Bundesrecht angeordnet ist, ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht allein problematisch, ob die erforderliche Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit des Bundes geAnm. 4 b (S. 2109 f.); ähnlich auch BVerwG, Urt. v. 30. November 1990 - I C 4.90 - , BVerwGE 87, S. 181 (186) m. Anm. Faber, JZ 1993, S. 947 ff. und Friesecke, VerwArch. 82 (1991), S. 565 ff.: Keine schiffahrtspolizeiliche Zuständigkeit des Bundes kraft Sachzusammenhangs für wasserwirtschaftliche oder wasserpolizeiliche Aufgaben, da ein wirksamer Vollzug der schiffahrtspolizeilichen Aufgaben des Bundes nicht davon abhänge, daß der Bund auch zuständig sei für polizeiliche Zuständigkeiten über die Beseitigung von schifffahrtsverursachten Verunreinigungen des Wassers. 14 Vgl. Lerche (Fn. zuvor).
D. Ausdrückliche Vollzugszuweisung an die Bundesverwaltung
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geben ist. Wie oben näher dargelegt 15, ist dabei hinsichtlich der hier allein interessierenden obligatorischen Bundesverwaltung letzten Endes die Reichweite der Gesetzgebungszuständigkeit entscheidend. Hier sind wiederum insbesondere historische und teleologische Gesichtspunkte heranzuziehen, wobei der teleologischen der Vorrang vor der historischen Methode zukommen muß, um einer „Versteinerung" abgelebter Rechtsinstitute vorzubeugen. Allerdings wird man bei der Beurteilung das „Unerläßlichkeitskriterium" nicht zu streng ansetzen dürfen; hier ist zu berücksichtigen, daß eine Reihe derartiger expliziter Vollzugsverlagerungen bereits seit längerem besteht und die Praxis sich darauf eingerichtet hat 16 . Danach wird man hinsichtlich der recht häufig anzutreffenden Vollzugsverlagerungen (z.B. § 29 a AbfG, § 59 BImSchG) 17 im Verteidigungsbereich die verfassungsrechtliche Zulässigkeit durchweg bejahen können. Es erscheint insbesondere aus Geheimhaltungsgründen notwendig, daß der Bund - Bundesminister der Verteidigung bzw. eine sonst sachnahe Dienststelle - Vorschriften mit umweltrelevantem Bezug selbst ausführt 18. Ebenso verhält es sich bezüglich der Eisenbahnen des Bundes mit der in verschiedenen Bundesgesetzen angeordneten Übertragung der Verwaltungszuständigkeiten auf das Eisenbahn-Bundesamt. Wenn etwa in § 24 Abs. 1 Satz 2 AtomG bestimmt ist, daß die Beaufsichtigung der Beförderung radioaktiver Stoffe im Schienen- und Schiffsverkehr der Eisenbahnen dem Eisenbahn-Bundesamt obliegt, so erscheint dies wegen der größeren Sachnähe des Eisenbahn-Bundesamtes durchaus sachgerecht. Wesentlich schwieriger dagegen ist die Bestimmung der konkreten Reichweite des § 4 Abs. 2 AEG (n.F.) in Hinblick auf die Verlagerung von Zuständigkeiten von Landesbehörden zur Ausführung des Bundesrechts, soweit Vorschriften wie § 24 Abs. 1 Satz 2 AtomG nicht vorhanden sind. Um zu klären, ob und wie weit hiermit eine Zuständigkeitsverlagerung verbunden ist, empfiehlt es sich, zunächst einmal die Rechtslage nach der Vorläufervorschrift des § 38 Satz 2 BBahnG (a.F.) kurz darzustellen. Die Reichweite des § 38 Satz 2 BBahnG (a.F.) wurde durchaus kontrovers diskutiert. Die Rechtsprechung tendierte einer weiten Auslegung zu, sie hielt § 38 Satz 2 BBahnG (a.F.) im Prinzip für die deklaratorische Umschreibung dessen, was sich ohnehin aus Art. 73 Nr. 6, 87 Abs. 1 Satz 1 GG (a.F.) ergeben sollte: Daß nämlich die Bahn, territorial bezogen auf ihre Betriebsanlagen, für die Anwendung des allgemeinen fachfremden Bundesrechts selbst zuständig sei 19 . 15 Vgl. im Dritten Teil sub B. !6 Vgl. Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 32 f. 17 S. o. im Zweiten Teil sub A. III. iß Ebenso wohl Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 206; Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 31 f.; Lerche, FS Dürig, 1990, S. 401 (409). 19 Vgl. etwa OVG Lüneburg, Urt. v. 16. Dezember 1992 - 7 C 3734/91 - , NVwZ-RR 1993, S. 405: Das Betreiben von Umfüllstellen für Flüssiggas aus Eisenbahnkesselwagen in
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i e r Teil: Kompetenzen: Bundes und L a n d e s e t
In der Literatur waren manche von der Bahn in Anspruch genommene Zuständigkeiten umstritten, so etwa, ob die Bahn für den Transport von Abfällen, für deren Beförderung nach § 12 AbfG an sich eine Genehmigung der zuständigen Landesbehörde erforderlich ist, zuständig war 20 . Prinzipiell in Frage gestellt wurde die Auslegung des § 38 Satz 2 BBahnG (a.F.) zugunsten einer weiten Zuständigkeitsübertragung an den Bund insbesondere von Delbrück 21 . Er hielt die Vorschrift im wesentlichen für zu unbestimmt, als daß ihr eine so weitreichende rechtliche Wirkung entnommen werden könnte. M. E. mußte man hier im Einzelfall auf die jeweils betroffene bundesrechtliche Materie abstellen. Eine globale, auf die Betriebsanlagen insgesamt bezogene Zuständigkeitsübertragung hinsichtlich des Bundesrechts, wie von der Rechtspre-
chung aus historischen Gründen praktiziert, war hierbei abzulehnen. Auf der anderen Seite war auch der Ansicht von Delbrück, § 38 Satz 2 BBahnG (a.F.) sei zu unbestimmt und bringe der Bahn keine Zuständigkeiten, die zum Regel Vollzug der Länder gehören, nicht zu folgen. Es kam vielmehr auf die Eigenart des jeweiligen Bundesrechts an. So ist z. B. nicht zu verkennen, daß die Länder zumindest bis zur Eisenbahnneuordnung keine Genehmigungen zum Transport von Abfällen mit bahneigenen Schienenfahrzeugen verlangten 22. Daraus allein läßt sich zwar nicht die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der bisherigen Praxis ableiten, doch stellt die Tatsache immerhin einen Anhaltspunkt dafür dar, daß auch die Länder die Zuständigkeit der Bahn als sachnäher ansahen. Zweitens ist in teleologischer Hinsicht zu bedenken, daß es hier um die Anwendung von Bundes-, nicht von Landesrecht geht und daß deswegen die Anforderungen an die Zulässigkeit von Vollzugsverlagerungsvorschriften nicht überspannt werden dürfen. Geht man davon aus, daß die Bahn an die materiellen Vorschriften des Abfallgesetzes gebunden war (und ist), so sprachen insbesondere Effizienzgesichtspunkte für ihre Zuständigkeit. Wären die Länderbehörden zuständig gewesen, so hätte die Bahn bei längeren Fahrten, insbesondere über Ländergrenzen hinweg, eine Vielzahl von Genehmigungen einholen müssen. Das hätte eine kaum gerechtfertigte Bürokratisierung mit sich gebracht und die Tätigkeit der Bahn ohne Not in starkem Umfang behindert 23.
Straßentankwagen unterliegt dem Eigen Vollzug der Bahn, keine Anordnungsbefugnisse der Gewerbeaufsichtsämter nach § 20 Abs. 2 BImSchG. 20 Vgl. Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 60; Hösel / v. Lersner, Recht der Abfallbeseitigung, Stand: 1992, 1220, § 12 AbfG Rn. 14. 21 Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 69, 206. 22 Vgl. Hösel/v. Ursner, Recht der Abfallbeseitigung, Stand: 1992, 1220, § 12 Rn. 14. 23 Ob aus diesen Gesichtspunkten der Entscheidung OVG Lüneburg, Urt. v. 16. Dezember 1992 - I C 3734/91 - , NVwZ-RR 1993, S. 405 f. zu folgen ist, dürfte allerdings sehr zweifelhaft sein. Denn sachliche Gesichtspunkte, die für die „Ausschaltung" der Gewerbeaufsichtsämter vom Regelvollzug sprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Angesichts der Ortsbezogenheit der Umfüllanlagen und ihrer, jedenfalls nach Ansicht des beteiligten Landes, großen Gefährlichkeit dürfte mehr für die Vollzugszuständigkeit der Gewerbeaufsichtsämter sprechen. Das OVG nimmt demgegenüber eine rein gebietsbezogene Freistellung vor, die
D. Ausdrückliche Vollzugszuweisung an die Bundesverwaltung
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Es fragt sich allerdings, ob die zu § 38 Satz 2 BBahnG (a.F.) vorliegenden Stellungnahmen zum Verständnis des § 4 Abs. 2 AEG (n.F.) überhaupt herangezogen werden können. Denn nach dem Wortlaut der nunmehr maßgeblichen Vorschrift obliegen die Baufreigaben usw. nur „nach Maßgabe anderer Gesetze und Verordnungen" dem Eisenbahn-Bundesamt. Dies kann nur bedeuten, daß dem EisenbahnBundesamt Vollzugszuständigkeiten, die an sich nach dem Regelvollzug den Ländern zukommen, nur insoweit übertragen werden, als dies in anderen Bundesgesetzen ausdrücklich angeordnet ist, mag sich dieses von § 38 Satz 2 BBahnG abweichende Ergebnis auch nicht unmittelbar aus den Gesetzesmaterialien ergeben 24. Für diese Auslegung des § 4 Abs. 2 AEG sprechen auch verfassungsrechtliche Gründe. Seit der Eisenbahnneuordnung existiert die einheitliche Bundesbehörde (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG) „Die Deutsche Bundesbahn" nicht mehr. Konnte man vorher noch aus historischen Gründen mit einer gewissen Berechtigung den Standpunkt vertreten, die Bundesbehörde (das Sondervermögen) „Deutsche Bundesbahn" sei in ihrem Bereich für die Ausführung auch des Bundesrechts selbst verantwortlich und Einwirkungen der Länderbehörden nicht unterworfen, so ist dieser Gesichtspunkt mit der Bahnreform und der Aufteilung in einen privatrechtlichen Dienstleistungsbereich und eine Verwaltungsbehörde nicht mehr gegeben. Verwaltungsbefugnisse des Eisenbahn-Bundesamtes abweichend vom Regelvollzug durch die Länder bedürfen nunmehr der besonderen Rechtfertigung. Von daher scheint es sogar verfassungsrechtlich geboten, daß der Gesetzgeber in § 4 Abs. 2 AEG (n.F.) bestimmt, daß das Eisenbahn-Bundesamt Verwaltungsbefugnisse nur besitzt, soweit sie ihm gesetzlich zugewiesen sind (vgl. etwa § 79 BSeuchenG, § 24 Abs. 1 Satz 2 AtomG 25 ). Die Folge dieser neuen Gesetzeslage ist, daß die Deutsche Bahn AG für alle nach Bundesrecht genehmigungspflichtigen Tatbestände, für die nicht spezialgesetzlich die Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes gegeben ist, die Genehmigung usw. der zuständigen Länderbehörden einholen muß. Gebietsbezogene „Exemtionen" der Bahn dürfte man spätestens damit ad acta legen können. Für zulässig halten können wird man dagegen die mit der planfeststellungsrechtlichen Zuständigkeitskonzentration verbundene Übertragung des Vollzugs von Bundesrecht von den an sich zuständigen Landesbehörden auf Bundesbehörden. Hier kann im Vorgriff auf die Erörterungen sogleich unter II. 2. festgestellt werden, daß die Vorteile der Planfeststellung so schwer wiegen, daß man die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Art von Vollzugsverlagerung kaum wird abstreiten können.
aber aus den bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Gründen (vgl. oben im Dritten Teil sub C. III. 3. und 4.) abgelehnt werden muß. 24 Vgl. BT-Drucks. 12/6269, S. 138. Wie hier nunmehr wohl auch: BR-Drucks. 797/94, S. 4. Unklar Heinze, NVwZ 1994, S. 748 f. - Es fehlt allerdings eine ausdrückliche Befugnisnorm für das Handeln des Eisenbahn-Bundesamtes gegenüber der Deutschen Bahn AG (zutr. BVerwG, Beschl. v. 13. Oktober 1994 - 7 VR 10/94 - , Umdruck S. 12 ff.). 25
Dazu oben im Zweiten Teil sub A. I.
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i e r Teil: Kompetenzen: Bundes und L a n d e s e t
II. Verlagerung des Vollzugs von Landesrecht 1. Die grundsätzliche Problematik Nochmals größere Schwierigkeiten bereitet die verfassungsrechtliche Beurteilung der Verlagerung des Vollzugs von Landesrecht auf die Bundesverwaltung. Es fragt sich, ob und wie weit die Berücksichtigung landesrechtlich geschützter Belange in Verwaltungsverfahren der Bundesverwaltung verfassungsrechtlich zulässig sein kann. Diese Frage, dogmatisch noch keineswegs gelöst 26 , stellt sich in der Praxis hauptsächlich in zweierlei Hinsicht: bezüglich der Berücksichtigungsfähigkeit von Landesrecht in Planfeststellungen der Bundesverwaltung und hinsichtlich der Reichweite des § 4 Abs. 2 AEG (n.F.). Die Untersuchung soll hierauf konzentriert werden. 2. Die Zuständigkeitskonzentration in der Planfeststellung als föderales Problem In föderaler Hinsicht sehr problematisch ist, ob und wie weit der Bundesgesetzgeber in den Planfeststellungsvorschriften eine Konzentration der Zuständigkeiten 27 in der Weise vornehmen darf, daß Planfeststellungsbehörden des Bundes im Rahmen ihrer einheitlichen Entscheidung über das Vorhaben auch landesrechtliche Normen zur Anwendung bringen können, so daß eine gesonderte Entscheidung der an sich zuständigen Landesbehörde entfällt, der Vorhabenträger 28 also keine entsprechenden Genehmigungen usw. bei den an sich zuständigen Landesbehörden einholen muß. Die Prüfung muß in mehreren Einzelschritten erfolgen. Zunächst muß man sich die Bedeutung der planfeststellungsrechtlichen Zuständigkeitskonzentration, die mit ihr verbundenen Vorteile und die verfassungsrechtliche Rechtfertigung verdeutlichen. Zu überlegen ist dann, ob der Bund zusätzlich die Gesetzgebungszuständigkeit für die betreffenden sekundären materiellen Normen 29 , z. B. also für 26 Vgl. den Befund bei Kopp, NuR 1991, S. 449 (451); s. a. Heitz, Organisationsrecht der Planfeststellung, 1990, S. 25. 27 Hierzu vgl. Bender, NVwZ 1984, S. 9 ff.; Ossenbühl, DVB1. 1991, S. 833 (834). 28 Zum Begriff des Vorhabenträgers: Kühling, Fachplanungsrecht, 1988, Rn. 308. 29 Begriff des sekundären materiellen Rechts: Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (430). Zum „Schicksal" der sekundären verfahrensrechtlichen Vorschriften: Heute ist allgemeine Meinung, daß die Anforderungen des sekundären Verfahrensrechts nicht gelten: Laubinger, VerwArch. 77 (1986), S. 77 (79); Kühling, Fachplanungsrecht, 1988, Rn. 331; Ronellenfitsch, VerwArch. 80 (1989), S. 92 (95); Schweitzer / Meng, DVB1. 1975, S. 940 (945); Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (430); nunmehr auch Kopp, VwVfG, 5. Aufl. 1991, der seine frühere abweichende Auffassung aufgegeben hat. Es wird in der Lit. wohl zu Recht davon ausgegan-
D. Ausdrückliche Vollzugszuweisung an die Bundesverwaltung
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einen Titel „Denkmalschutzrecht an Betriebsanlagen der Bahn" besitzen muß. Falls die Untersuchung ergibt, daß die Planfeststellungsbehörden des Bundes auch über landesrechtlich geregelte Belange - unter „Ausschaltung" 30 der an sich zuständigen Landesbehörden - entscheiden dürfen, ist die Frage zu beantworten, ob es sich dabei um den verfassungswidrigen Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden handelt. Dann sind die Grenzen der Befugnis des Bundes zum Erlaß von Planfeststellungsgesetzen aufzuzeigen, bevor abschließend auf die Klagemöglichkeiten der Länder gegen nach ihrer Ansicht unter fehlerhafter Anwendung von Landesrecht zustande gekommene Planfeststellungsbeschlüsse einzugehen ist 3 1 . a) Die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit des Bundes für die Zuständigkeitskonzentration - die Vorteile der Zuständigkeitskonzentration aa) Man könnte zunächst der Auffassung sein, die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von Landesrecht stelle sich nicht, weil § 75 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwVfG so zu lesen sei, daß die betroffene Planfeststellungsbehörde ohnehin nur Bundesrecht zu berücksichtigen habe. Für landesrechtlich geregelte Belange blieben die entsprechenden Landesbehörden zuständig. Dies hätte zur Folge, daß die Konzentrationswirkung der Planfeststellung auf die Übertragung der Zuständigkeit für bundesrechtlich geregelte Belange beschränkt wäre 32 . Diesem Normverständnis ist jedoch nicht zu folgen, denn es wird den Anforderungen nicht gerecht, die an die rechtliche Ausgestaltung der Realisierung von Großvorhaben durch Planfeststellungsverfahren zu stellen sind. Die Planung solcher Vorhaben soll hinsichtlich aller betroffener Belange in einer Hand liegen. In klarer, nüchterner Prägnanz und Strenge ist dies in § 75 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwVfG geregelt: „...; neben der Planfeststellung sind andere behördliche Entscheigen, daß das BVerwG seine im Urteil zur Lech-Unterquerung eher beiläufig geäußerte gegenteilige Auffassung (BVerwG, Urt. v. 29. Juni 1967 - IV C 36.66 - , BVerwGE 27, S. 253 (256)) mittlerweile stillschweigend aufgegeben hat (Bonk, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 4. Aufl. 1993, § 75 Rn. 14 m. w. Nachw.). Zu beachten ist, daß Verfahrensrechte privater Dritter nach den sekundären Normen bestehen bleiben: Bonk, aaO, § 75 Rn. 14. 30 Heitz, Organisationsrecht der Planfeststellung, 1990, S. 25 spricht plastisch auch von einer „Entmachtung" der Behörden, die ohne Anordnung eines Planfeststellungsverfahrens für die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens und den Erlaß einer Zulässigkeitsentscheidung über einen Teilaspekt des Vorhabens zuständig wären. 31 Es muß nicht eigens erwähnt werden, daß die Ausführungen nur für die Zuständigkeitskonzentration hinsichtlich des Landesrechts in Planfeststellungsverfahren des Bundes gelten. Für die Bundesauftragsverwaltung könnten andere Erwägungen maßgeblich sein; darauf ist hier nicht weiter einzugehen. Vgl. dazu Ossenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 ff. 32 Vgl. Kopp, VwVfG, 5. Aufl. 1991, § 74 Rn. 12: Ausgenommen von der Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde und damit auch von der Ersetzungswirkung hinsichtlich sonst für das Vorhaben erforderlicher Genehmigungen usw. seien Genehmigungen in Bereichen, für die der Bund unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Gesetzgebungsbefugnis habe. Der Zusammenhang mit dem Planfeststellungsverfahren oder die Zweckmäßigkeit der Miterledigung sonstiger Genehmigungsverfahren allein genüge insoweit nicht.
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düngen, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen nicht erforderlich". Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Beschleunigung und Effektuierung des Verfahrens würde in einer wesentlichen Hinsicht nicht erreicht, wenn neben der Planfeststellung stets noch landesrechtliche Genehmigungen, Erlaubnisse usw. eingeholt werden müßten. Das Rechtsinstitut würde seinen eigentlichen Sinn weitgehend verlieren. Da dieses Ergebnis mit den Zielvorstellungen des Gesetzgebers kaum vereinbar wäre, ist im Gegenteil davon auszugehen, daß der Gesetzgeber die Bundesbehörden ermächtigen wollte, in ihrer einheitlichen Entscheidung auch landesrechtlich geschützte Belange, unter Ausschaltung der an sich zuständigen Landesbehörden, zu berücksichtigen. bb) Allerdings ist damit nur umrissen, wie der richtig verstandene Wille des Gesetzgebers zu interpretieren sein könnte. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieses Ansatzes ist dagegen noch keineswegs dargetan. Die so ermittelte Reichweite der Konzentrationswirkung ist daher auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand zu stellen. Es stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Bund die Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnis besitzt, die Zuständigkeit zur Anwendung landesrechtlicher Normen auf Gegenstände der bundeseigenen Verwaltung zu übertragen 33. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu in der Entscheidung vom 29. Juni 1967 34 zur Konzentrationswirkung nach § 7 TWG recht apodiktisch festgestellt, soweit ihm bekannt, habe bislang noch niemand die Verfassungsmäßigkeit der sog. EinheitsWirkung in Vorschriften wie § 36 BBahnG (a.F.) oder § 17 FStrG bezweifelt. Dementgegen jedoch läßt sich an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Erstreckung der Konzentrationswirkung auf landesrechtlich geschützte Belange sehr wohl zweifeln 35 . Immerhin unterliegt das einschlägige Landesrecht einem anderen Kompetenzregime. Der „Übergriff' des Bundesgesetzgebers in das an sich fremde Kompetenzgebiet bedarf jedenfalls der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Ein „prinzipieller Angriff auf die Planfeststellung aus der Sicht der bundesstaatlichen Kompetenzordnung" 36 erscheint daher keineswegs fernliegend 37. Die Rechtfertigung kann nur darin liegen, daß die der Planfeststellungsvorschrift zugrundeliegenden Gesetzgebungs - und Verwaltungskompetenztitel (etwa Art. 73 Nr. 6 a, 87 e Abs. 1 GG bezüglich der eisenbahnrechtlichen Planfeststel33 Zu der hier nicht weiter interessierenden Ersetzung bundesrechtlicher Genehmigungen usw. durch landesbehördliche Planfeststellungen s. § 100 Nr. 2 VwVfG, dazu etwa Hoppe / Schiarmann, Rechtsschutz bei der Planung von Straßen und anderen Verkehrsanlagen, 2. Aufl. 1981, Rn. 31, 33 b; Bonk, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 4. Aufl. 1993, § 72 Rn. 12 und § 100 Rn. 3. 3 4 BVerwG, Urt. v. 29. Juni 1967 - IV C 36.66 - , BVerwGE 27, S. 253 (256). 35 Vgl. insbes. Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 76 ff.; Kopp, NuR 1991, S. 449 (451). 3
6 Ossenhühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (114).
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So Ossenbühl (Fn. zuvor).
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lung) auch die Befugnis zum „Übergriff' qua Zuständigkeitskonzentration in das Landesrecht und die Landesverwaltung umfassen. Fraglich ist allerdings, ob die Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnis sich nur auf die Anordnung der Zuständigkeitskonzentration als solcher beziehen muß 38 , oder ob darüber hinaus der Bund auch die Zuständigkeit bezüglich der sekundären materiellen landesrechtlichen Normen besitzen, also etwa über einen Titel „Denkmalschutzrecht für Bahnanlagen" verfügen muß 39 . Ob letzteres der Fall sein muß, wird sogleich unter b. untersucht, zunächst einmal ist darzustellen, welche Gesichtspunkte in allgemeiner Hinsicht für die Zuständigkeitskonzentration streiten. Unter dem historischen Aspekt ist hierbei nicht zu verkennen, daß die Planfeststellung und die mit ihr verbundene Konzentrationswirkung seit Beginn des 19. Jahrhunderts anerkannt sind 40 . Obgleich der historische Gesichtspunkt nicht überbewertet werden darf 41 , ist in diesem Zusammenhang nicht zu vernachlässigen, daß in der Weimarer Republik das Planfeststellungsrecht auch die Befugnis der Planfeststellungsbehörde des Reiches (Reichsbahn) enthielt, über landesrechtlich geregelte Belange zu entscheiden42. Unter dem eigentlich ausschlaggebenden teleologischen Gesichtspunkt43 spricht ebenfalls alles dafür, die grundsätzliche Zulässigkeit derartiger Vollzugsverlagerungen zu bejahen44. Es handelt sich hier um einen verfassungstheoretisch hochinteressanten Widerstreit zwischen der Entscheidung zur Kompetenztrennung im Bundesstaat (vertikale Gewaltenteilung) auf der einen und der Entscheidung für eine Zuständigkeitskonzentration zur Durchführung eines bedeutenden Vorhabens in einem einzigen 38 So könnte BVerwG, Urt. v. 29. Juni 1967 - IV C 36.66 - , BVerwGE 27, S. 253 (256) zu verstehen sein; in ähnlicher Weise unterscheidet der 4. Senat in der ersten B 42-Entscheidung zwischen der Zuständigkeitskonzentration als solcher und dem Übergang materieller Befugnisse auf den Bund: BVerwG, Urt. v. 14. Februar 1969 - IV C 215.65 - , BVerwGE 31, S. 263 (268). Aus der Lit. vgl. Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 44 f.; Kopp, BayVBl. 1973, S. 85 (87). 39 So wohl im Ergebnis BVerwG, Beschl. v. 7. Januar 1992 - 7 B 153.91 - , NWVBL 1992, S. 202; Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 106; Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 76 ff.; Kopp, NuR 1991, S. 449 (451): Begrenzung der Konzentrationswirkung aus bundesstaatlichen Gesichtspunkten; ders., VwVfG, 5. Aufl. 1991, § 74 Rn. 12. Im Ergebnis wohl auch Bonk, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 4. Aufl. 1993, § 72 Rn. 12. Die Frage ist letztlich offengelassen von Ossenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (116), allerdings scheint Ossenbühl der ersten Alternative eine gewisse Präferenz einzuräumen. 40 Grdl. Blümel, Die Bauplanfeststellung I, 1961; ferner Ossenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (116); Schweitzer /Meng, DVB1. 1975, S. 940 (941 ff.). 41
Zur Begründung s. o. im Dritten Teil sub C. III. 3. 42 RG, Beschl. v. 17. Dezember 1932 - V Tgb. 4/32 - , RGZ 139, S. 136 (146); vgl. auch die Nachw. bei Blümel, Die Bauplanfeststellung I, 1961, S. 158 ff., 178 ff. 43 Dazu oben im Dritten Teil unter C. III. 3. 44 Dazu insbes. Schweitzer / Meng, DVB1. 1975, S. 940 (943 f.); ferner auch Kopp, BayVBl. 1973, S. 85 (86 f.). 8*
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Verfahren auf der anderen Seite. Welchem Grundprinzip zu folgen ist, kann unter Zuhilfenahme des lex-specialis-Gedankens bestimmt werden. Die Entscheidung für die bundesstaatliche Gewaltenteilung ist die weitere, globalere, weniger spezifizierte. Die Entscheidung für die Zuständigkeitskonzentration dagegen, bundesstaatlich gewissermaßen „blind", ist die speziellere Festlegung, die in die bundesstaatliche Konstellation „eingebettet" ist, auch und gerade in historischer Hinsicht. Durch sie wird die föderale Organisation der Bundesrepublik nicht negiert oder verletzt, sondern für einen bestimmten Sachbereich lediglich modifiziert. Die weitere Rechtfertigung für die Verlagerung der Zuständigkeit leitet sich aus dem „großen und unbestreitbaren verwaltungsmäßigen Vorteile der uneingeschränkten und umfassenden Planfeststellung" 45 ab 46 . Die Vorteile sind so evident, daß sie kaum einer weiteren Erwähnung bedürfen: Der Vorhabenträger hat es nur mit einer einzigen Behörde zu tun, die Entscheidungsbefugnisse sind festgelegt, weder kann es zu einem „Kompetenzwirrwarr" noch zu widerstreitenden Entscheidungen verschiedener Behörden kommen. Genau diesen Gesichtspunkt hatte der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts denn auch im Auge, wenn er in dem Urteil zur Lech-Unterquerung feststellt: „Der Bund ist hiernach nicht nur in der Lage, Befugnisse anderer Bundesbehörden bei einer bestimmten Bundesbehörde zusammenzufassen, sondern er kann auch, damit alle verschiedenen Gesichtspunkte bei einer einzigen Stelle gehörig gegeneinander abgewogen werden können, was auch der wünschenswerten Beschleunigung dient, an sich landesrechtliche Belange in das Verwaltungshandeln einer Bundesbehörde miteinbeziehen. Dies verstößt keineswegs gegen die bundesstaatliche Ordnung unseres Staatswesens"47. Doch damit nicht genug. Wie Ossenbühl48 m. E. zutreffend ausführt, wirken sich die mit der Zuständigkeitskonzentration verbundenen Vorteile nicht nur positiv auf den Vorhabenträger und damit (falls es sich nicht um eine privatnützige Planfeststellung 49 handelt) auf die staatliche Aufgabenerfüllung aus; sie verbleiben 45 BVerfG, Beschl. v. 15. Juli 1969 - 2 BvF 1/64 - , BVerfGE 26, S. 338 (374); zust. etwa Bonk, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 4. Aufl. 1993, § 75 Rn. 13; Ossenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (109 f.). 46 Prägnant zu den Vorteilen der Zuständigkeitskonzentration in der straßenbaurechtlichen Planfeststellung Karwath, Die Konzentrationswirkung der Planfeststellung nach dem Bundesfernstraßengesetz, 1968, S. 91: „Darüber hinaus bewirkt die einheitliche Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde, daß der in den anzuwendenden Sachnormen den Verwaltungsbehörden eingeräumte Beurteilungs- und Ermessensspielraum durch eine Behörde ausgefüllt wird, die mit den Notwendigkeiten des Fernstraßenbaues eng vertraut, eventuellem örtlichen Interessendruck weitgehend entzogen und zur Entscheidung nach überregionalen Grundsätzen befähigt ist"; vgl. weiterhin auch Schweitzer /Meng, DVB1. 1975, S. 940 (943). 47 BVerwG, Urt. v. 29. Juni 1967 - IV C 36.66 - , BVerwGE 27, S. 253 (256). 48 Ossenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (117). Ansatzweise auch Kopp, BayVBl. 1973, S. 85 (86). 49 Grdl. zur privatnützigen Planfeststellung: BVerwG, Urt. v. 10. Februar 1978 - 4 C 25.75 -,BVerwGE55, S. 220ff.; BVerwG, Urt. v. 9. März 1 9 9 0 - I C 21.89-, BVerwGE85, S. 44 ff.; s. dazu auch Kühling, Fachplanungsrecht, 1988, Rn. 23.
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keineswegs allein im rein staatsinternen Bereich. Vielmehr sind auch verfassungsrechtlich geschützte Ansprüche des Bürgers im Spiel. Dem Bürger können sehr wohl Ansprüche auf eine leistungsfähige, weil einheitliche Verwaltung zustehen. Diese berechtigten verfassungsrechtlichen Erwartungen des Bürgers an den Staat auf eine effektiv arbeitende Verwaltung wirken sich dahin aus, daß es als verfassungsrechtlich zulässig und sogar geboten anzusehen ist, wenn in verwaltungsorganisationsrechtlicher Hinsicht Verfahrensverbindungen vorgesehen sind 50 . Die soeben beschriebene „Einbettung" der spezielleren Festlegung für die Zuständigkeitskonzentration in die allgemeinere für den föderalen Staatsaufbau kann somit noch ergänzt und verfeinert werden: Denn es ist eben auch ein verfassungsrechtliches Problem, „ob und inwieweit der Staat die Folgen seiner hochspezialisierten und durch föderalistische Schichtungen zusätzlich verkomplizierten Verwaltungsorganisationen auf dem Rücken der Bürger und Antragsteller auswirken darf' 5 1 . Die bürgerfreundliche Einheitswirkung des Planfeststellungsverfahrens ist aus verfassungsrechtlicher Sicht somit ebenso in Ansatz zu bringen wie die mit der Kompetenztrennung verbundene Idee der vertikalen Gewaltenteilung52. Die Zuerkennung der Gesetzgebungsbefugnis des Bundes zur Erstreckung der Konzentrationswirkung auch in landesrechtlich geregelte Bereiche rechtfertigt sich daher auch aus teleologischen Gesichtspunkten. Ob die Erstreckung der Konzentrationswirkung auf landesrechtlich geschützte Belange überdies bereits verfassungsgewohnheitsrechtlich anerkannt ist, wie in der Lehre z.T. angenommen wird 5 3 , könnte zweifelhaft sein. Eine verfassungsgewohnheitsrechtliche Verfestigung bestehender Rechtszustände wird man allenfalls in ganz wenigen Ausnahmefällen annehmen können 54 . Es dürfte sogar mehr dafür sprechen, wegen der zu berücksichtigenden Verfassungslage vor Erlaß des Grundgesetzes und der Anerkennung „stillschweigend mitgeschriebener", durch teleologische Auslegung zu ermittelnder Kompetenzen die Existenz von Verfassungsgewohnheitsrecht gänzlich zu verneinen 55. Allenfalls dann, wenn man Verfassungsgewohnheitsrecht praeter constitutionem für möglich hält, ließe sich die Erstrekkung der Konzentrationswirkung aus diesem Gesichtspunkt rechtfertigen 56. Da jedoch die historischen und teleologischen Überlegungen zu dem eindeutigen Ergebnis der Zulässigkeit der Erstreckung der Konzentrationswirkung in landesrechtlich geordnete Bereiche geführt haben, muß hierauf nicht weiter eingegangen werden. 50 Ossenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (117). 51 Ossenbühl (Fn. zuvor), S. 117. 52 Ossenbühl, aaO, S. 117. 53 Ossenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (117). 54 Grds. zur Möglichkeit von Verfassungsgewohnheitsrecht: Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, 1972, insbes. S. 81 ff., 132 ff., 145 ff. 55 Badura, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VII, 1992, § 160 Rn. 10. 56 Vgl. Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VII, 1992, § 162 Rn. 64.
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Ohne daß bisher auf die konkreten Belange hätte eingegangen werden müssen, bezüglich derer ein Übergang der Zuständigkeiten von den Länderbehörden auf die Planfeststellungsbehörde des Bundes stattfinden kann, und ohne daß bisher das „Schicksal" des sekundären materiellen Rechts hätte behandelt werden müssen, läßt sich somit feststellen, daß gewichtige Argumente für eine Zuständigkeitskonzentration auch in den landesrechtlich geregelten Bereich sprechen 57.
b) Die konkrete Reichweite der Erstreckung der Zuständigkeitskonzentration in den Landesbereich - Notwendigkeit einer Bundeskompetenz für das materielle sekundäre Landesrecht Bisher wurden die Gesichtspunkte genannt, die für die Erstreckung der Konzentrationswirkung hinsichtlich der Behördenzuständigkeit in den Landesbereich sprechen. In einem zweiten Schritt ist nun darzustellen, wie weit, d. h. bezüglich welcher konkreter Rechtsmaterien, die Zuständigkeit der Landesbehörden auf die Planfeststellungsbehörde übergeht. Dies betrifft die Frage, ob der Bund auch eine Kompetenz hinsichtlich des sekundären materiellen Landesrechts besitzen muß. Damit identisch ist das weitere „Schicksal" des sekundären materiellen Rechts: Wenn nämlich der Bund, damit die Planfeststellungsbehörde die Zuständigkeit auch hinsichtlich des Landesrechts hat, die materielle Kompetenz besitzen muß und er diese besitzt, ist das Landesrecht „ausgeschaltet"; wenn er sie nicht besitzt, muß der Vörhabenträger bei der Landesbehörde die erforderliche Genehmigung einholen; wenn der Bund die Kompetenz für das sekundäre materielle Landesrecht dagegen nicht haben muß, die verfassungsrechtlichen Vorteile der Zuständigkeitskonzentration für einen umfassenden Übergang aller Zuständigkeiten vielmehr ausreichen, ist die Landesbehörde „ausgeschaltet", dann muß die Planfeststellungsbehörde das sekundäre materielle Landesrecht berücksichtigen, es fragt sich nur, ob als Bundes- oder als Landesrecht, wenn als Landesrecht schließlich, ob dies einen verfassungswidrigen Vollzug von Landesrecht durch eine Bundesbehörde darstellt.
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Die Konzentrationswirkung auch hinsichtlich des Landesrechts halten für grundsätzlich zulässig: Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 106 ff., 116 ff., 121 ff; Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 204 f.; Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 32 f.; Klein, DÖV 1977, S. 194 (195); Kopp, BayVBl. 1973, S. 85 ff.; Ossenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (116 ff.); Salzwedel, NuR 1984, S. 165 (169); Schweitzer / Meng, DVB1. 1975, S. 940 ff. Aus der Rspr.: BVerfG, Beschl. v. 15. Juli 1969 - 2 BvF 1/64 - , BVerfGE 26, S. 338 (369 ff.); BVerwG, Urt. v. 29. Juni 1967 - IV C 36.66 - , BVerwGE 27, S. 253 (256); BVerwG, Urt. v. 28. Juni 1968 - IV C 11.65 - , DÖV 1969, S. 206 (207); BVerwG, Urt. v. 14. Februar 1969 - IV C 215.65 - , BVerwGE 31, S. 263 (267 f., 271 f.); BVerwG, Urt. v. 14. April 1989 - 4 C 31.88 - , BVerwGE 82, S. 17 (21 ff.); BVerwG, Beschl. v. 7. Januar 1992 16 K 2886/86 - , NWVBL 1992, S. 202.
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aa) Wieder 58 aktuell geworden ist die Fragestellung durch folgende Ausführungen des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 14. April 198959 betreffend die Rechtsschutzmöglichkeiten der Länder gegen Planfeststellungen des Bundes (bundesbahnrechtliche Planfeststellung nach § 36 BBahnG a.F.): Da der Bund für den Bereich der Eisenbahnen die ausschließliche Kompetenz besitze, habe er es kompetenzrechtlich in der Hand, jedwede Zuständigkeit des Landes auszuschließen. Der Bund habe der Bundesbahn dementsprechend die Befugnis zur umfassenden Planfeststellung ohne jede Einschränkung eingeräumt und ihr durch die Konzentrationswirkung die Möglichkeit eröffnet, landesrechtlich normierte Belange abwägend zu überwinden. Ob der Bundesgesetzgeber eine derartige Befugnis hinsichtlich des gesamten Landesrechts besitzt, ließ der Senat dahinstehen. Jedenfalls soll sie dann gegeben sein, wenn eine ausschließliche Zuständigkeit des Landesgesetzgebers nicht gegeben sei, wie bei dem Recht des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Der Bund habe hier seine Gesetzgebungskompetenz (Art. 75 Nr. 3 GG, § 9 BNatSchG) so ausgeübt, daß er die Landesbehörden von jedem Gesetzesvollzug bei Bundesvorhaben ausgeschlossen habe. Aus diesen Ausführungen hat man in der Lehre geschlossen, das Gericht habe es offen gelassen, ob der Bund ein Planfeststellungsverfahren anordnen könne, dessen Konzentrationswirkung in den Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit der Länder hineinreiche 60. Hoppe vertritt daran anknüpfend in seinem Rechtsgutachten zum Rechtsschutz der Länder in Planfeststellungsverfahren des Bundes die Ansicht, die Konzentrationswirkung der bundesbahnrechtlichen Planfeststellung umfasse nicht das Denkmalschutzrecht der Länder 61 . Dem Bund stehe eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz auch nicht kraft Sachzusammenhangs oder aus der Natur der Sache zu. Zwischen dem Recht des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege und dem ausschließlichen Gesetzgebungsrecht des Bundes für die Eisenbahnen des Bundes bestehe keineswegs ein derart enger, unlösbarer Zusammenhang der Sachbereiche, wie er für die Annahme einer Annexkompetenz zu Recht allgemein gefordert werde 62 . Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ist dem in dem Beschluß vom 7. Januar 199263 jedoch nicht gefolgt. In dem Fall wandte sich das klagende Land 58 Vgl. zuvor insbes. Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 92 ff.; Kopp, BayVBl. 1973, S. 85 ff.; nunmehr bes. Össenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 ff. 59 BVerwG, Urt. v. 14. April 1989 - 4 C 31.88 - , BVerwGE 82, S. 17 ff. 60 Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 48; Össenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (115).
61 Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 54, 76 ff.; zuvor ebenso bereits Kopp, NuR 1991, S. 449 (451). 62 Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 54; Kopp, NuR 1991, S. 449 (451). Zum umgekehrten Ergebnis (bei der fernstraßenrechtlichen Planfeststellung) gelangen etwa Schweitzer / Meng, DVB1. 1975, S. 940 (941 ff.): Kompetenz des Bundes aus Art. 74 Nr. 22 GG, eine Zuständigkeitskonzentration auch bezüglich des Denkmalschutzes (beim Bau von Bundesfernstraßen: „Eltville an der Autobahn") anzuordnen. 63 BVerwG, Beschl. v. 7. Januar 1992 - 7 B 153.91 - , NWVBL 1992, S. 202.
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aus denkmalschutzrechtlichen Gründen gegen einen Planfeststellungsbeschluß der beklagten Bundesbahn, der den Abriß einer Eisenbahnbrücke zum Gegenstand hatte. Die Nichtzulassungsbeschwerde hatte das Land u.a. damit begründet, daß grundsätzlich geklärt werden müsse, ob die Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte des Landes in Gestalt einer nachhaltigen Störung der Kulturhoheit zu bejahen sei, wenn ausschließlich finanzielle Gesichtspunkte für die in dem Planfeststellungsbeschluß angeordnete Beseitigung einer denkmalgeschützten Bahnanlage maßgebend seien. Der 7. Senat verneinte indes, daß diese Frage der grundsätzlichen Klärung bedürfe: Nach § 36 Abs. 1 Satz 3 BBahnG (a.F.) seien im Rahmen der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung die Belange des Denkmalschutzes zu berücksichtigen. Die Vorschrift verweise zwar in bezug auf den Schutzgegenstand auf Landesrecht; Grundlage für die Anwendung dieses Rechts bleibe aber die bundesrechtliche Verweisung mit der Folge, daß die Beklagte Bundesrecht ausführe 64. bb) Dieser Kunstgriff, mit dem der 7. Senat65 versucht, um die grundlegende dogmatische Fragestellung herumzukommen, die der 4. Senat in dem Urteil vom 14. April 1989 66 aufgeworfen hat, ist allerdings zurückzuweisen. Ohne daß man hier bereits darauf eingehen muß, ob § 36 Abs. 1 Satz 3 BBahnG (a.F.) überhaupt die Anordnung treffen kann, die der 7. Senat der Vorschrift beilegen will (dazu sogleich), kann es nicht angehen, die Zuständigkeitskonzentration von dem Vorliegen einer einfachrechtlichen Verweisungsvorschrift abhängig zu machen. Ob der Bundesgesetzgeber eine Verweisungsvorschrift für notwendig hält und sie erläßt, kann von der Einschätzung in dem federführenden Ministerium, letztlich auch vom Zufall abhängen67. Daran wird man kaum grundlegende verfassungsdogmatische Rechtsfolgen knüpfen können. cc) Dies jedoch eher am Rande. Die zentrale dogmatische Frage ist, ob der Bund für eine umfassende Zuständigkeitskonzentration auch die Gesetzgebungskompetenz für das sekundäre materielle Recht (Denkmalschutzrecht) haben muß. Diese Frage bejaht der 7. Senat68 implizit, wenn er die Verweisungsbefugnis für gegeben hält. Die Berechtigung dieses Ansatzes jedoch ist zweifelhaft, und zwar in doppelter Hinsicht. (1) Hinsichtlich der Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für das Denkmalschutzrecht an Betriebsanlagen der Bahn ist festzustellen, daß die Ansicht des 7. Senats in Widerspruch steht zu dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 1983 69 und im Ergebnis auch zu dem Be64 Hier erfolgt ein Verweis auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Eisenbahnkreuzungs-Urteil (BVerfGE 26, S. 338 (368)). 65 BVerwG, Beschl. v. 7. Januar 1992 - 7 B 153.91 - , NWVBL 1992, S. 202. 66 BVerwG, Urt. v. 14. April 1989 - 4 C 31.88 - , BVerwGE 82, S. 17 ff.
67 Beispiel dafür: In den durch das ENeuOG neugeschaffenen Vorschriften über die eisenbahnrechtliche Planfeststellung ist die explizite Verweisung auf das Denkmalschutzrecht nicht mehr enthalten (vgl. §§ 18 ff. AEG n.F.). 68 BVerwG, Beschl. v. 7. Januar 1992 - 7 B 153.91 - , NWVBL 1992, S. 202.
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Schluß des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 1984 70 , ohne daß der 7. Senat sich damit auseinandersetzt. Denn das OVG NW hat eindeutig festgestellt, daß der Bund keine materielle Zuständigkeit für den Bereich „Denkmalschutzrecht an Bahnanlagen" besitzt und daß der Bundesgesetzgeber bei Erlaß des § 36 Abs. 1 Satz 3 BBahnG (a.F.) davon auch selbst ausgegangen sei. Der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat zwar wesentlich vorsichtiger formuliert und entscheidend auf die (verneinte) Eingriffsqualität der vorläufigen Eintragung in die Denkmalliste abgestellt. Immerhin aber hat der 4. Senat hervorgehoben, daß das Bundesbahngesetz sachlichrechtliche Vorschriften landesrechtlich geordneter Rechtsgebiete für den Bereich der bundesbahnrechtlichen Planfeststellung nicht verdränge, daß „insbesondere die sog. Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses nicht eine solche Stärke hat, sondern daß das BbG von der grundsätzlichen Bindung an materielle Anforderungen des Landesrechts ausgeht"71, auch durch § 36 Abs. 1 Satz 3 BBahnG (a.F.) solle daran nichts geändert werden. Der 7. Senat hätte daher zumindest erläutern müssen, wie sich seine Interpretation des § 36 Abs. 1 Satz 3 BBahnG (a.F.) damit vereinbaren lassen soll. Das aber würde kaum gelingen. Denn die Tatsache, daß in einer einfachgesetzlichen Planfeststellungsvorschrift ein Hinweis enthalten ist (war), daß die Planfeststellungsbehörde an sich landesrechtlich geschützte Belange zu beachten hat 72 , vermag keine Begründung dafür zu liefern, daß der Bund auch die Befugnis zur Anordnung dieser Verweisung besitzt. Die Frage ist ja gerade, ob dem Bund verfassungsrechtlich die Befugnis zusteht, in landesrechtliche Zuständigkeiten „hinüberzugreifen". Wenn der Bund nun nach Ansicht des 7. Senats die Befugnis besitzen soll, mittels einer Verweisungsvorschrift zu regeln, inwiefern der Denkmalschutz bei der Planfeststellung hinsichtlich der Betriebsanlagen der Bahn zu berücksichtigen ist, dann weist der Senat dem Bund eben doch den Kompetenztitel „Denkmalschutz an Bahnanlagen" zu. Die Verweisungsbefugnis des Bundes setzt ja gerade voraus, daß er die Gesetzgebungsbefugnis für das entsprechende Sachgebiet besitzt. Das ergibt sich aus einer einfachen Überlegung. § 36 Abs. 1 Satz 3 BBahnG (a.F.) kann in Hinblick auf die Anwendung von Landesrecht als Bundesrecht oder Landesrecht in der Planfeststellung zweierlei Bedeutung haben, nämlich deklaratorische oder konstitutive. Konstitutive Bedeutung hat die Vorschrift, wenn man davon ausgeht, daß der Bund die materielle Zuständigkeit für „Denkmalschutz an Bahnbetriebsanlagen" hat, denn dann ordnet sie die Berücksichtigung von Belangen an, von denen die Bahn gerade freigestellt ist. Deklaratorische Bedeutung hat die Vorschrift dagegen, wenn man die Bahn als schlichten Normadressaten von der Beachtung des Landesdenkmalschutzrechts nicht für eximiert hält, denn dann ergibt sich bereits
69 OVG NW, Urt. v. 15. Dezember 1983 - I I A 1949/83 - , DÖV 1984, S. 475 f. 70 BVerwG, Beschl. v. 23. März 1984 - 4 B 43.84 DÖV 1984, S. 814. BVerwG, Beschl. v. 23. März 1984 - 4 B 43.84 - , DÖV 1984, S. 814. 72 Zu § 36 Abs. 1 Satz 3 BBahnG (a.F.) s. BT-Drucks. 8/3716 und 3105; s. a. Moench, NJW 1980, S. 2343 f.
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aus Art. 20 Abs. 3 GG, daß die Bahn auch bei der Planfeststellung das Denkmalschutzrecht berücksichtigen muß, wenn man die Entscheidungsbefugnis der Bundesbehörde unter Ausschaltung der Landesbehörde einmal voraussetzt 73 und nicht bereits aus diesem Umstand die Zuständigkeitskonzentration verneint. Wer § 36 Abs. 1 Satz 3 BBahnG (a.F.) deklaratorisch versteht, muß daher zu dem Ergebnis kommen, daß die Planfeststellungsbehörde das Landesrecht als Landesrecht anwenden muß. Wenn man dagegen annimmt, daß die Bahn ermächtigt sein soll, das Landesrecht als Bundesrecht anzuwenden, setzt man die materielle Kompetenz des Bundes zur Anordnung dieser Rechtsfolge gerade voraus, legt § 36 Abs. 1 Satz 3 BBahnG (a.F.) also konstitutive Bedeutung zu. Denn eine Anordnung hinsichtlich der Anwendbarkeit von Rechtsvorschriften kann nur treffen, wer dazu kompetentiell legitimiert ist 7 4 . Das aber ist gerade das Ergebnis, das insbesondere das OVG N W 7 5 zu Recht ausdrücklich verneint hat. (2) Fraglich ist allerdings, ob es für den hier interessierenden Zusammenhang überhaupt erforderlich war, daß der 7. Senat76 sich auf die materielle Kompetenz des Bundes für die Regelung des Denkmalschutzes an Betriebsanlagen der Bahn berufen hat. Denn es könnte sein, daß die Zuständigkeitskonzentration auch hinsichtlich landesrechtlich geregelter Belange bereits aus den oben dargestellten Gründen gerechtfertigt ist, ohne daß es der weiteren Zuständigkeit für das materielle Recht bedarf. Dies soll am Beispiel der Zuständigkeitskonzentration hinsichtlich des Denkmalschutzrechts der Länder in der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung näher untersucht werden. Es ist vorab notwendig, sich den Unterschied zwischen der Bindung der Bahn an das Denkmalschutzrecht als schlichter Normadressat außerhalb eines Planfeststellungsverfahrens und der Befugnis zur Berücksichtigung denkmalschutzrechtlich geschützter Belange bei einer Planfeststellung und den hieraus folgenden Unterschied bezüglich der Reichweite der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen des Bundes bewußt zu machen. Soweit die Bahn kein Planfeststellungsverfahren zur Veränderung ihrer Betriebsanlagen durchführt, unterliegt sie, wie oben festgestellt, dem formellen und materiellen Denkmalschutzrecht der Länder, weil eine Auslegung der entsprechenden Gesetzgebungskompetenz ergibt, daß eine Freistellung nicht „unerläßlich" ist 7 7 .
73 So wie die Rechtsprechung dies z. T. tut, weil die Planfeststellungsbehörde das sekundäre materielle Recht nur „beachte", nicht „vollziehe", s. sogleich unter c. 74 Wenn man dagegen annimmt, daß der Bund keinen Titel für „Denkmalschutz an Betriebsanlagen" besitzt, kommt nur der (deklaratorische und damit inhaltslose) Hinweis in Betracht, daß die Planfeststellungsbehörde Landesrecht als Landesrecht anzuwenden hat. 7 5 OVG NW, Urt. v. 15. Dezember 1983 - I I A 1949/83 - , DÖV 1984, S. 475 f. 7
* BVerwG, Beschl. v. 7. Januar 1992 - 7 B 153.91 Vgl. oben im Dritten Teil unter C. III. 4.
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NWVBL 1992, S. 202.
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Eine ganz andere, nämlich die gewissermaßen umgekehrte Konstellation ist gegeben, wenn das Eisenbahn-Bundesamt ein Planfeststellungsverfahren zur Veränderung einer Betriebsanlage durchführt und dabei die Frage auftritt, ob diese Behörde über Belange des Denkmalschutzes entscheiden darf bzw. ob insoweit noch eine eigene Genehmigung der Landesdenkmalbehörde eingeholt werden muß. Der in der Literatur 78 anklingenden Vorstellung, es bestehe hier ein Junktim, so daß wegen der fehlenden Exemtion auch die Zuständigkeitskonzentration zu verneinen wäre, ist nicht ohne weiteres zu folgen. Richtig ist allerdings, daß die Planfeststellungsbehörde keine landesrechtlichen Belange in die Abwägung einstellen muß, hinsichtlich deren die Bundesverwaltung ohnehin eximiert ist (Bsp.: Bauordnungsrecht); dann kommt eine eigene Entscheidung der Landesbehörde von vornherein ebenfalls nicht in Betracht. Eine Ausnahme besteht, wie ausgeführt, nur, wenn der Bundesgesetzgeber dies ausdrücklich anordnet. Dann würde die Bundesbehörde das Landesrecht tatsächlich als Bundesrecht übernehmen 79. Im übrigen fragt es sich allerdings sehr wohl, ob die Zuständigkeitskonzentration auch dann zu bejahen ist, wenn die Bundesverwaltung nicht eximiert ist, also an sich dem materiellen und formellen Landesrecht unterliegt. Denn zwischen der Betroffenheit der Bundesverwaltung als schlichter Normadressat und als Handelnde in einem eigenen Verwaltungsverfahren (Planfeststellungsverfahren) ist genau zu unterscheiden. Die verfassungsrechtlichen Erwägungen, die für oder gegen die Freistellung bei der Betroffenheit als schlichter Normadressat anzustellen sind, können ganz andere sein als die, die hinsichtlich der Zuständigkeitskonzentration (Zuständigkeitsverlagerung) gelten: Der Bund kann, obwohl nicht freigestellt, in dem Fall der Planfeststellung ausnahmsweise zur Entscheidung berufen sein. Zur Klarstellung empfiehlt es sich, die hier in Betracht kommenden Möglichkeiten zu rekapitulieren. Erstens: Denkmalschutz spielt in der Planfeststellung überhaupt keine Rolle. Dies wäre mit § 36 Abs. 1 Satz 3 BBahnG (a.F.) nicht vereinbar, liefe letztlich auf die längst überwundene Ansicht von der grundsätzlichen und umfassenden Exemtion des Bundes hinaus und wird daher zu Recht von niemand vertreten 80. Zweitens: Die Planfeststellungsbehörde stellt die Tatsache, daß das Objekt denkmalgeschützt ist, zwar in die Abwägung ein, entscheidet aber letztlich nach eige78 Vgl. Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 106 („sozusagen ... zwei Seiten einer Medaille..."); Kopp, VwVfG, 5. Aufl. 1991, § 74 Rn. 12. Anders Bothe, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 30 Rn. 34, der die Kompetenz zur Zuständigkeitsverlagerung von der Kompetenz für das sekundäre materielle Recht trennt. Wie hier auch Kopp, Bay VB1. 1973, S. 85 (87 f.), der ebenfalls trennt zwischen den verfahrensrechtlichen (Zuständigkeitskonzentration) und den sachlichen Kompetenzen. 79 Falls man die Verweisung ansonsten für zulässig hält, vgl. zur Zulässigkeit von Verweisungen auch Salzwedel, FS Partsch, 1989, S. 581 (590 ff.). so Vgl. Klein, DÖV 1977, S. 194 (195).
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nen Vorstellungen 81 (die in VerwaltungsVorschriften ihren Ausdruck gefunden haben können82), so daß die Landesbehörde ebenfalls ausgeschaltet ist. Voraussetzung ist, daß die Bahn bereits als schlichter Normadressat von der Beachtung des formellen und materiellen Denkmalschutzrechts freigestellt ist. Diese Annahme verträgt sich jedoch nicht mit unserem oben erarbeiteten Ergebnis, daß die Bahn, ist sie als schlichter Normadressat betroffen, an das Denkmalschutzrecht der Länder gebunden ist 8 3 . Da sie nicht freigestellt ist, kann sie auch nicht die Zuständigkeit haben, nach eigenen Vorschriften unter Ausschaltung der Landesbehörden zu entscheiden. Insoweit besteht in der Tat eine Konnexität zwischen der Rolle als schlichter Normadressat und der Zuständigkeitsfrage in der Planfeststellung. Drittens: Die Planfeststellungsbehörde wendet das formelle und materielle Landesdenkmalschutzrecht als inhaltsgleiches, wenn auch länderweise verschiedenes, partikulares 84 Bundesrecht an (Verweisung). Dies wäre die Lösung des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts 85 und des Bundesverfassungsgerichts im Eisenbahnkreuzungs-Urteil 86, die bereits zurückgewiesen wurde. Viertens: Die Planfeststellungsbehörde wendet das Denkmalschutzrecht als Landesrecht an und ist daran im Rahmen ihrer Abwägung in einer noch genauer zu bestimmenden Weise87 gebunden; eine eigene Entscheidung der Landesbehörde ergeht nicht 88 . Wenn man diese Lösungsmöglichkeit für die richtige hält, stellt sich allerdings sogleich die Frage, ob es sich hier um einen verfassungsrechtlich problematischen Fall des Vollzugs von Landesrecht durch Bundesbehörden handelt. Fünftens: Die Planfeststellungsbehörde darf über denkmalschutzrechtliche Belange nicht entscheiden, weil der Bund nicht die Kompetenz zur Regelung des sekundären materiellen Rechts besitzt. Es ist eine gesonderte Genehmigung der zuständigen Landesbehörde erforderlich 89. Das wäre freilich mit dem oben skizzierten Gedanken der umfassenden Entscheidung nicht zu vereinbaren. Es zeigt sich, daß nur die vierte und fünfte Alternative in Betracht kommen. Gegen die fünfte Möglichkeit ist einzuwenden, daß sie, wie oben dargelegt, eine Durchbrechung der mit der Planfeststellung bezweckten Zuständigkeitskonzentra81 So etwa Stähler, Denkmalbegriff, denkmalschutzrelevante Satzungen und Denkmalschutz bei Bundesbehörden, Diss. Münster 1985, S. 169 ff., 196 ff. 82 Zu der Entscheidung nach Richtlinien: Stähler (Fn. zuvor), S. 194 ff. S3 S. o. im Dritten Teil sub C. III. 4. 84 Kopp, BayVBl. 1973, S. 85 (87). 85 BVerwG, Beschl. v. 7. Januar 1992 - 7 B 153.91 - , NWVBL 1992, S. 202. 86 BVerfG, Beschl. v. 15. Juli 1969 - 2 BvF 1/64 - , BVerfGE 26, S. 338 (368). 87 S. u. c. und im Fünften Teil sub C. II. 88 So ist wohl Bothe, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 30 Rn. 34 zu verstehen. Ebenso wohl Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 44 f.; Kopp, BayVBl. 1973, S. 85
(88).
89 Dafür spricht sich Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 54 f. aus. In diese Richtung tendieren auch die Äußerungen von Kopp, NuR 1991, S. 449 (451).
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tion darstellt, für die es keinen wirklich überzeugenden Grund gibt. Zwar haben die Länder selbstverständlich ein legitimes Interesse daran, alle schützenswerten Denkmäler ihrem Regime zu unterstellen und die Entscheidungsbefugnis darüber, ob ein solches Denkmal etwa abgerissen wird, zu behalten. Auf der anderen Seite sind jedoch die oben herausgestellten verfassungsrechtlichen Argumente für die Zuständigkeitskonzentration zu berücksichtigen. Aus den bereits dargestellten Gründen der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung ist es unmittelbar einleuchtend, daß die Entscheidung über alle von dem Vorhaben berührten Belange und die rechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens im Rahmen der Planfeststellung bei der Planfeststellungsbehörde konzentriert sein soll. Wäre der Vorhabenträger verpflichtet, weitere Genehmigungen bei der zuständigen Landesdenkmalbehörde einzuholen, so wären die Beschleunigung und der Effektivitätsgewinn, den die Eröffnung der Planfeststellungsbefugnis mit sich bringt, zumindest teilweise verloren. Der Völlzugsverlust der Länder dagegen hält sich in engen Grenzen; ein unter dem Gesichtspunkt vertikaler Gewaltenteilung wenn auch nicht unbedingt erfreuliches, so doch verfassungsrechtlich hinnehmbares Ergebnis. Im übrigen ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die Planfeststellungsbehörden in der Lage sind, das Landesrecht in der rechten Weise zur Anwendung zu bringen 90 , mag es auch eine gewisse Tendenz geben, die „fachfremden" (insbesondere landesrechtlich geschützten) Belange nicht unbedingt ausschlaggebend sein zu lassen91. Etwaige De90
Vgl. auch Karwath, Die Konzentrationswirkung der Planfeststellung nach dem Bundesfernstraßengesetz, 1968, S. 91; s. a. Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 45, der zutreffend darauf aufmerksam macht, daß die notwendige Sachkunde zumindest durch die Anhörung der an sich zuständigen Landesbehörde gewährleistet ist. Vor der Eisenbahnneuordnung war streitig, ob es an der gebotenen Neutralität der eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbehörde fehlte und ob deswegen eine Zuständigkeitskonzentration in bezug auf das an sich von Landesbehörden auszuführende Landesrecht abzulehnen war. Nach § 36 Abs. 5 BBahnG (a.F.) war nämlich der Vorstand der Deutschen Bundesbahn oder eine von ihm ermächtigte Dienststelle Planfeststellungsbehörde. Manche hielten dies für verfassungswidrig CHoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 79 ff.; Kopp, NuR 1991, S. 449 (452); Obermayer, DVB1. 1987, S. 877 (878)). Das BVerwG hat die Planfeststellung in eigener Sache „mit einigem Wenn und Aber - sozusagen gerade noch - bestätigt" (Kühling, DVB1. 1989, S. 221 (227)): BVerwG, Beschl. v. 9. April 1987 - 4 B 73/87 NVwZ 1987, S. 886 f.; BVerwG, Beschl. v. 24. August 1987 - 4 B 129/87 - , NVwZ 1988, S. 532 ff.; BVerwG, Beschl. v. 25. Februar 1992 - 7 B 20.92 - , Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 21; zust. Fromm, DÖV 1988, S. 1035 (1036); Ronellenfitsch, VerwArch. 80 (1989), S. 92 (108)); vgl. auch Kühling, Fachplanungsrecht, 1988, Rn. 310. Der Streit dürfte sich nunmehr dadurch erledigt haben, daß eisenbahnrechtliche Planfeststellungsbehörde das Eisenbahn-Bundesamt ist (Art. 3 § 3 Abs. 2 Nr. 1 ENeuOG). Die grundsätzliche Diskussion darüber, wie neutral die Planfeststellungsbehörde sein muß, ist damit aber noch längst nicht vom Tisch (vgl. Kühling, DVB1. 1989, S. 221 (227); Ossenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (119)). 91 S. hier nur die Darlegungen bei Funk-Draschka, Die gerichtliche Überprüfbarkeit von Planfeststellungsbeschlüssen, 1993, S. 6 ff.; Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 34; Gaentzsch, WiVerw. 1985, S. 235 (240), der aus richterlicher Sicht von einer Neigung der Fachplanung zur einseitigen Orientierung an der ihr gestellten Aufgabe berichtet. Solche unsäglichen Planungen wie im Fall „Eltville an der Autobahn" sollten nicht mehr vorkommen (vgl. Schweitzer /Meng, DVB1. 1975, S. 940 (946)).
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fizite in diesem Bereich sollten jedoch nicht zur Verneinung der Zuständigkeitskonzentration führen, sondern allenfalls für die Notwendigkeit gerichtlicher Überprüfung sprechen 92. Entscheidend ist daher die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit des Bundes zur Anordnung der Planfeststellung. Deren Vorteile sind so groß, daß sie die bundesstaatliche vertikale Gewaltenteilung überlagern. Sie rechtfertigen die Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde zur Entscheidung über alle betroffenen Belange, unter Ausschaltung aller an sich zuständigen Behörden, auch der Länderbehörden. Diese Bundeszuständigkeit überlagert auch die Kompetenzlage hinsichtlich des sekundären materiellen Rechts. Es kommt nicht darauf an, daß die Länder an sich, d. h. außerhalb der Planfeststellung, zuständig sind. Im Ergebnis ist daher der Vörgehensweise des 4. Senats im Urteil zur Lech-Unterquerung 93 zuzustimmen. Der Senat hat bezüglich der Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit des Bundes zur Zuständigkeitskonzentration zu Recht maßgeblich auf deren verfassungsrechtliche Vorteile abgestellt und ist auf die Zuständigkeit für das sekundäre materielle Recht (Wasserrecht) nicht weiter eingegangen. Dagegen hätte der 7. Senat in dem Beschluß vom 7. Januar 1992 94 die Zuständigkeit des Bundes für die Regelung des Denkmalschutzrechts an Bahnanlagen nicht (und dies auch noch zu Unrecht) bejahen müssen. Die von dem 4. Senat im Urteil vom 14. April 198995 angedeutete Distinktion zwischen der Konzentration in den ausschließlichen Bereich des Landes bzw. in den Bereich, der (lediglich) der Rahmengesetzgebung des Bundes unterliegt, ist ebenfalls nicht angezeigt. Schließlich ist auch den Stimmen in der Lehre 96 nicht zu folgen, die verlangen, daß die Zuständigkeitskonzentration nur zu bejahen ist, wenn der Bund die Zuständigkeit auch für die sekundären materiellen Vorschriften besitzt.
c) Verfassungswidriger Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden? Im vorstehenden wurde geklärt, unter welchen Voraussetzungen der Bund die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit zur Anordnung einer auch die Landeshoheit erfassenden Zuständigkeitskonzentration besitzt. Dabei wurde allerdings die Frage ausgespart, ob es sich um einen verfassungswidrigen Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden handelt, wenn Planfeststellungsbehörden des Bundes unter Ausschaltung der Landesverwaltung über landesrechtlich geschützte Belange entscheiden. Da wir zu dem Ergebnis kamen, daß die Planfeststellungsbehör92
Vgl. unten sub e. 93 BVerwG, Urt. v. 29. Juni 1967 - IV C 36.66 - , BVerwGE 27, S. 253 (256). 94 BVerwG, Beschl. v. 7. Januar 1992 - 7 B 153.91 - , NWVBL 1992, S. 202. 95 BVerwG, Urt. v. 14. April 1989 - 4 C 31.88 - , BVerwGE 82, S. 17 (19 f.). 96 Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 54 ff., 76 ff.; Kopp, NuR 1991, S. 449 (451); ders., VwVfG, 5. Aufl. 1991, § 74 Rn. 12.
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de auch über landesrechtliche Belange entscheiden kann, hinsichtlich derer der Bund die materielle Zuständigkeit nicht besitzt, fragt es sich nun, ob dies einen verfassungswidrigen Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden darstellt. aa) Einer Ansicht zufolge soll es sich in der vorliegenden Konstellation nicht um den Vollzug von Landesrecht handeln: Wie bereits kurz angedeutet, hat das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil zum Eisenbahnkreuzungsgesetz die Meinung vertreten, daß durch die in einem bundesrechtlichen Planfeststellungsverfahren vorgesehene Verweisung auf das Bundesrecht das Landesrecht seinen Charakter als Landesrecht verliert und von der Bundesverwaltung als Bundesrecht angewendet wird 9 7 . Diese Lösung scheitert allerdings dann, wenn, anders als in der Entscheidung zum Eisenbahnkreuzungsgesetz, eine als Verweisungsnorm zu interpretierende Vorschrift fehlt. Außerdem wird, wie gezeigt, stillschweigend die Kompetenz auch für das sekundäre materielle Recht vorausgesetzt. Wenn diese fehlt, kommt man nicht weiter. Die Verweisungslösung ist allenfalls zu retten, indem man die Verweisung als Anordnung der Anwendung des Landesrechts als Landesrecht interpretiert 98 ; dann aber ist die Ausgangsfrage „Verfassungswidriger Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden?" sogleich wieder aufgeworfen. bb) Nach einer weiteren, vom Bundesverwaltungsgericht geäußerten99 und auch in der Literatur vertretenen Ansicht 100 ist zwischen dem „Vollzug" und dem bloßen „Beachten" von Gesetzen zu unterscheiden. Wenn die Planfeststellungsbehörde landesrechtlich geschützte Belange im Rahmen ihrer Entscheidung berücksichtige, so vollziehe sie diese Gesetze nicht, sondern sie beachte sie nur; sie vollziehe lediglich das Planfeststellungsgesetz 101. Daß es sich nicht um Gesetzes Vollzug im
97 BVerfG, Beschl. v. 15. Juli 1969 - 2 BvF 1/64 - , BVerfGE 26, S. 338 (365, 367 f.). Ebenso BVerwG, Urt. v. 28. Juni 1968 - IV C 11.65 - , DÖV 1969, S. 206 (207); BVerwG, Urt. v. 7. Januar 1992 - 7 B 153.91 - , NWVBL 1992, S. 202. Zust. aus der Lehre: Salzwedel, FS Partsch, 1989, S. 581 (589 ff.): „unechter Vollzug" von Landesrecht durch Bundesbehörden. 98 So Kopp, BayVBl. 1973, S. 85 (88). 99 BVerwG, Urt. v. 28. Juni 1968 - IV C 11.65 - , DÖV 1969, S. 206 (207). Allerdings ist die Terminologie des Bundesverwaltungsgerichts keineswegs eindeutig. Vielmehr spricht das Gericht in neueren Urteilen ausdrücklich vom „Vollzug" landesrechtlicher Vorschriften durch Behörden des Bundes: BVerwG, Urt. v. 14. April 1989 - 4 C 31.88 - , BVerwGE 82, S. 17 (20): „Insoweit haben die Länder mithin kein Mandat zu einem eigenständigen Gesetzes Vollzug des von ihnen gesetzten Naturschutzrechts. Der Vollzug landesrechtlicher Vorschriften wird vielmehr abschließend der Entscheidung des Bundes und seiner Behörden und dessen Verfahren zugeordnet". 100 Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (190 mit Fn. 133); Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 115; Blümel, in: Isensee / Kirchhof IV, 1990, § 101 Rn. 15; Schweitzer /Meng, DVB1. 1975, S. 940 (944 f.); Zielfleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, Diss. München 1972, S. 82 f. 101 Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 115.
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strengen Sinne handle, werde insbesondere daraus deutlich, daß eine Durchsetzung der Vorschriften gegenüber Dritten nicht erfolge 102 . Diese Lösung lädt zur Zustimmung geradezu ein. Folgt man ihr, schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Planfeststellungsbehörde könnte alle Landesnormen „beachten", ohne daß die lästige Frage nach der Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnis für das sekundäre materielle Recht sich stellt, denn dieses wird ja nicht „vollzogen", sondern eben nur „beachtet". Zudem muß man auch nicht erklären, weshalb ein etwaiger Bundesvollzug von Landesgesetzen verfassungsgemäß sein soll. Wenn man sich allerdings vergegenwärtigt, daß die „Ausführung" bzw., gleichbedeutend, der „Vollzug" von Gesetzen im Sinne der Art. 83 ff. GG deren verwaltungsmäßige Umsetzung in das Dasein bedeutet103, sollte nicht zweifelhaft sein, daß hier von der bloßen Gesetzesbeachtung kaum gesprochen werden kann 104 . Die Bundesbehörde befindet sich, eben wegen der Zuständigkeitskonzentration, in der Rolle der Landesbehörde. Ohne die Zuständigkeitskonzentration bei der Planfeststellungsbehörde müßte der Vorhabenträger 105 die erforderliche Genehmigung usw. bei der Landesbehörde einholen; wegen der planfeststellungsrechtlichen Konzentrationswirkung ist er dieser Pflicht enthoben. Hätte die Landesbehörde entschieden, bestände kein Zweifel, daß es sich um Gesetzesvollzug im herkömmlichen Sinne handelte. Warum dies nicht der Fall sein soll, nur weil die Zuständigkeit auf die Bundesbehörde gewechselt ist, will nicht recht einleuchten106. Zwar ergeht kein gesonderter Bescheid der Planfeststellungsbehörde 107, doch ist dies un102
Zielfleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, Diss. München 1972, S. 82. 103 S. o. im Dritten Teil sub B. 1 04 Es handelt sich um Gesetzesvollzug, nicht Gesetzesbeachtung: Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 204; Kopp, BayVBl. 1973, S. 85 (86: „Kunstgriff der Rechtsprechung"); ders., NuR 1991, S. 449 (451); im Ergebnis wohl auch Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 45 mit Fn. 116; Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 32; krit. zu dem Argument, es handle sich nur um Gesetzesbeachtung auch Fromm, DVB1. 1969, S. 289 (292); Hoppe / Schiarmann, Rechtsschutz bei der Planung von Straßen und anderen Verkehrsanlagen, 2. Aufl. 1981, Rn. 33 b mit Fn. 106. i° 5 Der Vorhabenträger hat selbstverständlich das Landesrecht nur zu beachten, nicht zu vollziehen. 106 Besonders klar Kopp, BayVBl. 1973, S. 85 (86): „Was soll die Abstufung eines Weges im Rahmen eines bundesrechtlichen Planfeststellungsverfahrens anderes sein als der Vollzug eines Gesetzes, nicht anders als die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 11. 4. 1967 (BVerfGE 21, 327) beanstandete Erhebung von Gebühren durch eine Bundesbehörde nach Maßgabe des Landesrechts?". Gemeint ist hier das Urteil des BVerwG v. 28. Juni 1968 - IV C 11.65 - , DÖV 1969, S. 206 (207), wo der Senat ausgeführt hat: „Ebensowenig ist die Bindung der Bundesbehörden an materielles Landesrecht deshalb unzulässig, weil der Bund niemals zum Vollzug von Landesrecht zuständig sei. Vom Vollzug des Gesetzes ist seine Beachtung zu unterscheiden... . Die Bundesbahn vollzieht kein Landesrecht, wenn sie im Zusammenhang mit einer Planfeststellung einen öffentlichen Weg einzieht". Offensichtlich sollte hier die Begründung zum Lech-Urteil (BVerfG, Urt. v. 29. Juni 1967 - IV C 36.66 - , BVerwGE 27, S. 253 ff.) nachgeliefert werden.
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beachtlich, denn stattdessen ergeht ja die einheitliche abschließende Entscheidung der Planfeststellungsbehörde. Das Argument, Gesetzesvollzug liege nicht vor, weil keine Durchsetzung der Vorschriften gegenüber Dritten erfolge, ist auch zurückzuweisen, denn die geforderte Außenwirkung wird sehr wohl durch den Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses gegenüber dem Vorhabenträger und weiteren, davon betroffenen Dritten erreicht. cc) Es führt somit kein Weg daran vorbei, daß es sich um den Vollzug von Landesgesetzen handelt, wenn eine Planfeststellungsbehörde des Bundes landesrechtlich geschützte Belange in ihre Entscheidung einstellt, so daß sich fragt, ob diese Form der Ausführung von Gesetzen im Bundesstaat mit Art. 30 und 83 ff. GG vereinbar ist. Falls nicht, wäre die Folge, daß die Zuständigkeitskonzentration hinsichtlich der sekundären materiellen Normen, bezüglich derer der Bund die Gesetzgebungszuständigkeit nicht besitzt, abgelehnt werden müßte. In den Art. 83 ff. GG selbst ist der Verwaltungstyp „BundesVollzug von Landesgesetzen" nicht geregelt. Es bleibt daher allein die Möglichkeit, daß diese Form der Gesetzesausführung nach Art. 30 GG stillschweigend zugelassen ist. Ob dies der Fall ist, ist seit langem heftig umstritten. Es stehen sich zwei Ansichten gegenüber: In einigen (frühen) Urteilen des Bundesverfassungsgerichts wird ein Bundesvollzug von Landesgesetzen für schlechthin unstatthaft gehalten 108 ; allerdings ist auch nicht zu verkennen, daß das Gericht in einer späteren Entscheidung Äußerungen getätigt hat, die als Abrücken von dieser Position gedeutet werden könnten 109 . Demgegenüber hat sich in der Literatur mehr und mehr die Erkenntnis durchgesetzt, daß in bestimmten Fällen ein derartiger Vollzugstyp nicht nur für zulässig gehalten werden muß, sondern geradezu vom Grundgesetz vorausgesetzt wird 1 1 0 . 107 Mittlerweile wohl auch nicht mehr nach dem ohnehin systemwidrigen § 14 WHG, vgl. Ossenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (112 mit Fn. 12); ders., DVB1. 1991, S. 833 ff.; Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (430). Abw. Bender, NVwZ 1984, S. 9 ff. Zum praktischen Hintergrund des Streits auch Steinberg, Das Nachbarrecht der öffentlichen Anlagen, 1988, Rn. III 97. ios BVerfG, Urt. v. 28. Februar 1961 - 2 BvG l,2,/60 - , BVerfGE 12, S. 205 (221); BVerfG, Beschl. v. 11. April 1967 - 2 BvG 1/62 - , BVerfGE 21, S. 312 (325): „Aus den Überlegungen zu Ziff. B, II, 3 ergibt sich, daß den Behörden der Bundeswasserstraßen Verwaltung eine bundesrechtliche Regelung, die ihr die von Hessen beanstandete gesetzesakzessorische Verwaltung der Bundeswasserstraßen erlaubt, nicht zur Verfügung steht. Indem sie dazu das Hessische Wassergesetz heranziehen, führen sie ein Landesgesetz aus. Die Ausführung von Landesgesetzen durch Bundesbehörden ist aber nach dem Grundgesetz schlechthin ausgeschlossen (BVerfGE 12, S. 205 (221); Zeidler, DVB1. 1960, S. 573 ff.). Zur Ausführung eines Landesgesetzes sind ausschließlich die Landesbehörden zuständig (Art. 30 GG)". 109 BVerfG, Beschl. v. 12. Juni 1983 - 2 BvL 23/81 - , BVerfGE 63, S. 1 (39): Die Verwaltungsbereiche von Bund und Ländern seien nicht starr voneinander geschieden. Es gebe keinen allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach Verwaltungsaufgaben ausschließlich vom Bund oder von den Ländern wahrzunehmen seien, sofern nicht ausdrückliche verfassungsrechtliche Regeln etwas anderes zuließen.
uo Für die ausnahmsweise Zulässigkeit des Bundesvollzugs von Landesgesetzen unter bestimmten Voraussetzungen: Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 45 mit Fn. 116; Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 204 f.; v. Man9 Schoenenbroicher
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Vierter Teil: Kompetenzen: Bundes- und Landesverwaltung
Salzwedel hat in seiner Rezension des 2. Wasserstraßenurteils 111 am Beispiel der Art. 74 Nr. 21, 89 Abs. 2 Satz 1 GG nachgewiesen, daß es Verfassungskonstellationen geben kann, in denen das Grundgesetz den Bundesvollzug von Landesgesetzen nicht nur nicht verbietet, sondern diese Vollzugsart geradezu selbst voraussetzt. Diese Erkenntnis sollte bereits ausreichen, das Dogma zu verabschieden, dieser Verwaltungstyp sei „schlechthin" unzulässig. Sicherlich ist im Grundsatz davon auszugehen, daß die Ausführung der Ländergesetze Sache der Länderbehörden ist. Diese Grundregel sollte jedoch den Blick darauf nicht versperren, daß in der komplexen bundesstaatlichen Wirklichkeit Ausnahmen geboten und zulässig sein können. Auch mit dem globalen Hinweis auf die „Einheitlichkeit der Staatsgewalt"112 kann die Notwendigkeit zu einer entsprechend differenzierten Betrachtungsweise nicht bestritten werden 113 . Ist damit geklärt, daß ein Bundesvollzug von Landesgesetzen in bundesstaatlicher Hinsicht nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, so kommt es darauf an, die Voraussetzungen zu entwickeln, unter denen Bundesbehörden Landesrecht ausführen dürfen. Erstens wird man einen Bundesvollzug von Landesgesetzen für zulässig halten müssen, wenn das Grundgesetz selbst implizit voraussetzt, daß Bundesbehörden Landesrecht ausführen müssen, etwa, weil entsprechendes Bundesrecht nicht zur Verfügung steht. Eine solche Konstellation war im 2. Wasserstraßenurteil gegeben 114 . Entscheidend muß hier sein, ob die entsprechenden Ländergesetze an die (Bundes- oder Landes-)Behörde gerichtet sind, „die es angeht" 115 . Mit Salzwedel wird man es (hier am Beispiel der dem 2. Wasserstraßenurteil zugrunde liegenden Konstellation) als genügend ansehen können, „daß die am objektiven Landesinteresse orientierte Auslegung der Landeswassergesetze wasserwegerechtliche Eingriffsermächtigungen erschließt, die vom status quo des Vollzugs von Landesbehörden unabhängig sind" 116 . goldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz III, 2. Aufl. 1974, S. 2081 ff.; Salzwedel, DÖV 1968, S. 103 (106); ders., FS Partsch, 1991, S. 581 (595 ff.). in Salzwedel, DÖV 1968, S. 103 ff. 112 So das Hauptargument K. Zeidlers, DVB1. 1960, S. 573 ff., auf den sich das Bundesverfassungsgericht in dem ersten Fernseh-Urteil zur Stützung seiner Ansicht, der Bundesvollzug von Landesgesetzen sei „schlechthin" unstatthaft, berufen hat. 113 Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, S. 45 mit Fn. 116. 114 BVerfGE 21, S. 312 ff.; Salzwedel, DÖV 1968, S. 103 (106). Iis Salzwedel, DÖV 1968, S. 103 (106). ii6 Salzwedel, DÖV 1968, S. 103 (106). Salzwedel hatte hier der Haltung der Länderexekutive zu dem Vollzug des Landesrechts durch Bundesbehörden weniger Gewicht beigemessen. In einer neueren Stellungnahme zu dem Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden im Naturschutzrecht (FS Partsch, 1989, S. 581 (596 f.)) legt Salzwedel stärkeres Gewicht auf die Zustimmung der Länder: „Die erweiterte Zulässigkeit des Vollzugsmodells ist darin zu sehen: es ist anwendbar ohne Rücksicht darauf, ob der Bundesgesetzgeber über hinreichende Gesetzgebungskompetenzen verfügt, um die Materie vollständig an sich zu reißen und der Bundesbehörde eigene Handlungsmaßstäbe an die Hand zu geben. Es genügt, daß eine bun-
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Zweitens, und dies ist hier entscheidend, ist der Reichweite der Gesetzgebungsund Verwaltungszuständigkeiten des Bundes und dem Verhältnis dieser Zuständigkeiten zu dem Grundprinzip der vertikalen Gewaltenteilung besondere Beachtung zu schenken. Es wurde gezeigt, daß die Kompetenzen des Bundes den „Übergriff' in den an sich den Ländern zustehenden Verwaltungsbereich qua Zuständigkeitskonzentration erlauben. Da somit ein verfassungsrechtlicher „Titel" für die Zuständigkeitsverschiebung vorliegt, ist gleichzeitig geklärt, daß der Einwand, es handle sich um einen verfassungswidrigen Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden, entkräftet ist. Denn mit der kompetentiellen Bejahung steht zugleich fest, daß gemäß Art. 30 GG eine andere Form der Gesetzesausführung zugelassen ist. Die Alternativen: daß nämlich entweder eine gesonderte Genehmigung ergehen oder das Landesrecht als Bundesrecht angewendet wird, sind, wie bereits ausgeführt, noch „ferner" zum Grundgesetz als der Vollzug des Landesrechts durch eine Bundesbehörde. Der mögliche Einwand, es könne zu einer unterschiedlichen Auslegung landesrechtlicher Tatbestände durch Bundesbehörden und Landesbehörden kommen, greift ebenfalls nicht durch. Zwar ist dies praktisch nicht auszuschließen; rechtlich jedoch haben die Bundesbehörden zu beachten, welche Verwaltungsvorschriften in dem jeweiligen von der Planung betroffenen Land erlassen sind und wie sich die parallele Verwaltungspraxis der Landesbehörde entwickelt hat 1 1 7 . Damit sichergestellt ist, daß diesen Anforderungen in der Praxis tatsächlich genügt wird, ist wiederum zu erwägen, Klagerechte der Länder gegen entsprechende Planfeststellungsbeschlüsse zu bejahen 118 . Die Bejahung der umfassenden Zuständigkeitskonzentration hat - spiegelbildlich - Auswirkungen auf die Reichweite der Landesgesetzgebung. Denn wenn die Planfeststellungsbehörden des Bundes insoweit die Zuständigkeit besitzen, steht damit zugleich fest, daß Vorschriften der Länder, nach denen Genehmigungen bei den Landesbehörden einzuholen sind, insoweit kompetenzwidrig sind. Landesrechtliche Vorschriften, in denen Genehmigungserfordernisse aufgestellt sind und keine Ausnahme für den Fall der Planfeststellung vorgesehen ist, sind daher in der Weise verfassungskonform auszulegen, daß diese Genehmigungserfordernisse bei Planfeststellungen von Bundesbehörden nicht gelten. Um diese Situation zu verhindern, sollten die Länder insoweit auf Genehmigungserfordernisse verzichten, so wie es etwa der nordrhein-westfälische Gesetzgeber mit § 9 Abs. 3 DSchG NW zutreffend getan hat. Konflikte zwischen dem Denkmalschutzrecht des Landes und der Planfeststellungsbefugnis des Eisenbahn-Bundesamtes können damit nicht auftreten: Soweit die Bahn als schlichter Normadressat betroffen ist, ist sie an das materielle Denkmalschutzrecht und die Genehmigungserfordernisse gebunden; sodesgesetzliche Norm den einfachen Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden abdeckt und daß die Länder einen solchen Vollzug (noch) eindeutig wollen". Salzwedel, FS Partsch, 1989, S. 581 (594 f.). 118 Dazu sogleich sub e. 9*
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Vierter Teil: Kompetenzen: Bundes- und Landesverwaltung
weit die Deutsche Bahn AG dagegen eine Planfeststellung beantragen muß und das Eisenbahn-Bundesamt diese durchführt, geht die Zuständigkeit zur Entscheidung auch über die denkmalschutzrechtlichen Aspekte auf letzteres über, und zwar in der Form, daß es das Landesrecht als Landesrecht anwendet119. Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß es nicht gegen die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes verstößt, wenn eine Planfeststellungsbehörde des Bundes in der Planfeststellung Landesrecht als Landesrecht vollzieht.
d) Mißbrauchsschranken Bejaht man die Zuständigkeitskonzentration in den Landesbereich, ohne die Zuständigkeit des Bundes für die sekundären materiellen Normen zu verlangen, so gibt man dem Bund eine scharfe Waffe in die Hand. Durch den exzessiven Erlaß von Planfeststellungsvorschriften könnte er versuchen, die Verwaltung, unter weitgehender Ausschaltung der Landesbehörden, wie in einem Einheitsstaat zu organisieren. Um in der Lehre 120 zu Recht befürchtetem Mißbrauch des Bundes und der Aushöhlung der Länderkompetenzen durch exzessiven Erlaß von Planfeststellungsvorschriften vorzubeugen, sind deswegen mehrere Sicherungsmittel vorzusehen 1 2 1 . Erstens ist, wie bereits ausgeführt, zu verlangen, daß die die Befugnis zur Planfeststellung eröffnende Norm einem Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenztitel des Bundes unterfallen muß. Zweitens muß es sich um ein raumbedeutsames Großvorhaben handeln, bei dem die Annahme einer Zuständigkeitskonzentration aus Verfahrensvereinfachungsgründen unerläßlich ist. Diese beiden Gesichtspunkte haben allerdings derzeit keine Bedeutung. Die vorliegenden Planfeststellungen der Bundesverwaltung entsprechen durchweg diesen Anforderungen. Von größerer Bedeutung ist die dritte Schranke gegen eine Aushöhlung der Länderkompetenzen durch exzessives Gebrauchmachen des Bundes von Planfeststellungen. Als weitere Schranke wird man nämlich fordern müssen, daß, wenn mehrere Planfeststellungen möglich sind, der Schwerpunkt des Vorhabens im Kompetenzbereich des Bundes liegen muß. Es ist nicht zulässig, die Planfeststellungsbefugnis für einen untergeordneten, nebensächlichen Aspekt eines Gesamtvorhabens zum Ausgangspunkt für die Regelung des gesamten Vorhabens durch eine Planfeststellung zu nehmen. Die verfassungsmäßige Überprüfung zum Schutz der Länderzuständigkeiten ist hier so einzusetzen, daß sie sich nicht nur auf die Gesetzgebungskompetenz zur Reichweite der Zuständigkeitskonzentration bezieht, sondern, weiter noch, auf die Befugnis zur Anordnung der Planfeststellung als solcher. Seinen 119 Vgl. auch OVG NW, Urt. v. 15. Dezember 1983 - I I A 1949/83 - , DÖV 1984, S. 475 f. 120 Kopp, NuR 1991, S. 449 (451); vgl. auch bereits Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 (190 ff.); ferner aus der Lit. Reigl, DÖV 1967, S. 397 (400 mit Fn. 55). 121 Vgl. auch Ossenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (118 f.).
D. Ausdrückliche Vollzugszuweisung an die Bundesverwaltung
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Ausdruck hat dieser Rechtsgedanke in § 78 Abs. 2 Satz 1 und 3 VwVfG gefunden 1 2 2 . Allerdings trifft es nicht zu, wenn zur Begründung dafür darauf verwiesen wird, es wäre rechtsmißbräuchlich, die Planfeststellungszuständigkeit für einen nur gänzlich untergeordneten Aspekt eines Vorhabens als Grundlage für eine Planfeststellung zu nehmen, die ihrem Schwerpunkt nach in den Kompetenzbereich eines anderen Rechtsträgers fällt 1 2 3 . Des Verdiktes des „Rechtsmißbrauchs" bedarf es nicht. Es kommt vielmehr auf eine sachgerechte Auslegung der Gesetzgebungsund Verwaltungszuständigkeiten an. Als anzuwendender Maßstab bietet sich das „Schwerpunktkriterium" an. Die Planfeststellungsbefugnis kommt danach dem Rechtsträger zu, dessen Zuständigkeiten schwerpunktmäßig betroffen sind. Falls der Schwerpunkt nicht beim Bund liegt, mag die Einrichtung des Bundes, die eine Planfeststellung zur Veränderung oder zum Bau einer Anlage benötigt, den Antrag auf Durchführung bei der zuständigen Landesbehörde stellen 124 .
e) Klagemöglichkeiten der Länder gegen Planfeststellungsbeschlüsse der Bundesverwaltung 125 Die Verlagerung der Vollzugszuständigkeit bei der Planfeststellung bringt zwangsläufig ein praktisch und dogmatisch hochinteressantes Folgeproblem mit sich, nämlich die Frage, ob den Ländern für den Verlust ihrer Vollzugszuständigkeit durch die Zuständigkeitskonzentration weitergehende Beteiligungsrechte zuzubilligen sind. Soweit es das Planfeststellungsverfahren selbst betrifft, sind die Anhörungsrechte usw. der „verdrängten" Landesbehörden im Verwaltungsverfahrensgesetz (§ 73 VwVfG), den Fachplanungsgesetzen oder sonstigen Vorschriften
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Zur Bedeutung des § 78 Abs. 2 Satz 2 VwVfG als Minimierungs- und Konzentrationsnorm: Bonk, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 4. Aufl. 1993, § 78 Rn. 13. So aber Kopp, NuR 1991, S. 449 (451). ^ Kopp, NuR 1991, S. 449 (451); vgl. insoweit auch § 78 Abs. 2 VwVfG. 125
Die Klagemöglichkeiten der Kommunen wegen Verletzung ihrer Planungshoheit werden hier nicht eigens behandelt. Leitlinie in der Rechtsprechung ist mittlerweile, daß eine nachhaltige Beeinträchtigung einer bereits hinreichend konkreten Planung vorliegen muß, vgl. BVerwG, Urt. v. 14. Februar 1969 - IV C 215.65 - , BVerwGE 31, S. 263 ff.; BVerwG, Urt. v. 11. Mai 1984 - 4 C 48/80 - , NVwZ 1984, S.584; BVerwG, Beschl. v. 15. März 1989 4 NB 10.88 - ,BVerwGE 81, S. 307 (311); vgl. auch BVerwG, Urt. v. 27. März 1992 - 7 C 18.91 - , BVerwGE 90, S. 96 ff., wonach die Betroffenheit als Eigentümer ausreicht. Zum Verhältnis von gemeindlicher Bauleitplanung zur bahnrechtlichen Fachplanung: BVerwG, Urt. v. 16. Dezember 1988 - 4 C 48.86 - , BVerwGE 81, S. 111 ff.; BVerwG, Beschl. v. 17. November 1989 - 4 B 207/89 - , NVwZ-RR 1990, S. 292 f.; BVerwG, Urt. v. 30. August 1993 - 7 A 14.93 - , UPR 1994, S. 32. Aus der Lit.: Johlen, DÖV 1989, S. 204 (206 ff.). Ferner: Funk-Draschka, Die gerichtliche Überprüfbarkeit von Planfeststellungsbeschlüssen, 1993, S. 60 ff. m. w. Nachw. Allgemein zum Verhältnis von gemeindlicher Planung und Fachplanung: Schiarmann, Das Verhältnis der privilegierten Fachplanungen zur kommunalen Bauleitplanung, 1980; ferner insbes.: Birk, NVwZ 1989, S. 905 ff.; Erbguth, NVwZ 1989, S. 608 ff.
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(Beispiel: § 8 Abs. 5 BNatSchG) geregelt. Darauf soll hier nicht weiter eingegangen werden 126 . An dieser Stelle soll vielmehr der Frage nachgegangen werden, ob die Länder mit der Begründung, die Bundesverwaltung habe die vom Landesrecht geschützten Interessen nicht in zureichender Weise in die Abwägung einfließen lassen, um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen können; konkret handelt es sich darum, ob die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) gegeben ist. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht um Rechtsschutz der Länder gegen die Verlagerung der Vollzugszuständigkeit als solcher, sondern um Klagemöglichkeiten gegen die konkrete Anwendung des Landesrechts durch die Bundesbehörde in einem von ihr durchgeführten Verwaltungsverfahren. 107
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aa) In der Literatur haben insbesondere Salzwedel und Ebsen ein Klagerecht der Länder gefordert. Nach Salzwedel ist das betroffene Land in seinen Rechten verletzt, falls in einem von einer Bundesbehörde durchgeführten Planfeststellungsverfahren ein hoheitliches Vorhaben zulasten eines Naturschutzgebietes zugelassen wird, ohne daß ein materiell überzeugender Vorrang der hoheitlichen Belange des Bundes nachgewiesen werden kann bzw. ohne daß die gebotenen Schutzauflagen, Ausgleichsmaßnahmen oder Ersatzmaßnahmen angeordnet wurden. Die Gesetzgebungs- und Vollzugshoheit der Länder sei in ähnlicher Weise betroffen wie die Planungshoheit der Gemeinden. Gleiches gelte in Fällen, in denen die Bundesbehörde das Vorhaben durchführe, obgleich die Naturschutzbehörde die Genehmigung verweigert bzw. eine ausreichende Beteiligung der Naturschutzbehörde nicht stattgefunden habe 129 . Ebsen führt zur Bejahung der Klagebefugnis der Länder in erster Linie den Kompensationsgedanken an: Nach dem Gebot des geringstmöglichen Eingriffs sei den Ländern für den Entzug ihrer Völlzugszuständigkeit zumindest die Klagemöglichkeit zu eröffnen 130 . Die von den Ländern auf den Bund übergegangenen Vollzugsbefugnisse seien als subjektive Rechte zu verstehen, wie sich insbesondere aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG ergebe; es handle sich um subjektive Länderrechte auf Wahrung der prinzipiell in die Landeshoheit gestellten Belange 131 . Es sei auch sachgerecht, den Ländern entsprechende Klagerechte einzuräumen, denn wenn die Gerichte die Abwägungsentscheidung über die kollidierenden Belange nicht überprüfen könnten, seien bestimmte öffentliche Belange - etwa des Naturschutzes 126
Zur Unterrichtungs- und Anhörungspflicht bei naturschutzrechtlich relevanten Vorhaben: BVerwG, Urt. v. 14. April 1989 - 4 C 31.88 - , BVerwGE 82, S. 17 (21 ff.); Salzwedel, NuR 1984, S. 165 (171 f.). 127 Salzwedel, NuR 1984, S. 165 (175); s. auch ders., FS Partsch, 1989, S. 581 (594, 597 f.). 128 Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 33 f. 129 Salzwedel, NuR 1984, S. 165 (175 f.). 13° Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 34 (als „Rest der verlorenen Kompetenz").
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gegenüber möglichen Abwägungsdefiziten nur noch geschützt, wenn die Entscheidung gleichzeitig auch in das Grundeigentum eingreife 132 . In der Literatur stimmt man dem nahezu durchgehend zu 1 3 3 . Hoppe behandelt das Problem am Beispiel der Berücksichtigung des Denkmalschutzrechts NW in Planfeststellungsverfahren der Bundesbahn nach § 36 BBahnG (a.F.) 134 . Er wendet sich gegen eine ausschließlich kompetenzrechtliche Deutung der Bund-Länder-Beziehungen und empfiehlt stattdessen die Rechtsverhältnislehre als Ordnungsrahmen für die rechtsdogmatische Erfassung der Beziehungen zwischen Bund und Ländern 135 . Aus Art. 30, 93 Abs. 1 Nr. 3 GG ergäben sich danach subjektive Rechte der Länder 136 , zu denen insbesondere das Recht des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege als Bestandteil der Kulturstaatlichkeit der Länder zähle 137 . Gassner spricht sich dafür aus, den Ländern als Korrektiv für den partiellen Wegfall ihrer Verwaltungsbefugnisse bezüglich des Wasserwirtschafts-, Forst-, Denkmalschutz- und Naturschutzrechts, aber auch weiterer Bereiche (wie der Gewerbeaufsicht) das Klagerecht gegen ihrer Ansicht nach rechtswidrige Planfeststellungsbeschlüsse des Bundes zuzusprechen 138. Unabhängig davon, ob man in begrifflicher Hinsicht die termini „Befugnisse" und „Aufgaben" in Art. 30 GG als subjektive Rechte ansehe, dränge sich das „handfeste Interesse" 139 der Länder auf, Natur und Landschaft, Wasserhaushaltsrecht, Wald und Boden sowie Denkmäler ihres Gemeinwesens zu erhalten und erforderlichenfalls auch gegen den Bund durchzusetzen 140. Kopp wendet sich ebenfalls gegen eine Einordnung der Länderinteressen als bloße verfassungsrechtliche oder einfachgesetzliche Behördenkompetenzen 141. Auch er ist der Meinung, daß die Art. 30, 70 ff., 83 ff. GG den Ländern eigene Rechte einräumten, auch gehe das Bundesverfassungsgerichtsgesetz von Rechten der Länder aus (§§ 69, 64 Abs. 1 BVerfGG). 131 Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 35. 132 Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 36. 133 Funk-Draschka, Die gerichtliche Überprüfbarkeit von Planfeststellungsbeschlüssen, 1993, passim; Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 56 ff.; Gassner, UPR 1989, S. 254 ff.; Kopp, NuR 1991, S. 449 ff.; jüngst auch Laubinger, VerwArch. 85 ( 1994), S. 291 ff.; abl. allerdings Ossenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (119) unter Berufung auf die Kalkar-Entscheidung BVerfG, Urt. v. 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/88 - , BVerfGE 81, S. 310 (333). 134 Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 56 ff. 135 Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 59. 136 Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 66. 137 Hoppe, Rechtsgutachten, 1992, S. 69 ff. 138 Gassner, UPR 1989, S. 254 ff. 139 Gassner, UPR 1989, s. 254 (256). 140 Gassner, UPR 1989, S. 254 (256). 141 Kopp, NuR 1991, S. 449 (450).
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Funk-Draschka bemüht sich eingangs darum nachzuweisen, daß den Planfeststellungsbehörden in der Vergangenheit zahlreiche Abwägungsfehler zulasten des Natur- und Denkmalschutzes unterlaufen seien 142 . Sie untersucht dann, ob es sich bei den Gesetzgebungs- und Völlzugskompetenzen um subjektive öffentliche Rechte im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO handelt 143 . Dies bejaht sie, da sie eine Übertragung der Lehre von den subjektiven öffentlichen Rechten der Kontrastorgane aus dem Bereich des Kommunalverfassungsstreits für gerechtfertigt hält 1 4 4 . Allerdings sieht Funk-Draschka die bundesbehördlichen Eingriffe in Landesrechte durch entsprechende Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen des Bundes zur Planfeststellung als gedeckt an 1 4 5 . Es sei jedoch zu berücksichtigen, daß die Konzentrationswirkung lediglich eine Zuständigkeitskonzentration bewirke, dagegen keinen Rechtsverlust mit sich bringen dürfe 146 . Das den Bundesländern zustehende Recht zum Vollzug ihrer jeweiligen Landesgesetze könne ihnen nicht entzogen werden 147 . Falls die Abwägung der Planfeststellungsbehörde fehlerhaft sei, sei dieses Recht verletzt. Ein derartiger rechtswidriger Eingriff könne im Klagewege geltend gemacht werden 148 . Dafür spreche schließlich auch, daß eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung das zu Lasten der Länder entstandene Ungleichgewicht bei bundesbehördlich durchgeführten Planfeststellungen wieder auszugleichen vermöge. Laubinger - der sich allein mit der naturschutzrechtlichen Problematik beschäftigt - ist schließlich ebenfalls der Meinung, die Länder seien klagebefugt. 149 Die Gesetzgebungshoheit sei betroffen, da die den Rahmen ausfüllenden Normen originäres Landesrecht seien. Die Völlzugshoheit sei ebenfalls berührt, auch wenn es kein eigenständiges landesnaturschutzbehördliches Verfahren gebe, sondern die Bundesbehörde die naturschutzrechtliche Seite als eigene Angelegenheit mitbehandle. Das subjektive Recht eines Hoheitsträgers auf Ausführung von ihm gesetzter Normen umfasse nicht nur das Recht zur Vornahme von Ausführungshandlungen durch eigene Organe. Falls der Vollzug dieser Normen auf einen anderen Hoheitsträger übertragen werde, verbleibe dem normsetzenden Hoheitsträger aus seiner Völlzugshoheit das Recht, den Normvollzug zu überwachen. Da das Grundgesetz den Ländern allerdings keine entsprechenden Überwachungsinstrumentarien gegenüber dem Bund bereitstelle, müsse man als Kompensation für dieses Defizit eine verwaltungsgerichtliche Klage für zulässig halten.
142 Funk-Draschka, Die gerichtliche Überprüfbarkeit von Planfeststellungsbeschlüssen, 1993, S. 8 ff. 1 43 Funk-Draschka (Fn. zuvor), S. 18 ff. 144
Funk-Draschka, aaO, S. 24 ff.
Funk-Draschka, M Funk-Draschka, w Funk-Draschka, 14** Funk-Draschka,
aaO, S. 37 ff. aaO, S. 46 ff. aaO, S. 48. aaO, S. 49.
Laubinger, VerwArch. 85 (1994), S. 291 (306 ff.).
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bb) I m Gegensatz zu diesen Äußerungen in der Literatur und zu einigen vorangegangenen verwaltungsgerichtlichen U r t e i l e n 1 5 0 hat das Bundesverwaltungsgericht in mehreren neueren Urteilen die Klagebefugnis des Landes gegen einen Planfeststellungsbeschluß einer Bundesbehörde, der nach Ansicht des Landes unter fehlerhafter Gewichtung der landesrechtlich geschützten Belange zustande gekommen war, verneint 1 5 1 . Die erste Entscheidung vom 14. A p r i l 1 9 8 9 1 5 2 betraf die Frage, ob das klagende Land die Verletzung seiner Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnisse für den Bereich des Naturschutz- und Landschaftspflegerechts i m Rahmen einer Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluß der Bundesbahn geltend machen kann. Der Senat verneinte dies: Die Gesetzgebungszuständigkeit der Landes sei durch die Planfeststellung nicht berührt, da die Bundesbahn die Befugnis des Landes, eigenes Naturschutz- und Landschaftspflegerecht zu setzen, nicht mißachtet habe, als sie die einschlägigen Landesnormen angewendet habe. Auch die Völlzugshoheit des Landes sei nicht verletzt, da der Bund aufgrund seiner Gesetzge150 _ v g Koblenz, Urt. v. 10. September 1987 - 1 K 57/86 - , UPR 1989, S. 276 f.: Klagebefugnis des Landes gegen eine Planfeststellung der Deutschen Bundespost über eine oberirdische Fernmeldeleitung bejaht, da das Land gemäß § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen könne, in seiner Befugnis verletzt zu sein, Belange des Natur- und Landschaftsschutzes wahrzunehmen. - VG Düsseldorf, Urt. v. 28. September 1988 - 16 K 2886/86 (n.v., hier zitiert nach: FunkDraschka, Die gerichtliche Überprüfbarkeit von Planfeststellungsbeschlüssen, 1993, S. 13): Kulturhoheit des Landes könne durch Planfeststellung in ähnlicher Weise wie die Planungshoheit der Gemeinden betroffen sein, insoweit seien über die bloße Kompetenzzuweisung hinaus eigene Planungs- und Gestaltungsrechte betroffen, die durch Art. 70 GG i.V.m. Art. 18 Verf NW geschützt seien. 151 BVerwG, Urt. v. 14. April 1989 - 4 C 31.88 - , BVerwGE 82, S. 17 ff.; BVerwG, Beschl. v. 7. Januar 1992 - 7 B 153.91 - , NWVBL 1992, S. 202; BVerwG, Urt. v. 29. April 1993 - 7 A 2/92 - , NVwZ 1993, S. 890 f. Ablehnend zuvor bereits: VG Koblenz, Urt. v. 25. Juli 1988 - 9 K 67/88 - , UPR 1989, S. 277 ff. Die ablehnenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts konnten freilich für den, der mit der Rechtsprechung des Gerichts vertraut war, nicht unbedingt überraschend kommen. Sie deuteten sich vielmehr bereits in der grundlegenden Entscheidung vom 14. Februar 1969 - IV C 215.65 - , BVerwGE 31, S. 263 (267) an. Dort entschied der 4. Senat genau zwischen der Klagebefugnis einer Kommune aufgrund der kommunalen Planungshoheit und jener der sonst an der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung zu beteiligenden Behörden und der dahinter stehenden Rechtsträger: ,3ehörden als solchen steht nämlich grundsätzlich keine Anfechtungsmöglichkeit zu; sie haben Kompetenzen, aber keine Rechte. Auch der hinter einer Behörde stehende, von der Behörde repräsentierte Rechtsträger wird häufig keine Klagemöglichkeit haben, nämlich dann nicht, wenn Kompetenzen nicht für eigene Rechte des Rechtsträgers stehen oder wenn der Rechtsträger der Planfeststellungsbehörde identisch ist mit dem der zu beteiligenden Behörde, eine Klage also schon wegen des grundsätzlichen Verbots des Insichprozesses nicht in Betracht kommt...". Zur landesrechtlichen Verbandsklage von Naturschutzverbänden gegen Maßnahmen von Bundesbehörden: BVerwG, Urt. 29 April 1993 - 7 A 3/92 - , NVwZ 1993, S. 891 f. (ablehnend); Kopp, NuR 1994, S. 76 ff. (bejahend). 152 BVerwG, Urt. v. 14. April 1989 - 4 C 31.88 - , BVerwGE 82, S. 17 ff.
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Vierter Teil: Kompetenzen: Bundes- und Landesverwaltung
bungszuständigkeit der Bundesbahn die umfassende Planfeststellungsbefugnis eingeräumt habe. Zudem habe der Bundesgesetzgeber von seiner Rahmenkompetenz für das Naturschutz- und Landschaftspflegerecht gemäß Art. 75 Nr. 3 GG, § 9 BNatSchG in der Weise Gebrauch gemacht, daß er dem Bund bei eigenen Eingriffen in Natur und Landschaft die vollständige Vollzugshoheit zugewiesen habe. Die Länder hätten kein eigenes Mandat zu einem eigenständigen Vollzug des von ihnen gesetzten Naturschutzrechts. Dies gelte auch für den von dem Land weiter vorgetragenen Gesichtspunkt, die Bundesbahn habe eine landschaftsschutzrechtlich erforderliche Genehmigung nicht eingeholt. Denn ein etwaiges landesrechtliches Genehmigungserfordernis werde durch die in §§ 36 BBahnG (a.F.), 75 Abs. 1 VwVfG angeordnete Konzentrationswirkung verdrängt. Im Ergebnis gleich, in der Begründung allerdings abweichend entschied der 7. Senat in dem Beschluß vom 7. Januar 1992 betreffend die Berücksichtigung des Landesdenkmalschutzrechts in einer Planfeststellung der Bundesbahn153. Der Senat beschäftigt sich nicht mit der Frage, ob die Gesetzgebungs- und Vollzugsbefugnisse als subjektive Rechte der Länder angesehen werden können. Er setzt bereits früher an und hält beide Kompetenzen für nicht einschlägig: Die Gesetzgebungszuständigkeit des Landes sei nicht betroffen, weil die Bundesbahn durch die Verweisung auf den Denkmalschutz in § 36 Abs. 1 Satz 3 BBahnG (a.F.) Bundesrecht ausführe, wenn sie denkmalschutzrechtliche Belange in die Abwägung einstelle. Verwaltungsbefugnisse seien wegen der umfassenden Verwaltungszuständigkeit des Bundes für die Bahn ebenfalls nicht gegeben. Auch in dem Urteil vom 29. April 1993 verneinte der 7. Senat die Klagebefugnis des klagenden Landes hinsichtlich eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahrens 154. Hier hatte das Land (obere Naturschutzbehörde) bereits bei der Abgabe der Stellungnahme zu den Planunterlagen verlangt, daß auch bezüglich des Bahnbetriebsgeländes die beabsichtigten Eingriffe und deren Ausgleich dargestellt und in die naturschutzrechtliche Bilanzierung einbezogen werden müßten. Die Bahn hatte dies mit dem Verweis auf §§ 38 BBahnG (a.F.), 38 BNatSchG abgelehnt. Der 7. Senat hielt die nach seiner Ansicht allein in Betracht kommende Völlzugshoheit des Landes für nicht verletzt, da der Bund, soweit Entscheidungen seiner Behörden Eingriffe in Natur und Landschaft zur Folge hätten, das Verhältnis zu den Länderbehörden in § 9 BNatSchG abschließend dahin geregelt hätte, daß letztere nur zu beteiligen seien. Die Vorschrift sei auch verfassungsgemäß, denn das Recht des Bundes, Rahmenvorschriften für das Naturschutzrecht zu schaffen, ergebe sich aus Art. 75 Nr. 3 GG. Die Befugnis, die Länder vom Vollzug der Bundesnaturschutznormen auszuschließen, stehe dem Bund, jedenfalls soweit es um die durch Maßnahmen der Bundesbahn hervorgerufenen Folgen für Natur und Landschaft gehe, nach Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG (a.F.) zu. Die von dem Land gerügte Verletzung seines Beteiligungsrechts aus § 9 BNatSchG (das dort vorge153 BVerwG, Beschl. v. 7. Januar 1992 - 7 B 153.91 - , NWVBL 1992, S. 202. 154 BVerwG, Urt. v. 29. April 1993 - 7 A 2/92 - , NVwZ 1993, S. 890 f.
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schriebene Benehmen sei nicht hergestellt worden) vermöge die Klagebefugnis ebenfalls nicht zu begründen 155: § 9 BNatSchG räume den Ländern keine vom materiellen Recht unabhängige, selbständig durchsetzbare Rechtsposition ein. Derartige Verfahrensbeteiligungsvorschriften, denen keine materiellen Rechte korrespondierten, seien ausschließlich dem objektivrechtlichen Ziel der Schaffung einer breiteren Beurteilungsgrundlage und besseren Entscheidungsfindung verpflichtet, soweit sich nicht ausnahmsweise im Einzelfall ergebe, daß die Beteiligung gerichtlich verfolgbar sein solle, was der Senat bei § 9 BNatSchG allerdings nicht für gegeben hält 1 5 6 . cc) Es ist zu prüfen, ob der fast einhelligen Literatur oder der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zuzustimmen ist. (1) Wendet man sich zunächst der Klagebefugnis der Länder wegen einer behaupteten fehlerhaften Anwendung denkmalschutzrechtlicher Vorschriften durch die eisenbahnrechtliche Planfeststellungsbehörde zu, so kommen als klagefähige Rechte die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit der Länder für das Recht des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege in Betracht. (a) Hier stellt sich zunächst die Frage, ob, wie das Bundesverwaltungsgericht meint, beide Kompetenzen deshalb nicht betroffen sind, weil der Bund die Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnis besitzt, die Konzentrationswirkung im Rahmen der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung auch bezüglich des Denkmalschutzrechts anzuordnen. Es fragt sich als erstes, ob die Gesetzgebungsbefugnis der Länder betroffen ist. Zur Beantwortung dieser Frage ist es notwendig, sich wiederum den Unterschied zwischen der allgemeinen Gesetzesunterworfenheit der Verwaltung des Bundes als schlichter Normadressat und den Befugnissen der Bundesverwaltung bei bundesrechtlich angeordneten Planfeststellungen vor Augen zu führen. Wie oben geklärt, ist die eisenbahnrechtliche Planfeststellungsbehörde auch bei der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens an die materiellrechtlichen Vorschriften des Denkmalschutzrechts der Länder gebunden157. Die materiellen Landesnormen bleiben auch durch die mit der Planfeststellung verbundene Zuständigkeitskonzentration ungeschmälert. Die Ingerenzbefugnis beschränkt sich auf die Zuständigkeitskonzentration. Daraus folgt bezüglich des materiellen Rechts, daß die Gesetzgebungsbefugnis auch in der bundesbehördlichen Planfeststellung bei den Ländern verbleibt. Also kann auch eine Verletzung dieser Befugnis gerügt werden, wenn, was noch zu erörtern ist, es sich um ein rügefähiges Recht handelt. Ob die Länder auch die Verletzung der Verwaltungsbefugnisse rügen können, könnte zweifelhaft erscheinen wegen der gerechtfertigten Ingerenz des Bundes in 155 Dies hatte der 4. Senat in der Entscheidung vom 14. April 1989 - 4 C 31.88 - , BVerwGE 82, S. 17 (24) noch offengelassen. 156 BVerwG, Urt. v. 29. April 1993 - 7 A 2/92 NVwZ 1993, S. 890 f. 157 S. o. sub D. II. 2. b., c.
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Vierter Teil: Kompetenzen: Bundes- und Landesverwaltung
den Vollzugsbereich der Länder durch die planfeststellungsrechtliche Zuständigkeitskonzentration. Man könnte der Ansicht sein, hier seien den Ländern keine wehrfähigen Rechte mehr verblieben, da der Bund die Zuständigkeit zur Ausführung des Landesrechts zu Recht an sich gezogen habe. Das aber wäre mit dem Gedanken des möglichst schonenden Eingriffs in die Kompetenzräume der Länder nicht zu vereinbaren. Da die Ingerenz des Bundes in bundesstaatlicher Hinsicht nur soweit anzuerkennen ist, wie sie zur Aufgabenwahrnehmung unerläßlich ist, wird man die Zuständigkeitsübertragung nur als Übertragung der Ausübung, nicht als gänzliche Übertragung der Zuständigkeit als solcher ansehen dürfen 158 . Dies folgt insbesondere auch daraus, daß die Planfeststellungsbehörde das Landesrecht als Landesrecht anzuwenden hat. Die Folge ist, daß die Vollzugsbefugnisse der Länder nicht zur Gänze beseitigt sind; die Rüge der Verletzung ist ebenfalls möglich. (b) Nachdem damit geklärt ist, daß den Ländern entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts sehr wohl Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnisse verbleiben, fragt es sich, ob die Kompetenzen als subjektive Rechte im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO anzusehen sind. Das Verständnis vom Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts war gerade in der letzten Zeit Gegenstand lebhafter Auseindersetzungen in der Staatspraxis und in der Staatsrechtslehre 159. Darauf muß an dieser Stelle nicht im einzelnen eingegangen werden 160 . Hier fragt es sich allein, ob die Kompetenzen der Länder im Rahmen der planfeststellungsrechtlichen Zuständigkeitskonzentration als subjektive Rechte verstanden werden können. Die Stellungnahmen zu den Länderrechten in der Bundesauftragsverwaltung sind dabei nur eingeschränkt heranzuziehen 161. Man kann durchaus der Auffassung sein, Art. 85 Abs. 3 GG lasse Rechtsschutz der Länder nur im Ausnahmefall z u 1 6 2 ; hier handelt es sich aber eben gerade nicht um Länderrechte in der Bundesauftragsverwaltung. Für diejenigen, die, gewissermaßen noch auf die Ruinen der Impermebealitätstheorie 163 fixiert, die strenge Trennung zwischen Kompetenzen und subjektiven
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Dies meint wohl auch Funk-Draschka, Die gerichtliche Überprüfbarkeit von Planfeststellungsbeschlüssen, 1993, S. 48, ohne freilich den Gedanken weiter zu vertiefen. 159 Ausgangspunkt war der Streit um die Struktur, die Reichweite und die Anfechtbarkeit von Weisungen in der atomrechtlichen Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 Abs. 3 GG), vgl. dazu insbes.: BVerfG, Urt. v. 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/88 - , BVerfGE 81, S. 310 ff.; Lerche, BayVBl. 1987, S. 321 ff.; Ossenbühl, DVB1. 1991, S. 833 ff.; ders., FS Sendler, 1991, S. 107 (119); Pauly, Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung, 1989. Allg. und ausf. zum Stand der Diskussion um die Qualifikation von Kompetenzen als subjektive öffentliche Rechte jüngst Bauer, Die Bundestreue, 1992, S. 282 ff. 160 Vgl. Bauer, Die Bundestreue, 1992, S. 282 ff. 161 Vgl. die Nachw. in den Fn. zuvor. 162 Vgl. Lerche, BayVBl. 1987, S. 321 ff. 163 Dazu insbes. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 19 ff.
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öffentlichen Rechten beibehalten wollen 1 6 4 , ist die Entscheidung eindeutig: „Kompetenzen" und „Rechte" sind Gegensatzbegriffe, die sich ausschließen. Wer Kompetenzen hat, hat insoweit keine Rechte und vice versa. So hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich in der Entscheidung vom 14. Februar 1969 165 argumentiert, und in den jüngeren Entscheidungen ist es implizit dieser Linie gefolgt, ohne freilich diesen Standpunkt entsprechend kraß zu wiederholen. Diese starre Trennung, die sich verwaltungsprozessual in der Verneinung der Klagebefugnis auswirkt, ist allerdings in einigen Bereichen mit dem Versinken der Impermebealitätstheorie längst überwunden. So ist für den Bereich des sog. Kommunalverfassungsstreits längst allgemein anerkannt, daß auch Zuständigkeiten klagefähige Rechte begründen können, soweit es sich um wehrfähige Innenrechtspositionen handelt 166 . Gleiches gilt für die Hochschulstreitigkeiten 167. Hier hat man sich der richtigen Erkenntnis geöffnet, daß die Frage, ob eigene subjektive Rechte betroffen sind, nicht pauschal wegen einer „bloßen" Innenrechtsbetroffenheit verneint werden darf, vielmehr die genaue Betrachtung der Ausgestaltung der Rechtsstellung der widerstreitenden Organe, Organteile und Organwalter vonnöten ist. Entscheidend ist, ob die die Organe und Organteile konstituierenden Rechtsvorschriften wehrfähige Positionen vermitteln, was nur im jeweiligen Einzelfall geklärt werden kann. Ebenso ist festzustellen, daß, bei aller terminologischen Unklarheit, in der Staatsrechtslehre inzwischen wohl doch davon ausgegangen wird, daß „Kompetenzen" und „subjektive öffentliche Rechte" keine sich gegenseitig notwendig ausschließenden Begriffe sind 168 . Die genaue Untersuchung der konkreten Ausgestaltung des Bund-Länder-Verhältnisses ist vielmehr angezeigt. Sedes materiae ist Art. 30 GG. Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift liegt es nahe, die Kompetenzen der Länder als „Rechte" im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO zu verstehen: Das Wort „Sache" in dieser Vorschrift meint die eigene, autonom wahrgenommene Angelegenheit des damit Betrauten, also der Länder 169 . Auch in genetischer Hinsicht 164 Vgl. dazu Bauer, Die Bundestreue, 1992, S. 286. 165 BVerwG, Urt. v. 14. Februar 1969 - IV C 215.65 - , BVerwGE 31, S. 263 (267); ähnlich wohl auch Ossenbühl, FS Sendler, 1991, S. 107 (119). 166 Vgl. OVG NW, Urt. v. 4. April 1962 - III A 1122/61 - , OVGE 17, S. 261 ff.; OVG NW, Urt. v. 17. Dezember 1976 - XV A 1584/74 - , OVGE 32, S. 192 ff.; OVG NW, Urt. v. 10. September 1982 - 15 A 1223/80 DVB1. 1983, S. 53 ff.; Bethge, Verw. 8 (1975), S. 459 ff.; ders., DVB1. 1980, S. 309 ff.; Böckenförde, FS Wolff, 1973, S. 269 ff.; Erichsen, FS Menger, 1985, S. 211 ff.; Hoppe, Organstreitigkeiten vor den Verwaltungs- und Sozialgerichten, 1970; Krebs, VerwArch. 68 (1977), S. 189 ff.; Löwer, VerwArch. 68 (1977), S. 327 ff. 167 Dazu Zimmerling, Organstreitigkeiten innerhalb der Hochschule - Ein Beitrag zur Lehre vom verwaltungsprozessualen Organstreit, Diss. Saarbrücken 1976. 168 Auch dazu Bauer, Die Bundestreue, 1992, S. 286 ff. 169 Vgl. mit weiteren etymologischen Ausführungen: Pauly, Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung, 1989, S. 136.
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spricht, wie die Beratungen zu den Vorläufervorschriften des Art. 30 GG zeigen, einiges dafür, unter „Sache" in Art. 30 GG „Rechte" zu verstehen 170. Dieser Befund wird durch systematische Erwägungen unterstützt. Art 93 Abs. 1 Nr. 3 GG (Bund-Länder-Streit) in Verbindung mit § 13 Nr. 7, §§ 68, 69, 64 Abs. 1 BVerfGG als allein verfahrensrechtliche Bestimmungen setzen materielle Rechte der Länder gerade voraus 171 . Gäbe es letztere nicht, wären die erstgenannten Vorschriften sinnlos. Damit ist eine Rückkoppelung der rein verfahrensrechtlichen Vorschriften zu Art. 30 GG gegeben: Kompetenzen, in Art. 30 GG als die „Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben" bezeichnet, sind im bundesstaatlichen Koordinatensystem vertikaler Gewaltenteilung subjektive eigene Rechte der Länder 172 , oder, wie Leisner 173 es wohl am klarsten formuliert hat: „Gesetzgebungs- und Ausführungsrechte sind nicht Zuständigkeiten allein, Kompetenzen, sondern zugleich subjektiv-öffentliche Hoheitsrechte von Bund und Ländern als Staaten" 174 . Die so ermittelte Rechtsqualität der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen strahlt über in den Verwaltungsprozeß 175. Denn handelt es sich bei den Kompetenzen um subjektive eigene Rechte der Länder in materiellem Sinne, so folgt daraus notwendig, daß die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Möglichkeit 176 170
Auch dazu Pauly (Fn. zuvor), S. 136. 171 Vgl. Löwer, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, 1987, § 56 Rn. 34, 37 (vgl. aber auch Rn. 10: der Normtext des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG („Rechte und Pflichten") sei eine falsa demonstratio); Pauly, Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung, 1989, S. 137. 172 So insbes., auch unter Einbeziehung rechtshistorischer Gesichtspunkte: Pauly, Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung, 1989, S. 136 ff., 169 ff.; ebenso z. B. Bauer, Die Bundestreue, 1992, S. 293 m. zahlreichen weit. Nachw. 173 Leisner, FG BVerfG I, 1976, S. 260 (270). Von „Rechten" der Länder spricht im übrigen auch das Bundesverfassungsgericht im 2. Wasserstraßen-Urteil (BVerfG, Beschl. v. 11. April 1967 - 2 BvG 1/62 - , BVerfGE 21, S. 312 (328): „Der Bund verletzt also, wenn er diese Schranke nicht beachtet, das Land „in seinem Recht". Er verletzt Art. 30 GG" (Hervorhebung im Original). Zur Rspr. des BVerfG in diesem Zusammenhang auch Bauer, Die Bundestreue, 1992, S. 284 mit Fn. 163: der Sprachgebrauch des Gerichts sei „eher unbekümmert". 174 Das Ergebnis wurde gefunden, ohne die sog. Rechtsverhältnislehre heranziehen zu müssen, die in Teilbereichen des Besonderen Verwaltungsrechts ihre Berechtigung haben mag (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 1994, § 8 Rn. 24), des Nachweises der Daseinsberechtigung im Bund-Länder-Verhältnis allerdings erst noch bedürfte (entgegen z. B. Bauer, Die Bundestreue, 1992, S. 270 ff.). Zu Recht krit. insoweit auch Meyer, VVDStRL 45 (1987), S. 272; ders., VVDStRL 47 (1989), S. 241 f.; Schmidt-Jortzig, DÖV 1993, S. 445. 175 Zur Abgrenzung der verfassungsrechtlichen von den nichtverfassungsrechtlichen Streitigkeiten in diesem Zusammenhang: Löwer, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, 1987, § 56 Rn. 34.
™ Zu diesem Kriterium: BVerwG, Urt. v. 20. März 1964 - V I I C 10.61 - , BVerwGE 18, S. 154 (157); Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 11. Aufl. 1992, Rn. 150, 155.
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der Verletzung subjektiver eigener Rechte erfüllt ist, wenn ein Land substantiiert vorträgt, die Abwägung der landesrechtlich geschützten Belange sei von der Planfeststellungsbehörde fehlerhaft vorgenommen worden 177 . Das bisher gefundene Ergebnis entspricht allein einem richtig verstandenen System vertikaler Gewaltenteilung und dessen Schutz und Wahrung durch gerichtliche Kontrolle. Die Verneinung der Klagemöglichkeit führte im Ergebnis dazu, daß die planfeststellende Bundesbehörde über weite Gegenstände der Landeshoheit entscheiden dürfte, ohne daß sie der parlamentarischen Kontrolle durch die Landesexekutive oder einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen würde. Gerade als Kompensation für die entzogene Vollzugsbefugnis ist den Ländern zumindest die Befugnis einzuräumen, die praktische Anwendung ihrer Vorschriften in Verwaltungsverfahren der Bundesverwaltung gerichtlich überprüfen zu lassen. (2) Es stellt sich die Frage, ob eine abweichende Einschätzung geboten ist bezüglich der Anwendung des Natur- und Landschaftsschutzrechts in der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung. Die Besonderheit ist hier, daß der Bund immerhin eine Rahmenkompetenz nach Art. 75 Nr. 3 GG besitzt. Der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat den Ausschluß der Klagemöglichkeit in erster Linie auf § 9 BNatSchG gestützt 178 . Dem ist jedoch nicht zu folgen. Verkannt wird, daß § 9 BNatSchG seinem eindeutigen Wortlaut nach keine Zuständigkeiten im Verhältnis von Bundes- und Landesverwaltung zuweist, sondern nur bestimmt, daß das Benehmen mit der obersten statt einer nachgeordneten Landesbehörde herzustellen ist 1 7 9 . Entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist § 9 BNatSchG daher keineswegs „Ausdruck dafür, daß den Ländern eine eigene Vollzugshoheit nicht gegeben sein sollte" 180 . Zu dieser Frage verhält sich die Vorschrift schlicht nicht. Auch das weitere Argument, daß, da es kein eigenständiges naturschutzrechtliches Verfahren gebe, den Naturschutzbehörden lediglich eine verfahrensrechtliche Mindestbeteiligung (§ 3 Abs. 2 BNatSchG) eröffnet sei, geht an der eigentlichen Problematik vorbei. Denn hier geht es nicht um die Klagebefugnis aufgrund einfachen Naturschutz- und Landschaftspflegerechts, sondern aufgrund der Kompetenzen dazu. Ob die Klagemöglichkeit aus diesem Gesichtspunkt zu bejahen ist, hängt davon ab, ob den Ländern auch für das Naturschutz- und Landschaftspflegerecht an sich, d.h. ohne die Vollzugs Verlagerung 181, die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit zusteht. Dies ist hinsichtlich der 177
Pauly, Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung, 1989, S. 137 macht ebenfalls keinen Unterschied zwischen der Begründung von Klagerechten im Verfassungs- bzw. Verwaltungsprozeß. 178 BVerwG, Urt. v. 14. April 1989 - 4 C 31.88 - , BVerwGE 82, S. 17 ff. 179 Vgl. Salzwedel, NuR 1984, S. 165 (172). 180 BVerwGE 82, S. 17 (20). 181 An diesem Begriff soll hier festgehalten werden, auch wenn ein eigenständiges naturschutzrechtliches Verfahren im Landesrecht nicht vorgesehen ist, dieses vielmehr an andere Verwaltungsverfahren gewissermaßen »angekoppelt' ist.
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Vierter Teil: Kompetenzen: Bundes- und Landesverwaltung
Gesetzgebungszuständigkeit zu bejahen, da diese grundsätzlich bei den Ländern liegt und eine Freistellung der Eisenbahnen des Bundes vom materiellen Naturschutz- und Landschaftspflegerecht der Länder nicht gegeben ist 1 8 2 . Die Vollzugshoheit ist ebenfalls betroffen; die Ausführung der Naturschutzgesetze steht grundsätzlich den Ländern zu, auch wenn im Landesrecht ein eigenständiges Verfahren nicht vorgesehen ist. Die oben zur Klagebefugnis wegen einer fehlerhaften Anwendung denkmalschutzrechtlicher Belange vorgetragenen Überlegungen gelten daher auch hier. Somit wäre es richtig gewesen, auch im Fall der behaupteten Verletzung landesnaturschutzrechtlicher Vorschriften 183 die Klagebefugnis zu bejahen. 3. Die Befugnis des Eisenbahn-Bundesamtes zur Erteilung landesrechtlicher Genehmigungen nach § 4 Abs. 2 AEG (n.E) Wenn man § 4 Abs. 2 AEG (n.F.) in der Weise interpretiert, daß das EisenbahnBundesamt - außerhalb der Planfeststellung - der Deutsche Bahn AG nach Landesrecht erforderliche Genehmigungen erteilen darf, gerät man in eine bundesstaatlich hoch prekäre Situation. Denn dann würde es sich letztlich um den Bundesvollzug von Landesrecht handeln, weil das Eisenbahn-Bundesamt nichts anderes täte als die sonst zuständige Landesbehörde. Es erteilte eben eine Genehmigung usw., der klassische Fall der Gesetzesausführung, nicht der bloßen Gesetzesbeachtung. Der Bundesvollzug von Landesgesetzen jedoch ist nur unter engen Voraussetzungen möglich 184 , die hier nicht vorliegen dürften. Denn um einen Fall der Planfeststellung handelt es sich nicht, da es nur um eine „einfache" Genehmigungserteilung geht. Auch die weitere Ausnahme, daß der Bundesvollzug bereits im Grundgesetz angelegt ist, liegt nicht vor. Selbst wenn man schließlich der weiten Ansicht Salzwedels folgt und den einfachen Vollzug für zulässig hält, wenn er durch eine bundesgesetzliche Norm abgedeckt ist und die Länder einen solchen Vollzug noch eindeutig wollen 1 8 5 : Auch danach wäre der Vollzug von Landesrecht durch Bundesrecht nicht zulässig, denn es ist keineswegs davon auszugehen, daß die Länder auf ihre Genehmigungsbefugnisse nach Landesrecht hinsichtlich der Bahn verzichten wollen. Angesichts der Vielzahl der Rechtsstreitigkeiten dürfte vielmehr das Gegenteil feststehen. § 4 Abs. 2 AEG (n.F.) ist daher so auszulegen, daß die Deutsche Bahn AG die nach Landesrecht erforderlichen Genehmigungen bei der jeweiligen Landesbehörde einzuholen hat. 182 Dazu oben im Dritten Teil unter C. III. 4. - Im übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht auch entschieden, daß die Verteidigungsverwaltung an das Naturschutzrecht gebunden ist: BVerwG, Urt. v. 20. Januar 1989 - 4 C 15.87 - , BVerwGE 81, S. 220 (226): Bundesverteidigungsverwaltung ist verpflichtet zur Entrichtung landesnaturschutzrechtlicher Ausgleichsabgaben; ebenso bereits Eckardt, NuR 1979, S. 133 (135). 183 BVerwG, Uit. v. 14. April 1989 - 4 C 31.88 - , BVerwGE 82, S. 17 ff.; BVerwG, Urt. v. 29. April 1993 - 7 A 2/92 - , NVwZ 1993, S. 890 f.
1 84 Vgl. soeben unter c. 185 Salzwedel FS Partsch, 1989, S. 581 (596 f.).
E. Zuständigkeit bei Fehlen einer ausdrücklichen Vollzugszuständigkeitszuweisung 145
E. Zuständigkeit im Falle des Fehlens einer ausdrücklichen Vollzugszuständigkeitszuweisung an den Bund Eingangs haben wir danach unterschieden, ob eine ausdrückliche Zuständigkeitsübertragung auf den Bund vorliegt oder nicht 1 8 6 . Nachdem dargelegt wurde, was zu gelten hat, wenn eine solche Vorschrift gegeben ist, fragt sich nun, wie das verfassungsrechtliche Verhältnis von Bundesverwaltung und Landesverwaltung beschaffen ist, wenn eine spezielle bundesgesetzliche Regelung, mit der die Vollzugszuständigkeit für einen bestimmten Sachbereich abweichend vom Regelvollzug auf die Bundesverwaltung übertragen wird, nicht vorhanden ist. Zwei Möglichkeiten kommen in Betracht: Entweder bleibt es dann bei den allgemeinen Vollzugszuständigkeiten der Landesverwaltung 187. Oder es könnte in jedem Einzelfall noch zu prüfen sein, ob sich eine „stillschweigend mitgeschriebene" Vollzugszuständigkeit der Bundesverwaltung unmittelbar aus den Art. 87 ff. GG („kraft Sachzusammenhangs") ergibt 188 .
I. Fehlende bundesgesetzliche Regelung als „Indiz" für die fehlende Verwaltungskompetenz des Bundes? Wie bei der Abgrenzung der Gesetzgebungszuständigkeiten will man z. T. auch bei der Bestimmung des Verhältnisses von Bundesverwaltung und Landesverwaltung mit dem „Indiz"-Kriterium arbeiten. Die fehlende gesetzliche Normierung einer Zuständigkeitsverlagerung soll danach ein „Indiz" dafür darstellen, daß eine Zuständigkeitsverlagerung nicht unerläßlich und eine Verwaltungskompetenz des Bundes daher nicht gegeben ist 1 8 9 . Dem müssen allerdings die gleichen Bedenken entgegengehalten werden wie bereits oben 190 : Die bislang fehlende bundesgesetzliche Normierung kann auf den verschiedensten Gründen beruhen, muß jedenfalls nicht unbedingt darauf zurückzuführen sein, daß die Regelung nicht „unerläßlich" ist. Außerdem ist es unzulässig, die Reichweite der Kompetenzen von der Einschätzung von Verfassungsorganen abhängig zu machen.
186 Vgl. oben C. 187
Dafür spricht sich insbesondere Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 36 ff. aus (am Beispiel des Art. 87 b GG). 188 So etwa Zielfleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, Diss. München 1972, S. 81, nach dem Vollzugszuständigkeiten der Länder gegenüber Bundesbehörden dann durch die Verwaltungskompetenz des Bundes ausgeschlossen sind, wenn die Landeszuständigkeit geeignet wäre, die Eigenständigkeit der Bundesverwaltung zu beeinträchtigen. 189 Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 205. 190 S. o. im Dritten Teil sub C. IV. 2. 10 Schoenenbroicher
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Vierter Teil: Kompetenzen: Bundes- und Landesverwaltung
II. Die Lehre vom institutionellen Gesetzesvorbehalt als Begrenzung der Verwaltungszuständigkeiten des Bundes Besseren Ertrag als die „Indiz-Theorie" verspricht die von Ebsen vorgeschlagene Anwendung der Lehre vom institutionellen Gesetzesvorbehalt 191. Ebsen räumt zwar ein, daß die Regelzuständigkeit der Länder zum Gesetzesvollzug durch Bundesverwaltungskompetenzen kraft Sachzusammenhangs eingeschränkt sein kann. Er will solche Sachzusammenhangskompetenzen allerdings nur anerkennen, wenn ein Bundesgesetz die Bundesverwaltung ausdrücklich zum Gesetzesvollzug ermächtigt. Nach Ebsen besteht hier ein institutioneller Gesetzesvorbehalt, der sich erstens daraus ableitet, daß bereits auf der Gesetzesebene Klarheit über die wechselseitigen Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern bestehen muß; zweitens gerechtfertigt sei, weil die Verwaltungskompetenzen der Länder als subjektive Rechte zu qualifizieren seien, in die Eingriffe des Bundes wegen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots nur in ausdrücklicher gesetzlicher Form erfolgen dürften. Im übrigen sei es für den Bundesgesetzgeber unproblematisch und daher auch zumutbar, sich über die Bereiche erforderlicher Verwaltungskompetenzen des Bundes klar zu werden und die entsprechenden Regelungen zu treffen 192 . Ob dem zu folgen ist, bedarf der Prüfung. Dazu muß zunächst geklärt werden, ob bei der Abgrenzung der Verwaltungskompetenzräume das Rechtsinstitut des institutionellen Gesetzes Vorbehalts 193 überhaupt Anwendung finden kann. Die Lehre vom Gesetzesvorbehalt wurde im Zuge der liberalen Verfassungsentwicklung am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelt. Ausgangspunkt war die Forderung der Stände, daß Eingriffe („ius eminens") in Freiheit und Eigentum der Untertanen („iura quaesita") nur vorgenommen werden durften, wenn die Betroffenen durch ihre Repräsentationsorgane die Zustimmung dazu erteilt hatten 194 ; ein Verlangen, das zugleich demokratische und rechtsstaatliche Aspekte besaß 195 . Der Begriff des Gesetzesvorbehalts als von der jeweiligen Verfassungsstruktur abhängiger terminus 196 war in der Folgezeit größeren Wandlungen unterworfen, die hier nicht weiter dargestellt werden müssen197. In vorlie191 Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 32 ff.; zust. Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 205. 192 Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 37 f. 193 Zu den synonymen Begriffen „Vorbehalt des Gesetzes" und „Gesetzesvorbehalt": Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, 1988, § 62 Rn. 12. 194 Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl. 1968, S. 108: „Freiheit vom Staat durch Teilhabe am Staat". 195 Vgl. Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, 1988, § 62 Rn. 13. Grdl. zur parallelgelagerten Entwicklung des Gesetzesbegriffs: Schmitt, Verfassungslehre, 5. Aufl. 1970, S. 146 ff. 196 Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, 1988, § 62 Rn. 14. 197 Vgl. insbes. Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl. 1968.
E. Zuständigkeit bei Fehlen einer ausdrücklichen Vollzugszuständigkeitszuweisung 147
gendem Zusammenhang ist von Interesse, daß unter der Herrschaft des Grundgesetzes bereits frühzeitig, maßgeblich von Köttgen, die Lehre vom institutionellen Gesetzesvorbehalt entwickelt wurde 198 , die dann insbesondere von Böckenförde weiter vorangetrieben und verfeinert wurde 199 . Damit verbunden ist die Vorstellung, daß bestimmte organisatorische Einrichtungen als solche, aus politischen oder verfassungsstrukturellen Gründen, in ihrer Bildung und Einrichtung dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben 200 . Dem institutionellen Gesetzesvorbehalt unterfallen die organisatorischen Regelungen, die die institutionelle Ordnung des Gemeinwesens berühren 201. Die vollziehende Gewalt soll nicht zu Organisationsregeln befugt sein, die den Gesamtaufbau, die politisch-soziale Grundordnung des Gemeinwesens betreffen bzw. verändern 202. Auch die Regelungen über die Bundesverwaltung stellen institutionelle 203 bzw., was sachlich keinen Unterschied macht, organisatorische 204 Gesetzesvorbehalte dar. Der Grund hierfür liegt nicht primär in der politischen Machtverteilung zwischen Legislative und Exekutive, sondern in der föderativen Begrenzung staatlicher Organisationsgewalt 205. Föderative institutionelle Gesetzesvorbehalte hinsichtlich der Verlagerung von Verwaltungszuständigkeiten können geschriebener (Beispiel: Art. 87 Abs. 3 GG 2 0 6 ) oder ungeschriebener Art sein 207 . Als Anwendungsfall der Lehre vom föderativen institutionellen Gesetzesvorbehalt wird insbesondere die Notwendigkeit des Erlasses organisatorischer Regelungen des Bundes, die die Verwaltungshoheit der Länder betreffen, angesehen208. Die hier zu behandelnde spezielle Frage, ob und inwieweit einfachgesetzlich nicht ausdrücklich normierte Vollzugsverlagerungen anzuerkennen sind, hat, soweit ersichtlich, in der allgemeinen Diskussion um die Reichweite des institutio198 Köttgen, VVDStRL 16 (1958), S. 154 (161). 199 Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 89 ff., 92, 95. 200 Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 95. Zum Begriff weiter: Schnapp, in: v. Münch / Kunig, GG I, 4. Aufl. 1992, Art. 20 Rn. 46; Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl. 1976, § 78 I I b 2 (S. 130 f.). 201 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl. 1976, § 78 I I b 2 (S. 130 f.). 202 OVG NW, Urt. v. 13./27. September 1979 - X V I A 2693/78 - , DÖV 1980, S. 528 (529). 203 Köttgen, VVDStRL 16 (1958), S. 154 (164). 204 Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 100. 205 Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 100: „förderativer Organisationsvorbehalt". Zust. Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl. 1976, § 78 II b 2 (S. 131). 206 Dazu: Burmeister, Herkunft, Inhalt und Stellung des institutionellen Gesetzes Vorbehalts, 1991, S. 147 ff., 152 ff.; Krebs, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, 1988, § 69 Rn. 58 f.; Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, 1988, § 62 Rn. 28. 207 Dazu insbes. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht H, 4. Aufl. 1976, § 78 I I b 2 (S. 131). 208 Wolff/Bachof (Fn. zuvor). 10*
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Vierter Teil: Kompetenzen: Bundes- und Landesverwaltung
nellen Gesetzesvorbehalts noch keine Aufmerksamkeit erfahren. Gleichwohl ist Ebsen darin Recht zu geben, wenn er für diesen Bereich einen ungeschriebenen föderativen institutionellen Gesetzesvorbehalt bejaht. Gesichtspunkte vertikaler Gewaltenteilung wie auch rechtsstaatliche Argumente legen diese Ansicht nahe. In bundesstaatlicher Hinsicht ist Ebsen in der Forderung beizupflichten, daß bereits auf der Gesetzesebene klar sein muß, welche Behörde zur Ausführung welchen Gesetzes zuständig ist. Die notwendige Klarheit ist im Fall des Regelvollzugs gegeben, weil sich die Behördenzuständigkeit aus dem Grundgesetz selbst ablesen läßt. Anders dagegen, wenn man stillschweigende Vollzugsverlagerungen zuließe: Dann wäre ständig unklar, welche Behörde für welche Verwaltungsentscheidung zuständig ist. Dies würde nicht nur latent Auseinandersetzungen und Schwierigkeiten föderaler Art provozieren, sondern widerspräche auch dem rechtsstaatlichen Gebot der Klarheit und Bestimmtheit, das selbstverständlich auch für die bundesstaatliche Behördenorganisation gilt. Für diese notwendige Klarheit und Bestimmtheit aber kann nur der Gesetzgeber sorgen. Würde man anders entscheiden, käme zudem das Folgeproblem hinzu, daß unklar wäre, wer letztlich die parlamentarische Verantwortung für eine bestimmte Entscheidung zu tragen hat. Auch dies aber muß von vornherein klar und ohne weiteres nach eindeutigen Vorschriften bestimmbar sein. Schließlich ist Ebsen auch darin zuzustimmen, daß keine schutzwürdigen Interessen des Bundes verkannt werden, wenn man ihm zumutet, von seiner etwaigen Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit Gebrauch zu machen und eine ausdrückliche vollzugsverlagernde Vorschrift zu erlassen, falls er der Meinung ist, der Gesetzesvollzug werde in einem bestimmten Fall besser von einer Bundes- als einer Landesbehörde durchgeführt. Dies hat den für die föderale Struktur der Bundesrepublik durchaus positiven Effekt, daß der Bund gezwungen wird, in jedem einzelnen Fall genau zu prüfen, ob eine Zuständigkeitsverlagerung „unerläßlich" ist. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der Bundesgesetzgeber selbst, auch und gerade der Gesetzgeber des Eisenbahnneuordnungsgesetzes209, ebenfalls von der Notwendigkeit zur ausdrücklichen einfachrechtlichen Anordnung der Zuständigkeitsverlagerung ausgeht. Dies ergibt sich daraus, daß in einer ganzen Reihe von Rechtsvorschriften ausdrückliche Vollzugsverlagerungen von den an sich zuständigen Landesbehörden auf das Eisenbahn-Bundesamt angeordnet sind 210 . Diese Vorschriften wären sinnlos, wenn der Bundesgesetzgeber stillschweigende Vollzugsverlagerungen für zulässig hielte 211 . Da dem Bundesgesetzgeber selbst das Pro209 BGBl. 1993 I, S. 2378. 210 Als Beispiele seien hier nur genannt: § 79 BSeuchenG (BGBl. 1993 I, S. 2409); § 24 Abs. 1 Satz 2 AtomG (BGBl. 1993 I, S. 2413); § 14 Abs. 2 GerätesicherheitsG (BGBl. 1993 I, S. 2414). 211 Deswegen ist, wie oben dargelegt, eine entsprechende „weite" Auslegung des § 4 Abs. 2 AEG (n.F.) auch nicht angezeigt.
F. Zusammenfassung: Bundesverwaltung und Landesverwaltung
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blem offensichtlich bekannt ist, kann man mit Fug und Recht von ihm verlangen, entsprechende Vorschriften auch bei einem neu erkannten Bedürfnis zu erlassen. Das hier gefundene Ergebnis ist hältnis von Bundesverwaltung und dort gefordert, daß eine Ausnahme geordnet sein muß 2 1 2 , so gilt das die Bundesverwaltung.
damit zugleich kongruent zu unserer im VerLandesrecht entwickelten Lösung. Haben wir von der Gesetzesbindung einfachrechtlich angleiche für etwaige Vollzugs Verlagerungen auf
F. Zusammenfassung: Die bundesstaatlichen Vorgaben für das Verhältnis von Bundesverwaltung und Landesverwaltung Im Ergebnis ist festzuhalten, daß hinsichtlich der Vollzugsbefugnisse der Bundesverwaltung in Abgrenzung zu jenen der Landesverwaltung wiederum nach dem Vorliegen einer einfachgesetzlichen Regelung zu differenzieren ist. Fallgruppe 1: Falls eine entsprechende Vorschrift gegeben ist, ist zwischen dem Vollzug von Bundesrecht und dem von Landesrecht zu unterscheiden. Hinsichtlich des Vollzugs von Bundesrecht sind die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten des Bundes nicht zu überspannen. Schwieriger ist es, die Übertragung des Vollzugs von Landesrecht zu beurteilen. Bei der praktisch bedeutsamen Zuständigkeitskonzentration in der Planfeststellung ist der Gedanke der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung entscheidend. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt die Erstreckung der Zuständigkeit von Bundesbehörden in den landesrechtlich geregelten Bereich. Zwar handelt es sich dann um den Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden, doch ist dies eine zwangsläufige Folge der kompetentiell gerechtfertigten Erstreckung und daher verfassungsrechtlich ebenfalls zulässig. Die Zuständigkeitskonzentration bewirkt jedoch nur den Übergang der Ausübungsbefugnis in der Planfeststellung, nicht den Verlust der Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnisse hinsichtlich des sekundären materiellen Rechts als solcher. Da diese Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnisse der Länder hinsichtlich des sekundären materiellen Rechts subjektive öffentliche Rechte im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO darstellen, ist die Klagebefugnis der Länder gegen Planfeststellungen des Bundes, in denen das Landesrecht nach Ansicht des betreffenden Landes fehlerhaft zur Anwendung gebracht wurde, zu bejahen. Fallgruppe 2: Falls eine ausdrückliche Zuständigkeitsverlagerungsvorschrift des Bundes nicht vorliegt, ist die Völlzugsverlagerung ausgeschlossen; insoweit besteht ein institutioneller Gesetzesvorbehalt. Dieses Ergebnis deckt sich mit dem im Dritten Teil erarbeiteten Ergebnis, daß eine Ausnahme von der Gesetzesbindung nur bei einer entsprechenden ausdrücklichen einfachrechtlichen Anordnung anzuerkennen ist. 212 Vgl. oben im Dritten Teil sub C. IV. 4.
ter Teil
A r t und Umfang der Gesetzesbindung der Bundesverwaltung A. Problemaufriß Nachdem die genuin bundesstaatlich-kompetentiellen Vorgaben für das Verhältnis von Bundesverwaltung und Landeshoheit geklärt sind, können wir uns nun der Frage zuwenden, wie die Gesetzesbindung der Bundesverwaltung an das Landesrecht oder an das von der Landesverwaltung zur Anwendung zu bringende allgemeine Bundesrecht1 genau beschaffen ist. Die Fragestellung mag auf den ersten Blick überraschen. Man könnte meinen, daß dann, wenn der Bund von der Geltung des allgemeinen Gesetzes durch eigene Vorschriften oder befreiende Landesnormen nicht ausgenommen sei, feststehen müsse, daß er an das Landesrecht je nach dessen Geltungsanspruch gebunden sei; hinsichtlich der Bindung an Bundesgesetze, die von der Landesverwaltung gegenüber zur Anwendung gebracht werden, müsse dies erst recht gelten. Ob dem tatsächlich so ist, ist jedoch keineswegs sicher, sondern schon seit längerem und gerade wieder in der letzten Zeit Gegenstand des Streits, der sich insbesondere an der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entzündet, wonach die Gesetzesbindung der Bundesverwaltung, zumindest was die Bindung außerhalb von ihr durchzuführender Planfeststellungsverfahren angeht, unter einem allgemeinen Abwägungsvorbehalt stehen soll 2 . Vorab sind zwei verschiedene Ausgangskonstellationen auseinander zu halten. Zu beachten ist nämlich, daß es einen Unterschied machen kann, ob die Bundes1
Auch die genaue Ausgestaltung der Gesetzesbindung der Bundesverwaltung an das Bundesrecht, das die Landesverwaltung gegenüber der Bundesverwaltung zur Anwendung bringen will, kann problematisch sein, dazu ausf. jüngst Delbrück, Umweltpflichtigkeit der öffentlichen Verwaltung, 1992, S. 113 ff. In der vorliegenden Arbeit geht es in erster Linie um die Bindung an fachfremdes allgemeines materielles und formelles Landesrecht. Die genaue Ausgestaltung der Bindung an Bundesrecht wird in diesem Rahmen jedoch mitbehandelt, weil die dogmatischen Fragen die gleichen sind. Wenn also von der Beachtung des Landesrechts gesprochen wird, dann gilt dies prinzipiell auch für die Beachtung des allgemeinen fachfremden Bundesrechts. 2 Vgl. hier nur BVerwG, Urt. v. 16. Januar 1968 - I A 1.67 BVerwGE 29, S. 52 (58); BVerwG, Urt. v. 8. Februar 1974 - VII C 16.71 - , BVerwGE 44, S. 351 (358); BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - 7 C 65.88 - , BVerwGE 82, S. 266 (270); s. im Ersten Teil sub A. II. 5 - 7 .
A. Problemaufriß
151
Verwaltung bei ihrer (gesetzesfreien) Aufgabenwahrnehmung das allgemeine fachfremde Recht lediglich zu beachten hat (Fallgruppe 1) oder ob sie in einem eigenen Verwaltungsverfahren, insbesondere Planfeststellungsverfahren, Landesrecht zur Ausführung bringt (Fallgruppe 2). Fallgruppe 1 betrifft Konstellationen wie in dem Forstpolizei-Urteil 3, dem Langeoog-Fall4 oder der Kontroverse um den Abriß des alten Plenarsaal-Gebäudes5: „Einfache" Aufgabenwahrnehmung im Wege gesetzesfreier Verwaltung (und sei es, wie in dem Forstpolizei-Urteil, als Eigentümer eines Verteidigungszwecken dienenden Grundstücks), die allgemeinen materiellrechtlichen Vorschriften des Landesrechts unterfällt und für die nach formellem Landesrecht Erlaubnisse usw. bzw. bestimmte sonstige formelle Akte (Forstpolizei-Urteil: Unterschutzstellung unter die Forsthoheit und Aufnahme in das Waldverzeichnis) vorgesehen sind. Die Bundesverwaltung ist hier prinzipiell in der Rolle des „Jedermann-Betroffenen", „in der Rolle eines schlichten Normadressaten" 6. Sie ist Adressat landesrechtlicher Ge- und Verbotsnormen und „Gegenüber" der mit dem Gesetzesvollzug betrauten Landesbehörden7. Fallgruppe 2 betrifft umgekehrt die Gesetzesbindung der Bundesverwaltung in von ihr durchzuführenden Verwaltungsverfahren. Praktisch bedeutsam ist hier, ob und wie genau die Planfeststellungsbehörden des Bundes an sekundäre landesrechtliche Tatbestände gebunden sind. Hier ist die Bundesverwaltung nicht als schlichter Normadressat betroffen, sondern sie selbst ist es, die qua Zuständigkeitskonzentration über landesrechtliche Tatbestände entscheidet8. Da hinsichtlich dieser beiden unterschiedlichen Ausgangssituationen durchaus unterschiedliche rechtliche Erwägungen Platz greifen und man zu divergierenden Schlußfolgerungen gelangen könnte, ist es angezeigt, beide Fallgruppen getrennt zu untersuchen.
3 BVerwG, Urt. v. 16. Januar 1968 - 1 A 1.67 - , BVerwGE 29, S. 52 ff. 4 BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - I C 65.88 - , BVerwGE 82, S. 266 ff. 5 Vgl. Salzwedel, NWVBL 1988, S. 97 ff. 6 Köngen, JÖRN.F. 11 (1962), S. 173 (214). 7 Zu dieser Rechtsposition der Bundesverwaltung: Köngen (Fn. zuvor); Scholz, DVB1. 1969, S. 115 (116); ferner Fromm, DVB1. 1969, S. 289 (292). 8 Zu der Distinktion auch: Ebsen, Militärische Bodennutzung, 1988, S. 40 f.; Fromm, DVB1. 1969, S. 289 (292). Zu der Anwendung des Landesrechts als Landesrecht s. oben im Vierten Teil sub D. II. 2.
152
Fünfter Teil: Art und Umfang der Gesetzesbindung der Bundesverwaltung
B. Die Bindung der Bundesverwaltung an das Landesrecht als „schlichter Normadressat" Wenden wir uns als erstes dem Gesetzesvollzug durch Landesbehörden zu, der sich gegen einen Gegenstand der bundeseigenen Verwaltung als schlichten Normadressaten richtet. Es empfiehlt sich, zunächst einmal die hierzu vertretenen Ansichten zusammenzustellen, bevor eine eigene Ansicht zu entwickeln ist.
I. Meinungsstand 1. Rechtsprechung Das Bundesverwaltungsgericht betont zwar verbal die grundsätzliche Bindung der Bundesverwaltung an das kompetenzgemäß erlassene Landesrecht9. Diese Aussage wird allerdings regelmäßig dadurch gleich wieder relativiert, daß die Bindung nur unter dem Vorbehalt gelten soll, daß die im Einzelfall kollidierenden öffentlichen Interessen gegeneinander abzuwägen sind. Diese Abwägung habe nach solchen Gesichtspunkten zu erfolgen, die das Wohl der Allgemeinheit in allen seinen Beziehungen umfaßten; im Ergebnis sei dann entweder den von der Bundesverwaltung verfolgten oder den durch das Landesrecht geschützten Interessen der Vorzug einzuräumen 10. Die Folgerungen daraus waren ganz unterschiedlich 11: So hatte die Bundeswehr in dem Forstpolizei-Urteil die Unterstellung der Waldparzelle unter die Landesforsthoheit hinzunehmen, weil damit, „solange noch nichts weiter geschieht"12, nicht auf die hoheitliche Verteidigungstätigkeit eingewirkt werde. In der GronauEntscheidung hat das Gericht ausgeführt, die Bundesbahn könne ihr Interesse an der Bezeichnung ihrer Bahnhöfe in dem jeweiligen kommunalen Namensänderungsverfahren zur Sprache bringen. Dort hätten die zuständigen Landesorgane etwa auch die Kosten in Betracht zu ziehen, die anderen Verwaltungsträgern aus der Namensänderung erwüchsen. Ausnahmsweise könne das gemeindliche Interesse 9 Grdl.: BVerwG, Urt. v. 16. Januar 1968 - 1 A 1.67 - , BVerwGE 29, S. 52 (59). - Ferner: BVerwG, Urt. v. 8. Februar 1974 - V I I C 16.71 - , BVerwGE 44, S. 351 (357 ff.); BVerwG, Urt. v. 6. Juli 1979 - I C 100.78 - , DÖV 1980, S. 97; BVerwG, Urt. v. 6. Juli 1979 - I C 15.76 - , DÖV 1980, S. 99; BVerwG, Beschl. v. 23. März 1984 - 4 B 43.84 - , DÖV 1984, S. 814; BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - I C 65.88 - , BVerwGE 82, S. 266 ff.; BVerwG, Beschl. v. 23. März 1993 - 7 B 126.92 - , DÖV 1993, S. 826 f. In der Lehre hatte zuvor bereits Köttgen, JöR N.F. 11 (1962), S. 173 (214) mit Entschiedenheit auf die grundsätzliche Bindung der Bundesverwaltung an Landesrecht aufmerksam gemacht. 10 Vgl. nur BVerwG, Urt. v. 16. Januar 1968 - 1 A 1.67 - , BVerwGE 29, S. 52 (59). 11 Vgl. auch oben im Dritten Teil sub C. II. 1. 12 BVerwG, Urt. v. 16. Januar 1968 - 1 A 1.67 - , BVerwGE 29, S. 52 (59).
B. Bindung als „schlichter Normadressat"
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an der Verwendung des Namens auch gegenüber den betrieblichen Erfordernissen der Bahn zurückstehen (Verwendung von Doppelnamen usw.) 13 . In dem Beschluß vom 23. März 1984, in dem der 4. Senat Ausführungen zur Reichweite der Planfeststellung macht, obwohl die Bahn kein Planfeststellungsverfahren durchgeführt hatte, sondern lediglich als schlichter Normadressat betroffen war, hält der Senat die vorläufige Eintragung in die Denkmalliste für zulässig, weil damit kein Eingriff in das Planfeststellungsverfahren verbunden sei 14 . In der Langeoog-Entscheidung schließlich wird dann ganz umfassend und bis in alle Einzelheiten abgewogen 15 . Allerdings gibt der 7. Senat zu, daß auch er alle Aspekte, die bei der Abwägung eine Rolle spielen könnten, nicht a priori benennen könne 16 . Nach dem Geltungsanspruch des anzuwendenden Landesrechts, also etwa danach, ob es sich um einen Fall der gebundenen oder der Ermessensverwaltung handelt oder unbestimmte Rechtsbegriffe anzuwenden sind, richtet sich das Bundesverwaltungsgericht zumindest nicht explizit 17 . Auch eine Unterscheidung nach materiellen und formellen Anforderungen nimmt es jedenfalls ausdrücklich nicht vor, ebenso wenig, wie es generelle Kriterien, nach denen sich die Abwägung richten könnte, vorgibt. Allerdings fällt auf, daß sich der allgemeine Abwägungsvorbehalt häufig zuungunsten der formellen Anforderungen, also der Genehmigungsvorbehalte und Eingriffsbefugnisse des allgemeinen und fachfremden Rechts auswirkt: Was man als „Anordnung" oder „Eingrifft' qualifizieren könnte, soll, ebenso wie landesrechtliche Genehmigungserfordernisse, unzulässig sein 18 . Das kündigt sich schon in der Forstpolizei-Entscheidung 19 an und wird in der Entscheidung vom 20. September 1989 20 und im Langeoog-Urteil 21 ganz deutlich: Der erstgenannten Entscheidung zufolge soll es unzulässig sein, daß die Bahn die Anlage, ein Kontrollbuch und sonstige Aufzeichnungen über den Betrieb einer Abwasserreinigungsanlage der landesbehördlichen Aufsicht zugänglich halten soll, während in dem Langeoog-Fall das Genehmigungserfordernis entfallen soll.
13 Vgl. BVerwG, Urt. v. 8. Februar 1974 - V I I C 16.71 - , BVerwGE 44, S. 351 (357 f.). 14 BVerwG, Beschl. v. 23. März 1984 - 4 B 43.84 - , DÖV 1984, S. 814. 15 Vgl. dazu die Erwägungen in BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - 7 C 65.88 - , BVerwGE 82, S. 266 (270 f.). 16 BVerwG, Urt. v. 28. Juli 1989 - I C 65.88 - , BVerwGE 82, S. 266 (271): „Was dies im einzelnen bedeutet, ist aus Anlaß des von der Klägerin gestellten, generell gefaßten Feststellungsantrages hier nicht zu entscheiden.". Zu dieser Vorwegnahme des Entscheidungsverfahrens durch das Gericht vgl. im Sechsten Teil unter B. II. 3. 17 Anders etwa das OVG NW, Urt. v. 15. Dezember 1983 - I I A 1949/83 - , DÖV 1984, S. 475 (476). 18 Hier ist der Befund der gleiche wie bereits oben bei der Kompetenzfrage, s. im Dritten Teil unter C. II. 1. b. 19 BVerwG, Urt. v. 16. Januar 1968 - 1 A 1.67 BVerwGE 29, S. 52 (59 f.). 20 BVerwG, Beschl. v. 20. September 1989 - 7 B 135/89 -,